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Marburger Zeitung. Nr. 74, Marburg, 20.06.1907.

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Marburger Zeitung. Nr. 74, 20. Juni 1907.

[Spaltenumbruch]

gesang-Verein wird am Festplatze völkische Gesänge
zum Vortrage bringen; die Zwischenpausen wird
eine Musikkapelle mit heiteren Weisen ausfüllen.
Zur Bequemlichkeit der Festgäste werden bei der
Gastwirtschaft des Herrn Meierseidl in der Triester-
straße Fahrgelegenheiten zur Verfügung stehen und
ist für die Hin- bezw. Rückfahrt der geringe Be-
trag von nur 40 Hellern zu entrichten. Nur bei
ausgesprochen schlechtem Wetter, das heißt, wenn
es am Abend des Festes regnen sollte, wird diese
Feier nicht abgehalten. Unser Losungswort am
Samstag soll sein: Auf nach Roßwein, zur hehren
Feier der Sommersonnenwende!

Gemeinderatssitzung.

Am 26. Juni d. J.
nachmittags 3 Uhr findet im Rathaussaale eine
Gemeinderatssitzung mit folgender Tagesordnung
statt: Beschlußfassung in Angelegenheit der vom
Herrn Raimund Lirzer in Besitz genommenen Grund-
parzelle in der Augasse. -- Genehmigung des Ver-
trages wegen Mitbenützung der Schwimmschule
durch das k. u. k. Militär. -- Petition in Ange-
legenheit der Reichsbrückenfrage. -- Eingabe des
Herrn Karl Pirch um nachträgliche Erhöhung seines
Offertes um 16 Prozent. -- Gesuch des Stadt-
verschönerungsvereines in der Magdalenenvorstadt
um Genehmigung zur Aufstellung von Bänken. --
Gesuch des Herrn Anton Kraus um Herstellung
eines Rinnsales in der Werkstättenstraße. -- Ein-
führung von Kehrbezirken und Festsetzung von
Maximaltarifen beim Rauchfangkehrergewerbe. --
Gesuch des Stadtverschönerungsvereines um Abgabe
von 400 Fuhren Sand. -- Bericht über die
Schlachtungen im Monate Mai 1907. -- Ansuchen
von vier Hausbesitzern in der Gemeinde Kartschowin
um Wasserbezug aus der städtischen Leitung. --
Gesuch der Gemeinde Kartschowin um ganzjährige
Verrechnung der Wassergebühren. -- Gesuch des
Stadtverschönerungsvereines um einen Beitrag für
die Wegherstellung zum Kalvarienberge. -- Ansuchen
des Vereines der Hausbesitzer um Terminänderung
für die Einzahlung von Umlagen. -- Nach der
öffentlichen solgt eine vertrauliche Sitzung.

Eine Abordnung beim Bürgermeister.

Gestern vormittags um halb 11 Uhr begab sich eine
Abordnung jenes gewerblichen Ausschusses, welcher
die im Oktober v. J. stattgefundene erste Marburger
Lehrlingsarbeiten-Ausstellung veranstaltet hatte, zum
Herrn Bürgermeister Dr. Schmiderer, dem
Protektor der damaligen Ausstellung, um ihm zur
Erinnerung an diese Ausstellung ein mit dem Bilde
des Protektors und sämtlicher Herren des Aus-
stellungsausschusses versehenes Tableau zu über-
reichen. Die Abordnung bestand aus dem Obmanne
jenes Ausschusses, dem Gemeinderate und Obmann
des deutschen Handwerkervereines Herrn Kral, dem
Gemeinderate Herrn Heritschko und den Herren
Letonja und Eisl. Nach einer Ansprache des
Herrn Kral übernahm Herr Doktor Johann
Schmiderer das Erinnerungszeichen, bedankte
sich für die ihm gewidmete Aufmerksamkeit und
erklärte, daß er jederzeit, nach Kräften und gerne
die Interessen des Handwerker- und Gewerbestandes
fördern werde. -- Das Tableau, eine schöne Lei-
stung der photographischen Anstalt Kieser, ent-
hält außer dem Bilde des Bürgermeisters Dr.
Schmiderer noch die Porträts der Herren Aus-
schußmitglieder Kral, Fornara, Detschko, Zollenstein,
Dadieu, Holzer, Fischbach, Eisl, Letonja, Kollar,
Hochenegger, Drofenik, Polatschek, Kralik, Klein-
schuster, Heritschko, Friedriger und Dir. Phillippek.
Ein geschmackvoller, von der Firma Hochenegger-
Drofenik verfertigter, von der Firma Detschko mit
schönen Verzierungen und Initialen aus vergoldetem
Kupfer versehener Rahmen schließt das Andenken ein.

Spende.

Von Ungenannt wurde unserer
Verwaltung je 1 K. für die beiden, mit ihren
Kindern hungernden Frauen, für die wir in der
letzten Samstag-Nummer um Gaben baten, übergeben.

Eine große Südbahnerversammlung

fand vorgestern abends im Götzschen Brauhaus-
garten statt. Es dürften über 1000 Personen an-
wesend gewesen sein; ob sämtliche Angestellte der
Südbahn waren, konnte freilich nicht genau unter-
schieden werden. Die Versammlung galt dem Be-
streben nach Aufbesserung der Lage der Südbahn-
angestellten ohne Unterschied der Kategorie. Sie
verlief, von häufigen Beifallskundgebungen abgesehen,
in vollster Ruhe; nur als ein Südbahner gesprochen
hatte, von dem behauptet wurde, daß er ein Christ-
lichsozialer sei, gab es einen Entrüstungssturm.
Nachstehend den Versammlungsbericht. Zum Vor-
sitzenden wurde Herr Kajzer gewählt, worauf die
eingelangten zahlreichen Begrüßungstelegramme ver-
[Spaltenumbruch] lesen wurden. Der erste Redner, Südbahnbeamte
Nikolits vom Beamtenverein, begrüßte es, daß
die Versammlung so überaus zahlreich besucht sei; es
lege dies Zeugnis ab von einem allseitigen, ziel-
bewußten Eingreifen. Wir stehen, sagt der Redner,
vor einem entscheidenden Schritte, vor dem Kampfe
um die wirtschaftliche Existenz. Nicht als Beamte
spreche er hier, sondern als Koalierter, als Kamerad.
(Lebhafter Beifall.) An keinen sonstigen Stand im
Getriebe des Staates werden solche Anforderungen
gerichtet als an den Eisenbahner; seine ganze
geistige und körperliche Kraft müsse er dem Dienste
widmen, seine Verantwortung sei eine ungeheuere.
Und die Gegenleistung? Die Verwaltungen sorgen
immer nur für die modernen Anforderungen an das
tote Material; dem lebenden Menschenmaterial, das
die Werte schafft, dem gegenüber beobachte man
nicht einmal die Pflicht der Menschlichkeit. Wir
wollen nicht als Revolutionäre kommen, aber daß
mit Petitionen und Memoranden bisher gar nichts
geholfen wurde, sei zweifellos. Es dürfe jetzt nur
nach einem Grundsatze vorgegangen werden: Alle
für einen und einer für alle! (Lebhafter Beifall.)
Und dieser Rütlischwur müsse fortwirken für alle
Zeit. -- Gewerkschaftsbeamte Duschek aus Wien
verwies auf die passive Resistenz im Jahre 1905;
damals sei den Eisenbahnern Honig um den Mund
geschmiert, Versprechungen auf dem Papier gegeben
worden. Nunmehr sei man willens, die ehrliche
Durchführung jener Versprechungen zu erzwingen!
Wir suchen, sagte Redner, den Kampf nicht. denn
wir wissen, welche Opfer er verlangen kann. Aber
wir scheuen ihn auch nicht! Man dürfe es aber
nicht so machen wie bei der passiven Resistenz anno
1905; damals sei auch alles mögliche erklärt worden;
als aber die Marburger Südbahner ihren dicken
Inspektor erblickten (große Heiterkeit), sei den meisten
das Herz wieder in die Hosen gefallen. Diesmal
müsse aber aus einem andern Loche gepfiffen werden,
diesmal werden den Haupttruppen auch die Reserve,
bestehend aus Werkstätten- und Bahnerhaltungs-
arbeitern, folgen. Es werde noch einmal mit einem
Memorandum an die Verwaltung der Südbahn
herangetreten werden, worauf den Vertrauens-
männern die entsprechenden Weisungen zugehen
werden. Die Besitzer der "Goldprioritäten" (?)
der Südbahn werden gewiß die Million oder mehr
lieber zahlen, als sich in einen solchen Kampf ein-
lassen. (Großer Beifall.) -- Herr Kopac aus
Triest, Sekretär der dortigen Rechtsschutz- und Ge-
werkschaftskommission, drückte seine Freude darüber
aus, daß nun auch die Beamten radikaler werden.
Sie sollen sich aber, sagte der Redner, vom Beamten-
vereine lossagen und in den Rechtsschutzverein ein-
treten. Im Gegensatze zum ersten Redner müsse er
betonen, daß die Beamten revolutionär werden
müssen, wenn sie etwas erreichen wollen. Dem
Memorandum dürfe nur eine kurze Frist zur Er-
füllung gesteckt werden. Die Südbahngesellschaft
sage immer, sie sei passiv, habe kein Geld. (Heiter-
keit.) Nächstens werde die Südbahngesellschaft in
Triest ihr 50jähriges Jubiläum feiern, wozu sie
80.000 Kronen ausgeworfen habe. Da werde es
Champagner geben, da werde "gefressen und ge-
soffen" werden. So scheue sich die Südbahn nicht,
für solche Zwecke rund 100.000 K. hinauszuwerfen;
wenn aber ihre Bediensteten eine Lohnaufbesserung
verlangen, dann ziehe sie sich den Bettelrock an und
sage, sie habe nichts! (Großer Beifall.) Redner
verweist auf die vom Vorredner erwähnten Reserven,
betonte aber, daß man viele "Rekruten" habe, die
mit den "Gewehren" noch nicht umgehen können
und vielleicht auf den Nebenmann oder auf sich
selber schießen. Redner begreife, daß die Beamten
gerne 400 K. mehr haben möchten, aber wo bleibe
die Garantie, daß nicht viele beim ersten Schusse
schon davonlaufen? Viele Beamte schnauzen die
Diener an und da könne man nicht verlangen, daß
die Arbeiter den Beamten ohneweiteres den Rücken
decken. Die Beamten mögen daher ihren Kastengeist
ablegen, was eine Gewähr für die Zukunft sei. Bei
einer passiven Resistenz könnten dann die Beamten
viel helfen, z. B., wenn sie statt Pauspapier zu
verwenden, alles mit Feder und Tinte schreiben.
An die Wiener Zentrale der Organisation der Bahn-
angestellten aber richte Redner die Mahnung, nicht
bloß darauf zu sehen, daß recht viele Arbeiter der
Organisation beitreten, sondern auch dafür zu wirken,
daß die ökonomische Lage der Arbeiter einmal eine
bessere werde. (Beifall.) Redner kam schließlich noch
einmal auf die in Aussicht stehende passive Resistenz
zu sprechen, zu deren Durchführung kein Mut ge-
höre; während ihrer Dauer bekomme ja ohnehin
jeder sein Gehalt oder Lohn und wenn ein Vor-
[Spaltenumbruch] gesetzter einem "Resistenzler" vorhalte, daß er passive
Resistenz betreibe, so könne dieser ihm ruhig ant-
worten, daß dies eine Lüge sei, da nach den Vor-
schriften gearbeitet werde. Mit einer Erörterung
des autonomistischen nationalen Programmes der
Sozialdemokraten schloß der Redner unter lebhaftem
Beifall seine Ausführungen. -- Beamter Brüder
in Wien trat für die Solidarität ein; Zugsführer
i. P. Kolleger aus Graz wies darauf hin, daß
schon viel gewonnen sei, wenn die Beamten die
Arbeiter bei der passiven Resistenz nicht behindern.
Weiters gab Redner taktische Ratschläge. Beamter
Wild aus Wien trat gleichfalls für die Einigkeit
ein und erinnerte daran, daß der jetzige Eisenbahn-
minister Dr. v. Derschatta zurzeit, als er noch
einfacher Abgeordneter war, in einer Bahnbeamten-
versammlung zu dem Verlangen nach Besserung
der Lage den Beamten gesagt habe: "Machen Sie
nur tüchtig Musik; für die Resonanz werden schon
wir sorgen!" Heute, fuhr der Redner fort, habe
Dr. v. Derschatta Gelegenheit, das Versprechen ein-
zulösen. -- Namens des Bahnmeisterverbandes
sicherte Bahnmeister Musil aus Saldenhofen die
vollste Solidarität zu und Kondukteur Tomschitz
aus Marburg mahnte, die Einigkeit auch nach er-
rungenem Siege aufrechtzuerhalten. Das Mitglied
des ungarischen Zentralverbandes, Wonjafka,
überbrachte die Grüße dieses Verbandes und der
Südbahner in Ofenpest. Er trat auch für die
Einigkeit ein und gab seiner Verwunderung Ausdruck
darüber, daß sich die Beamten mit einer Forderung
nach einer 400 Kronen-Zulage begnügen. Redner
erklärte, die österreichischen Eisenbahner können sich
auf die ungarischen verlassen. Lokomotivführer
Dolinschek aus Marburg sagte, daß sich auch die
Lokomotivführer mit den anderen Kategorien solidarisch
fühlen. Südbahnangestellter Juritsch betonte, daß
die gehörten Reden zwar alle sehr schön gewesen
seien; damit sei aber wenig geholfen, man möge
lieber Positives schaffen, z. B. die Errichtung einer
entsprechenden Alters- und Invalidenversorgung.
Redner schilderte die traurige Lage, in die jetzt die
Familien kommen, wenn der Ernährer nichts mehr
verdienen könne. Redner Duschek aus Wien ant-
wortete seinem Vorredner in erregter Weise. Dieser
gehöre einer Partei an, die den Arbeitern immer
Prügel zwischen die Füße werfe (Rufe: die Christlich-
sozialen!), die mit den allergrößten Gemeinheiten
vorgehe. Der Vorredner solle zum Dr. Lueger
gehen, für ihn sei kein Platz da hier! (Stürmischer
Beifall, großer Lärm, Pfuirufe auf die Christlich-
sozialen, es wird mit Pfeiferln gepfiffen.)
Redner griff, nachdem sich der Tumult gelegt hatte,
den Dr. Lueger und die christlichsoziale Partei
in der schärfsten Weise an und erklärte, er müsse
sich dagegen verwahren, daß Christlichsoziale hier
mitberaten, denn diese Partei würde alle wieder
so verraten wie immer! (Lang anhaltender Beifall
und Entrüstungsrufe gegen die Christlichsozialen.)
Der Vorsitzende ließ über eine Entschließung
abstimmen, welche es mit Befriedigung feststellt, daß
es gelungen sei, die Solidarität aller Kategorien
herbeizuführen; es werde gelobt, in treuer Soli-
darität auszuharren, bis alle Forderungen erfüllt
seien und jede Kategorie den entsprechenden Lohn
bekomme; an das Parlament wird die Bitte um
Unterstützung gerichtet und der Zentrale der
Koalition zugerufen: "Wir sind gerüstet!" Diese
Entschließung wurde unter lebhaftem Beifall und
ohne Widerspruch angenommen. Herr Petelinschek
machte noch darauf aufmerksam, daß die Kohlen-
arbeiter ebenfalls zur Koalition gehören. Herr
Tomschitz forderte die Zentrale auf, sich mit dem
Memorandum zu beeilen. Herr Kopac erklärte
noch, daß anläßlich des Festbankettes der Südbahn
in Triest dort eine Demonstration von Eisenbahnern
stattfinden werde, zu welcher das Personal aller
jener Stationen kommen soll, welche etwas erreichen
wollen. Hierauf wurde die Versammlung geschlossen.

Eine interessante Schaustellung.

Eine
Dame, die frei in der Luft schwebt, -- in der Aus-
stellung Kärntnerstraße 10 wird dem Zu-
schauer die Gelegenheit geboten werden, "Lona,
das Welträtsel", das magische Wunder, in aller-
nächster Nähe in Augenschein zu nehmen. Man
sieht die in einen scheinbar hypnotischen Schlaf
versetzte junge Dame auf dem Ruhebett liegen,
worauf sie auf Geheiß ihres Herrn in wagrechter
Lage recht hoch emporschwebt. Ein über sie hin-
gezogener Reifen zeigt, daß sie ohne jegliche Ver-
bindung nach oben und unten frei in der Luft
schwebt, also daß nichts enthalten ist, was zu einer
Täuschung führen könnte. Das alles geht vor den
Augen des Publikums vor sich, das erstaunt und

Marburger Zeitung. Nr. 74, 20. Juni 1907.

[Spaltenumbruch]

geſang-Verein wird am Feſtplatze völkiſche Geſänge
zum Vortrage bringen; die Zwiſchenpauſen wird
eine Muſikkapelle mit heiteren Weiſen ausfüllen.
Zur Bequemlichkeit der Feſtgäſte werden bei der
Gaſtwirtſchaft des Herrn Meierſeidl in der Trieſter-
ſtraße Fahrgelegenheiten zur Verfügung ſtehen und
iſt für die Hin- bezw. Rückfahrt der geringe Be-
trag von nur 40 Hellern zu entrichten. Nur bei
ausgeſprochen ſchlechtem Wetter, das heißt, wenn
es am Abend des Feſtes regnen ſollte, wird dieſe
Feier nicht abgehalten. Unſer Loſungswort am
Samstag ſoll ſein: Auf nach Roßwein, zur hehren
Feier der Sommerſonnenwende!

Gemeinderatsſitzung.

Am 26. Juni d. J.
nachmittags 3 Uhr findet im Rathausſaale eine
Gemeinderatsſitzung mit folgender Tagesordnung
ſtatt: Beſchlußfaſſung in Angelegenheit der vom
Herrn Raimund Lirzer in Beſitz genommenen Grund-
parzelle in der Augaſſe. — Genehmigung des Ver-
trages wegen Mitbenützung der Schwimmſchule
durch das k. u. k. Militär. — Petition in Ange-
legenheit der Reichsbrückenfrage. — Eingabe des
Herrn Karl Pirch um nachträgliche Erhöhung ſeines
Offertes um 16 Prozent. — Geſuch des Stadt-
verſchönerungsvereines in der Magdalenenvorſtadt
um Genehmigung zur Aufſtellung von Bänken. —
Geſuch des Herrn Anton Kraus um Herſtellung
eines Rinnſales in der Werkſtättenſtraße. — Ein-
führung von Kehrbezirken und Feſtſetzung von
Maximaltarifen beim Rauchfangkehrergewerbe. —
Geſuch des Stadtverſchönerungsvereines um Abgabe
von 400 Fuhren Sand. — Bericht über die
Schlachtungen im Monate Mai 1907. — Anſuchen
von vier Hausbeſitzern in der Gemeinde Kartſchowin
um Waſſerbezug aus der ſtädtiſchen Leitung. —
Geſuch der Gemeinde Kartſchowin um ganzjährige
Verrechnung der Waſſergebühren. — Geſuch des
Stadtverſchönerungsvereines um einen Beitrag für
die Wegherſtellung zum Kalvarienberge. — Anſuchen
des Vereines der Hausbeſitzer um Terminänderung
für die Einzahlung von Umlagen. — Nach der
öffentlichen ſolgt eine vertrauliche Sitzung.

Eine Abordnung beim Bürgermeiſter.

Geſtern vormittags um halb 11 Uhr begab ſich eine
Abordnung jenes gewerblichen Ausſchuſſes, welcher
die im Oktober v. J. ſtattgefundene erſte Marburger
Lehrlingsarbeiten-Ausſtellung veranſtaltet hatte, zum
Herrn Bürgermeiſter Dr. Schmiderer, dem
Protektor der damaligen Ausſtellung, um ihm zur
Erinnerung an dieſe Ausſtellung ein mit dem Bilde
des Protektors und ſämtlicher Herren des Aus-
ſtellungsausſchuſſes verſehenes Tableau zu über-
reichen. Die Abordnung beſtand aus dem Obmanne
jenes Ausſchuſſes, dem Gemeinderate und Obmann
des deutſchen Handwerkervereines Herrn Kral, dem
Gemeinderate Herrn Heritſchko und den Herren
Letonja und Eisl. Nach einer Anſprache des
Herrn Kral übernahm Herr Doktor Johann
Schmiderer das Erinnerungszeichen, bedankte
ſich für die ihm gewidmete Aufmerkſamkeit und
erklärte, daß er jederzeit, nach Kräften und gerne
die Intereſſen des Handwerker- und Gewerbeſtandes
fördern werde. — Das Tableau, eine ſchöne Lei-
ſtung der photographiſchen Anſtalt Kieſer, ent-
hält außer dem Bilde des Bürgermeiſters Dr.
Schmiderer noch die Porträts der Herren Aus-
ſchußmitglieder Kral, Fornara, Detſchko, Zollenſtein,
Dadieu, Holzer, Fiſchbach, Eisl, Letonja, Kollar,
Hochenegger, Drofenik, Polatſchek, Kralik, Klein-
ſchuſter, Heritſchko, Friedriger und Dir. Phillippek.
Ein geſchmackvoller, von der Firma Hochenegger-
Drofenik verfertigter, von der Firma Detſchko mit
ſchönen Verzierungen und Initialen aus vergoldetem
Kupfer verſehener Rahmen ſchließt das Andenken ein.

Spende.

Von Ungenannt wurde unſerer
Verwaltung je 1 K. für die beiden, mit ihren
Kindern hungernden Frauen, für die wir in der
letzten Samstag-Nummer um Gaben baten, übergeben.

Eine große Südbahnerverſammlung

fand vorgeſtern abends im Götzſchen Brauhaus-
garten ſtatt. Es dürften über 1000 Perſonen an-
weſend geweſen ſein; ob ſämtliche Angeſtellte der
Südbahn waren, konnte freilich nicht genau unter-
ſchieden werden. Die Verſammlung galt dem Be-
ſtreben nach Aufbeſſerung der Lage der Südbahn-
angeſtellten ohne Unterſchied der Kategorie. Sie
verlief, von häufigen Beifallskundgebungen abgeſehen,
in vollſter Ruhe; nur als ein Südbahner geſprochen
hatte, von dem behauptet wurde, daß er ein Chriſt-
lichſozialer ſei, gab es einen Entrüſtungsſturm.
Nachſtehend den Verſammlungsbericht. Zum Vor-
ſitzenden wurde Herr Kajzer gewählt, worauf die
eingelangten zahlreichen Begrüßungstelegramme ver-
[Spaltenumbruch] leſen wurden. Der erſte Redner, Südbahnbeamte
Nikolits vom Beamtenverein, begrüßte es, daß
die Verſammlung ſo überaus zahlreich beſucht ſei; es
lege dies Zeugnis ab von einem allſeitigen, ziel-
bewußten Eingreifen. Wir ſtehen, ſagt der Redner,
vor einem entſcheidenden Schritte, vor dem Kampfe
um die wirtſchaftliche Exiſtenz. Nicht als Beamte
ſpreche er hier, ſondern als Koalierter, als Kamerad.
(Lebhafter Beifall.) An keinen ſonſtigen Stand im
Getriebe des Staates werden ſolche Anforderungen
gerichtet als an den Eiſenbahner; ſeine ganze
geiſtige und körperliche Kraft müſſe er dem Dienſte
widmen, ſeine Verantwortung ſei eine ungeheuere.
Und die Gegenleiſtung? Die Verwaltungen ſorgen
immer nur für die modernen Anforderungen an das
tote Material; dem lebenden Menſchenmaterial, das
die Werte ſchafft, dem gegenüber beobachte man
nicht einmal die Pflicht der Menſchlichkeit. Wir
wollen nicht als Revolutionäre kommen, aber daß
mit Petitionen und Memoranden bisher gar nichts
geholfen wurde, ſei zweifellos. Es dürfe jetzt nur
nach einem Grundſatze vorgegangen werden: Alle
für einen und einer für alle! (Lebhafter Beifall.)
Und dieſer Rütliſchwur müſſe fortwirken für alle
Zeit. — Gewerkſchaftsbeamte Duſchek aus Wien
verwies auf die paſſive Reſiſtenz im Jahre 1905;
damals ſei den Eiſenbahnern Honig um den Mund
geſchmiert, Verſprechungen auf dem Papier gegeben
worden. Nunmehr ſei man willens, die ehrliche
Durchführung jener Verſprechungen zu erzwingen!
Wir ſuchen, ſagte Redner, den Kampf nicht. denn
wir wiſſen, welche Opfer er verlangen kann. Aber
wir ſcheuen ihn auch nicht! Man dürfe es aber
nicht ſo machen wie bei der paſſiven Reſiſtenz anno
1905; damals ſei auch alles mögliche erklärt worden;
als aber die Marburger Südbahner ihren dicken
Inſpektor erblickten (große Heiterkeit), ſei den meiſten
das Herz wieder in die Hoſen gefallen. Diesmal
müſſe aber aus einem andern Loche gepfiffen werden,
diesmal werden den Haupttruppen auch die Reſerve,
beſtehend aus Werkſtätten- und Bahnerhaltungs-
arbeitern, folgen. Es werde noch einmal mit einem
Memorandum an die Verwaltung der Südbahn
herangetreten werden, worauf den Vertrauens-
männern die entſprechenden Weiſungen zugehen
werden. Die Beſitzer der „Goldprioritäten“ (?)
der Südbahn werden gewiß die Million oder mehr
lieber zahlen, als ſich in einen ſolchen Kampf ein-
laſſen. (Großer Beifall.) — Herr Kopac aus
Trieſt, Sekretär der dortigen Rechtsſchutz- und Ge-
werkſchaftskommiſſion, drückte ſeine Freude darüber
aus, daß nun auch die Beamten radikaler werden.
Sie ſollen ſich aber, ſagte der Redner, vom Beamten-
vereine losſagen und in den Rechtsſchutzverein ein-
treten. Im Gegenſatze zum erſten Redner müſſe er
betonen, daß die Beamten revolutionär werden
müſſen, wenn ſie etwas erreichen wollen. Dem
Memorandum dürfe nur eine kurze Friſt zur Er-
füllung geſteckt werden. Die Südbahngeſellſchaft
ſage immer, ſie ſei paſſiv, habe kein Geld. (Heiter-
keit.) Nächſtens werde die Südbahngeſellſchaft in
Trieſt ihr 50jähriges Jubiläum feiern, wozu ſie
80.000 Kronen ausgeworfen habe. Da werde es
Champagner geben, da werde „gefreſſen und ge-
ſoffen“ werden. So ſcheue ſich die Südbahn nicht,
für ſolche Zwecke rund 100.000 K. hinauszuwerfen;
wenn aber ihre Bedienſteten eine Lohnaufbeſſerung
verlangen, dann ziehe ſie ſich den Bettelrock an und
ſage, ſie habe nichts! (Großer Beifall.) Redner
verweiſt auf die vom Vorredner erwähnten Reſerven,
betonte aber, daß man viele „Rekruten“ habe, die
mit den „Gewehren“ noch nicht umgehen können
und vielleicht auf den Nebenmann oder auf ſich
ſelber ſchießen. Redner begreife, daß die Beamten
gerne 400 K. mehr haben möchten, aber wo bleibe
die Garantie, daß nicht viele beim erſten Schuſſe
ſchon davonlaufen? Viele Beamte ſchnauzen die
Diener an und da könne man nicht verlangen, daß
die Arbeiter den Beamten ohneweiteres den Rücken
decken. Die Beamten mögen daher ihren Kaſtengeiſt
ablegen, was eine Gewähr für die Zukunft ſei. Bei
einer paſſiven Reſiſtenz könnten dann die Beamten
viel helfen, z. B., wenn ſie ſtatt Pauspapier zu
verwenden, alles mit Feder und Tinte ſchreiben.
An die Wiener Zentrale der Organiſation der Bahn-
angeſtellten aber richte Redner die Mahnung, nicht
bloß darauf zu ſehen, daß recht viele Arbeiter der
Organiſation beitreten, ſondern auch dafür zu wirken,
daß die ökonomiſche Lage der Arbeiter einmal eine
beſſere werde. (Beifall.) Redner kam ſchließlich noch
einmal auf die in Ausſicht ſtehende paſſive Reſiſtenz
zu ſprechen, zu deren Durchführung kein Mut ge-
höre; während ihrer Dauer bekomme ja ohnehin
jeder ſein Gehalt oder Lohn und wenn ein Vor-
[Spaltenumbruch] geſetzter einem „Reſiſtenzler“ vorhalte, daß er paſſive
Reſiſtenz betreibe, ſo könne dieſer ihm ruhig ant-
worten, daß dies eine Lüge ſei, da nach den Vor-
ſchriften gearbeitet werde. Mit einer Erörterung
des autonomiſtiſchen nationalen Programmes der
Sozialdemokraten ſchloß der Redner unter lebhaftem
Beifall ſeine Ausführungen. — Beamter Brüder
in Wien trat für die Solidarität ein; Zugsführer
i. P. Kolleger aus Graz wies darauf hin, daß
ſchon viel gewonnen ſei, wenn die Beamten die
Arbeiter bei der paſſiven Reſiſtenz nicht behindern.
Weiters gab Redner taktiſche Ratſchläge. Beamter
Wild aus Wien trat gleichfalls für die Einigkeit
ein und erinnerte daran, daß der jetzige Eiſenbahn-
miniſter Dr. v. Derſchatta zurzeit, als er noch
einfacher Abgeordneter war, in einer Bahnbeamten-
verſammlung zu dem Verlangen nach Beſſerung
der Lage den Beamten geſagt habe: „Machen Sie
nur tüchtig Muſik; für die Reſonanz werden ſchon
wir ſorgen!“ Heute, fuhr der Redner fort, habe
Dr. v. Derſchatta Gelegenheit, das Verſprechen ein-
zulöſen. — Namens des Bahnmeiſterverbandes
ſicherte Bahnmeiſter Muſil aus Saldenhofen die
vollſte Solidarität zu und Kondukteur Tomſchitz
aus Marburg mahnte, die Einigkeit auch nach er-
rungenem Siege aufrechtzuerhalten. Das Mitglied
des ungariſchen Zentralverbandes, Wonjafka,
überbrachte die Grüße dieſes Verbandes und der
Südbahner in Ofenpeſt. Er trat auch für die
Einigkeit ein und gab ſeiner Verwunderung Ausdruck
darüber, daß ſich die Beamten mit einer Forderung
nach einer 400 Kronen-Zulage begnügen. Redner
erklärte, die öſterreichiſchen Eiſenbahner können ſich
auf die ungariſchen verlaſſen. Lokomotivführer
Dolinſchek aus Marburg ſagte, daß ſich auch die
Lokomotivführer mit den anderen Kategorien ſolidariſch
fühlen. Südbahnangeſtellter Juritſch betonte, daß
die gehörten Reden zwar alle ſehr ſchön geweſen
ſeien; damit ſei aber wenig geholfen, man möge
lieber Poſitives ſchaffen, z. B. die Errichtung einer
entſprechenden Alters- und Invalidenverſorgung.
Redner ſchilderte die traurige Lage, in die jetzt die
Familien kommen, wenn der Ernährer nichts mehr
verdienen könne. Redner Duſchek aus Wien ant-
wortete ſeinem Vorredner in erregter Weiſe. Dieſer
gehöre einer Partei an, die den Arbeitern immer
Prügel zwiſchen die Füße werfe (Rufe: die Chriſtlich-
ſozialen!), die mit den allergrößten Gemeinheiten
vorgehe. Der Vorredner ſolle zum Dr. Lueger
gehen, für ihn ſei kein Platz da hier! (Stürmiſcher
Beifall, großer Lärm, Pfuirufe auf die Chriſtlich-
ſozialen, es wird mit Pfeiferln gepfiffen.)
Redner griff, nachdem ſich der Tumult gelegt hatte,
den Dr. Lueger und die chriſtlichſoziale Partei
in der ſchärfſten Weiſe an und erklärte, er müſſe
ſich dagegen verwahren, daß Chriſtlichſoziale hier
mitberaten, denn dieſe Partei würde alle wieder
ſo verraten wie immer! (Lang anhaltender Beifall
und Entrüſtungsrufe gegen die Chriſtlichſozialen.)
Der Vorſitzende ließ über eine Entſchließung
abſtimmen, welche es mit Befriedigung feſtſtellt, daß
es gelungen ſei, die Solidarität aller Kategorien
herbeizuführen; es werde gelobt, in treuer Soli-
darität auszuharren, bis alle Forderungen erfüllt
ſeien und jede Kategorie den entſprechenden Lohn
bekomme; an das Parlament wird die Bitte um
Unterſtützung gerichtet und der Zentrale der
Koalition zugerufen: „Wir ſind gerüſtet!“ Dieſe
Entſchließung wurde unter lebhaftem Beifall und
ohne Widerſpruch angenommen. Herr Petelinſchek
machte noch darauf aufmerkſam, daß die Kohlen-
arbeiter ebenfalls zur Koalition gehören. Herr
Tomſchitz forderte die Zentrale auf, ſich mit dem
Memorandum zu beeilen. Herr Kopac erklärte
noch, daß anläßlich des Feſtbankettes der Südbahn
in Trieſt dort eine Demonſtration von Eiſenbahnern
ſtattfinden werde, zu welcher das Perſonal aller
jener Stationen kommen ſoll, welche etwas erreichen
wollen. Hierauf wurde die Verſammlung geſchloſſen.

Eine intereſſante Schauſtellung.

Eine
Dame, die frei in der Luft ſchwebt, — in der Aus-
ſtellung Kärntnerſtraße 10 wird dem Zu-
ſchauer die Gelegenheit geboten werden, „Lona,
das Welträtſel“, das magiſche Wunder, in aller-
nächſter Nähe in Augenſchein zu nehmen. Man
ſieht die in einen ſcheinbar hypnotiſchen Schlaf
verſetzte junge Dame auf dem Ruhebett liegen,
worauf ſie auf Geheiß ihres Herrn in wagrechter
Lage recht hoch emporſchwebt. Ein über ſie hin-
gezogener Reifen zeigt, daß ſie ohne jegliche Ver-
bindung nach oben und unten frei in der Luft
ſchwebt, alſo daß nichts enthalten iſt, was zu einer
Täuſchung führen könnte. Das alles geht vor den
Augen des Publikums vor ſich, das erſtaunt und

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          <p>ge&#x017F;ang-Verein wird am Fe&#x017F;tplatze völki&#x017F;che Ge&#x017F;änge<lb/>
zum Vortrage bringen; die Zwi&#x017F;chenpau&#x017F;en wird<lb/>
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Ga&#x017F;twirt&#x017F;chaft des Herrn Meier&#x017F;eidl in der Trie&#x017F;ter-<lb/>
&#x017F;traße Fahrgelegenheiten zur Verfügung &#x017F;tehen und<lb/>
i&#x017F;t für die Hin- bezw. Rückfahrt der geringe Be-<lb/>
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Feier der Sommer&#x017F;onnenwende!</p>
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Kupfer ver&#x017F;ehener Rahmen &#x017F;chließt das Andenken ein.</p>
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[4/0004] Marburger Zeitung. Nr. 74, 20. Juni 1907. geſang-Verein wird am Feſtplatze völkiſche Geſänge zum Vortrage bringen; die Zwiſchenpauſen wird eine Muſikkapelle mit heiteren Weiſen ausfüllen. Zur Bequemlichkeit der Feſtgäſte werden bei der Gaſtwirtſchaft des Herrn Meierſeidl in der Trieſter- ſtraße Fahrgelegenheiten zur Verfügung ſtehen und iſt für die Hin- bezw. Rückfahrt der geringe Be- trag von nur 40 Hellern zu entrichten. Nur bei ausgeſprochen ſchlechtem Wetter, das heißt, wenn es am Abend des Feſtes regnen ſollte, wird dieſe Feier nicht abgehalten. Unſer Loſungswort am Samstag ſoll ſein: Auf nach Roßwein, zur hehren Feier der Sommerſonnenwende! Gemeinderatsſitzung. Am 26. Juni d. J. nachmittags 3 Uhr findet im Rathausſaale eine Gemeinderatsſitzung mit folgender Tagesordnung ſtatt: Beſchlußfaſſung in Angelegenheit der vom Herrn Raimund Lirzer in Beſitz genommenen Grund- parzelle in der Augaſſe. — Genehmigung des Ver- trages wegen Mitbenützung der Schwimmſchule durch das k. u. k. Militär. — Petition in Ange- legenheit der Reichsbrückenfrage. — Eingabe des Herrn Karl Pirch um nachträgliche Erhöhung ſeines Offertes um 16 Prozent. — Geſuch des Stadt- verſchönerungsvereines in der Magdalenenvorſtadt um Genehmigung zur Aufſtellung von Bänken. — Geſuch des Herrn Anton Kraus um Herſtellung eines Rinnſales in der Werkſtättenſtraße. — Ein- führung von Kehrbezirken und Feſtſetzung von Maximaltarifen beim Rauchfangkehrergewerbe. — Geſuch des Stadtverſchönerungsvereines um Abgabe von 400 Fuhren Sand. — Bericht über die Schlachtungen im Monate Mai 1907. — Anſuchen von vier Hausbeſitzern in der Gemeinde Kartſchowin um Waſſerbezug aus der ſtädtiſchen Leitung. — Geſuch der Gemeinde Kartſchowin um ganzjährige Verrechnung der Waſſergebühren. — Geſuch des Stadtverſchönerungsvereines um einen Beitrag für die Wegherſtellung zum Kalvarienberge. — Anſuchen des Vereines der Hausbeſitzer um Terminänderung für die Einzahlung von Umlagen. — Nach der öffentlichen ſolgt eine vertrauliche Sitzung. Eine Abordnung beim Bürgermeiſter. Geſtern vormittags um halb 11 Uhr begab ſich eine Abordnung jenes gewerblichen Ausſchuſſes, welcher die im Oktober v. J. ſtattgefundene erſte Marburger Lehrlingsarbeiten-Ausſtellung veranſtaltet hatte, zum Herrn Bürgermeiſter Dr. Schmiderer, dem Protektor der damaligen Ausſtellung, um ihm zur Erinnerung an dieſe Ausſtellung ein mit dem Bilde des Protektors und ſämtlicher Herren des Aus- ſtellungsausſchuſſes verſehenes Tableau zu über- reichen. Die Abordnung beſtand aus dem Obmanne jenes Ausſchuſſes, dem Gemeinderate und Obmann des deutſchen Handwerkervereines Herrn Kral, dem Gemeinderate Herrn Heritſchko und den Herren Letonja und Eisl. Nach einer Anſprache des Herrn Kral übernahm Herr Doktor Johann Schmiderer das Erinnerungszeichen, bedankte ſich für die ihm gewidmete Aufmerkſamkeit und erklärte, daß er jederzeit, nach Kräften und gerne die Intereſſen des Handwerker- und Gewerbeſtandes fördern werde. — Das Tableau, eine ſchöne Lei- ſtung der photographiſchen Anſtalt Kieſer, ent- hält außer dem Bilde des Bürgermeiſters Dr. Schmiderer noch die Porträts der Herren Aus- ſchußmitglieder Kral, Fornara, Detſchko, Zollenſtein, Dadieu, Holzer, Fiſchbach, Eisl, Letonja, Kollar, Hochenegger, Drofenik, Polatſchek, Kralik, Klein- ſchuſter, Heritſchko, Friedriger und Dir. Phillippek. Ein geſchmackvoller, von der Firma Hochenegger- Drofenik verfertigter, von der Firma Detſchko mit ſchönen Verzierungen und Initialen aus vergoldetem Kupfer verſehener Rahmen ſchließt das Andenken ein. Spende. Von Ungenannt wurde unſerer Verwaltung je 1 K. für die beiden, mit ihren Kindern hungernden Frauen, für die wir in der letzten Samstag-Nummer um Gaben baten, übergeben. Eine große Südbahnerverſammlung fand vorgeſtern abends im Götzſchen Brauhaus- garten ſtatt. Es dürften über 1000 Perſonen an- weſend geweſen ſein; ob ſämtliche Angeſtellte der Südbahn waren, konnte freilich nicht genau unter- ſchieden werden. Die Verſammlung galt dem Be- ſtreben nach Aufbeſſerung der Lage der Südbahn- angeſtellten ohne Unterſchied der Kategorie. Sie verlief, von häufigen Beifallskundgebungen abgeſehen, in vollſter Ruhe; nur als ein Südbahner geſprochen hatte, von dem behauptet wurde, daß er ein Chriſt- lichſozialer ſei, gab es einen Entrüſtungsſturm. Nachſtehend den Verſammlungsbericht. Zum Vor- ſitzenden wurde Herr Kajzer gewählt, worauf die eingelangten zahlreichen Begrüßungstelegramme ver- leſen wurden. Der erſte Redner, Südbahnbeamte Nikolits vom Beamtenverein, begrüßte es, daß die Verſammlung ſo überaus zahlreich beſucht ſei; es lege dies Zeugnis ab von einem allſeitigen, ziel- bewußten Eingreifen. Wir ſtehen, ſagt der Redner, vor einem entſcheidenden Schritte, vor dem Kampfe um die wirtſchaftliche Exiſtenz. Nicht als Beamte ſpreche er hier, ſondern als Koalierter, als Kamerad. (Lebhafter Beifall.) An keinen ſonſtigen Stand im Getriebe des Staates werden ſolche Anforderungen gerichtet als an den Eiſenbahner; ſeine ganze geiſtige und körperliche Kraft müſſe er dem Dienſte widmen, ſeine Verantwortung ſei eine ungeheuere. Und die Gegenleiſtung? Die Verwaltungen ſorgen immer nur für die modernen Anforderungen an das tote Material; dem lebenden Menſchenmaterial, das die Werte ſchafft, dem gegenüber beobachte man nicht einmal die Pflicht der Menſchlichkeit. Wir wollen nicht als Revolutionäre kommen, aber daß mit Petitionen und Memoranden bisher gar nichts geholfen wurde, ſei zweifellos. Es dürfe jetzt nur nach einem Grundſatze vorgegangen werden: Alle für einen und einer für alle! (Lebhafter Beifall.) Und dieſer Rütliſchwur müſſe fortwirken für alle Zeit. — Gewerkſchaftsbeamte Duſchek aus Wien verwies auf die paſſive Reſiſtenz im Jahre 1905; damals ſei den Eiſenbahnern Honig um den Mund geſchmiert, Verſprechungen auf dem Papier gegeben worden. Nunmehr ſei man willens, die ehrliche Durchführung jener Verſprechungen zu erzwingen! Wir ſuchen, ſagte Redner, den Kampf nicht. denn wir wiſſen, welche Opfer er verlangen kann. Aber wir ſcheuen ihn auch nicht! Man dürfe es aber nicht ſo machen wie bei der paſſiven Reſiſtenz anno 1905; damals ſei auch alles mögliche erklärt worden; als aber die Marburger Südbahner ihren dicken Inſpektor erblickten (große Heiterkeit), ſei den meiſten das Herz wieder in die Hoſen gefallen. Diesmal müſſe aber aus einem andern Loche gepfiffen werden, diesmal werden den Haupttruppen auch die Reſerve, beſtehend aus Werkſtätten- und Bahnerhaltungs- arbeitern, folgen. Es werde noch einmal mit einem Memorandum an die Verwaltung der Südbahn herangetreten werden, worauf den Vertrauens- männern die entſprechenden Weiſungen zugehen werden. Die Beſitzer der „Goldprioritäten“ (?) der Südbahn werden gewiß die Million oder mehr lieber zahlen, als ſich in einen ſolchen Kampf ein- laſſen. (Großer Beifall.) — Herr Kopac aus Trieſt, Sekretär der dortigen Rechtsſchutz- und Ge- werkſchaftskommiſſion, drückte ſeine Freude darüber aus, daß nun auch die Beamten radikaler werden. Sie ſollen ſich aber, ſagte der Redner, vom Beamten- vereine losſagen und in den Rechtsſchutzverein ein- treten. Im Gegenſatze zum erſten Redner müſſe er betonen, daß die Beamten revolutionär werden müſſen, wenn ſie etwas erreichen wollen. Dem Memorandum dürfe nur eine kurze Friſt zur Er- füllung geſteckt werden. Die Südbahngeſellſchaft ſage immer, ſie ſei paſſiv, habe kein Geld. (Heiter- keit.) Nächſtens werde die Südbahngeſellſchaft in Trieſt ihr 50jähriges Jubiläum feiern, wozu ſie 80.000 Kronen ausgeworfen habe. Da werde es Champagner geben, da werde „gefreſſen und ge- ſoffen“ werden. So ſcheue ſich die Südbahn nicht, für ſolche Zwecke rund 100.000 K. hinauszuwerfen; wenn aber ihre Bedienſteten eine Lohnaufbeſſerung verlangen, dann ziehe ſie ſich den Bettelrock an und ſage, ſie habe nichts! (Großer Beifall.) Redner verweiſt auf die vom Vorredner erwähnten Reſerven, betonte aber, daß man viele „Rekruten“ habe, die mit den „Gewehren“ noch nicht umgehen können und vielleicht auf den Nebenmann oder auf ſich ſelber ſchießen. Redner begreife, daß die Beamten gerne 400 K. mehr haben möchten, aber wo bleibe die Garantie, daß nicht viele beim erſten Schuſſe ſchon davonlaufen? Viele Beamte ſchnauzen die Diener an und da könne man nicht verlangen, daß die Arbeiter den Beamten ohneweiteres den Rücken decken. Die Beamten mögen daher ihren Kaſtengeiſt ablegen, was eine Gewähr für die Zukunft ſei. Bei einer paſſiven Reſiſtenz könnten dann die Beamten viel helfen, z. B., wenn ſie ſtatt Pauspapier zu verwenden, alles mit Feder und Tinte ſchreiben. An die Wiener Zentrale der Organiſation der Bahn- angeſtellten aber richte Redner die Mahnung, nicht bloß darauf zu ſehen, daß recht viele Arbeiter der Organiſation beitreten, ſondern auch dafür zu wirken, daß die ökonomiſche Lage der Arbeiter einmal eine beſſere werde. (Beifall.) Redner kam ſchließlich noch einmal auf die in Ausſicht ſtehende paſſive Reſiſtenz zu ſprechen, zu deren Durchführung kein Mut ge- höre; während ihrer Dauer bekomme ja ohnehin jeder ſein Gehalt oder Lohn und wenn ein Vor- geſetzter einem „Reſiſtenzler“ vorhalte, daß er paſſive Reſiſtenz betreibe, ſo könne dieſer ihm ruhig ant- worten, daß dies eine Lüge ſei, da nach den Vor- ſchriften gearbeitet werde. Mit einer Erörterung des autonomiſtiſchen nationalen Programmes der Sozialdemokraten ſchloß der Redner unter lebhaftem Beifall ſeine Ausführungen. — Beamter Brüder in Wien trat für die Solidarität ein; Zugsführer i. P. Kolleger aus Graz wies darauf hin, daß ſchon viel gewonnen ſei, wenn die Beamten die Arbeiter bei der paſſiven Reſiſtenz nicht behindern. Weiters gab Redner taktiſche Ratſchläge. Beamter Wild aus Wien trat gleichfalls für die Einigkeit ein und erinnerte daran, daß der jetzige Eiſenbahn- miniſter Dr. v. Derſchatta zurzeit, als er noch einfacher Abgeordneter war, in einer Bahnbeamten- verſammlung zu dem Verlangen nach Beſſerung der Lage den Beamten geſagt habe: „Machen Sie nur tüchtig Muſik; für die Reſonanz werden ſchon wir ſorgen!“ Heute, fuhr der Redner fort, habe Dr. v. Derſchatta Gelegenheit, das Verſprechen ein- zulöſen. — Namens des Bahnmeiſterverbandes ſicherte Bahnmeiſter Muſil aus Saldenhofen die vollſte Solidarität zu und Kondukteur Tomſchitz aus Marburg mahnte, die Einigkeit auch nach er- rungenem Siege aufrechtzuerhalten. Das Mitglied des ungariſchen Zentralverbandes, Wonjafka, überbrachte die Grüße dieſes Verbandes und der Südbahner in Ofenpeſt. Er trat auch für die Einigkeit ein und gab ſeiner Verwunderung Ausdruck darüber, daß ſich die Beamten mit einer Forderung nach einer 400 Kronen-Zulage begnügen. Redner erklärte, die öſterreichiſchen Eiſenbahner können ſich auf die ungariſchen verlaſſen. Lokomotivführer Dolinſchek aus Marburg ſagte, daß ſich auch die Lokomotivführer mit den anderen Kategorien ſolidariſch fühlen. Südbahnangeſtellter Juritſch betonte, daß die gehörten Reden zwar alle ſehr ſchön geweſen ſeien; damit ſei aber wenig geholfen, man möge lieber Poſitives ſchaffen, z. B. die Errichtung einer entſprechenden Alters- und Invalidenverſorgung. Redner ſchilderte die traurige Lage, in die jetzt die Familien kommen, wenn der Ernährer nichts mehr verdienen könne. Redner Duſchek aus Wien ant- wortete ſeinem Vorredner in erregter Weiſe. Dieſer gehöre einer Partei an, die den Arbeitern immer Prügel zwiſchen die Füße werfe (Rufe: die Chriſtlich- ſozialen!), die mit den allergrößten Gemeinheiten vorgehe. Der Vorredner ſolle zum Dr. Lueger gehen, für ihn ſei kein Platz da hier! (Stürmiſcher Beifall, großer Lärm, Pfuirufe auf die Chriſtlich- ſozialen, es wird mit Pfeiferln gepfiffen.) Redner griff, nachdem ſich der Tumult gelegt hatte, den Dr. Lueger und die chriſtlichſoziale Partei in der ſchärfſten Weiſe an und erklärte, er müſſe ſich dagegen verwahren, daß Chriſtlichſoziale hier mitberaten, denn dieſe Partei würde alle wieder ſo verraten wie immer! (Lang anhaltender Beifall und Entrüſtungsrufe gegen die Chriſtlichſozialen.) Der Vorſitzende ließ über eine Entſchließung abſtimmen, welche es mit Befriedigung feſtſtellt, daß es gelungen ſei, die Solidarität aller Kategorien herbeizuführen; es werde gelobt, in treuer Soli- darität auszuharren, bis alle Forderungen erfüllt ſeien und jede Kategorie den entſprechenden Lohn bekomme; an das Parlament wird die Bitte um Unterſtützung gerichtet und der Zentrale der Koalition zugerufen: „Wir ſind gerüſtet!“ Dieſe Entſchließung wurde unter lebhaftem Beifall und ohne Widerſpruch angenommen. Herr Petelinſchek machte noch darauf aufmerkſam, daß die Kohlen- arbeiter ebenfalls zur Koalition gehören. Herr Tomſchitz forderte die Zentrale auf, ſich mit dem Memorandum zu beeilen. Herr Kopac erklärte noch, daß anläßlich des Feſtbankettes der Südbahn in Trieſt dort eine Demonſtration von Eiſenbahnern ſtattfinden werde, zu welcher das Perſonal aller jener Stationen kommen ſoll, welche etwas erreichen wollen. Hierauf wurde die Verſammlung geſchloſſen. Eine intereſſante Schauſtellung. Eine Dame, die frei in der Luft ſchwebt, — in der Aus- ſtellung Kärntnerſtraße 10 wird dem Zu- ſchauer die Gelegenheit geboten werden, „Lona, das Welträtſel“, das magiſche Wunder, in aller- nächſter Nähe in Augenſchein zu nehmen. Man ſieht die in einen ſcheinbar hypnotiſchen Schlaf verſetzte junge Dame auf dem Ruhebett liegen, worauf ſie auf Geheiß ihres Herrn in wagrechter Lage recht hoch emporſchwebt. Ein über ſie hin- gezogener Reifen zeigt, daß ſie ohne jegliche Ver- bindung nach oben und unten frei in der Luft ſchwebt, alſo daß nichts enthalten iſt, was zu einer Täuſchung führen könnte. Das alles geht vor den Augen des Publikums vor ſich, das erſtaunt und

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Zitationshilfe: Marburger Zeitung. Nr. 74, Marburg, 20.06.1907, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_marburger74_1907/4>, abgerufen am 21.11.2024.