Neue Rheinische Zeitung. Nr. 5. Köln, 5. Juni 1848.Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No 5. Köln, Montag 5. Juni 1848.Die "Neue Rheinische Zeitung" erscheint vom 1. Juni an täglich. Der Abonnementspreis beträgt: Für das Vierteljahr in Köln 1 Thlr. 15 Sgr.; für alle übrigen Orte Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Außerhalb Preußens mit Zuschlag des fremden Zeitungsporto's. Das Abonnement für den Monat Juni kann nur unter gleichzeitiger Bestellung des nächsten Quartals (Juli, August, September) geschehen. Der Preis dieses viermonatlichen Abonnements beträgt: Für Koln 2 Thlr.; auswärts 2 Thlr. 25 Sgr. Man abonnirt bei allen Postanstalten und Buchhandlungen des In- und Auslandes; - für Köln in der Expedition der Zeitung bei Fernere Aktienzeichnungen werden entgegen genommen in der Expedition der Zeitung. Auswärtige werden gebeten, sich ebenfalls dorthin franco zu wenden. Insertionsgebühren. Für die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum ... 1 Sgr. 6 Pf. Die Expedition der "Neuen Rheinischen Zeitung." Redaktions-Comite. Karl Marx, Redakteur en Chef. Heinrich Bürgers, Ernst Dronke, Friedrich Engels, Georg Weerth, Ferdinand Wolff, Wilhelm Wolff, Redakteure.Uebersicht. Deutschland. Köln (Anfrage). Neuß (demokratische Parthei). Aachen (Regierungsrath Frenken). Berlin(Der Hase als Trommelschläger. - Weitere Details über die Unruhen vom 31. Mai. - Zwangsanleihe. - Die Bürgerschaft. - Vereinbarungsdebatten). Breslau (Korrespondenz des Erzbischofs von Posen Pzryluski mit dem Berliner Kabinet). Posen (Verbote). Frankfurt (Kommission wegen der Centralgewalt). Marburg (demokratischer Verein). Wien (die letzte Revolution. - Aufhebung der Feudallasten in Kärnthen. - Abschaffung der Prügelstrafe etc.). Prag (Arbeiterbewegung. - Sklavenkongreß). Rendsburg (Rückzug der Preußen). Altona (die Dänen geschlagen. - Wrangel rückt wieder vor). Schleswig-Holstein (die Kriegskomödie). Hamburg (der Marine-Kongreß). Ungarn.Pesth (Landtag auf den 2. Juli festgesetzt. - Anleihe). Belgien.Brüssel (Rachel und Rogier. - Castiau's Schreiben an die Wähler von Tournay). Italien.Neapel (Zustand nach dem 15. Mai. - Proklamation des Königs. - Neue Wahlen). Venedig (Polizeimaßregeln). Mailand (Peschiera genommen). Bern (Bericht des Schweizer-Obersten über den 15. Mai). Frankreich(Kandidatenliste zu den neuen Wahlen. - Emil Thomas. - Verfassungsentwurf. - Das Journal des Travailleurs über die weißen Republikaner). Schweiz.Bern (Tagsatzung. - Uri Schmid). England.London (die Times über die Chartisten. - Demonstration zu London. - Abermals die Times über die Chartisten-Parlamentsverhandlungen). Handels- und Börsennachrichten. Deutschland * Köln, 4. Juni. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. **Neuß, 3. Juni. In unserer Stadt konstituirt sich jetzt ein demokratischer Klub, der nicht unterlassen wird, sich mit der Kölner demokratischen Gesellschaft in Verbindung zu setzen. Das Neußer Kreisblatt wird ihm für die Umgegend als Organ dienen. Ueberhaupt zeigt die demokratische Partei eine Thätigkeit, die uns bei den nächsten Wahlen ein glücklicheres Resultat als das letzthin erlangte, in Aussicht stellt. * Aachen, 3. Juni. Hr. Regierungs- und Schulrath Frenken aus Aachen, Abgeordneter von Heinsberg, hat in der Sitzung vom 31. Mai der Kammer "zur Vereinbarung" erklärt, "man könne nicht genug das ehrenwerthe Benehmen des Militärs in Aachen anerkennen, es habe sich mit bewunderungswürdiger Mässigung benommen." Dieser Herr Regierungs- und Schulrath, einer der größten Reaktionäre der Kammer "zur Vereinbarung", erklärte kürzlich in einer Privatgesellschaft, "bei den ewigen Unruhen in Berlin sei es Zeit, daß sich die Bürger mehr zurückzögen, das Militär einrücke und die Berliner mit Kartätschen beschieße." Vertritt der Herr Regierungs- und Schulrath die Aachener Bürgerschaft? Es liegt im Interesse der Stadt Aachen, selbst hierauf zu antworten. Im Allgemeinen müssen wir den Herren Regierungs- und Schulräthen, wie sonstigen königl. preußischen Beamten bemerken, daß ein gewisser Takt sie vor der Unschicklichkeit bewahren sollte, in den Konflikten zwischen königl. preußischen Soldaten und rheinländischem Volke sich als Unparteiische aufzuwerfen. * Berlin, 2. Juni. Wer zum erstenmale in die preußische Nationalversammlung tritt, den muß die Haltung derselben in jeder Weise befremden. Dem äußern Ansehen gemäß sollte man glauben, die Versammlung sei entschieden demokratisch; aber dem Gange der Debatte nach läßt sich nur das Gegentheil behaupten. Entschiedene Parteifragen sind noch gar nicht zur Berathung gekommen, ja eine eigentliche Berathung hat bisher nicht stattgefunden, denn bei den Verhandlungen, wie sie bis jetzt gepflogen wurden, wird mehr mit unartikulirten Tönen, Getrommel mit den Füßen, wildem Geschrei und dergleichen Dingen verhandelt, als mit Worten oder gar Gründen. Bis jetzt hat die Versammlung eine entschiedene Abneigung gegen jede geordnete Berathung und gründliche Erörterung an den Tag gelegt; kaum ist ein Antrag förmlich gestellt, als auch schon der wilde Ruf: "Schluß! Abstimmen!" ertönt. Der Bescheidene wird dadurch abgeschreckt, überhaupt die Rednerbühne zu besteigen; der weniger Bescheidene aber, wenn er endlich mühevoll das Recht auf der Tribüne zu stehen erlangt hat, unter gleichzeitigem Einfallen des Getrommels auf dem Fußboden wieder herunter getrieben. Von wem gehen diese ewigen Störungen aus? Von der vornehmen Seite, der konservativen Rechten, der eigentlichen ministeriellen Partei und darunter steht der größte Theil der rheinischen Juristen oben an. Sie kennen das Bild - der Hase als Trommelschläger. Als vorgestern das Ministerium aus der Frage, ob eine Adresse gemacht werden solle oder nicht, eine Kabinetsfrage machte, verdankt es die Linke nur der Gnade des Herrn Finanzministers, der selbst die Versammlung ersuchte, auch zwei Mitglieder der Linken das Wort zukommen zu lassen. Der Sieg, den das Ministerium bei dieser Gelegenheit durch Bejahung der gestellten Kabinetsfrage erlangte, beweist die Sicherheit seines Fortbestehens noch keineswegs. Ein großer Theil der Versammlung, namentlich des linken Centrums, stimmte für die Abfassung einer Adresse, um Gelegenheit zu haben, das Ministerium gründlich zu stürzen. Die Herren konnten dies freilich viel einfacher, viel rascher und zugleich viel wohlfeiler erlangen, wenn sie gleich vorgestern schon den vom Ministerium geschleuderten Handschuh aufgegriffen und ihm den Abschied ertheilt hätten durch Verwerfung des Antrages auf Erlassung einer Adresse. Der vorgelegte Konstitutionsentwurf findet in den Kammern allgemeine Mißbilligung; selbst die entschiedensten Zweikammermänner wagen es nicht, sich für die erste Kammer des Entwurfs auszusprechen. In dieser Hinsicht möchte dem Entwurf schon mit Sicherheit sein Durchfall vorherzusagen sein. Berlin, 1. Juni. Ueber den gestrigen ziemlich unruhigen Tag sind noch folgende Notizen nachzutragen. Man wollte auf dem Schlosse eine Signalstange bemerkt haben, die als Antwort auf dem Moabiter Gefängniß eine zweite hervorgerufen hätte u. s. f. Auf den Wunsch der Bürger wurde die Stange vom Schlosse entfernt; sodann stellte sich das allerdings auffallende Faktum heraus, daß alle Brücken über die Spree durch Bretter so vernagelt waren, so zwar, daß es unmöglich war, sie aufzuziehen und etwaiges Einmarschiren der Truppen zu verhindern. Augenblicklich wurden die Bretter entfernt. Daß Gerücht, daß von der Reaktion ein Schlag geführt werden solle, rief alle Klubs, Volksversammlungen und Vereine zusammen. Der demokratische Klub, die Zeltenversammlung, der Handwerkerverein und die auf dem Monbijouplatze zusammengetretenen Eisenarbeiter (3000 an der Zahl) beschlossen, auf augenblickliche Bewaffnung des Volkes zu dringen; heute Mittag will man sich bei den Bezirksvorstehern melden, um Waffen zu erhalten; wird dies Begehren abgeschlagen, so findet zur Berathung des Weiteren heute Nachmittag eine Volksversammlung unter den Zelten Statt. Vorläufig hatte gegen Abend im Kastanienwalde hinter der Universität im Freien sich eine Kommission, bestehend aus den Herren Schramm, Solger, Hexamer, Wyst und Korn, niedergelassen, welche die Namen derjenigen Personen, die noch keine Waffen erhalten hatten und sich meldeten, notirten. Da das Gerücht verbreitet war, daß von der Reaktion gekaufte Individuen in der Nacht, um Zwiespalt zu erregen und einen Kampf zu provoziren, die Republik ausrufen sollten, so patrouillirten Studenten, Bürger und Handwerker die ganze Nacht, um diese Ruhestörer zu verhaften. Die Nacht verlief jedoch ganz ruhig. - Heute ist den Eisenarbeitern offiziell mitgetheilt worden, daß morgen oder die nächsten Tage 15,000 Gewehre an sie vertheilt werden sollen. Weiteres ist nicht bekannt; das Zeughaus ist stark von der Bürgerwehr besetzt und obwohl das Wetter sehr unfreundlich ist, stehen doch zahlreiche Gruppen in der Nähe des Zeughauses. (D. Z.) - Sicherm Vernehmen nach steht hier eine 31/4procertige Zwangsanleihe in Aussicht. (Rh.- u. M.-Z.) *Berlin, 2. Juni. Die demokratische Partei nimmt hier von Tag zu Tag an Macht und Einfluß zu. Eine Menge von Umständen hat unsere halb eingeschüchterte Bürgerschaft dem Volk genähert und eine neue Verbrüderung Beider vorbereitet. Der Berliner Bürger hat bei der Revolution theilweise mitgefochten, er ist stolz auf sie, und mußte erbittert werden durch die Art, wie Herr Camphausen sie am 30. Mai desavouirte, durch den Verfassungs-Entwurf, durch die heimliche Ausräumung des Zeughauses. Er mußte Feuer und Flammen sprühen, wenn er jeden Morgen in der Vossischen oder Spenerschen die zahllosen wuthschnaubenden Adressen aus hundert kleinen märkischen, pommerschen, westpreußischen, lausitzischen und sächsischen Oertern und Oertchen las, Adressen, in denen die Barrikadenkämpfer des 18. März, die noch dazu Berliner waren, von miserablen Provinzialen, von den Pfahlbürgern, Bauern, Beamten und Krautjunkern der norddeutschen Sahara mit den beleidigendsten Ausbrüchen reaktionärer Tollwuth überschüttet wurden. Er mußte sich aufs Aeußerste verletzt fühlen, wenn er sah, wie die Partei des ancien regime die Landwehr zu fanatisiren suchte, um sie als Mittel zur Verdrängung der Bürgerwehr und als Gegengewicht gegen sie zu gebrauchen. Er mußte im Stillen Holländische Reisen von Georg Weerth. I. Die bunten Flaggen winken -- Und dies ist Rotterdam! Die Gassen und Plätze stinken Nach Käse wundersam. Und dort am Brückenrande Früh Morgens und Abends spät Im düsteren Gewande Der alte Erasmus steht. Er steht noch wie vor Zeiten, Er steht noch wie er stand; Er dreht herum die Seiten Von seinem Foliant. Und wird er die letzte drehen - Wer weiß, wann's ihm gefällt: Dann wird zu Grunde gehen Diese ganze Käsewelt. Da wirst du deinem Gerichte Erliegen, o Holland hehr - Durchduftend die Weltgeschichte Mit Butter, Tabak und Theer. II. Und Amsterdam das ist eine Stadt Gebaut auf Knitteln und Pfählen, Mit Straßen und Grachten und Brücken und hat Viel Tausende menschlicher Seelen. Viel Frauen und Männer, viel Männer und Frau'n Gekleidet in Buxkin und Bieber: Die Männer, die konnt ich selten verdau'n, Doch die Frauen, die waren mir lieber. Die lieblichen Frau'n! mit den Zähnen so weiß Und die Wangen voll üppiger Rosen, Ich liebe sie innig, ich liebe sie heiß - An den Beinen tragen sie Hosen. Und gehen sie schlafen, da ziehen sie nett Die Hosen aus, sonder gene, Und springen jubelnd in's luftige Bett - Die Hose hängt über der Lehne. Professor H ..... in Bonn der macht' Es zerstreuter einmal als jene: Er hat die Hose zu Bett gebracht, Hing selber sich über die Lehne. III. Wie ist so friedlich mir zu Muth An diesen stillen Gewässern: In Holland finde ich alles gut, Ich finde nichts zu verbessern. Die frommen Kirchthürme spielen so flott Mit den Glockenspielen und preisen Schier viertelstündlich den lieben Gott In Walzer und Polkaweisen. Und die Treckscheuten ziehen so seltsamlich Auf den wellenlosen Kanälen; Und am Bord da freuen des Lebens sich Die redlichen Handelsseelen. Die Männer im Rock, die Männer im Frack, Die lächelnd durch's Leben wandeln; Sie essen Käse und rauchen Tabak Und machen in Pfeffer und Mandeln. Und in Kaffe auch, daß man ihn fort Nach dem treuen Germanien verschicke, Denn nur das Kaffewasser wird dort Bezogen aus eigner Fabrike. O liebliche Flur, die ich durchzog, Wo die prakt'schen Intressen siegen: Wo die höchsten Geister nur so hoch Wie die Windmühlflügel fliegen! Und die Windmühlen dreh'n sich seltsamlich Im leuchtenden Abendrothe - O glückliches Land, wo vielleicht nur ich Der einzige Don Quixote. Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No 5. Köln, Montag 5. Juni 1848.Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Der Abonnementspreis beträgt: Für das Vierteljahr in Köln 1 Thlr. 15 Sgr.; für alle übrigen Orte Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Außerhalb Preußens mit Zuschlag des fremden Zeitungsporto's. Das Abonnement für den Monat Juni kann nur unter gleichzeitiger Bestellung des nächsten Quartals (Juli, August, September) geschehen. Der Preis dieses viermonatlichen Abonnements beträgt: Für Koln 2 Thlr.; auswärts 2 Thlr. 25 Sgr. Man abonnirt bei allen Postanstalten und Buchhandlungen des In- und Auslandes; ‒ für Köln in der Expedition der Zeitung bei Fernere Aktienzeichnungen werden entgegen genommen in der Expedition der Zeitung. Auswärtige werden gebeten, sich ebenfalls dorthin franco zu wenden. Insertionsgebühren. Für die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum … 1 Sgr. 6 Pf. Die Expedition der „Neuen Rheinischen Zeitung.“ Redaktions-Comité. Karl Marx, Redakteur en Chef. Heinrich Bürgers, Ernst Dronke, Friedrich Engels, Georg Weerth, Ferdinand Wolff, Wilhelm Wolff, Redakteure.Uebersicht. Deutschland. Köln (Anfrage). Neuß (demokratische Parthei). Aachen (Regierungsrath Frenken). Berlin(Der Hase als Trommelschläger. ‒ Weitere Details über die Unruhen vom 31. Mai. ‒ Zwangsanleihe. ‒ Die Bürgerschaft. ‒ Vereinbarungsdebatten). Breslau (Korrespondenz des Erzbischofs von Posen Pzryluski mit dem Berliner Kabinet). Posen (Verbote). Frankfurt (Kommission wegen der Centralgewalt). Marburg (demokratischer Verein). Wien (die letzte Revolution. ‒ Aufhebung der Feudallasten in Kärnthen. ‒ Abschaffung der Prügelstrafe etc.). Prag (Arbeiterbewegung. ‒ Sklavenkongreß). Rendsburg (Rückzug der Preußen). Altona (die Dänen geschlagen. ‒ Wrangel rückt wieder vor). Schleswig-Holstein (die Kriegskomödie). Hamburg (der Marine-Kongreß). Ungarn.Pesth (Landtag auf den 2. Juli festgesetzt. ‒ Anleihe). Belgien.Brüssel (Rachel und Rogier. ‒ Castiau's Schreiben an die Wähler von Tournay). Italien.Neapel (Zustand nach dem 15. Mai. ‒ Proklamation des Königs. ‒ Neue Wahlen). Venedig (Polizeimaßregeln). Mailand (Peschiera genommen). Bern (Bericht des Schweizer-Obersten über den 15. Mai). Frankreich(Kandidatenliste zu den neuen Wahlen. ‒ Emil Thomas. ‒ Verfassungsentwurf. ‒ Das Journal des Travailleurs über die weißen Republikaner). Schweiz.Bern (Tagsatzung. ‒ Uri Schmid). England.London (die Times über die Chartisten. ‒ Demonstration zu London. ‒ Abermals die Times über die Chartisten-Parlamentsverhandlungen). Handels- und Börsennachrichten. Deutschland * Köln, 4. Juni. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. **Neuß, 3. Juni. In unserer Stadt konstituirt sich jetzt ein demokratischer Klub, der nicht unterlassen wird, sich mit der Kölner demokratischen Gesellschaft in Verbindung zu setzen. Das Neußer Kreisblatt wird ihm für die Umgegend als Organ dienen. Ueberhaupt zeigt die demokratische Partei eine Thätigkeit, die uns bei den nächsten Wahlen ein glücklicheres Resultat als das letzthin erlangte, in Aussicht stellt. * Aachen, 3. Juni. Hr. Regierungs- und Schulrath Frenken aus Aachen, Abgeordneter von Heinsberg, hat in der Sitzung vom 31. Mai der Kammer „zur Vereinbarung“ erklärt, „man könne nicht genug das ehrenwerthe Benehmen des Militärs in Aachen anerkennen, es habe sich mit bewunderungswürdiger Mässigung benommen.“ Dieser Herr Regierungs- und Schulrath, einer der größten Reaktionäre der Kammer „zur Vereinbarung“, erklärte kürzlich in einer Privatgesellschaft, „bei den ewigen Unruhen in Berlin sei es Zeit, daß sich die Bürger mehr zurückzögen, das Militär einrücke und die Berliner mit Kartätschen beschieße.“ Vertritt der Herr Regierungs- und Schulrath die Aachener Bürgerschaft? Es liegt im Interesse der Stadt Aachen, selbst hierauf zu antworten. Im Allgemeinen müssen wir den Herren Regierungs- und Schulräthen, wie sonstigen königl. preußischen Beamten bemerken, daß ein gewisser Takt sie vor der Unschicklichkeit bewahren sollte, in den Konflikten zwischen königl. preußischen Soldaten und rheinländischem Volke sich als Unparteiische aufzuwerfen. * Berlin, 2. Juni. Wer zum erstenmale in die preußische Nationalversammlung tritt, den muß die Haltung derselben in jeder Weise befremden. Dem äußern Ansehen gemäß sollte man glauben, die Versammlung sei entschieden demokratisch; aber dem Gange der Debatte nach läßt sich nur das Gegentheil behaupten. Entschiedene Parteifragen sind noch gar nicht zur Berathung gekommen, ja eine eigentliche Berathung hat bisher nicht stattgefunden, denn bei den Verhandlungen, wie sie bis jetzt gepflogen wurden, wird mehr mit unartikulirten Tönen, Getrommel mit den Füßen, wildem Geschrei und dergleichen Dingen verhandelt, als mit Worten oder gar Gründen. Bis jetzt hat die Versammlung eine entschiedene Abneigung gegen jede geordnete Berathung und gründliche Erörterung an den Tag gelegt; kaum ist ein Antrag förmlich gestellt, als auch schon der wilde Ruf: „Schluß! Abstimmen!“ ertönt. Der Bescheidene wird dadurch abgeschreckt, überhaupt die Rednerbühne zu besteigen; der weniger Bescheidene aber, wenn er endlich mühevoll das Recht auf der Tribüne zu stehen erlangt hat, unter gleichzeitigem Einfallen des Getrommels auf dem Fußboden wieder herunter getrieben. Von wem gehen diese ewigen Störungen aus? Von der vornehmen Seite, der konservativen Rechten, der eigentlichen ministeriellen Partei und darunter steht der größte Theil der rheinischen Juristen oben an. Sie kennen das Bild ‒ der Hase als Trommelschläger. Als vorgestern das Ministerium aus der Frage, ob eine Adresse gemacht werden solle oder nicht, eine Kabinetsfrage machte, verdankt es die Linke nur der Gnade des Herrn Finanzministers, der selbst die Versammlung ersuchte, auch zwei Mitglieder der Linken das Wort zukommen zu lassen. Der Sieg, den das Ministerium bei dieser Gelegenheit durch Bejahung der gestellten Kabinetsfrage erlangte, beweist die Sicherheit seines Fortbestehens noch keineswegs. Ein großer Theil der Versammlung, namentlich des linken Centrums, stimmte für die Abfassung einer Adresse, um Gelegenheit zu haben, das Ministerium gründlich zu stürzen. Die Herren konnten dies freilich viel einfacher, viel rascher und zugleich viel wohlfeiler erlangen, wenn sie gleich vorgestern schon den vom Ministerium geschleuderten Handschuh aufgegriffen und ihm den Abschied ertheilt hätten durch Verwerfung des Antrages auf Erlassung einer Adresse. Der vorgelegte Konstitutionsentwurf findet in den Kammern allgemeine Mißbilligung; selbst die entschiedensten Zweikammermänner wagen es nicht, sich für die erste Kammer des Entwurfs auszusprechen. In dieser Hinsicht möchte dem Entwurf schon mit Sicherheit sein Durchfall vorherzusagen sein. Berlin, 1. Juni. Ueber den gestrigen ziemlich unruhigen Tag sind noch folgende Notizen nachzutragen. Man wollte auf dem Schlosse eine Signalstange bemerkt haben, die als Antwort auf dem Moabiter Gefängniß eine zweite hervorgerufen hätte u. s. f. Auf den Wunsch der Bürger wurde die Stange vom Schlosse entfernt; sodann stellte sich das allerdings auffallende Faktum heraus, daß alle Brücken über die Spree durch Bretter so vernagelt waren, so zwar, daß es unmöglich war, sie aufzuziehen und etwaiges Einmarschiren der Truppen zu verhindern. Augenblicklich wurden die Bretter entfernt. Daß Gerücht, daß von der Reaktion ein Schlag geführt werden solle, rief alle Klubs, Volksversammlungen und Vereine zusammen. Der demokratische Klub, die Zeltenversammlung, der Handwerkerverein und die auf dem Monbijouplatze zusammengetretenen Eisenarbeiter (3000 an der Zahl) beschlossen, auf augenblickliche Bewaffnung des Volkes zu dringen; heute Mittag will man sich bei den Bezirksvorstehern melden, um Waffen zu erhalten; wird dies Begehren abgeschlagen, so findet zur Berathung des Weiteren heute Nachmittag eine Volksversammlung unter den Zelten Statt. Vorläufig hatte gegen Abend im Kastanienwalde hinter der Universität im Freien sich eine Kommission, bestehend aus den Herren Schramm, Solger, Hexamer, Wyst und Korn, niedergelassen, welche die Namen derjenigen Personen, die noch keine Waffen erhalten hatten und sich meldeten, notirten. Da das Gerücht verbreitet war, daß von der Reaktion gekaufte Individuen in der Nacht, um Zwiespalt zu erregen und einen Kampf zu provoziren, die Republik ausrufen sollten, so patrouillirten Studenten, Bürger und Handwerker die ganze Nacht, um diese Ruhestörer zu verhaften. Die Nacht verlief jedoch ganz ruhig. ‒ Heute ist den Eisenarbeitern offiziell mitgetheilt worden, daß morgen oder die nächsten Tage 15,000 Gewehre an sie vertheilt werden sollen. Weiteres ist nicht bekannt; das Zeughaus ist stark von der Bürgerwehr besetzt und obwohl das Wetter sehr unfreundlich ist, stehen doch zahlreiche Gruppen in der Nähe des Zeughauses. (D. Z.) ‒ Sicherm Vernehmen nach steht hier eine 31/4procertige Zwangsanleihe in Aussicht. (Rh.- u. M.-Z.) *Berlin, 2. Juni. Die demokratische Partei nimmt hier von Tag zu Tag an Macht und Einfluß zu. Eine Menge von Umständen hat unsere halb eingeschüchterte Bürgerschaft dem Volk genähert und eine neue Verbrüderung Beider vorbereitet. Der Berliner Bürger hat bei der Revolution theilweise mitgefochten, er ist stolz auf sie, und mußte erbittert werden durch die Art, wie Herr Camphausen sie am 30. Mai desavouirte, durch den Verfassungs-Entwurf, durch die heimliche Ausräumung des Zeughauses. Er mußte Feuer und Flammen sprühen, wenn er jeden Morgen in der Vossischen oder Spenerschen die zahllosen wuthschnaubenden Adressen aus hundert kleinen märkischen, pommerschen, westpreußischen, lausitzischen und sächsischen Oertern und Oertchen las, Adressen, in denen die Barrikadenkämpfer des 18. März, die noch dazu Berliner waren, von miserablen Provinzialen, von den Pfahlbürgern, Bauern, Beamten und Krautjunkern der norddeutschen Sahara mit den beleidigendsten Ausbrüchen reaktionärer Tollwuth überschüttet wurden. Er mußte sich aufs Aeußerste verletzt fühlen, wenn er sah, wie die Partei des ancien régime die Landwehr zu fanatisiren suchte, um sie als Mittel zur Verdrängung der Bürgerwehr und als Gegengewicht gegen sie zu gebrauchen. Er mußte im Stillen Holländische Reisen von Georg Weerth. I. Die bunten Flaggen winken — Und dies ist Rotterdam! Die Gassen und Plätze stinken Nach Käse wundersam. Und dort am Brückenrande Früh Morgens und Abends spät Im düsteren Gewande Der alte Erasmus steht. Er steht noch wie vor Zeiten, Er steht noch wie er stand; Er dreht herum die Seiten Von seinem Foliant. Und wird er die letzte drehen – Wer weiß, wann's ihm gefällt: Dann wird zu Grunde gehen Diese ganze Käsewelt. Da wirst du deinem Gerichte Erliegen, o Holland hehr – Durchduftend die Weltgeschichte Mit Butter, Tabak und Theer. II. Und Amsterdam das ist eine Stadt Gebaut auf Knitteln und Pfählen, Mit Straßen und Grachten und Brücken und hat Viel Tausende menschlicher Seelen. Viel Frauen und Männer, viel Männer und Frau'n Gekleidet in Buxkin und Bieber: Die Männer, die konnt ich selten verdau'n, Doch die Frauen, die waren mir lieber. Die lieblichen Frau'n! mit den Zähnen so weiß Und die Wangen voll üppiger Rosen, Ich liebe sie innig, ich liebe sie heiß – An den Beinen tragen sie Hosen. Und gehen sie schlafen, da ziehen sie nett Die Hosen aus, sonder gêne, Und springen jubelnd in's luftige Bett – Die Hose hängt über der Lehne. Professor H ..... in Bonn der macht' Es zerstreuter einmal als jene: Er hat die Hose zu Bett gebracht, Hing selber sich über die Lehne. III. Wie ist so friedlich mir zu Muth An diesen stillen Gewässern: In Holland finde ich alles gut, Ich finde nichts zu verbessern. Die frommen Kirchthürme spielen so flott Mit den Glockenspielen und preisen Schier viertelstündlich den lieben Gott In Walzer und Polkaweisen. Und die Treckscheuten ziehen so seltsamlich Auf den wellenlosen Kanälen; Und am Bord da freuen des Lebens sich Die redlichen Handelsseelen. Die Männer im Rock, die Männer im Frack, Die lächelnd durch's Leben wandeln; Sie essen Käse und rauchen Tabak Und machen in Pfeffer und Mandeln. Und in Kaffe auch, daß man ihn fort Nach dem treuen Germanien verschicke, Denn nur das Kaffewasser wird dort Bezogen aus eigner Fabrike. O liebliche Flur, die ich durchzog, Wo die prakt'schen Intressen siegen: Wo die höchsten Geister nur so hoch Wie die Windmühlflügel fliegen! Und die Windmühlen dreh'n sich seltsamlich Im leuchtenden Abendrothe – O glückliches Land, wo vielleicht nur ich Der einzige Don Quixote. <TEI> <text> <pb facs="#f0001" n="0017"/> <front> <titlePage type="heading"> <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung.</titlePart> <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart> <docImprint> <docDate>No 5. Köln, Montag 5. Juni 1848.</docDate> </docImprint> </titlePage> </front> <body> <div type="jExpedition"> <p>Die <hi rendition="#b">„Neue Rheinische Zeitung“</hi> erscheint vom 1. Juni <hi rendition="#b">an täglich.</hi></p> <p>Der Abonnementspreis beträgt: Für das Vierteljahr in Köln 1 Thlr. 15 Sgr.; für alle übrigen Orte Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Außerhalb Preußens mit Zuschlag des fremden Zeitungsporto's.</p> <p>Das Abonnement für den Monat Juni kann nur unter gleichzeitiger Bestellung des nächsten Quartals (Juli, August, September) geschehen. Der Preis dieses viermonatlichen Abonnements beträgt: Für Koln 2 Thlr.; auswärts 2 Thlr. 25 Sgr.</p> <p>Man abonnirt bei allen Postanstalten und Buchhandlungen des In- und Auslandes; ‒ für Köln in der Expedition der Zeitung bei<lb/> Hrn. <hi rendition="#b">W. Clouth,</hi> <hi rendition="#g">St. Agatha 12</hi>, Köln.</p> <p>Fernere Aktienzeichnungen werden entgegen genommen in der Expedition der Zeitung. Auswärtige werden gebeten, sich ebenfalls dorthin franco zu wenden.</p> <p> <hi rendition="#b">Insertionsgebühren.</hi> </p> <p>Für die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum … 1 Sgr. 6 Pf.</p> <p> <hi rendition="#b">Die Expedition der „Neuen Rheinischen Zeitung.“</hi> </p> </div> <div type="jEditorialStaff"> <p>Redaktions-Comité.</p> <p>Karl Marx, Redakteur en Chef.</p> <list> <item>Heinrich Bürgers,</item> <item>Ernst Dronke,</item> <item>Friedrich Engels,</item> <item>Georg Weerth,</item> <item>Ferdinand Wolff,</item> <item>Wilhelm Wolff,</item> <trailer rendition="#leftBraced">Redakteure.</trailer> </list> </div> <div type="contents" n="1"> <head>Uebersicht.</head> <p><hi rendition="#g">Deutschland.</hi> Köln (Anfrage). Neuß (demokratische Parthei). Aachen (Regierungsrath Frenken). Berlin(Der Hase als Trommelschläger. ‒ Weitere Details über die Unruhen vom 31. Mai. ‒ Zwangsanleihe. ‒ Die Bürgerschaft. ‒ Vereinbarungsdebatten). Breslau (Korrespondenz des Erzbischofs von Posen Pzryluski mit dem Berliner Kabinet). Posen (Verbote). Frankfurt (Kommission wegen der Centralgewalt). Marburg (demokratischer Verein). Wien (die letzte Revolution. ‒ Aufhebung der Feudallasten in Kärnthen. ‒ Abschaffung der Prügelstrafe etc.). Prag (Arbeiterbewegung. ‒ Sklavenkongreß). Rendsburg (Rückzug der Preußen). Altona (die Dänen geschlagen. ‒ Wrangel rückt wieder vor). Schleswig-Holstein (die Kriegskomödie). Hamburg (der Marine-Kongreß).</p> <p><hi rendition="#g">Ungarn.</hi>Pesth (Landtag auf den 2. Juli festgesetzt. ‒ Anleihe).</p> <p><hi rendition="#g">Belgien.</hi>Brüssel (Rachel und Rogier. ‒ Castiau's Schreiben an die Wähler von Tournay).</p> <p><hi rendition="#g">Italien.</hi>Neapel (Zustand nach dem 15. Mai. ‒ Proklamation des Königs. ‒ Neue Wahlen). Venedig (Polizeimaßregeln). Mailand (Peschiera genommen). Bern (Bericht des Schweizer-Obersten über den 15. Mai).</p> <p><hi rendition="#g">Frankreich</hi>(Kandidatenliste zu den neuen Wahlen. ‒ Emil Thomas. ‒ Verfassungsentwurf. ‒ Das Journal des Travailleurs über die weißen Republikaner).</p> <p><hi rendition="#g">Schweiz.</hi>Bern (Tagsatzung. ‒ Uri Schmid).</p> <p><hi rendition="#g">England.</hi>London (die Times über die Chartisten. ‒ Demonstration zu London. ‒ Abermals die Times über die Chartisten-Parlamentsverhandlungen).</p> <p> <hi rendition="#g">Handels- und Börsennachrichten.</hi> </p> </div> <div n="1"> <head>Deutschland</head> <div xml:id="ar005_001_c" type="jArticle"> <note type="editorial">Edition: <bibl>Friedrich Engels: Anfrage. In: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi> I/7. S. 65.</bibl></note> <head><bibl><author>*</author></bibl><hi rendition="#g">Köln,</hi> 4. Juni.</head> <gap reason="copyright"/> </div> <div xml:id="ar005_002" type="jArticle"> <head><bibl><author>**</author></bibl><hi rendition="#g">Neuß,</hi> 3. Juni.</head> <p>In unserer Stadt konstituirt sich jetzt ein demokratischer Klub, der nicht unterlassen wird, sich mit der Kölner demokratischen Gesellschaft in Verbindung zu setzen. Das Neußer Kreisblatt wird ihm für die Umgegend als Organ dienen. Ueberhaupt zeigt die demokratische Partei eine Thätigkeit, die uns bei den nächsten Wahlen ein glücklicheres Resultat als das letzthin erlangte, in Aussicht stellt.</p> </div> <div xml:id="ar005_003" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl><hi rendition="#g">Aachen,</hi> 3. Juni.</head> <p>Hr. Regierungs- und Schulrath <hi rendition="#g">Frenken</hi> aus <hi rendition="#g">Aachen,</hi> Abgeordneter von <hi rendition="#g">Heinsberg,</hi> hat in der Sitzung vom 31. Mai der Kammer „zur Vereinbarung“ erklärt, „man könne nicht genug das ehrenwerthe Benehmen des Militärs in Aachen anerkennen, es habe sich mit <hi rendition="#g">bewunderungswürdiger Mässigung</hi> benommen.“</p> <p>Dieser Herr Regierungs- und Schulrath, einer der größten Reaktionäre der Kammer „zur Vereinbarung“, erklärte kürzlich in einer Privatgesellschaft, „bei den ewigen Unruhen in Berlin sei es Zeit, daß sich die Bürger mehr zurückzögen, das Militär einrücke und die Berliner mit Kartätschen beschieße.“</p> <p>Vertritt der Herr Regierungs- und Schulrath die Aachener Bürgerschaft? Es liegt im Interesse der Stadt Aachen, selbst hierauf zu antworten.</p> <p>Im Allgemeinen müssen wir den Herren Regierungs- und Schulräthen, wie sonstigen königl. preußischen Beamten bemerken, daß ein gewisser Takt sie vor der Unschicklichkeit bewahren sollte, in den Konflikten zwischen königl. preußischen Soldaten und rheinländischem Volke sich als <hi rendition="#g">Unparteiische</hi> aufzuwerfen.</p> </div> <div xml:id="ar005_004" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl><hi rendition="#g">Berlin,</hi> 2. Juni.</head> <p>Wer zum erstenmale in die preußische Nationalversammlung tritt, den muß die Haltung derselben in jeder Weise befremden. Dem äußern Ansehen gemäß sollte man glauben, die Versammlung sei entschieden demokratisch; aber dem Gange der Debatte nach läßt sich nur das Gegentheil behaupten. Entschiedene Parteifragen sind noch gar nicht zur Berathung gekommen, ja eine eigentliche Berathung hat bisher nicht stattgefunden, denn bei den Verhandlungen, wie sie bis jetzt gepflogen wurden, wird mehr mit unartikulirten Tönen, Getrommel mit den Füßen, wildem Geschrei und dergleichen Dingen verhandelt, als mit Worten oder gar Gründen. Bis jetzt hat die Versammlung eine entschiedene Abneigung gegen jede geordnete Berathung und gründliche Erörterung an den Tag gelegt; kaum ist ein Antrag förmlich gestellt, als auch schon der wilde Ruf: „Schluß! Abstimmen!“ ertönt. Der Bescheidene wird dadurch abgeschreckt, überhaupt die Rednerbühne zu besteigen; der weniger Bescheidene aber, wenn er endlich mühevoll das Recht auf der Tribüne zu stehen erlangt hat, unter gleichzeitigem Einfallen des Getrommels auf dem Fußboden wieder herunter getrieben. Von wem gehen diese ewigen Störungen aus? Von der vornehmen Seite, der konservativen Rechten, der eigentlichen ministeriellen Partei und darunter steht der größte Theil der rheinischen Juristen oben an. Sie kennen das Bild ‒ der Hase als Trommelschläger. Als vorgestern das Ministerium aus der Frage, ob eine Adresse gemacht werden solle oder nicht, eine Kabinetsfrage machte, verdankt es die Linke nur der Gnade des Herrn Finanzministers, der selbst die Versammlung ersuchte, auch zwei Mitglieder der Linken das Wort zukommen zu lassen. Der Sieg, den das Ministerium bei dieser Gelegenheit durch Bejahung der gestellten Kabinetsfrage erlangte, beweist die Sicherheit seines Fortbestehens noch keineswegs. Ein großer Theil der Versammlung, namentlich des linken Centrums, stimmte für die Abfassung einer Adresse, um Gelegenheit zu haben, das Ministerium gründlich zu stürzen. Die Herren konnten dies freilich viel einfacher, viel rascher und zugleich viel wohlfeiler erlangen, wenn sie gleich vorgestern schon den vom Ministerium geschleuderten Handschuh aufgegriffen und ihm den Abschied ertheilt hätten durch Verwerfung des Antrages auf Erlassung einer Adresse. Der vorgelegte Konstitutionsentwurf findet in den Kammern allgemeine Mißbilligung; selbst die entschiedensten Zweikammermänner wagen es nicht, sich für die erste Kammer des Entwurfs auszusprechen. In dieser Hinsicht möchte dem Entwurf schon mit Sicherheit sein Durchfall vorherzusagen sein.</p> </div> <div xml:id="ar005_005" type="jArticle"> <head><hi rendition="#g">Berlin,</hi> 1. Juni.</head> <p>Ueber den gestrigen ziemlich unruhigen Tag sind noch folgende Notizen nachzutragen. Man wollte auf dem Schlosse eine Signalstange bemerkt haben, die als Antwort auf dem Moabiter Gefängniß eine zweite hervorgerufen hätte u. s. f. Auf den Wunsch der Bürger wurde die Stange vom Schlosse entfernt; sodann stellte sich das allerdings auffallende Faktum heraus, daß alle Brücken über die Spree durch Bretter so vernagelt waren, so zwar, daß es unmöglich war, sie aufzuziehen und etwaiges Einmarschiren der Truppen zu verhindern. Augenblicklich wurden die Bretter entfernt. Daß Gerücht, daß von der Reaktion ein Schlag geführt werden solle, rief alle Klubs, Volksversammlungen und Vereine zusammen. Der demokratische Klub, die Zeltenversammlung, der Handwerkerverein und die auf dem Monbijouplatze zusammengetretenen Eisenarbeiter (3000 an der Zahl) beschlossen, auf augenblickliche Bewaffnung des Volkes zu dringen; heute Mittag will man sich bei den Bezirksvorstehern melden, um Waffen zu erhalten; wird dies Begehren abgeschlagen, so findet zur Berathung des Weiteren heute Nachmittag eine Volksversammlung unter den Zelten Statt. Vorläufig hatte gegen Abend im Kastanienwalde hinter der Universität im Freien sich eine Kommission, bestehend aus den Herren Schramm, Solger, Hexamer, Wyst und Korn, niedergelassen, welche die Namen derjenigen Personen, die noch keine Waffen erhalten hatten und sich meldeten, notirten. Da das Gerücht verbreitet war, daß von der Reaktion gekaufte Individuen in der Nacht, um Zwiespalt zu erregen und einen Kampf zu provoziren, die Republik ausrufen sollten, so patrouillirten Studenten, Bürger und Handwerker die ganze Nacht, um diese Ruhestörer zu verhaften. Die Nacht verlief jedoch ganz ruhig. ‒ Heute ist den Eisenarbeitern offiziell mitgetheilt worden, daß morgen oder die nächsten Tage 15,000 Gewehre an sie vertheilt werden sollen. Weiteres ist nicht bekannt; das Zeughaus ist stark von der Bürgerwehr besetzt und obwohl das Wetter sehr unfreundlich ist, stehen doch zahlreiche Gruppen in der Nähe des Zeughauses. <bibl>(D. Z.)</bibl></p> <p>‒ Sicherm Vernehmen nach steht hier eine 31/4procertige Zwangsanleihe in Aussicht. <bibl>(Rh.- u. M.-Z.)</bibl></p> </div> <div xml:id="ar005_006" type="jArticle" next="#ar005_006b"> <head><bibl><author>*</author></bibl><hi rendition="#g">Berlin,</hi> 2. Juni.</head> <p>Die demokratische Partei nimmt hier von Tag zu Tag an Macht und Einfluß zu. Eine Menge von Umständen hat unsere halb eingeschüchterte Bürgerschaft dem Volk genähert und eine neue Verbrüderung Beider vorbereitet. Der Berliner Bürger hat bei der Revolution theilweise mitgefochten, er ist stolz auf sie, und mußte erbittert werden durch die Art, wie Herr Camphausen sie am 30. Mai desavouirte, durch den Verfassungs-Entwurf, durch die heimliche Ausräumung des Zeughauses. Er mußte Feuer und Flammen sprühen, wenn er jeden Morgen in der Vossischen oder Spenerschen die zahllosen wuthschnaubenden Adressen aus hundert kleinen märkischen, pommerschen, westpreußischen, lausitzischen und sächsischen Oertern und Oertchen las, Adressen, in denen die Barrikadenkämpfer des 18. März, die noch dazu Berliner waren, von miserablen Provinzialen, von den Pfahlbürgern, Bauern, Beamten und Krautjunkern der norddeutschen Sahara mit den beleidigendsten Ausbrüchen reaktionärer Tollwuth überschüttet wurden. Er mußte sich aufs Aeußerste verletzt fühlen, wenn er sah, wie die Partei des ancien régime die Landwehr zu fanatisiren suchte, um sie als Mittel zur Verdrängung der Bürgerwehr und als Gegengewicht gegen sie zu gebrauchen. Er mußte im Stillen</p> </div> </div> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="ar005_006a" type="jArticle"> <head>Holländische Reisen</head> <bibl>von<lb/> Georg Weerth.</bibl> <lg type="poem"> <head>I.</head> <lg n="1"> <l>Die bunten Flaggen winken —</l><lb/> <l>Und dies ist Rotterdam!</l><lb/> <l>Die Gassen und Plätze stinken</l><lb/> <l>Nach Käse wundersam.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Und dort am Brückenrande</l><lb/> <l>Früh Morgens und Abends spät</l><lb/> <l>Im düsteren Gewande</l><lb/> <l>Der alte Erasmus steht.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Er steht noch wie vor Zeiten,</l><lb/> <l>Er steht noch wie er stand;</l><lb/> <l> Er dreht herum die Seiten</l><lb/> <l> Von seinem Foliant.</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Und wird er die letzte drehen –</l><lb/> <l>Wer weiß, wann's ihm gefällt:</l><lb/> <l>Dann wird zu Grunde gehen</l><lb/> <l>Diese ganze Käsewelt.</l><lb/> </lg> <lg n="5"> <l>Da wirst du deinem Gerichte</l><lb/> <l>Erliegen, o Holland hehr –</l><lb/> <l>Durchduftend die Weltgeschichte</l><lb/> <l>Mit Butter, Tabak und Theer.</l><lb/> </lg> </lg> <lg type="poem"> <head>II.</head> <lg n="1"> <l>Und Amsterdam das ist eine Stadt</l><lb/> <l>Gebaut auf Knitteln und Pfählen,</l><lb/> <l>Mit Straßen und Grachten und Brücken und hat</l><lb/> <l>Viel Tausende menschlicher Seelen.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Viel Frauen und Männer, viel Männer und Frau'n</l><lb/> <l>Gekleidet in Buxkin und Bieber:</l><lb/> <l>Die Männer, die konnt ich selten verdau'n,</l><lb/> <l>Doch die Frauen, die waren mir lieber.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Die lieblichen Frau'n! mit den Zähnen so weiß</l><lb/> <l>Und die Wangen voll üppiger Rosen,</l><lb/> <l>Ich liebe sie innig, ich liebe sie heiß –</l><lb/> <l>An den Beinen tragen sie Hosen.</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Und gehen sie schlafen, da ziehen sie nett</l><lb/> <l>Die Hosen aus, sonder gêne,</l><lb/> <l>Und springen jubelnd in's luftige Bett –</l><lb/> <l>Die Hose hängt über der Lehne.</l><lb/> </lg> <lg n="5"> <l>Professor H ..... in Bonn der macht'</l><lb/> <l>Es zerstreuter einmal als jene:</l><lb/> <l>Er hat die Hose zu Bett gebracht,</l><lb/> <l>Hing selber sich über die Lehne.</l><lb/> </lg> </lg> <lg type="poem"> <head>III.</head> <lg n="1"> <l>Wie ist so friedlich mir zu Muth</l><lb/> <l>An diesen stillen Gewässern:</l><lb/> <l>In Holland finde ich alles gut,</l><lb/> <l>Ich finde nichts zu verbessern.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Die frommen Kirchthürme spielen so flott</l><lb/> <l>Mit den Glockenspielen und preisen</l><lb/> <l>Schier viertelstündlich den lieben Gott</l><lb/> <l>In Walzer und Polkaweisen.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Und die Treckscheuten ziehen so seltsamlich</l><lb/> <l>Auf den wellenlosen Kanälen;</l><lb/> <l>Und am Bord da freuen des Lebens sich</l><lb/> <l>Die redlichen Handelsseelen.</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Die Männer im Rock, die Männer im Frack,</l><lb/> <l>Die lächelnd durch's Leben wandeln;</l><lb/> <l>Sie essen Käse und rauchen Tabak</l><lb/> <l>Und machen in Pfeffer und Mandeln.</l><lb/> </lg> <lg n="5"> <l>Und in Kaffe auch, daß man ihn fort</l><lb/> <l>Nach dem treuen Germanien verschicke,</l><lb/> <l>Denn nur das Kaffewasser wird dort</l><lb/> <l>Bezogen aus eigner Fabrike.</l><lb/> </lg> <lg n="6"> <l>O liebliche Flur, die ich durchzog,</l><lb/> <l>Wo die prakt'schen Intressen siegen:</l><lb/> <l>Wo die höchsten Geister nur so hoch</l><lb/> <l>Wie die Windmühlflügel fliegen!</l><lb/> </lg> <lg n="7"> <l>Und die Windmühlen dreh'n sich seltsamlich</l><lb/> <l>Im leuchtenden Abendrothe –</l><lb/> <l>O glückliches Land, wo vielleicht nur ich</l><lb/> <l>Der einzige Don Quixote.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0017/0001]
Neue Rheinische Zeitung.Organ der Demokratie.No 5. Köln, Montag 5. Juni 1848. Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich.
Der Abonnementspreis beträgt: Für das Vierteljahr in Köln 1 Thlr. 15 Sgr.; für alle übrigen Orte Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Außerhalb Preußens mit Zuschlag des fremden Zeitungsporto's.
Das Abonnement für den Monat Juni kann nur unter gleichzeitiger Bestellung des nächsten Quartals (Juli, August, September) geschehen. Der Preis dieses viermonatlichen Abonnements beträgt: Für Koln 2 Thlr.; auswärts 2 Thlr. 25 Sgr.
Man abonnirt bei allen Postanstalten und Buchhandlungen des In- und Auslandes; ‒ für Köln in der Expedition der Zeitung bei
Hrn. W. Clouth, St. Agatha 12, Köln.
Fernere Aktienzeichnungen werden entgegen genommen in der Expedition der Zeitung. Auswärtige werden gebeten, sich ebenfalls dorthin franco zu wenden.
Insertionsgebühren.
Für die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum … 1 Sgr. 6 Pf.
Die Expedition der „Neuen Rheinischen Zeitung.“
Redaktions-Comité.
Karl Marx, Redakteur en Chef.
Heinrich Bürgers,
Ernst Dronke,
Friedrich Engels,
Georg Weerth,
Ferdinand Wolff,
Wilhelm Wolff,Redakteure.
Uebersicht. Deutschland. Köln (Anfrage). Neuß (demokratische Parthei). Aachen (Regierungsrath Frenken). Berlin(Der Hase als Trommelschläger. ‒ Weitere Details über die Unruhen vom 31. Mai. ‒ Zwangsanleihe. ‒ Die Bürgerschaft. ‒ Vereinbarungsdebatten). Breslau (Korrespondenz des Erzbischofs von Posen Pzryluski mit dem Berliner Kabinet). Posen (Verbote). Frankfurt (Kommission wegen der Centralgewalt). Marburg (demokratischer Verein). Wien (die letzte Revolution. ‒ Aufhebung der Feudallasten in Kärnthen. ‒ Abschaffung der Prügelstrafe etc.). Prag (Arbeiterbewegung. ‒ Sklavenkongreß). Rendsburg (Rückzug der Preußen). Altona (die Dänen geschlagen. ‒ Wrangel rückt wieder vor). Schleswig-Holstein (die Kriegskomödie). Hamburg (der Marine-Kongreß).
Ungarn.Pesth (Landtag auf den 2. Juli festgesetzt. ‒ Anleihe).
Belgien.Brüssel (Rachel und Rogier. ‒ Castiau's Schreiben an die Wähler von Tournay).
Italien.Neapel (Zustand nach dem 15. Mai. ‒ Proklamation des Königs. ‒ Neue Wahlen). Venedig (Polizeimaßregeln). Mailand (Peschiera genommen). Bern (Bericht des Schweizer-Obersten über den 15. Mai).
Frankreich(Kandidatenliste zu den neuen Wahlen. ‒ Emil Thomas. ‒ Verfassungsentwurf. ‒ Das Journal des Travailleurs über die weißen Republikaner).
Schweiz.Bern (Tagsatzung. ‒ Uri Schmid).
England.London (die Times über die Chartisten. ‒ Demonstration zu London. ‒ Abermals die Times über die Chartisten-Parlamentsverhandlungen).
Handels- und Börsennachrichten.
Deutschland * Köln, 4. Juni. _ **Neuß, 3. Juni. In unserer Stadt konstituirt sich jetzt ein demokratischer Klub, der nicht unterlassen wird, sich mit der Kölner demokratischen Gesellschaft in Verbindung zu setzen. Das Neußer Kreisblatt wird ihm für die Umgegend als Organ dienen. Ueberhaupt zeigt die demokratische Partei eine Thätigkeit, die uns bei den nächsten Wahlen ein glücklicheres Resultat als das letzthin erlangte, in Aussicht stellt.
* Aachen, 3. Juni. Hr. Regierungs- und Schulrath Frenken aus Aachen, Abgeordneter von Heinsberg, hat in der Sitzung vom 31. Mai der Kammer „zur Vereinbarung“ erklärt, „man könne nicht genug das ehrenwerthe Benehmen des Militärs in Aachen anerkennen, es habe sich mit bewunderungswürdiger Mässigung benommen.“
Dieser Herr Regierungs- und Schulrath, einer der größten Reaktionäre der Kammer „zur Vereinbarung“, erklärte kürzlich in einer Privatgesellschaft, „bei den ewigen Unruhen in Berlin sei es Zeit, daß sich die Bürger mehr zurückzögen, das Militär einrücke und die Berliner mit Kartätschen beschieße.“
Vertritt der Herr Regierungs- und Schulrath die Aachener Bürgerschaft? Es liegt im Interesse der Stadt Aachen, selbst hierauf zu antworten.
Im Allgemeinen müssen wir den Herren Regierungs- und Schulräthen, wie sonstigen königl. preußischen Beamten bemerken, daß ein gewisser Takt sie vor der Unschicklichkeit bewahren sollte, in den Konflikten zwischen königl. preußischen Soldaten und rheinländischem Volke sich als Unparteiische aufzuwerfen.
* Berlin, 2. Juni. Wer zum erstenmale in die preußische Nationalversammlung tritt, den muß die Haltung derselben in jeder Weise befremden. Dem äußern Ansehen gemäß sollte man glauben, die Versammlung sei entschieden demokratisch; aber dem Gange der Debatte nach läßt sich nur das Gegentheil behaupten. Entschiedene Parteifragen sind noch gar nicht zur Berathung gekommen, ja eine eigentliche Berathung hat bisher nicht stattgefunden, denn bei den Verhandlungen, wie sie bis jetzt gepflogen wurden, wird mehr mit unartikulirten Tönen, Getrommel mit den Füßen, wildem Geschrei und dergleichen Dingen verhandelt, als mit Worten oder gar Gründen. Bis jetzt hat die Versammlung eine entschiedene Abneigung gegen jede geordnete Berathung und gründliche Erörterung an den Tag gelegt; kaum ist ein Antrag förmlich gestellt, als auch schon der wilde Ruf: „Schluß! Abstimmen!“ ertönt. Der Bescheidene wird dadurch abgeschreckt, überhaupt die Rednerbühne zu besteigen; der weniger Bescheidene aber, wenn er endlich mühevoll das Recht auf der Tribüne zu stehen erlangt hat, unter gleichzeitigem Einfallen des Getrommels auf dem Fußboden wieder herunter getrieben. Von wem gehen diese ewigen Störungen aus? Von der vornehmen Seite, der konservativen Rechten, der eigentlichen ministeriellen Partei und darunter steht der größte Theil der rheinischen Juristen oben an. Sie kennen das Bild ‒ der Hase als Trommelschläger. Als vorgestern das Ministerium aus der Frage, ob eine Adresse gemacht werden solle oder nicht, eine Kabinetsfrage machte, verdankt es die Linke nur der Gnade des Herrn Finanzministers, der selbst die Versammlung ersuchte, auch zwei Mitglieder der Linken das Wort zukommen zu lassen. Der Sieg, den das Ministerium bei dieser Gelegenheit durch Bejahung der gestellten Kabinetsfrage erlangte, beweist die Sicherheit seines Fortbestehens noch keineswegs. Ein großer Theil der Versammlung, namentlich des linken Centrums, stimmte für die Abfassung einer Adresse, um Gelegenheit zu haben, das Ministerium gründlich zu stürzen. Die Herren konnten dies freilich viel einfacher, viel rascher und zugleich viel wohlfeiler erlangen, wenn sie gleich vorgestern schon den vom Ministerium geschleuderten Handschuh aufgegriffen und ihm den Abschied ertheilt hätten durch Verwerfung des Antrages auf Erlassung einer Adresse. Der vorgelegte Konstitutionsentwurf findet in den Kammern allgemeine Mißbilligung; selbst die entschiedensten Zweikammermänner wagen es nicht, sich für die erste Kammer des Entwurfs auszusprechen. In dieser Hinsicht möchte dem Entwurf schon mit Sicherheit sein Durchfall vorherzusagen sein.
Berlin, 1. Juni. Ueber den gestrigen ziemlich unruhigen Tag sind noch folgende Notizen nachzutragen. Man wollte auf dem Schlosse eine Signalstange bemerkt haben, die als Antwort auf dem Moabiter Gefängniß eine zweite hervorgerufen hätte u. s. f. Auf den Wunsch der Bürger wurde die Stange vom Schlosse entfernt; sodann stellte sich das allerdings auffallende Faktum heraus, daß alle Brücken über die Spree durch Bretter so vernagelt waren, so zwar, daß es unmöglich war, sie aufzuziehen und etwaiges Einmarschiren der Truppen zu verhindern. Augenblicklich wurden die Bretter entfernt. Daß Gerücht, daß von der Reaktion ein Schlag geführt werden solle, rief alle Klubs, Volksversammlungen und Vereine zusammen. Der demokratische Klub, die Zeltenversammlung, der Handwerkerverein und die auf dem Monbijouplatze zusammengetretenen Eisenarbeiter (3000 an der Zahl) beschlossen, auf augenblickliche Bewaffnung des Volkes zu dringen; heute Mittag will man sich bei den Bezirksvorstehern melden, um Waffen zu erhalten; wird dies Begehren abgeschlagen, so findet zur Berathung des Weiteren heute Nachmittag eine Volksversammlung unter den Zelten Statt. Vorläufig hatte gegen Abend im Kastanienwalde hinter der Universität im Freien sich eine Kommission, bestehend aus den Herren Schramm, Solger, Hexamer, Wyst und Korn, niedergelassen, welche die Namen derjenigen Personen, die noch keine Waffen erhalten hatten und sich meldeten, notirten. Da das Gerücht verbreitet war, daß von der Reaktion gekaufte Individuen in der Nacht, um Zwiespalt zu erregen und einen Kampf zu provoziren, die Republik ausrufen sollten, so patrouillirten Studenten, Bürger und Handwerker die ganze Nacht, um diese Ruhestörer zu verhaften. Die Nacht verlief jedoch ganz ruhig. ‒ Heute ist den Eisenarbeitern offiziell mitgetheilt worden, daß morgen oder die nächsten Tage 15,000 Gewehre an sie vertheilt werden sollen. Weiteres ist nicht bekannt; das Zeughaus ist stark von der Bürgerwehr besetzt und obwohl das Wetter sehr unfreundlich ist, stehen doch zahlreiche Gruppen in der Nähe des Zeughauses. (D. Z.)
‒ Sicherm Vernehmen nach steht hier eine 31/4procertige Zwangsanleihe in Aussicht. (Rh.- u. M.-Z.)
*Berlin, 2. Juni. Die demokratische Partei nimmt hier von Tag zu Tag an Macht und Einfluß zu. Eine Menge von Umständen hat unsere halb eingeschüchterte Bürgerschaft dem Volk genähert und eine neue Verbrüderung Beider vorbereitet. Der Berliner Bürger hat bei der Revolution theilweise mitgefochten, er ist stolz auf sie, und mußte erbittert werden durch die Art, wie Herr Camphausen sie am 30. Mai desavouirte, durch den Verfassungs-Entwurf, durch die heimliche Ausräumung des Zeughauses. Er mußte Feuer und Flammen sprühen, wenn er jeden Morgen in der Vossischen oder Spenerschen die zahllosen wuthschnaubenden Adressen aus hundert kleinen märkischen, pommerschen, westpreußischen, lausitzischen und sächsischen Oertern und Oertchen las, Adressen, in denen die Barrikadenkämpfer des 18. März, die noch dazu Berliner waren, von miserablen Provinzialen, von den Pfahlbürgern, Bauern, Beamten und Krautjunkern der norddeutschen Sahara mit den beleidigendsten Ausbrüchen reaktionärer Tollwuth überschüttet wurden. Er mußte sich aufs Aeußerste verletzt fühlen, wenn er sah, wie die Partei des ancien régime die Landwehr zu fanatisiren suchte, um sie als Mittel zur Verdrängung der Bürgerwehr und als Gegengewicht gegen sie zu gebrauchen. Er mußte im Stillen
Holländische Reisen von
Georg Weerth. I. Die bunten Flaggen winken —
Und dies ist Rotterdam!
Die Gassen und Plätze stinken
Nach Käse wundersam.
Und dort am Brückenrande
Früh Morgens und Abends spät
Im düsteren Gewande
Der alte Erasmus steht.
Er steht noch wie vor Zeiten,
Er steht noch wie er stand;
Er dreht herum die Seiten
Von seinem Foliant.
Und wird er die letzte drehen –
Wer weiß, wann's ihm gefällt:
Dann wird zu Grunde gehen
Diese ganze Käsewelt.
Da wirst du deinem Gerichte
Erliegen, o Holland hehr –
Durchduftend die Weltgeschichte
Mit Butter, Tabak und Theer.
II. Und Amsterdam das ist eine Stadt
Gebaut auf Knitteln und Pfählen,
Mit Straßen und Grachten und Brücken und hat
Viel Tausende menschlicher Seelen.
Viel Frauen und Männer, viel Männer und Frau'n
Gekleidet in Buxkin und Bieber:
Die Männer, die konnt ich selten verdau'n,
Doch die Frauen, die waren mir lieber.
Die lieblichen Frau'n! mit den Zähnen so weiß
Und die Wangen voll üppiger Rosen,
Ich liebe sie innig, ich liebe sie heiß –
An den Beinen tragen sie Hosen.
Und gehen sie schlafen, da ziehen sie nett
Die Hosen aus, sonder gêne,
Und springen jubelnd in's luftige Bett –
Die Hose hängt über der Lehne.
Professor H ..... in Bonn der macht'
Es zerstreuter einmal als jene:
Er hat die Hose zu Bett gebracht,
Hing selber sich über die Lehne.
III. Wie ist so friedlich mir zu Muth
An diesen stillen Gewässern:
In Holland finde ich alles gut,
Ich finde nichts zu verbessern.
Die frommen Kirchthürme spielen so flott
Mit den Glockenspielen und preisen
Schier viertelstündlich den lieben Gott
In Walzer und Polkaweisen.
Und die Treckscheuten ziehen so seltsamlich
Auf den wellenlosen Kanälen;
Und am Bord da freuen des Lebens sich
Die redlichen Handelsseelen.
Die Männer im Rock, die Männer im Frack,
Die lächelnd durch's Leben wandeln;
Sie essen Käse und rauchen Tabak
Und machen in Pfeffer und Mandeln.
Und in Kaffe auch, daß man ihn fort
Nach dem treuen Germanien verschicke,
Denn nur das Kaffewasser wird dort
Bezogen aus eigner Fabrike.
O liebliche Flur, die ich durchzog,
Wo die prakt'schen Intressen siegen:
Wo die höchsten Geister nur so hoch
Wie die Windmühlflügel fliegen!
Und die Windmühlen dreh'n sich seltsamlich
Im leuchtenden Abendrothe –
O glückliches Land, wo vielleicht nur ich
Der einzige Don Quixote.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-20T13:08:10Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
(2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |