Marburger Zeitung. Nr. 77, Marburg, 10.07.1900.Nr. 77, 10. Juli 1900. Marburger Zeitung. [Spaltenumbruch] Mühe redlich zu stärken. Während er das in der (Technologisches Lexikon.) Handbuch (Die Nationalitäten in Europa im Jahre 1900.) Laut Otto Hübners neuesten stati- Eigen-Berichte. Leibnitz, 7. Juli. (Landwirtschaft- liche Versammlung.) Am 24. v. M. hielt St. Egydi i. W.-B., 7. Juli. (Schul- freundlichkeit.) Am vergangenen Donnerstag St. Egydi i. W.-B., 9. Juli. (Windische Berichterstatter.) Berichterstatter des in Laibach Pettau, 10. Juli. (Vom Gymnasium.) Der 31. Jahresbericht des Kaiser Franz Josef- [Spaltenumbruch] Marburg um die Mitte des 19. Jahr- hunderts. Erinnerungen eines alten Marburgers, von A. M. (Schluss.) Eine eigenthümliche Verbindung von Lust und Nachdem wir so beiläufig ein Bild Marburgs Die städtische Polizei, aus 2--3 Mann be- Nr. 77, 10. Juli 1900. Marburger Zeitung. [Spaltenumbruch] Mühe redlich zu ſtärken. Während er das in der (Technologiſches Lexikon.) Handbuch (Die Nationalitäten in Europa im Jahre 1900.) Laut Otto Hübners neueſten ſtati- Eigen-Berichte. Leibnitz, 7. Juli. (Landwirtſchaft- liche Verſammlung.) Am 24. v. M. hielt St. Egydi i. W.-B., 7. Juli. (Schul- freundlichkeit.) Am vergangenen Donnerstag St. Egydi i. W.-B., 9. Juli. (Windiſche Berichterſtatter.) Berichterſtatter des in Laibach Pettau, 10. Juli. (Vom Gymnaſium.) Der 31. Jahresbericht des Kaiſer Franz Joſef- [Spaltenumbruch] Marburg um die Mitte des 19. Jahr- hunderts. Erinnerungen eines alten Marburgers, von A. M. (Schluſs.) Eine eigenthümliche Verbindung von Luſt und Nachdem wir ſo beiläufig ein Bild Marburgs Die ſtädtiſche Polizei, aus 2—3 Mann be- <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0003" n="3"/> <fw place="top" type="header">Nr. 77, 10. Juli 1900. Marburger Zeitung.</fw><lb/> <cb/> <div type="jVarious" n="1"> <div xml:id="kleinbahn2" prev="#kleinbahn1" type="jArticle" n="2"> <p>Mühe redlich zu ſtärken. Während er das in der<lb/> Reſtauration beſorgte; machte ſich aber die Locomotive<lb/> auf den Weg nach Sponheim und nahm den Zug<lb/> mit ſich. Sobald das Zugperſonal das Verſchwinden<lb/> der eigenwilligen Maſchine bemerkte, begann eine<lb/> heilloſe Jagd. Das geſammte Perſonal rannte hinter<lb/> dem Flüchtling her, 3 Kilometer weit, bis der Zug<lb/> das Vergebliche ſeines Beginnens einſah und das<lb/> Rennen verloren gab. Der Locomotive war gleich<lb/> hinter der Station Sponheim die Puſte ausgegangen.<lb/> Gegen den Heizer wurde aber nunmehr Strafantrag<lb/> wegen Gefährdung eines Eiſenbahnzuges geſtellt;<lb/> die Koblenzer Strafkammer erkannte ihn für ſchuldig<lb/> und verurtheilte ihn zu 20 M. Geldſtrafe.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#g">(Technologiſches Lexikon.)</hi> </head> <p>Handbuch<lb/> für alle Induſtrien und Gewerbe. Ueberſicht der<lb/> geſammten Technologie der Jetztzeit, zum Gebrauche<lb/> für Techniker, Chemiker, Gewerbetreibende, Kauf-<lb/> leute u. ſ. w. Unter Mitwirkung von Fachgenoſſen<lb/> redigiert von Louis Edgar And<hi rendition="#aq">é</hi>s. Das Werk er-<lb/> ſcheint in 20 Lieferungen zu 60 <hi rendition="#aq">h</hi> = 30 kr. Die<lb/> Ausgabe erfolgt in zehntägigen Zwiſchenräumen.<lb/> (A. hartlebens Verlag in Wien.) Ein handliches<lb/> Compendium der geſammten Technologie der Jetztzeit<lb/> in gedrängter Faſſung, frei von überflüſſigem Ballaſt<lb/> iſt eine ſchon längſt empfundene Nothwendigkeit und<lb/> die Verlagshandlung hofft mit ihrem Technologiſchen<lb/> Lexikon dieſem allſeitigen Verlangen entſprochen zu<lb/> haben. In dieſem Werke, welches im Umfange von<lb/> 60 Bogen Lexikonformat erſcheint und welches von<lb/> einem bekannten Fachmanne auf Grund eines ſehr<lb/> reichlichen Materiales und eigenen umfangreichen<lb/> Wiſſens aus der Praxis heraus redigiert iſt, wird<lb/> jedermann über irgend einen techniſchen Ausdruck,<lb/> eine Maſchine, ein techniſches Geräth, ein Natur-<lb/> oder Fabrikationsproduct, einen chemiſchen oder<lb/> mechaniſchen Vorgang, über die mit der Technologie<lb/> zuſammenhängenden und für ſie unentbehrlichen<lb/> Wiſſenſchaften in wenigen Augenblicken kurzen,<lb/> bündigen und zutreffenden Aufſchluſs finden und<lb/> mühevollen Nachſchlagens und Anfragens vollſtändig<lb/> enthoben ſein. Die uns vorliegende erſte Lieferung<lb/> des Werkes verſpricht nur das Beſte und das<lb/> Technologiſche Lexikon dürfte eine weite Verbreitung<lb/> in jenem großen Kreiſe finden, der mit der Technologie<lb/> in Verbindung ſteht.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head><hi rendition="#g">(Die Nationalitäten in Europa im<lb/> Jahre</hi> 1900.)</head> <p>Laut Otto Hübners neueſten ſtati-<lb/> ſtiſchen Tabellen aller Länder ſind von 386,000.000<lb/> Bewohnern Europas 124,558.530 <hi rendition="#g">Germanen,</hi><lb/> 124,009.000 Slaven, 107,011.400 Romanen und<lb/> 22,004.000 anderer Nationalität. Von den Ger-<lb/> manen ſind die Deutſchen mit 65,900.530 die<lb/> ſtärkſten und zwar in Deutſchland 51,151.130, in<lb/> Oeſterreich-Ungarn 10,600.000, in der Schweiz<lb/> 2,173.000, in Rußland 1,200.000, die Engländer<lb/> mit 38,500.000, die Schweden mit 4,990.000, die<lb/> Vlämen mit 4,214.000, die Dänen mit 2,284.000,<lb/> die Frieſen mit 2,908.000, die Holländer mit<lb/> 3,602.000 und die Norweger mit 2,160.000 Seelen.<lb/><cb/> — Von den <hi rendition="#g">Slaven</hi> ſind die ſtärkſten die Ruſſen<lb/> mit 84,930.000 Seelen (hievon in Rußland ſelbſt<lb/> 81,400.000, in Oeſterreich-Ungarn 3,515.000). Von<lb/> den <hi rendition="#g">Romanen</hi> ſind die ſtärkſten die Franzoſen<lb/> mit 43,360.000 (hievon in Frankreich 37,470.000,<lb/> in Italien 1,400.000, in der Schweiz 735.000, in<lb/> Deutſchland 580.000), die Italiener mit 31,135.400<lb/> Seelen (hievon in Italien 29,760.000, in Oeſter-<lb/> reich-Ungarn 675.000, in Frankreich 500.000, in<lb/> der Schweiz 175 000), die Spanier mit 18,066.000<lb/> Seelen, Rumänen mit 9,441.000 Seelen, und<lb/> die Portugieſen mit 5,010.000 Seelen. — Außer-<lb/> dem ſind <hi rendition="#g">Magyaren</hi> 7,405.000 (Ungarn),<lb/> 5,928.000 <hi rendition="#g">Juden</hi> (hier ſind die Juden ſehr richtig<lb/> als Volk gerechnet), hievon 3,400.000 in Rußland,<lb/> 1,910.000 in Oeſterreich-Ungarn, Türken 4,571.000,<lb/> Finnen 4,090.000, Griechen 2,330.000. — Vom<lb/> Jahre 1850, da Europa 240,000.000 Bewohner<lb/> zählte (80,140.000 Germanen, 78.885.000 Slaven,<lb/> 74,200.000 Romanen und 14,775.000 andere),<lb/> vermehrten ſich die Germanen um 55% (am ſtärkſten<lb/> die Deutſchen um 61%), die Slaven um 57%<lb/> (am ſtärkſten die Ruſſen um 73%), die Romanen<lb/> um 44% (am ſchwächſten die Franzoſen um blos<lb/> 14·5%) und die anderen um 49% (am ſtärkſten<lb/> die Magyaren um 83%, was freilich der ſeit dem<lb/> Jahre 1870 gewaltſamen Magyariſierung zuzu-<lb/> ſchreiben iſt), am ſchwächſten die Türken und Tar-<lb/> taren, die letzteren um 18%, die erſteren ſogar<lb/> blos um 9·2%.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jVarious" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Eigen-Berichte.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#g">Leibnitz,</hi> 7. Juli.</dateline> <head> <hi rendition="#g">(Landwirtſchaft-<lb/> liche Verſammlung.)</hi> </head> <p>Am 24. v. M. hielt<lb/> die hieſige Filiale der k. k. Landwirtſchafts-Geſell-<lb/> ſchaft unter dem Vorſitze des Herrn Adolf Reichs-<lb/> ritter von Jeniſch eine ſehr gut beſuchte Wander-<lb/> verſammlung in Herrn Hubmanns Gaſthaus in<lb/> Kaindorf ab, an welcher auch die Zöglinge der<lb/> Winzerſchule Silberberg unter Führung ihres Leiters<lb/> Herrn J. Neuwirt theilnahmen. Herr Landes-<lb/> Ackerbauſchullehrer A. Rauch hielt einen lehrreichen<lb/> Vortrag über „Bienenzucht“. Der Vortragende<lb/> illuſtrierte zuerſt den großen directen und dann<lb/> den noch größeren indirecten Nutzen der Bienen-<lb/> zucht, erörterte die Urſachen, warum ſich die edle<lb/> Imkerei heutzutage noch keines beſſeren Auf-<lb/> ſchwunges erfreue, und erwähnte unter dieſen<lb/> namentlich die Furcht vor dem Bienenſtachel, worauf<lb/> er Winke angab, wie die bös gemachten Thierchen<lb/> zu beſänftigen ſind. Der Redner ergieng ſich in<lb/> ſeinen weiteren Ausführungen ſehr genau über die<lb/> Lebensweiſe des Bienenvolkes, beſprach die einzelnen<lb/> einſchlagenden Capitel ſehr ausführlich, übergieng<lb/> dann zu den krankhaften Zuſtänden eines Bienen-<lb/> volkes, wobei er die Weiſelloſigkeit und deren Be-<lb/> hebung ſehr eingehend ſchilderte. Schließlich wurde<lb/> auch der Raubbienen, deren Entſtehen und ihrer<lb/> Abhaltung von den Ständen gedacht. Reicher Bei-<lb/><cb/> fall lohnte den Redner für die gediegenen Aus-<lb/> führungen, an welche ſich zahlreiche Anfragen<lb/> ſeitens der Theilnehmer ſchloſſen, die vom Referenten<lb/> wieder recht klar beantwortet wurden. Man ſah<lb/> ein, daſs die Lehre von der Bienenzucht nicht mit<lb/> einem Vortrage abgethan werden könne, ſondern<lb/> daſs die Bienenfreunde ſich vereinigen, eine Filiale<lb/> des ſteierm. Bienenzucht-Vereines gründen ſollen,<lb/> welcher ſeinen Mitgliedern nicht nur mit Rath und<lb/> That an die Hand geht, ſondern auch ſehr viele<lb/> anderweitige Vortheile verſchafft. Die Verſammlung<lb/> fand ihren Abſchluſs, indem dem Berichterſtatter<lb/> der Dank der Verſammlung durch Erheben von<lb/> den Sitzen ausgedrückt wurde.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#g">St. Egydi</hi> i. W.-B., 7. Juli.</dateline> <head> <hi rendition="#g">(Schul-<lb/> freundlichkeit.)</hi> </head> <p>Am vergangenen Donnerstag<lb/> empfiengen in der hieſigen Pfarrkirche 11 Schüler<lb/> der hieſigen deutſchen Schule die erſte hl. Communion.<lb/> Nach dem feierlichen Acte führte Herr Pfarrer Matthias<lb/> Kelemina ſeine Schüler in den Pfarrhof und be-<lb/> wirtete ſie an einer geſchmückten Tafel mit Kaffee<lb/> und Bäckerei. — Herzlichſten Dank für dieſe Kinder-<lb/> freundlichkeit.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#g">St. Egydi</hi> i. W.-B., 9. Juli.</dateline> <head> <hi rendition="#g">(Windiſche<lb/> Berichterſtatter.)</hi> </head> <p>Berichterſtatter des in Laibach<lb/> erſcheinenden Tagblattes „Slovenski Narod“ für<lb/> St. Egydi i. W.-B. und vielleicht auch für deſſen<lb/> Umgebung iſt ein gewiſſer „Ferlinz“. Er hatte<lb/> ſeinerzeit kurze Zeit die Lehrerbildungsanſtalt in<lb/> Marburg oder vielleicht nur die Vorbereitungsclaſſe<lb/> beſucht, dort wahrſcheinlich die zum Berichterſtatter<lb/> eines „ſloveniſchen“ Blattes erforderlichen Fähigkeiten<lb/> ſich angeeignet, in den Wintermonaten iſt er Schnee-<lb/> ſchaufler der k. k. priv. Südbahn-Geſellſchaft und<lb/> in den Sommermonaten ſucht er durch Handlanger-<lb/> dienſt ſich ein Einkommen zu verſchaffen. Hie und<lb/> da bläst er als Mitglied einer Veteranenkapelle den<lb/> Deutſchen Marburgs etwas vor. Wir haben dies<lb/> alles erwähnt, weil die Deutſchen aller Geſellſchafts-<lb/> claſſen in den deutſch- und windiſchgeſchriebenen<lb/> Slovenenblättern fort und fort angegriffen werden,<lb/> in dieſen Blättern ſo manche Denunciation erfolgt,<lb/> die maßgebenden Ortes häufig Beachtung findet.<lb/> Wir wollen mit dieſen Zeilen darthun, wie wähleriſch<lb/> die ſloveniſchen Blätter in der Wahl ihrer Bericht-<lb/> erſtatter ſind, und welchen Wert deren Mittheilungen<lb/> haben. Schließlich ſei erwähnt, daſs dieſe Mit-<lb/> theilung keineswegs auf Vermuthungen beruht,<lb/> ſondern Ferlinz brüſtet ſich öffentlich, daſs er Be-<lb/> richterſtatter des „Slovenski Narod“ ſei. — Sie<lb/> ſollen ihn nur haben.</p> </div><lb/> <div xml:id="gymnasium1" next="#gymnasium2" type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#g">Pettau,</hi> 10. Juli.</dateline> <head> <hi rendition="#g">(Vom Gymnaſium.)</hi> </head><lb/> <p>Der 31. Jahresbericht des Kaiſer Franz Joſef-<lb/> Gymnaſiums in Pettau iſt erſchienen. Veröffentlicht<lb/> hat ihn Director Andreas Gubo. Außer den Schul-<lb/> nachrichten enthält das Heft einen Beitrag zur Ge-<lb/> ſchichte des Gymnaſiums: „Der Auszng aus dem<lb/> alten Haus“ aus der Feder des Directors. Am Ende<lb/> des Schuljahres betrug die Schülerzahl 144, die<lb/> ſich auf ſechs Claſſen vertheilte. Aus Pettau waren</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="marburg1" next="#marburg2" type="jArticle" n="2"> <head><hi rendition="#b">Marburg um die Mitte des 19. Jahr-<lb/> hunderts.</hi><lb/> Erinnerungen eines alten Marburgers, von A. M.</head><lb/> <p> <ref> <hi rendition="#c">(Schluſs.)</hi> </ref> </p><lb/> <p>Eine eigenthümliche Verbindung von Luſt und<lb/> Schmerz befand ſich an der Ecke des Kirchplatzes und<lb/> der Kirchgaſſe. Hier war das alte Theater. Wer dieſes<lb/> nie geſehen hat, kann ſich wohl keine Vorſtellung<lb/> machen von dem damaligen Muſentempel, aus dem<lb/> aber doch tüchtige Kräfte, die ſpäter auf großen<lb/> Bühnen glänzten, hervorgiengen. Bei den damals<lb/> ſo beliebten Ritterſtücken ſchwebten wohl die Federn<lb/> auf den Baretts der Ritter in den Wolken und<lb/> wehe dem Schauſpieler, der bei den Zauberſtücken<lb/> die Verſenkung benützen muſste, er hatte einen Kampf<lb/> mit den Ratten zu beſtehen, wenn er unterirdiſch<lb/> zur Verſenkung hinkroch. Anſchließend, an das<lb/> Theater befand ſich in der Kirchgaſſe das alter-<lb/> thümliche Bürgerſpital, deſſen Fenſterchen kaum<lb/> 2 Schuh im Geviert betrugen. An die Weſtſeite<lb/> des Theaters ſchloſs ſich an das allgemeine Kranken-<lb/> haus, deſſen ebenerdige Zimmer ihren Fußboden<lb/> mindeſtens einen Schuh unter dem Bürgerſteige<lb/> hatten, während die Höhe ſämmtlicher Räumlichkeiten<lb/> die jetzt für gewöhnliche Wohnzimmer vorgeſchriebene<lb/> nicht erreichte. Kaum 2 Klafter vom Haupteingange<lb/> in die Kirche entfernt, befand ſich der alte Pfarrhof.<lb/> An ihn ſich anſchließend der Wirtſchaftshof mit den<lb/> Stallungen, in ſeiner Mitte der große Düngerhauſen,<lb/> von dem die Jauche in die Pfarrhofgaſſe abfloſs.<lb/> Die nördliche Ecke des Kirchplatzes bildete das in<lb/><cb/> denſelben weit hineinſpringende Manich’ſche Häuschen,<lb/> welches einſt das Schulhaus von Marburg geweſen<lb/> ſein ſoll. An Stelle des jetzigen Pfarrhofes war<lb/> das k. k. Verpflegsamt mit ſeinem ebenerdigen Mehl-<lb/> magazin. An Stelle der biſchöflichen Reſidenz ein,<lb/> zwei franzöſiſchen Grafen gehöriges Gebäude. Daran<lb/> ſchloſs ſich das kleine Wreg’ſche Häuschen und die<lb/> Macher’ſche Reſtauration. Mit dem Baue des<lb/> Theaters wurde ſchon 1848 begonnen, dasſelbe aber<lb/> erſt 1852 ſeiner Beſtimmung zugeführt. Vor ihm,<lb/> wo jetzt das Caſinogebäude ſteht, war ein freier,<lb/> mit Kaſtanienbäumen bepflanzter Platz. Wo ſich<lb/> jetzt die Schillerſtraße hinzieht, war an der nördlichen<lb/> Stadtmauer eine Allee von Maulbeerbäumen, nördlich<lb/> von ihr die Reſte des Stadtgrabens. Die geringſte<lb/> Veränderung erfolgte in der Kärntnervorſtadt, ja<lb/> man muſs wohl ſagen, daſs der Verkehr in ihr<lb/> ehemals lebhafter war als jetzt, da die Waren nach<lb/> Kärnten zu Wagen auf der Drauwaldſtraße befördert<lb/> wurden. Gänzlich hat ſich die Magdalenavorſtadt<lb/> verändert. Aus den wenigen alten Häuſern der<lb/> Trieſter-, Berg-, Franz Joſef- und Joſefſtraße können<lb/> wir ihre geringe Ausdehnung in der Mitte dieſes<lb/> Jahrhunderts erſehen. Leider erfolgte die Aus-<lb/> dehnung dieſer Vorſtadt nicht nach einem beſtimmten<lb/> Syſteme und ſo macht ſie, trotzdem ſie mehr Ein-<lb/> wohner als die Stadt Cilli zählt, keinen ſtädtiſchen<lb/> Eindruck. Viel ſind daran auch die Hausbeſitzer<lb/> ſchuld, von denen die wenigſten vor ihren Häuſern<lb/> Bürgerſteige legen laſſen u. ſ. w.</p><lb/> <p>Nachdem wir ſo beiläufig ein Bild Marburgs<lb/> vor 50 Jahren entworfen haben, wollen wir noch<lb/> einiges über die Zuſtände erzählen, wie ſie damals<lb/><cb/> in der Stadt herrſchten. Während gegenwärtig die<lb/> Poſt in einem Palaſte untergebracht iſt, von dem<lb/> aus des Morgens eine Schar von Briefträgern<lb/> nach allen Richtungen hin eilt, finden wir damals<lb/> den, ſtets in untadelhaftes Schwarz gekleideten<lb/> Poſtverwalter Koſcheg mit 3—4 Beamten und einem<lb/> Briefträger den ganzen Poſtdienſt beſorgen. Von<lb/> letzteren, dem kleinen dicken Propſt, ſagten die Leute,<lb/> ſeine Beine ſeien deshalb ſo kurz, weil er ſie durch<lb/> das viele Umherlaufen abgenützt habe. Nächſt dem<lb/> Poſtverkehr hat wohl die öffentliche Beleuchtung<lb/> den größten Umſchwung erlitten. Wo ſind die<lb/> Zeiten, in welchen das Laternanzünderglöcklein dem<lb/> Laternanzünder Stefan (Atſchko) bedeutete, er habe<lb/> für die Beleuchtung der Stadt zu ſorgen. Da<lb/> ſchulterte er denn ſein hölzernes Geſtelle, in welchem<lb/> ſich die Oellampen befanden und ſchritt von Laterne<lb/> zu Laterne, in ihnen das Licht anzubringen, welches<lb/> wohl nicht die Straßen beleuchtete, ſondern der Be-<lb/> völkerung nur kundgab, an welcher Stelle ſich eine<lb/> öffentliche Laterne befand. Aber noch ein anderes<lb/> Glöcklein erſchallte und zwar täglich um 11 Uhr<lb/> nachts, das zu oberſt im Thurme aufgehängte ſo-<lb/> genannte Lumpenglöcklein. Ob auf ſeinen Ruf alle<lb/> ehrbaren Bürger Marburgs die Wirtsſtube verließen<lb/> und ſich nach Hauſe begaben, wiſſen <hi rendition="#g">wir</hi> nicht,<lb/> doch <hi rendition="#g">ſie</hi> wuſsten es, welchen Titel ſie verdienten,<lb/> wenn ſie ſich noch nach Läuten dieſes Glöckleins<lb/> auf der Straße blicken ließen.</p><lb/> <p>Die ſtädtiſche Polizei, aus 2—3 Mann be-<lb/> ſtehend, unter dem Commando des allerorts, be-<lb/> ſonders aber von den Studenten gefürchteten Stadt-<lb/> wachtmeiſters Dank, bot ein Bild dar, wie wir es</p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [3/0003]
Nr. 77, 10. Juli 1900. Marburger Zeitung.
Mühe redlich zu ſtärken. Während er das in der
Reſtauration beſorgte; machte ſich aber die Locomotive
auf den Weg nach Sponheim und nahm den Zug
mit ſich. Sobald das Zugperſonal das Verſchwinden
der eigenwilligen Maſchine bemerkte, begann eine
heilloſe Jagd. Das geſammte Perſonal rannte hinter
dem Flüchtling her, 3 Kilometer weit, bis der Zug
das Vergebliche ſeines Beginnens einſah und das
Rennen verloren gab. Der Locomotive war gleich
hinter der Station Sponheim die Puſte ausgegangen.
Gegen den Heizer wurde aber nunmehr Strafantrag
wegen Gefährdung eines Eiſenbahnzuges geſtellt;
die Koblenzer Strafkammer erkannte ihn für ſchuldig
und verurtheilte ihn zu 20 M. Geldſtrafe.
(Technologiſches Lexikon.) Handbuch
für alle Induſtrien und Gewerbe. Ueberſicht der
geſammten Technologie der Jetztzeit, zum Gebrauche
für Techniker, Chemiker, Gewerbetreibende, Kauf-
leute u. ſ. w. Unter Mitwirkung von Fachgenoſſen
redigiert von Louis Edgar Andés. Das Werk er-
ſcheint in 20 Lieferungen zu 60 h = 30 kr. Die
Ausgabe erfolgt in zehntägigen Zwiſchenräumen.
(A. hartlebens Verlag in Wien.) Ein handliches
Compendium der geſammten Technologie der Jetztzeit
in gedrängter Faſſung, frei von überflüſſigem Ballaſt
iſt eine ſchon längſt empfundene Nothwendigkeit und
die Verlagshandlung hofft mit ihrem Technologiſchen
Lexikon dieſem allſeitigen Verlangen entſprochen zu
haben. In dieſem Werke, welches im Umfange von
60 Bogen Lexikonformat erſcheint und welches von
einem bekannten Fachmanne auf Grund eines ſehr
reichlichen Materiales und eigenen umfangreichen
Wiſſens aus der Praxis heraus redigiert iſt, wird
jedermann über irgend einen techniſchen Ausdruck,
eine Maſchine, ein techniſches Geräth, ein Natur-
oder Fabrikationsproduct, einen chemiſchen oder
mechaniſchen Vorgang, über die mit der Technologie
zuſammenhängenden und für ſie unentbehrlichen
Wiſſenſchaften in wenigen Augenblicken kurzen,
bündigen und zutreffenden Aufſchluſs finden und
mühevollen Nachſchlagens und Anfragens vollſtändig
enthoben ſein. Die uns vorliegende erſte Lieferung
des Werkes verſpricht nur das Beſte und das
Technologiſche Lexikon dürfte eine weite Verbreitung
in jenem großen Kreiſe finden, der mit der Technologie
in Verbindung ſteht.
(Die Nationalitäten in Europa im
Jahre 1900.) Laut Otto Hübners neueſten ſtati-
ſtiſchen Tabellen aller Länder ſind von 386,000.000
Bewohnern Europas 124,558.530 Germanen,
124,009.000 Slaven, 107,011.400 Romanen und
22,004.000 anderer Nationalität. Von den Ger-
manen ſind die Deutſchen mit 65,900.530 die
ſtärkſten und zwar in Deutſchland 51,151.130, in
Oeſterreich-Ungarn 10,600.000, in der Schweiz
2,173.000, in Rußland 1,200.000, die Engländer
mit 38,500.000, die Schweden mit 4,990.000, die
Vlämen mit 4,214.000, die Dänen mit 2,284.000,
die Frieſen mit 2,908.000, die Holländer mit
3,602.000 und die Norweger mit 2,160.000 Seelen.
— Von den Slaven ſind die ſtärkſten die Ruſſen
mit 84,930.000 Seelen (hievon in Rußland ſelbſt
81,400.000, in Oeſterreich-Ungarn 3,515.000). Von
den Romanen ſind die ſtärkſten die Franzoſen
mit 43,360.000 (hievon in Frankreich 37,470.000,
in Italien 1,400.000, in der Schweiz 735.000, in
Deutſchland 580.000), die Italiener mit 31,135.400
Seelen (hievon in Italien 29,760.000, in Oeſter-
reich-Ungarn 675.000, in Frankreich 500.000, in
der Schweiz 175 000), die Spanier mit 18,066.000
Seelen, Rumänen mit 9,441.000 Seelen, und
die Portugieſen mit 5,010.000 Seelen. — Außer-
dem ſind Magyaren 7,405.000 (Ungarn),
5,928.000 Juden (hier ſind die Juden ſehr richtig
als Volk gerechnet), hievon 3,400.000 in Rußland,
1,910.000 in Oeſterreich-Ungarn, Türken 4,571.000,
Finnen 4,090.000, Griechen 2,330.000. — Vom
Jahre 1850, da Europa 240,000.000 Bewohner
zählte (80,140.000 Germanen, 78.885.000 Slaven,
74,200.000 Romanen und 14,775.000 andere),
vermehrten ſich die Germanen um 55% (am ſtärkſten
die Deutſchen um 61%), die Slaven um 57%
(am ſtärkſten die Ruſſen um 73%), die Romanen
um 44% (am ſchwächſten die Franzoſen um blos
14·5%) und die anderen um 49% (am ſtärkſten
die Magyaren um 83%, was freilich der ſeit dem
Jahre 1870 gewaltſamen Magyariſierung zuzu-
ſchreiben iſt), am ſchwächſten die Türken und Tar-
taren, die letzteren um 18%, die erſteren ſogar
blos um 9·2%.
Eigen-Berichte.
Leibnitz, 7. Juli. (Landwirtſchaft-
liche Verſammlung.) Am 24. v. M. hielt
die hieſige Filiale der k. k. Landwirtſchafts-Geſell-
ſchaft unter dem Vorſitze des Herrn Adolf Reichs-
ritter von Jeniſch eine ſehr gut beſuchte Wander-
verſammlung in Herrn Hubmanns Gaſthaus in
Kaindorf ab, an welcher auch die Zöglinge der
Winzerſchule Silberberg unter Führung ihres Leiters
Herrn J. Neuwirt theilnahmen. Herr Landes-
Ackerbauſchullehrer A. Rauch hielt einen lehrreichen
Vortrag über „Bienenzucht“. Der Vortragende
illuſtrierte zuerſt den großen directen und dann
den noch größeren indirecten Nutzen der Bienen-
zucht, erörterte die Urſachen, warum ſich die edle
Imkerei heutzutage noch keines beſſeren Auf-
ſchwunges erfreue, und erwähnte unter dieſen
namentlich die Furcht vor dem Bienenſtachel, worauf
er Winke angab, wie die bös gemachten Thierchen
zu beſänftigen ſind. Der Redner ergieng ſich in
ſeinen weiteren Ausführungen ſehr genau über die
Lebensweiſe des Bienenvolkes, beſprach die einzelnen
einſchlagenden Capitel ſehr ausführlich, übergieng
dann zu den krankhaften Zuſtänden eines Bienen-
volkes, wobei er die Weiſelloſigkeit und deren Be-
hebung ſehr eingehend ſchilderte. Schließlich wurde
auch der Raubbienen, deren Entſtehen und ihrer
Abhaltung von den Ständen gedacht. Reicher Bei-
fall lohnte den Redner für die gediegenen Aus-
führungen, an welche ſich zahlreiche Anfragen
ſeitens der Theilnehmer ſchloſſen, die vom Referenten
wieder recht klar beantwortet wurden. Man ſah
ein, daſs die Lehre von der Bienenzucht nicht mit
einem Vortrage abgethan werden könne, ſondern
daſs die Bienenfreunde ſich vereinigen, eine Filiale
des ſteierm. Bienenzucht-Vereines gründen ſollen,
welcher ſeinen Mitgliedern nicht nur mit Rath und
That an die Hand geht, ſondern auch ſehr viele
anderweitige Vortheile verſchafft. Die Verſammlung
fand ihren Abſchluſs, indem dem Berichterſtatter
der Dank der Verſammlung durch Erheben von
den Sitzen ausgedrückt wurde.
St. Egydi i. W.-B., 7. Juli. (Schul-
freundlichkeit.) Am vergangenen Donnerstag
empfiengen in der hieſigen Pfarrkirche 11 Schüler
der hieſigen deutſchen Schule die erſte hl. Communion.
Nach dem feierlichen Acte führte Herr Pfarrer Matthias
Kelemina ſeine Schüler in den Pfarrhof und be-
wirtete ſie an einer geſchmückten Tafel mit Kaffee
und Bäckerei. — Herzlichſten Dank für dieſe Kinder-
freundlichkeit.
St. Egydi i. W.-B., 9. Juli. (Windiſche
Berichterſtatter.) Berichterſtatter des in Laibach
erſcheinenden Tagblattes „Slovenski Narod“ für
St. Egydi i. W.-B. und vielleicht auch für deſſen
Umgebung iſt ein gewiſſer „Ferlinz“. Er hatte
ſeinerzeit kurze Zeit die Lehrerbildungsanſtalt in
Marburg oder vielleicht nur die Vorbereitungsclaſſe
beſucht, dort wahrſcheinlich die zum Berichterſtatter
eines „ſloveniſchen“ Blattes erforderlichen Fähigkeiten
ſich angeeignet, in den Wintermonaten iſt er Schnee-
ſchaufler der k. k. priv. Südbahn-Geſellſchaft und
in den Sommermonaten ſucht er durch Handlanger-
dienſt ſich ein Einkommen zu verſchaffen. Hie und
da bläst er als Mitglied einer Veteranenkapelle den
Deutſchen Marburgs etwas vor. Wir haben dies
alles erwähnt, weil die Deutſchen aller Geſellſchafts-
claſſen in den deutſch- und windiſchgeſchriebenen
Slovenenblättern fort und fort angegriffen werden,
in dieſen Blättern ſo manche Denunciation erfolgt,
die maßgebenden Ortes häufig Beachtung findet.
Wir wollen mit dieſen Zeilen darthun, wie wähleriſch
die ſloveniſchen Blätter in der Wahl ihrer Bericht-
erſtatter ſind, und welchen Wert deren Mittheilungen
haben. Schließlich ſei erwähnt, daſs dieſe Mit-
theilung keineswegs auf Vermuthungen beruht,
ſondern Ferlinz brüſtet ſich öffentlich, daſs er Be-
richterſtatter des „Slovenski Narod“ ſei. — Sie
ſollen ihn nur haben.
Pettau, 10. Juli. (Vom Gymnaſium.)
Der 31. Jahresbericht des Kaiſer Franz Joſef-
Gymnaſiums in Pettau iſt erſchienen. Veröffentlicht
hat ihn Director Andreas Gubo. Außer den Schul-
nachrichten enthält das Heft einen Beitrag zur Ge-
ſchichte des Gymnaſiums: „Der Auszng aus dem
alten Haus“ aus der Feder des Directors. Am Ende
des Schuljahres betrug die Schülerzahl 144, die
ſich auf ſechs Claſſen vertheilte. Aus Pettau waren
Marburg um die Mitte des 19. Jahr-
hunderts.
Erinnerungen eines alten Marburgers, von A. M.
(Schluſs.)
Eine eigenthümliche Verbindung von Luſt und
Schmerz befand ſich an der Ecke des Kirchplatzes und
der Kirchgaſſe. Hier war das alte Theater. Wer dieſes
nie geſehen hat, kann ſich wohl keine Vorſtellung
machen von dem damaligen Muſentempel, aus dem
aber doch tüchtige Kräfte, die ſpäter auf großen
Bühnen glänzten, hervorgiengen. Bei den damals
ſo beliebten Ritterſtücken ſchwebten wohl die Federn
auf den Baretts der Ritter in den Wolken und
wehe dem Schauſpieler, der bei den Zauberſtücken
die Verſenkung benützen muſste, er hatte einen Kampf
mit den Ratten zu beſtehen, wenn er unterirdiſch
zur Verſenkung hinkroch. Anſchließend, an das
Theater befand ſich in der Kirchgaſſe das alter-
thümliche Bürgerſpital, deſſen Fenſterchen kaum
2 Schuh im Geviert betrugen. An die Weſtſeite
des Theaters ſchloſs ſich an das allgemeine Kranken-
haus, deſſen ebenerdige Zimmer ihren Fußboden
mindeſtens einen Schuh unter dem Bürgerſteige
hatten, während die Höhe ſämmtlicher Räumlichkeiten
die jetzt für gewöhnliche Wohnzimmer vorgeſchriebene
nicht erreichte. Kaum 2 Klafter vom Haupteingange
in die Kirche entfernt, befand ſich der alte Pfarrhof.
An ihn ſich anſchließend der Wirtſchaftshof mit den
Stallungen, in ſeiner Mitte der große Düngerhauſen,
von dem die Jauche in die Pfarrhofgaſſe abfloſs.
Die nördliche Ecke des Kirchplatzes bildete das in
denſelben weit hineinſpringende Manich’ſche Häuschen,
welches einſt das Schulhaus von Marburg geweſen
ſein ſoll. An Stelle des jetzigen Pfarrhofes war
das k. k. Verpflegsamt mit ſeinem ebenerdigen Mehl-
magazin. An Stelle der biſchöflichen Reſidenz ein,
zwei franzöſiſchen Grafen gehöriges Gebäude. Daran
ſchloſs ſich das kleine Wreg’ſche Häuschen und die
Macher’ſche Reſtauration. Mit dem Baue des
Theaters wurde ſchon 1848 begonnen, dasſelbe aber
erſt 1852 ſeiner Beſtimmung zugeführt. Vor ihm,
wo jetzt das Caſinogebäude ſteht, war ein freier,
mit Kaſtanienbäumen bepflanzter Platz. Wo ſich
jetzt die Schillerſtraße hinzieht, war an der nördlichen
Stadtmauer eine Allee von Maulbeerbäumen, nördlich
von ihr die Reſte des Stadtgrabens. Die geringſte
Veränderung erfolgte in der Kärntnervorſtadt, ja
man muſs wohl ſagen, daſs der Verkehr in ihr
ehemals lebhafter war als jetzt, da die Waren nach
Kärnten zu Wagen auf der Drauwaldſtraße befördert
wurden. Gänzlich hat ſich die Magdalenavorſtadt
verändert. Aus den wenigen alten Häuſern der
Trieſter-, Berg-, Franz Joſef- und Joſefſtraße können
wir ihre geringe Ausdehnung in der Mitte dieſes
Jahrhunderts erſehen. Leider erfolgte die Aus-
dehnung dieſer Vorſtadt nicht nach einem beſtimmten
Syſteme und ſo macht ſie, trotzdem ſie mehr Ein-
wohner als die Stadt Cilli zählt, keinen ſtädtiſchen
Eindruck. Viel ſind daran auch die Hausbeſitzer
ſchuld, von denen die wenigſten vor ihren Häuſern
Bürgerſteige legen laſſen u. ſ. w.
Nachdem wir ſo beiläufig ein Bild Marburgs
vor 50 Jahren entworfen haben, wollen wir noch
einiges über die Zuſtände erzählen, wie ſie damals
in der Stadt herrſchten. Während gegenwärtig die
Poſt in einem Palaſte untergebracht iſt, von dem
aus des Morgens eine Schar von Briefträgern
nach allen Richtungen hin eilt, finden wir damals
den, ſtets in untadelhaftes Schwarz gekleideten
Poſtverwalter Koſcheg mit 3—4 Beamten und einem
Briefträger den ganzen Poſtdienſt beſorgen. Von
letzteren, dem kleinen dicken Propſt, ſagten die Leute,
ſeine Beine ſeien deshalb ſo kurz, weil er ſie durch
das viele Umherlaufen abgenützt habe. Nächſt dem
Poſtverkehr hat wohl die öffentliche Beleuchtung
den größten Umſchwung erlitten. Wo ſind die
Zeiten, in welchen das Laternanzünderglöcklein dem
Laternanzünder Stefan (Atſchko) bedeutete, er habe
für die Beleuchtung der Stadt zu ſorgen. Da
ſchulterte er denn ſein hölzernes Geſtelle, in welchem
ſich die Oellampen befanden und ſchritt von Laterne
zu Laterne, in ihnen das Licht anzubringen, welches
wohl nicht die Straßen beleuchtete, ſondern der Be-
völkerung nur kundgab, an welcher Stelle ſich eine
öffentliche Laterne befand. Aber noch ein anderes
Glöcklein erſchallte und zwar täglich um 11 Uhr
nachts, das zu oberſt im Thurme aufgehängte ſo-
genannte Lumpenglöcklein. Ob auf ſeinen Ruf alle
ehrbaren Bürger Marburgs die Wirtsſtube verließen
und ſich nach Hauſe begaben, wiſſen wir nicht,
doch ſie wuſsten es, welchen Titel ſie verdienten,
wenn ſie ſich noch nach Läuten dieſes Glöckleins
auf der Straße blicken ließen.
Die ſtädtiſche Polizei, aus 2—3 Mann be-
ſtehend, unter dem Commando des allerorts, be-
ſonders aber von den Studenten gefürchteten Stadt-
wachtmeiſters Dank, bot ein Bild dar, wie wir es
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