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Marburger Zeitung. Nr. 66, Marburg, 04.06.1901.

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Marburger Zeitung.



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Wiederholung bedeutender Nachlass. -- Schluss für Ein-
schaltungen Dienstag, Donnerstag und Samstag mittags.

Die Einzelnummer kostet 10 h.




Nr. 66 Dienstag, 4. Juni 1901 40. Jahrgang


[Spaltenumbruch]
Die nächste Nummer der Marb.
Zeitung erscheint Donnerstag früh.



Die agrarischen Bedenken gegen
die Wasserstraßen.

Die Agrarier, sowohl der deutschen als der
slavischen, sowohl der freiheitlichen als der clericalen
Parteien, nehmen gegen die Wasserstraßenvorlage
einen ablehnenden Standpunkt ein. Die ablehnende
Haltung der Agrarier ist sachlich wohl begründet
und von berufenen und unberufenen Rednern agra-
rischer Richtung eingehend dargelegt worden. Die
Landwirte fürchten vor allem die Einfuhr auslän-
dischen Getreides auf dem Canalwege, insbesondere
von Getreide aus Ungarn und den Balkanländern.
Gegen die Einfuhr ausländischen Getreides gibt es
zwar einen Zollschutz, gegen die Getreideeinfuhr aus
Ungarn aber können wir uns, wie die Verhältnisse
liegen, ganz unmöglich schützen. Es ist gar nicht
unwahrscheinlich, dass Ungarn die Canaltarise schon
gelegentlich des Ausgleiches zur Frage bringen wird.
Für Ungarn würden die Canäle eine jährliche Er-
sparung von etwa 50 Millionen Kronen bedeuten,
wie denn für Ungarn überhaupt die österreichischen
Canäle nur Vortheil bringen. In Ungarn ist die
Ernte früher als in Böhmen und Mähren; in den
nördlich gelegenen Ländern wird der Landwirt erst
im Herbst mit dem Drusch fertig, die billige Fracht
auf den Wasserstraßen hat für ihn dann wenig
Wert mehr, da die Wasserstraßen um diese Jahres-
zeit viel zu wenig Wasser haben dürften. Dass die
österreichische Landwirtschaft Getreide in das Deutsche
Reich exportieren würde, ist ausgeschlossen, weil das
Deutsche Reich zweifellos sich mit hohen agrarischen
Zöllen gegen Oesterreich abschließen wird. Die
Caprivischen Handelsverträge werden in dieser Rich-
[Spaltenumbruch] tung gewiss eine gründliche Aenderung erfahren.
Der Getreideimport aus den südlicher gelegenen
Ländern würde auf die Getreide in den nördlichen
Gegenden einen solchen Druck ausüben, dass die
Landwirtschaft nicht mehr weiter bestehen könnte.
Für arme Gegenden erwächst dadurch ein Nachtheil,
dass der voraussichtlich große Import von Mais
auf die Haferpreise drückt, da Mais das natürliche
Surrogat für Hafer ist; minder günstig gelegene
Gegenden würden also auch dieses Product verlieren.
Ein anderes agrarisches Bedenken besteht in der
Verschiebung der wasserrechtlichen Verhältnisse. Durch
Einschnitte oder Ausdämmungen werden die Grund-
wasserverhältnisse einer Gegend oft völlig verändert,
es können Versumpfungen entstehen, Quellen ver-
sickern, es ist wahrscheinlich, dass ganze Culturgat-
tungen gewechselt werden müssen, weil die natürliche
Bewässerung des Bodens eine andere wird. Durch
die Anstauung von Wassermassen auf der Scheitel-
höhe der Canäle wird bewirkt werden, dass große
Landstrecken in wasserarmen Jahreszeiten von Wasser
völlig entblößt werden, was geradezu zu einem
Nothstand führen kann. Ueber die finanziellen Effecte
der Wasserstraßen ist niemand im Unklaren. Die
Wasserstraßen werden keine entsprechende Verzinsung
liefern, der Staat wird daher einen Zuschuss leisten
müssen, den er aus den regelmäßigen Einnahmen
decken muss. Der Finanzminister wird zu neuen
Steuern greifen und von einer Entlastung des
Grundbesitzes ist keine Rede. Im Gegentheil, zu
den alten Steuern kommen neue. Die Landwirt-
schaft würde auch das Vergnügen haben, zu den
Landesumlagen, welche für den auf die Länder ent-
fallenden Beitrag zu den Canalstraßen erhöht werden
müssen, in erster Linie herangezogen zu werden. Es
ist ferner vorauszusehen, dass in den Canalgegenden
eine Aenderung der wirtschaftlichen Thätigkeit der
Bevölkerung eintreten wird. Längs der projectierten
Canäle werden neue Industrien entstehen, in den
[Spaltenumbruch] von den Canälen entfernten werden die Industrien
zurückbleiben. Das wirkt auch auf die Landwirt-
schaft zurück, die außerdem in den Canalgegenden
eine Einbuße an Arbeitskräften erleiden muss.

Die Flussregulierungen dagegen liegen durch-
aus im landwirtschaftlichen Interesse. Die 75 Mil-
lionen Kronen für Flussregulierungen gehören aber
nur für jene Flüsse, welche mit den Canälen in
directem Zusammenhange stehen. Das ist doch nur
ein Theil der Flüsse, die anderen Flussregulierungen
bleiben auf den Meliorationsfond angewiesen, dessen
Erhöhung von der Landwirtschaft auf das freudigste
begrüsst wird. In Böhmen allein betragen die
fertig ausgearbeiteten Meliorations-, beziehungs-
weise Flussregulierungsprojecte 22 Millionen Kronen,
diese Projecte konnten aber niemals ausgeführt
werden, weil die Regierung keine Geldmittel zur
Verfügung stellte. Die Aufnahme der Flussregulie-
rungen in die Canalvorlage sollte diese nur für die
Landwirtschaft verdaulicher machen.

Die Agrarier haben also von den Wasser-
straßen sehr viel Nachtheile zu erwarten, welche
durch den kleinen Vortheil theilweiser Flussregulie-
rungen nicht aufgehoben werden können.




Die deutschen Colonien im Occupations-
gebiete.

(Aus Bosnien.)

Wenn uns Oesterreichern auch überseeische Be-
sitzungen fehlen, so haben wir doch unmittelbar an
unseren Grenzen ein unter unserer Verwaltung
stehendes Ländergebiet, das viele Merkmale colonialen
Besitzes an sich trägt, und auf welches manche
Grundsätze einer gesunden Colonialpolitik, namentlich
vom deutschen Standpunkte aus, vortrefflich anzu-
wenden sind. Das ist Bosnien und die Herzegowina.
Die Regierung hat zwar im Occupationsgebiete




[Spaltenumbruch]
Heldentod.

Glühend brennt die afrikanische Sonne auf
die Felsenhügel herab. Das Gras, das an einzelnen
Stellen darauf wächst, ist braun gebrannt. Und
sonnengebräunt sind auch die Gesichter der Männer,
die dort oben hinter der natürlichen Schutzwehr
der Felsen Wache halten -- nun schon den ganzen
heißen Sommertag lang.

Unten am Fuße des Berges windet sich der
blaue Fluss. Darüber stehen die Feinde. Ihre Ka-
nonen donnern von Zeit zu Zeit mit aller Macht
gegen die Felsmauern los, aber die Natur hat so
gut gebaut, dass auch ein wahrer Granatregen
denen nicht viel Schaden zu thun vermag, die sich
hinter den Zacken und Schroffen verschanzt haben.
Mehrmals haben die Hochländer in ihren bunten
Plaids und Mützen den Versuch gemacht, über
den Fluss zu dringen. Wohlgezielte Schüsse aus
den Büchsen der Besatzung des "Kopjes" haben
sie immer wieder zurückgescheucht. Die glitzernden
Wellen darunter haben schon manchen Angreifer,
der eben noch in Kampfeslust erglüht, in ihrem
stillen kühlen Bette Ruhe finden lassen -- tiefe,
ungestörte Ruhe. Fast wolkenlos blaut der Himmel
auf die Welt herab, und über die Ferne flimmert
der Sonnendunst ...

Hinter einem Felsenvorsprung stehen ein alter
und ein junger Bur nebeneinander. Der Alte breit-
schultrig, kraftvoll, ungebeugt trotz der grauen Haare.
Der Jüngere fast noch ein Knabe, und von der
[Spaltenumbruch] jungen Mannschaft -- es sind ihrer etwa zehn oder
zwölf von 16 bis 18 Jahren bei dem Trupp --
entschieden der schmächtigste. Dennoch ist eine gewisse
Aehnlichkeit zwischen den beiden unverkennbar. Sie
liegt hauptsächlich im Ausdruck der großen, blauen
Augen. Es sind ja auch Vater und Sohn.

Sie sprachen nicht viel zusammen. Aber
manchmal streift ein Blick des Mannes die schlanke
Jünglingsgestalt -- ein Blick, in dem eine fast
frauenhafte Zärtlichkeit und Sorge liegt.

Ein neuer Angriff der Engländer ist abge-
schlagen. Die Hochländer ziehen sich zurück. Mit
einem Seufzer lehnt der Jüngling die schwere
Flinte gegen den Felsen, nimmt den breitrandigen
Hut ab und wischt sich den Schweiß von der Stirn.
Er ist sehr bleich.

Der Alte beobachtet ruhigen Blickes die Be-
wegungen der Feinde, das bereits wieder geladene
Gewehr in Bereitschaft haltend, entgeht ihm die
augenscheinliche Abspannung seines Sohnes nicht.

"Denen da unten ist heißer als uns, Paul",
sagte er.

Pauls trockene Lippen bemühten sich zu lächeln.
"Das wohl, Vater. Aber -- sie haben das Wasser
so nah, während wir hier oben dürsten müssen."

"Es sind nur noch wenige Stunden bis zum
Abend. Dann können wir uns im Schutz der
Dunkelheit genug Wasser holen."

"Lange Stunden noch!" ringt es sich wie
ein Seufzer von Pauls Lippen.

Sein Vater zieht die buschigen Brauen zu-
sammen. "Ich sagt' es ja gleich: Du hättest bei
der Mutter bleiben sollen!"


[Spaltenumbruch]

"Das hättest Du im Ernst nicht gewollt,
Vater. Und sie auch nicht. Sie wär selber gern
mit ihren sieben Jungen ins Feld gezogen -- wie
einst die Urgroßmutter -- wenn sie nicht krank
wäre."

Der Alte nickt, und ein stolzes Lächeln spielt
um seine schmalen Lippen. Ja seine Großmutter,
die mit der Axt in der Hand das Leben ihres
Gatten geschützt hatte .... An seiner Seite hatte
sie mitkämpfend auf der Wagenburg gestanden, als
die Krieger Moselekatses sie umringten und sich be-
mühten, die um die Räder geschichteten, dornigen
Mimosenstämme zu entfernen. Da -- als eines
riesigen Kaffern Speer die Brust ihres Mannes
bedrohte -- hatte ihre Waffe den Angreifer nieder-
gestreckt ... Hendrik wusste, seine Johanna hätte
es nicht anders gemacht. Nur dass sie seit Pauls
Geburt, des Jüngsten von zehn, immer kränkelte.
Vielleicht war ihr "der Kleine" darum so besonders
an's Herz gewachsen. Vielleicht war er darum ein
wenig verzärtelt worden -- zu sehr, wie der Vater
jetzt oft meinte. Wo es irgend ein gefährliches
oder anstrengendes Unternehmen galt, hatte man
ihn auf Bitten der Mutter daheim gelassen. Sie,
die ihren Mann und die anderen Söhne stets
furchtlos hinausziehen sah, ängstigte sich immer,
dass Paul etwas zustoßen könne. Nun hatte sie
kein Wort gesagt, als auch er für Vaterland und
Freiheit zu kämpfen begehrte. Nur beim Abschied
hatte sie ihrem Gatten mit besonders innigem Blick
zugeflüstert: "Hüt' mir den Paul, Hendrik! Bring'
ihn mir gesund heim!" Und er hatte geantwortet:
"So der Herr will!" ...


Marburger Zeitung.



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Der Preis des Blattes beträgt: Für Marburg:
Ganzjährig 12 K, halbjährig 6 K, vierteljährig 3 K, monat-
lich 1 K. Bei Zuſtellung ins Haus monatlich 20 h mehr.

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Ganzjährig 14 K, halbjährig 7 K, vierteljährig 3 K 50 h.
Das Abonnement dauert bis zur ſchriftlichen Abbeſtellung.


[Spaltenumbruch]

Erſcheint jeden Dienstag, Donnerstag und
Samstag abends.

Sprechſtunden des Schriftleiters an allen Wochentagen von
11—12 Uhr vormittags Poſtgaſſe 4.

Die Verwaltung beſindet ſich: Poſtgaſſe 4. (Telephon-Nr. 24.)


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Einſchaltungen werden im Verlage des Blattes und von
allen größeren Annoncen-Expeditionen entgegengenommen.
Inſeratenpreis: Für die 5mal geſpaltene Zeile 12 h, bei
Wiederholung bedeutender Nachlaſs. — Schluſs für Ein-
ſchaltungen Dienstag, Donnerstag und Samstag mittags.

Die Einzelnummer koſtet 10 h.




Nr. 66 Dienstag, 4. Juni 1901 40. Jahrgang


[Spaltenumbruch]
Die nächſte Nummer der Marb.
Zeitung erſcheint Donnerstag früh.



Die agrariſchen Bedenken gegen
die Waſſerſtraßen.

Die Agrarier, ſowohl der deutſchen als der
ſlaviſchen, ſowohl der freiheitlichen als der clericalen
Parteien, nehmen gegen die Waſſerſtraßenvorlage
einen ablehnenden Standpunkt ein. Die ablehnende
Haltung der Agrarier iſt ſachlich wohl begründet
und von berufenen und unberufenen Rednern agra-
riſcher Richtung eingehend dargelegt worden. Die
Landwirte fürchten vor allem die Einfuhr auslän-
diſchen Getreides auf dem Canalwege, insbeſondere
von Getreide aus Ungarn und den Balkanländern.
Gegen die Einfuhr ausländiſchen Getreides gibt es
zwar einen Zollſchutz, gegen die Getreideeinfuhr aus
Ungarn aber können wir uns, wie die Verhältniſſe
liegen, ganz unmöglich ſchützen. Es iſt gar nicht
unwahrſcheinlich, daſs Ungarn die Canaltariſe ſchon
gelegentlich des Ausgleiches zur Frage bringen wird.
Für Ungarn würden die Canäle eine jährliche Er-
ſparung von etwa 50 Millionen Kronen bedeuten,
wie denn für Ungarn überhaupt die öſterreichiſchen
Canäle nur Vortheil bringen. In Ungarn iſt die
Ernte früher als in Böhmen und Mähren; in den
nördlich gelegenen Ländern wird der Landwirt erſt
im Herbſt mit dem Druſch fertig, die billige Fracht
auf den Waſſerſtraßen hat für ihn dann wenig
Wert mehr, da die Waſſerſtraßen um dieſe Jahres-
zeit viel zu wenig Waſſer haben dürften. Daſs die
öſterreichiſche Landwirtſchaft Getreide in das Deutſche
Reich exportieren würde, iſt ausgeſchloſſen, weil das
Deutſche Reich zweifellos ſich mit hohen agrariſchen
Zöllen gegen Oeſterreich abſchließen wird. Die
Capriviſchen Handelsverträge werden in dieſer Rich-
[Spaltenumbruch] tung gewiſs eine gründliche Aenderung erfahren.
Der Getreideimport aus den ſüdlicher gelegenen
Ländern würde auf die Getreide in den nördlichen
Gegenden einen ſolchen Druck ausüben, daſs die
Landwirtſchaft nicht mehr weiter beſtehen könnte.
Für arme Gegenden erwächst dadurch ein Nachtheil,
daſs der vorausſichtlich große Import von Mais
auf die Haferpreiſe drückt, da Mais das natürliche
Surrogat für Hafer iſt; minder günſtig gelegene
Gegenden würden alſo auch dieſes Product verlieren.
Ein anderes agrariſches Bedenken beſteht in der
Verſchiebung der waſſerrechtlichen Verhältniſſe. Durch
Einſchnitte oder Auſdämmungen werden die Grund-
waſſerverhältniſſe einer Gegend oft völlig verändert,
es können Verſumpfungen entſtehen, Quellen ver-
ſickern, es iſt wahrſcheinlich, daſs ganze Culturgat-
tungen gewechſelt werden müſſen, weil die natürliche
Bewäſſerung des Bodens eine andere wird. Durch
die Anſtauung von Waſſermaſſen auf der Scheitel-
höhe der Canäle wird bewirkt werden, daſs große
Landſtrecken in waſſerarmen Jahreszeiten von Waſſer
völlig entblößt werden, was geradezu zu einem
Nothſtand führen kann. Ueber die finanziellen Effecte
der Waſſerſtraßen iſt niemand im Unklaren. Die
Waſſerſtraßen werden keine entſprechende Verzinſung
liefern, der Staat wird daher einen Zuſchuſs leiſten
müſſen, den er aus den regelmäßigen Einnahmen
decken muſs. Der Finanzminiſter wird zu neuen
Steuern greifen und von einer Entlaſtung des
Grundbeſitzes iſt keine Rede. Im Gegentheil, zu
den alten Steuern kommen neue. Die Landwirt-
ſchaft würde auch das Vergnügen haben, zu den
Landesumlagen, welche für den auf die Länder ent-
fallenden Beitrag zu den Canalſtraßen erhöht werden
müſſen, in erſter Linie herangezogen zu werden. Es
iſt ferner vorauszuſehen, daſs in den Canalgegenden
eine Aenderung der wirtſchaftlichen Thätigkeit der
Bevölkerung eintreten wird. Längs der projectierten
Canäle werden neue Induſtrien entſtehen, in den
[Spaltenumbruch] von den Canälen entfernten werden die Induſtrien
zurückbleiben. Das wirkt auch auf die Landwirt-
ſchaft zurück, die außerdem in den Canalgegenden
eine Einbuße an Arbeitskräften erleiden muſs.

Die Fluſsregulierungen dagegen liegen durch-
aus im landwirtſchaftlichen Intereſſe. Die 75 Mil-
lionen Kronen für Fluſsregulierungen gehören aber
nur für jene Flüſſe, welche mit den Canälen in
directem Zuſammenhange ſtehen. Das iſt doch nur
ein Theil der Flüſſe, die anderen Fluſsregulierungen
bleiben auf den Meliorationsfond angewieſen, deſſen
Erhöhung von der Landwirtſchaft auf das freudigſte
begrüſst wird. In Böhmen allein betragen die
fertig ausgearbeiteten Meliorations-, beziehungs-
weiſe Fluſsregulierungsprojecte 22 Millionen Kronen,
dieſe Projecte konnten aber niemals ausgeführt
werden, weil die Regierung keine Geldmittel zur
Verfügung ſtellte. Die Aufnahme der Fluſsregulie-
rungen in die Canalvorlage ſollte dieſe nur für die
Landwirtſchaft verdaulicher machen.

Die Agrarier haben alſo von den Waſſer-
ſtraßen ſehr viel Nachtheile zu erwarten, welche
durch den kleinen Vortheil theilweiſer Fluſsregulie-
rungen nicht aufgehoben werden können.




Die deutſchen Colonien im Occupations-
gebiete.

(Aus Bosnien.)

Wenn uns Oeſterreichern auch überſeeiſche Be-
ſitzungen fehlen, ſo haben wir doch unmittelbar an
unſeren Grenzen ein unter unſerer Verwaltung
ſtehendes Ländergebiet, das viele Merkmale colonialen
Beſitzes an ſich trägt, und auf welches manche
Grundſätze einer geſunden Colonialpolitik, namentlich
vom deutſchen Standpunkte aus, vortrefflich anzu-
wenden ſind. Das iſt Bosnien und die Herzegowina.
Die Regierung hat zwar im Occupationsgebiete




[Spaltenumbruch]
Heldentod.

Glühend brennt die afrikaniſche Sonne auf
die Felſenhügel herab. Das Gras, das an einzelnen
Stellen darauf wächst, iſt braun gebrannt. Und
ſonnengebräunt ſind auch die Geſichter der Männer,
die dort oben hinter der natürlichen Schutzwehr
der Felſen Wache halten — nun ſchon den ganzen
heißen Sommertag lang.

Unten am Fuße des Berges windet ſich der
blaue Fluſs. Darüber ſtehen die Feinde. Ihre Ka-
nonen donnern von Zeit zu Zeit mit aller Macht
gegen die Felsmauern los, aber die Natur hat ſo
gut gebaut, daſs auch ein wahrer Granatregen
denen nicht viel Schaden zu thun vermag, die ſich
hinter den Zacken und Schroffen verſchanzt haben.
Mehrmals haben die Hochländer in ihren bunten
Plaids und Mützen den Verſuch gemacht, über
den Fluſs zu dringen. Wohlgezielte Schüſſe aus
den Büchſen der Beſatzung des „Kopjes“ haben
ſie immer wieder zurückgeſcheucht. Die glitzernden
Wellen darunter haben ſchon manchen Angreifer,
der eben noch in Kampfesluſt erglüht, in ihrem
ſtillen kühlen Bette Ruhe finden laſſen — tiefe,
ungeſtörte Ruhe. Faſt wolkenlos blaut der Himmel
auf die Welt herab, und über die Ferne flimmert
der Sonnendunſt ...

Hinter einem Felſenvorſprung ſtehen ein alter
und ein junger Bur nebeneinander. Der Alte breit-
ſchultrig, kraftvoll, ungebeugt trotz der grauen Haare.
Der Jüngere faſt noch ein Knabe, und von der
[Spaltenumbruch] jungen Mannſchaft — es ſind ihrer etwa zehn oder
zwölf von 16 bis 18 Jahren bei dem Trupp —
entſchieden der ſchmächtigſte. Dennoch iſt eine gewiſſe
Aehnlichkeit zwiſchen den beiden unverkennbar. Sie
liegt hauptſächlich im Ausdruck der großen, blauen
Augen. Es ſind ja auch Vater und Sohn.

Sie ſprachen nicht viel zuſammen. Aber
manchmal ſtreift ein Blick des Mannes die ſchlanke
Jünglingsgeſtalt — ein Blick, in dem eine faſt
frauenhafte Zärtlichkeit und Sorge liegt.

Ein neuer Angriff der Engländer iſt abge-
ſchlagen. Die Hochländer ziehen ſich zurück. Mit
einem Seufzer lehnt der Jüngling die ſchwere
Flinte gegen den Felſen, nimmt den breitrandigen
Hut ab und wiſcht ſich den Schweiß von der Stirn.
Er iſt ſehr bleich.

Der Alte beobachtet ruhigen Blickes die Be-
wegungen der Feinde, das bereits wieder geladene
Gewehr in Bereitſchaft haltend, entgeht ihm die
augenſcheinliche Abſpannung ſeines Sohnes nicht.

„Denen da unten iſt heißer als uns, Paul“,
ſagte er.

Pauls trockene Lippen bemühten ſich zu lächeln.
„Das wohl, Vater. Aber — ſie haben das Waſſer
ſo nah, während wir hier oben dürſten müſſen.“

„Es ſind nur noch wenige Stunden bis zum
Abend. Dann können wir uns im Schutz der
Dunkelheit genug Waſſer holen.“

„Lange Stunden noch!“ ringt es ſich wie
ein Seufzer von Pauls Lippen.

Sein Vater zieht die buſchigen Brauen zu-
ſammen. „Ich ſagt’ es ja gleich: Du hätteſt bei
der Mutter bleiben ſollen!“


[Spaltenumbruch]

„Das hätteſt Du im Ernſt nicht gewollt,
Vater. Und ſie auch nicht. Sie wär ſelber gern
mit ihren ſieben Jungen ins Feld gezogen — wie
einſt die Urgroßmutter — wenn ſie nicht krank
wäre.“

Der Alte nickt, und ein ſtolzes Lächeln ſpielt
um ſeine ſchmalen Lippen. Ja ſeine Großmutter,
die mit der Axt in der Hand das Leben ihres
Gatten geſchützt hatte .... An ſeiner Seite hatte
ſie mitkämpfend auf der Wagenburg geſtanden, als
die Krieger Moſelekatſes ſie umringten und ſich be-
mühten, die um die Räder geſchichteten, dornigen
Mimoſenſtämme zu entfernen. Da — als eines
rieſigen Kaffern Speer die Bruſt ihres Mannes
bedrohte — hatte ihre Waffe den Angreifer nieder-
geſtreckt ... Hendrik wuſste, ſeine Johanna hätte
es nicht anders gemacht. Nur daſs ſie ſeit Pauls
Geburt, des Jüngſten von zehn, immer kränkelte.
Vielleicht war ihr „der Kleine“ darum ſo beſonders
an’s Herz gewachſen. Vielleicht war er darum ein
wenig verzärtelt worden — zu ſehr, wie der Vater
jetzt oft meinte. Wo es irgend ein gefährliches
oder anſtrengendes Unternehmen galt, hatte man
ihn auf Bitten der Mutter daheim gelaſſen. Sie,
die ihren Mann und die anderen Söhne ſtets
furchtlos hinausziehen ſah, ängſtigte ſich immer,
daſs Paul etwas zuſtoßen könne. Nun hatte ſie
kein Wort geſagt, als auch er für Vaterland und
Freiheit zu kämpfen begehrte. Nur beim Abſchied
hatte ſie ihrem Gatten mit beſonders innigem Blick
zugeflüſtert: „Hüt’ mir den Paul, Hendrik! Bring’
ihn mir geſund heim!“ Und er hatte geantwortet:
„So der Herr will!“ ...


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[[1]/0001] Marburger Zeitung. Der Preis des Blattes beträgt: Für Marburg: Ganzjährig 12 K, halbjährig 6 K, vierteljährig 3 K, monat- lich 1 K. Bei Zuſtellung ins Haus monatlich 20 h mehr. Mit Poſtverſendung: Ganzjährig 14 K, halbjährig 7 K, vierteljährig 3 K 50 h. Das Abonnement dauert bis zur ſchriftlichen Abbeſtellung. Erſcheint jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag abends. Sprechſtunden des Schriftleiters an allen Wochentagen von 11—12 Uhr vormittags Poſtgaſſe 4. Die Verwaltung beſindet ſich: Poſtgaſſe 4. (Telephon-Nr. 24.) Einſchaltungen werden im Verlage des Blattes und von allen größeren Annoncen-Expeditionen entgegengenommen. Inſeratenpreis: Für die 5mal geſpaltene Zeile 12 h, bei Wiederholung bedeutender Nachlaſs. — Schluſs für Ein- ſchaltungen Dienstag, Donnerstag und Samstag mittags. Die Einzelnummer koſtet 10 h. Nr. 66 Dienstag, 4. Juni 1901 40. Jahrgang Die nächſte Nummer der Marb. Zeitung erſcheint Donnerstag früh. Die agrariſchen Bedenken gegen die Waſſerſtraßen. (Von einem deutſchen Agrarier.) Die Agrarier, ſowohl der deutſchen als der ſlaviſchen, ſowohl der freiheitlichen als der clericalen Parteien, nehmen gegen die Waſſerſtraßenvorlage einen ablehnenden Standpunkt ein. Die ablehnende Haltung der Agrarier iſt ſachlich wohl begründet und von berufenen und unberufenen Rednern agra- riſcher Richtung eingehend dargelegt worden. Die Landwirte fürchten vor allem die Einfuhr auslän- diſchen Getreides auf dem Canalwege, insbeſondere von Getreide aus Ungarn und den Balkanländern. Gegen die Einfuhr ausländiſchen Getreides gibt es zwar einen Zollſchutz, gegen die Getreideeinfuhr aus Ungarn aber können wir uns, wie die Verhältniſſe liegen, ganz unmöglich ſchützen. Es iſt gar nicht unwahrſcheinlich, daſs Ungarn die Canaltariſe ſchon gelegentlich des Ausgleiches zur Frage bringen wird. 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Die Fluſsregulierungen dagegen liegen durch- aus im landwirtſchaftlichen Intereſſe. Die 75 Mil- lionen Kronen für Fluſsregulierungen gehören aber nur für jene Flüſſe, welche mit den Canälen in directem Zuſammenhange ſtehen. Das iſt doch nur ein Theil der Flüſſe, die anderen Fluſsregulierungen bleiben auf den Meliorationsfond angewieſen, deſſen Erhöhung von der Landwirtſchaft auf das freudigſte begrüſst wird. In Böhmen allein betragen die fertig ausgearbeiteten Meliorations-, beziehungs- weiſe Fluſsregulierungsprojecte 22 Millionen Kronen, dieſe Projecte konnten aber niemals ausgeführt werden, weil die Regierung keine Geldmittel zur Verfügung ſtellte. Die Aufnahme der Fluſsregulie- rungen in die Canalvorlage ſollte dieſe nur für die Landwirtſchaft verdaulicher machen. Die Agrarier haben alſo von den Waſſer- ſtraßen ſehr viel Nachtheile zu erwarten, welche durch den kleinen Vortheil theilweiſer Fluſsregulie- rungen nicht aufgehoben werden können. Die deutſchen Colonien im Occupations- gebiete. (Aus Bosnien.) Wenn uns Oeſterreichern auch überſeeiſche Be- ſitzungen fehlen, ſo haben wir doch unmittelbar an unſeren Grenzen ein unter unſerer Verwaltung ſtehendes Ländergebiet, das viele Merkmale colonialen Beſitzes an ſich trägt, und auf welches manche Grundſätze einer geſunden Colonialpolitik, namentlich vom deutſchen Standpunkte aus, vortrefflich anzu- wenden ſind. Das iſt Bosnien und die Herzegowina. Die Regierung hat zwar im Occupationsgebiete Heldentod. Skizze aus dem ſüdafrikaniſchen Kriege von Sophie Charlotte v. Sell. Glühend brennt die afrikaniſche Sonne auf die Felſenhügel herab. Das Gras, das an einzelnen Stellen darauf wächst, iſt braun gebrannt. Und ſonnengebräunt ſind auch die Geſichter der Männer, die dort oben hinter der natürlichen Schutzwehr der Felſen Wache halten — nun ſchon den ganzen heißen Sommertag lang. Unten am Fuße des Berges windet ſich der blaue Fluſs. Darüber ſtehen die Feinde. 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Der Alte beobachtet ruhigen Blickes die Be- wegungen der Feinde, das bereits wieder geladene Gewehr in Bereitſchaft haltend, entgeht ihm die augenſcheinliche Abſpannung ſeines Sohnes nicht. „Denen da unten iſt heißer als uns, Paul“, ſagte er. Pauls trockene Lippen bemühten ſich zu lächeln. „Das wohl, Vater. Aber — ſie haben das Waſſer ſo nah, während wir hier oben dürſten müſſen.“ „Es ſind nur noch wenige Stunden bis zum Abend. Dann können wir uns im Schutz der Dunkelheit genug Waſſer holen.“ „Lange Stunden noch!“ ringt es ſich wie ein Seufzer von Pauls Lippen. Sein Vater zieht die buſchigen Brauen zu- ſammen. „Ich ſagt’ es ja gleich: Du hätteſt bei der Mutter bleiben ſollen!“ „Das hätteſt Du im Ernſt nicht gewollt, Vater. Und ſie auch nicht. Sie wär ſelber gern mit ihren ſieben Jungen ins Feld gezogen — wie einſt die Urgroßmutter — wenn ſie nicht krank wäre.“ Der Alte nickt, und ein ſtolzes Lächeln ſpielt um ſeine ſchmalen Lippen. Ja ſeine Großmutter, die mit der Axt in der Hand das Leben ihres Gatten geſchützt hatte .... An ſeiner Seite hatte ſie mitkämpfend auf der Wagenburg geſtanden, als die Krieger Moſelekatſes ſie umringten und ſich be- mühten, die um die Räder geſchichteten, dornigen Mimoſenſtämme zu entfernen. Da — als eines rieſigen Kaffern Speer die Bruſt ihres Mannes bedrohte — hatte ihre Waffe den Angreifer nieder- geſtreckt ... Hendrik wuſste, ſeine Johanna hätte es nicht anders gemacht. Nur daſs ſie ſeit Pauls Geburt, des Jüngſten von zehn, immer kränkelte. Vielleicht war ihr „der Kleine“ darum ſo beſonders an’s Herz gewachſen. Vielleicht war er darum ein wenig verzärtelt worden — zu ſehr, wie der Vater jetzt oft meinte. Wo es irgend ein gefährliches oder anſtrengendes Unternehmen galt, hatte man ihn auf Bitten der Mutter daheim gelaſſen. Sie, die ihren Mann und die anderen Söhne ſtets furchtlos hinausziehen ſah, ängſtigte ſich immer, daſs Paul etwas zuſtoßen könne. Nun hatte ſie kein Wort geſagt, als auch er für Vaterland und Freiheit zu kämpfen begehrte. Nur beim Abſchied hatte ſie ihrem Gatten mit beſonders innigem Blick zugeflüſtert: „Hüt’ mir den Paul, Hendrik! Bring’ ihn mir geſund heim!“ Und er hatte geantwortet: „So der Herr will!“ ...

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Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat). (2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z)

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Zitationshilfe: Marburger Zeitung. Nr. 66, Marburg, 04.06.1901, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_marburger66_1901/1>, abgerufen am 21.11.2024.