Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

Bild:
<< vorherige Seite

nen. - Man möchte hierbei an den von Herrn Klaproth nachgewiesenen Völkerstamm
von germanisch-indischer Bildung, in China denken.

Wenn übrigens bei Charakterisirung des amerikanischen Stammes, auf den ge-
gen die Faciale zurückgedrückten Schedel Rücksicht genommen wird, so muß man
nicht vergessen, daß nicht in allen Fällen diese Bildung natürlich ist, sondern zum
Theil der Gewohnheit einiger Völkerschaften zugeschrieben werden muß, welche
den Kopf neugeborner Kinder zwischen 2 Brettern zurückpressen. Dieser un-
natürliche Gebrauch ist von großem Einfluß auf die Bildung des Schedels. -
Diejenigen Köpfe welche ich auf den alten Schlachtfeldern der Peruaner gesammelt
habe, und von solchen Völkern bei denen diese Gewohnheit nicht herscht, zeigen eine
Gesichtslinie von bei weitem nicht so kleinen Winkel.

Ob die auf alt mexicanischen reliefs vorkommenden Abbildungen ganz
besonders großnasiger Menschen, einer eignen Art derselben nachgeformt,
oder nur in der Phantasie der Künstler entstanden, ist nicht zu entscheiden.
In mythischen Vorstellungen, die sich doch wohl von asiatischen Traditionen
herschreiben, und an unsere eignen frühern religiösen Sagen erinnern,
findet sich dieselbe Darstellungsweise. Die Schlangenfrau Eva von den
Mexicanern la Sennora de nuestra carne genannt, so wie Coxcox, der Adam,
sind beide auf ähnliche Art abgebildet.

Der Irrthum eines, in anderer Hinsicht verdienten Gelehrten, des Herrn Meiners,
hat lange dem schändlichen Verkehr des Sclavenhandels zum Vorwand, und zur
Entschuldigung dienen müssen. Meiners hat nämlich auf das entschiedenste die
Ansicht vertheidigt, daß das Menschengeschlecht augenscheinlich in 2 bestimmt ver-

schiedene

nen. – Man möchte hierbei an den von Herrn Klaproth nachgewiesenen Völkerstam̃
von germanisch-indischer Bildung, in China denken.

Wenn übrigens bei Charakterisirung des amerikanischen Stammes, auf den ge-
gen die Faciale zurückgedrückten Schedel Rücksicht genommen wird, so muß man
nicht vergessen, daß nicht in allen Fällen diese Bildung natürlich ist, sondern zum
Theil der Gewohnheit einiger Völkerschaften zugeschrieben werden muß, welche
den Kopf neugeborner Kinder zwischen 2 Brettern zurückpressen. Dieser un-
natürliche Gebrauch ist von großem Einfluß auf die Bildung des Schedels. –
Diejenigen Köpfe welche ich auf den alten Schlachtfeldern der Peruaner gesammelt
habe, und von solchen Völkern bei denen diese Gewohnheit nicht herscht, zeigen eine
Gesichtslinie von bei weitem nicht so kleinen Winkel.

Ob die auf alt mexicanischen reliefs vorkommenden Abbildungen ganz
besonders großnasiger Menschen, einer eignen Art derselben nachgeformt,
oder nur in der Phantasie der Künstler entstanden, ist nicht zu entscheiden.
In mythischen Vorstellungen, die sich doch wohl von asiatischen Traditionen
herschreiben, und an unsere eignen frühern religiösen Sagen erinnern,
findet sich dieselbe Darstellungsweise. Die Schlangenfrau Eva von den
Mexicanern la Señora de nuestra carne genannt, so wie Coxcox, der Adam,
sind beide auf ähnliche Art abgebildet.

Der Irrthum eines, in anderer Hinsicht verdienten Gelehrten, des Herrn Meiners,
hat lange dem schändlichen Verkehr des Sclavenhandels zum Vorwand, und zur
Entschuldigung dienen müssen. Meiners hat nämlich auf das entschiedenste die
Ansicht vertheidigt, daß das Menschengeschlecht augenscheinlich in 2 bestimmt ver-

schiedene
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="session" n="11">
        <p><pb facs="#f0101" n="49r"/>
nen. &#x2013; Man möchte hierbei an den von <choice><abbr>H&#xFFFC;.</abbr><expan resp="#CT">Herrn</expan></choice> <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-10082451X http://d-nb.info/gnd/10082451X">Klaproth</persName></hi> nachgewiesenen Völkerstam&#x0303;<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 142: "Völkerstamm".</note><lb/>
von germanisch-indischer Bildung, in <hi rendition="#aq">China</hi><note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 142: Kursivierung zur Kennzeichnung des Wechsels von deutscher in lateinische Schrift fehlt.</note> denken.</p><lb/>
        <p>Wenn übrigens bei Charakterisirung des amerikanischen Stammes,<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 142: Komma fehlt.</note> auf den ge-<lb/>
gen die <hi rendition="#aq">Faciale</hi> zurückgedrückten Schedel Rücksicht genommen wird, so muß man<lb/>
nicht vergessen, daß nicht in allen Fällen diese Bildung natürlich ist, sondern zum<lb/>
Theil der Gewohnheit einiger Völkerschaften zugeschrieben werden muß, welche<lb/>
den Kopf neugeborner Kinder zwischen 2 Brettern zurückpressen. Dieser un-<lb/>
natürliche Gebrauch ist von großem Einfluß auf die Bildung des Schedels. &#x2013;<lb/>
Diejenigen Köpfe welche ich auf den alten Schlachtfeldern der <hi rendition="#aq">Peruaner</hi> gesammelt<lb/>
habe, und von solchen Völkern bei denen diese Gewohnheit nicht herscht, zeigen eine<lb/>
Gesichtslinie von bei weitem nicht so kleinen Winkel.</p><lb/>
        <p>Ob die auf alt mexicanischen <hi rendition="#aq">reliefs</hi> vorkommenden Abbildungen ganz<lb/>
besonders großnasiger Menschen, einer eignen Art derselben nachgeformt,<lb/>
oder nur in der Phantasie der Künstler entstanden, ist nicht zu entscheiden.<lb/>
In mythischen Vorstellungen, die sich doch wohl von asiatischen Traditionen<lb/>
herschreiben, und an unsere eignen frühern religiösen Sagen erinnern,<lb/>
findet sich dieselbe Darstellungsweise. Die Schlangenfrau <hi rendition="#aq">Eva</hi> von den<lb/>
Mexicanern <hi rendition="#aq">la Señora de nuestra carne<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 142: "carne" fehlt.</note></hi> genannt, so wie <hi rendition="#aq">Coxcox</hi>, der <hi rendition="#aq">Adam</hi>,<lb/>
sind beide auf ähnliche Art abgebildet.</p><lb/>
        <p>Der Irrthum eines, in anderer Hinsicht verdienten Gelehrten, des <choice><abbr>H&#xFFFC;.</abbr><expan resp="#CT">Herrn</expan></choice> <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-116863498 http://d-nb.info/gnd/116863498">Meiners</persName></hi>,<lb/>
hat lange dem schändlichen Verkehr des Sclavenhandels zum Vorwand, und zur<lb/>
Entschuldigung dienen müssen. <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-116863498 http://d-nb.info/gnd/116863498">Meiners</persName></hi> hat nämlich auf das entschiedenste die<lb/>
Ansicht vertheidigt, daß das Menschengeschlecht augenscheinlich in 2 bestimmt ver-<lb/>
<fw type="catch" place="bottom">schiedene</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[49r/0101] nen. – Man möchte hierbei an den von H. Klaproth nachgewiesenen Völkerstam̃ von germanisch-indischer Bildung, in China denken. Wenn übrigens bei Charakterisirung des amerikanischen Stammes, auf den ge- gen die Faciale zurückgedrückten Schedel Rücksicht genommen wird, so muß man nicht vergessen, daß nicht in allen Fällen diese Bildung natürlich ist, sondern zum Theil der Gewohnheit einiger Völkerschaften zugeschrieben werden muß, welche den Kopf neugeborner Kinder zwischen 2 Brettern zurückpressen. Dieser un- natürliche Gebrauch ist von großem Einfluß auf die Bildung des Schedels. – Diejenigen Köpfe welche ich auf den alten Schlachtfeldern der Peruaner gesammelt habe, und von solchen Völkern bei denen diese Gewohnheit nicht herscht, zeigen eine Gesichtslinie von bei weitem nicht so kleinen Winkel. Ob die auf alt mexicanischen reliefs vorkommenden Abbildungen ganz besonders großnasiger Menschen, einer eignen Art derselben nachgeformt, oder nur in der Phantasie der Künstler entstanden, ist nicht zu entscheiden. In mythischen Vorstellungen, die sich doch wohl von asiatischen Traditionen herschreiben, und an unsere eignen frühern religiösen Sagen erinnern, findet sich dieselbe Darstellungsweise. Die Schlangenfrau Eva von den Mexicanern la Señora de nuestra carne genannt, so wie Coxcox, der Adam, sind beide auf ähnliche Art abgebildet. Der Irrthum eines, in anderer Hinsicht verdienten Gelehrten, des H. Meiners, hat lange dem schändlichen Verkehr des Sclavenhandels zum Vorwand, und zur Entschuldigung dienen müssen. Meiners hat nämlich auf das entschiedenste die Ansicht vertheidigt, daß das Menschengeschlecht augenscheinlich in 2 bestimmt ver- schiedene

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription in Hamel, Jürgen u. Klaus Harro Tiemann (Hg.) (1993): Alexander von Humboldt: Über das Universum. Die Kosmosvorträge 1827/28 in der Berliner Singakademie. Frankfurt a. M.: Insel. anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

Abweichungen dieser Druckedition von der Manuskriptvorlage werden im Text an der entsprechenden Stelle in editorischen Kommentaren ausgewiesen.

Abweichungen von den DTA-Richtlinien:

  • I/J: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827/101
Zitationshilfe: [Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 49r. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827/101>, abgerufen am 21.11.2024.