Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

Bild:
<< vorherige Seite

ter Arten um so größer. Wenn man die ganze Masse der beschriebenen
Thiere zusammennimmt so finden sich etwa 66,000 Arten; eine Zahl, welche
mit der, der bekannten Pflanzen fast übereinstimmt. - Die Insekten machen
fast 2/3 aller bekannten Thiere aus, und dabei ist es wahrscheinlich, daß
vielleicht noch weit mehrere uns unbekannt geblieben sind, indem sie sich so viel
leichter als die Pflanzen, der Betrachtung entziehen. - Die Flora von Berlin
mit welcher die Arbeit des Herrn von Schlechtenthal uns näher bekannt macht, ent-
hält in der Ausbreitung bis gegen die Oder etwa 2000 Arten; in derselben
Umgegend sind schon 5000 Insekten bekannt, und man möchte erstaunen die
numerische Verschiedenheit nicht noch größer zu finden, wenn man bedenkt, wie
vielen Insektenarten oft eine einzelne Pflanzengattung zum Wohnplatz ange-
wiesen ist, und wie viele derselben überdies Raubthiere sind.

Es ist ein durch Buffon verbreiteter Irthum, daß einzelne Welttheile ge-
wissermaßen tiefer ständen gegen die übrigen, in dem Verhältniß als
ihnen die größern Thierformen abgehen, welche die andern auszeichnen.
So zum Beispiel Amerika, in dem sich keine der größern Pachydermen vorfinden.
Es ist dies aber nicht sowohl ein anderer Welttheil, als eine andere Seite
unseres Planeten zu nennen, auf der das Festland sich fast von einem Pole
zum andern erstreckt. Wie von dem Monde uns stets die eine Seite sicht-
bar ist, und wir durch Oscillationen am Rande nur einen sehr kleinen
Theil der entgegengesetzten Mondscheibe erblicken, so war auch bis ins 15te
Jahrhundert, die eine Seite unsers Planeten seinen Bewohnern unsichtbar.
Es ist wahr, daß auf diesem Theile der Erdoberfläche nicht dieselbe Mannigfaltig-

keit

ter Arten um so größer. Wenn man die ganze Masse der beschriebenen
Thiere zusammennimmt so finden sich etwa 66,000 Arten; eine Zahl, welche
mit der, der bekannten Pflanzen fast übereinstimmt. – Die Insekten machen
fast ⅔ aller bekannten Thiere aus, und dabei ist es wahrscheinlich, daß
vielleicht noch weit mehrere uns unbekannt geblieben sind, indem sie sich so viel
leichter als die Pflanzen, der Betrachtung entziehen. – Die Flora von Berlin
mit welcher die Arbeit des Herrn von Schlechtenthal uns näher bekannt macht, ent-
hält in der Ausbreitung bis gegen die Oder etwa 2000 Arten; in derselben
Umgegend sind schon 5000 Insekten bekannt, und man möchte erstaunen die
numerische Verschiedenheit nicht noch größer zu finden, wenn man bedenkt, wie
vielen Insektenarten oft eine einzelne Pflanzengattung zum Wohnplatz ange-
wiesen ist, und wie viele derselben überdies Raubthiere sind.

Es ist ein durch Buffon verbreiteter Irthum, daß einzelne Welttheile ge-
wissermaßen tiefer ständen gegen die übrigen, in dem Verhältniß als
ihnen die größern Thierformen abgehen, welche die andern auszeichnen.
So zum Beispiel Amerika, in dem sich keine der größern Pachydermen vorfinden.
Es ist dies aber nicht sowohl ein anderer Welttheil, als eine andere Seite
unseres Planeten zu nennen, auf der das Festland sich fast von einem Pole
zum andern erstreckt. Wie von dem Monde uns stets die eine Seite sicht-
bar ist, und wir durch Oscillationen am Rande nur einen sehr kleinen
Theil der entgegengesetzten Mondscheibe erblicken, so war auch bis ins 15te
Jahrhundert, die eine Seite unsers Planeten seinen Bewohnern unsichtbar.
Es ist wahr, daß auf diesem Theile der Erdoberfläche nicht dieselbe Mannigfaltig-

keit
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="session" n="9">
        <p><pb facs="#f0082" n="39v"/>
ter Arten um so größer. Wenn man die ganze Masse der beschriebenen<lb/>
Thiere zusammennimmt so finden sich etwa 66,000 Arten; eine Zahl, welche<lb/>
mit der, der bekannten Pflanzen fast übereinstimmt. &#x2013; Die Insekten machen<lb/>
fast &#x2154; aller bekannten Thiere aus, und dabei ist es wahrscheinlich, daß<lb/>
vielleicht noch weit<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 120: "viel".</note> mehrere uns unbekannt geblieben sind, indem sie sich so viel<lb/>
leichter als die Pflanzen, der Betrachtung entziehen. &#x2013; Die <choice><sic>Flor</sic><corr resp="#BF">Flora</corr></choice><note resp="#BF" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 121: "Flur".</note> von <hi rendition="#aq">Berlin</hi><lb/>
mit welcher die Arbeit des <choice><abbr>H&#xFFFC;.</abbr><expan resp="#CT">Herrn</expan></choice> von <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-117282995 http://d-nb.info/gnd/117282995">Schlechtenthal</persName></hi> uns näher bekannt macht, ent-<lb/>
hält in der Ausbreitung bis gegen die Oder etwa 2000 Arten; in derselben<lb/>
Umgegend sind schon 5000 Insekten bekannt, und man möchte erstaunen die<lb/>
numerische Verschiedenheit nicht noch größer zu finden, wenn man bedenkt, wie<lb/>
vielen Insektenarten oft eine einzelne Pflanzengattung zum Wohnplatz ange-<lb/>
wiesen ist, und wie viele derselben überdies Raubthiere sind.</p><lb/>
        <p>Es ist ein durch <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118517252 http://d-nb.info/gnd/118517252">Buffon</persName></hi> verbreiteter Irthum, daß einzelne Welttheile ge-<lb/>
wissermaßen tiefer ständen gegen die übrigen, in dem Verhältniß als<lb/>
ihnen die größern Thierformen abgehen, welche die andern auszeichnen.<lb/>
So <choice><abbr>z. B.</abbr><expan resp="#BF">zum Beispiel</expan></choice> Amerika, in dem sich keine der größern <hi rendition="#aq">Pachydermen</hi> vorfinden.<lb/>
Es ist dies aber nicht sowohl ein anderer Welttheil, als eine andere Seite<lb/>
unseres Planeten zu nennen, auf der das Festland sich fast von einem Pole<lb/>
zum andern erstreckt. Wie von dem Monde uns stets die eine Seite sicht-<lb/>
bar ist, und wir durch Oscillationen am Rande nur einen sehr kleinen<lb/>
Theil der entgegengesetzten Mondscheibe erblicken, so war auch bis ins 15<hi rendition="#sup #uu">te</hi><lb/>
Jahrhundert, die eine Seite unsers Planeten seinen Bewohnern unsichtbar.<lb/>
Es ist wahr, daß auf diesem Theile der Erdoberfläche nicht dieselbe Mannigfaltig-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">keit</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39v/0082] ter Arten um so größer. Wenn man die ganze Masse der beschriebenen Thiere zusammennimmt so finden sich etwa 66,000 Arten; eine Zahl, welche mit der, der bekannten Pflanzen fast übereinstimmt. – Die Insekten machen fast ⅔ aller bekannten Thiere aus, und dabei ist es wahrscheinlich, daß vielleicht noch weit mehrere uns unbekannt geblieben sind, indem sie sich so viel leichter als die Pflanzen, der Betrachtung entziehen. – Die Flora von Berlin mit welcher die Arbeit des H. von Schlechtenthal uns näher bekannt macht, ent- hält in der Ausbreitung bis gegen die Oder etwa 2000 Arten; in derselben Umgegend sind schon 5000 Insekten bekannt, und man möchte erstaunen die numerische Verschiedenheit nicht noch größer zu finden, wenn man bedenkt, wie vielen Insektenarten oft eine einzelne Pflanzengattung zum Wohnplatz ange- wiesen ist, und wie viele derselben überdies Raubthiere sind. Es ist ein durch Buffon verbreiteter Irthum, daß einzelne Welttheile ge- wissermaßen tiefer ständen gegen die übrigen, in dem Verhältniß als ihnen die größern Thierformen abgehen, welche die andern auszeichnen. So z. B. Amerika, in dem sich keine der größern Pachydermen vorfinden. Es ist dies aber nicht sowohl ein anderer Welttheil, als eine andere Seite unseres Planeten zu nennen, auf der das Festland sich fast von einem Pole zum andern erstreckt. Wie von dem Monde uns stets die eine Seite sicht- bar ist, und wir durch Oscillationen am Rande nur einen sehr kleinen Theil der entgegengesetzten Mondscheibe erblicken, so war auch bis ins 15te Jahrhundert, die eine Seite unsers Planeten seinen Bewohnern unsichtbar. Es ist wahr, daß auf diesem Theile der Erdoberfläche nicht dieselbe Mannigfaltig- keit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription in Hamel, Jürgen u. Klaus Harro Tiemann (Hg.) (1993): Alexander von Humboldt: Über das Universum. Die Kosmosvorträge 1827/28 in der Berliner Singakademie. Frankfurt a. M.: Insel. anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

Abweichungen dieser Druckedition von der Manuskriptvorlage werden im Text an der entsprechenden Stelle in editorischen Kommentaren ausgewiesen.

Abweichungen von den DTA-Richtlinien:

  • I/J: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827/82
Zitationshilfe: [Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 39v. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827/82>, abgerufen am 23.11.2024.