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[N. N.]: Alexander von Humboldts Vorlesungen über phÿsikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.]

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Anblick an diesen Eisbergen ist der sogenannte Eisblick (cf: Ritter).
Die Wirkungen der Eismassen auf die Atmosphaere sind verschieden
nach ihren Volumen. Die großen Berge reinigen die Luft bald von
aller Feuchtigkeit, daher der heitere Himmel dessen sich die arktischen
Regionen erfreuen; die kleinen Massen sind immer mit Nebel bedeckt.
Den Wind machen sie still, ein Phaenomen das schwer zu erklären
ist, besonders da ich bei den Andesgletschern das Gegentheil gefun-
den habe. Die Dicke des Eises hat Parry bei 73° N. B. im December
zu 381/2 engl. Zoll gefunden [u.]und im Februar zu 55" im Mai zu
861/2", also etwas über 6 französische Fuß. Die Gränzen welche
das Eis im Sommer [u.]und Winter hat, sind sehr verschieden, aber
besonders glücklich gestaltet für Europa. Im Winter geht die
Eisgränze vom Cap Farewell durch die Mitte Islands bis gegen
den südlichen Theil Spitzbergens (so daß das Nordcap frei bleibt von Eis)
deann senkt sie sich gegen nova-Zembla in südlichern Breiten.
Die Sommergränze läßt Island frei, läuft dann nördlich vonnowaja
semlja

Spitzbergen gen Osten nach nova Zembla. Die Ursache dieser
großen Bucht welche das Eis im Sommer macht liegt in der Existenz
des atlantischen Oceans. Es ist dort der einzige Ort wo der Nordpol
diese arktischen Regionen durch einen Canal mit den südlichen
Regionen communicirt. Die Temperatur würde ganz anders
sein, wenn die Behringsstraße breiter wäre; so kann aber
das Eis nicht südlicher getrieben werden als Spitzbergen, weil
hier das Meerthal des atlantischen Oceans entgegensteht. Bei
Skandinavien trägt zu dem Freisein von Eis auch der Golfstrom
bei. dDas Wasser desselben steigt nemlich an der westlichen Küste
von Norwegen gen N. O. auf. Diese wohlthätigen Verhältniße finden

Anblick an diesen Eisbergen ist der sogenannte Eisblick (cf: Ritter).
Die Wirkungen der Eismassen auf die Atmosphaere sind verschieden
nach ihren Volumen. Die großen Berge reinigen die Luft bald von
aller Feuchtigkeit, daher der heitere Himmel dessen sich die arktischen
Regionen erfreuen; die kleinen Massen sind im̃er mit Nebel bedeckt.
Den Wind machen sie still, ein Phaenomen das schwer zu erklären
ist, besonders da ich bei den Andesgletschern das Gegentheil gefun-
den habe. Die Dicke des Eises hat Parrÿ bei 73° N. B. im December
zu 38½ engl. Zoll gefunden [u.]und im Februar zu 55″ im Mai zu
86½″, also etwas über 6 französische Fuß. Die Gränzen welche
das Eis im Sommer [u.]und Winter hat, sind sehr verschieden, aber
besonders glücklich gestaltet für Europa. Im Winter geht die
Eisgränze vom Cap Farewell durch die Mitte Islands bis gegen
den südlichen Theil Spitzbergens (so daß das Nordcap frei bleibt von Eis)
deann senkt sie sich gegen nova-Zembla in südlichern Breiten.
Die Sommergränze läßt Island frei, läuft dann nördlich vonnowaja
semlja

Spitzbergen gen Osten nach nova Zembla. Die Ursache dieser
großen Bucht welche das Eis im Sommer macht liegt in der Existenz
des atlantischen Oceans. Es ist dort der einzige Ort wo der Nordpol
diese arktischen Regionen durch einen Canal mit den südlichen
Regionen communicirt. Die Temperatur würde ganz anders
sein, wenn die Behringsstraße breiter wäre; so kann aber
das Eis nicht südlicher getrieben werden als Spitzbergen, weil
hier das Meerthal des atlantischen Oceans entgegensteht. Bei
Skandinavien trägt zu dem Freisein von Eis auch der Golfstrom
bei. dDas Wasser desselben steigt nemlich an der westlichen Küste
von Norwegen gen N. O. auf. Diese wohlthätigen Verhältniße finden

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[[231]/0237] Anblick an diesen Eisbergen ist der sogenannte Eisblick (cf: Ritter). Die Wirkungen der Eismassen auf die Atmosphaere sind verschieden nach ihren Volumen. Die großen Berge reinigen die Luft bald von aller Feuchtigkeit, daher der heitere Himmel dessen sich die arktischen Regionen erfreuen; die kleinen Massen sind im̃er mit Nebel bedeckt. Den Wind machen sie still, ein Phaenomen das schwer zu erklären ist, besonders da ich bei den Andesgletschern das Gegentheil gefun- den habe. Die Dicke des Eises hat Parrÿ bei 73° N. B. im December zu 38½ engl. Zoll gefunden und im Februar zu 55″ im Mai zu 86½″, also etwas über 6 französische Fuß. Die Gränzen welche das Eis im Sommer und Winter hat, sind sehr verschieden, aber besonders glücklich gestaltet für Europa. Im Winter geht die Eisgränze vom Cap Farewell durch die Mitte Islands bis gegen den südl: Theil Spitzbergens (so daß das Nordcap frei bleibt von Eis) dann senkt sie sich gegen nova-Zembla in südlichern Breiten. Die Sommergränze läßt Island frei, läuft dann nördlich von Spitzbergen gen Osten nach nova Zembla. Die Ursache dieser großen Bucht welche das Eis im Sommer macht liegt in der Existenz des atlantischen Oceans. Es ist dort der einzige Ort wo der Nordpol diese arktischen Regionen durch einen Canal mit den südlichen Regionen communicirt. Die Temperatur würde ganz anders sein, wenn die Behringsstraße breiter wäre; so kann aber das Eis nicht südlicher getrieben werden als Spitzbergen, weil hier das Meerthal des atlantischen Oceans entgegensteht. Bei Skandinavien trägt zu dem Freisein von Eis auch der Golfstrom bei. Das Wasser desselben steigt nemlich an der westlichen Küste von Norwegen gen N. O. auf. Diese wohlthätigen Verhältniße finden nowaja semlja

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

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Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription in Anonym (Hg.): Alexander von Humboldts Vorlesungen über physikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. Berlin, 1934. anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

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Zitationshilfe: [N. N.]: Alexander von Humboldts Vorlesungen über phÿsikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. [231]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2345_1827/237>, abgerufen am 21.11.2024.