[N. N.]: Physikalische Geographie von Heinr. Alex. Freiherr v. Humboldt. [V]orgetragen im Wintersemester 1827/8. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.]10. Als Amerika entdeckt werden war und man dortMenschen fand, die zum Theil noch thierisch erschienen, da sie wie die wilden Thiere in den Wäldern lebten, und das Land ihnen nicht die Gelegenheit darbot, wie in Asien, Hirtenvölker zu werden, |: hauptsächlich auch wegen des Mangels an wiederkäuender Thiere; merkwürdig genug benutzten sie nicht den Pisang. Eben so war auch in China nicht einmal der Gebrauch der Milch bekannt, und auch in den Büchern ist ein davon die Rede, obgleich sie rings von Hirtenvölkern umgeben sind; eben so war es in Amerika. Wenn man nach dem westlichen v. Asien hinzieht so findet man lauter Hirtenvölker :|, so entstand zuerst die Frage, ob die Bewohner Amerikas ebenfalls als Menschen anzusehen seien; und trotz der Vorurtheile die da- mals herrschten, muß man doch der Wahrheit der Steuer sagen, daß eine eigne Bulle von den Päbsten gegeben wurde, die die Gemeinsamkeit der Menschen ausdrückte. Wenn daher die Sklaverei im 15ten und 16ten Jahrhundert zunahm, indem man die Caraiben und Neger verhandelte, so ist dieß nur als Industrie bei den plötzlich erwachenden Handelsstaaten anzusehen. 10. Als Amerika entdeckt werden war und man dortMenſchen fand, die zum Theil noch thieriſch erſchienen, da ſie wie die wilden Thiere in den Wäldern lebten, und das Land ihnen nicht die Gelegenheit darbot, wie in Aſien, Hirtenvölker zu werden, |: hauptſächlich auch wegen des Mangels an wiederkäuender Thiere; merkwürdig genug benutzten ſie nicht den Pisang. Eben ſo war auch in China nicht einmal der Gebrauch der Milch bekannt, und auch in den Büchern iſt ein davon die Rede, obgleich ſie rings von Hirtenvölkern umgeben ſind; eben ſo war es in Amerika. Wenn man nach dem weſtlichen v. Aſien hinzieht ſo findet man lauter Hirtenvölker :|, ſo entſtand zuerſt die Frage, ob die Bewohner Amerikas ebenfalls als Menſchen anzuſehen ſeien; und trotz der Vorurtheile die da- mals herrſchten, muß man doch der Wahrheit der Steuer ſagen, daß eine eigne Bulle von den Päbſten gegeben wurde, die die Gemeinsamkeit der Menſchen ausdrückte. Wenn daher die Sklaverei im 15ten und 16ten Jahrhundert zunahm, indem man die Caraiben und Neger verhandelte, ſo iſt dieß nur als Induſtrie bei den plötzlich erwachenden Handelsſtaaten anzuſehen. <TEI> <text> <body> <div type="session" n="60"> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0629" n="623"/><fw type="sig" place="top" hand="#pencil">10.<lb/></fw><lb/> Als Amerika entdeckt werden war und man dort<lb/> Menſchen fand, die zum Theil noch thieriſch erſchienen,<lb/> da ſie wie die wilden Thiere in den Wäldern lebten,<lb/> und das Land ihnen nicht die Gelegenheit darbot,<lb/> wie in Aſien, Hirtenvölker zu werden, <metamark>|:</metamark> hauptſächlich<lb/> auch wegen des Mangels an wiederkäuender Thiere;<lb/> merkwürdig genug benutzten ſie nicht den Pisang.<lb/> Eben ſo war auch in China nicht einmal der Gebrauch<lb/> der Milch bekannt, und auch in den Büchern iſt ein<lb/> davon die Rede, obgleich ſie rings von Hirtenvölkern<lb/> umgeben ſind; eben ſo war es in Amerika. Wenn<lb/> man nach dem weſtlichen v. Aſien hinzieht ſo findet man<lb/> lauter Hirtenvölker <metamark>:|</metamark>, ſo entſtand zuerſt die Frage,<lb/> ob die Bewohner Amerikas ebenfalls als Menſchen<lb/> anzuſehen ſeien; und trotz der Vorurtheile die da-<lb/> mals herrſchten, muß man doch der Wahrheit der<lb/> Steuer ſagen, daß eine eigne Bulle von den Päbſten<lb/> gegeben wurde, die die Gemeinsamkeit der Menſchen<lb/> ausdrückte. Wenn daher die Sklaverei im 15ten und<lb/> 16ten Jahrhundert zunahm, indem man die Caraiben<lb/> und Neger verhandelte, ſo iſt dieß nur als Induſtrie<lb/> bei den plötzlich erwachenden Handelsſtaaten anzuſehen.<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [623/0629]
10.
Als Amerika entdeckt werden war und man dort
Menſchen fand, die zum Theil noch thieriſch erſchienen,
da ſie wie die wilden Thiere in den Wäldern lebten,
und das Land ihnen nicht die Gelegenheit darbot,
wie in Aſien, Hirtenvölker zu werden, |: hauptſächlich
auch wegen des Mangels an wiederkäuender Thiere;
merkwürdig genug benutzten ſie nicht den Pisang.
Eben ſo war auch in China nicht einmal der Gebrauch
der Milch bekannt, und auch in den Büchern iſt ein
davon die Rede, obgleich ſie rings von Hirtenvölkern
umgeben ſind; eben ſo war es in Amerika. Wenn
man nach dem weſtlichen v. Aſien hinzieht ſo findet man
lauter Hirtenvölker :|, ſo entſtand zuerſt die Frage,
ob die Bewohner Amerikas ebenfalls als Menſchen
anzuſehen ſeien; und trotz der Vorurtheile die da-
mals herrſchten, muß man doch der Wahrheit der
Steuer ſagen, daß eine eigne Bulle von den Päbſten
gegeben wurde, die die Gemeinsamkeit der Menſchen
ausdrückte. Wenn daher die Sklaverei im 15ten und
16ten Jahrhundert zunahm, indem man die Caraiben
und Neger verhandelte, ſo iſt dieß nur als Induſtrie
bei den plötzlich erwachenden Handelsſtaaten anzuſehen.
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Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Humboldt-Universität zu Berlin: Projektträger
Hidden Kosmos: Reconstructing A. v. Humboldt’s »Kosmos-Lectures« (Leitung Prof. Dr. Christian Kassung): Finanzierung der Bild- und Volltextdigitalisierung
Ibero-Amerikanisches Institut Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Edition: Im Manuskript fehlt ein Blatt (S. 359–360), aus technischen Gründen wurde auf die Einschaltung von zwei Leerseiten im Digitalisat verzichtet. Ein entsprechendes Tag weist an der betreffenden Stelle darauf hin. Zwei Blätter sind vom Schreiber falsch paginiert und falsch gebunden (S. 291–294). Die Reihenfolge der Bilder wurde korrigiert, die dementsprechend korrigierten Seitenzahlen wurden durch eckige Klammern gekennzeichnet. Vom Schreiber selbst berichtigte Seitenzahlen wurden ebenfalls durch eckige Klammern gekennzeichnet.
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