Neue Rheinische Zeitung. Nr. 3. Köln, 3. Juni 1848.Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No 3. Köln, Samstag 3. Juni 1848Die "Neue Rheinische Zeitung" erscheint vom 1. Juni an täglich. Der Abonnementspreis beträgt: Für das Vierteljahr in Köln 1 Thlr. 15 Sgr.; für alle übrigen Orte Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Außerhalb Preußens mit Zuschlag des fremden Zeitungsporto's. Das Abonnement für den Monat Juni kann nur unter gleichzeitiger Bestellung des nächsten Quartals (Juli, August, September) geschehen. Der Preis dieses viermonatlichen Abonnements beträgt: Für Köln 2 Thlr.; auswärts 2 Thlr. 25 Sgr. Man abonnirt bei allen Postanstalten und Buchhandlungen des In- und Auslandes; - für Köln in der Expedition der Zeitung bei Hrn. W. Clouth, St. Agatha 12, Köln. Fernere Aktienzeichnungen werden entgegen genommen in der Expedition der Zeitung. Auswärtige werden gebeten, sich ebenfalls dorthin franco zu wenden. Insertionsgebühren. Für die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum . . . 1 Sgr. 6 Pf. Die Expedition der "Neuen Rheinischen Zeitung." Redaktions-Comite. Karl Marx, Redakteur en Chef. Heinrich Bürgers, Ernst Dronke, Friedrich Engels, Georg Weerth, Ferdinand Wolff, Wilhelm Wolff, Redakteure.Uebersicht. Deutschland. Köln (Adresse der Stollwerk'schen Versammlung. - Camphausens Erklärung in der Sitzung vom 30. Mai. - Neue Unruhen in Berlin). Berlin (Aschoff. - Sitzung der Nationalversammlung vom 30. und 31. Mai. - Brief aus Posen). Frankfurt (Nationalversammlung. Mainz Erklärung des Stadtvorstandes). Stuttgart (Bürgerwehr). Donaueschingen (Baierische Truppen eingerückt). Schleswig-Holstein (Niederlage der deutschen Truppen bei Sundewitt). Ungarn. Pesth (Jellachich). Belgien. Brüssel (liberale Kandidaten). Italien. Turin (Proklamation Karl Alberts an die Venetianer). - Neapel (Details. - Reaktion). Mailand (Gefecht bei Vicenza). Französische Republik. Paris (Sitzung der Nationalversammlung vom 30. und 31. Mai. Antrag auf Louis Blanc's Verhaftung. - Bericht über den 15. Mai). Spanien. Madrid (die Insurgenten von Sevilla in Portugal entwaffnet). Großbrittanien. London (Emigrationspläne. - Parlamentsverhandlungen. - Schlappen des Ministeriums). Bradford, Oldham (Arbeiter-Unruhen). Manchester (Neuestes). Polen. Krakau (Landtag). Amerika. Neu-York (Erklärung Polks. - Kongreßdebatten. - Yucatan und die Indianer). Handels- und Börsennachrichten. Deutschland. Köln, 2. Juni. In der gestrigen Versammlung der demokratischen Gesellschaft im Stollwerk'schen Saale wurde nachstehende Adresse an die constituirende Versammlung in Berlin berathen, angenommen und sofort mit zahlreichen Unterschriften versehen. Hohe Versammlung! Nachdem eine Anerkennung des Rechtes der Völker zur Selbstregierung bereits eine unabweisbare Nothwendigkeit für die bisherigen Inhaber der Macht geworden war, schien das Versprechen unseres Königs, daß Preußen fortan in Deutschland aufgehen und entschieden an die Spitze der Bewegung treten werde, für die ersehnte Einheit und Freiheit neue Vorkämpfer in Preußen zu verheißen. Auch diese Erwartung ist wiederum getäuscht worden. Mag Preußens Auftreten in Schleswig-Holstein Entschuldigung finden, mögen immerhin die von der öffentlichen Meinung bezeichneten Anträge und Einflüsse der preußischen Regierung bei dem deutschen Bundestage nicht in Wahrheit beruhen; - noch hat diese Regierung keine Handlung aufzuweisen, aus der ein wahres Anschließen an die Bewegung Deutschlands nach Einheit und Freiheit zu ersehen wäre. Die Stimme des Volkes hat bereits wiederholt und laut das Zusammentreten der Versammlung für die Verfassung Preußens vor der Beendigung des Verfassungswerks durch die deutsche Nationalversammlung als friedlich und gefahrdrohend für die Einheit Deutschlands bezeichnet. Mehr aber noch als die Einheit sehen jetzt die unterzeichneten Bürger Köln's die Freiheit des Volkes, seine Souveränität durch Vorlage des Entwurfs zur Vereinbarung der preuß. Verfassung bedroht. Eine mißlungene Nachahmung der belgischen Verfassung, übergeht der Entwurf manche bedeutendern Institutionen, welche von dem Volke schon errungen, als die nothwendigsten Garantieen seiner Freiheit erschienen ; manche sind spätern Gesetzen vorbehalten; während andere offenbar das Prinzip der Volkssouveränität verletzen. Weder im Prinzip noch in den einzelnen Sätzen wird anerkannt, daß die Staatsgewalt aus dem allgemeinen Volkswillen entspringt, sondern geradezu der Grundsatz des Absolutismus festgehalten: der König steht über der Verfassung als das unmittelbar "von Gottes Gnaden" zwischen Gott und den Menschen gesetzte höhere Wesen; dem schwachen Volke ist nur eine Theilnahme an den Angelegenheiten des Staates gewährt! Das Heer und die Beamten müssen dem Könige und der Verfassung Treue und Gehorsam schwören. Der König besetzt alle Staatsämter und alle Stellen im Heere. Ohne seine Einwilligung kann kein Gesetz gegeben werden. Die Staatsbürger sind nicht vor dem Gesetze gleichgestellt, solange dem Könige die Verleihung des Adels und anderer Auszeichnungen zusteht ; das Heer vom Versammlungs- und Petitionsrecht ausgeschlossen bleibt; das Vermögen Bedingung des Eintritts in eine sogenannte erste Kammer sein soll. Nähere Bestimmungen über die Gewährleistung der persönlichen Freiheit, über die Unverletzlichkeit der Wohnung sind nicht gegeben. Die völlige Trennung der Kirche vom Staate ist nicht anerkannt. Die Freiheit des Unterichts wird ausgesprochen, aber durch die Verweisung auf die bestehenden Gesetze wieder aufgehoben ; die Unverletzlichkeit des Briefgeheimnisses durch die aufgestellten Ausnahmen ein illusorische. Die Presse ist zwar freigegeben, aber durch die bestehenden Polizeigesetze, durch Porto und Stempel gehemmt; das Versammlungsrecht unter freiem Himmel der Polizeiwillkühr überlassen. Wahlberechtigung und Wählbarkeit sollen durch spätere Gesetze regulirt werden. In Civil- und Kriminalprozeßsachen ist die Mündlichkeit nicht einmal als Regel ausgesprochen; die Oeffentlichkeit bei Civilsachen in Frage gestellt. Die mit schweren Strafen bedrohten Handlungen, so wie die politischen und Preßvergehen sind nicht vollständig oder wenigstens nicht unzweideutig der Beurtheilung der Geschwornen unterworfen. In Betreff der Kompetenz der Gerichte und Verwaltungsbehörden wird auf das Gesetz verwiesen ; die Entscheidung über die Konflikte nicht einzig der Gerichten übertragen. Statt Festsetzung einer Civilliste verbleibt das Gesetz über das sog. Kronfideikommiß. Von einer allgemeinen Volksbewaffnung, eine allmähliche Verminderung des Heeres, Verschmelzung desselben mit dem Staatsbürgerthum, einer Veränderung des Polizeiwesens und des Beamtenthums, Unabhängigkeit des Gemeindewesens ist nirgendwo die Rede. Die Unentgeltlichkeit des Unterrichtes wird nicht als nothwendig anerkannt, des Armenwesens mit keinem Worte gedacht. Alle sozialen Fragen der Zeit werden ignorirt; und endlich wird auch für die Zukunft die Aussicht auf eine genügende Feststellung der in Frage gelassenen Institutionen, dadurch völlig abgeschnitten, daß statt einer Volkskammer noch eine erste Kammer errichtet ist. Ihre Zusammenstellung, die Dauer und Erblichkeit der Pairie, ihr Veto in der Gesetzgebung, stellt eine neue Aristokratie neben die aus allgemeiner Wahl hervorgegangenen Volksvertreter und tritt durch ihren schneidenden Eingriffe in das Princip der Volkssouveränität am meisten verletzend dem Gefühle und dem allgemeinen Willen der übrigen Staatsbürger entgegen. Demnach tragen die unterzeichneten Bürger Köln's bei der hohen Versammlung dahin an: Die Vorlage zur Vereinbarung einer Verfassung zurückzuweisen, und insofern es schon vor der Vollendung des Verfassungswerkes durch die deutsche Nationalversammlung möglich sein sollte, als konstituirende Versammlung die preußische Verfassung auf neuer Grundlage festzustellen. **Köln, 2. Juni.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. Humoristische Skizzen aus dem deutschen Handelsleben.
Von Georg Weerth. Der Herr Preiß in Nöthen. (Fortsetzung.) Nach jener welterschütternden Nachricht der Berliner Revolution hatte der Herr Preiß einen kläglichen Tag verlebt. Da kam die schwarze Nacht und seine Angst stieg um zwanzig Prozent. Die Nacht ist keines Menschen Freund, dachte der Herr Preiß und suchte in seinem Pult nach zwei alten türkischen Pistolen, die ihm einst sein Großonkel, mütterlicher Seite, von einer Entdeckungsreise in den Orient mitgebracht hatte. Er schickte in die Apotheke und ließ sieben Loth Pulver fordern, Prima Qualität. Kugeln fehlten ihm - er nahm zwei Agatkugeln aus seinem Petschaft. Nach dem Abendessen, welches lautlos und in ängstlicher Erwartung der Dinge die da kommen sollten, verzehrt wurde, verriegelte Herr Preiß eigenhändig alle Thüren des Hauses. Ein Dogge, halbe Race, wurde in der Küche hinter dem Fensterladen angebunden; ein Nachtlicht brannte auf der Hausflur. Gegen 11 Uhr schlich der würdige Mann mit todesverächtlicher Miene die Treppe hinauf in sein Schlafgemach. Tiefe Stille. Es war sehr unheimlich. - - Jedenfalls siehst du einmal unter dein Bett! dachte Herr Preiß - - die eine türkische Pistole in der Hand bückte er sich mühsam und voll schauerlicher Freude überzeugte er sich davon, daß alles in Ordnung, daß kein Schinderhannes zugegen und daß nur der weiße unschuldige Nachttopf ruhig urd gelassen da stand in der Fülle seiner harmonischen Formen. Wie es jeder Fromme zu thur pflegt, zog der Herr Preiß auch diesmal vor dem Nachtgebet seine Uhr auf, eine Genfer Repetier Uhr, laufend in sechs falschen Diamanten. Dann eine baumwollene Mütze mit großem Quast aus der Komode ziehend, krönte er sein müdes Haupt bis tief über die Ohren. Die Unterhose kannst du anbehalten ... murmelte er. Man kann nicht wissen, wofür es gut ist; auch die Strümpfe werde ich nimmer ausziehen; man weiß nicht was passirt .... Da setzte er den Fuß auf die Lehne des Bettes. Also dastehend in weißer Unterhose, in baumwollener Nachtmütze, und das eine Bein auf dem Rande des Lagers empfahl Herr Preiß sich dem allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erde, und noch einmal hinaushorchend, ob sich auch gar nichts rege da draußen in der revolutionären Außenwelt, taumelte er dann mit einem kühnen salto mortale in die sanften vaterländischen Kissen. Auf dem Nachttisch aber lagen die zwei türkischen Pistolen, ein Federmesser und drei Dutzend Schwefelhölzer. Mehrere Stunden mogte der Schlafende ruhig geschnarcht haben, da neigte sich der Träume lieblicher Gott über die baumwollene Nachtmütze des würdigen Handelsherrn und ließ ihn träumen folgenden Traum. Der Herr Preiß träumte, alle Zahlen seines großen Hauptbuches hätten ein Komplot, eine Konspiration gegen sämmtliche Nullen desselben gebildet. Die Nullen, weil iheer zwei hinter Eins: Hundert, und weil ihrer fünf hinter Eins: Hunderttausend ausmachen, hatten nemlich seit undenklicher Zeit behauptet, daß sie allein Werth und Wichtigkeit in der Welt hätten und daß alle übrigen Zahlen nur existirten um ihnen wohlgefällig zu sein. Bei öffentlichen Gelegenheiten in Adressen und Proklamationen vergaßen sie nie, diese Ansicht geltend zu machen und wenn die guten geduldigen Zahlen Einwendungen zu machen suchten, so wurden sie höchstens ausgelacht und mit einem Rüffel von wegen ihres beschränkten Unterthanenverstandes wieder entlassen. "Wir, vor Gottes Gnaden, Null" - hatte manche dicke Null in dergleichen Fällen gesagt "thun hiermit kund und geben zu wissen, daß ihr dummen, aber zudringlichen Zahlen euch jeglicher Einmischung in unsre Kraft und Herrlichkeit enthalten sollt, widrigenfalls wir euch laut einem funkelnagelneuen Strafgesetzentwurf mit Knitteln, Bajonetten Kartätschen und Shrapnell's allerhöchst vom Leben zum Tode befördern werden." In solchem Style, umwunden von einigen bürokratischen Verblümungen, beliebten die Nullen ihre Weisheit den Zahlen gegenüber an den Tag zu legen und wie ein ehrlicher Mann Vieles glaubt , wenn es ihm nur mit dem gehörigen Nachdruck gesagt wird , so glaubten auch die Zahlen bald an das , was ihnen die Nullen vortrugen und es konnte nicht fehlen , daß sich mit der Zeit zwischen beiden Parteien das allerschönste Unterthanen-Verhältniß entwickelte und schnell eine ganze Hetze von königlichen, kaiserlichen, fürstlichen, landgräflichen und ähnlichen Nullen , gleich einem Heuschreckenschwarme das Land bedeckte. Die Zahlen , als schlichte , biedere Staatsbürger , die sich lieber mit ihren Gewerben, mit Künsten und Wissenschaften, als mit groben Nullen abgaben, hatten kaum gemerkt , daß die letztern sich mit jedem Tage fester und feister fraßen. Sie fuhren mit vieren, sie schossen alle Hasen , sie fraßen Eis en vanille und rochen wohlriechend. Dazu liebten sie ihrer Untergebenen Schweiß und Blut; beides zapften sie ab und tranken es zum Wohle ihrer Staaten. Bei dieser guten Lebensart wurden sie je länger , je lieber, immer aufgeblasener und hochmüthiger. Sie stifteten Zerwürfnisse durch ihre Strafentwürfnisse, sie preßten durch ihre Preßgesetze ; sie verboten das Singen und das Reden, ja beinahe das Husten und das Pissen. Da brach den Unterthanen die Geduld ; sie kamen zusammen in kleinen Waschzetteln und Wirthshausrechnungen; sie überlegten was zu thun sei und entwarfen folgende Adresse an die zunächst residirende Herrschaft : "Allerdurchlauchtigste Majestät, allergnädigster König und Null ! Ew. null und nichtigen Hoheit erlauben wir uns hierdurch die friedliche Bemerkung zu machen, daß wir zwar gern Dero Wichtigkeit in so weit anerkennen, als die Null überhaupt im Decimal- und sonstigen Rechnungssystem Bedeutung hat, daß wir aber sehr bezweifeln, ob Ew. königl. Null noch dann irgend einen Werth hätte, wenn Ihr nicht stets eine bürgerliche Zahl vorherginge. Indem wir daher Ew. null und nichtigen Hoheit dringend anempfehlen, gütigst sofort die Souveränetät der Zahlen eintreten lassen zu wollen, verharren und ersterben wir freundschaftlichst und ergebenst Ew. königl. Null, betreffende Zahlen : Ein, Zwei, Drei, Vier, Fünf, Sechs, Sieben, Acht und Neun." (Forts. folgt.) Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No 3. Köln, Samstag 3. Juni 1848Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Der Abonnementspreis beträgt: Für das Vierteljahr in Köln 1 Thlr. 15 Sgr.; für alle übrigen Orte Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Außerhalb Preußens mit Zuschlag des fremden Zeitungsporto's. Das Abonnement für den Monat Juni kann nur unter gleichzeitiger Bestellung des nächsten Quartals (Juli, August, September) geschehen. Der Preis dieses viermonatlichen Abonnements beträgt: Für Köln 2 Thlr.; auswärts 2 Thlr. 25 Sgr. Man abonnirt bei allen Postanstalten und Buchhandlungen des In- und Auslandes; ‒ für Köln in der Expedition der Zeitung bei Hrn. W. Clouth, St. Agatha 12, Köln. Fernere Aktienzeichnungen werden entgegen genommen in der Expedition der Zeitung. Auswärtige werden gebeten, sich ebenfalls dorthin franco zu wenden. Insertionsgebühren. Für die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum . . . 1 Sgr. 6 Pf. Die Expedition der „Neuen Rheinischen Zeitung.“ Redaktions-Comité. Karl Marx, Redakteur en Chef. Heinrich Bürgers, Ernst Dronke, Friedrich Engels, Georg Weerth, Ferdinand Wolff, Wilhelm Wolff, Redakteure.Uebersicht. Deutschland. Köln (Adresse der Stollwerk'schen Versammlung. ‒ Camphausens Erklärung in der Sitzung vom 30. Mai. ‒ Neue Unruhen in Berlin). Berlin (Aschoff. ‒ Sitzung der Nationalversammlung vom 30. und 31. Mai. ‒ Brief aus Posen). Frankfurt (Nationalversammlung. Mainz Erklärung des Stadtvorstandes). Stuttgart (Bürgerwehr). Donaueschingen (Baierische Truppen eingerückt). Schleswig-Holstein (Niederlage der deutschen Truppen bei Sundewitt). Ungarn. Pesth (Jellachich). Belgien. Brüssel (liberale Kandidaten). Italien. Turin (Proklamation Karl Alberts an die Venetianer). ‒ Neapel (Details. ‒ Reaktion). Mailand (Gefecht bei Vicenza). Französische Republik. Paris (Sitzung der Nationalversammlung vom 30. und 31. Mai. Antrag auf Louis Blanc's Verhaftung. ‒ Bericht über den 15. Mai). Spanien. Madrid (die Insurgenten von Sevilla in Portugal entwaffnet). Großbrittanien. London (Emigrationspläne. ‒ Parlamentsverhandlungen. ‒ Schlappen des Ministeriums). Bradford, Oldham (Arbeiter-Unruhen). Manchester (Neuestes). Polen. Krakau (Landtag). Amerika. Neu-York (Erklärung Polks. ‒ Kongreßdebatten. ‒ Yucatan und die Indianer). Handels- und Börsennachrichten. Deutschland. Köln, 2. Juni. In der gestrigen Versammlung der demokratischen Gesellschaft im Stollwerk'schen Saale wurde nachstehende Adresse an die constituirende Versammlung in Berlin berathen, angenommen und sofort mit zahlreichen Unterschriften versehen. Hohe Versammlung! Nachdem eine Anerkennung des Rechtes der Völker zur Selbstregierung bereits eine unabweisbare Nothwendigkeit für die bisherigen Inhaber der Macht geworden war, schien das Versprechen unseres Königs, daß Preußen fortan in Deutschland aufgehen und entschieden an die Spitze der Bewegung treten werde, für die ersehnte Einheit und Freiheit neue Vorkämpfer in Preußen zu verheißen. Auch diese Erwartung ist wiederum getäuscht worden. Mag Preußens Auftreten in Schleswig-Holstein Entschuldigung finden, mögen immerhin die von der öffentlichen Meinung bezeichneten Anträge und Einflüsse der preußischen Regierung bei dem deutschen Bundestage nicht in Wahrheit beruhen; ‒ noch hat diese Regierung keine Handlung aufzuweisen, aus der ein wahres Anschließen an die Bewegung Deutschlands nach Einheit und Freiheit zu ersehen wäre. Die Stimme des Volkes hat bereits wiederholt und laut das Zusammentreten der Versammlung für die Verfassung Preußens vor der Beendigung des Verfassungswerks durch die deutsche Nationalversammlung als friedlich und gefahrdrohend für die Einheit Deutschlands bezeichnet. Mehr aber noch als die Einheit sehen jetzt die unterzeichneten Bürger Köln's die Freiheit des Volkes, seine Souveränität durch Vorlage des Entwurfs zur Vereinbarung der preuß. Verfassung bedroht. Eine mißlungene Nachahmung der belgischen Verfassung, übergeht der Entwurf manche bedeutendern Institutionen, welche von dem Volke schon errungen, als die nothwendigsten Garantieen seiner Freiheit erschienen ; manche sind spätern Gesetzen vorbehalten; während andere offenbar das Prinzip der Volkssouveränität verletzen. Weder im Prinzip noch in den einzelnen Sätzen wird anerkannt, daß die Staatsgewalt aus dem allgemeinen Volkswillen entspringt, sondern geradezu der Grundsatz des Absolutismus festgehalten: der König steht über der Verfassung als das unmittelbar „von Gottes Gnaden“ zwischen Gott und den Menschen gesetzte höhere Wesen; dem schwachen Volke ist nur eine Theilnahme an den Angelegenheiten des Staates gewährt! Das Heer und die Beamten müssen dem Könige und der Verfassung Treue und Gehorsam schwören. Der König besetzt alle Staatsämter und alle Stellen im Heere. Ohne seine Einwilligung kann kein Gesetz gegeben werden. Die Staatsbürger sind nicht vor dem Gesetze gleichgestellt, solange dem Könige die Verleihung des Adels und anderer Auszeichnungen zusteht ; das Heer vom Versammlungs- und Petitionsrecht ausgeschlossen bleibt; das Vermögen Bedingung des Eintritts in eine sogenannte erste Kammer sein soll. Nähere Bestimmungen über die Gewährleistung der persönlichen Freiheit, über die Unverletzlichkeit der Wohnung sind nicht gegeben. Die völlige Trennung der Kirche vom Staate ist nicht anerkannt. Die Freiheit des Unterichts wird ausgesprochen, aber durch die Verweisung auf die bestehenden Gesetze wieder aufgehoben ; die Unverletzlichkeit des Briefgeheimnisses durch die aufgestellten Ausnahmen ein illusorische. Die Presse ist zwar freigegeben, aber durch die bestehenden Polizeigesetze, durch Porto und Stempel gehemmt; das Versammlungsrecht unter freiem Himmel der Polizeiwillkühr überlassen. Wahlberechtigung und Wählbarkeit sollen durch spätere Gesetze regulirt werden. In Civil- und Kriminalprozeßsachen ist die Mündlichkeit nicht einmal als Regel ausgesprochen; die Oeffentlichkeit bei Civilsachen in Frage gestellt. Die mit schweren Strafen bedrohten Handlungen, so wie die politischen und Preßvergehen sind nicht vollständig oder wenigstens nicht unzweideutig der Beurtheilung der Geschwornen unterworfen. In Betreff der Kompetenz der Gerichte und Verwaltungsbehörden wird auf das Gesetz verwiesen ; die Entscheidung über die Konflikte nicht einzig der Gerichten übertragen. Statt Festsetzung einer Civilliste verbleibt das Gesetz über das sog. Kronfideikommiß. Von einer allgemeinen Volksbewaffnung, eine allmähliche Verminderung des Heeres, Verschmelzung desselben mit dem Staatsbürgerthum, einer Veränderung des Polizeiwesens und des Beamtenthums, Unabhängigkeit des Gemeindewesens ist nirgendwo die Rede. Die Unentgeltlichkeit des Unterrichtes wird nicht als nothwendig anerkannt, des Armenwesens mit keinem Worte gedacht. 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Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. Humoristische Skizzen aus dem deutschen Handelsleben.
Von Georg Weerth. Der Herr Preiß in Nöthen. (Fortsetzung.) Nach jener welterschütternden Nachricht der Berliner Revolution hatte der Herr Preiß einen kläglichen Tag verlebt. Da kam die schwarze Nacht und seine Angst stieg um zwanzig Prozent. Die Nacht ist keines Menschen Freund, dachte der Herr Preiß und suchte in seinem Pult nach zwei alten türkischen Pistolen, die ihm einst sein Großonkel, mütterlicher Seite, von einer Entdeckungsreise in den Orient mitgebracht hatte. Er schickte in die Apotheke und ließ sieben Loth Pulver fordern, Prima Qualität. Kugeln fehlten ihm ‒ er nahm zwei Agatkugeln aus seinem Petschaft. Nach dem Abendessen, welches lautlos und in ängstlicher Erwartung der Dinge die da kommen sollten, verzehrt wurde, verriegelte Herr Preiß eigenhändig alle Thüren des Hauses. Ein Dogge, halbe Race, wurde in der Küche hinter dem Fensterladen angebunden; ein Nachtlicht brannte auf der Hausflur. Gegen 11 Uhr schlich der würdige Mann mit todesverächtlicher Miene die Treppe hinauf in sein Schlafgemach. Tiefe Stille. Es war sehr unheimlich. ‒ ‒ Jedenfalls siehst du einmal unter dein Bett! dachte Herr Preiß ‒ ‒ die eine türkische Pistole in der Hand bückte er sich mühsam und voll schauerlicher Freude überzeugte er sich davon, daß alles in Ordnung, daß kein Schinderhannes zugegen und daß nur der weiße unschuldige Nachttopf ruhig urd gelassen da stand in der Fülle seiner harmonischen Formen. Wie es jeder Fromme zu thur pflegt, zog der Herr Preiß auch diesmal vor dem Nachtgebet seine Uhr auf, eine Genfer Repetier Uhr, laufend in sechs falschen Diamanten. Dann eine baumwollene Mütze mit großem Quast aus der Komode ziehend, krönte er sein müdes Haupt bis tief über die Ohren. Die Unterhose kannst du anbehalten … murmelte er. Man kann nicht wissen, wofür es gut ist; auch die Strümpfe werde ich nimmer ausziehen; man weiß nicht was passirt …. Da setzte er den Fuß auf die Lehne des Bettes. Also dastehend in weißer Unterhose, in baumwollener Nachtmütze, und das eine Bein auf dem Rande des Lagers empfahl Herr Preiß sich dem allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erde, und noch einmal hinaushorchend, ob sich auch gar nichts rege da draußen in der revolutionären Außenwelt, taumelte er dann mit einem kühnen salto mortale in die sanften vaterländischen Kissen. Auf dem Nachttisch aber lagen die zwei türkischen Pistolen, ein Federmesser und drei Dutzend Schwefelhölzer. Mehrere Stunden mogte der Schlafende ruhig geschnarcht haben, da neigte sich der Träume lieblicher Gott über die baumwollene Nachtmütze des würdigen Handelsherrn und ließ ihn träumen folgenden Traum. Der Herr Preiß träumte, alle Zahlen seines großen Hauptbuches hätten ein Komplot, eine Konspiration gegen sämmtliche Nullen desselben gebildet. 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Bei öffentlichen Gelegenheiten in Adressen und Proklamationen vergaßen sie nie, diese Ansicht geltend zu machen und wenn die guten geduldigen Zahlen Einwendungen zu machen suchten, so wurden sie höchstens ausgelacht und mit einem Rüffel von wegen ihres beschränkten Unterthanenverstandes wieder entlassen. „Wir, vor Gottes Gnaden, Null“ ‒ hatte manche dicke Null in dergleichen Fällen gesagt „thun hiermit kund und geben zu wissen, daß ihr dummen, aber zudringlichen Zahlen euch jeglicher Einmischung in unsre Kraft und Herrlichkeit enthalten sollt, widrigenfalls wir euch laut einem funkelnagelneuen Strafgesetzentwurf mit Knitteln, Bajonetten Kartätschen und Shrapnell's allerhöchst vom Leben zum Tode befördern werden.“ In solchem Style, umwunden von einigen bürokratischen Verblümungen, beliebten die Nullen ihre Weisheit den Zahlen gegenüber an den Tag zu legen und wie ein ehrlicher Mann Vieles glaubt , wenn es ihm nur mit dem gehörigen Nachdruck gesagt wird , so glaubten auch die Zahlen bald an das , was ihnen die Nullen vortrugen und es konnte nicht fehlen , daß sich mit der Zeit zwischen beiden Parteien das allerschönste Unterthanen-Verhältniß entwickelte und schnell eine ganze Hetze von königlichen, kaiserlichen, fürstlichen, landgräflichen und ähnlichen Nullen , gleich einem Heuschreckenschwarme das Land bedeckte. Die Zahlen , als schlichte , biedere Staatsbürger , die sich lieber mit ihren Gewerben, mit Künsten und Wissenschaften, als mit groben Nullen abgaben, hatten kaum gemerkt , daß die letztern sich mit jedem Tage fester und feister fraßen. Sie fuhren mit vieren, sie schossen alle Hasen , sie fraßen Eis en vanille und rochen wohlriechend. Dazu liebten sie ihrer Untergebenen Schweiß und Blut; beides zapften sie ab und tranken es zum Wohle ihrer Staaten. Bei dieser guten Lebensart wurden sie je länger , je lieber, immer aufgeblasener und hochmüthiger. Sie stifteten Zerwürfnisse durch ihre Strafentwürfnisse, sie preßten durch ihre Preßgesetze ; sie verboten das Singen und das Reden, ja beinahe das Husten und das Pissen. Da brach den Unterthanen die Geduld ; sie kamen zusammen in kleinen Waschzetteln und Wirthshausrechnungen; sie überlegten was zu thun sei und entwarfen folgende Adresse an die zunächst residirende Herrschaft : „Allerdurchlauchtigste Majestät, allergnädigster König und Null ! 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Mag Preußens Auftreten in Schleswig-Holstein Entschuldigung finden, mögen immerhin die von der öffentlichen Meinung bezeichneten Anträge und Einflüsse der preußischen Regierung bei dem deutschen Bundestage nicht in Wahrheit beruhen; ‒ noch hat diese Regierung keine Handlung aufzuweisen, aus der ein wahres Anschließen an die Bewegung Deutschlands nach Einheit und Freiheit zu ersehen wäre. Die Stimme des Volkes hat bereits wiederholt und laut das Zusammentreten der Versammlung für die Verfassung Preußens vor der Beendigung des Verfassungswerks durch die deutsche Nationalversammlung als friedlich und gefahrdrohend für die Einheit Deutschlands bezeichnet. Mehr aber noch als die Einheit sehen jetzt die unterzeichneten Bürger Köln's die Freiheit des Volkes, seine Souveränität durch Vorlage des Entwurfs zur Vereinbarung der preuß. Verfassung bedroht.</p> <p>Eine mißlungene Nachahmung der belgischen Verfassung, übergeht der Entwurf manche bedeutendern Institutionen, welche von dem Volke schon errungen, als die nothwendigsten Garantieen seiner Freiheit erschienen ; manche sind spätern Gesetzen vorbehalten; während andere offenbar das Prinzip der Volkssouveränität verletzen.</p> <p>Weder im Prinzip noch in den einzelnen Sätzen wird anerkannt, daß die Staatsgewalt aus dem allgemeinen Volkswillen entspringt, sondern geradezu der Grundsatz des Absolutismus festgehalten: der König steht über der Verfassung als das unmittelbar „von Gottes Gnaden“ zwischen Gott und den Menschen gesetzte höhere Wesen; dem schwachen Volke ist nur eine Theilnahme an den Angelegenheiten des Staates gewährt!</p> <p>Das Heer und die Beamten müssen dem <hi rendition="#g">Könige</hi> und der Verfassung Treue und Gehorsam schwören.</p> <p>Der König besetzt alle Staatsämter und alle Stellen im Heere. Ohne seine Einwilligung kann kein Gesetz gegeben werden.</p> <p>Die Staatsbürger sind nicht vor dem Gesetze gleichgestellt, solange dem Könige die Verleihung des Adels und anderer Auszeichnungen zusteht ; das Heer vom Versammlungs- und Petitionsrecht ausgeschlossen bleibt; das Vermögen Bedingung des Eintritts in eine sogenannte erste Kammer sein soll.</p> <p>Nähere Bestimmungen über die Gewährleistung der persönlichen Freiheit, über die Unverletzlichkeit der Wohnung sind nicht gegeben. Die völlige Trennung der Kirche vom Staate ist nicht anerkannt.</p> <p>Die Freiheit des Unterichts wird ausgesprochen, aber durch die Verweisung auf die <hi rendition="#g">bestehenden</hi> Gesetze wieder aufgehoben ; die Unverletzlichkeit des Briefgeheimnisses durch die aufgestellten Ausnahmen ein illusorische.</p> <p>Die Presse ist zwar freigegeben, aber durch die bestehenden Polizeigesetze, durch Porto und Stempel gehemmt; das Versammlungsrecht unter freiem Himmel der Polizeiwillkühr überlassen.</p> <p>Wahlberechtigung und Wählbarkeit sollen durch spätere Gesetze regulirt werden.</p> <p>In Civil- und Kriminalprozeßsachen ist die Mündlichkeit nicht einmal als Regel ausgesprochen; die Oeffentlichkeit bei Civilsachen in Frage gestellt. Die mit schweren Strafen bedrohten Handlungen, so wie die politischen und Preßvergehen sind nicht vollständig oder wenigstens nicht unzweideutig der Beurtheilung der Geschwornen unterworfen.</p> <p>In Betreff der Kompetenz der Gerichte und Verwaltungsbehörden wird auf das Gesetz verwiesen ; die Entscheidung über die Konflikte nicht einzig der Gerichten übertragen.</p> <p>Statt Festsetzung einer Civilliste verbleibt das Gesetz über das sog. Kronfideikommiß.</p> <p>Von einer allgemeinen Volksbewaffnung, eine allmähliche Verminderung des Heeres, Verschmelzung desselben mit dem Staatsbürgerthum, einer Veränderung des Polizeiwesens und des Beamtenthums, Unabhängigkeit des Gemeindewesens ist nirgendwo die Rede. Die Unentgeltlichkeit des Unterrichtes wird nicht als nothwendig anerkannt, des Armenwesens mit keinem Worte gedacht. Alle sozialen Fragen der Zeit werden ignorirt; und endlich wird auch für die Zukunft die Aussicht auf eine genügende Feststellung der in Frage gelassenen Institutionen, dadurch völlig abgeschnitten, daß statt <hi rendition="#g">einer Volkskammer</hi> noch eine erste Kammer errichtet ist. Ihre Zusammenstellung, die Dauer und Erblichkeit der Pairie, ihr Veto in der Gesetzgebung, stellt eine neue Aristokratie neben die aus allgemeiner Wahl hervorgegangenen Volksvertreter und tritt durch ihren schneidenden Eingriffe in das Princip der Volkssouveränität am meisten verletzend dem Gefühle und dem allgemeinen Willen der übrigen Staatsbürger entgegen.</p> <p>Demnach tragen die unterzeichneten Bürger Köln's bei der hohen Versammlung dahin an: Die Vorlage zur Vereinbarung einer Verfassung zurückzuweisen, und insofern es schon vor der Vollendung des Verfassungswerkes durch die deutsche Nationalversammlung möglich sein sollte, als konstituirende Versammlung die preußische Verfassung auf neuer Grundlage festzustellen.</p> </div> <div xml:id="ar003_002_c" type="jArticle"> <note type="editorial">Edition: <bibl>Karl Marx: Camphausens Erklärung in der Sitzung vom 30. Mai 1848. In: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi> I/7. S. 46.</bibl></note> <head><bibl><author>**</author></bibl>Köln, 2. Juni.</head> <gap reason="copyright"/> </div> </div> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="ar003_003" prev="nn_nrhz002_1848#ar002_018a" type="jArticle" next="nn_nrhz004_1848#ar004_003"> <head> <hi rendition="#b">Humoristische Skizzen aus dem deutschen Handelsleben.</hi><lb/> <hi rendition="#g">Von Georg Weerth.<lb/> Der Herr Preiß in Nöthen.</hi> </head> <p> <ref>(Fortsetzung.)</ref> </p> <p>Nach jener welterschütternden Nachricht der Berliner Revolution hatte der Herr Preiß einen kläglichen Tag verlebt. Da kam die schwarze Nacht und seine Angst stieg um zwanzig Prozent. Die Nacht ist keines Menschen Freund, dachte der Herr Preiß und suchte in seinem Pult nach zwei alten türkischen Pistolen, die ihm einst sein Großonkel, mütterlicher Seite, von einer Entdeckungsreise in den Orient mitgebracht hatte. Er schickte in die Apotheke und ließ sieben Loth Pulver fordern, Prima Qualität. Kugeln fehlten ihm ‒ er nahm zwei Agatkugeln aus seinem Petschaft.</p> <p>Nach dem Abendessen, welches lautlos und in ängstlicher Erwartung der Dinge die da kommen sollten, verzehrt wurde, verriegelte Herr Preiß eigenhändig alle Thüren des Hauses. Ein Dogge, halbe Race, wurde in der Küche hinter dem Fensterladen angebunden; ein Nachtlicht brannte auf der Hausflur. Gegen 11 Uhr schlich der würdige Mann mit todesverächtlicher Miene die Treppe hinauf in sein Schlafgemach. Tiefe Stille. Es war sehr unheimlich. ‒ ‒ Jedenfalls siehst du einmal unter dein Bett! dachte Herr Preiß ‒ ‒ die eine türkische Pistole in der Hand bückte er sich mühsam und voll schauerlicher Freude überzeugte er sich davon, daß alles in Ordnung, daß kein Schinderhannes zugegen und daß nur der weiße unschuldige Nachttopf ruhig urd gelassen da stand in der Fülle seiner harmonischen Formen. Wie es jeder Fromme zu thur pflegt, zog der Herr Preiß auch diesmal vor dem Nachtgebet seine Uhr auf, eine Genfer Repetier Uhr, laufend in sechs falschen Diamanten. Dann eine baumwollene Mütze mit großem Quast aus der Komode ziehend, krönte er sein müdes Haupt bis tief über die Ohren.</p> <p>Die Unterhose kannst du anbehalten … murmelte er. Man kann nicht wissen, wofür es gut ist; auch die Strümpfe werde ich nimmer ausziehen; man weiß nicht was passirt …. Da setzte er den Fuß auf die Lehne des Bettes.</p> <p>Also dastehend in weißer Unterhose, in baumwollener Nachtmütze, und das eine Bein auf dem Rande des Lagers empfahl Herr Preiß sich dem allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erde, und noch einmal hinaushorchend, ob sich auch gar nichts rege da draußen in der revolutionären Außenwelt, taumelte er dann mit einem kühnen salto mortale in die sanften vaterländischen Kissen. Auf dem Nachttisch aber lagen die zwei türkischen Pistolen, ein Federmesser und drei Dutzend Schwefelhölzer.</p> <p>Mehrere Stunden mogte der Schlafende ruhig geschnarcht haben, da neigte sich der Träume lieblicher Gott über die baumwollene Nachtmütze des würdigen Handelsherrn und ließ ihn träumen folgenden Traum. Der Herr Preiß träumte, alle Zahlen seines großen Hauptbuches hätten ein Komplot, eine Konspiration gegen sämmtliche Nullen desselben gebildet.</p> <p>Die Nullen, weil iheer zwei hinter Eins: Hundert, und weil ihrer fünf hinter Eins: Hunderttausend ausmachen, hatten nemlich seit undenklicher Zeit behauptet, daß sie allein Werth und Wichtigkeit in der Welt hätten und daß alle übrigen Zahlen nur existirten um ihnen wohlgefällig zu sein. Bei öffentlichen Gelegenheiten in Adressen und Proklamationen vergaßen sie nie, diese Ansicht geltend zu machen und wenn die guten geduldigen Zahlen Einwendungen zu machen suchten, so wurden sie höchstens ausgelacht und mit einem Rüffel von wegen ihres beschränkten Unterthanenverstandes wieder entlassen.</p> <p>„Wir, vor Gottes Gnaden, Null“ ‒ hatte manche dicke Null in dergleichen Fällen gesagt „thun hiermit kund und geben zu wissen, daß ihr dummen, aber zudringlichen Zahlen euch jeglicher Einmischung in unsre Kraft und Herrlichkeit enthalten sollt, widrigenfalls wir euch laut einem funkelnagelneuen Strafgesetzentwurf mit Knitteln, Bajonetten Kartätschen und Shrapnell's allerhöchst vom Leben zum Tode befördern werden.“</p> <p>In solchem Style, umwunden von einigen bürokratischen Verblümungen, beliebten die Nullen ihre Weisheit den Zahlen gegenüber an den Tag zu legen und wie ein ehrlicher Mann Vieles glaubt , wenn es ihm nur mit dem gehörigen Nachdruck gesagt wird , so glaubten auch die Zahlen bald an das , was ihnen die Nullen vortrugen und es konnte nicht fehlen , daß sich mit der Zeit zwischen beiden Parteien das allerschönste Unterthanen-Verhältniß entwickelte und schnell eine ganze Hetze von königlichen, kaiserlichen, fürstlichen, landgräflichen und ähnlichen Nullen , gleich einem Heuschreckenschwarme das Land bedeckte.</p> <p>Die Zahlen , als schlichte , biedere Staatsbürger , die sich lieber mit ihren Gewerben, mit Künsten und Wissenschaften, als mit groben Nullen abgaben, hatten kaum gemerkt , daß die letztern sich mit jedem Tage fester und feister fraßen. Sie fuhren mit vieren, sie schossen alle Hasen , sie fraßen Eis en vanille und rochen wohlriechend. Dazu liebten sie ihrer Untergebenen Schweiß und Blut; beides zapften sie ab und tranken es zum Wohle ihrer Staaten. Bei dieser guten Lebensart wurden sie je länger , je lieber, immer aufgeblasener und hochmüthiger. Sie stifteten Zerwürfnisse durch ihre Strafentwürfnisse, sie preßten durch ihre Preßgesetze ; sie verboten das Singen und das Reden, ja beinahe das Husten und das Pissen.</p> <p>Da brach den Unterthanen die Geduld ; sie kamen zusammen in kleinen Waschzetteln und Wirthshausrechnungen; sie überlegten was zu thun sei und entwarfen folgende Adresse an die zunächst residirende Herrschaft :</p> <p>„Allerdurchlauchtigste Majestät, allergnädigster König und Null ! Ew. null und nichtigen Hoheit erlauben wir uns hierdurch die friedliche Bemerkung zu machen, daß wir zwar gern Dero Wichtigkeit in so weit anerkennen, als die Null überhaupt im Decimal- und sonstigen Rechnungssystem Bedeutung hat, daß wir aber sehr bezweifeln, ob Ew. königl. Null noch dann irgend einen Werth hätte, wenn Ihr nicht stets eine bürgerliche Zahl vorherginge. Indem wir daher Ew. null und nichtigen Hoheit dringend anempfehlen, gütigst sofort die Souveränetät der Zahlen eintreten lassen zu wollen, verharren und ersterben wir freundschaftlichst und ergebenst Ew. königl. Null, betreffende Zahlen : Ein, Zwei, Drei, Vier, Fünf, Sechs, Sieben, Acht und Neun.“</p> <p> <ref type="link">(Forts. folgt.)</ref> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0009/0001]
Neue Rheinische Zeitung.Organ der Demokratie.No 3. Köln, Samstag 3. Juni 1848 Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich.
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Die Expedition der „Neuen Rheinischen Zeitung.“
Redaktions-Comité.
Karl Marx, Redakteur en Chef.
Heinrich Bürgers,
Ernst Dronke,
Friedrich Engels,
Georg Weerth,
Ferdinand Wolff,
Wilhelm Wolff, Redakteure.
Uebersicht. Deutschland. Köln (Adresse der Stollwerk'schen Versammlung. ‒ Camphausens Erklärung in der Sitzung vom 30. Mai. ‒ Neue Unruhen in Berlin). Berlin (Aschoff. ‒ Sitzung der Nationalversammlung vom 30. und 31. Mai. ‒ Brief aus Posen). Frankfurt (Nationalversammlung. Mainz Erklärung des Stadtvorstandes). Stuttgart (Bürgerwehr). Donaueschingen (Baierische Truppen eingerückt). Schleswig-Holstein (Niederlage der deutschen Truppen bei Sundewitt).
Ungarn. Pesth (Jellachich).
Belgien. Brüssel (liberale Kandidaten).
Italien. Turin (Proklamation Karl Alberts an die Venetianer). ‒ Neapel (Details. ‒ Reaktion). Mailand (Gefecht bei Vicenza).
Französische Republik. Paris (Sitzung der Nationalversammlung vom 30. und 31. Mai. Antrag auf Louis Blanc's Verhaftung. ‒ Bericht über den 15. Mai).
Spanien. Madrid (die Insurgenten von Sevilla in Portugal entwaffnet).
Großbrittanien. London (Emigrationspläne. ‒ Parlamentsverhandlungen. ‒ Schlappen des Ministeriums). Bradford, Oldham (Arbeiter-Unruhen). Manchester (Neuestes).
Polen. Krakau (Landtag).
Amerika. Neu-York (Erklärung Polks. ‒ Kongreßdebatten. ‒ Yucatan und die Indianer).
Handels- und Börsennachrichten.
Deutschland. Köln, 2. Juni. In der gestrigen Versammlung der demokratischen Gesellschaft im Stollwerk'schen Saale wurde nachstehende Adresse an die constituirende Versammlung in Berlin berathen, angenommen und sofort mit zahlreichen Unterschriften versehen.
Hohe Versammlung!
Nachdem eine Anerkennung des Rechtes der Völker zur Selbstregierung bereits eine unabweisbare Nothwendigkeit für die bisherigen Inhaber der Macht geworden war, schien das Versprechen unseres Königs, daß Preußen fortan in Deutschland aufgehen und entschieden an die Spitze der Bewegung treten werde, für die ersehnte Einheit und Freiheit neue Vorkämpfer in Preußen zu verheißen. Auch diese Erwartung ist wiederum getäuscht worden. Mag Preußens Auftreten in Schleswig-Holstein Entschuldigung finden, mögen immerhin die von der öffentlichen Meinung bezeichneten Anträge und Einflüsse der preußischen Regierung bei dem deutschen Bundestage nicht in Wahrheit beruhen; ‒ noch hat diese Regierung keine Handlung aufzuweisen, aus der ein wahres Anschließen an die Bewegung Deutschlands nach Einheit und Freiheit zu ersehen wäre. Die Stimme des Volkes hat bereits wiederholt und laut das Zusammentreten der Versammlung für die Verfassung Preußens vor der Beendigung des Verfassungswerks durch die deutsche Nationalversammlung als friedlich und gefahrdrohend für die Einheit Deutschlands bezeichnet. Mehr aber noch als die Einheit sehen jetzt die unterzeichneten Bürger Köln's die Freiheit des Volkes, seine Souveränität durch Vorlage des Entwurfs zur Vereinbarung der preuß. Verfassung bedroht.
Eine mißlungene Nachahmung der belgischen Verfassung, übergeht der Entwurf manche bedeutendern Institutionen, welche von dem Volke schon errungen, als die nothwendigsten Garantieen seiner Freiheit erschienen ; manche sind spätern Gesetzen vorbehalten; während andere offenbar das Prinzip der Volkssouveränität verletzen.
Weder im Prinzip noch in den einzelnen Sätzen wird anerkannt, daß die Staatsgewalt aus dem allgemeinen Volkswillen entspringt, sondern geradezu der Grundsatz des Absolutismus festgehalten: der König steht über der Verfassung als das unmittelbar „von Gottes Gnaden“ zwischen Gott und den Menschen gesetzte höhere Wesen; dem schwachen Volke ist nur eine Theilnahme an den Angelegenheiten des Staates gewährt!
Das Heer und die Beamten müssen dem Könige und der Verfassung Treue und Gehorsam schwören.
Der König besetzt alle Staatsämter und alle Stellen im Heere. Ohne seine Einwilligung kann kein Gesetz gegeben werden.
Die Staatsbürger sind nicht vor dem Gesetze gleichgestellt, solange dem Könige die Verleihung des Adels und anderer Auszeichnungen zusteht ; das Heer vom Versammlungs- und Petitionsrecht ausgeschlossen bleibt; das Vermögen Bedingung des Eintritts in eine sogenannte erste Kammer sein soll.
Nähere Bestimmungen über die Gewährleistung der persönlichen Freiheit, über die Unverletzlichkeit der Wohnung sind nicht gegeben. Die völlige Trennung der Kirche vom Staate ist nicht anerkannt.
Die Freiheit des Unterichts wird ausgesprochen, aber durch die Verweisung auf die bestehenden Gesetze wieder aufgehoben ; die Unverletzlichkeit des Briefgeheimnisses durch die aufgestellten Ausnahmen ein illusorische.
Die Presse ist zwar freigegeben, aber durch die bestehenden Polizeigesetze, durch Porto und Stempel gehemmt; das Versammlungsrecht unter freiem Himmel der Polizeiwillkühr überlassen.
Wahlberechtigung und Wählbarkeit sollen durch spätere Gesetze regulirt werden.
In Civil- und Kriminalprozeßsachen ist die Mündlichkeit nicht einmal als Regel ausgesprochen; die Oeffentlichkeit bei Civilsachen in Frage gestellt. Die mit schweren Strafen bedrohten Handlungen, so wie die politischen und Preßvergehen sind nicht vollständig oder wenigstens nicht unzweideutig der Beurtheilung der Geschwornen unterworfen.
In Betreff der Kompetenz der Gerichte und Verwaltungsbehörden wird auf das Gesetz verwiesen ; die Entscheidung über die Konflikte nicht einzig der Gerichten übertragen.
Statt Festsetzung einer Civilliste verbleibt das Gesetz über das sog. Kronfideikommiß.
Von einer allgemeinen Volksbewaffnung, eine allmähliche Verminderung des Heeres, Verschmelzung desselben mit dem Staatsbürgerthum, einer Veränderung des Polizeiwesens und des Beamtenthums, Unabhängigkeit des Gemeindewesens ist nirgendwo die Rede. Die Unentgeltlichkeit des Unterrichtes wird nicht als nothwendig anerkannt, des Armenwesens mit keinem Worte gedacht. Alle sozialen Fragen der Zeit werden ignorirt; und endlich wird auch für die Zukunft die Aussicht auf eine genügende Feststellung der in Frage gelassenen Institutionen, dadurch völlig abgeschnitten, daß statt einer Volkskammer noch eine erste Kammer errichtet ist. Ihre Zusammenstellung, die Dauer und Erblichkeit der Pairie, ihr Veto in der Gesetzgebung, stellt eine neue Aristokratie neben die aus allgemeiner Wahl hervorgegangenen Volksvertreter und tritt durch ihren schneidenden Eingriffe in das Princip der Volkssouveränität am meisten verletzend dem Gefühle und dem allgemeinen Willen der übrigen Staatsbürger entgegen.
Demnach tragen die unterzeichneten Bürger Köln's bei der hohen Versammlung dahin an: Die Vorlage zur Vereinbarung einer Verfassung zurückzuweisen, und insofern es schon vor der Vollendung des Verfassungswerkes durch die deutsche Nationalversammlung möglich sein sollte, als konstituirende Versammlung die preußische Verfassung auf neuer Grundlage festzustellen.
**Köln, 2. Juni. _ Humoristische Skizzen aus dem deutschen Handelsleben.
Von Georg Weerth.
Der Herr Preiß in Nöthen. (Fortsetzung.)
Nach jener welterschütternden Nachricht der Berliner Revolution hatte der Herr Preiß einen kläglichen Tag verlebt. Da kam die schwarze Nacht und seine Angst stieg um zwanzig Prozent. Die Nacht ist keines Menschen Freund, dachte der Herr Preiß und suchte in seinem Pult nach zwei alten türkischen Pistolen, die ihm einst sein Großonkel, mütterlicher Seite, von einer Entdeckungsreise in den Orient mitgebracht hatte. Er schickte in die Apotheke und ließ sieben Loth Pulver fordern, Prima Qualität. Kugeln fehlten ihm ‒ er nahm zwei Agatkugeln aus seinem Petschaft.
Nach dem Abendessen, welches lautlos und in ängstlicher Erwartung der Dinge die da kommen sollten, verzehrt wurde, verriegelte Herr Preiß eigenhändig alle Thüren des Hauses. Ein Dogge, halbe Race, wurde in der Küche hinter dem Fensterladen angebunden; ein Nachtlicht brannte auf der Hausflur. Gegen 11 Uhr schlich der würdige Mann mit todesverächtlicher Miene die Treppe hinauf in sein Schlafgemach. Tiefe Stille. Es war sehr unheimlich. ‒ ‒ Jedenfalls siehst du einmal unter dein Bett! dachte Herr Preiß ‒ ‒ die eine türkische Pistole in der Hand bückte er sich mühsam und voll schauerlicher Freude überzeugte er sich davon, daß alles in Ordnung, daß kein Schinderhannes zugegen und daß nur der weiße unschuldige Nachttopf ruhig urd gelassen da stand in der Fülle seiner harmonischen Formen. Wie es jeder Fromme zu thur pflegt, zog der Herr Preiß auch diesmal vor dem Nachtgebet seine Uhr auf, eine Genfer Repetier Uhr, laufend in sechs falschen Diamanten. Dann eine baumwollene Mütze mit großem Quast aus der Komode ziehend, krönte er sein müdes Haupt bis tief über die Ohren.
Die Unterhose kannst du anbehalten … murmelte er. Man kann nicht wissen, wofür es gut ist; auch die Strümpfe werde ich nimmer ausziehen; man weiß nicht was passirt …. Da setzte er den Fuß auf die Lehne des Bettes.
Also dastehend in weißer Unterhose, in baumwollener Nachtmütze, und das eine Bein auf dem Rande des Lagers empfahl Herr Preiß sich dem allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erde, und noch einmal hinaushorchend, ob sich auch gar nichts rege da draußen in der revolutionären Außenwelt, taumelte er dann mit einem kühnen salto mortale in die sanften vaterländischen Kissen. Auf dem Nachttisch aber lagen die zwei türkischen Pistolen, ein Federmesser und drei Dutzend Schwefelhölzer.
Mehrere Stunden mogte der Schlafende ruhig geschnarcht haben, da neigte sich der Träume lieblicher Gott über die baumwollene Nachtmütze des würdigen Handelsherrn und ließ ihn träumen folgenden Traum. Der Herr Preiß träumte, alle Zahlen seines großen Hauptbuches hätten ein Komplot, eine Konspiration gegen sämmtliche Nullen desselben gebildet.
Die Nullen, weil iheer zwei hinter Eins: Hundert, und weil ihrer fünf hinter Eins: Hunderttausend ausmachen, hatten nemlich seit undenklicher Zeit behauptet, daß sie allein Werth und Wichtigkeit in der Welt hätten und daß alle übrigen Zahlen nur existirten um ihnen wohlgefällig zu sein. Bei öffentlichen Gelegenheiten in Adressen und Proklamationen vergaßen sie nie, diese Ansicht geltend zu machen und wenn die guten geduldigen Zahlen Einwendungen zu machen suchten, so wurden sie höchstens ausgelacht und mit einem Rüffel von wegen ihres beschränkten Unterthanenverstandes wieder entlassen.
„Wir, vor Gottes Gnaden, Null“ ‒ hatte manche dicke Null in dergleichen Fällen gesagt „thun hiermit kund und geben zu wissen, daß ihr dummen, aber zudringlichen Zahlen euch jeglicher Einmischung in unsre Kraft und Herrlichkeit enthalten sollt, widrigenfalls wir euch laut einem funkelnagelneuen Strafgesetzentwurf mit Knitteln, Bajonetten Kartätschen und Shrapnell's allerhöchst vom Leben zum Tode befördern werden.“
In solchem Style, umwunden von einigen bürokratischen Verblümungen, beliebten die Nullen ihre Weisheit den Zahlen gegenüber an den Tag zu legen und wie ein ehrlicher Mann Vieles glaubt , wenn es ihm nur mit dem gehörigen Nachdruck gesagt wird , so glaubten auch die Zahlen bald an das , was ihnen die Nullen vortrugen und es konnte nicht fehlen , daß sich mit der Zeit zwischen beiden Parteien das allerschönste Unterthanen-Verhältniß entwickelte und schnell eine ganze Hetze von königlichen, kaiserlichen, fürstlichen, landgräflichen und ähnlichen Nullen , gleich einem Heuschreckenschwarme das Land bedeckte.
Die Zahlen , als schlichte , biedere Staatsbürger , die sich lieber mit ihren Gewerben, mit Künsten und Wissenschaften, als mit groben Nullen abgaben, hatten kaum gemerkt , daß die letztern sich mit jedem Tage fester und feister fraßen. Sie fuhren mit vieren, sie schossen alle Hasen , sie fraßen Eis en vanille und rochen wohlriechend. Dazu liebten sie ihrer Untergebenen Schweiß und Blut; beides zapften sie ab und tranken es zum Wohle ihrer Staaten. Bei dieser guten Lebensart wurden sie je länger , je lieber, immer aufgeblasener und hochmüthiger. Sie stifteten Zerwürfnisse durch ihre Strafentwürfnisse, sie preßten durch ihre Preßgesetze ; sie verboten das Singen und das Reden, ja beinahe das Husten und das Pissen.
Da brach den Unterthanen die Geduld ; sie kamen zusammen in kleinen Waschzetteln und Wirthshausrechnungen; sie überlegten was zu thun sei und entwarfen folgende Adresse an die zunächst residirende Herrschaft :
„Allerdurchlauchtigste Majestät, allergnädigster König und Null ! Ew. null und nichtigen Hoheit erlauben wir uns hierdurch die friedliche Bemerkung zu machen, daß wir zwar gern Dero Wichtigkeit in so weit anerkennen, als die Null überhaupt im Decimal- und sonstigen Rechnungssystem Bedeutung hat, daß wir aber sehr bezweifeln, ob Ew. königl. Null noch dann irgend einen Werth hätte, wenn Ihr nicht stets eine bürgerliche Zahl vorherginge. Indem wir daher Ew. null und nichtigen Hoheit dringend anempfehlen, gütigst sofort die Souveränetät der Zahlen eintreten lassen zu wollen, verharren und ersterben wir freundschaftlichst und ergebenst Ew. königl. Null, betreffende Zahlen : Ein, Zwei, Drei, Vier, Fünf, Sechs, Sieben, Acht und Neun.“
(Forts. folgt.)
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(2017-03-20T13:08:10Z)
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Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
(2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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