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[N. N.]: Alexander von Humboldts Vorlesungen über phÿsikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.]

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dieser Temperatur leben, gehören dennoch zu den fröhlichsten Men-
schen: sie wohnen in Hütten mit Eisscheiben. Parry bemerkt, daß
man in ruhiger Atmosphaere bei 40° R. mehre Stunden spat-
zieren kann, ohne sehr warm gekleidet zu sein; aber Beklem-
mung fühlt wenn man zu 5° zurückkommt; die Officiere
machten die Fenster auf weil sie diese Hitze nicht ertragen konnten.
Als Gegenstück bemerkte ich in Guajaquil daß bei +18° R. die
Leute die Mäntel umnehmen um sich nicht zu erkälten. Maximum
[u.]und minimum der Temperatur ist 40° über [u.]und unter 0, die mittl[:]ere
Temp:eratur des Aequators ist +20° R.

Es giebt noch eine zufällige Temp:eratur die nicht mit den Breitengraden
zusammenhängt. In Petersburg wo man seit 1772 genaue Beobach-
tungen hat, sank das Therm:ometer einmal bis 39,2° R, in Berlin
bis 21,5°. Mögler, der sich viel mit der mittlern Temp:eratur Berlin
beschäftigt hat, fand in 27 Jahren nur 3 mal das Therm:ometer unter 20°,
nemlich am 24 Jan: 1823, 1820 u. 1809; nur 4 mal unter 17° R.
In Paris fiel es 1794 auf 18,8°; in Marseille (mittlere Temp:eratur
+11,5), auf 13,5° im Jahre 1789.

Die mittlere Kälte

für Parisist8,5° R.
für Berlin"12,5. "
für Petersburg"24,5. "

Eine sehr merkwürdige zufällige Kälte findet sich in der
Geschichte der Araber. Als der Patriarch von Nicaea den Kalifen
Al Mamum 829 p. C. nach Aegypten begleitete, fanden sie den
Nil bei Kairo gefroren, welches Abdollatif genau berichtet.
Es ist vorgekommen, daß es in Lissabon, Cadix, Algier [u.]und
Kairo geschneit hat. Das schöne Klima, wo man dieser unangeneh-

dieser Temperatur leben, gehören dennoch zu den fröhlichsten Men-
schen: sie wohnen in Hütten mit Eisscheiben. Parrÿ bemerkt, daß
man in ruhiger Atmosphaere bei −40° R. mehre Stunden spat-
zieren kann, ohne sehr warm gekleidet zu sein; aber Beklem-
mung fühlt wenn man zu −5° zurückkommt; die Officiere
machten die Fenster auf weil sie diese Hitze nicht ertragen koñten.
Als Gegenstück bemerkte ich in Guajaquil daß bei +18° R. die
Leute die Mäntel umnehmen um sich nicht zu erkälten. Maximum
[u.]und minimum der Temperatur ist 40° über [u.]und unter 0, die mittl[:]ere
Temp:eratur des Aequators ist +20° R.

Es giebt noch eine zufällige Temp:eratur die nicht mit den Breitengraden
zusammenhängt. In Petersburg wo man seit 1772 genaue Beobach-
tungen hat, sank das Therm:ometer einmal bis −39,2° R, in Berlin
bis −21,5°. Mögler, der sich viel mit der mittlern Temp:eratur Berlin
beschäftigt hat, fand in 27 Jahren nur 3 mal das Therm:ometer unter −20°,
nemlich am 24 Jan: 1823, 1820 u. 1809; nur 4 mal unter −17° R.
In Paris fiel es 1794 auf −18,8°; in Marseille (mittlere Temp:eratur
+11,5), auf −13,5° im Jahre 1789.

Die mittlere Kälte

für Parisist8,5° R.
für Berlin12,5.
für Petersburg24,5.

Eine sehr merkwürdige zufällige Kälte findet sich in der
Geschichte der Araber. Als der Patriarch von Nicaea den Kalifen
Al Mamum 829 p. C. nach Aegÿpten begleitete, fanden sie den
Nil bei Kairo gefroren, welches Abdollatif genau berichtet.
Es ist vorgekommen, daß es in Lissabon, Cadix, Algier [u.]und
Kairo geschneit hat. Das schöne Klima, wo man dieser unangeneh-

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[[266]/0272] dieser Temperatur leben, gehören dennoch zu den fröhlichsten Men- schen: sie wohnen in Hütten mit Eisscheiben. Parrÿ bemerkt, daß man in ruhiger Atmosphaere bei −40° R. mehre Stunden spat- zieren kann, ohne sehr warm gekleidet zu sein; aber Beklem- mung fühlt wenn man zu −5° zurückkommt; die Officiere machten die Fenster auf weil sie diese Hitze nicht ertragen koñten. Als Gegenstück bemerkte ich in Guajaquil daß bei +18° R. die Leute die Mäntel umnehmen um sich nicht zu erkälten. Maximum und minimum der Temperatur ist 40° über und unter 0, die mittlere Temperatur des Aequators ist +20° R. Es giebt noch eine zufällige Temperatur die nicht mit den Breitengraden zusammenhängt. In Petersburg wo man seit 1772 genaue Beobach- tungen hat, sank das Thermometer einmal bis −39,2° R, in Berlin bis −21,5°. Mögler, der sich viel mit der mittlern Temperatur Berlin beschäftigt hat, fand in 27 Jahren nur 3 mal das Thermometer unter −20°, nemlich am 24 Jan: 1823, 1820 u. 1809; nur 4 mal unter −17° R. In Paris fiel es 1794 auf −18,8°; in Marseille (mittlere Temperatur +11,5), auf −13,5° im Jahre 1789. Die mittlere Kälte für Paris ist 8,5° R. für Berlin 〃 12,5. — für Petersburg 〃 24,5. — Eine sehr merkwürdige zufällige Kälte findet sich in der Geschichte der Araber. Als der Patriarch von Nicaea den Kalifen Al Mamum 829 p. C. nach Aegÿpten begleitete, fanden sie den Nil bei Kairo gefroren, welches Abdollatif genau berichtet. Es ist vorgekommen, daß es in Lissabon, Cadix, Algier und Kairo geschneit hat. Das schöne Klima, wo man dieser unangeneh-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

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Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription in Anonym (Hg.): Alexander von Humboldts Vorlesungen über physikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. Berlin, 1934. anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

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Zitationshilfe: [N. N.]: Alexander von Humboldts Vorlesungen über phÿsikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. [266]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2345_1827/272>, abgerufen am 27.11.2024.