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[Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

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entweder gar keine, oder eine von der unsrigen sehr verschiedene Atmosphäre
zusprechen müssen. Wenn der Luftdruck auf der Erde, am Ufer des Mee-
res einen Barometerstand von 28 Zoll hervorbringt, so würde derselbe auf dem
Monde nur etwa 1/3 Linie betragen. Eben so müssen wir annehmen, daß
auf dem Monde sich keine tropfbare Flüssigkeit befindet, wenigstens keine
Meere. Denn da wir durch unsere Fernröhre im Stande sind, kleine Flä-
chen auf dem Monde, etwa von der Größe wie Berlin, genau zu beobach-
ten, so finden wir, daß auf demselben nirgend 2 Höhen sich gleich sind. Die
Ebnen auf dem Monde können daher keine Flüssigkeiten enthalten, die
nach hydrostatischen Gesetzen ein Bestreben haben, sich au niveau zu setzen.
Der Mond ist folglich höchst wahrscheinlich starr, wie die Aerolithen, ohne Luft
und ohne Wasser. - Anders verhält es sich mit den übrigen Planeten,
unter denen Jupiter und Saturn durch eine sichtbare parallele Zone ihre dich-
tere Atmosphäre verrathen. Die Kometen scheinen dagegen ganz luftför-
mige Gebilde, da selbst durch ihren Kern kleine Sterne erblickt werden
können.

Was wir von der innern Beschaffenheit des planetarischen Körpers, den
wir bewohnen, wissen, beruht auf sehr unsichern, hypothetischen Vermuthun-
gen. Denn wie gewagt sind die Schlüsse, die wir von den wenigen Fußen
der uns bekannten Rinde, auf den Durchmesser der Erdmasse (1720 Mei-
len zu 23,000') machen müssen!

Man glaubte früher annehmen zu können, daß Licht und Organismus in
der engsten Verbindung stehen, daß Licht zur Hervorbringung eines jeden

organischen

entweder gar keine, oder eine von der unsrigen sehr verschiedene Atmosphäre
zusprechen müssen. Wenn der Luftdruck auf der Erde, am Ufer des Mee-
res einen Barometerstand von 28 Zoll hervorbringt, so würde derselbe auf dem
Monde nur etwa ⅓ Linie betragen. Eben so müssen wir annehmen, daß
auf dem Monde sich keine tropfbare Flüssigkeit befindet, wenigstens keine
Meere. Denn da wir durch unsere Fernröhre im Stande sind, kleine Flä-
chen auf dem Monde, etwa von der Größe wie Berlin, genau zu beobach-
ten, so finden wir, daß auf demselben nirgend 2 Höhen sich gleich sind. Die
Ebnen auf dem Monde können daher keine Flüssigkeiten enthalten, die
nach hydrostatischen Gesetzen ein Bestreben haben, sich au niveau zu setzen.
Der Mond ist folglich höchst wahrscheinlich starr, wie die Aerolithen, ohne Luft
und ohne Wasser. – Anders verhält es sich mit den übrigen Planeten,
unter denen Jupiter und Saturn durch eine sichtbare parallele Zone ihre dich-
tere Atmosphäre verrathen. Die Kometen scheinen dagegen ganz luftför-
mige Gebilde, da selbst durch ihren Kern kleine Sterne erblickt werden
können.

Was wir von der innern Beschaffenheit des planetarischen Körpers, den
wir bewohnen, wissen, beruht auf sehr unsichern, hypothetischen Vermuthun-
gen. Denn wie gewagt sind die Schlüsse, die wir von den wenigen Fußen
der uns bekannten Rinde, auf den Durchmesser der Erdmasse (1720 Mei-
len zu 23,000′) machen müssen!

Man glaubte früher annehmen zu können, daß Licht und Organismus in
der engsten Verbindung stehen, daß Licht zur Hervorbringung eines jeden

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[10r/0023] entweder gar keine, oder eine von der unsrigen sehr verschiedene Atmosphäre zusprechen müssen. Wenn der Luftdruck auf der Erde, am Ufer des Mee- res einen Barometerstand von 28 Zoll hervorbringt, so würde derselbe auf dem Monde nur etwa ⅓ Linie betragen. Eben so müssen wir annehmen, daß auf dem Monde sich keine tropfbare Flüssigkeit befindet, wenigstens keine Meere. Denn da wir durch unsere Fernröhre im Stande sind, kleine Flä- chen auf dem Monde, etwa von der Größe wie Berlin, genau zu beobach- ten, so finden wir, daß auf demselben nirgend 2 Höhen sich gleich sind. Die Ebnen auf dem Monde können daher keine Flüssigkeiten enthalten, die nach hydrostatischen Gesetzen ein Bestreben haben, sich au niveau zu setzen. Der Mond ist folglich höchst wahrscheinlich starr, wie die Aerolithen, ohne Luft und ohne Wasser. – Anders verhält es sich mit den übrigen Planeten, unter denen Jupiter und Saturn durch eine sichtbare parallele Zone ihre dich- tere Atmosphäre verrathen. Die Kometen scheinen dagegen ganz luftför- mige Gebilde, da selbst durch ihren Kern kleine Sterne erblickt werden können. Was wir von der innern Beschaffenheit des planetarischen Körpers, den wir bewohnen, wissen, beruht auf sehr unsichern, hypothetischen Vermuthun- gen. Denn wie gewagt sind die Schlüsse, die wir von den wenigen Fußen der uns bekannten Rinde, auf den Durchmesser der Erdmasse (1720 Mei- len zu 23,000′) machen müssen! Man glaubte früher annehmen zu können, daß Licht und Organismus in der engsten Verbindung stehen, daß Licht zur Hervorbringung eines jeden organischen

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription in Hamel, Jürgen u. Klaus Harro Tiemann (Hg.) (1993): Alexander von Humboldt: Über das Universum. Die Kosmosvorträge 1827/28 in der Berliner Singakademie. Frankfurt a. M.: Insel. anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

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Zitationshilfe: [Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 10r. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827/23>, abgerufen am 16.04.2024.