Marburger Zeitung. Nr. 66, Marburg, 04.06.1901.Marburger Zeitung Nr. 66, 4. Juni 1901 [Spaltenumbruch] niemals eine große Siedlungspolitik betrieben und 1. Die Colonie Windthorst. Diese im Bezirke 2. Die Colonie Rudolfsthal, Bezirk und Kreis 3. Die Colonie Franz-Josefsfeld im Bezirke 4. In den Kreisen Banjaluka, Travnik und Was den Zustand der deutschen Colonien in Die Colonie Franz-Josefsfeld hat wie erwähnt Auch den anderen Colonien lässt sich eine Der größte Theil der deutschen Ansiedler Politische Umschau. Inland. -- Eine Niederlage der Lehrer- feinde. Das Unterrichtsministerium hat die Ent- Der niederösterreichische Landesschulrath hat -- Das Abgeordnetenhaus hielt am -- In der gestrigen Sitzung des Abgeord- [Spaltenumbruch] Eben tritt Paul von seinem Vater fort. Ein "Wieder eins von den Dingern, die nicht "Sie wollen ihre schlechte Munition los sein", Bisher waren die meisten Geschosse an den Auf seinen Armen trägt Hendrik Paul nach "Wasser, Wasser!" "Ja, mein Junge. Sollst gleich welches Hendrik begiebt sich zum Commandanten der Ab- Der Commandant nickt bedächtig. Ja, das "Schießen und treffen ist zweierlei", schmunzelte Der andere lacht kurz auf. "Und wie willst "Der wird von oben die Wand emporgezogen. "Wenn die andern Dir helfen wollen -- ich "Danke", sagt Hendrik kurz und geht, einige Nur sein ältester Sohn, ein stattlicher Dreißi- "Nein", unterbricht der Alte in entschiedenem Und so geschieht es. Vorsichtig, mit einer Und ruhig, als verrichte er das Geschäft am Marburger Zeitung Nr. 66, 4. Juni 1901 [Spaltenumbruch] niemals eine große Siedlungspolitik betrieben und 1. Die Colonie Windthorſt. Dieſe im Bezirke 2. Die Colonie Rudolfsthal, Bezirk und Kreis 3. Die Colonie Franz-Joſefsfeld im Bezirke 4. In den Kreiſen Banjaluka, Travnik und Was den Zuſtand der deutſchen Colonien in Die Colonie Franz-Joſefsfeld hat wie erwähnt Auch den anderen Colonien läſst ſich eine Der größte Theil der deutſchen Anſiedler Politiſche Umſchau. Inland. — Eine Niederlage der Lehrer- feinde. Das Unterrichtsminiſterium hat die Ent- Der niederöſterreichiſche Landesſchulrath hat — Das Abgeordnetenhaus hielt am — In der geſtrigen Sitzung des Abgeord- [Spaltenumbruch] Eben tritt Paul von ſeinem Vater fort. Ein „Wieder eins von den Dingern, die nicht „Sie wollen ihre ſchlechte Munition los ſein“, Bisher waren die meiſten Geſchoſſe an den Auf ſeinen Armen trägt Hendrik Paul nach „Waſſer, Waſſer!“ „Ja, mein Junge. Sollſt gleich welches Hendrik begiebt ſich zum Commandanten der Ab- Der Commandant nickt bedächtig. Ja, das „Schießen und treffen iſt zweierlei“, ſchmunzelte Der andere lacht kurz auf. „Und wie willſt „Der wird von oben die Wand emporgezogen. „Wenn die andern Dir helfen wollen — ich „Danke“, ſagt Hendrik kurz und geht, einige Nur ſein älteſter Sohn, ein ſtattlicher Dreißi- „Nein“, unterbricht der Alte in entſchiedenem Und ſo geſchieht es. Vorſichtig, mit einer Und ruhig, als verrichte er das Geſchäft am <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0002" n="2"/> <fw place="top" type="header">Marburger Zeitung Nr. 66, 4. Juni 1901</fw><lb/> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div xml:id="colonien2" prev="#colonien1" type="jArticle" n="2"> <p>niemals eine große Siedlungspolitik betrieben und<lb/> natürlich noch weniger germaniſiert, aber ſie hat<lb/> auch den nach der Occupation ins Land gekommenen<lb/> Bauern keine Hinderniſſe in den Weg gelegt, viel-<lb/> mehr, wo es angieng, ſolche Niederlaſſungen ge-<lb/> fördert. Heute weist Bosnien eine ganz beträchtliche<lb/> Zahl von Colonien auf. Unter den Coloniſten des<lb/> Occupationslandes nehmen die Deutſchen ſowohl in<lb/> Bezug auf Tüchtigkeit, als der Zahl nach den erſten<lb/> Rang ein. Bosnien zählt gegenwärtig 898 deutſche<lb/> Coloniſten-Familien mit 4861 Seelen. Unter<lb/> Coloniſten verſtehen wir hier nur landwirtſchaftliche<lb/> Anſiedler, alſo ſolche, welche auf dem eigenen Grund<lb/> und Boden ſelbſt Landwirtſchaft betreiben, nicht aber<lb/> Kleinpächter privater Grundſtücke, deren es auch eine<lb/> größere Anzahl im Lande gibt. Die wichtigſten<lb/> Colonien ſind folgende:</p><lb/> <p>1. Die Colonie Windthorſt. Dieſe im Bezirke<lb/> Bosn.-Gradiska, Kreis Banjaluka, gelegene Colonie<lb/> und das daran grenzende Maglaj (im Bezirke Banja-<lb/> luka) ſind die älteſten der in Bosnien beſtehenden<lb/> deutſchen Colonien. Sie wurden im Jahre 1879<lb/> ohne ſtaatliche Intervention von katholiſchen An-<lb/> gehörigen des Deutſchen Reiches gegründet. Beide<lb/> Colonien zuſammen bedecken eine Areale von 3200<lb/> Hektar und zählen 309 Familien mit etwa 1500 Köpfen.<lb/> Auf die Colonie Windthorſt entfallen 2364 Hektar<lb/> an Fläche, 226 Familien mit 1081 Seelen. Die<lb/> Coloniſten ſind katholiſch und durchwegs deutſcher<lb/> Nationalität.</p><lb/> <p>2. Die Colonie Rudolfsthal, Bezirk und Kreis<lb/> Banjaluka. Dieſe Colonie iſt kurz nach der Occupation<lb/> von deutſchen Tirolern gegründet worden. Die Grund-<lb/> ſtücke ſind durchwegs käuflich erworbenes Eigenthum<lb/> der Coloniſten, ihr Geſammtausmaß beträgt 812<lb/> Hektar, auf welchen 83 Familien mit 406 Köpfen<lb/> wohnen. Die Coloniſten ſind faſt durchwegs katholiſch.</p><lb/> <p>3. Die Colonie Franz-Joſefsfeld im Bezirke<lb/> Bjelina, Kreis Dolnja Tuzla. Dieſer Ort iſt eine<lb/> von Banater „Schwaben“ Ende der Achtziger Jahre<lb/> gegründete deutſche Colonie, welche gut gedeiht und<lb/> trotz der ſchweren Heimſuchung durch eine Ueber-<lb/> ſchwemmung im Jahre 1897 materiell erſtarkte und<lb/> nun geſichert daſteht. Die Gründung der Colonie<lb/> erfreute ſich der beſonderen Förderung der Regierung,<lb/> theils durch Ankauf von Privat-Grundſtücken für<lb/> Zwecke der Colonie, theils durch Zuweiſung landes-<lb/> ärariſcher Rodegründe an die Anſiedler. Die Colonie<lb/> umfaſst heute eine Grundfläche von 1026 Hektar,<lb/> welche von 178 Familien mit 1084 Köpfen bewohnt<lb/> wird. Die Franz-Joſefsfelder Coloniſten ſind durch-<lb/> wegs evangeliſcher Confeſſion.</p><lb/> <p>4. In den Kreiſen Banjaluka, Travnik und<lb/> Dolnja Tuzla gibt es eine Anzahl von kleineren<lb/> Niederlaſſungen, die von Deutſchen aus der Bukowina,<lb/> aus Galizien, Ungarn und Croatien beſiedelt wurden.<lb/> Bemerkenswert iſt, daſs viele dieſer Anſiedler früher<lb/> nach Rußland ausgewandert waren, es aber ſpäter<lb/> vorzogen, in Bosnien ſich niederzulaſſen. Die Zahl<lb/><cb/> dieſer zerſtreuten Coloniſten wird mit 411 Familien<lb/> mit 2290 Seelen angegeben, wovon 59 Familien<lb/> mit 344 Seelen katholiſch und 352 Familien mit<lb/> 1946 Seelen evangeliſch ſind.</p><lb/> <p>Was den Zuſtand der deutſchen Colonien in<lb/> den Occupationsländern betrifft, ſo können die beiden<lb/> älteſten, Windthorſt und Maglaj (Kreis Banjaluka),<lb/> bereits als ſehr wohlhabend bezeichnet werden. Land-<lb/> wirtſchaft und Viehzucht werden intenſiv betrieben<lb/> und die Coloniſten haben auch bereits landwirt-<lb/> ſchaftliche Induſtrie-Unternehmungen eingerichtet, wie<lb/> Ringöfen, eine größere und eine kleinere Dampfmühle<lb/> und eine Liqueurfabrik. In Maglaj ſowohl, als in<lb/> Windthorſt befindet ſich je eine große Molkerei der<lb/> bei Banjaluka angeſiedelten Trappiſten.</p><lb/> <p>Die Colonie Franz-Joſefsfeld hat wie erwähnt<lb/> durch Ueberſchwemmungen der Save und Drina<lb/> ſchwer gelitten, trotzdem wird aber ein Drittel der<lb/> Colonie als ſehr wohlhabend, ein zweites Drittel als<lb/> gut ſituiert bezeichnet. Bei dem Reſt macht ſich der<lb/> Mangel an ausreichenden eigenen Grundſtücken recht<lb/> ſtark fühlbar, da dieſe Familien nur Grundſtücke in<lb/> geringem Ausmaße angekauft, das Uebrige aber nur<lb/> gepachtet haben. Der Beſtand der Colonie iſt aber<lb/> heute ein völlig ſicherer und ein weiteres Aufblühen<lb/> zu erwarten.</p><lb/> <p>Auch den anderen Colonien läſst ſich eine<lb/> günſtige Vorherſagung machen, nur in Vranovac<lb/> und Prozora iſt die Coloniſation nicht ſo raſch ge-<lb/> glückt, weil man mit den vochandenen Barmitteln<lb/> unpraktiſch umgegangen iſt. Aber auch dieſe beiden<lb/> im Bezirke Dubica gelegenen Colonien haben ſo<lb/> günſtige Bedingungen, daſs mit Sicherheit ihre<lb/> baldige Sanierung erwartet wird.</p><lb/> <p>Der größte Theil der deutſchen Anſiedler<lb/> gehört der evangeliſchen Confeſſion an. Die deutſchen<lb/> Bauern ſind ein für die Coloniſation beſonders ge-<lb/> eignetes Element, es ſind beſonnene, äußerſt fleißige<lb/> Leute, phyſiſch kräftig, ausdauernd, nüchtern und<lb/> von hochentwickeltem Gemeinſinn. Es wäre nur zu<lb/> wünſchen, daſs die deutſchen Coloniſten in Bosnien<lb/> und der Herzegowina auch auf die Dauer ihre deutſche<lb/> Nationalität und ihre guten nationalen Eigenſchaften<lb/> bewahren. Sie im Zuſammenhange mit dem Mutter-<lb/> lande zu erhalten, iſt eine Aufgabe, welche der<lb/> deutſchen Intelligenz des Landes und der deutſchen<lb/> Preſſe Oeſterreichs zufällt. Für eine alldeutſche Wirt-<lb/> ſchaftspolitik werden Bosnien und die Herzegowina<lb/> als Hinterländer des dalmatiſchen Küſtenſaumes<lb/> einmal eine große Bedeutung erhalten und die deutſchen<lb/> Colonien in dieſen Ländern ſind gute Grundlagen<lb/> für intenſive deutſche Handelsbeziehungen.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Politiſche Umſchau.</hi> </head><lb/> <div xml:id="inland1" next="#inland2" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Inland.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head>— <hi rendition="#g">Eine Niederlage der Lehrer-<lb/> feinde.</hi> </head> <p>Das Unterrichtsminiſterium hat die <hi rendition="#g">Ent-<lb/> laſſung</hi> des Wiener <hi rendition="#g">Lehrers Rehling<lb/><cb/> aufgehoben</hi> und dieſen in gleicher Eigenſchaft<lb/> an eine andere Dienſtſtelle verſetzt. Herr Rehling<lb/> war bekanntlich wegen einer deutſchnationalen Ver-<lb/> ſammlungsrede in Diſciplinarunterſuchung gezogen<lb/> und vom chriſtlichſocialen niederöſterreichiſchen Lan-<lb/> desſchulrathe entlaſſen worden, wie es der chriſtlich-<lb/> ſociale Bezirksſchulrath von Wien gewünſcht hatte.</p><lb/> <p>Der niederöſterreichiſche Landesſchulrath hat<lb/> die vom chriſtlichſocialen Wiener Bezirksſchulrathe<lb/> verfügte <hi rendition="#g">Suspendierung</hi> des Abg. Lehrer<lb/><hi rendition="#g">Seitz</hi> vom Lehramte, als ungeſetzlich, <hi rendition="#g">aufge-<lb/> hoben.</hi> Die chriſtlichſociale Brutalität gegen<lb/> Andersdenkende wird ſelbſt unſeren Behörden ſchon<lb/> zu arg.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>— Das <hi rendition="#g">Abgeordnetenhaus</hi> hielt am<lb/> Samstag eine denkwürdige Sitzung ab. Die beiden<lb/> großen Inveſtitions-Geſetze, jenes über die <hi rendition="#g">Alpen-<lb/> bahnen</hi> und das über die <hi rendition="#g">Waſſerſtraßen,</hi><lb/> gelangten zur <hi rendition="#g">dritten Leſung</hi> und in wenigen<lb/> Wochen werden ſie auch Geſetzeskraft erlangt haben.<lb/> Die beiden Referenten über die Geſetze, welche die-<lb/> ſelben mit kurzen Worten der dritten Leſung em-<lb/> pfahlen, Dr. <hi rendition="#g">Sylveſter</hi> und Dr. <hi rendition="#g">Menger,</hi><lb/> wurden acclamiert. Die Inveſtitions-Vorlage wurde<lb/> einſtimmig angenommen. Bei der dritten Leſung<lb/> der Waſſerſtraßen-Vorlage ſtellte Abg. <hi rendition="#g">Lemiſch</hi><lb/> den Antrag auf namentliche Abſtimmung, um den<lb/> enragierteſten Gegnern der Vorlage die Möglichkeit<lb/> zu bieten, noch einmal gegen die Vorlage zu de-<lb/> monſtrieren. Der feudale böhmiſche Hochadel und<lb/> ein Theil des verfaſſungstreuen Großgrundbeſitzes<lb/> entfernten ſich aus dem Saale und ſtimmten nicht,<lb/> ebenſo der größte Theil der bäuerlichen Vertreter<lb/> in der katholiſchen Volkspartei und der Slovenen.<lb/> Die Alldeutſchen waren ſpärlich im Saale ver-<lb/> treten und ſtimmten geſchloſſen gegen die Vorlage<lb/> — aber die Vertreter der Induſtriebezirke in ihren<lb/> Reihen waren im Saale nicht anweſend. Mit den<lb/> Alldeutſchen ſtimmte ein Theil der Agrarier aller<lb/> übrigen Parteien auf der Linken wie auf der<lb/> Rechten des Hauſes. Das <hi rendition="#g">Geſetz</hi> wurde mit 198<lb/> gegen 46 Stimmen <hi rendition="#g">angenommen.</hi> Dieſes Re-<lb/> ſultat wurde mit ſtürmiſchem Beifalle aufgenommen.<lb/> Miniſter-Präſident Dr. v. Koerber wurde beglück-<lb/> wünſcht.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>— In der geſtrigen Sitzung des Abgeord-<lb/> netenhauſes wurde die Debatte über das <hi rendition="#g">Budget-<lb/> proviſorium fortgeſetzt.</hi> Es waren im<lb/> ganzen ſechzehn Redner zum Worte gemeldet. Man<lb/> konnte alſo auf eine lange Dauer der Sitzung ge-<lb/> faſst ſein. Als erſter Redner ſprach der Vertreter<lb/> der Deutſchen Fortſchrittspartei, Dr. Groß, der,<lb/> im Gegenſatze zur Stellung, welche die Deutſche<lb/> Volkspartei durch den Abg. Löcker präciſieren ließ,<lb/> erklärte, daſs ſeine Partei kein Vertrauen zur Re-<lb/> gierung habe und daſs ſie nur deshalb für das<lb/> Budget ſtimme, um endlich der Wirtſchaft mit dem<lb/> § 14 ein Ende zu machen. Auch Miniſterpräſident<lb/> Dr. v. Koerber griff in die Debatte ein.</p> </div> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div next="#heldentod3" xml:id="heldentod2" prev="#heldentod1" type="jArticle" n="2"> <p>Eben tritt Paul von ſeinem Vater fort. Ein<lb/> Freund, der einige Schritte von den beiden ent-<lb/> fernt ſeinen Platz hatte, rief dem Jüngling etwas<lb/> zu, und dieſer geht, da er nichts verſteht, näher<lb/> heran. Im ſelben Augenblick ſchwirrt ein ſonder-<lb/> barer, pfeifender Ton durch die Luft.</p><lb/> <p>„Wieder eins von den Dingern, die nicht<lb/> krepieren“, bemerkt ein Mann, indem er ſich gleich-<lb/> müthig die Pfeife anzündet.</p><lb/> <p>„Sie wollen ihre ſchlechte Munition los ſein“,<lb/> ſcherzte ein anderer. Drum verſchießen ſie ſie.“</p><lb/> <p>Bisher waren die meiſten Geſchoſſe an den<lb/> Felſen abgeprallt, und die in das Lager herabfielen,<lb/> explodierten nicht. Dieſes aber ſenkt ſich im Bogen.<lb/> Sand und Steinſplitter fliegen. Und dann ſieht<lb/> Henrik ſeinen Jüngſten neben ſeinem Freunde am<lb/> Boden liegen. Blut rieſelt über die erdfarbenen<lb/> Joppen .....</p><lb/> <p>Auf ſeinen Armen trägt Hendrik Paul nach<lb/> der anderen Seite des Hügels, wo man bereits<lb/> zwei Verwundete gebettet hat, und bereitet ihm auf<lb/> dürrem Gras ein möglichſt bequemes Lager. Man<lb/> legt dem jungen Mann einen Nothverband an.<lb/> Leiſe ächzend öffnet er die großen, blauen Augen.</p><lb/> <p>„Waſſer, Waſſer!“</p><lb/> <p>„Ja, mein Junge. Sollſt gleich welches<lb/> haben.“</p><lb/> <p>Hendrik begiebt ſich zum Commandanten der Ab-<lb/> theilung. Derſelbe ſoll ihm erlauben, für den Ver-<lb/> wundeten Waſſer zu holen. Der Felſenkegel, auf<lb/> dem ſich das Häuflein Buren verſchanzt hat, tritt<lb/> an einer Stelle bis dicht an das Fluſsbett heran.<lb/> Es ſcheint Hendrik ausführbar, von einem etwa auf<lb/><cb/> halber Höhe überhängenden Felsvorſprung ein Seil<lb/> mit einem Eimer in den Strom hinabzulaſſen und<lb/> wieder heraufzuziehen.</p><lb/> <p>Der Commandant nickt bedächtig. Ja, das<lb/> iſt möglich. Aber um bis zu dem Vorſprung zu<lb/> gelangen, muſs man eine ſteile Wand herunter-<lb/> klettern, an der man dem Feuer der feindlichen<lb/> Kugeln zur Zielſcheibe dient.</p><lb/> <p>„Schießen und treffen iſt zweierlei“, ſchmunzelte<lb/> Hendrik.</p><lb/> <p>Der andere lacht kurz auf. „Und wie willſt<lb/> Du mit dem gefüllten Eimer heraufkommen?“ fragte<lb/> er dann.</p><lb/> <p>„Der wird von oben die Wand emporgezogen.<lb/> Mit Hilfe einer Wagendeichſel und Striken leicht<lb/> gemacht. Die Leute werden dazu nicht einmal<lb/> gefährdet ſein. Sie ſehen ja, wenn die drüben<lb/> ſchießen und können ſich ducken.“</p><lb/> <p>„Wenn die andern Dir helfen wollen — ich<lb/> will’s nicht verbieten.“</p><lb/> <p>„Danke“, ſagt Hendrik kurz und geht, einige<lb/> Helfer zu werben, die ſich ſogleich bereit finden<lb/> laſſen.</p><lb/> <p>Nur ſein älteſter Sohn, ein ſtattlicher Dreißi-<lb/> ger, macht ihm Vorſtellungen. „Laſs mich ’runter-<lb/> klettern, Vater. Ich bin jünger und —“</p><lb/> <p>„Nein“, unterbricht der Alte in entſchiedenem<lb/> Ton. „Du magſt das Aufwinden beſorgen, Pieter.<lb/> Es iſt recht, daſs der Vater den gefährlicheren Theil<lb/> übernimmt.“</p><lb/> <p>Und ſo geſchieht es. Vorſichtig, mit einer<lb/> für ſeine Jahre bewunderungswürdigen Gewandt-<lb/> heit ſteigt Hendrik die Felswand hinab. Staunend<lb/><cb/> ſehen die Engländer das Beginnen des kühnen<lb/> Mannes. Ihren Augen erſcheint es geradezu wunder-<lb/> bar, wie er an der ſteilen Mauer nur Platz findet, die<lb/> Füße aufzuſetzen. Anfangs glauben ſie, es würden<lb/> ihm noch andere zur Ausführung eines kriegeriſchen<lb/> Zweckes folgen, und ein Hagel von Flintenkugeln<lb/> ergießt ſich in ſeiner Richtung. Aber die Buren ſind<lb/> nicht faul in der Erwiderung, und da die engli-<lb/> ſchen Schützen ſo gut wie gar keine Deckung haben,<lb/> ſo koſtet dieſer Kugelwechſel ihnen noch manchen<lb/> Mann. Unentwegt klimmt Hendrik weiter. Der<lb/> Schweiß perlt ihm von der Stirn, ſeine Hände<lb/> bluten von den ſcharfen Felszacken, ſeine Hände<lb/> zerreißen. Seine kraftſtrotzenden, ſehnigen Glieder<lb/> fangen an zu zittern von der furchtbaren Anſpan-<lb/> nung. Er achtete es nicht. Jetzt — endlich! — hat<lb/> er den Vorſprung erreicht — befeſtigt das Seil,<lb/> läſst den Eimer herab. Die Feinde hören plötzlich<lb/> auf zu feuern. In athemloſer Spannung verfolgen<lb/> hunderte von Augen jede ſeiner Bewegungen.</p><lb/> <p>Und ruhig, als verrichte er das Geſchäft am<lb/> Ziehbrunnen ſeiner Farm, füllt er den Eimer und<lb/> zieht ihn vorſichtig wieder nach oben. Sein Hut<lb/> fällt ihm dabei vom Haupte und rollt in eine<lb/> Felsſpalte hinab. Er wendet nicht einmal den<lb/> Kopf darnach. Die Sonne brennt auf ſeinem grauen<lb/> Scheitel. Nun beugt er ſich vor und hebt mit<lb/> ſtarker Hand den Eimer über den Rand der natür-<lb/> lichen Felſenbrüſtung zu ſich in die Höhe. Und<lb/> dann ſteht er einen Augenblick regungslos und<lb/> blickt mit den falkenſcharfen, ungeblendeten Augen<lb/> über die Ebene jenſeits des Fluſſes, über die<lb/> Stellung des Feindes mit ihren auf ihn gerichte-</p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [2/0002]
Marburger Zeitung Nr. 66, 4. Juni 1901
niemals eine große Siedlungspolitik betrieben und
natürlich noch weniger germaniſiert, aber ſie hat
auch den nach der Occupation ins Land gekommenen
Bauern keine Hinderniſſe in den Weg gelegt, viel-
mehr, wo es angieng, ſolche Niederlaſſungen ge-
fördert. Heute weist Bosnien eine ganz beträchtliche
Zahl von Colonien auf. Unter den Coloniſten des
Occupationslandes nehmen die Deutſchen ſowohl in
Bezug auf Tüchtigkeit, als der Zahl nach den erſten
Rang ein. Bosnien zählt gegenwärtig 898 deutſche
Coloniſten-Familien mit 4861 Seelen. Unter
Coloniſten verſtehen wir hier nur landwirtſchaftliche
Anſiedler, alſo ſolche, welche auf dem eigenen Grund
und Boden ſelbſt Landwirtſchaft betreiben, nicht aber
Kleinpächter privater Grundſtücke, deren es auch eine
größere Anzahl im Lande gibt. Die wichtigſten
Colonien ſind folgende:
1. Die Colonie Windthorſt. Dieſe im Bezirke
Bosn.-Gradiska, Kreis Banjaluka, gelegene Colonie
und das daran grenzende Maglaj (im Bezirke Banja-
luka) ſind die älteſten der in Bosnien beſtehenden
deutſchen Colonien. Sie wurden im Jahre 1879
ohne ſtaatliche Intervention von katholiſchen An-
gehörigen des Deutſchen Reiches gegründet. Beide
Colonien zuſammen bedecken eine Areale von 3200
Hektar und zählen 309 Familien mit etwa 1500 Köpfen.
Auf die Colonie Windthorſt entfallen 2364 Hektar
an Fläche, 226 Familien mit 1081 Seelen. Die
Coloniſten ſind katholiſch und durchwegs deutſcher
Nationalität.
2. Die Colonie Rudolfsthal, Bezirk und Kreis
Banjaluka. Dieſe Colonie iſt kurz nach der Occupation
von deutſchen Tirolern gegründet worden. Die Grund-
ſtücke ſind durchwegs käuflich erworbenes Eigenthum
der Coloniſten, ihr Geſammtausmaß beträgt 812
Hektar, auf welchen 83 Familien mit 406 Köpfen
wohnen. Die Coloniſten ſind faſt durchwegs katholiſch.
3. Die Colonie Franz-Joſefsfeld im Bezirke
Bjelina, Kreis Dolnja Tuzla. Dieſer Ort iſt eine
von Banater „Schwaben“ Ende der Achtziger Jahre
gegründete deutſche Colonie, welche gut gedeiht und
trotz der ſchweren Heimſuchung durch eine Ueber-
ſchwemmung im Jahre 1897 materiell erſtarkte und
nun geſichert daſteht. Die Gründung der Colonie
erfreute ſich der beſonderen Förderung der Regierung,
theils durch Ankauf von Privat-Grundſtücken für
Zwecke der Colonie, theils durch Zuweiſung landes-
ärariſcher Rodegründe an die Anſiedler. Die Colonie
umfaſst heute eine Grundfläche von 1026 Hektar,
welche von 178 Familien mit 1084 Köpfen bewohnt
wird. Die Franz-Joſefsfelder Coloniſten ſind durch-
wegs evangeliſcher Confeſſion.
4. In den Kreiſen Banjaluka, Travnik und
Dolnja Tuzla gibt es eine Anzahl von kleineren
Niederlaſſungen, die von Deutſchen aus der Bukowina,
aus Galizien, Ungarn und Croatien beſiedelt wurden.
Bemerkenswert iſt, daſs viele dieſer Anſiedler früher
nach Rußland ausgewandert waren, es aber ſpäter
vorzogen, in Bosnien ſich niederzulaſſen. Die Zahl
dieſer zerſtreuten Coloniſten wird mit 411 Familien
mit 2290 Seelen angegeben, wovon 59 Familien
mit 344 Seelen katholiſch und 352 Familien mit
1946 Seelen evangeliſch ſind.
Was den Zuſtand der deutſchen Colonien in
den Occupationsländern betrifft, ſo können die beiden
älteſten, Windthorſt und Maglaj (Kreis Banjaluka),
bereits als ſehr wohlhabend bezeichnet werden. Land-
wirtſchaft und Viehzucht werden intenſiv betrieben
und die Coloniſten haben auch bereits landwirt-
ſchaftliche Induſtrie-Unternehmungen eingerichtet, wie
Ringöfen, eine größere und eine kleinere Dampfmühle
und eine Liqueurfabrik. In Maglaj ſowohl, als in
Windthorſt befindet ſich je eine große Molkerei der
bei Banjaluka angeſiedelten Trappiſten.
Die Colonie Franz-Joſefsfeld hat wie erwähnt
durch Ueberſchwemmungen der Save und Drina
ſchwer gelitten, trotzdem wird aber ein Drittel der
Colonie als ſehr wohlhabend, ein zweites Drittel als
gut ſituiert bezeichnet. Bei dem Reſt macht ſich der
Mangel an ausreichenden eigenen Grundſtücken recht
ſtark fühlbar, da dieſe Familien nur Grundſtücke in
geringem Ausmaße angekauft, das Uebrige aber nur
gepachtet haben. Der Beſtand der Colonie iſt aber
heute ein völlig ſicherer und ein weiteres Aufblühen
zu erwarten.
Auch den anderen Colonien läſst ſich eine
günſtige Vorherſagung machen, nur in Vranovac
und Prozora iſt die Coloniſation nicht ſo raſch ge-
glückt, weil man mit den vochandenen Barmitteln
unpraktiſch umgegangen iſt. Aber auch dieſe beiden
im Bezirke Dubica gelegenen Colonien haben ſo
günſtige Bedingungen, daſs mit Sicherheit ihre
baldige Sanierung erwartet wird.
Der größte Theil der deutſchen Anſiedler
gehört der evangeliſchen Confeſſion an. Die deutſchen
Bauern ſind ein für die Coloniſation beſonders ge-
eignetes Element, es ſind beſonnene, äußerſt fleißige
Leute, phyſiſch kräftig, ausdauernd, nüchtern und
von hochentwickeltem Gemeinſinn. Es wäre nur zu
wünſchen, daſs die deutſchen Coloniſten in Bosnien
und der Herzegowina auch auf die Dauer ihre deutſche
Nationalität und ihre guten nationalen Eigenſchaften
bewahren. Sie im Zuſammenhange mit dem Mutter-
lande zu erhalten, iſt eine Aufgabe, welche der
deutſchen Intelligenz des Landes und der deutſchen
Preſſe Oeſterreichs zufällt. Für eine alldeutſche Wirt-
ſchaftspolitik werden Bosnien und die Herzegowina
als Hinterländer des dalmatiſchen Küſtenſaumes
einmal eine große Bedeutung erhalten und die deutſchen
Colonien in dieſen Ländern ſind gute Grundlagen
für intenſive deutſche Handelsbeziehungen.
Politiſche Umſchau.
Inland.
— Eine Niederlage der Lehrer-
feinde. Das Unterrichtsminiſterium hat die Ent-
laſſung des Wiener Lehrers Rehling
aufgehoben und dieſen in gleicher Eigenſchaft
an eine andere Dienſtſtelle verſetzt. Herr Rehling
war bekanntlich wegen einer deutſchnationalen Ver-
ſammlungsrede in Diſciplinarunterſuchung gezogen
und vom chriſtlichſocialen niederöſterreichiſchen Lan-
desſchulrathe entlaſſen worden, wie es der chriſtlich-
ſociale Bezirksſchulrath von Wien gewünſcht hatte.
Der niederöſterreichiſche Landesſchulrath hat
die vom chriſtlichſocialen Wiener Bezirksſchulrathe
verfügte Suspendierung des Abg. Lehrer
Seitz vom Lehramte, als ungeſetzlich, aufge-
hoben. Die chriſtlichſociale Brutalität gegen
Andersdenkende wird ſelbſt unſeren Behörden ſchon
zu arg.
— Das Abgeordnetenhaus hielt am
Samstag eine denkwürdige Sitzung ab. Die beiden
großen Inveſtitions-Geſetze, jenes über die Alpen-
bahnen und das über die Waſſerſtraßen,
gelangten zur dritten Leſung und in wenigen
Wochen werden ſie auch Geſetzeskraft erlangt haben.
Die beiden Referenten über die Geſetze, welche die-
ſelben mit kurzen Worten der dritten Leſung em-
pfahlen, Dr. Sylveſter und Dr. Menger,
wurden acclamiert. Die Inveſtitions-Vorlage wurde
einſtimmig angenommen. Bei der dritten Leſung
der Waſſerſtraßen-Vorlage ſtellte Abg. Lemiſch
den Antrag auf namentliche Abſtimmung, um den
enragierteſten Gegnern der Vorlage die Möglichkeit
zu bieten, noch einmal gegen die Vorlage zu de-
monſtrieren. Der feudale böhmiſche Hochadel und
ein Theil des verfaſſungstreuen Großgrundbeſitzes
entfernten ſich aus dem Saale und ſtimmten nicht,
ebenſo der größte Theil der bäuerlichen Vertreter
in der katholiſchen Volkspartei und der Slovenen.
Die Alldeutſchen waren ſpärlich im Saale ver-
treten und ſtimmten geſchloſſen gegen die Vorlage
— aber die Vertreter der Induſtriebezirke in ihren
Reihen waren im Saale nicht anweſend. Mit den
Alldeutſchen ſtimmte ein Theil der Agrarier aller
übrigen Parteien auf der Linken wie auf der
Rechten des Hauſes. Das Geſetz wurde mit 198
gegen 46 Stimmen angenommen. Dieſes Re-
ſultat wurde mit ſtürmiſchem Beifalle aufgenommen.
Miniſter-Präſident Dr. v. Koerber wurde beglück-
wünſcht.
— In der geſtrigen Sitzung des Abgeord-
netenhauſes wurde die Debatte über das Budget-
proviſorium fortgeſetzt. Es waren im
ganzen ſechzehn Redner zum Worte gemeldet. Man
konnte alſo auf eine lange Dauer der Sitzung ge-
faſst ſein. Als erſter Redner ſprach der Vertreter
der Deutſchen Fortſchrittspartei, Dr. Groß, der,
im Gegenſatze zur Stellung, welche die Deutſche
Volkspartei durch den Abg. Löcker präciſieren ließ,
erklärte, daſs ſeine Partei kein Vertrauen zur Re-
gierung habe und daſs ſie nur deshalb für das
Budget ſtimme, um endlich der Wirtſchaft mit dem
§ 14 ein Ende zu machen. Auch Miniſterpräſident
Dr. v. Koerber griff in die Debatte ein.
Eben tritt Paul von ſeinem Vater fort. Ein
Freund, der einige Schritte von den beiden ent-
fernt ſeinen Platz hatte, rief dem Jüngling etwas
zu, und dieſer geht, da er nichts verſteht, näher
heran. Im ſelben Augenblick ſchwirrt ein ſonder-
barer, pfeifender Ton durch die Luft.
„Wieder eins von den Dingern, die nicht
krepieren“, bemerkt ein Mann, indem er ſich gleich-
müthig die Pfeife anzündet.
„Sie wollen ihre ſchlechte Munition los ſein“,
ſcherzte ein anderer. Drum verſchießen ſie ſie.“
Bisher waren die meiſten Geſchoſſe an den
Felſen abgeprallt, und die in das Lager herabfielen,
explodierten nicht. Dieſes aber ſenkt ſich im Bogen.
Sand und Steinſplitter fliegen. Und dann ſieht
Henrik ſeinen Jüngſten neben ſeinem Freunde am
Boden liegen. Blut rieſelt über die erdfarbenen
Joppen .....
Auf ſeinen Armen trägt Hendrik Paul nach
der anderen Seite des Hügels, wo man bereits
zwei Verwundete gebettet hat, und bereitet ihm auf
dürrem Gras ein möglichſt bequemes Lager. Man
legt dem jungen Mann einen Nothverband an.
Leiſe ächzend öffnet er die großen, blauen Augen.
„Waſſer, Waſſer!“
„Ja, mein Junge. Sollſt gleich welches
haben.“
Hendrik begiebt ſich zum Commandanten der Ab-
theilung. Derſelbe ſoll ihm erlauben, für den Ver-
wundeten Waſſer zu holen. Der Felſenkegel, auf
dem ſich das Häuflein Buren verſchanzt hat, tritt
an einer Stelle bis dicht an das Fluſsbett heran.
Es ſcheint Hendrik ausführbar, von einem etwa auf
halber Höhe überhängenden Felsvorſprung ein Seil
mit einem Eimer in den Strom hinabzulaſſen und
wieder heraufzuziehen.
Der Commandant nickt bedächtig. Ja, das
iſt möglich. Aber um bis zu dem Vorſprung zu
gelangen, muſs man eine ſteile Wand herunter-
klettern, an der man dem Feuer der feindlichen
Kugeln zur Zielſcheibe dient.
„Schießen und treffen iſt zweierlei“, ſchmunzelte
Hendrik.
Der andere lacht kurz auf. „Und wie willſt
Du mit dem gefüllten Eimer heraufkommen?“ fragte
er dann.
„Der wird von oben die Wand emporgezogen.
Mit Hilfe einer Wagendeichſel und Striken leicht
gemacht. Die Leute werden dazu nicht einmal
gefährdet ſein. Sie ſehen ja, wenn die drüben
ſchießen und können ſich ducken.“
„Wenn die andern Dir helfen wollen — ich
will’s nicht verbieten.“
„Danke“, ſagt Hendrik kurz und geht, einige
Helfer zu werben, die ſich ſogleich bereit finden
laſſen.
Nur ſein älteſter Sohn, ein ſtattlicher Dreißi-
ger, macht ihm Vorſtellungen. „Laſs mich ’runter-
klettern, Vater. Ich bin jünger und —“
„Nein“, unterbricht der Alte in entſchiedenem
Ton. „Du magſt das Aufwinden beſorgen, Pieter.
Es iſt recht, daſs der Vater den gefährlicheren Theil
übernimmt.“
Und ſo geſchieht es. Vorſichtig, mit einer
für ſeine Jahre bewunderungswürdigen Gewandt-
heit ſteigt Hendrik die Felswand hinab. Staunend
ſehen die Engländer das Beginnen des kühnen
Mannes. Ihren Augen erſcheint es geradezu wunder-
bar, wie er an der ſteilen Mauer nur Platz findet, die
Füße aufzuſetzen. Anfangs glauben ſie, es würden
ihm noch andere zur Ausführung eines kriegeriſchen
Zweckes folgen, und ein Hagel von Flintenkugeln
ergießt ſich in ſeiner Richtung. Aber die Buren ſind
nicht faul in der Erwiderung, und da die engli-
ſchen Schützen ſo gut wie gar keine Deckung haben,
ſo koſtet dieſer Kugelwechſel ihnen noch manchen
Mann. Unentwegt klimmt Hendrik weiter. Der
Schweiß perlt ihm von der Stirn, ſeine Hände
bluten von den ſcharfen Felszacken, ſeine Hände
zerreißen. Seine kraftſtrotzenden, ſehnigen Glieder
fangen an zu zittern von der furchtbaren Anſpan-
nung. Er achtete es nicht. Jetzt — endlich! — hat
er den Vorſprung erreicht — befeſtigt das Seil,
läſst den Eimer herab. Die Feinde hören plötzlich
auf zu feuern. In athemloſer Spannung verfolgen
hunderte von Augen jede ſeiner Bewegungen.
Und ruhig, als verrichte er das Geſchäft am
Ziehbrunnen ſeiner Farm, füllt er den Eimer und
zieht ihn vorſichtig wieder nach oben. Sein Hut
fällt ihm dabei vom Haupte und rollt in eine
Felsſpalte hinab. Er wendet nicht einmal den
Kopf darnach. Die Sonne brennt auf ſeinem grauen
Scheitel. Nun beugt er ſich vor und hebt mit
ſtarker Hand den Eimer über den Rand der natür-
lichen Felſenbrüſtung zu ſich in die Höhe. Und
dann ſteht er einen Augenblick regungslos und
blickt mit den falkenſcharfen, ungeblendeten Augen
über die Ebene jenſeits des Fluſſes, über die
Stellung des Feindes mit ihren auf ihn gerichte-
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grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.
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