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Marburger Zeitung. Nr. 96, Marburg, 11.08.1908.

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Marburger Zeitung Nr. 96, 11. August 1908

[Spaltenumbruch]

parteipolitisches Geschäft zu machen. Den Jesuiten
ist kein Mittel zu schlecht. Ihre scheinbare Bis-
marckverehrung ist nur Geschäft, wie auch ihre ge-
heuchelte nationale Gesinnung ihnen nur dazu dienen
soll, um die Deutschen Österreichs vom Kampfe um
die Freiheit des Geistes abzulenken. Vor dem
Kampfe, den wir heuer um die Freiheit der Wissen-
schaft geführt haben, hat keiner dieser Römlinge
gewußt, daß er ein Deutscher ist. Jahrzehntelang
haben sie das Deutschtum verraten und jetzt, da
alle Völker Österreichs geeint waren im Kampfe
gegen diese schwarzen Mächte, da haben sie ihr
deutsches Herz entdeckt, ein aufrichtiges, ein besseres
als die freiheitliche Studentenschaft hat, "die in so
schweren Zeiten für das deutsche Volk kein Ver-
ständnis hat und den Bruderkampf auf ihre Fahne
schreibt." Und die Klerikalen sind die größte deutsche
Partei, hört man so manchen sagen; wir müssen
uns für nationale Angelegenheiten ihre Stimmen
sichern usw. Ich meine, wenn wir den Römlingen
ihr Deutschtum erst durch Preisgabe unserer frei-
heitlichen Gesinnung abkaufen müssen, dann brauchen
wir sie nicht. Sie sollen nur im Parlamente wie
früher gegen die Belange des deutschen Volkes
auftreten, wenigstens ersehen wir ihre wirkliche
Gesinnung. Und als offene Feinde unseres Volks-
tums werden wir sie leichter bekämpfen, als wenn
wir ihnen selbst ein nationales Mäntelchen um-
hängen.

Alles hat jetzt wieder den Namen Bismarck
auf den Lippen gehabt. Seien wir echte Bismärcker,
dann müssen wir aber den Klerikalen gegenüber
anders auftreten. Bismarck selbst hat uns Deutschen
in Österreich die Wege gewiesen, die wir den Röm-
lingen gegenüber gehen müssen. Er sagt:

"Die Deutschen in Österreich gehen nicht zu-
grunde, sie müssen sich nur selber helfen; sie müssen
es machen wie die Slawen, die Tschechen und
Ungarn. Das getrennt marschieren und vereint
schlagen ist allerdings eine bewährte Regel, aber
nur dann, wenn man eine einheitliche Führung
wie die Moltkes hat. Aber wenn gar die Ultra-
montanen (Klerikalen) sich zur Führung unter die
Deutschen drängen, dann weiß ich im voraus, daß
es nicht auf eine Einigung der Deutschen, sondern
auf ihre Zersplitterung und Schwächung abge-
sehen ist."

Diese herrlichen Bismarckworte gehören ins
Stammbuch des deutschnationalen Verbandes und
seiner Abgeordneten.




Der Notstand im Unterlande.
Eine Petition des Abg. Malik.

Abg. Malik hat an das Finanzministerium
nachstehende Eingabe gerichtet:

K. k. Finanzministerium!

Sowohl die Leitung der großen Notstands-
versammlung in Pettau am 19. Juli als auch die
Bauernversammlung in Oberradkersburg vom
2. August beauftragten mich zur Übergabe der
gefaßten Entschließungen an die k. k. Regierung,
[Spaltenumbruch] bezw. zur Durchführung aller jener mir zur
Linderung der bereits jetzt bestehenden furchtbaren
Not geeignet erscheinenden Schritte bei den in
Betracht gelangenden k. k. behördlichen Stellen.

Die Pettauer Entschließung ist von den
Vertretern des Bezirkes Pettau und 60 Gemeinde-
vorstehern, sowie Vertretern von Gemeinden des
Bezirkes Pettau, die Oberradkersburger Entschließung
von 15 Gemeindevorstehern, einer großen Anzahl
von stellvertretenden Gemeindeausschüssen und den
Mitgliedern des Hilfsaktions-Komitee, welches zur
Hilfeleistung bei der Durchführung der Notstands-
arbeiten im Bezirke Oberradkersburg von der Ver-
sammlung gewählt worden ist, gefertigt.

Ich habe die Pettauer Entschließung am
21. Juli Sr. Exzellenz, dem Herrn Minister-
präsidenten Freiherrn von Beck übergeben. Die
Übergabe der zweiten Entschließung in einer ge-
eigneten Weise steht unmittelbar bevor, nachdem ich
vorher an verschiedenen Stellen, wie dies auch
früher geschah, eine Einsicht veranlaßt haben werde.
In beiden Entschließungen ist auch die Bitte ent-
halten, es mögen: "Sämtliche landesfürst-
lichen Steuern
abgeschrieben und die Bezirks-
und Gemeindeumlagen ersetzt werden", ferner mögen
"die Steuerexekutionen sofort auf ein
Jahr zinsenlos eingestellt werden."

In der Teilerfüllung der übernommenen Auf-
gabe gestatte ich mir nunmehr die Bitte, daß das
k. k. Finanzministerium ohne Verzug an die Finanz-
Landesdirektion in Graz und diese unverweilt an
die unterstehenden Steueradministrationen die Weisung
ergehen lasse, dahingehend, in welcher Art bei den
bevorstehenden Erhebungen in den von der Dürre
betroffenen Gegenden, bezw. Gemeinden vorzugehen
wäre. In der Anlage gestatte ich mir einen in
einem steiermärkischen Blatte erschienenen Zeitungs-
aufsatz anzuschließen, mit der Bitte, das k. k. Finanz-
ministerium wolle den Inhalt zur Kenntnis nehmen.
Dem füge ich die Meinung an, daß, wenn gemäß
der bestehenden Vorschriften die bezüglichen Ein-
gaben von jeder einzelnen Gemeinde verfaßt und im
langwierigen Dienstwege hinauf, die Aufträge ebenso
einzeln wieder bis zu untersten Instanzen hinab-
geleitet, die Erhebungen sodann von diesen veran-
laßt, was, wie ich höre, z. B. im Steuerbezirk
Luttenberg im Laufe der nächsten Woche geschehen
soll -- und parzellenweise nach Vorschrift
durchgeführt werden sollen, die k. k.
Regierung mit diesem Teile der Steuer-
hilfsaktion bis tief in den Herbst hin-
ein gelangen muß.
Dies aus dem Grunde,
weil einesteils die gesamten Kulturen mit Aus-
nahme von Wald- und Weingärten zu ermitteln
sein werden, demnach ungeheuere Flächen, anderseits
aber naturgemäß die Arbeitskräfte zu dieser geradezu
ungeheueren Arbeit bei den Steueradministrationen
gar nicht vorhanden sein können. Die Kostspieligkeit
der Arbeit sei gar nicht betont.

Ich stelle daher an das k. k. Finanzministerium
in meiner Eigenschaft als Reichsratsabgeordneter
und Vertreter aller jener Gemeinden und Gebiete,
welche einesteils durch das Wahlgesetz meiner selbst-
[Spaltenumbruch] verständlichen Fürsorge zugehören, anderseits sich
meiner Obhut durch die erwähnten Entschließungen
freiwillig anvertrauten, die dringende Bitte,
das k. k. Finanz ministerium
möge im
Sinne des beiliegenden Zeitungsaufsatzes unverweilt
an die unterstehenden Behörden Aufträge er-
lassen,
dahingehend, in welcher abgekürzten
Art
die Erhebungen in den durch die Dürre aus-
gebrannten Gebieten durchzuführen wären.

Dabei äußere ich meine Meinung dahin, daß
z. B. das betreffende erhebende Organ sich in die
Gemeinde verfüge, das Gemeindegebiet besichtige
und hierüber berichte, ob die Gemeinde von der
Dürre, was ja leider in ganz Untersteiermark der
Fall ist -- und in welchem Maße betroffen wurde.
Wälder, Weingärten und etwa schön stehende
Parzellen (?) abgerechnet, wäre sodann der Grad
der Beschädigung einer Gemeinde, beziehungsweise
der Wirtschaftskörper summarisch leicht und rasch nach
den Grundbuchsvorlagen zu ermitteln. In den
politischen Bezirken Radkersburg, Luttenberg und
Pettau fanden z. B. seit April keine Niederschläge
statt, beziehungsweise nur in vereinzelten Gegenden
ganz unbedeutende; und wer diese Gegenden nicht
gesehen hat, weiß das bevorstehende, sichere Elend
nicht zu ermessen. Das Resultat wäre ehestens der
armen, vor der ärgsten Hungersnot stehenden Be-
völkerung bekannt zu geben, damit wenigstens nach
dieser Richtung hin die schwere Sorge und hoch-
gradige Erregung gemildert werde.

Ich zweifle zwar nicht, daß der Durchführung
meines Petites vorschriftliche Schwierigkeiten ent-
gegenstehen, aber ich betone, daß im ganzen
steirischen Unterlande die außerordent-
lichen Notverhältnisse, welche eine
sichere Hungersnot und die Gefahr
einer Notstandsrevolution
voraussehen
lassen, auch außerordentliche Aktionen
erheischen.
Aus diesem Grunde ist die Pflicht
der Erlassung außerordentlicher sofortiger viel
dringender und unbedingter als die strikte, buch-
stäbliche Einhaltung bestehender usueller admini-
strativer Bestimmungen.

Ich erbitte nochmals in dringender Form
die schleunigste Erledigung und Stattgebung
dieser Eingabe.

Vinzenz Malik, Reichsratsabgeordneter.

Wien, am 7. August 1908.

Beratung über die Hilfsaktion.

Wie die "Gr. Tgpst." meldet, fand Samstag
im Statthalterei-Sitzungssaale eine Konferenz
statt, in der man die Modalitäten der Bekämpfung
der im Lande durch die Dürre hervorgerufenen
Futternot in vierstündiger Beratung eingehend er-
örterte. Den Vorsitz führte Statthalter Graf
Clary und Aldringen. Außer ihm nahmen
an der Konferenz teil: Landeshauptmann Edmund
Graf Attems, Präsident der Landwirtschaftsgesell-
schaft, die Landesausschüsse Franz Graf Attems und
Robic, Hofrat Freiherr v. Hammer-Purgstall als
Referent, die Landtagsabgeordneten Stocker aus
Übersbach und Klammer aus Ebensfeld als Mit-




[Spaltenumbruch]

"Hatte Ihr Bruder einen solchen kleinen
Fuß?"

"Ja, einen außergewöhnlich kleinen Fuß sogar.
Eine Frage aber, Herr Senden, können Sie mir
jetzt gewiß schon beantworten, nicht wahr, auch Sie
sind der Überzeugung, daß der Verdacht, der auf
meinem Bruder lastet, durchaus ungerechtfertigt ist?"

"So weit ich in dieser Sache blicke, ist die
Annahme, daß Ihr Bruder den Mord begangen
haben könnte, gewiß falsch; wir Leute vom Fach
nennen diese Sorte von Verdacht einen markierten
Verdacht. Aber er ist gut konstruiert, er ist das
schließliche Ergebnis einer ganzen Reihe von scharf-
sinnig und schlagfertig ersonnenen Momenten.
Unsere Aufgabe ist es, den künstlich verschlungenen
Knoten mühsam zu lösen, hätten wir nur erst das
Ende des Fadens! Ich komme so im Tasten nach
diesem Fadenende wieder auf meine Fragen zurück.
Haben Sie mit Ihrem Bruder die Art und Weise
erörtert, natürlich brieflich, wie Sie ihm aus seiner
Notlage zu helfen versuchen werden?"

"Nein. Er schrieb mir, daß er mich am 20.
oder 21. sprechen müsse, unter allen Umständen.
Daraufhin gab ich ihm an, wann und wo ich ihn
treffen würde".

"Hatte jemand außer Ihnen Beiden Kenntnis
von dieser geplanten Zusammenkunft?"

"Das halte ich für unmöglich".

"Sie sind auch gewiß, daß Ihr Bruder von
niemandem gesehen worden ist, d. h. von jemandem,
der ihn persönlich kannte?"


[Spaltenumbruch]

"Mein Bruder sagte selbst, daß nur eine alte
Frau ihm auf dem Wege zum Park begegnet sei,
nach seiner Beschreibung war es unsere Butterfrau".

"Er ist doch wohl nicht als einziger Passagier
aus dem Zuge gestiegen?"

"Ja, außer ihm war noch ein anderer Herr,
den er nicht kannte und den er auch bald aus
den Augen verlor, da derselbe auf dem Bahnhof
zurückblieb".

Der Agent, der während dieses Zwiegesprächs
sein Taschenbuch zur Hand genommen hatte, schrieb
einige Worte und fuhr dann fort: "Und Sie selbst
haben auf Ihrem Gange nach der Einsiedelei
niemanden gesehen?"

"Niemanden, der Park und der Wald war,
so viel ich bemerkt habe, absolut menschenleer".

Der Agent schien immer noch nicht befriedigt.
Er blickte vor sich hin und seine Finger drehten
ungeduldig die feine Bleifeder hin und her. --

"Selbstverständlich kann nach Ihren Wahr-
nehmungen auch ein Belauschen Ihres Gesprächs
unmöglich gewesen sein?"

"Ja, wenigstens wüßte ich nicht, wie das zu-
gegangen sein sollte".

Der Detektiv lehnte sich jetzt in den Sessel
zurück, es sprach niemand, man sah, daß der Agent
nachsann. Nach einer Weile nickte er seiner Tochter
zu: "Du willst etwas fragen, Ruth?"

"Ja", sagte das Mädchen. "Gnädige Frau,
wissen Sie darüber Bescheid, ob dieses Gartenhaus,
das Sie als Rendezvous gewählt hatten, verschlossen
[Spaltenumbruch] zu werden pflegte oder ob es stets Tag und Nacht
geöffnet war?"

"Ich habe die Einsiedelei niemals verschlosseu
gefunden".

"Befinden sich mehrere Räume darin?"

"Ja, außer dem Hauptraum eine Art Kammer,
in welcher sich Gartengeräte und Ähnliches befinden.
Sie erinnern mich mit Ihrer Frage übrigens an
einen kleinen Vorgang, der während unserer Unter-
redung stattfand. Wir wurden durch ein leises
Geräusch in der Nebenkammer erschreckt, wir
forschten nach, haben aber trotz genauer Besichtigung
keine Spur der Anwesenheit eines Menschen wahr-
genommen. Eine Maus war das einzige Geschöpf,
das wir erblickten".

Der Detektiv hatte sich gespannt aufgerichtet,
mit einem befriedigenden Lächeln um die schmalen
Lippen bemerkte er: "Das Suchen ist eine Kunst,
meine Gnädige, die gelernt sein will. Ich habe nur
noch wenige Fragen. Haben Sie eine Vermutung,
wohin Ihr entflohener Bruder sich gewandt haben
könnte?"

Frau Mertens zögerte mit der Antwort.
Auf einen ermutigenden Blick des Rechtsanwalts
aber erwiderte sie dann: "Er sprach von Hamburg
als seinem nächsten Ziele.

"Sie scheinen von dieser Ihrer Kenntnis noch
niemandem eine Mitteilung gemacht zu haben?"

"Nein".

(Fortsetzung folgt.)


Marburger Zeitung Nr. 96, 11. Auguſt 1908

[Spaltenumbruch]

parteipolitiſches Geſchäft zu machen. Den Jeſuiten
iſt kein Mittel zu ſchlecht. Ihre ſcheinbare Bis-
marckverehrung iſt nur Geſchäft, wie auch ihre ge-
heuchelte nationale Geſinnung ihnen nur dazu dienen
ſoll, um die Deutſchen Öſterreichs vom Kampfe um
die Freiheit des Geiſtes abzulenken. Vor dem
Kampfe, den wir heuer um die Freiheit der Wiſſen-
ſchaft geführt haben, hat keiner dieſer Römlinge
gewußt, daß er ein Deutſcher iſt. Jahrzehntelang
haben ſie das Deutſchtum verraten und jetzt, da
alle Völker Öſterreichs geeint waren im Kampfe
gegen dieſe ſchwarzen Mächte, da haben ſie ihr
deutſches Herz entdeckt, ein aufrichtiges, ein beſſeres
als die freiheitliche Studentenſchaft hat, „die in ſo
ſchweren Zeiten für das deutſche Volk kein Ver-
ſtändnis hat und den Bruderkampf auf ihre Fahne
ſchreibt.“ Und die Klerikalen ſind die größte deutſche
Partei, hört man ſo manchen ſagen; wir müſſen
uns für nationale Angelegenheiten ihre Stimmen
ſichern uſw. Ich meine, wenn wir den Römlingen
ihr Deutſchtum erſt durch Preisgabe unſerer frei-
heitlichen Geſinnung abkaufen müſſen, dann brauchen
wir ſie nicht. Sie ſollen nur im Parlamente wie
früher gegen die Belange des deutſchen Volkes
auftreten, wenigſtens erſehen wir ihre wirkliche
Geſinnung. Und als offene Feinde unſeres Volks-
tums werden wir ſie leichter bekämpfen, als wenn
wir ihnen ſelbſt ein nationales Mäntelchen um-
hängen.

Alles hat jetzt wieder den Namen Bismarck
auf den Lippen gehabt. Seien wir echte Bismärcker,
dann müſſen wir aber den Klerikalen gegenüber
anders auftreten. Bismarck ſelbſt hat uns Deutſchen
in Öſterreich die Wege gewieſen, die wir den Röm-
lingen gegenüber gehen müſſen. Er ſagt:

„Die Deutſchen in Öſterreich gehen nicht zu-
grunde, ſie müſſen ſich nur ſelber helfen; ſie müſſen
es machen wie die Slawen, die Tſchechen und
Ungarn. Das getrennt marſchieren und vereint
ſchlagen iſt allerdings eine bewährte Regel, aber
nur dann, wenn man eine einheitliche Führung
wie die Moltkes hat. Aber wenn gar die Ultra-
montanen (Klerikalen) ſich zur Führung unter die
Deutſchen drängen, dann weiß ich im voraus, daß
es nicht auf eine Einigung der Deutſchen, ſondern
auf ihre Zerſplitterung und Schwächung abge-
ſehen iſt.“

Dieſe herrlichen Bismarckworte gehören ins
Stammbuch des deutſchnationalen Verbandes und
ſeiner Abgeordneten.




Der Notſtand im Unterlande.
Eine Petition des Abg. Malik.

Abg. Malik hat an das Finanzminiſterium
nachſtehende Eingabe gerichtet:

K. k. Finanzminiſterium!

Sowohl die Leitung der großen Notſtands-
verſammlung in Pettau am 19. Juli als auch die
Bauernverſammlung in Oberradkersburg vom
2. Auguſt beauftragten mich zur Übergabe der
gefaßten Entſchließungen an die k. k. Regierung,
[Spaltenumbruch] bezw. zur Durchführung aller jener mir zur
Linderung der bereits jetzt beſtehenden furchtbaren
Not geeignet erſcheinenden Schritte bei den in
Betracht gelangenden k. k. behördlichen Stellen.

Die Pettauer Entſchließung iſt von den
Vertretern des Bezirkes Pettau und 60 Gemeinde-
vorſtehern, ſowie Vertretern von Gemeinden des
Bezirkes Pettau, die Oberradkersburger Entſchließung
von 15 Gemeindevorſtehern, einer großen Anzahl
von ſtellvertretenden Gemeindeausſchüſſen und den
Mitgliedern des Hilfsaktions-Komitee, welches zur
Hilfeleiſtung bei der Durchführung der Notſtands-
arbeiten im Bezirke Oberradkersburg von der Ver-
ſammlung gewählt worden iſt, gefertigt.

Ich habe die Pettauer Entſchließung am
21. Juli Sr. Exzellenz, dem Herrn Miniſter-
präſidenten Freiherrn von Beck übergeben. Die
Übergabe der zweiten Entſchließung in einer ge-
eigneten Weiſe ſteht unmittelbar bevor, nachdem ich
vorher an verſchiedenen Stellen, wie dies auch
früher geſchah, eine Einſicht veranlaßt haben werde.
In beiden Entſchließungen iſt auch die Bitte ent-
halten, es mögen: „Sämtliche landesfürſt-
lichen Steuern
abgeſchrieben und die Bezirks-
und Gemeindeumlagen erſetzt werden“, ferner mögen
„die Steuerexekutionen ſofort auf ein
Jahr zinſenlos eingeſtellt werden.“

In der Teilerfüllung der übernommenen Auf-
gabe geſtatte ich mir nunmehr die Bitte, daß das
k. k. Finanzminiſterium ohne Verzug an die Finanz-
Landesdirektion in Graz und dieſe unverweilt an
die unterſtehenden Steueradminiſtrationen die Weiſung
ergehen laſſe, dahingehend, in welcher Art bei den
bevorſtehenden Erhebungen in den von der Dürre
betroffenen Gegenden, bezw. Gemeinden vorzugehen
wäre. In der Anlage geſtatte ich mir einen in
einem ſteiermärkiſchen Blatte erſchienenen Zeitungs-
aufſatz anzuſchließen, mit der Bitte, das k. k. Finanz-
miniſterium wolle den Inhalt zur Kenntnis nehmen.
Dem füge ich die Meinung an, daß, wenn gemäß
der beſtehenden Vorſchriften die bezüglichen Ein-
gaben von jeder einzelnen Gemeinde verfaßt und im
langwierigen Dienſtwege hinauf, die Aufträge ebenſo
einzeln wieder bis zu unterſten Inſtanzen hinab-
geleitet, die Erhebungen ſodann von dieſen veran-
laßt, was, wie ich höre, z. B. im Steuerbezirk
Luttenberg im Laufe der nächſten Woche geſchehen
ſoll — und parzellenweiſe nach Vorſchrift
durchgeführt werden ſollen, die k. k.
Regierung mit dieſem Teile der Steuer-
hilfsaktion bis tief in den Herbſt hin-
ein gelangen muß.
Dies aus dem Grunde,
weil einesteils die geſamten Kulturen mit Aus-
nahme von Wald- und Weingärten zu ermitteln
ſein werden, demnach ungeheuere Flächen, anderſeits
aber naturgemäß die Arbeitskräfte zu dieſer geradezu
ungeheueren Arbeit bei den Steueradminiſtrationen
gar nicht vorhanden ſein können. Die Koſtſpieligkeit
der Arbeit ſei gar nicht betont.

Ich ſtelle daher an das k. k. Finanzminiſterium
in meiner Eigenſchaft als Reichsratsabgeordneter
und Vertreter aller jener Gemeinden und Gebiete,
welche einesteils durch das Wahlgeſetz meiner ſelbſt-
[Spaltenumbruch] verſtändlichen Fürſorge zugehören, anderſeits ſich
meiner Obhut durch die erwähnten Entſchließungen
freiwillig anvertrauten, die dringende Bitte,
das k. k. Finanz miniſterium
möge im
Sinne des beiliegenden Zeitungsaufſatzes unverweilt
an die unterſtehenden Behörden Aufträge er-
laſſen,
dahingehend, in welcher abgekürzten
Art
die Erhebungen in den durch die Dürre aus-
gebrannten Gebieten durchzuführen wären.

Dabei äußere ich meine Meinung dahin, daß
z. B. das betreffende erhebende Organ ſich in die
Gemeinde verfüge, das Gemeindegebiet beſichtige
und hierüber berichte, ob die Gemeinde von der
Dürre, was ja leider in ganz Unterſteiermark der
Fall iſt — und in welchem Maße betroffen wurde.
Wälder, Weingärten und etwa ſchön ſtehende
Parzellen (?) abgerechnet, wäre ſodann der Grad
der Beſchädigung einer Gemeinde, beziehungsweiſe
der Wirtſchaftskörper ſummariſch leicht und raſch nach
den Grundbuchsvorlagen zu ermitteln. In den
politiſchen Bezirken Radkersburg, Luttenberg und
Pettau fanden z. B. ſeit April keine Niederſchläge
ſtatt, beziehungsweiſe nur in vereinzelten Gegenden
ganz unbedeutende; und wer dieſe Gegenden nicht
geſehen hat, weiß das bevorſtehende, ſichere Elend
nicht zu ermeſſen. Das Reſultat wäre eheſtens der
armen, vor der ärgſten Hungersnot ſtehenden Be-
völkerung bekannt zu geben, damit wenigſtens nach
dieſer Richtung hin die ſchwere Sorge und hoch-
gradige Erregung gemildert werde.

Ich zweifle zwar nicht, daß der Durchführung
meines Petites vorſchriftliche Schwierigkeiten ent-
gegenſtehen, aber ich betone, daß im ganzen
ſteiriſchen Unterlande die außerordent-
lichen Notverhältniſſe, welche eine
ſichere Hungersnot und die Gefahr
einer Notſtandsrevolution
vorausſehen
laſſen, auch außerordentliche Aktionen
erheiſchen.
Aus dieſem Grunde iſt die Pflicht
der Erlaſſung außerordentlicher ſofortiger viel
dringender und unbedingter als die ſtrikte, buch-
ſtäbliche Einhaltung beſtehender uſueller admini-
ſtrativer Beſtimmungen.

Ich erbitte nochmals in dringender Form
die ſchleunigſte Erledigung und Stattgebung
dieſer Eingabe.

Vinzenz Malik, Reichsratsabgeordneter.

Wien, am 7. Auguſt 1908.

Beratung über die Hilfsaktion.

Wie die „Gr. Tgpſt.“ meldet, fand Samstag
im Statthalterei-Sitzungsſaale eine Konferenz
ſtatt, in der man die Modalitäten der Bekämpfung
der im Lande durch die Dürre hervorgerufenen
Futternot in vierſtündiger Beratung eingehend er-
örterte. Den Vorſitz führte Statthalter Graf
Clary und Aldringen. Außer ihm nahmen
an der Konferenz teil: Landeshauptmann Edmund
Graf Attems, Präſident der Landwirtſchaftsgeſell-
ſchaft, die Landesausſchüſſe Franz Graf Attems und
Robic, Hofrat Freiherr v. Hammer-Purgſtall als
Referent, die Landtagsabgeordneten Stocker aus
Übersbach und Klammer aus Ebensfeld als Mit-




[Spaltenumbruch]

„Hatte Ihr Bruder einen ſolchen kleinen
Fuß?“

„Ja, einen außergewöhnlich kleinen Fuß ſogar.
Eine Frage aber, Herr Senden, können Sie mir
jetzt gewiß ſchon beantworten, nicht wahr, auch Sie
ſind der Überzeugung, daß der Verdacht, der auf
meinem Bruder laſtet, durchaus ungerechtfertigt iſt?“

„So weit ich in dieſer Sache blicke, iſt die
Annahme, daß Ihr Bruder den Mord begangen
haben könnte, gewiß falſch; wir Leute vom Fach
nennen dieſe Sorte von Verdacht einen markierten
Verdacht. Aber er iſt gut konſtruiert, er iſt das
ſchließliche Ergebnis einer ganzen Reihe von ſcharf-
ſinnig und ſchlagfertig erſonnenen Momenten.
Unſere Aufgabe iſt es, den künſtlich verſchlungenen
Knoten mühſam zu löſen, hätten wir nur erſt das
Ende des Fadens! Ich komme ſo im Taſten nach
dieſem Fadenende wieder auf meine Fragen zurück.
Haben Sie mit Ihrem Bruder die Art und Weiſe
erörtert, natürlich brieflich, wie Sie ihm aus ſeiner
Notlage zu helfen verſuchen werden?“

„Nein. Er ſchrieb mir, daß er mich am 20.
oder 21. ſprechen müſſe, unter allen Umſtänden.
Daraufhin gab ich ihm an, wann und wo ich ihn
treffen würde“.

„Hatte jemand außer Ihnen Beiden Kenntnis
von dieſer geplanten Zuſammenkunft?“

„Das halte ich für unmöglich“.

„Sie ſind auch gewiß, daß Ihr Bruder von
niemandem geſehen worden iſt, d. h. von jemandem,
der ihn perſönlich kannte?“


[Spaltenumbruch]

„Mein Bruder ſagte ſelbſt, daß nur eine alte
Frau ihm auf dem Wege zum Park begegnet ſei,
nach ſeiner Beſchreibung war es unſere Butterfrau“.

„Er iſt doch wohl nicht als einziger Paſſagier
aus dem Zuge geſtiegen?“

„Ja, außer ihm war noch ein anderer Herr,
den er nicht kannte und den er auch bald aus
den Augen verlor, da derſelbe auf dem Bahnhof
zurückblieb“.

Der Agent, der während dieſes Zwiegeſprächs
ſein Taſchenbuch zur Hand genommen hatte, ſchrieb
einige Worte und fuhr dann fort: „Und Sie ſelbſt
haben auf Ihrem Gange nach der Einſiedelei
niemanden geſehen?“

„Niemanden, der Park und der Wald war,
ſo viel ich bemerkt habe, abſolut menſchenleer“.

Der Agent ſchien immer noch nicht befriedigt.
Er blickte vor ſich hin und ſeine Finger drehten
ungeduldig die feine Bleifeder hin und her. —

„Selbſtverſtändlich kann nach Ihren Wahr-
nehmungen auch ein Belauſchen Ihres Geſprächs
unmöglich geweſen ſein?“

„Ja, wenigſtens wüßte ich nicht, wie das zu-
gegangen ſein ſollte“.

Der Detektiv lehnte ſich jetzt in den Seſſel
zurück, es ſprach niemand, man ſah, daß der Agent
nachſann. Nach einer Weile nickte er ſeiner Tochter
zu: „Du willſt etwas fragen, Ruth?“

„Ja“, ſagte das Mädchen. „Gnädige Frau,
wiſſen Sie darüber Beſcheid, ob dieſes Gartenhaus,
das Sie als Rendezvous gewählt hatten, verſchloſſen
[Spaltenumbruch] zu werden pflegte oder ob es ſtets Tag und Nacht
geöffnet war?“

„Ich habe die Einſiedelei niemals verſchloſſeu
gefunden“.

„Befinden ſich mehrere Räume darin?“

„Ja, außer dem Hauptraum eine Art Kammer,
in welcher ſich Gartengeräte und Ähnliches befinden.
Sie erinnern mich mit Ihrer Frage übrigens an
einen kleinen Vorgang, der während unſerer Unter-
redung ſtattfand. Wir wurden durch ein leiſes
Geräuſch in der Nebenkammer erſchreckt, wir
forſchten nach, haben aber trotz genauer Beſichtigung
keine Spur der Anweſenheit eines Menſchen wahr-
genommen. Eine Maus war das einzige Geſchöpf,
das wir erblickten“.

Der Detektiv hatte ſich geſpannt aufgerichtet,
mit einem befriedigenden Lächeln um die ſchmalen
Lippen bemerkte er: „Das Suchen iſt eine Kunſt,
meine Gnädige, die gelernt ſein will. Ich habe nur
noch wenige Fragen. Haben Sie eine Vermutung,
wohin Ihr entflohener Bruder ſich gewandt haben
könnte?“

Frau Mertens zögerte mit der Antwort.
Auf einen ermutigenden Blick des Rechtsanwalts
aber erwiderte ſie dann: „Er ſprach von Hamburg
als ſeinem nächſten Ziele.

„Sie ſcheinen von dieſer Ihrer Kenntnis noch
niemandem eine Mitteilung gemacht zu haben?“

„Nein“.

(Fortſetzung folgt.)


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Ungarn. Das getrennt mar&#x017F;chieren und vereint<lb/>
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[2/0002] Marburger Zeitung Nr. 96, 11. Auguſt 1908 parteipolitiſches Geſchäft zu machen. Den Jeſuiten iſt kein Mittel zu ſchlecht. Ihre ſcheinbare Bis- marckverehrung iſt nur Geſchäft, wie auch ihre ge- heuchelte nationale Geſinnung ihnen nur dazu dienen ſoll, um die Deutſchen Öſterreichs vom Kampfe um die Freiheit des Geiſtes abzulenken. Vor dem Kampfe, den wir heuer um die Freiheit der Wiſſen- ſchaft geführt haben, hat keiner dieſer Römlinge gewußt, daß er ein Deutſcher iſt. Jahrzehntelang haben ſie das Deutſchtum verraten und jetzt, da alle Völker Öſterreichs geeint waren im Kampfe gegen dieſe ſchwarzen Mächte, da haben ſie ihr deutſches Herz entdeckt, ein aufrichtiges, ein beſſeres als die freiheitliche Studentenſchaft hat, „die in ſo ſchweren Zeiten für das deutſche Volk kein Ver- ſtändnis hat und den Bruderkampf auf ihre Fahne ſchreibt.“ Und die Klerikalen ſind die größte deutſche Partei, hört man ſo manchen ſagen; wir müſſen uns für nationale Angelegenheiten ihre Stimmen ſichern uſw. Ich meine, wenn wir den Römlingen ihr Deutſchtum erſt durch Preisgabe unſerer frei- heitlichen Geſinnung abkaufen müſſen, dann brauchen wir ſie nicht. Sie ſollen nur im Parlamente wie früher gegen die Belange des deutſchen Volkes auftreten, wenigſtens erſehen wir ihre wirkliche Geſinnung. Und als offene Feinde unſeres Volks- tums werden wir ſie leichter bekämpfen, als wenn wir ihnen ſelbſt ein nationales Mäntelchen um- hängen. Alles hat jetzt wieder den Namen Bismarck auf den Lippen gehabt. Seien wir echte Bismärcker, dann müſſen wir aber den Klerikalen gegenüber anders auftreten. Bismarck ſelbſt hat uns Deutſchen in Öſterreich die Wege gewieſen, die wir den Röm- lingen gegenüber gehen müſſen. Er ſagt: „Die Deutſchen in Öſterreich gehen nicht zu- grunde, ſie müſſen ſich nur ſelber helfen; ſie müſſen es machen wie die Slawen, die Tſchechen und Ungarn. Das getrennt marſchieren und vereint ſchlagen iſt allerdings eine bewährte Regel, aber nur dann, wenn man eine einheitliche Führung wie die Moltkes hat. Aber wenn gar die Ultra- montanen (Klerikalen) ſich zur Führung unter die Deutſchen drängen, dann weiß ich im voraus, daß es nicht auf eine Einigung der Deutſchen, ſondern auf ihre Zerſplitterung und Schwächung abge- ſehen iſt.“ Dieſe herrlichen Bismarckworte gehören ins Stammbuch des deutſchnationalen Verbandes und ſeiner Abgeordneten. Der Notſtand im Unterlande. Eine Petition des Abg. Malik. Abg. Malik hat an das Finanzminiſterium nachſtehende Eingabe gerichtet: K. k. Finanzminiſterium! Sowohl die Leitung der großen Notſtands- verſammlung in Pettau am 19. Juli als auch die Bauernverſammlung in Oberradkersburg vom 2. Auguſt beauftragten mich zur Übergabe der gefaßten Entſchließungen an die k. k. Regierung, bezw. zur Durchführung aller jener mir zur Linderung der bereits jetzt beſtehenden furchtbaren Not geeignet erſcheinenden Schritte bei den in Betracht gelangenden k. k. behördlichen Stellen. Die Pettauer Entſchließung iſt von den Vertretern des Bezirkes Pettau und 60 Gemeinde- vorſtehern, ſowie Vertretern von Gemeinden des Bezirkes Pettau, die Oberradkersburger Entſchließung von 15 Gemeindevorſtehern, einer großen Anzahl von ſtellvertretenden Gemeindeausſchüſſen und den Mitgliedern des Hilfsaktions-Komitee, welches zur Hilfeleiſtung bei der Durchführung der Notſtands- arbeiten im Bezirke Oberradkersburg von der Ver- ſammlung gewählt worden iſt, gefertigt. Ich habe die Pettauer Entſchließung am 21. Juli Sr. Exzellenz, dem Herrn Miniſter- präſidenten Freiherrn von Beck übergeben. Die Übergabe der zweiten Entſchließung in einer ge- eigneten Weiſe ſteht unmittelbar bevor, nachdem ich vorher an verſchiedenen Stellen, wie dies auch früher geſchah, eine Einſicht veranlaßt haben werde. In beiden Entſchließungen iſt auch die Bitte ent- halten, es mögen: „Sämtliche landesfürſt- lichen Steuern abgeſchrieben und die Bezirks- und Gemeindeumlagen erſetzt werden“, ferner mögen „die Steuerexekutionen ſofort auf ein Jahr zinſenlos eingeſtellt werden.“ In der Teilerfüllung der übernommenen Auf- gabe geſtatte ich mir nunmehr die Bitte, daß das k. k. Finanzminiſterium ohne Verzug an die Finanz- Landesdirektion in Graz und dieſe unverweilt an die unterſtehenden Steueradminiſtrationen die Weiſung ergehen laſſe, dahingehend, in welcher Art bei den bevorſtehenden Erhebungen in den von der Dürre betroffenen Gegenden, bezw. Gemeinden vorzugehen wäre. In der Anlage geſtatte ich mir einen in einem ſteiermärkiſchen Blatte erſchienenen Zeitungs- aufſatz anzuſchließen, mit der Bitte, das k. k. Finanz- miniſterium wolle den Inhalt zur Kenntnis nehmen. Dem füge ich die Meinung an, daß, wenn gemäß der beſtehenden Vorſchriften die bezüglichen Ein- gaben von jeder einzelnen Gemeinde verfaßt und im langwierigen Dienſtwege hinauf, die Aufträge ebenſo einzeln wieder bis zu unterſten Inſtanzen hinab- geleitet, die Erhebungen ſodann von dieſen veran- laßt, was, wie ich höre, z. B. im Steuerbezirk Luttenberg im Laufe der nächſten Woche geſchehen ſoll — und parzellenweiſe nach Vorſchrift durchgeführt werden ſollen, die k. k. Regierung mit dieſem Teile der Steuer- hilfsaktion bis tief in den Herbſt hin- ein gelangen muß. Dies aus dem Grunde, weil einesteils die geſamten Kulturen mit Aus- nahme von Wald- und Weingärten zu ermitteln ſein werden, demnach ungeheuere Flächen, anderſeits aber naturgemäß die Arbeitskräfte zu dieſer geradezu ungeheueren Arbeit bei den Steueradminiſtrationen gar nicht vorhanden ſein können. Die Koſtſpieligkeit der Arbeit ſei gar nicht betont. Ich ſtelle daher an das k. k. Finanzminiſterium in meiner Eigenſchaft als Reichsratsabgeordneter und Vertreter aller jener Gemeinden und Gebiete, welche einesteils durch das Wahlgeſetz meiner ſelbſt- verſtändlichen Fürſorge zugehören, anderſeits ſich meiner Obhut durch die erwähnten Entſchließungen freiwillig anvertrauten, die dringende Bitte, das k. k. Finanz miniſterium möge im Sinne des beiliegenden Zeitungsaufſatzes unverweilt an die unterſtehenden Behörden Aufträge er- laſſen, dahingehend, in welcher abgekürzten Art die Erhebungen in den durch die Dürre aus- gebrannten Gebieten durchzuführen wären. Dabei äußere ich meine Meinung dahin, daß z. B. das betreffende erhebende Organ ſich in die Gemeinde verfüge, das Gemeindegebiet beſichtige und hierüber berichte, ob die Gemeinde von der Dürre, was ja leider in ganz Unterſteiermark der Fall iſt — und in welchem Maße betroffen wurde. Wälder, Weingärten und etwa ſchön ſtehende Parzellen (?) abgerechnet, wäre ſodann der Grad der Beſchädigung einer Gemeinde, beziehungsweiſe der Wirtſchaftskörper ſummariſch leicht und raſch nach den Grundbuchsvorlagen zu ermitteln. In den politiſchen Bezirken Radkersburg, Luttenberg und Pettau fanden z. B. ſeit April keine Niederſchläge ſtatt, beziehungsweiſe nur in vereinzelten Gegenden ganz unbedeutende; und wer dieſe Gegenden nicht geſehen hat, weiß das bevorſtehende, ſichere Elend nicht zu ermeſſen. Das Reſultat wäre eheſtens der armen, vor der ärgſten Hungersnot ſtehenden Be- völkerung bekannt zu geben, damit wenigſtens nach dieſer Richtung hin die ſchwere Sorge und hoch- gradige Erregung gemildert werde. Ich zweifle zwar nicht, daß der Durchführung meines Petites vorſchriftliche Schwierigkeiten ent- gegenſtehen, aber ich betone, daß im ganzen ſteiriſchen Unterlande die außerordent- lichen Notverhältniſſe, welche eine ſichere Hungersnot und die Gefahr einer Notſtandsrevolution vorausſehen laſſen, auch außerordentliche Aktionen erheiſchen. Aus dieſem Grunde iſt die Pflicht der Erlaſſung außerordentlicher ſofortiger viel dringender und unbedingter als die ſtrikte, buch- ſtäbliche Einhaltung beſtehender uſueller admini- ſtrativer Beſtimmungen. Ich erbitte nochmals in dringender Form die ſchleunigſte Erledigung und Stattgebung dieſer Eingabe. Vinzenz Malik, Reichsratsabgeordneter. Wien, am 7. Auguſt 1908. Beratung über die Hilfsaktion. Wie die „Gr. Tgpſt.“ meldet, fand Samstag im Statthalterei-Sitzungsſaale eine Konferenz ſtatt, in der man die Modalitäten der Bekämpfung der im Lande durch die Dürre hervorgerufenen Futternot in vierſtündiger Beratung eingehend er- örterte. Den Vorſitz führte Statthalter Graf Clary und Aldringen. Außer ihm nahmen an der Konferenz teil: Landeshauptmann Edmund Graf Attems, Präſident der Landwirtſchaftsgeſell- ſchaft, die Landesausſchüſſe Franz Graf Attems und Robic, Hofrat Freiherr v. Hammer-Purgſtall als Referent, die Landtagsabgeordneten Stocker aus Übersbach und Klammer aus Ebensfeld als Mit- „Hatte Ihr Bruder einen ſolchen kleinen Fuß?“ „Ja, einen außergewöhnlich kleinen Fuß ſogar. Eine Frage aber, Herr Senden, können Sie mir jetzt gewiß ſchon beantworten, nicht wahr, auch Sie ſind der Überzeugung, daß der Verdacht, der auf meinem Bruder laſtet, durchaus ungerechtfertigt iſt?“ „So weit ich in dieſer Sache blicke, iſt die Annahme, daß Ihr Bruder den Mord begangen haben könnte, gewiß falſch; wir Leute vom Fach nennen dieſe Sorte von Verdacht einen markierten Verdacht. Aber er iſt gut konſtruiert, er iſt das ſchließliche Ergebnis einer ganzen Reihe von ſcharf- ſinnig und ſchlagfertig erſonnenen Momenten. Unſere Aufgabe iſt es, den künſtlich verſchlungenen Knoten mühſam zu löſen, hätten wir nur erſt das Ende des Fadens! Ich komme ſo im Taſten nach dieſem Fadenende wieder auf meine Fragen zurück. Haben Sie mit Ihrem Bruder die Art und Weiſe erörtert, natürlich brieflich, wie Sie ihm aus ſeiner Notlage zu helfen verſuchen werden?“ „Nein. Er ſchrieb mir, daß er mich am 20. oder 21. ſprechen müſſe, unter allen Umſtänden. Daraufhin gab ich ihm an, wann und wo ich ihn treffen würde“. „Hatte jemand außer Ihnen Beiden Kenntnis von dieſer geplanten Zuſammenkunft?“ „Das halte ich für unmöglich“. „Sie ſind auch gewiß, daß Ihr Bruder von niemandem geſehen worden iſt, d. h. von jemandem, der ihn perſönlich kannte?“ „Mein Bruder ſagte ſelbſt, daß nur eine alte Frau ihm auf dem Wege zum Park begegnet ſei, nach ſeiner Beſchreibung war es unſere Butterfrau“. „Er iſt doch wohl nicht als einziger Paſſagier aus dem Zuge geſtiegen?“ „Ja, außer ihm war noch ein anderer Herr, den er nicht kannte und den er auch bald aus den Augen verlor, da derſelbe auf dem Bahnhof zurückblieb“. Der Agent, der während dieſes Zwiegeſprächs ſein Taſchenbuch zur Hand genommen hatte, ſchrieb einige Worte und fuhr dann fort: „Und Sie ſelbſt haben auf Ihrem Gange nach der Einſiedelei niemanden geſehen?“ „Niemanden, der Park und der Wald war, ſo viel ich bemerkt habe, abſolut menſchenleer“. Der Agent ſchien immer noch nicht befriedigt. Er blickte vor ſich hin und ſeine Finger drehten ungeduldig die feine Bleifeder hin und her. — „Selbſtverſtändlich kann nach Ihren Wahr- nehmungen auch ein Belauſchen Ihres Geſprächs unmöglich geweſen ſein?“ „Ja, wenigſtens wüßte ich nicht, wie das zu- gegangen ſein ſollte“. Der Detektiv lehnte ſich jetzt in den Seſſel zurück, es ſprach niemand, man ſah, daß der Agent nachſann. Nach einer Weile nickte er ſeiner Tochter zu: „Du willſt etwas fragen, Ruth?“ „Ja“, ſagte das Mädchen. „Gnädige Frau, wiſſen Sie darüber Beſcheid, ob dieſes Gartenhaus, das Sie als Rendezvous gewählt hatten, verſchloſſen zu werden pflegte oder ob es ſtets Tag und Nacht geöffnet war?“ „Ich habe die Einſiedelei niemals verſchloſſeu gefunden“. „Befinden ſich mehrere Räume darin?“ „Ja, außer dem Hauptraum eine Art Kammer, in welcher ſich Gartengeräte und Ähnliches befinden. Sie erinnern mich mit Ihrer Frage übrigens an einen kleinen Vorgang, der während unſerer Unter- redung ſtattfand. Wir wurden durch ein leiſes Geräuſch in der Nebenkammer erſchreckt, wir forſchten nach, haben aber trotz genauer Beſichtigung keine Spur der Anweſenheit eines Menſchen wahr- genommen. Eine Maus war das einzige Geſchöpf, das wir erblickten“. Der Detektiv hatte ſich geſpannt aufgerichtet, mit einem befriedigenden Lächeln um die ſchmalen Lippen bemerkte er: „Das Suchen iſt eine Kunſt, meine Gnädige, die gelernt ſein will. Ich habe nur noch wenige Fragen. Haben Sie eine Vermutung, wohin Ihr entflohener Bruder ſich gewandt haben könnte?“ Frau Mertens zögerte mit der Antwort. Auf einen ermutigenden Blick des Rechtsanwalts aber erwiderte ſie dann: „Er ſprach von Hamburg als ſeinem nächſten Ziele. „Sie ſcheinen von dieſer Ihrer Kenntnis noch niemandem eine Mitteilung gemacht zu haben?“ „Nein“. (Fortſetzung folgt.)

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Zitationshilfe: Marburger Zeitung. Nr. 96, Marburg, 11.08.1908, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_marburger96_1908/2>, abgerufen am 23.11.2024.