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Marburger Zeitung. Nr. 155, Marburg, 27.12.1906.

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Nr. 155, 27. Dezember 1906 Marburger Zeitung

[Spaltenumbruch] Erhartic endlich einmal geschehen, es möge eine
Volksversammlung einberufen werden. Das ge-
schieht nur -- aber nicht wegen des windisch-
nationalen Richters, der schon zu so vielen
nutzlosen Klagen in der "D. W." Anlaß gab,
sondern -- wegen des letzten "Cillier[-]Briefes" der
"Marburger Zeitung". Die betreffenden paar Herren
sollen sich doch nicht lächerlich machen, sollen be-
denken, daß sie auf die unabhängige "Marb. Zeit."
gar keinen Einfluß ausüben können, auch dann
nicht, wenn sie ihre völkische Pflicht an den Nagel
hängen und sich mit einer Cillier Versammlungs-
Don Quichoterie unter die Traufe der Lächerlichkeit
stellen. Die "Marburger Zeitung" wird dank ihrer,
von keinem Parteizwange getrübten Unabhängigkeit
nach wie vor Einsendungen aus ihrem Leserkreise
aufnehmen, ohne auf die Erlaubnis einiger uns
nicht "Maßgebenden" Cillis zu warten. Sachliche
Entgegnungen werden von uns gewiß entgegen-
genommen, aber die Art, in der einige Herren mit
der Presse umzugehen gewohnt scheinen, dürfte sich
über die Stadtmauern von Cilli nicht erstrecken!

Schon wieder ein Zensurstücklein.

Be-
kanntlich hat man in der vorigen Spielzeit für
Marburg die "Filia hospitalis" verboten und nun
erfahren wir schon wieder von einem neuen Zensur-
stücklein. Die von dem Charakterdarsteller unseres
Theaters, Herrn Carlo Felda, für seinen Benefize-
abend in Aussicht genommene Komödie "Die
Bluthochzeit"
von Albert Lindner wurde von
der Zensur verboten. Ein Stück, das beinahe
Anspruch auf Klassizität hat und eines der meist
gegebenen Repertoirestücke aller deutschen Bühnen
war. (Wir verweisen auf das durch einen merk-
würdigen Zufall um eben diese Zeit erschienene
Feuilleton des "Neuen Wiener Journal" vom
25. d.: "Neues über den Dichter der "Bluthochzeit"
von Oskar Tann Bergler.") Herr Felda rekurriert
selbstredend gegen diese Entscheidung an die Statt-
halterei und kann man auf den Ausgang wirklich
gespannt sein.

Vortragsabend.

Der Deutsche Handwerker-
verein veranstaltet am Samstag, den 29. d. M.,
abends 8 Uhr, im oberen Speisesaale des Kasinos
einen Vortrag mit Lichtbildern über die Nürnberger
bairische Landes-Jubiläums-Ausstellung 1906 und
ladet dazu alle Handwerker und Interessenten mit
ihren Angehörigen ein. Den Vortrag hält der Ob-
mann des Vereines, der diese Ausstellung im Auf-
trage des steirischen Landesausschusses als Delegierter
besichtigt hat.

Schwere Anklagen

gegen den Bezirks-
hauptmann
von Rann, Herrn v. Vistarini,
erhebt ein slowenisches untersteirisches und die
Laibacher Slowenenblätter. Die Anklagen drehen sich
hauptsächlich um die Verteilung der Notstands-
gelder,
die Herrn v. Vistarini anvertraut waren.
Besitzer sollen 10, 20, 30 K. erhalten haben,
während in den Ausweisen 110, 120, 130 K. an-
gegeben worden seien. Allein in drei Gemeinden
soll die Differenz zwischen wirklicher Ver-
teilung und amtlichem Ausweis 3000 Kronen
betragen. Auch soll v. Vistarini öffentliche
Gelder auf seinen Namen in der Sparkasse
hinterlegt haben. -- Da die slovenischen Blätter
eine Fülle von Angaben bringen, so wird die k. k.
Statthalterei dieser Angelegenheit entschieden nahe
treten müssen, um entweder den Bezirkshauptmann
wieder zu rehabilitieren oder im anderen Falle die
Folgen tragen zu lassen.




Schaubühne.

Am 23. d. M. wurde Jaques Offenbachs be-
kannte komische Operette "Die schöne Helena" ge-
geben. Ob nun die vielleicht schon etwas veralteten
Witze M. Mailhaes und L. Halevys Homertravestie
oder die uns allen wohlbekannten, einschmeichelnden
[Spaltenumbruch] Weisen Offenbachs oder vielleicht gar der pikante
Reiz, welcher "Die schöne Helena" umgibt, es be-
wirken, daß diese Operette sich noch immer auf dem
Spielplane jeder Operettenbühne erhält, ja sogar
noch oft volle Häuser sieht, wer wollte dies ent-
scheiden? Eines ist aber gewiß, daß bei der sonn-
täglichen Aufführung der "schönen Helena" kaum
ein Plätzchen leer geblieben ist; dies geschah aber
wohl in erster Linie deshalb, weil es der Ehren-
abend unserer beliebten, ersten Operettensoubrette
Frl. Sustrovits war. Die Sympathien, deren
sie sich beim Marburger Theaterpublikum mit Necht
erfreut, kamen in den vielen Blumen- und sonstigen
Spenden, die ihr am Ende des ersten Aktes gereicht
wurden, zum Ausdrucke. Frl. Sustrovits wußte
durch ihre Erscheinung und ihre Toiletten in reiz-
u[n]d anmutsvoller Weise "Die schöne Helena" zu
verkörpern und hatte auch Gelegenheit, in gesang-
licher und darstellerischer Hinsicht sich ins beste
Licht zu stellen.

Unter den übrigen Darstellern seien in erster
Linie (der auf Automobil nach Kreta fahrende)
Menelaus des Herrn Josef Weninnger und der
Kalchas des Herrn Josef Richter erwähnt, die
ganz prächtige, komische "Homer"-Gestalten boten.
Auch Herrn Stefan Stefanys Leistung als Paris
war eine recht befriedigende. Der Orestes des Frl.
Deutz war ein ganz flotter Bursche und Agamemnon,
die beiden Ajaxe und der Achilles der Herren
Carlo Felda, Emanuel von Grobetti, Alfred
Lejeune und Otto Langer trugen gleichfalls
zur Heiterkeit des Abends bei.

Am animiertesten war das Spiel im ersten
Akte, in welchem den Darstellern die auch sattsam
benützte Gelegenheit geboten war, zu extemporieren,
während im an und für sich schwächsten dritten
Akte ein etwas flotteres Zusammenspiel erwünscht
gewesen wäre.

Frühlingsluft atmet tatsächlich die reizende
Operette "Frühlingsluft". Unter diesen Zeichen
stand die gestrige Aufführung dieser Operette, wenn
auch draußen der strenge Winter noch alles in
Banden hält. Es war wirklich ein gelungener
Abend, alle Mitwirkenden hatten gebürenden Anteil
daran, vom braven Orchester und dem Chor ange-
fangen, der, vielleicht mitgerissen durch das flotte
Libretto und die hinreißenden Strauß'schen Melodien,
diesmal recht befriedigendes bot, bis zur Hanni des
Frl. Deutz. Diese Sängerin traf gerade so gut
das Wesen des neugierig in die Großstadt kommen-
den Landdirnchens wie des lebenslustigen Stadt-
mädchens, welches förmlich als Sinnbild der
Frühlingsluft alles in seinen Bannkreis zu ziehen
versteht. Gleich vortrefflich wie ihr Spiel war
Frl. Deutz auch im Gesang. Allerliebst war ihr
Spiel und Tanz im Pfeiflied und reizend tanzte
sie den Cakewalk. Doch auch nicht unbelohnt
blieb ihre Darstellung; sie fand nicht nur leb-
haften Beifall, auch der so heißersehnte Sonnenschirm
wurde ihr am Ende des zweiten Aktes gereicht.
Ihr Partner, Herr Grobetti, spielte den Hilde-
brand recht gut. Ein köstlicher Vinzenz Knickebein
war Herr Josef Weninger und auch Dr. Gustav
Landtmann und dessen Frau Emilie wurden von
Herrn Stefany und Frl. Windsor sehr gut
gesungen und gespielt. Frl. Sustrovits wußte die
[Spaltenumbruch] kleine Rolle der Baronin von Croise in feiner und
eleganter Weise zu bringen.

Die Apollonia Knickebein der Frau Marie
Swoboda-Ovary, der Restaurateur Dannhauser
des Herrn Josef Richter, der Baron v. Croise
des Herrn Felda waren recht hübsche Leistungen,
besonders aber verdient Herr Lejeune, welcher den
Kellner Nazi mit urwüchsiger Komik gab, lobend
hervorgehoben zu werden. Die Balletteinlage "Rosen-
hochzeit" im dritten Akte mit dem Rosenbrautpaare
der Frl. Bauer und Koren bot ein schönes
Bild. Die Operette war sehr hübsch inßeniert, das
Haus war sehr gut besucht und spendete reichlichen
und verdienten Beifall. --p--




[irrelevantes Material]


Nachtrag.
Bevorstehende Scheidung der Ehe Leopold
Wölflings.

Zürich, 26. Dezember. Seit zwei Wochen ist
hier das Gerücht verbreitet, Leopold Wölfling,
der ehemalige Erzherzog Leopold, habe die Absicht,
sich von seiner Gattin, geborenen Wilhelmine
Adamovich, scheiden zu lassen.

+ Graf Eugen Zichy.

Der ungarische Reichstagsabgeordnete Graf
Eugen Zichy, der am 24. d. in Meran von
einem Schlaganfall betroffen wurde, ist in der Nacht
vom 25. auf den 26. d. ohne sein Bewußtsein
wieder erlangt zu haben, gestorben. An seinem
Krankenlager befand sich auch sein Sohn Graf
Rafael Zichy. Der Leichnam wird nach Ungarn
gebracht werden. Graf Eugen Zichy hat ein
Alter von 71 Jahren erreicht.




Beobachtungen an der Wetterwarte der Landes-Obst- und Weinbauschule in Marburg
von Montag, den 17 Dezember bis einschließlich Sonntag, den 23. Dezember 1906



Tag Luftdruck-Tagsm.
(0° red. Baromet.)
Temperatur n. Celstus Bewölkung,
Tagesmittel
Rel. Feuchtigkeit
in Prozenten
Niederschläge m / m Bemer-
kungen
7 Uhr früh2 Uhr mittags9 Uhr abendsTagesmittelMaximumMinimum
in der Luftam Bodenin der
Luft
am
Boden
Montag740.4--4.33.0--2.0--1.13.43.0--5 1--12.2379--nachts Schnee
Dienstag740.9--2.71.0--1 8--1.21.22.1--3.0--7.01091--" "
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[irrelevantes Material]

Nr. 155, 27. Dezember 1906 Marburger Zeitung

[Spaltenumbruch] Erhartic endlich einmal geſchehen, es möge eine
Volksverſammlung einberufen werden. Das ge-
ſchieht nur — aber nicht wegen des windiſch-
nationalen Richters, der ſchon zu ſo vielen
nutzloſen Klagen in der „D. W.“ Anlaß gab,
ſondern — wegen des letzten „Cillier[-]Briefes“ der
„Marburger Zeitung“. Die betreffenden paar Herren
ſollen ſich doch nicht lächerlich machen, ſollen be-
denken, daß ſie auf die unabhängige „Marb. Zeit.“
gar keinen Einfluß ausüben können, auch dann
nicht, wenn ſie ihre völkiſche Pflicht an den Nagel
hängen und ſich mit einer Cillier Verſammlungs-
Don Quichoterie unter die Traufe der Lächerlichkeit
ſtellen. Die „Marburger Zeitung“ wird dank ihrer,
von keinem Parteizwange getrübten Unabhängigkeit
nach wie vor Einſendungen aus ihrem Leſerkreiſe
aufnehmen, ohne auf die Erlaubnis einiger uns
nicht „Maßgebenden“ Cillis zu warten. Sachliche
Entgegnungen werden von uns gewiß entgegen-
genommen, aber die Art, in der einige Herren mit
der Preſſe umzugehen gewohnt ſcheinen, dürfte ſich
über die Stadtmauern von Cilli nicht erſtrecken!

Schon wieder ein Zenſurſtücklein.

Be-
kanntlich hat man in der vorigen Spielzeit für
Marburg die „Filia hospitalis“ verboten und nun
erfahren wir ſchon wieder von einem neuen Zenſur-
ſtücklein. Die von dem Charakterdarſteller unſeres
Theaters, Herrn Carlo Felda, für ſeinen Benefize-
abend in Ausſicht genommene Komödie „Die
Bluthochzeit“
von Albert Lindner wurde von
der Zenſur verboten. Ein Stück, das beinahe
Anſpruch auf Klaſſizität hat und eines der meiſt
gegebenen Repertoireſtücke aller deutſchen Bühnen
war. (Wir verweiſen auf das durch einen merk-
würdigen Zufall um eben dieſe Zeit erſchienene
Feuilleton des „Neuen Wiener Journal“ vom
25. d.: „Neues über den Dichter der „Bluthochzeit“
von Oskar Tann Bergler.“) Herr Felda rekurriert
ſelbſtredend gegen dieſe Entſcheidung an die Statt-
halterei und kann man auf den Ausgang wirklich
geſpannt ſein.

Vortragsabend.

Der Deutſche Handwerker-
verein veranſtaltet am Samstag, den 29. d. M.,
abends 8 Uhr, im oberen Speiſeſaale des Kaſinos
einen Vortrag mit Lichtbildern über die Nürnberger
bairiſche Landes-Jubiläums-Ausſtellung 1906 und
ladet dazu alle Handwerker und Intereſſenten mit
ihren Angehörigen ein. Den Vortrag hält der Ob-
mann des Vereines, der dieſe Ausſtellung im Auf-
trage des ſteiriſchen Landesausſchuſſes als Delegierter
beſichtigt hat.

Schwere Anklagen

gegen den Bezirks-
hauptmann
von Rann, Herrn v. Viſtarini,
erhebt ein ſloweniſches unterſteiriſches und die
Laibacher Slowenenblätter. Die Anklagen drehen ſich
hauptſächlich um die Verteilung der Notſtands-
gelder,
die Herrn v. Viſtarini anvertraut waren.
Beſitzer ſollen 10, 20, 30 K. erhalten haben,
während in den Ausweiſen 110, 120, 130 K. an-
gegeben worden ſeien. Allein in drei Gemeinden
ſoll die Differenz zwiſchen wirklicher Ver-
teilung und amtlichem Ausweis 3000 Kronen
betragen. Auch ſoll v. Viſtarini öffentliche
Gelder auf ſeinen Namen in der Sparkaſſe
hinterlegt haben. — Da die ſloveniſchen Blätter
eine Fülle von Angaben bringen, ſo wird die k. k.
Statthalterei dieſer Angelegenheit entſchieden nahe
treten müſſen, um entweder den Bezirkshauptmann
wieder zu rehabilitieren oder im anderen Falle die
Folgen tragen zu laſſen.




Schaubühne.

Am 23. d. M. wurde Jaques Offenbachs be-
kannte komiſche Operette „Die ſchöne Helena“ ge-
geben. Ob nun die vielleicht ſchon etwas veralteten
Witze M. Mailhaes und L. Halevys Homertraveſtie
oder die uns allen wohlbekannten, einſchmeichelnden
[Spaltenumbruch] Weiſen Offenbachs oder vielleicht gar der pikante
Reiz, welcher „Die ſchöne Helena“ umgibt, es be-
wirken, daß dieſe Operette ſich noch immer auf dem
Spielplane jeder Operettenbühne erhält, ja ſogar
noch oft volle Häuſer ſieht, wer wollte dies ent-
ſcheiden? Eines iſt aber gewiß, daß bei der ſonn-
täglichen Aufführung der „ſchönen Helena“ kaum
ein Plätzchen leer geblieben iſt; dies geſchah aber
wohl in erſter Linie deshalb, weil es der Ehren-
abend unſerer beliebten, erſten Operettenſoubrette
Frl. Suſtrovits war. Die Sympathien, deren
ſie ſich beim Marburger Theaterpublikum mit Necht
erfreut, kamen in den vielen Blumen- und ſonſtigen
Spenden, die ihr am Ende des erſten Aktes gereicht
wurden, zum Ausdrucke. Frl. Suſtrovits wußte
durch ihre Erſcheinung und ihre Toiletten in reiz-
u[n]d anmutsvoller Weiſe „Die ſchöne Helena“ zu
verkörpern und hatte auch Gelegenheit, in geſang-
licher und darſtelleriſcher Hinſicht ſich ins beſte
Licht zu ſtellen.

Unter den übrigen Darſtellern ſeien in erſter
Linie (der auf Automobil nach Kreta fahrende)
Menelaus des Herrn Joſef Weninnger und der
Kalchas des Herrn Joſef Richter erwähnt, die
ganz prächtige, komiſche „Homer“-Geſtalten boten.
Auch Herrn Stefan Stefanys Leiſtung als Paris
war eine recht befriedigende. Der Oreſtes des Frl.
Deutz war ein ganz flotter Burſche und Agamemnon,
die beiden Ajaxe und der Achilles der Herren
Carlo Felda, Emanuel von Grobetti, Alfred
Lejeune und Otto Langer trugen gleichfalls
zur Heiterkeit des Abends bei.

Am animierteſten war das Spiel im erſten
Akte, in welchem den Darſtellern die auch ſattſam
benützte Gelegenheit geboten war, zu extemporieren,
während im an und für ſich ſchwächſten dritten
Akte ein etwas flotteres Zuſammenſpiel erwünſcht
geweſen wäre.

Frühlingsluft atmet tatſächlich die reizende
Operette „Frühlingsluft“. Unter dieſen Zeichen
ſtand die geſtrige Aufführung dieſer Operette, wenn
auch draußen der ſtrenge Winter noch alles in
Banden hält. Es war wirklich ein gelungener
Abend, alle Mitwirkenden hatten gebürenden Anteil
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fangen, der, vielleicht mitgeriſſen durch das flotte
Libretto und die hinreißenden Strauß’ſchen Melodien,
diesmal recht befriedigendes bot, bis zur Hanni des
Frl. Deutz. Dieſe Sängerin traf gerade ſo gut
das Weſen des neugierig in die Großſtadt kommen-
den Landdirnchens wie des lebensluſtigen Stadt-
mädchens, welches förmlich als Sinnbild der
Frühlingsluft alles in ſeinen Bannkreis zu ziehen
verſteht. Gleich vortrefflich wie ihr Spiel war
Frl. Deutz auch im Geſang. Allerliebſt war ihr
Spiel und Tanz im Pfeiflied und reizend tanzte
ſie den Cakewalk. Doch auch nicht unbelohnt
blieb ihre Darſtellung; ſie fand nicht nur leb-
haften Beifall, auch der ſo heißerſehnte Sonnenſchirm
wurde ihr am Ende des zweiten Aktes gereicht.
Ihr Partner, Herr Grobetti, ſpielte den Hilde-
brand recht gut. Ein köſtlicher Vinzenz Knickebein
war Herr Joſef Weninger und auch Dr. Guſtav
Landtmann und deſſen Frau Emilie wurden von
Herrn Stefany und Frl. Windſor ſehr gut
geſungen und geſpielt. Frl. Suſtrovits wußte die
[Spaltenumbruch] kleine Rolle der Baronin von Croiſe in feiner und
eleganter Weiſe zu bringen.

Die Apollonia Knickebein der Frau Marie
Swoboda-Ovary, der Reſtaurateur Dannhauſer
des Herrn Joſef Richter, der Baron v. Croiſe
des Herrn Felda waren recht hübſche Leiſtungen,
beſonders aber verdient Herr Lejeune, welcher den
Kellner Nazi mit urwüchſiger Komik gab, lobend
hervorgehoben zu werden. Die Balletteinlage „Roſen-
hochzeit“ im dritten Akte mit dem Roſenbrautpaare
der Frl. Bauer und Koren bot ein ſchönes
Bild. Die Operette war ſehr hübſch inſzeniert, das
Haus war ſehr gut beſucht und ſpendete reichlichen
und verdienten Beifall. p




[irrelevantes Material]


Nachtrag.
Bevorſtehende Scheidung der Ehe Leopold
Wölflings.

Zürich, 26. Dezember. Seit zwei Wochen iſt
hier das Gerücht verbreitet, Leopold Wölfling,
der ehemalige Erzherzog Leopold, habe die Abſicht,
ſich von ſeiner Gattin, geborenen Wilhelmine
Adamovich, ſcheiden zu laſſen.

† Graf Eugen Zichy.

Der ungariſche Reichstagsabgeordnete Graf
Eugen Zichy, der am 24. d. in Meran von
einem Schlaganfall betroffen wurde, iſt in der Nacht
vom 25. auf den 26. d. ohne ſein Bewußtſein
wieder erlangt zu haben, geſtorben. An ſeinem
Krankenlager befand ſich auch ſein Sohn Graf
Rafael Zichy. Der Leichnam wird nach Ungarn
gebracht werden. Graf Eugen Zichy hat ein
Alter von 71 Jahren erreicht.




Beobachtungen an der Wetterwarte der Landes-Obſt- und Weinbauſchule in Marburg
von Montag, den 17 Dezember bis einſchließlich Sonntag, den 23. Dezember 1906



Tag Luftdruck-Tagsm.
(0° red. Baromet.)
Temperatur n. Celſtus Bewölkung,
Tagesmittel
Rel. Feuchtigkeit
in Prozenten
Niederſchläge m / m Bemer-
kungen
7 Uhr früh2 Uhr mittags9 Uhr abendsTagesmittelMaximumMinimum
in der Luftam Bodenin der
Luft
am
Boden
Montag740.4—4.33.0—2.0—1.13.43.0—5 1—12.2379nachts Schnee
Dienstag740.9—2.71.0—1 8—1.21.22.1—3.0—7.01091„ „
Mittwoch744.7—2.9—2.2—3.2—2.80.00.0—3.2—3.01095tagsüber Schnee
Donnerst.750 3—5.2—3.4—5.0—4.5—1 00.0—5.6—6.11094„ „
Freitag52.4—4.6—3.6—3.5—4.0—3.3—2.2—5.5—7.21096
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[5/0005] Nr. 155, 27. Dezember 1906 Marburger Zeitung Erhartic endlich einmal geſchehen, es möge eine Volksverſammlung einberufen werden. Das ge- ſchieht nur — aber nicht wegen des windiſch- nationalen Richters, der ſchon zu ſo vielen nutzloſen Klagen in der „D. W.“ Anlaß gab, ſondern — wegen des letzten „Cillier-Briefes“ der „Marburger Zeitung“. Die betreffenden paar Herren ſollen ſich doch nicht lächerlich machen, ſollen be- denken, daß ſie auf die unabhängige „Marb. Zeit.“ gar keinen Einfluß ausüben können, auch dann nicht, wenn ſie ihre völkiſche Pflicht an den Nagel hängen und ſich mit einer Cillier Verſammlungs- Don Quichoterie unter die Traufe der Lächerlichkeit ſtellen. Die „Marburger Zeitung“ wird dank ihrer, von keinem Parteizwange getrübten Unabhängigkeit nach wie vor Einſendungen aus ihrem Leſerkreiſe aufnehmen, ohne auf die Erlaubnis einiger uns nicht „Maßgebenden“ Cillis zu warten. Sachliche Entgegnungen werden von uns gewiß entgegen- genommen, aber die Art, in der einige Herren mit der Preſſe umzugehen gewohnt ſcheinen, dürfte ſich über die Stadtmauern von Cilli nicht erſtrecken! Schon wieder ein Zenſurſtücklein. Be- kanntlich hat man in der vorigen Spielzeit für Marburg die „Filia hospitalis“ verboten und nun erfahren wir ſchon wieder von einem neuen Zenſur- ſtücklein. Die von dem Charakterdarſteller unſeres Theaters, Herrn Carlo Felda, für ſeinen Benefize- abend in Ausſicht genommene Komödie „Die Bluthochzeit“ von Albert Lindner wurde von der Zenſur verboten. Ein Stück, das beinahe Anſpruch auf Klaſſizität hat und eines der meiſt gegebenen Repertoireſtücke aller deutſchen Bühnen war. (Wir verweiſen auf das durch einen merk- würdigen Zufall um eben dieſe Zeit erſchienene Feuilleton des „Neuen Wiener Journal“ vom 25. d.: „Neues über den Dichter der „Bluthochzeit“ von Oskar Tann Bergler.“) Herr Felda rekurriert ſelbſtredend gegen dieſe Entſcheidung an die Statt- halterei und kann man auf den Ausgang wirklich geſpannt ſein. Vortragsabend. Der Deutſche Handwerker- verein veranſtaltet am Samstag, den 29. d. M., abends 8 Uhr, im oberen Speiſeſaale des Kaſinos einen Vortrag mit Lichtbildern über die Nürnberger bairiſche Landes-Jubiläums-Ausſtellung 1906 und ladet dazu alle Handwerker und Intereſſenten mit ihren Angehörigen ein. Den Vortrag hält der Ob- mann des Vereines, der dieſe Ausſtellung im Auf- trage des ſteiriſchen Landesausſchuſſes als Delegierter beſichtigt hat. Schwere Anklagen gegen den Bezirks- hauptmann von Rann, Herrn v. Viſtarini, erhebt ein ſloweniſches unterſteiriſches und die Laibacher Slowenenblätter. Die Anklagen drehen ſich hauptſächlich um die Verteilung der Notſtands- gelder, die Herrn v. Viſtarini anvertraut waren. Beſitzer ſollen 10, 20, 30 K. erhalten haben, während in den Ausweiſen 110, 120, 130 K. an- gegeben worden ſeien. Allein in drei Gemeinden ſoll die Differenz zwiſchen wirklicher Ver- teilung und amtlichem Ausweis 3000 Kronen betragen. Auch ſoll v. Viſtarini öffentliche Gelder auf ſeinen Namen in der Sparkaſſe hinterlegt haben. — Da die ſloveniſchen Blätter eine Fülle von Angaben bringen, ſo wird die k. k. Statthalterei dieſer Angelegenheit entſchieden nahe treten müſſen, um entweder den Bezirkshauptmann wieder zu rehabilitieren oder im anderen Falle die Folgen tragen zu laſſen. Schaubühne. Am 23. d. M. wurde Jaques Offenbachs be- kannte komiſche Operette „Die ſchöne Helena“ ge- geben. Ob nun die vielleicht ſchon etwas veralteten Witze M. Mailhaes und L. Halevys Homertraveſtie oder die uns allen wohlbekannten, einſchmeichelnden Weiſen Offenbachs oder vielleicht gar der pikante Reiz, welcher „Die ſchöne Helena“ umgibt, es be- wirken, daß dieſe Operette ſich noch immer auf dem Spielplane jeder Operettenbühne erhält, ja ſogar noch oft volle Häuſer ſieht, wer wollte dies ent- ſcheiden? Eines iſt aber gewiß, daß bei der ſonn- täglichen Aufführung der „ſchönen Helena“ kaum ein Plätzchen leer geblieben iſt; dies geſchah aber wohl in erſter Linie deshalb, weil es der Ehren- abend unſerer beliebten, erſten Operettenſoubrette Frl. Suſtrovits war. Die Sympathien, deren ſie ſich beim Marburger Theaterpublikum mit Necht erfreut, kamen in den vielen Blumen- und ſonſtigen Spenden, die ihr am Ende des erſten Aktes gereicht wurden, zum Ausdrucke. Frl. Suſtrovits wußte durch ihre Erſcheinung und ihre Toiletten in reiz- und anmutsvoller Weiſe „Die ſchöne Helena“ zu verkörpern und hatte auch Gelegenheit, in geſang- licher und darſtelleriſcher Hinſicht ſich ins beſte Licht zu ſtellen. Unter den übrigen Darſtellern ſeien in erſter Linie (der auf Automobil nach Kreta fahrende) Menelaus des Herrn Joſef Weninnger und der Kalchas des Herrn Joſef Richter erwähnt, die ganz prächtige, komiſche „Homer“-Geſtalten boten. Auch Herrn Stefan Stefanys Leiſtung als Paris war eine recht befriedigende. Der Oreſtes des Frl. Deutz war ein ganz flotter Burſche und Agamemnon, die beiden Ajaxe und der Achilles der Herren Carlo Felda, Emanuel von Grobetti, Alfred Lejeune und Otto Langer trugen gleichfalls zur Heiterkeit des Abends bei. Am animierteſten war das Spiel im erſten Akte, in welchem den Darſtellern die auch ſattſam benützte Gelegenheit geboten war, zu extemporieren, während im an und für ſich ſchwächſten dritten Akte ein etwas flotteres Zuſammenſpiel erwünſcht geweſen wäre. Frühlingsluft atmet tatſächlich die reizende Operette „Frühlingsluft“. Unter dieſen Zeichen ſtand die geſtrige Aufführung dieſer Operette, wenn auch draußen der ſtrenge Winter noch alles in Banden hält. Es war wirklich ein gelungener Abend, alle Mitwirkenden hatten gebürenden Anteil daran, vom braven Orcheſter und dem Chor ange- fangen, der, vielleicht mitgeriſſen durch das flotte Libretto und die hinreißenden Strauß’ſchen Melodien, diesmal recht befriedigendes bot, bis zur Hanni des Frl. Deutz. Dieſe Sängerin traf gerade ſo gut das Weſen des neugierig in die Großſtadt kommen- den Landdirnchens wie des lebensluſtigen Stadt- mädchens, welches förmlich als Sinnbild der Frühlingsluft alles in ſeinen Bannkreis zu ziehen verſteht. Gleich vortrefflich wie ihr Spiel war Frl. Deutz auch im Geſang. Allerliebſt war ihr Spiel und Tanz im Pfeiflied und reizend tanzte ſie den Cakewalk. Doch auch nicht unbelohnt blieb ihre Darſtellung; ſie fand nicht nur leb- haften Beifall, auch der ſo heißerſehnte Sonnenſchirm wurde ihr am Ende des zweiten Aktes gereicht. Ihr Partner, Herr Grobetti, ſpielte den Hilde- brand recht gut. Ein köſtlicher Vinzenz Knickebein war Herr Joſef Weninger und auch Dr. Guſtav Landtmann und deſſen Frau Emilie wurden von Herrn Stefany und Frl. Windſor ſehr gut geſungen und geſpielt. Frl. Suſtrovits wußte die kleine Rolle der Baronin von Croiſe in feiner und eleganter Weiſe zu bringen. Die Apollonia Knickebein der Frau Marie Swoboda-Ovary, der Reſtaurateur Dannhauſer des Herrn Joſef Richter, der Baron v. Croiſe des Herrn Felda waren recht hübſche Leiſtungen, beſonders aber verdient Herr Lejeune, welcher den Kellner Nazi mit urwüchſiger Komik gab, lobend hervorgehoben zu werden. Die Balletteinlage „Roſen- hochzeit“ im dritten Akte mit dem Roſenbrautpaare der Frl. Bauer und Koren bot ein ſchönes Bild. Die Operette war ſehr hübſch inſzeniert, das Haus war ſehr gut beſucht und ſpendete reichlichen und verdienten Beifall. —p— _ Nachtrag. Bevorſtehende Scheidung der Ehe Leopold Wölflings. Zürich, 26. Dezember. Seit zwei Wochen iſt hier das Gerücht verbreitet, Leopold Wölfling, der ehemalige Erzherzog Leopold, habe die Abſicht, ſich von ſeiner Gattin, geborenen Wilhelmine Adamovich, ſcheiden zu laſſen. † Graf Eugen Zichy. Der ungariſche Reichstagsabgeordnete Graf Eugen Zichy, der am 24. d. in Meran von einem Schlaganfall betroffen wurde, iſt in der Nacht vom 25. auf den 26. d. ohne ſein Bewußtſein wieder erlangt zu haben, geſtorben. An ſeinem Krankenlager befand ſich auch ſein Sohn Graf Rafael Zichy. Der Leichnam wird nach Ungarn gebracht werden. Graf Eugen Zichy hat ein Alter von 71 Jahren erreicht. Beobachtungen an der Wetterwarte der Landes-Obſt- und Weinbauſchule in Marburg von Montag, den 17 Dezember bis einſchließlich Sonntag, den 23. Dezember 1906 Tag Luftdruck-Tagsm. (0° red. Baromet.) Temperatur n. Celſtus Bewölkung, Tagesmittel Rel. Feuchtigkeit in Prozenten Niederſchläge m / m Bemer- kungen 7 Uhr früh 2 Uhr mittags 9 Uhr abends Tagesmittel Maximum Minimum in der Luft am Boden in der Luft am Boden Montag 740.4 —4.3 3.0 —2.0 —1.1 3.4 3.0 —5 1 —12.2 3 79 — nachts Schnee Dienstag 740.9 —2.7 1.0 —1 8 —1.2 1.2 2.1 —3.0 —7.0 10 91 — „ „ Mittwoch 744.7 —2.9 —2.2 —3.2 —2.8 0.0 0.0 —3.2 —3.0 10 95 — tagsüber Schnee Donnerst. 750 3 —5.2 —3.4 —5.0 —4.5 —1 0 0.0 —5.6 —6.1 10 94 — „ „ Freitag 52.4 —4.6 —3.6 —3.5 —4.0 —3.3 —2.2 —5.5 —7.2 10 96 — Samstag 752.1 —3 7 —1.8 —3 2 —2.9 —1.6 —0 4 —4 4 —7.1 10 92 2.4 Sonntag 749.4 —3.6 —1.2 —3.1 —2 6 —1.0 —2.6 —3.8 —13 8 10 95 — _

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Zitationshilfe: Marburger Zeitung. Nr. 155, Marburg, 27.12.1906, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_marburger155_1906/5>, abgerufen am 21.11.2024.