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Marburger Zeitung. Nr. 6, Marburg, 14.01.1913.

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Marburger Zeitung Nr. 6. 14. Jänner 1913

[Spaltenumbruch]

deutenden Sachen Obstruktion getrieben, die Tätig-
keit des Parlamentes vollständig lahmgelegt; um
Lappalien streitet man sich, die 700 Millionen können
ausgeben werden, auch wenn sie hätten erspart wer-
den können. Unsere parlamentarischen Verhältnisse
sind eben geradeso traurig, wie die Verhältnisse in
der Regierung und der Diplomatie.




Politische Umschau.
Herrenhäusler für neue Bedrückungen.

In der Finanzkommission des Herrenhauses
hat am 10. d. mit Finanzminister Ritter v. Zaleski
eine Besprechung über den kleinen Finanzplan statt-
gefunden. Darüber wird berichtet:

"Die Bedenken, die im Kreise der Mitglieder
der Kommission hiebei geäußrrt worden sind, be-
zogen sich hauptsächlich darauf, daß bei der Steige-
rung der Sätze der Personaleinkommensteuer nur die
höheren Einkommenstufen herangezogen werden
sollen. Es wurde darauf hingewiesen, daß in einer
Zeit, in welcher das Abgeordnetenhaus auf Grund
des allgemeinen Wahlrechts gewählt werde, sämt-
liche Klassen der Bevölkerung gleichmäßig zur Steuer-
leistung verhalten werden mögen. In dieser Ansicht
stimmten alle Parteien des Herrenhauses überein."

Das sind recht liebe Leute, die Herrenhäusler!
Es erregt ihren Groll, daß die hohen Einkommen
prozentuell höher besteuert werden sollen als die
kleinen und sie verlangen, daß auch diese kletneren
und kleinen Einkommen neuerdings schärfer besteuert
werden sollen, obwohl diese eine Krone stärker spüren
als die Rieseneinkommen 100 Kronen! Das war
sogar dem Finanzminister R. von Zaleski zu arg;
er wandte sich gegen diese volksfeindliche Absicht
und warnte vor der zu starken Belastung der unteren
Schichten und des kleinen Mittelstandes. Die reichen
Herrenhäusler sind wirklich recht liebe Leute .....

Ein netter Eierhandel!

Eine bezeichnende Notiz bringt die Wochen-
schrift Deutsch-Österreich: Der österreichische Finanz-
minister schwimmt bekanntlich im Gelde und nun
gar erst die kleinen Landesfinanzminister, die in den
"Königreichen und Ländern" so wunderbar Ordnung
zu halten verstehen. So hat sich das Land Mähren
ein Defizit von 19 Millionen im letzten Jahre ein-
gewirtschaftet und da kommt es natürlich auf einige
Zehntausend mehr oder weniger nicht an. So sah
sich das Land Mähren bemüßigt, einem tschechischen
Professor eine Sammlung alter Hauben und be-
malter Eier für 80.000 Kronen abzukaufen, wozu
der Staat einen Zuschuß von 40.000 Kronen gab.
Und dieser Professor ist ein so eifriger Sammler,
daß er schon wieder eine Sammlung beisammen
haben soll. Am besten wäre es, man stellt in das
mährische Budget gleich einen fixen Posten ein für
den Ankauf alter Hauben und bemalter Eier.

Eine Eisenbahnaktion.

Das Land Niederösterreich will eine Anleihe
von 72 Millionen Kronen für neue Lokalbahnen
[Spaltenumbruch] und Ausgestaltung von Betriebslinien aufnehmen.
Hievon sind 48 Millionen Kronen für neue Lokal-
bahnen bestimmt, während der Rest für die erwähnte
Ausgestaltung von Betriebslinien und für die Deckung
früherer Ausgaben verwendet werden soll. Unter den
neuen Erfordernissen zur Ausgestaltung bestehender
Bahnen befinden sich 4,582.000 Kronen für die
niederösterreich-steirische Alpenbahn samt Fort-
setzungsstrecke Rupprechtshofen-Gresten. -- Wir in
Steiermark können infolge der slowenischen Obstruktion
im Landtage nicht einmal die Bezirksstraßen ordent-
lich erhalten, weil durch die Lähmung des Land-
tages die Bezirke ohne Landessubventionen sind.
Von einem Bahnbau kann bei uns unter diesen
Umständen gar keine Rede sein, weil der obstruierte
Landtag kein Darlehen aufnehmen kann und das
Notwendigste und Dringendste unerledigt bleiben
muß!

Die Analphabeten.

Im Deutschen Reiche kommen nur drei Anal-
phabeten auf je 1000 Personen (ohne die Polen
würde höchstens ein Analphabet auf 1000 Personen
kommen), wohingegen England auf je 1000 Leute
10 Analphabeten aufzuweisen hat. Frankreich hat
viermal soviel Analphabeten, Belgien zehnmal so-
viel, in Österreich gibt es sogar 257 Analpha-
beten auf 1000 Mann. Italien hat 315 Analpha-
beten auf 1000 Menschen. Bei weitem am tiefsten
ist das W[i]ssensniveau in Rußland, wo auf 1000
Menschen 617 völlige Analphabeten gerechnet werden
müssen. Bei Österreich mit seinen 25·7 Prozent
Analphabeten (gegen ein Drittel Prozent im Deut-
schen Reiche!) ist natürlich ein Großteil der Anal-
phabeten in Galizien zu suchen; dafür werden wir
slawisch klerikal regiert!

Verstärkung des deutschen Heeres.

Die deutsche Reichsregierung plant die Ein-
bringung einer neuen Heeresvorlage. Die Gesamt-
kosten dieser für das Etatjahr 1913/14 zu erwartenden
Heeresnovelle sollen etwa zu 75 Millionen Mark
betragen. Besondere Rücksicht soll auf die Ausge-
staltung der Kriegslufischiffahrt genommen werden.

Die Haltung Rumäniens,

Die Beziehungen zwischen Rumänien und
Bulgarien werden immer gespannter. Die Nachricht,
die auch wir in der letzten Nummer veröffentlichten,
daß Rumänien an Bulgarien ein Ultimatum gerichtet
habe, wurde zwar dementiert, nichtsdestoweniger ist
die Lage nach wie vor kritisch. Die Bulgaren wollen
die rumänische Forderung auf eine Gebietsabtretung
solange hinausschieben, bis der Krieg mit der Türkei
beendet ist, um dann die ganze Macht gegen
Rumänien frei zu haben. Das wollen wieder die
Rumänen nicht. Ein Gerücht spricht von einem
Bündnisse Rumäniens mit der Türkei. Nun beginnt
sich Rußland in diesen Zwist zu mengen. Aus
Bukarest wird unterm 12. d. gemeldet: Der hiesige
russische Gesandte erschten gestern beim Minister-
präsidenten Majorescu und teilte ihm mit, daß Ruß-
land zwar die Ansprüche Rumäniens auf Silistria
[Spaltenumbruch] für berechtigt erachie, jedoch als wünschenswert an-
sehe, daß die Forderungen Rumäniens von nun an
nicht in Sofia, sondern in Petersburg vorzubringen
seien. Man betrachtet in Bukarest dieses Verlangen
Rußlands als eine Parteinahme für Bulgarien und
als eine versteckte Drohung gegen Rumänien,
falls letzteres militärische Maßnahmen gegen Bul-
garien ergreifen sollte.




Der Krieg.

Hinsichtlich der traurigen Haltung einiger
europäischer Großmäche, die beim Ausbruche des
Krieges gemeinsam mit den anderen Großmächten
die Erklärung abgaben, daß die Kriegsecgebnisse
an der Balkangeographie nichts ändern dürfen
und jetzt auf die Türkei sogar einwirken, daß sie
die unbezwungene Festung Adrianopel den Bul-
garen überlassen sollen, äußerte sich der türkische
Friedenunterhändler Reschid-Pascha in bitterer und
zutreffender Weise. Die Haltung Europas, erklärt
Reschid-Pascha, ist mit keinem Worte zu bezeichnen.
Man hat uns beide Arme abgeschnitten
und jetzt sagt uns Europa: Das genügt nicht,
laßt euch auch die Beine abschneiden. Da ziehen
wir die Wiederaufnahme des Krieges vor. Wir sind
bereit, für die Verteidigung der Würde und Ehre
unseres Vaterlandes auf dem Schlachtfelde zu
sterben.




Eigenberichte.
(Verlobung).

Fräulein Luise Wagner, jüngste Tochter des
bestbekannten Fleischhauermeisters und Realitäten-
besitzers Herrn Domenikus Wagner und der Frau
Josefine geb. Stift, hat sich mit Herrn Dr. Rudolf
Achorner, Auskultanten beim k. k. Landesgericht
in Graz, verlobt.

(Bezirksver-
tretung)

Gestern fand unter dem Vorsitze des
Bezirksobmannes Rüdiger v. Seutter eine Voll-
versammlung der Bezirksvertretung statt. Den
Hauptpunkt der Tagesordnung bildete die Vorlage
des Präliminars für 1913. Die Gesamtausgaben
in der Höhe von 56.860 K. finden ihre Deckung
durch eine 50 prozentige Bezirksumlage und durch
die peinlichste Sparsamkeit im Bezirkshaushalte.
Durch den Entfall der Landessubventionen sind dem
Bezirke bisher 22.966 K. an Einnahmeposten
entgangen. Für Armenheilkosten aus auswärtigen
Bezirken sind 6667 K. ausständig, zu deren Herein-
bringung die erforderlichen Schritte unternommen
wurden. Die Kupferv[i]triolschuld ist von 7000 K.
auf 2475 K. gesunken. Ende 1912 hatte die Bezirks-
kasse einen Kasserest von 471 K. Gemeindeum-
lagen sprachen an: A[r]nfels 70, Leutschach 30,
Oberhaag 58, Schloßberg 55, Glanz 66, Ech-
berg 41·5, St. Johann 41, Gleinstätten 35,
Klein 50, P[i]storf 60, Prarath 35 und Kappel
60 Prozent. Über Antrag des Referenten Hugo
Herzer wurden die entsprechenden Beschlüsse gefaßt.




[Spaltenumbruch]

berichteee, als er dann das Mitgliederverzeichnis
durchlas und unter den Aktiven einen N[a]men las
-- den einen Namen, der ihn bis in seine Träume
verfolgte, da hatte ihn ein Gefühl stolzer Genug-
tuung erfüllt. Auch diese seine scheinbar so haltlosen
Schlußfolgerungen von zwei blonden Härchen in
einer Krawattennadel bis hin zu der Person eines
der Mitwirkenden des heutigen Abends stimmten.
Während Werres über all das nachdachte, hatte das
Spiel auf der Bühne seinen Fortgang genommen.
Es kam der Augenblick. in dem der Landrat die
Szeue betritt. Die Türe zu dem Restaurant öffnete
sich, der Landrat erschien, eine hohe, elegante Ge-
stalt in Überzieher und Zylinder, der mit seinem
blonden, gescheitelten Haar und dem wohlgepflegten
langen Schurrbart von derselben Farbe den voll
kommenen Eindruck eines Aristokraten machte. Werres
schaute scharf nach der Bühne, seine Augen weiteten
sich, er neigte sich zu seinem Nachbar und sagte
leise: "Bitte, sehen Sie jetzt hin".

Der San[i]tätsrat riß das Glas an die Augen;
seine Hände zitternden so stark, daß die Personen
auf der Bühne hin und her zu wanken schienen;
dann sah er den blonden Herrn.

Lange blickie der San[i]ätsrat hin. Als er die
Hand mit dem Opernglas sinken ließ, war sein
ehrwürdiges G[e]sicht merkwürdig versteinert. Ganz
heiser raunte er Werres zu: "Er ist's!"

24. Kapitel.

Der nächste Tag brachte "Sturm und Regen.
[Spaltenumbruch] Es war schon spät, als W[e]rres nach unruhigem
Schlaf aufwachte. Langsam, ganz in Gedanken
versunken, kleidete er sich an. Gestern hatte er mit
dem Sanitätsrat der "Traumulus"-Aufführung
bis zu Ende beigewohnt. Als sie dann nachher in
der N[i]schen der Dannerschen Weinstube saßen, da
zeigten beide nicht viel Lust zum Reden. Der Sani-
tätsrat rauchte schweigend eine schwere Havanna,
und Werres schaute nachdenklich in das rot ver-
hüllte Licht des auf dem Tisch brennenden
Lämpchens.

Sie hatten sich früh getrennnt und Werres
saß dann lange allein in seinem stillen Zimmer
und überdachte alle Einzelheiten, die der kommende
Tag bringen würde. Dieser Tag war nun da;
aber die Nacht hatte ihm keinen ruhigen Schlummer
gebracht. Tolle, zusammenhanglose Traumb[i]lder
ließen sein überangestrengtes Hirn nicht zur Ruhe
kommen. Als er jetzt am Fenster stand und hinaus-
schaute auf die regennasse Straße, sah, wie die
R[e]gentropfen die Scheiben hinabrannen, wie Tränen,
dachte er -- dieselben Regentropfen, die unaufhörlich
knatternd der Sturm gegen die Fenster trieb, da
fühlte er wieder diese seltsame, unbestimmte Angst,
diese bange Ahnung vor etwas, das ihn bedrohte
und das er nicht abzuwehren vermochte. -- --

Dann brachte ihm seine stets vergnügte, lustige
Hausfrau den Kaffee, und während sie das Zimmer
aufräumte, schwatzte und plauderte sie unaufhörlich
über den neuesten Hausklatsch, und schien es nicht
zu bemerken, daß sie keine Antwort bekam. Werres
[Spaltenumbruch] war mit seinen Gedanken so gar nicht bei der
Sache, denn Schweres stand ihm heute bevor.

Der Kriminalbeamte Grosse stellte sich pünkt-
lich ein. Er hatte sein listiges Vogelgesicht in
beinahe feierliche Falten gelegt. Der war über
Bedenken, über Seelenkämpfe, wie sie Werres durch-
gemacht, längst hinaus. Er berichtete kurz, daß er
die Bestellung an den Kommissar ausgerichtet und
alles besorgt habe. Und dann fügte er hinzu:
"Freuen tue ich mich auf diese Geschichte heute,
Herr Doktor! Sie glauben gar nicht, wie dankbar
ich Ihnen bin, daß ich mitmachen darf. Und die
Hauptsache ist ja für mich, ich werde nun endlich
erfahren, wie Sie das alles so fein herausbe-
kommen haben, -- Sie ganz allein, -- denn der
Herr Kommissar", -- Grosse lächelte überlegen, --
"der hoffte noch gestern, daß er von Tursk[i] aus
Scherwinden Nachrichten erhalten werde, die zur
Verhaftung des Barons von Berg führen würden.
Der wird Augen machen, denn bei ihm steht es
fest, daß Herr von Berg an dem Morde beteiligt
war. Auß[e]rdem hat sich der Herr Kommissar mit
seinem Freunde und Vertrauten, -- dem Behrent
-- erzürnt. Der muß irgend eine große Dummheit
gemacht haben und ist doch sonst so überschlau!"

Werres mußt unwillkürlich lachen. Er dachte
an die Szene im Restaurant Helferich zurück, wie
Behrent so bedrückt fortgeschlichen war, nachdem
er ihm so unzweideutig zu verstehen gegeben, daß
er ihn erkannt und durchschaut habe.

(Fortsetzung folgt.)


Marburger Zeitung Nr. 6. 14. Jänner 1913

[Spaltenumbruch]

deutenden Sachen Obſtruktion getrieben, die Tätig-
keit des Parlamentes vollſtändig lahmgelegt; um
Lappalien ſtreitet man ſich, die 700 Millionen können
ausgeben werden, auch wenn ſie hätten erſpart wer-
den können. Unſere parlamentariſchen Verhältniſſe
ſind eben geradeſo traurig, wie die Verhältniſſe in
der Regierung und der Diplomatie.




Politiſche Umſchau.
Herrenhäusler für neue Bedrückungen.

In der Finanzkommiſſion des Herrenhauſes
hat am 10. d. mit Finanzminiſter Ritter v. Zaleski
eine Beſprechung über den kleinen Finanzplan ſtatt-
gefunden. Darüber wird berichtet:

„Die Bedenken, die im Kreiſe der Mitglieder
der Kommiſſion hiebei geäußrrt worden ſind, be-
zogen ſich hauptſächlich darauf, daß bei der Steige-
rung der Sätze der Perſonaleinkommenſteuer nur die
höheren Einkommenſtufen herangezogen werden
ſollen. Es wurde darauf hingewieſen, daß in einer
Zeit, in welcher das Abgeordnetenhaus auf Grund
des allgemeinen Wahlrechts gewählt werde, ſämt-
liche Klaſſen der Bevölkerung gleichmäßig zur Steuer-
leiſtung verhalten werden mögen. In dieſer Anſicht
ſtimmten alle Parteien des Herrenhauſes überein.“

Das ſind recht liebe Leute, die Herrenhäusler!
Es erregt ihren Groll, daß die hohen Einkommen
prozentuell höher beſteuert werden ſollen als die
kleinen und ſie verlangen, daß auch dieſe kletneren
und kleinen Einkommen neuerdings ſchärfer beſteuert
werden ſollen, obwohl dieſe eine Krone ſtärker ſpüren
als die Rieſeneinkommen 100 Kronen! Das war
ſogar dem Finanzminiſter R. von Zaleski zu arg;
er wandte ſich gegen dieſe volksfeindliche Abſicht
und warnte vor der zu ſtarken Belaſtung der unteren
Schichten und des kleinen Mittelſtandes. Die reichen
Herrenhäusler ſind wirklich recht liebe Leute .....

Ein netter Eierhandel!

Eine bezeichnende Notiz bringt die Wochen-
ſchrift Deutſch-Öſterreich: Der öſterreichiſche Finanz-
miniſter ſchwimmt bekanntlich im Gelde und nun
gar erſt die kleinen Landesfinanzminiſter, die in den
„Königreichen und Ländern“ ſo wunderbar Ordnung
zu halten verſtehen. So hat ſich das Land Mähren
ein Defizit von 19 Millionen im letzten Jahre ein-
gewirtſchaftet und da kommt es natürlich auf einige
Zehntauſend mehr oder weniger nicht an. So ſah
ſich das Land Mähren bemüßigt, einem tſchechiſchen
Profeſſor eine Sammlung alter Hauben und be-
malter Eier für 80.000 Kronen abzukaufen, wozu
der Staat einen Zuſchuß von 40.000 Kronen gab.
Und dieſer Profeſſor iſt ein ſo eifriger Sammler,
daß er ſchon wieder eine Sammlung beiſammen
haben ſoll. Am beſten wäre es, man ſtellt in das
mähriſche Budget gleich einen fixen Poſten ein für
den Ankauf alter Hauben und bemalter Eier.

Eine Eiſenbahnaktion.

Das Land Niederöſterreich will eine Anleihe
von 72 Millionen Kronen für neue Lokalbahnen
[Spaltenumbruch] und Ausgeſtaltung von Betriebslinien aufnehmen.
Hievon ſind 48 Millionen Kronen für neue Lokal-
bahnen beſtimmt, während der Reſt für die erwähnte
Ausgeſtaltung von Betriebslinien und für die Deckung
früherer Ausgaben verwendet werden ſoll. Unter den
neuen Erforderniſſen zur Ausgeſtaltung beſtehender
Bahnen befinden ſich 4,582.000 Kronen für die
niederöſterreich-ſteiriſche Alpenbahn ſamt Fort-
ſetzungsſtrecke Rupprechtshofen-Greſten. — Wir in
Steiermark können infolge der ſloweniſchen Obſtruktion
im Landtage nicht einmal die Bezirksſtraßen ordent-
lich erhalten, weil durch die Lähmung des Land-
tages die Bezirke ohne Landesſubventionen ſind.
Von einem Bahnbau kann bei uns unter dieſen
Umſtänden gar keine Rede ſein, weil der obſtruierte
Landtag kein Darlehen aufnehmen kann und das
Notwendigſte und Dringendſte unerledigt bleiben
muß!

Die Analphabeten.

Im Deutſchen Reiche kommen nur drei Anal-
phabeten auf je 1000 Perſonen (ohne die Polen
würde höchſtens ein Analphabet auf 1000 Perſonen
kommen), wohingegen England auf je 1000 Leute
10 Analphabeten aufzuweiſen hat. Frankreich hat
viermal ſoviel Analphabeten, Belgien zehnmal ſo-
viel, in Öſterreich gibt es ſogar 257 Analpha-
beten auf 1000 Mann. Italien hat 315 Analpha-
beten auf 1000 Menſchen. Bei weitem am tiefſten
iſt das W[i]ſſensniveau in Rußland, wo auf 1000
Menſchen 617 völlige Analphabeten gerechnet werden
müſſen. Bei Öſterreich mit ſeinen 25·7 Prozent
Analphabeten (gegen ein Drittel Prozent im Deut-
ſchen Reiche!) iſt natürlich ein Großteil der Anal-
phabeten in Galizien zu ſuchen; dafür werden wir
ſlawiſch klerikal regiert!

Verſtärkung des deutſchen Heeres.

Die deutſche Reichsregierung plant die Ein-
bringung einer neuen Heeresvorlage. Die Geſamt-
koſten dieſer für das Etatjahr 1913/14 zu erwartenden
Heeresnovelle ſollen etwa zu 75 Millionen Mark
betragen. Beſondere Rückſicht ſoll auf die Ausge-
ſtaltung der Kriegslufiſchiffahrt genommen werden.

Die Haltung Rumäniens,

Die Beziehungen zwiſchen Rumänien und
Bulgarien werden immer geſpannter. Die Nachricht,
die auch wir in der letzten Nummer veröffentlichten,
daß Rumänien an Bulgarien ein Ultimatum gerichtet
habe, wurde zwar dementiert, nichtsdeſtoweniger iſt
die Lage nach wie vor kritiſch. Die Bulgaren wollen
die rumäniſche Forderung auf eine Gebietsabtretung
ſolange hinausſchieben, bis der Krieg mit der Türkei
beendet iſt, um dann die ganze Macht gegen
Rumänien frei zu haben. Das wollen wieder die
Rumänen nicht. Ein Gerücht ſpricht von einem
Bündniſſe Rumäniens mit der Türkei. Nun beginnt
ſich Rußland in dieſen Zwiſt zu mengen. Aus
Bukareſt wird unterm 12. d. gemeldet: Der hieſige
ruſſiſche Geſandte erſchten geſtern beim Miniſter-
präſidenten Majorescu und teilte ihm mit, daß Ruß-
land zwar die Anſprüche Rumäniens auf Siliſtria
[Spaltenumbruch] für berechtigt erachie, jedoch als wünſchenswert an-
ſehe, daß die Forderungen Rumäniens von nun an
nicht in Sofia, ſondern in Petersburg vorzubringen
ſeien. Man betrachtet in Bukareſt dieſes Verlangen
Rußlands als eine Parteinahme für Bulgarien und
als eine verſteckte Drohung gegen Rumänien,
falls letzteres militäriſche Maßnahmen gegen Bul-
garien ergreifen ſollte.




Der Krieg.

Hinſichtlich der traurigen Haltung einiger
europäiſcher Großmäche, die beim Ausbruche des
Krieges gemeinſam mit den anderen Großmächten
die Erklärung abgaben, daß die Kriegsecgebniſſe
an der Balkangeographie nichts ändern dürfen
und jetzt auf die Türkei ſogar einwirken, daß ſie
die unbezwungene Feſtung Adrianopel den Bul-
garen überlaſſen ſollen, äußerte ſich der türkiſche
Friedenunterhändler Reſchid-Paſcha in bitterer und
zutreffender Weiſe. Die Haltung Europas, erklärt
Reſchid-Paſcha, iſt mit keinem Worte zu bezeichnen.
Man hat uns beide Arme abgeſchnitten
und jetzt ſagt uns Europa: Das genügt nicht,
laßt euch auch die Beine abſchneiden. Da ziehen
wir die Wiederaufnahme des Krieges vor. Wir ſind
bereit, für die Verteidigung der Würde und Ehre
unſeres Vaterlandes auf dem Schlachtfelde zu
ſterben.




Eigenberichte.
(Verlobung).

Fräulein Luiſe Wagner, jüngſte Tochter des
beſtbekannten Fleiſchhauermeiſters und Realitäten-
beſitzers Herrn Domenikus Wagner und der Frau
Joſefine geb. Stift, hat ſich mit Herrn Dr. Rudolf
Achorner, Auskultanten beim k. k. Landesgericht
in Graz, verlobt.

(Bezirksver-
tretung)

Geſtern fand unter dem Vorſitze des
Bezirksobmannes Rüdiger v. Seutter eine Voll-
verſammlung der Bezirksvertretung ſtatt. Den
Hauptpunkt der Tagesordnung bildete die Vorlage
des Präliminars für 1913. Die Geſamtausgaben
in der Höhe von 56.860 K. finden ihre Deckung
durch eine 50 prozentige Bezirksumlage und durch
die peinlichſte Sparſamkeit im Bezirkshaushalte.
Durch den Entfall der Landesſubventionen ſind dem
Bezirke bisher 22.966 K. an Einnahmepoſten
entgangen. Für Armenheilkoſten aus auswärtigen
Bezirken ſind 6667 K. ausſtändig, zu deren Herein-
bringung die erforderlichen Schritte unternommen
wurden. Die Kupferv[i]triolſchuld iſt von 7000 K.
auf 2475 K. geſunken. Ende 1912 hatte die Bezirks-
kaſſe einen Kaſſereſt von 471 K. Gemeindeum-
lagen ſprachen an: A[r]nfels 70, Leutſchach 30,
Oberhaag 58, Schloßberg 55, Glanz 66, Ech-
berg 41·5, St. Johann 41, Gleinſtätten 35,
Klein 50, P[i]ſtorf 60, Prarath 35 und Kappel
60 Prozent. Über Antrag des Referenten Hugo
Herzer wurden die entſprechenden Beſchlüſſe gefaßt.




[Spaltenumbruch]

berichteee, als er dann das Mitgliederverzeichnis
durchlas und unter den Aktiven einen N[a]men las
— den einen Namen, der ihn bis in ſeine Träume
verfolgte, da hatte ihn ein Gefühl ſtolzer Genug-
tuung erfüllt. Auch dieſe ſeine ſcheinbar ſo haltloſen
Schlußfolgerungen von zwei blonden Härchen in
einer Krawattennadel bis hin zu der Perſon eines
der Mitwirkenden des heutigen Abends ſtimmten.
Während Werres über all das nachdachte, hatte das
Spiel auf der Bühne ſeinen Fortgang genommen.
Es kam der Augenblick. in dem der Landrat die
Szeue betritt. Die Türe zu dem Reſtaurant öffnete
ſich, der Landrat erſchien, eine hohe, elegante Ge-
ſtalt in Überzieher und Zylinder, der mit ſeinem
blonden, geſcheitelten Haar und dem wohlgepflegten
langen Schurrbart von derſelben Farbe den voll
kommenen Eindruck eines Ariſtokraten machte. Werres
ſchaute ſcharf nach der Bühne, ſeine Augen weiteten
ſich, er neigte ſich zu ſeinem Nachbar und ſagte
leiſe: „Bitte, ſehen Sie jetzt hin“.

Der San[i]tätsrat riß das Glas an die Augen;
ſeine Hände zitternden ſo ſtark, daß die Perſonen
auf der Bühne hin und her zu wanken ſchienen;
dann ſah er den blonden Herrn.

Lange blickie der San[i]ätsrat hin. Als er die
Hand mit dem Opernglas ſinken ließ, war ſein
ehrwürdiges G[e]ſicht merkwürdig verſteinert. Ganz
heiſer raunte er Werres zu: „Er iſt’s!“

24. Kapitel.

Der nächſte Tag brachte „Sturm und Regen.
[Spaltenumbruch] Es war ſchon ſpät, als W[e]rres nach unruhigem
Schlaf aufwachte. Langſam, ganz in Gedanken
verſunken, kleidete er ſich an. Geſtern hatte er mit
dem Sanitätsrat der „Traumulus“-Aufführung
bis zu Ende beigewohnt. Als ſie dann nachher in
der N[i]ſchen der Dannerſchen Weinſtube ſaßen, da
zeigten beide nicht viel Luſt zum Reden. Der Sani-
tätsrat rauchte ſchweigend eine ſchwere Havanna,
und Werres ſchaute nachdenklich in das rot ver-
hüllte Licht des auf dem Tiſch brennenden
Lämpchens.

Sie hatten ſich früh getrennnt und Werres
ſaß dann lange allein in ſeinem ſtillen Zimmer
und überdachte alle Einzelheiten, die der kommende
Tag bringen würde. Dieſer Tag war nun da;
aber die Nacht hatte ihm keinen ruhigen Schlummer
gebracht. Tolle, zuſammenhangloſe Traumb[i]lder
ließen ſein überangeſtrengtes Hirn nicht zur Ruhe
kommen. Als er jetzt am Fenſter ſtand und hinaus-
ſchaute auf die regennaſſe Straße, ſah, wie die
R[e]gentropfen die Scheiben hinabrannen, wie Tränen,
dachte er — dieſelben Regentropfen, die unaufhörlich
knatternd der Sturm gegen die Fenſter trieb, da
fühlte er wieder dieſe ſeltſame, unbeſtimmte Angſt,
dieſe bange Ahnung vor etwas, das ihn bedrohte
und das er nicht abzuwehren vermochte. — —

Dann brachte ihm ſeine ſtets vergnügte, luſtige
Hausfrau den Kaffee, und während ſie das Zimmer
aufräumte, ſchwatzte und plauderte ſie unaufhörlich
über den neueſten Hausklatſch, und ſchien es nicht
zu bemerken, daß ſie keine Antwort bekam. Werres
[Spaltenumbruch] war mit ſeinen Gedanken ſo gar nicht bei der
Sache, denn Schweres ſtand ihm heute bevor.

Der Kriminalbeamte Groſſe ſtellte ſich pünkt-
lich ein. Er hatte ſein liſtiges Vogelgeſicht in
beinahe feierliche Falten gelegt. Der war über
Bedenken, über Seelenkämpfe, wie ſie Werres durch-
gemacht, längſt hinaus. Er berichtete kurz, daß er
die Beſtellung an den Kommiſſar ausgerichtet und
alles beſorgt habe. Und dann fügte er hinzu:
„Freuen tue ich mich auf dieſe Geſchichte heute,
Herr Doktor! Sie glauben gar nicht, wie dankbar
ich Ihnen bin, daß ich mitmachen darf. Und die
Hauptſache iſt ja für mich, ich werde nun endlich
erfahren, wie Sie das alles ſo fein herausbe-
kommen haben, — Sie ganz allein, — denn der
Herr Kommiſſar“, — Groſſe lächelte überlegen, —
„der hoffte noch geſtern, daß er von Tursk[i] aus
Scherwinden Nachrichten erhalten werde, die zur
Verhaftung des Barons von Berg führen würden.
Der wird Augen machen, denn bei ihm ſteht es
feſt, daß Herr von Berg an dem Morde beteiligt
war. Auß[e]rdem hat ſich der Herr Kommiſſar mit
ſeinem Freunde und Vertrauten, — dem Behrent
— erzürnt. Der muß irgend eine große Dummheit
gemacht haben und iſt doch ſonſt ſo überſchlau!“

Werres mußt unwillkürlich lachen. Er dachte
an die Szene im Reſtaurant Helferich zurück, wie
Behrent ſo bedrückt fortgeſchlichen war, nachdem
er ihm ſo unzweideutig zu verſtehen gegeben, daß
er ihn erkannt und durchſchaut habe.

(Fortſetzung folgt.)


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[2/0002] Marburger Zeitung Nr. 6. 14. Jänner 1913 deutenden Sachen Obſtruktion getrieben, die Tätig- keit des Parlamentes vollſtändig lahmgelegt; um Lappalien ſtreitet man ſich, die 700 Millionen können ausgeben werden, auch wenn ſie hätten erſpart wer- den können. Unſere parlamentariſchen Verhältniſſe ſind eben geradeſo traurig, wie die Verhältniſſe in der Regierung und der Diplomatie. Politiſche Umſchau. Herrenhäusler für neue Bedrückungen. In der Finanzkommiſſion des Herrenhauſes hat am 10. d. mit Finanzminiſter Ritter v. Zaleski eine Beſprechung über den kleinen Finanzplan ſtatt- gefunden. Darüber wird berichtet: „Die Bedenken, die im Kreiſe der Mitglieder der Kommiſſion hiebei geäußrrt worden ſind, be- zogen ſich hauptſächlich darauf, daß bei der Steige- rung der Sätze der Perſonaleinkommenſteuer nur die höheren Einkommenſtufen herangezogen werden ſollen. Es wurde darauf hingewieſen, daß in einer Zeit, in welcher das Abgeordnetenhaus auf Grund des allgemeinen Wahlrechts gewählt werde, ſämt- liche Klaſſen der Bevölkerung gleichmäßig zur Steuer- leiſtung verhalten werden mögen. In dieſer Anſicht ſtimmten alle Parteien des Herrenhauſes überein.“ Das ſind recht liebe Leute, die Herrenhäusler! Es erregt ihren Groll, daß die hohen Einkommen prozentuell höher beſteuert werden ſollen als die kleinen und ſie verlangen, daß auch dieſe kletneren und kleinen Einkommen neuerdings ſchärfer beſteuert werden ſollen, obwohl dieſe eine Krone ſtärker ſpüren als die Rieſeneinkommen 100 Kronen! Das war ſogar dem Finanzminiſter R. von Zaleski zu arg; er wandte ſich gegen dieſe volksfeindliche Abſicht und warnte vor der zu ſtarken Belaſtung der unteren Schichten und des kleinen Mittelſtandes. Die reichen Herrenhäusler ſind wirklich recht liebe Leute ..... Ein netter Eierhandel! Eine bezeichnende Notiz bringt die Wochen- ſchrift Deutſch-Öſterreich: Der öſterreichiſche Finanz- miniſter ſchwimmt bekanntlich im Gelde und nun gar erſt die kleinen Landesfinanzminiſter, die in den „Königreichen und Ländern“ ſo wunderbar Ordnung zu halten verſtehen. So hat ſich das Land Mähren ein Defizit von 19 Millionen im letzten Jahre ein- gewirtſchaftet und da kommt es natürlich auf einige Zehntauſend mehr oder weniger nicht an. So ſah ſich das Land Mähren bemüßigt, einem tſchechiſchen Profeſſor eine Sammlung alter Hauben und be- malter Eier für 80.000 Kronen abzukaufen, wozu der Staat einen Zuſchuß von 40.000 Kronen gab. Und dieſer Profeſſor iſt ein ſo eifriger Sammler, daß er ſchon wieder eine Sammlung beiſammen haben ſoll. Am beſten wäre es, man ſtellt in das mähriſche Budget gleich einen fixen Poſten ein für den Ankauf alter Hauben und bemalter Eier. Eine Eiſenbahnaktion. Das Land Niederöſterreich will eine Anleihe von 72 Millionen Kronen für neue Lokalbahnen und Ausgeſtaltung von Betriebslinien aufnehmen. Hievon ſind 48 Millionen Kronen für neue Lokal- bahnen beſtimmt, während der Reſt für die erwähnte Ausgeſtaltung von Betriebslinien und für die Deckung früherer Ausgaben verwendet werden ſoll. Unter den neuen Erforderniſſen zur Ausgeſtaltung beſtehender Bahnen befinden ſich 4,582.000 Kronen für die niederöſterreich-ſteiriſche Alpenbahn ſamt Fort- ſetzungsſtrecke Rupprechtshofen-Greſten. — Wir in Steiermark können infolge der ſloweniſchen Obſtruktion im Landtage nicht einmal die Bezirksſtraßen ordent- lich erhalten, weil durch die Lähmung des Land- tages die Bezirke ohne Landesſubventionen ſind. Von einem Bahnbau kann bei uns unter dieſen Umſtänden gar keine Rede ſein, weil der obſtruierte Landtag kein Darlehen aufnehmen kann und das Notwendigſte und Dringendſte unerledigt bleiben muß! Die Analphabeten. Im Deutſchen Reiche kommen nur drei Anal- phabeten auf je 1000 Perſonen (ohne die Polen würde höchſtens ein Analphabet auf 1000 Perſonen kommen), wohingegen England auf je 1000 Leute 10 Analphabeten aufzuweiſen hat. Frankreich hat viermal ſoviel Analphabeten, Belgien zehnmal ſo- viel, in Öſterreich gibt es ſogar 257 Analpha- beten auf 1000 Mann. Italien hat 315 Analpha- beten auf 1000 Menſchen. Bei weitem am tiefſten iſt das Wiſſensniveau in Rußland, wo auf 1000 Menſchen 617 völlige Analphabeten gerechnet werden müſſen. Bei Öſterreich mit ſeinen 25·7 Prozent Analphabeten (gegen ein Drittel Prozent im Deut- ſchen Reiche!) iſt natürlich ein Großteil der Anal- phabeten in Galizien zu ſuchen; dafür werden wir ſlawiſch klerikal regiert! Verſtärkung des deutſchen Heeres. Die deutſche Reichsregierung plant die Ein- bringung einer neuen Heeresvorlage. Die Geſamt- koſten dieſer für das Etatjahr 1913/14 zu erwartenden Heeresnovelle ſollen etwa zu 75 Millionen Mark betragen. Beſondere Rückſicht ſoll auf die Ausge- ſtaltung der Kriegslufiſchiffahrt genommen werden. Die Haltung Rumäniens, Die Beziehungen zwiſchen Rumänien und Bulgarien werden immer geſpannter. Die Nachricht, die auch wir in der letzten Nummer veröffentlichten, daß Rumänien an Bulgarien ein Ultimatum gerichtet habe, wurde zwar dementiert, nichtsdeſtoweniger iſt die Lage nach wie vor kritiſch. Die Bulgaren wollen die rumäniſche Forderung auf eine Gebietsabtretung ſolange hinausſchieben, bis der Krieg mit der Türkei beendet iſt, um dann die ganze Macht gegen Rumänien frei zu haben. Das wollen wieder die Rumänen nicht. Ein Gerücht ſpricht von einem Bündniſſe Rumäniens mit der Türkei. Nun beginnt ſich Rußland in dieſen Zwiſt zu mengen. Aus Bukareſt wird unterm 12. d. gemeldet: Der hieſige ruſſiſche Geſandte erſchten geſtern beim Miniſter- präſidenten Majorescu und teilte ihm mit, daß Ruß- land zwar die Anſprüche Rumäniens auf Siliſtria für berechtigt erachie, jedoch als wünſchenswert an- ſehe, daß die Forderungen Rumäniens von nun an nicht in Sofia, ſondern in Petersburg vorzubringen ſeien. Man betrachtet in Bukareſt dieſes Verlangen Rußlands als eine Parteinahme für Bulgarien und als eine verſteckte Drohung gegen Rumänien, falls letzteres militäriſche Maßnahmen gegen Bul- garien ergreifen ſollte. Der Krieg. Hinſichtlich der traurigen Haltung einiger europäiſcher Großmäche, die beim Ausbruche des Krieges gemeinſam mit den anderen Großmächten die Erklärung abgaben, daß die Kriegsecgebniſſe an der Balkangeographie nichts ändern dürfen und jetzt auf die Türkei ſogar einwirken, daß ſie die unbezwungene Feſtung Adrianopel den Bul- garen überlaſſen ſollen, äußerte ſich der türkiſche Friedenunterhändler Reſchid-Paſcha in bitterer und zutreffender Weiſe. Die Haltung Europas, erklärt Reſchid-Paſcha, iſt mit keinem Worte zu bezeichnen. Man hat uns beide Arme abgeſchnitten und jetzt ſagt uns Europa: Das genügt nicht, laßt euch auch die Beine abſchneiden. Da ziehen wir die Wiederaufnahme des Krieges vor. Wir ſind bereit, für die Verteidigung der Würde und Ehre unſeres Vaterlandes auf dem Schlachtfelde zu ſterben. Eigenberichte. Straß, 12. Jänner. (Verlobung). Fräulein Luiſe Wagner, jüngſte Tochter des beſtbekannten Fleiſchhauermeiſters und Realitäten- beſitzers Herrn Domenikus Wagner und der Frau Joſefine geb. Stift, hat ſich mit Herrn Dr. Rudolf Achorner, Auskultanten beim k. k. Landesgericht in Graz, verlobt. Arnfels, 10. Jänner. (Bezirksver- tretung) Geſtern fand unter dem Vorſitze des Bezirksobmannes Rüdiger v. Seutter eine Voll- verſammlung der Bezirksvertretung ſtatt. Den Hauptpunkt der Tagesordnung bildete die Vorlage des Präliminars für 1913. Die Geſamtausgaben in der Höhe von 56.860 K. finden ihre Deckung durch eine 50 prozentige Bezirksumlage und durch die peinlichſte Sparſamkeit im Bezirkshaushalte. Durch den Entfall der Landesſubventionen ſind dem Bezirke bisher 22.966 K. an Einnahmepoſten entgangen. Für Armenheilkoſten aus auswärtigen Bezirken ſind 6667 K. ausſtändig, zu deren Herein- bringung die erforderlichen Schritte unternommen wurden. Die Kupfervitriolſchuld iſt von 7000 K. auf 2475 K. geſunken. Ende 1912 hatte die Bezirks- kaſſe einen Kaſſereſt von 471 K. Gemeindeum- lagen ſprachen an: Arnfels 70, Leutſchach 30, Oberhaag 58, Schloßberg 55, Glanz 66, Ech- berg 41·5, St. Johann 41, Gleinſtätten 35, Klein 50, Piſtorf 60, Prarath 35 und Kappel 60 Prozent. Über Antrag des Referenten Hugo Herzer wurden die entſprechenden Beſchlüſſe gefaßt. berichteee, als er dann das Mitgliederverzeichnis durchlas und unter den Aktiven einen Namen las — den einen Namen, der ihn bis in ſeine Träume verfolgte, da hatte ihn ein Gefühl ſtolzer Genug- tuung erfüllt. Auch dieſe ſeine ſcheinbar ſo haltloſen Schlußfolgerungen von zwei blonden Härchen in einer Krawattennadel bis hin zu der Perſon eines der Mitwirkenden des heutigen Abends ſtimmten. Während Werres über all das nachdachte, hatte das Spiel auf der Bühne ſeinen Fortgang genommen. Es kam der Augenblick. in dem der Landrat die Szeue betritt. Die Türe zu dem Reſtaurant öffnete ſich, der Landrat erſchien, eine hohe, elegante Ge- ſtalt in Überzieher und Zylinder, der mit ſeinem blonden, geſcheitelten Haar und dem wohlgepflegten langen Schurrbart von derſelben Farbe den voll kommenen Eindruck eines Ariſtokraten machte. Werres ſchaute ſcharf nach der Bühne, ſeine Augen weiteten ſich, er neigte ſich zu ſeinem Nachbar und ſagte leiſe: „Bitte, ſehen Sie jetzt hin“. Der Sanitätsrat riß das Glas an die Augen; ſeine Hände zitternden ſo ſtark, daß die Perſonen auf der Bühne hin und her zu wanken ſchienen; dann ſah er den blonden Herrn. Lange blickie der Saniätsrat hin. Als er die Hand mit dem Opernglas ſinken ließ, war ſein ehrwürdiges Geſicht merkwürdig verſteinert. Ganz heiſer raunte er Werres zu: „Er iſt’s!“ 24. Kapitel. Der nächſte Tag brachte „Sturm und Regen. Es war ſchon ſpät, als Werres nach unruhigem Schlaf aufwachte. Langſam, ganz in Gedanken verſunken, kleidete er ſich an. Geſtern hatte er mit dem Sanitätsrat der „Traumulus“-Aufführung bis zu Ende beigewohnt. Als ſie dann nachher in der Niſchen der Dannerſchen Weinſtube ſaßen, da zeigten beide nicht viel Luſt zum Reden. Der Sani- tätsrat rauchte ſchweigend eine ſchwere Havanna, und Werres ſchaute nachdenklich in das rot ver- hüllte Licht des auf dem Tiſch brennenden Lämpchens. Sie hatten ſich früh getrennnt und Werres ſaß dann lange allein in ſeinem ſtillen Zimmer und überdachte alle Einzelheiten, die der kommende Tag bringen würde. Dieſer Tag war nun da; aber die Nacht hatte ihm keinen ruhigen Schlummer gebracht. Tolle, zuſammenhangloſe Traumbilder ließen ſein überangeſtrengtes Hirn nicht zur Ruhe kommen. Als er jetzt am Fenſter ſtand und hinaus- ſchaute auf die regennaſſe Straße, ſah, wie die Regentropfen die Scheiben hinabrannen, wie Tränen, dachte er — dieſelben Regentropfen, die unaufhörlich knatternd der Sturm gegen die Fenſter trieb, da fühlte er wieder dieſe ſeltſame, unbeſtimmte Angſt, dieſe bange Ahnung vor etwas, das ihn bedrohte und das er nicht abzuwehren vermochte. — — Dann brachte ihm ſeine ſtets vergnügte, luſtige Hausfrau den Kaffee, und während ſie das Zimmer aufräumte, ſchwatzte und plauderte ſie unaufhörlich über den neueſten Hausklatſch, und ſchien es nicht zu bemerken, daß ſie keine Antwort bekam. Werres war mit ſeinen Gedanken ſo gar nicht bei der Sache, denn Schweres ſtand ihm heute bevor. Der Kriminalbeamte Groſſe ſtellte ſich pünkt- lich ein. Er hatte ſein liſtiges Vogelgeſicht in beinahe feierliche Falten gelegt. Der war über Bedenken, über Seelenkämpfe, wie ſie Werres durch- gemacht, längſt hinaus. Er berichtete kurz, daß er die Beſtellung an den Kommiſſar ausgerichtet und alles beſorgt habe. Und dann fügte er hinzu: „Freuen tue ich mich auf dieſe Geſchichte heute, Herr Doktor! Sie glauben gar nicht, wie dankbar ich Ihnen bin, daß ich mitmachen darf. Und die Hauptſache iſt ja für mich, ich werde nun endlich erfahren, wie Sie das alles ſo fein herausbe- kommen haben, — Sie ganz allein, — denn der Herr Kommiſſar“, — Groſſe lächelte überlegen, — „der hoffte noch geſtern, daß er von Turski aus Scherwinden Nachrichten erhalten werde, die zur Verhaftung des Barons von Berg führen würden. Der wird Augen machen, denn bei ihm ſteht es feſt, daß Herr von Berg an dem Morde beteiligt war. Außerdem hat ſich der Herr Kommiſſar mit ſeinem Freunde und Vertrauten, — dem Behrent — erzürnt. Der muß irgend eine große Dummheit gemacht haben und iſt doch ſonſt ſo überſchlau!“ Werres mußt unwillkürlich lachen. Er dachte an die Szene im Reſtaurant Helferich zurück, wie Behrent ſo bedrückt fortgeſchlichen war, nachdem er ihm ſo unzweideutig zu verſtehen gegeben, daß er ihn erkannt und durchſchaut habe. (Fortſetzung folgt.)

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grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z)

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Zitationshilfe: Marburger Zeitung. Nr. 6, Marburg, 14.01.1913, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_marburger6_1913/2>, abgerufen am 21.11.2024.