Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 6. Stuttgart/Tübingen, 10. Februar 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

[Beginn Spaltensatz] er in den Genüssen derselben Befriedigung gefunden
hätte, sondern nur um mit dem Aufwand zu prunken,
wie kein anderer seiner Zeitgenossen ihn machen konnte.
Einst hatte er, da er allein gegessen, die Mannigfaltig-
keit und Kostbarkeit der Gerichte vermißt und den die
Aufsicht führenden Diener zu Rede gesezt. Als dieser zu
seiner Entschuldigung bemerklich machte, daß sein Herr keine
Gäste bei sich gesehen habe, antwortete er: "Was sagst
du? wußtest du nicht, daß heute Lucullus bei Lucullus
speiste?" Der Vorgang wurde nächst ähnlichen bald
Stadtgespräch und gab zu einem neuen Beweis von der
Verschwendung des Lucullus Veranlassung. Cicero, in
dessen Seele wohl die Neugierde den Wunsch rege ge-
macht hatte, Zeuge einer solchen Pracht zu seyn, führte
die Gelegenheit herbei.

Bekanntlich war es Sitte der Römer, viele Ge-
schäfte während der Vormittagszeit auf dem Markte
abzumachen, welcher deßhalb zum Versammlungsorte
aller diente, die sich irgendwie sehen und sprechen woll-
ten. Kurz nach dem eben erwähnten Zwiegespräch des
Lucullus mit seinem Diener waren die beiden Männer,
auf welche damals Rom am meisten stolz seyn konnte,
Cicero, der große Redner, und Pompejus, der Ueber-
winder der halben Welt, auf dem Forum einander be-
gegnet und in einer Unterhaltung begriffen, als Lucullus
zu ihnen trat. Dieser war mit Cicero eng befreundet,
in dem Verhältniß zu Pompejus war eine gewisse
Spannung, welche die politische Stellung beider Män-
ner zu einander veranlaßt hatte, eingetreten. Auch mochte
Pompejus im Herzen die Verschwendung und Prunk-
sucht des Lucullus mißbilligen und hatte seine Unzufrie-
denheit kurz vorher offen ausgesprochen. Als ihm der
Arzt nach einer längeren Krankheit den Genuß von
Krametsvögeln empfohlen hatte, diese aber, trotz vieler
Bemühung, der Jahreszeit wegen nicht zu beschaffen
waren, kam endlich ein Diener mit der freudigen Bot-
schaft, im Besitz des Lucullus seyen Krametsvögel und
man wolle diesen bitten, solche zu Gunsten des Herrn
abzulassen. Unwillig wies Pompejus diesen Antrag zu-
rück mit den Worten, er wolle seine Genesung nicht der
Schwelgerei des Lucullus verdanken, und verlangte an
der Stelle der angerathenen Speise ein Surrogat, wel-
ches leichter zu erlangen war. -- Trotz der vorhandenen
Mißstimmung, konnte man eine Spur davon im äußern
Benehmen dieser Männer nicht wahrnehmen, wie es
sich bei der feinen Bildung in der damaligen Weltstadt nicht
anders erwarten läßt. Nach gegenseitiger Begrüßung
fing Cicero eine Unterhaltung an, auf welche Lucullus
bereitwillig einging. Jm Verfolg derselben sagte der in
heitere Laune versetzte Redner: "Wir wollen uns heute
bei dir zu Tische einladen, aber ganz wie wir dich fin-
[Spaltenumbruch] den." Lucullus wollte die letzte Bedingung nicht ein-
gehen und bat die erwünschten Gäste, um sie würdig
zu empfangen, sich den folgenden Tag einzufinden.
Diese aber beharrten auf ihrem Vorschlag und gestatte-
ten dem in Verlegenheit Gerathenen nicht einmal seiner
Dienerschaft die zu Herstellung eines anständigen Mahles
nöthigen Aufträge zu ertheilen. Nur so viel räumten
sie ihm ein, daß er den ihn eben begleitenden Diener
mit den Worten nach Hause abfertigte, daß er heute
im Apollo -- dieß war der Name eines seiner Speise-
zimmer -- essen wolle. Aber mit dieser scheinbar un-
schuldigen Aeußerung hinterging er seine Freunde. Er
hatte für jedes seiner Speisezimmer -- und ihre Anzahl
war nicht klein -- eine bestimmte Summe für den je-
desmaligen Aufwand in Küche und Keller festgesezt;
auch die ganze übrige Einrichtung für Tafelgeräthe und
Bedienung war hiernach bemessen. So kannten die
Diener den Willen ihres Herrn und ließen es an nichts
fehlen, ihn in Ausführung zu bringen, Cicero und
Pompejus nahmen nach wenigen Stunden ein Diner
ein, welches nach unserem Gelde berechnet etwas über
8000 Thaler kostete.

Mit Recht staunt man über die Größe dieser Summe,
welche auf eine Tafel verwendet wurde, an der nur
wenige Personen Antheil nahmen und für welche das
Arrangement nur einige Stunden vorher getroffen wor-
den war; und dieses Erstaunen muß sich vergrößern,
wenn man den Werth, welchen damals das Geld hatte,
in Vergleichung bringt mit dem jetzigen Werth desselben,
und welcher sich nach mäßiger Schätzung wie Eins zu
Zehn verhält.

Nächstdem wird man auch darüber in Verwunde-
rung gerathen, wie es überhaupt möglich war, für ein
so improvisirtes Diner eine so unverhältnißmäßig große
Summe auszugeben. Dieß nachzuweisen oder anzugeben,
was zu einem anständigen Diner in jener Zeit erfor-
derlich war, wollen wir im Folgenden versuchen.

Es sey mir vergönnt, im Jnteresse derjenigen Leser,
welche mit der Alterthumswissenschaft minder vertraut
sind, einige Bemerkungen über die Literatur des Gegen-
standes voraus zu schicken. -- Außer mannigfachen Notizen
über vorzügliche Gerichte, beliebte Speisen und gelun-
gene Diners, die in den alten Schriftstellern zerstreut
sind, hat uns ein glücklicher Zufall aus dem großen
Schiffbruch, den die alte Literatur erlitten hat, ein rö-
misches Kochbuch erhalten, welches, auch in der Form
von den Kochbüchern unserer Zeit nicht sehr verschie-
den, in zehn Büchern oder Abtheilungen die genaue-
sten Recepte aufstellt, deren pünktliche Befolgung bei
geschickter Anwendung dem Kochkünstler im alten Rom
den schönsten Lohn, den Beifall der Feinschmecker zusicherte.
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] er in den Genüssen derselben Befriedigung gefunden
hätte, sondern nur um mit dem Aufwand zu prunken,
wie kein anderer seiner Zeitgenossen ihn machen konnte.
Einst hatte er, da er allein gegessen, die Mannigfaltig-
keit und Kostbarkeit der Gerichte vermißt und den die
Aufsicht führenden Diener zu Rede gesezt. Als dieser zu
seiner Entschuldigung bemerklich machte, daß sein Herr keine
Gäste bei sich gesehen habe, antwortete er: „Was sagst
du? wußtest du nicht, daß heute Lucullus bei Lucullus
speiste?“ Der Vorgang wurde nächst ähnlichen bald
Stadtgespräch und gab zu einem neuen Beweis von der
Verschwendung des Lucullus Veranlassung. Cicero, in
dessen Seele wohl die Neugierde den Wunsch rege ge-
macht hatte, Zeuge einer solchen Pracht zu seyn, führte
die Gelegenheit herbei.

Bekanntlich war es Sitte der Römer, viele Ge-
schäfte während der Vormittagszeit auf dem Markte
abzumachen, welcher deßhalb zum Versammlungsorte
aller diente, die sich irgendwie sehen und sprechen woll-
ten. Kurz nach dem eben erwähnten Zwiegespräch des
Lucullus mit seinem Diener waren die beiden Männer,
auf welche damals Rom am meisten stolz seyn konnte,
Cicero, der große Redner, und Pompejus, der Ueber-
winder der halben Welt, auf dem Forum einander be-
gegnet und in einer Unterhaltung begriffen, als Lucullus
zu ihnen trat. Dieser war mit Cicero eng befreundet,
in dem Verhältniß zu Pompejus war eine gewisse
Spannung, welche die politische Stellung beider Män-
ner zu einander veranlaßt hatte, eingetreten. Auch mochte
Pompejus im Herzen die Verschwendung und Prunk-
sucht des Lucullus mißbilligen und hatte seine Unzufrie-
denheit kurz vorher offen ausgesprochen. Als ihm der
Arzt nach einer längeren Krankheit den Genuß von
Krametsvögeln empfohlen hatte, diese aber, trotz vieler
Bemühung, der Jahreszeit wegen nicht zu beschaffen
waren, kam endlich ein Diener mit der freudigen Bot-
schaft, im Besitz des Lucullus seyen Krametsvögel und
man wolle diesen bitten, solche zu Gunsten des Herrn
abzulassen. Unwillig wies Pompejus diesen Antrag zu-
rück mit den Worten, er wolle seine Genesung nicht der
Schwelgerei des Lucullus verdanken, und verlangte an
der Stelle der angerathenen Speise ein Surrogat, wel-
ches leichter zu erlangen war. — Trotz der vorhandenen
Mißstimmung, konnte man eine Spur davon im äußern
Benehmen dieser Männer nicht wahrnehmen, wie es
sich bei der feinen Bildung in der damaligen Weltstadt nicht
anders erwarten läßt. Nach gegenseitiger Begrüßung
fing Cicero eine Unterhaltung an, auf welche Lucullus
bereitwillig einging. Jm Verfolg derselben sagte der in
heitere Laune versetzte Redner: „Wir wollen uns heute
bei dir zu Tische einladen, aber ganz wie wir dich fin-
[Spaltenumbruch] den.“ Lucullus wollte die letzte Bedingung nicht ein-
gehen und bat die erwünschten Gäste, um sie würdig
zu empfangen, sich den folgenden Tag einzufinden.
Diese aber beharrten auf ihrem Vorschlag und gestatte-
ten dem in Verlegenheit Gerathenen nicht einmal seiner
Dienerschaft die zu Herstellung eines anständigen Mahles
nöthigen Aufträge zu ertheilen. Nur so viel räumten
sie ihm ein, daß er den ihn eben begleitenden Diener
mit den Worten nach Hause abfertigte, daß er heute
im Apollo — dieß war der Name eines seiner Speise-
zimmer — essen wolle. Aber mit dieser scheinbar un-
schuldigen Aeußerung hinterging er seine Freunde. Er
hatte für jedes seiner Speisezimmer — und ihre Anzahl
war nicht klein — eine bestimmte Summe für den je-
desmaligen Aufwand in Küche und Keller festgesezt;
auch die ganze übrige Einrichtung für Tafelgeräthe und
Bedienung war hiernach bemessen. So kannten die
Diener den Willen ihres Herrn und ließen es an nichts
fehlen, ihn in Ausführung zu bringen, Cicero und
Pompejus nahmen nach wenigen Stunden ein Diner
ein, welches nach unserem Gelde berechnet etwas über
8000 Thaler kostete.

Mit Recht staunt man über die Größe dieser Summe,
welche auf eine Tafel verwendet wurde, an der nur
wenige Personen Antheil nahmen und für welche das
Arrangement nur einige Stunden vorher getroffen wor-
den war; und dieses Erstaunen muß sich vergrößern,
wenn man den Werth, welchen damals das Geld hatte,
in Vergleichung bringt mit dem jetzigen Werth desselben,
und welcher sich nach mäßiger Schätzung wie Eins zu
Zehn verhält.

Nächstdem wird man auch darüber in Verwunde-
rung gerathen, wie es überhaupt möglich war, für ein
so improvisirtes Diner eine so unverhältnißmäßig große
Summe auszugeben. Dieß nachzuweisen oder anzugeben,
was zu einem anständigen Diner in jener Zeit erfor-
derlich war, wollen wir im Folgenden versuchen.

Es sey mir vergönnt, im Jnteresse derjenigen Leser,
welche mit der Alterthumswissenschaft minder vertraut
sind, einige Bemerkungen über die Literatur des Gegen-
standes voraus zu schicken. — Außer mannigfachen Notizen
über vorzügliche Gerichte, beliebte Speisen und gelun-
gene Diners, die in den alten Schriftstellern zerstreut
sind, hat uns ein glücklicher Zufall aus dem großen
Schiffbruch, den die alte Literatur erlitten hat, ein rö-
misches Kochbuch erhalten, welches, auch in der Form
von den Kochbüchern unserer Zeit nicht sehr verschie-
den, in zehn Büchern oder Abtheilungen die genaue-
sten Recepte aufstellt, deren pünktliche Befolgung bei
geschickter Anwendung dem Kochkünstler im alten Rom
den schönsten Lohn, den Beifall der Feinschmecker zusicherte.
[Ende Spaltensatz]

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <p><pb facs="#f0002" n="122"/><fw type="pageNum" place="top">122</fw><cb type="start"/>
er in den Genüssen derselben Befriedigung gefunden<lb/>
hätte, sondern nur um mit dem Aufwand zu prunken,<lb/>
wie kein anderer seiner Zeitgenossen ihn machen konnte.<lb/>
Einst hatte er, da er allein gegessen, die Mannigfaltig-<lb/>
keit und Kostbarkeit der Gerichte vermißt und den die<lb/>
Aufsicht führenden Diener zu Rede gesezt. Als dieser zu<lb/>
seiner Entschuldigung bemerklich machte, daß sein Herr keine<lb/>
Gäste bei sich gesehen habe, antwortete er: &#x201E;Was sagst<lb/>
du? wußtest du nicht, daß heute Lucullus bei Lucullus<lb/>
speiste?&#x201C; Der Vorgang wurde nächst ähnlichen bald<lb/>
Stadtgespräch und gab zu einem neuen Beweis von der<lb/>
Verschwendung des Lucullus Veranlassung. Cicero, in<lb/>
dessen Seele wohl die Neugierde den Wunsch rege ge-<lb/>
macht hatte, Zeuge einer solchen Pracht zu seyn, führte<lb/>
die Gelegenheit herbei.</p><lb/>
        <p>Bekanntlich war es Sitte der Römer, viele Ge-<lb/>
schäfte während der Vormittagszeit auf dem Markte<lb/>
abzumachen, welcher deßhalb zum Versammlungsorte<lb/>
aller diente, die sich irgendwie sehen und sprechen woll-<lb/>
ten. Kurz nach dem eben erwähnten Zwiegespräch des<lb/>
Lucullus mit seinem Diener waren die beiden Männer,<lb/>
auf welche damals Rom am meisten stolz seyn konnte,<lb/>
Cicero, der große Redner, und Pompejus, der Ueber-<lb/>
winder der halben Welt, auf dem Forum einander be-<lb/>
gegnet und in einer Unterhaltung begriffen, als Lucullus<lb/>
zu ihnen trat. Dieser war mit Cicero eng befreundet,<lb/>
in dem Verhältniß zu Pompejus war eine gewisse<lb/>
Spannung, welche die politische Stellung beider Män-<lb/>
ner zu einander veranlaßt hatte, eingetreten. Auch mochte<lb/>
Pompejus im Herzen die Verschwendung und Prunk-<lb/>
sucht des Lucullus mißbilligen und hatte seine Unzufrie-<lb/>
denheit kurz vorher offen ausgesprochen. Als ihm der<lb/>
Arzt nach einer längeren Krankheit den Genuß von<lb/>
Krametsvögeln empfohlen hatte, diese aber, trotz vieler<lb/>
Bemühung, der Jahreszeit wegen nicht zu beschaffen<lb/>
waren, kam endlich ein Diener mit der freudigen Bot-<lb/>
schaft, im Besitz des Lucullus seyen Krametsvögel und<lb/>
man wolle diesen bitten, solche zu Gunsten des Herrn<lb/>
abzulassen. Unwillig wies Pompejus diesen Antrag zu-<lb/>
rück mit den Worten, er wolle seine Genesung nicht der<lb/>
Schwelgerei des Lucullus verdanken, und verlangte an<lb/>
der Stelle der angerathenen Speise ein Surrogat, wel-<lb/>
ches leichter zu erlangen war. &#x2014; Trotz der vorhandenen<lb/>
Mißstimmung, konnte man eine Spur davon im äußern<lb/>
Benehmen dieser Männer nicht wahrnehmen, wie es<lb/>
sich bei der feinen Bildung in der damaligen Weltstadt nicht<lb/>
anders erwarten läßt. Nach gegenseitiger Begrüßung<lb/>
fing Cicero eine Unterhaltung an, auf welche Lucullus<lb/>
bereitwillig einging. Jm Verfolg derselben sagte der in<lb/>
heitere Laune versetzte Redner: &#x201E;Wir wollen uns heute<lb/>
bei dir zu Tische einladen, aber ganz wie wir dich fin-<lb/><cb n="2"/>
den.&#x201C; Lucullus wollte die letzte Bedingung nicht ein-<lb/>
gehen und bat die erwünschten Gäste, um sie würdig<lb/>
zu empfangen, sich den folgenden Tag einzufinden.<lb/>
Diese aber beharrten auf ihrem Vorschlag und gestatte-<lb/>
ten dem in Verlegenheit Gerathenen nicht einmal seiner<lb/>
Dienerschaft die zu Herstellung eines anständigen Mahles<lb/>
nöthigen Aufträge zu ertheilen. Nur so viel räumten<lb/>
sie ihm ein, daß er den ihn eben begleitenden Diener<lb/>
mit den Worten nach Hause abfertigte, daß er heute<lb/>
im Apollo &#x2014; dieß war der Name eines seiner Speise-<lb/>
zimmer &#x2014; essen wolle. Aber mit dieser scheinbar un-<lb/>
schuldigen Aeußerung hinterging er seine Freunde. Er<lb/>
hatte für jedes seiner Speisezimmer &#x2014; und ihre Anzahl<lb/>
war nicht klein &#x2014; eine bestimmte Summe für den je-<lb/>
desmaligen Aufwand in Küche und Keller festgesezt;<lb/>
auch die ganze übrige Einrichtung für Tafelgeräthe und<lb/>
Bedienung war hiernach bemessen. So kannten die<lb/>
Diener den Willen ihres Herrn und ließen es an nichts<lb/>
fehlen, ihn in Ausführung zu bringen, Cicero und<lb/>
Pompejus nahmen nach wenigen Stunden ein Diner<lb/>
ein, welches nach unserem Gelde berechnet etwas über<lb/>
8000 Thaler kostete.</p><lb/>
        <p>Mit Recht staunt man über die Größe dieser Summe,<lb/>
welche auf eine Tafel verwendet wurde, an der nur<lb/>
wenige Personen Antheil nahmen und für welche das<lb/>
Arrangement nur einige Stunden vorher getroffen wor-<lb/>
den war; und dieses Erstaunen muß sich vergrößern,<lb/>
wenn man den Werth, welchen damals das Geld hatte,<lb/>
in Vergleichung bringt mit dem jetzigen Werth desselben,<lb/>
und welcher sich nach mäßiger Schätzung wie Eins zu<lb/>
Zehn verhält.</p><lb/>
        <p>Nächstdem wird man auch darüber in Verwunde-<lb/>
rung gerathen, wie es überhaupt möglich war, für ein<lb/>
so improvisirtes Diner eine so unverhältnißmäßig große<lb/>
Summe auszugeben. Dieß nachzuweisen oder anzugeben,<lb/>
was zu einem anständigen Diner in jener Zeit erfor-<lb/>
derlich war, wollen wir im Folgenden versuchen.</p><lb/>
        <p>Es sey mir vergönnt, im Jnteresse derjenigen Leser,<lb/>
welche mit der Alterthumswissenschaft minder vertraut<lb/>
sind, einige Bemerkungen über die Literatur des Gegen-<lb/>
standes voraus zu schicken. &#x2014; Außer mannigfachen Notizen<lb/>
über vorzügliche Gerichte, beliebte Speisen und gelun-<lb/>
gene Diners, die in den alten Schriftstellern zerstreut<lb/>
sind, hat uns ein glücklicher Zufall aus dem großen<lb/>
Schiffbruch, den die alte Literatur erlitten hat, ein rö-<lb/>
misches Kochbuch erhalten, welches, auch in der Form<lb/>
von den Kochbüchern unserer Zeit nicht sehr verschie-<lb/>
den, in zehn Büchern oder Abtheilungen die genaue-<lb/>
sten Recepte aufstellt, deren pünktliche Befolgung bei<lb/>
geschickter Anwendung dem Kochkünstler im alten Rom<lb/>
den schönsten Lohn, den Beifall der Feinschmecker zusicherte.<lb/><cb type="end"/>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0002] 122 er in den Genüssen derselben Befriedigung gefunden hätte, sondern nur um mit dem Aufwand zu prunken, wie kein anderer seiner Zeitgenossen ihn machen konnte. Einst hatte er, da er allein gegessen, die Mannigfaltig- keit und Kostbarkeit der Gerichte vermißt und den die Aufsicht führenden Diener zu Rede gesezt. Als dieser zu seiner Entschuldigung bemerklich machte, daß sein Herr keine Gäste bei sich gesehen habe, antwortete er: „Was sagst du? wußtest du nicht, daß heute Lucullus bei Lucullus speiste?“ Der Vorgang wurde nächst ähnlichen bald Stadtgespräch und gab zu einem neuen Beweis von der Verschwendung des Lucullus Veranlassung. Cicero, in dessen Seele wohl die Neugierde den Wunsch rege ge- macht hatte, Zeuge einer solchen Pracht zu seyn, führte die Gelegenheit herbei. Bekanntlich war es Sitte der Römer, viele Ge- schäfte während der Vormittagszeit auf dem Markte abzumachen, welcher deßhalb zum Versammlungsorte aller diente, die sich irgendwie sehen und sprechen woll- ten. Kurz nach dem eben erwähnten Zwiegespräch des Lucullus mit seinem Diener waren die beiden Männer, auf welche damals Rom am meisten stolz seyn konnte, Cicero, der große Redner, und Pompejus, der Ueber- winder der halben Welt, auf dem Forum einander be- gegnet und in einer Unterhaltung begriffen, als Lucullus zu ihnen trat. Dieser war mit Cicero eng befreundet, in dem Verhältniß zu Pompejus war eine gewisse Spannung, welche die politische Stellung beider Män- ner zu einander veranlaßt hatte, eingetreten. Auch mochte Pompejus im Herzen die Verschwendung und Prunk- sucht des Lucullus mißbilligen und hatte seine Unzufrie- denheit kurz vorher offen ausgesprochen. Als ihm der Arzt nach einer längeren Krankheit den Genuß von Krametsvögeln empfohlen hatte, diese aber, trotz vieler Bemühung, der Jahreszeit wegen nicht zu beschaffen waren, kam endlich ein Diener mit der freudigen Bot- schaft, im Besitz des Lucullus seyen Krametsvögel und man wolle diesen bitten, solche zu Gunsten des Herrn abzulassen. Unwillig wies Pompejus diesen Antrag zu- rück mit den Worten, er wolle seine Genesung nicht der Schwelgerei des Lucullus verdanken, und verlangte an der Stelle der angerathenen Speise ein Surrogat, wel- ches leichter zu erlangen war. — Trotz der vorhandenen Mißstimmung, konnte man eine Spur davon im äußern Benehmen dieser Männer nicht wahrnehmen, wie es sich bei der feinen Bildung in der damaligen Weltstadt nicht anders erwarten läßt. Nach gegenseitiger Begrüßung fing Cicero eine Unterhaltung an, auf welche Lucullus bereitwillig einging. Jm Verfolg derselben sagte der in heitere Laune versetzte Redner: „Wir wollen uns heute bei dir zu Tische einladen, aber ganz wie wir dich fin- den.“ Lucullus wollte die letzte Bedingung nicht ein- gehen und bat die erwünschten Gäste, um sie würdig zu empfangen, sich den folgenden Tag einzufinden. Diese aber beharrten auf ihrem Vorschlag und gestatte- ten dem in Verlegenheit Gerathenen nicht einmal seiner Dienerschaft die zu Herstellung eines anständigen Mahles nöthigen Aufträge zu ertheilen. Nur so viel räumten sie ihm ein, daß er den ihn eben begleitenden Diener mit den Worten nach Hause abfertigte, daß er heute im Apollo — dieß war der Name eines seiner Speise- zimmer — essen wolle. Aber mit dieser scheinbar un- schuldigen Aeußerung hinterging er seine Freunde. Er hatte für jedes seiner Speisezimmer — und ihre Anzahl war nicht klein — eine bestimmte Summe für den je- desmaligen Aufwand in Küche und Keller festgesezt; auch die ganze übrige Einrichtung für Tafelgeräthe und Bedienung war hiernach bemessen. So kannten die Diener den Willen ihres Herrn und ließen es an nichts fehlen, ihn in Ausführung zu bringen, Cicero und Pompejus nahmen nach wenigen Stunden ein Diner ein, welches nach unserem Gelde berechnet etwas über 8000 Thaler kostete. Mit Recht staunt man über die Größe dieser Summe, welche auf eine Tafel verwendet wurde, an der nur wenige Personen Antheil nahmen und für welche das Arrangement nur einige Stunden vorher getroffen wor- den war; und dieses Erstaunen muß sich vergrößern, wenn man den Werth, welchen damals das Geld hatte, in Vergleichung bringt mit dem jetzigen Werth desselben, und welcher sich nach mäßiger Schätzung wie Eins zu Zehn verhält. Nächstdem wird man auch darüber in Verwunde- rung gerathen, wie es überhaupt möglich war, für ein so improvisirtes Diner eine so unverhältnißmäßig große Summe auszugeben. Dieß nachzuweisen oder anzugeben, was zu einem anständigen Diner in jener Zeit erfor- derlich war, wollen wir im Folgenden versuchen. Es sey mir vergönnt, im Jnteresse derjenigen Leser, welche mit der Alterthumswissenschaft minder vertraut sind, einige Bemerkungen über die Literatur des Gegen- standes voraus zu schicken. — Außer mannigfachen Notizen über vorzügliche Gerichte, beliebte Speisen und gelun- gene Diners, die in den alten Schriftstellern zerstreut sind, hat uns ein glücklicher Zufall aus dem großen Schiffbruch, den die alte Literatur erlitten hat, ein rö- misches Kochbuch erhalten, welches, auch in der Form von den Kochbüchern unserer Zeit nicht sehr verschie- den, in zehn Büchern oder Abtheilungen die genaue- sten Recepte aufstellt, deren pünktliche Befolgung bei geschickter Anwendung dem Kochkünstler im alten Rom den schönsten Lohn, den Beifall der Feinschmecker zusicherte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_morgenblatt06_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_morgenblatt06_1856/2
Zitationshilfe: Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 6. Stuttgart/Tübingen, 10. Februar 1856, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_morgenblatt06_1856/2>, abgerufen am 11.06.2024.