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[N. N.]: Alexander von Humboldts Vorlesungen über phÿsikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.]

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Das Gewitter fängt an mit dem sonderbaren Phaenomen
des Wetterleuchtens mit dessen Erklärung man sich noch nicht
genug beschäftigt hat. Daß es ein fernes Gewitter sei ist nicht
gut anzunehmen, da es phosphorisches Licht hat [u.]und nie höher als 10°
vom Horizont gesehen wird.

Producte der Blitze sind die Blitzröhren. Man fand sie zuerst
in Westphalen; sie sind dem Reaumurschen Porzellan ähnlich [u.]und be-
stehen aus einer Verglasung des Sandes. Man kennt sie bis 30'
Länge. Auch unter den Tropen z. E. in Brasilien sind sie gefunden
[u.]und Clapperton fand sie in Afrika. Auf der Insel Amrum bei
Schleswig hat man es deutlich gesehen, daß sie entstanden wenn
der Blitz einschlug. Aehnliche Verglasungen hat man auf den Spitzen
der Berge gefunden. Mit diesen Erscheinungen darf man nicht
verwechseln:
die Aerolithen von denen ich schon bei dem Zodiakallichte hätte reden
sollen. Man hat lange an der Existenz der Steine welche vom Him-
mel fallen gezweifelt, obgleich in chinesischen, griech[: u.]ischen und römischen
Annalen davon gesprochen wurde [u.]und mongolische Fürsten sich Dolche
[u.]und Schwerdter hatten machen lassen. Erst 1794 hat Chladny die Sache
deutlicher gemacht. Als bei Agram Steinmassen niedergefallen waren,
nahm das bischöfl[:]iche Consistorium mit juristischer Genauigkeit eine
Urkunde von der Begebenheit auf [u.]und sandte sie hiemit nach Wien.
Dennoch hielt man es für eine Fabel. Als Pictet in der [unleserliches Material]Pariser
Academie von Steinfällen in Indien berichtete, welche dort am
26ten April 1803 viele tausend an der Zahl mit Knall [u.]und Feuer aus
272.
einer Wolke gefallen war,en, wurde er noch von der ganzen Ver-
sammlung ausgelacht. Diogenes v. Apollonia indeß sagt schon,

Das Gewitter fängt an mit dem sonderbaren Phaenomen
des Wetterleuchtens mit dessen Erklärung man sich noch nicht
genug beschäftigt hat. Daß es ein fernes Gewitter sei ist nicht
gut anzunehmen, da es phosphorisches Licht hat [u.]und nie höher als 10°
vom Horizont gesehen wird.

Producte der Blitze sind die Blitzröhren. Man fand sie zuerst
in Westphalen; sie sind dem Reaumurschen Porzellan ähnlich [u.]und be-
stehen aus einer Verglasung des Sandes. Man kennt sie bis 30′
Länge. Auch unter den Tropen z. E. in Brasilien sind sie gefunden
[u.]und Clapperton fand sie in Afrika. Auf der Insel Amrum bei
Schleswig hat man es deutlich gesehen, daß sie entstanden wenn
der Blitz einschlug. Aehnliche Verglasungen hat man auf den Spitzen
der Berge gefunden. Mit diesen Erscheinungen darf man nicht
verwechseln:
die Aërolithen von denen ich schon bei dem Zodiakallichte hätte reden
sollen. Man hat lange an der Existenz der Steine welche vom Him-
mel fallen gezweifelt, obgleich in chinesischen, griech[: u.]ischen und römischen
Annalen davon gesprochen wurde [u.]und mongolische Fürsten sich Dolche
[u.]und Schwerdter hatten machen lassen. Erst 1794 hat Chladnÿ die Sache
deutlicher gemacht. Als bei Agram Steinmassen niedergefallen waren,
nahm das bischöfl[:]iche Consistorium mit juristischer Genauigkeit eine
Urkunde von der Begebenheit auf [u.]und sandte sie hiemit nach Wien.
Dennoch hielt man es für eine Fabel. Als Pictet in der [unleserliches Material]Pariser
Academie von Steinfällen in Indien berichtete, welche dort am
26ten April 1803 viele tausend an der Zahl mit Knall [u.]und Feuer aus
272.
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sammlung ausgelacht. Diogenes v. Apollonia indeß sagt schon,

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[[279]/0285] Das Gewitter fängt an mit dem sonderbaren Phaenomen des Wetterleuchtens mit dessen Erklärung man sich noch nicht genug beschäftigt hat. Daß es ein fernes Gewitter sei ist nicht gut anzunehmen, da es phosphorisches Licht hat und nie höher als 10° vom Horizont gesehen wird. Producte der Blitze sind die Blitzröhren. Man fand sie zuerst in Westphalen; sie sind dem Reaumurschen Porzellan ähnlich und be- stehen aus einer Verglasung des Sandes. Man kennt sie bis 30′ Länge. Auch unter den Tropen z. E. in Brasilien sind sie gefunden und Clapperton fand sie in Afrika. Auf der Insel Amrum bei Schleswig hat man es deutlich gesehen, daß sie entstanden wenn der Blitz einschlug. Aehnliche Verglasungen hat man auf den Spitzen der Berge gefunden. Mit diesen Erscheinungen darf man nicht verwechseln: die Aërolithen von denen ich schon bei dem Zodiakallichte hätte reden sollen. Man hat lange an der Existenz der Steine welche vom Him- mel fallen gezweifelt, obgleich in chinesischen, griechischen und römischen Annalen davon gesprochen wurde und mongolische Fürsten sich Dolche und Schwerdter hatten machen lassen. Erst 1794 hat Chladnÿ die Sache deutlicher gemacht. Als bei Agram Steinmassen niedergefallen waren, nahm das bischöfliche Consistorium mit juristischer Genauigkeit eine Urkunde von der Begebenheit auf und sandte sie hiemit nach Wien. Dennoch hielt man es für eine Fabel. Als Pictet in der Pariser Academie von Steinfällen in Indien berichtete, welche dort am 26 April 1803 viele tausend an der Zahl mit Knall und Feuer aus einer Wolke gefallen waren, wurde er noch von der ganzen Ver- sammlung ausgelacht. Diogenes v. Apollonia indeß sagt schon, 272.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

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Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription in Anonym (Hg.): Alexander von Humboldts Vorlesungen über physikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. Berlin, 1934. anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

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Zitationshilfe: [N. N.]: Alexander von Humboldts Vorlesungen über phÿsikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. [279]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2345_1827/285>, abgerufen am 26.11.2024.