[N. N.]: Alexander von Humboldts Vorlesungen über phÿsikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.]Wenn die Flüsse ins Meer fließen, so findet sich bei ihnen245 Wenn die Flüsse ins Meer fließen, so findet sich bei ihnen245 <TEI> <text> <body> <div type="session" n="41"> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0225" n="[219]"/> <p>Wenn die Flüsse ins Meer fließen, so findet sich bei ihnen<note place="right" hand="#pencil">245<lb/> l.<lb/></note><lb/> die Erscheinung der Ebbe <subst><del rendition="#ow"><supplied resp="#BF">u.</supplied></del><add place="across">und</add></subst> Fluth. Dies sind periodische Schwingungen,<lb/> veranlaßt durch die Anziehung der Sonne <subst><del rendition="#ow"><supplied resp="#BF">u.</supplied></del><add place="across">und</add></subst> des Mondes. Das Fluß-<lb/> wasser wird in die Höhe gehoben und wieder niedergesenkt, durch das,<lb/> darunter fließende Meerwasser, welches als das Schwerere unten<lb/> bleibt. So hat man in Schottland Beobachtungen angestellt, daß das<lb/> obere Wasser ganz süß war, das tiefer geschöpfte aber salzig; bei<lb/> ungestümen Fluthen mischen sich auch wohl beide. Diese Oscillationen<lb/> sind die unmittelbar auf der Oberfläche wahrzunehmenden Beispiele<lb/> der Attraction der Himmelskörper. In frühern Zeiten konnten<lb/> höchstens die Phoenizier dieses Phaenomen kennen, da sie allein<lb/> über die Säulen des Herkules hinaus gekommen waren; so be-<lb/> schreibt sie <hi rendition="#aq"><persName resp="#SB" ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-119559587 http://d-nb.info/gnd/119559587">Nearch</persName></hi> am Indus als ein Wunder. <hi rendition="#aq"><persName resp="#SB" ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118793764 http://d-nb.info/gnd/118793764">Pÿtheas</persName></hi> aus<lb/><hi rendition="#aq">Massilia</hi> hat zuerst Beobachtungen darüber angestellt. <hi rendition="#aq"><persName resp="#SB" ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118594893 http://d-nb.info/gnd/118594893">Plato</persName></hi>, der<lb/> alles aus dem Innern der Erde abzuleiten suchte, glaubte, daß sie<lb/> Folge eines Hervorsprudelns aus dem Erdkern seien. <hi rendition="#aq"><persName resp="#SB" ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118595091 http://d-nb.info/gnd/118595091">Plinius</persName></hi><lb/> aber sagt schon richtig: <hi rendition="#aq">causa in sole <subst><del rendition="#s" hand="#pencil">lunave</del><add place="superlinear" hand="#pencil">lunaque</add></subst></hi>. Genau auf die Ge-<lb/> setze der Attraction führte sie zuerst <hi rendition="#aq"><persName resp="#SB" ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118587544 http://d-nb.info/gnd/118587544">Newton</persName></hi> zurück 1687. D<subst><del rendition="#ow">e</del><add place="across">a</add></subst>nn<lb/> hat <hi rendition="#aq"><persName resp="#SB" ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118726536 http://d-nb.info/gnd/118726536">Laplace</persName></hi> (zuerst 1772) sie genauer berechnet <subst><del rendition="#ow"><supplied resp="#BF">u.</supplied></del><add place="across">und</add></subst> Beobachtungen<lb/> mit den Berechnungen verbunden in <hi rendition="#aq">Brest</hi> wo die Fluth zu 45′ steigt.<lb/> Er hat berechnet, daß die Sonne 13,000,000 mal stärker anzieht als<lb/> der Mond <subst><del rendition="#ow"><supplied resp="#BF">u.</supplied></del><add place="across">und</add></subst> das Verhältniß ist wie 2<hi rendition="#sup">4</hi>/<hi rendition="#sub">10</hi> : 1. Das Heben <subst><del rendition="#ow"><supplied resp="#BF">u.</supplied></del><add place="across">und</add></subst> Sinken<lb/> geschieht 2 mal zwischen jeder Culmination des Tages. Die größten<lb/> Fluten finden Statt bei Vollmond <subst><del rendition="#ow"><supplied resp="#BF">u.</supplied></del><add place="across">und</add></subst> Neumond, wie <hi rendition="#aq"><persName resp="#SB" ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118518275 http://d-nb.info/gnd/118518275">Caesar</persName></hi> zu<lb/> seinem Schaden schon in <hi rendition="#aq">Gallien</hi> erfuhr; d<subst><del rendition="#ow">e</del><add place="across">a</add></subst>nn wirkt Sonne <subst><del rendition="#ow"><supplied resp="#BF">u.</supplied></del><add place="across">und</add></subst> Mond<lb/> zusammen. <hi rendition="#aq"><persName resp="#SB" ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118726536 http://d-nb.info/gnd/118726536">Laplace</persName></hi> hat mit solchem Scharfsinn die Sache behandelt,<lb/> daß er bei den Beobachtungen in Brest durch Ebbe <subst><del rendition="#ow"><supplied resp="#BF">u.</supplied></del><add place="across">und</add></subst> Fluth genau die<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[219]/0225]
Wenn die Flüsse ins Meer fließen, so findet sich bei ihnen
die Erscheinung der Ebbe und Fluth. Dies sind periodische Schwingungen,
veranlaßt durch die Anziehung der Sonne und des Mondes. Das Fluß-
wasser wird in die Höhe gehoben und wieder niedergesenkt, durch das,
darunter fließende Meerwasser, welches als das Schwerere unten
bleibt. So hat man in Schottland Beobachtungen angestellt, daß das
obere Wasser ganz süß war, das tiefer geschöpfte aber salzig; bei
ungestümen Fluthen mischen sich auch wohl beide. Diese Oscillationen
sind die unmittelbar auf der Oberfläche wahrzunehmenden Beispiele
der Attraction der Himmelskörper. In frühern Zeiten konnten
höchstens die Phoenizier dieses Phaenomen kennen, da sie allein
über die Säulen des Herkules hinaus gekommen waren; so be-
schreibt sie Nearch am Indus als ein Wunder. Pÿtheas aus
Massilia hat zuerst Beobachtungen darüber angestellt. Plato, der
alles aus dem Innern der Erde abzuleiten suchte, glaubte, daß sie
Folge eines Hervorsprudelns aus dem Erdkern seien. Plinius
aber sagt schon richtig: causa in sole lunaque. Genau auf die Ge-
setze der Attraction führte sie zuerst Newton zurück 1687. Dann
hat Laplace (zuerst 1772) sie genauer berechnet und Beobachtungen
mit den Berechnungen verbunden in Brest wo die Fluth zu 45′ steigt.
Er hat berechnet, daß die Sonne 13,000,000 mal stärker anzieht als
der Mond und das Verhältniß ist wie 24/10 : 1. Das Heben und Sinken
geschieht 2 mal zwischen jeder Culmination des Tages. Die größten
Fluten finden Statt bei Vollmond und Neumond, wie Caesar zu
seinem Schaden schon in Gallien erfuhr; dann wirkt Sonne und Mond
zusammen. Laplace hat mit solchem Scharfsinn die Sache behandelt,
daß er bei den Beobachtungen in Brest durch Ebbe und Fluth genau die
245
l.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christian Thomas: Herausgeber
Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Humboldt-Universität zu Berlin: Projektträger
Hidden Kosmos: Reconstructing A. v. Humboldt’s »Kosmos-Lectures« (Leitung Prof. Dr. Christian Kassung): Finanzierung der Bild- und Volltextdigitalisierung
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription in Anonym (Hg.): Alexander von Humboldts Vorlesungen über physikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. Berlin, 1934. anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert. Abweichungen von den DTA-Richtlinien:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |