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Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 34. Stuttgart/Tübingen, 24. August 1856.

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[Beginn Spaltensatz]
Jm deutschen Land den frischen Rhein
Bewegt ein rüstig Streben,
Und emsig pflanzt im Sonnenschein
Der Winzer seine Reben;
Jm deutschen Land der frische Rhein,
Am frischen Rhein der deutsche Wein
Hat tüchtig Blut und Leben.
Am thatenkühnen Rheine steh'n
Viel deutsche Ehrenmale;
Die kühnste That, am Rhein gescheh'n,
Weiß man zu Worms im Saale.
Und weiter Burg und Stadt vorbei!
Es singt die schöne Lore=Ley
So wundersam zu Thale.
Das will wie siebenfacher Hohn
Die Seele mir durchdringen,
Gedolmetscht hab' ich jeden Ton
Von ihrem argen Singen:
"So viel dein Volk errungen hat,
Sein Glück -- die letzte, beste That,
Die will ihm nicht gelingen!"
Da hat der Rhein mir zugeweint
Aus tiefen, tiefen Quellen,
Und was die Lore=Ley gemeint,
Seh' ich am Dom zu Köllen,
So groß gefühlt, so kühn gedacht,
Wie deutsches Glück so unvollbracht
Aufragend ob den Wellen.
Wie ungeschlossen starrest du!
Jch klag' es laut den Wogen;
Wie thun sich weich und rundlich zu
Die welschen Kuppelbogen! --
Da legt im Hafen sich das Boot,
Es kommt heraus im Abendroth
Die schöne Welt gezogen.
"Willkommen, Freund, so ungefähr,
So wider all Verhoffen!
Mich dünkt, daß wir schon anders mehr
Zusammen sind getroffen.
Komm, geh'n wir gleich hinab am Rhein,
Es steh'n bis in die Nacht hinein
Viel lust'ge Gärten offen!"
[Spaltenumbruch]
Ob ich das Mädchen je geseh'n,
Das mich so traut empfangen?
Jch wußte nicht wie mir gescheh'n,
Bin schweigend mitgegangen.
Die Gärten hell, die Gänge frisch,
Und Blätterschatten zauberisch
Umspielten ihre Wangen.
Und wie sie scherzend mit mir trank,
So fragt' ich denn am Ende:
Woher, du Schelm, so flink und frank?
Da klatscht sie in die Hände:
"Als ob man erstlich beichten müßt,
Damit, wenn man sich herzt und küßt,
Man besser sich verstände!
"Ein Vöglein flog ich an den Strom
Jm wanderleichten Kleide,
Zum Bischof Morgens in den Dom,
Mit dir zur Abendfreude.
Daß wir die Stunde glücklich sind,
Eh morgen wir geschieden, Kind,
Geschieht dir's wohl zu Leide?"
Sie sprach's, ich hörte nur und sah,
Frug nimmermehr: von wannen?
War doch die Freude mit ihr da,
Ging nicht mit ihr von dannen. --
Wie blühte nun des Domes Pracht!
Wie silbern durch die blaue Nacht
Die Wellen niederrannen!
Ja, ich verstehe nun, sie ist's,
Die Wonne jener Stunden,
Du Mädchen aus der Fremde bist's,
Jm deutschen Land gefunden,
Die mir der Freude Sonnenschein
Am Meer von Adria, am Rhein
Um's ernste Haupt gewunden.
Und was dein Daseyn Großes hat,
Du, meines Volkes Leben,
Jch fühl' es all an deiner statt
Mich doppelt froh umschweben;
Fühl' du's so leicht und freudig nur,
Als ich's von einem Kind erfuhr,
So ist dir's ganz gegeben. --
[Ende Spaltensatz]
[Beginn Spaltensatz]
Jm deutschen Land den frischen Rhein
Bewegt ein rüstig Streben,
Und emsig pflanzt im Sonnenschein
Der Winzer seine Reben;
Jm deutschen Land der frische Rhein,
Am frischen Rhein der deutsche Wein
Hat tüchtig Blut und Leben.
Am thatenkühnen Rheine steh'n
Viel deutsche Ehrenmale;
Die kühnste That, am Rhein gescheh'n,
Weiß man zu Worms im Saale.
Und weiter Burg und Stadt vorbei!
Es singt die schöne Lore=Ley
So wundersam zu Thale.
Das will wie siebenfacher Hohn
Die Seele mir durchdringen,
Gedolmetscht hab' ich jeden Ton
Von ihrem argen Singen:
„So viel dein Volk errungen hat,
Sein Glück — die letzte, beste That,
Die will ihm nicht gelingen!“
Da hat der Rhein mir zugeweint
Aus tiefen, tiefen Quellen,
Und was die Lore=Ley gemeint,
Seh' ich am Dom zu Köllen,
So groß gefühlt, so kühn gedacht,
Wie deutsches Glück so unvollbracht
Aufragend ob den Wellen.
Wie ungeschlossen starrest du!
Jch klag' es laut den Wogen;
Wie thun sich weich und rundlich zu
Die welschen Kuppelbogen! —
Da legt im Hafen sich das Boot,
Es kommt heraus im Abendroth
Die schöne Welt gezogen.
„Willkommen, Freund, so ungefähr,
So wider all Verhoffen!
Mich dünkt, daß wir schon anders mehr
Zusammen sind getroffen.
Komm, geh'n wir gleich hinab am Rhein,
Es steh'n bis in die Nacht hinein
Viel lust'ge Gärten offen!“
[Spaltenumbruch]
Ob ich das Mädchen je geseh'n,
Das mich so traut empfangen?
Jch wußte nicht wie mir gescheh'n,
Bin schweigend mitgegangen.
Die Gärten hell, die Gänge frisch,
Und Blätterschatten zauberisch
Umspielten ihre Wangen.
Und wie sie scherzend mit mir trank,
So fragt' ich denn am Ende:
Woher, du Schelm, so flink und frank?
Da klatscht sie in die Hände:
„Als ob man erstlich beichten müßt,
Damit, wenn man sich herzt und küßt,
Man besser sich verstände!
„Ein Vöglein flog ich an den Strom
Jm wanderleichten Kleide,
Zum Bischof Morgens in den Dom,
Mit dir zur Abendfreude.
Daß wir die Stunde glücklich sind,
Eh morgen wir geschieden, Kind,
Geschieht dir's wohl zu Leide?“
Sie sprach's, ich hörte nur und sah,
Frug nimmermehr: von wannen?
War doch die Freude mit ihr da,
Ging nicht mit ihr von dannen. —
Wie blühte nun des Domes Pracht!
Wie silbern durch die blaue Nacht
Die Wellen niederrannen!
Ja, ich verstehe nun, sie ist's,
Die Wonne jener Stunden,
Du Mädchen aus der Fremde bist's,
Jm deutschen Land gefunden,
Die mir der Freude Sonnenschein
Am Meer von Adria, am Rhein
Um's ernste Haupt gewunden.
Und was dein Daseyn Großes hat,
Du, meines Volkes Leben,
Jch fühl' es all an deiner statt
Mich doppelt froh umschweben;
Fühl' du's so leicht und freudig nur,
Als ich's von einem Kind erfuhr,
So ist dir's ganz gegeben. —
[Ende Spaltensatz]
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[794/0002] 794 Jm deutschen Land den frischen Rhein Bewegt ein rüstig Streben, Und emsig pflanzt im Sonnenschein Der Winzer seine Reben; Jm deutschen Land der frische Rhein, Am frischen Rhein der deutsche Wein Hat tüchtig Blut und Leben. Am thatenkühnen Rheine steh'n Viel deutsche Ehrenmale; Die kühnste That, am Rhein gescheh'n, Weiß man zu Worms im Saale. Und weiter Burg und Stadt vorbei! Es singt die schöne Lore=Ley So wundersam zu Thale. Das will wie siebenfacher Hohn Die Seele mir durchdringen, Gedolmetscht hab' ich jeden Ton Von ihrem argen Singen: „So viel dein Volk errungen hat, Sein Glück — die letzte, beste That, Die will ihm nicht gelingen!“ Da hat der Rhein mir zugeweint Aus tiefen, tiefen Quellen, Und was die Lore=Ley gemeint, Seh' ich am Dom zu Köllen, So groß gefühlt, so kühn gedacht, Wie deutsches Glück so unvollbracht Aufragend ob den Wellen. Wie ungeschlossen starrest du! Jch klag' es laut den Wogen; Wie thun sich weich und rundlich zu Die welschen Kuppelbogen! — Da legt im Hafen sich das Boot, Es kommt heraus im Abendroth Die schöne Welt gezogen. „Willkommen, Freund, so ungefähr, So wider all Verhoffen! Mich dünkt, daß wir schon anders mehr Zusammen sind getroffen. Komm, geh'n wir gleich hinab am Rhein, Es steh'n bis in die Nacht hinein Viel lust'ge Gärten offen!“ Ob ich das Mädchen je geseh'n, Das mich so traut empfangen? Jch wußte nicht wie mir gescheh'n, Bin schweigend mitgegangen. Die Gärten hell, die Gänge frisch, Und Blätterschatten zauberisch Umspielten ihre Wangen. Und wie sie scherzend mit mir trank, So fragt' ich denn am Ende: Woher, du Schelm, so flink und frank? Da klatscht sie in die Hände: „Als ob man erstlich beichten müßt, Damit, wenn man sich herzt und küßt, Man besser sich verstände! „Ein Vöglein flog ich an den Strom Jm wanderleichten Kleide, Zum Bischof Morgens in den Dom, Mit dir zur Abendfreude. Daß wir die Stunde glücklich sind, Eh morgen wir geschieden, Kind, Geschieht dir's wohl zu Leide?“ Sie sprach's, ich hörte nur und sah, Frug nimmermehr: von wannen? War doch die Freude mit ihr da, Ging nicht mit ihr von dannen. — Wie blühte nun des Domes Pracht! Wie silbern durch die blaue Nacht Die Wellen niederrannen! Ja, ich verstehe nun, sie ist's, Die Wonne jener Stunden, Du Mädchen aus der Fremde bist's, Jm deutschen Land gefunden, Die mir der Freude Sonnenschein Am Meer von Adria, am Rhein Um's ernste Haupt gewunden. Und was dein Daseyn Großes hat, Du, meines Volkes Leben, Jch fühl' es all an deiner statt Mich doppelt froh umschweben; Fühl' du's so leicht und freudig nur, Als ich's von einem Kind erfuhr, So ist dir's ganz gegeben. —

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Zitationshilfe: Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 34. Stuttgart/Tübingen, 24. August 1856, S. 794. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_morgenblatt34_1856/2>, abgerufen am 21.11.2024.