Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 31. Stuttgart/Tübingen, 3. August 1856.[Beginn Spaltensatz]
von den in ihrem Wesen liegenden Momenten mehr Unmittelbar mit dem Begriff der Selbstbewegung Jn dieser unmittelbaren, sofort einleuchtenden Erhellt hieraus, daß die Vorstellung des univer- Demgemäß lassen sich also innerhalb der Univer- [Beginn Spaltensatz]
von den in ihrem Wesen liegenden Momenten mehr Unmittelbar mit dem Begriff der Selbstbewegung Jn dieser unmittelbaren, sofort einleuchtenden Erhellt hieraus, daß die Vorstellung des univer- Demgemäß lassen sich also innerhalb der Univer- <TEI> <text> <body> <div type="jArticle" n="1"> <p><pb facs="#f0007" n="727"/><fw type="pageNum" place="top">727</fw><cb type="start"/> von den in ihrem Wesen liegenden Momenten mehr<lb/> das eine oder mehr das andere zur Erscheinung bringt,<lb/> und daß sich aus diesen verschiedenen Formen sämmt-<lb/> liche Unterschiede in den Erscheinungen entwickeln.</p><lb/> <p>Unmittelbar mit dem Begriff der Selbstbewegung<lb/> ist nämlich auch der Begriff eines in ihm enthaltenen<lb/> und in ihm sich ausgleichenden Gegensatzes gegeben;<lb/> denn es läßt sich, wie oben bereits erwähnt, in der<lb/> Selbstbewegung nothwendig ein <hi rendition="#g">bewegendes</hi> und ein<lb/><hi rendition="#g">bewegtes</hi> Moment, ein <hi rendition="#g">Agens</hi> und ein <hi rendition="#g">Actum,</hi><lb/> ein <hi rendition="#g">Subjekt</hi> und ein <hi rendition="#g">Objekt</hi> der Bewegung unter-<lb/> scheiden; wir erkennen also in ihr jenen Gegensatz, den<lb/> man allgemein als den Gegensatz des Activen und Passi-<lb/> ven, des Subjektiven und Objektiven, oder dem ähnlich,<lb/> zu bezeichnen pflegt. Dieser Gegensatz ist der schroffste,<lb/> den es überhaupt innerhalb des Seyns gibt, aber den-<lb/> noch kein absoluter, kein wesentlicher, sondern nur ein<lb/> relativer, formeller; denn innerhalb der Selbstbewegung<lb/> ist das Bewegende zugleich das Bewegte und das Be-<lb/> wegte zugleich das Bewegende. Agens und Actum,<lb/> Subjekt und Objekt sind also innerhalb des Seyns nur<lb/> zwei verschiedene Darstellungsformen, vermöge welcher<lb/> sich das Seyn ebensowohl als dieses, wie als jenes<lb/> manifestirt und doch in beiden Offenbarungsweisen<lb/> dasselbe bleibt, nämlich die in sich sebst reflektirende<lb/> Selbstbewegung.</p><lb/> <p>Jn dieser unmittelbaren, sofort einleuchtenden<lb/> Jdentität zeigen sich aber die gegensätzlichen Momente<lb/> des Seyns nur, sofern das Seyn wirklich in seiner<lb/> Totalität und Universalität gefaßt wird. Zwar machen<lb/> sich auch in der Art und Weise, das <hi rendition="#g">universale</hi><lb/> Seyn zu denken, entschiedene Gegensätze bemerklich, in-<lb/> dem der Jdealismus zunächst und vorzugsweise das<lb/><hi rendition="#g">Subjekt</hi> und <hi rendition="#g">Agens</hi> in der Selbstbewegung auffaßt<lb/> und erst von ihm aus zum Objekt und Actum zu ge-<lb/> langen vermag, der Materialismus dagegen zuerst und<lb/> hauptsächlich dem <hi rendition="#g">Objekt</hi> und <hi rendition="#g">Actum</hi> sich zuwendet<lb/> und das Subjekt und Agens aus diesen abzuleiten<lb/> sucht; aber gerade darin, daß beide das Bedürfniß<lb/> fühlen, das eine als ein bloßes Attribut oder Produkt<lb/> des andern hinzustellen, zeigt sich, daß auch sie nicht<lb/> umhin können, die wesentliche Jdentität beider Factoren<lb/> anzuerkennen, und wenn daher die Jdealisten den Stoff<lb/> aus der Kraft, die Materialisten dagegen die Kraft aus<lb/> dem Stoff zu erklären suchen, so besteht, bei Licht be-<lb/> trachtet, der Unterschied zwischen beiden nur darin, daß<lb/> die ersteren das Seyn oder die Selbstbewegung als <hi rendition="#g">ein<lb/> sich selbst Bewegendes,</hi> die letzteren dagegen als<lb/><hi rendition="#g">ein durch sich selbst Bewegtes</hi> denken, während<lb/> die dem Jdealen und Realen gleich gerecht werdende<lb/> Philosophie die wesentliche Jdentität beider Factoren<lb/><cb n="2"/> erkennt und einsieht, daß beide in der Selbstbewegung<lb/> als dem sie vermittelnden und in sich fassenden Dritten<lb/> mitbegriffen sind, daß also eigentlich nur in der Tripli-<lb/> cität dieser drei Formen des in sich einigen Seyns das<lb/> Seyn in seiner lebendigen Fülle und Harmonie erfaßt<lb/> wird — eine Erkenntniß, die auch dem christlichen<lb/> Dogma von der Dreieinigkeit zum Grunde liegt, indem<lb/> hier das Agens als Gott Vater, das mit dem Agens<lb/> wesentlich identische Actum als Gott Sohn, und die<lb/> lebendige Wechselbeziehung zwischen beiden als heiliger<lb/> Geist empfunden wird.</p><lb/> <p>Erhellt hieraus, daß die Vorstellung des univer-<lb/> salen Seyns, selbst wenn sie eine einseitig idealistische<lb/> oder einseitig materialistische ist, dennoch zuletzt dahin<lb/> führt, die Jdentität des Bewegenden und des Bewegten<lb/> in ihm anerzuerkennen, so wird sich andererseits zeigen,<lb/> daß diese Jdentität nicht so unmittelbar einleuchtet,<lb/> wenn man bloß einzelne Seiten oder Erscheinungen des<lb/> Seyns in's Auge faßt. Denn wenn auch die Jdenti-<lb/> tät beider Factoren das gesammte Seyn, mithin auch<lb/> jeden einzelnen Bestandtheil desselben durchdringt, so<lb/> beruht doch die Sonderung des Seyns in Vieles eben<lb/> darin, daß sich die beiden Pole desselben dergestalt ge-<lb/> genüber stellen, daß der eine zwar nicht lediglich, aber<lb/> doch in entschieden vorherrschendem Grade als <hi rendition="#g">activ,</hi><lb/> der andere dagegen in gleich vorherrschender Weise als<lb/><hi rendition="#g">passiv</hi> sich darstellt, und daß aus den unendlich man-<lb/> nigfaltigen Combinationen und nimmer ruhenden Wech-<lb/> selbeziehungen, welche zwischen diesen beiden wie zwei<lb/> entgegengesetzte Größen, wie Plus und Minus sich zu<lb/> einander verhaltenden Ertremen stattfinden können, alle<lb/> übrigen Differenzirungen und Modifikationen des Seyns<lb/> in der Welt hervorgehen.</p><lb/> <p>Demgemäß lassen sich also innerhalb der Univer-<lb/> salität des Seyns, welche wir Welt nennen, zunächst<lb/> zwei Hauptgebiete des Seyns, nämlich einerseits ein<lb/><hi rendition="#g">vorherrschend actives, subjektives, bewegen-<lb/> des,</hi> andererseits ein <hi rendition="#g">überwiegend passives, ob-<lb/> jektives, bewegtes</hi> Seyn unterscheiden. 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von den in ihrem Wesen liegenden Momenten mehr
das eine oder mehr das andere zur Erscheinung bringt,
und daß sich aus diesen verschiedenen Formen sämmt-
liche Unterschiede in den Erscheinungen entwickeln.
Unmittelbar mit dem Begriff der Selbstbewegung
ist nämlich auch der Begriff eines in ihm enthaltenen
und in ihm sich ausgleichenden Gegensatzes gegeben;
denn es läßt sich, wie oben bereits erwähnt, in der
Selbstbewegung nothwendig ein bewegendes und ein
bewegtes Moment, ein Agens und ein Actum,
ein Subjekt und ein Objekt der Bewegung unter-
scheiden; wir erkennen also in ihr jenen Gegensatz, den
man allgemein als den Gegensatz des Activen und Passi-
ven, des Subjektiven und Objektiven, oder dem ähnlich,
zu bezeichnen pflegt. Dieser Gegensatz ist der schroffste,
den es überhaupt innerhalb des Seyns gibt, aber den-
noch kein absoluter, kein wesentlicher, sondern nur ein
relativer, formeller; denn innerhalb der Selbstbewegung
ist das Bewegende zugleich das Bewegte und das Be-
wegte zugleich das Bewegende. Agens und Actum,
Subjekt und Objekt sind also innerhalb des Seyns nur
zwei verschiedene Darstellungsformen, vermöge welcher
sich das Seyn ebensowohl als dieses, wie als jenes
manifestirt und doch in beiden Offenbarungsweisen
dasselbe bleibt, nämlich die in sich sebst reflektirende
Selbstbewegung.
Jn dieser unmittelbaren, sofort einleuchtenden
Jdentität zeigen sich aber die gegensätzlichen Momente
des Seyns nur, sofern das Seyn wirklich in seiner
Totalität und Universalität gefaßt wird. Zwar machen
sich auch in der Art und Weise, das universale
Seyn zu denken, entschiedene Gegensätze bemerklich, in-
dem der Jdealismus zunächst und vorzugsweise das
Subjekt und Agens in der Selbstbewegung auffaßt
und erst von ihm aus zum Objekt und Actum zu ge-
langen vermag, der Materialismus dagegen zuerst und
hauptsächlich dem Objekt und Actum sich zuwendet
und das Subjekt und Agens aus diesen abzuleiten
sucht; aber gerade darin, daß beide das Bedürfniß
fühlen, das eine als ein bloßes Attribut oder Produkt
des andern hinzustellen, zeigt sich, daß auch sie nicht
umhin können, die wesentliche Jdentität beider Factoren
anzuerkennen, und wenn daher die Jdealisten den Stoff
aus der Kraft, die Materialisten dagegen die Kraft aus
dem Stoff zu erklären suchen, so besteht, bei Licht be-
trachtet, der Unterschied zwischen beiden nur darin, daß
die ersteren das Seyn oder die Selbstbewegung als ein
sich selbst Bewegendes, die letzteren dagegen als
ein durch sich selbst Bewegtes denken, während
die dem Jdealen und Realen gleich gerecht werdende
Philosophie die wesentliche Jdentität beider Factoren
erkennt und einsieht, daß beide in der Selbstbewegung
als dem sie vermittelnden und in sich fassenden Dritten
mitbegriffen sind, daß also eigentlich nur in der Tripli-
cität dieser drei Formen des in sich einigen Seyns das
Seyn in seiner lebendigen Fülle und Harmonie erfaßt
wird — eine Erkenntniß, die auch dem christlichen
Dogma von der Dreieinigkeit zum Grunde liegt, indem
hier das Agens als Gott Vater, das mit dem Agens
wesentlich identische Actum als Gott Sohn, und die
lebendige Wechselbeziehung zwischen beiden als heiliger
Geist empfunden wird.
Erhellt hieraus, daß die Vorstellung des univer-
salen Seyns, selbst wenn sie eine einseitig idealistische
oder einseitig materialistische ist, dennoch zuletzt dahin
führt, die Jdentität des Bewegenden und des Bewegten
in ihm anerzuerkennen, so wird sich andererseits zeigen,
daß diese Jdentität nicht so unmittelbar einleuchtet,
wenn man bloß einzelne Seiten oder Erscheinungen des
Seyns in's Auge faßt. Denn wenn auch die Jdenti-
tät beider Factoren das gesammte Seyn, mithin auch
jeden einzelnen Bestandtheil desselben durchdringt, so
beruht doch die Sonderung des Seyns in Vieles eben
darin, daß sich die beiden Pole desselben dergestalt ge-
genüber stellen, daß der eine zwar nicht lediglich, aber
doch in entschieden vorherrschendem Grade als activ,
der andere dagegen in gleich vorherrschender Weise als
passiv sich darstellt, und daß aus den unendlich man-
nigfaltigen Combinationen und nimmer ruhenden Wech-
selbeziehungen, welche zwischen diesen beiden wie zwei
entgegengesetzte Größen, wie Plus und Minus sich zu
einander verhaltenden Ertremen stattfinden können, alle
übrigen Differenzirungen und Modifikationen des Seyns
in der Welt hervorgehen.
Demgemäß lassen sich also innerhalb der Univer-
salität des Seyns, welche wir Welt nennen, zunächst
zwei Hauptgebiete des Seyns, nämlich einerseits ein
vorherrschend actives, subjektives, bewegen-
des, andererseits ein überwiegend passives, ob-
jektives, bewegtes Seyn unterscheiden. Alles, was
dem ersten dieser beiden Gebiete angehört, bezeichnen
wir als geistiges, immaterielles Seyn, dagegen
alles, was in das zweite dieser Gebiete fällt, nennen
wir physisches, materielles Seyn. Gebrauchen
wir für alles, was überhaupt am Seyn Theil hat, den
üblichen Ausdruck Substanz, so müssen wir selbstver-
ständlich auch zwei Hauptgruppen von Substanzen, näm-
lich geistige und physische, materielle und immaterielle
annehmen. Fassen wir aber das Seyn überhaupt als
Bewegung, so haben wir aus demselben Grunde auch
zwei Arten von Bewegungen, nämlich einerseits vor-
herrschend active, geistige, immaterielle, andererseits
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