Neue Rheinische Zeitung. Nr. 9. Köln, 9. Juni 1848.[Deutschland] Frankfurt, 7. Juni. Die konstituirende Nationalversammlung hat heute nach einer längern, zunächst durch die veröffentlichten Vorlagen des provisorischen Centralcomite in Prag an den Slavenkongreß veranlaßten Debatte beschlossen: einen besondern Ausschuß von 15 Mitgliedern zur Begutachtung der österreichisch-slavischen Frage, insoweit es sich von deutschen Bundesländern handelt, niederzusetzen. Die Wahl des Ausschusses durch die Abtheilungen sollte alsbald nach der öffentlichen Sitzung erfolgen; derselbe wird sich bereits heute Nachmittag 5 Uhr konstituiren. pp. Frankfurt, 6. Juni. Die deutsche National-Versammlung hat durch ihre letzten Verhandlungen, wenn auch wider ihren Willen, der deutschen Republik ganz entschieden in die Hände gearbeitet, sie hat den unausbleiblichen Sturm heraufbeschworen, der sich zunächst über ihrem Haupte und dann über dem Pferche der patriarchalisch-deutschen Zustände entladen wird. Die Versammlung, zusammengesetzt aus romantischen Antiquitäten, stockgelehrten Hofräthen und Doktoren, selbstgefälligen Doktrinärs und wenigen entschiedenen Männern, hat ihren verhängnißvollen Sturz dadurch herbeigeführt, daß sie da einzulenken versuchte, wo der Stillstand ein Verbrechen ist, daß sie ihre Zeit, ihre Aufgabe nicht verstand; den Todesstoß endlich hat sie sich gegeben durch die Zusammensetzung des Ausschusses für die Bildung einer provisorischen Vollziehungsgewalt. Woher, werden Sie mich vielleicht fragen, schon jetzt diese düsteren Voraussetzungen? Da wir von der Thätigkeit dieses Ausschusses noch nichts wissen, da er seinen Entwurf noch nicht einmal vorgelegt hat. Ich brauche Ihnen aber nur die Namen der Mitglieder der Kommission zu nennen und sie werden meine Besorgniß gerechtfertigt finden. Da ist Hr. Flottwell, preußischer Oberpräsident, ein Erzbüreaukrat alten Stils, der noch vor zwei Jahren den sich bei ihm als damaligen Finanzminister beschwerenden rheinischen Gewerbetreibenden anempfahl, sie möchten sich nur um ihre Angelegenheiten, nicht aber um die tiefer gehenden kommerziellen und politischen Verhältnisse kümmern, Hr. v. Zenetti, ein abgedankter baierischer Minister, der selbst dem seligen König Ludwig zu schlecht war und abgesetzt wurde, Hr. v. Würth, einer jener Schwächlinge, welche alle Revolutionen beklagen, endlich Hr. v. Saucken ein preußischer Krieger, der früher nach der Melodie seines Bruders den Rechtsboden des ersten vereinigten Landtages ausbeutete, jetzt aber, wo der Pöbel zur Herrschaft strebt, den Frieden "einer vernünftigen Konstitution allen politischen Kämpfen vorzieht." Diese Herren bilden die Rechte, sie wollen Ruhe und Vertrauen durch ein selbstbegründetes Königthum wieder herstellen. An sie schließen sich als Centrum an der Hofrath Dahlmann, der Vertrauensmensch und Fürstengläubige, der mit seinem Bruder in der Politik, dem keuschen Joseph derselben, Hofrath Gervinus noch nie "eine politische Unzucht begangen", sondern sich stets an das Maß der gegebenen Zustände gehalten hat, ferner der liberale Hr. Stedtmann, welcher zur Zeit der Revolution den preußischen Landtag für die letzte Planke der Gesetzlichkeit hielt, Hr. Wippermann, ein Kasseler Jakobiner, Hr. Duncker, ein zahmer hallenser Löwe, Hr. Claussen, ein liberaler Holsteiner, Hr. v. Lindenau, v. Raumer, v. Gagern und v. Meyern, lauter freisinnige Männer, die aber vor dem unschuldigen Worte Republik erschrecken und durch ein festbegründetes, aber festbegränztes konstitutionelles Königthum Alles erreichen wollen. Auf der linken Seite erblicken wir nur Robert Blum und Trützschler, die aber beide bis jetzt noch nicht die Konsequenz aus den von ihnen vertretenen Ansichten gezogen haben. Das ist die Kommission; einige ihrer Mitglieder sprachen es mit naiver Gradheit aus, daß das Volk nicht souverain sei, sondern daß es darauf ankomme, den durch die Revolution erschütterten Einfluß und Macht der uns vorgesetzten Fürsten wieder zu befestigen. Unsere Aussichten sind also einfach die, daß die vollziehende Centralgewalt den Fürsten in die Hände gelegt oder gleich kurzer Hand dem Bundestage übertragen wird, daß man endlich höchstens, um nach Art eines Feiglings den Schein für sich zu wahren, den Vollziehungsausschuß aus dem Schooße der Versammlung ernannt, aber von den Fürsten bestätigen läßt. Bei den Bestandtheilen der ersteren bin ich Ihnen Bürge für die Annahme eines dergestalt abgefaßten Kommissions-Entwurfes, um so mehr, als die Rechte wenigstens aus 2/3 der Mitglieder besteht und das wohlbegründetste Interesse hat, ihren vermeintlichen Vortheil der verhaßten Linken gegenüber zu wahren. Also Barrikaden und Revolution waren umsonst, der alte Schlendrian soll wieder von Neuem angehen. Der Bund, den selbst der Hr. v. Gagern eine Leiche nannte, dieser Kadaver soll das Volk von Neuem knechten, von Neuem mit dessen Wohl sein schnödes Spiel treiben. Doch nein! so wird es nicht, so kann es nicht werden, so lange noch eine kräftige, wenn auch kleine Minorität in der Versammlung sitzt, so lange sie ihrem Mandat getreu, dort die Rechte des Volkes wahrt, und jenes eher aufgiebt als dieses im Stiche läßt. Der Tag der Entscheidung, der Debatte über den Bericht des Vollziehungsausschusses wird bald kommen. Die Linke wird dann wissen, was sie zu thun hat, sie wird es nicht bei einem bloßen Proteste bewenden lassen, sondern sofort aus der Versammlung austreten, da hier die erste Lebensfrage zur Sprache kommt, die Frage nämlich, ob das Prinzip der Volkssouverainität anerkannt oder die ungeschmälerte Fürstenmacht fortbestehen soll? Die entschiedensten Vertreter der Linken haben sich unbedingt für diesen Austritt ausgesprochen; ob sie sich dann selbstständig konstituiren werden, hängt von der Theilnahme ab, den ihr Schritt beim Volke finden wird. So ist der Austritt der Minorität von den wichtigsten Folgen begleitet, er wird die gewaltsam gestaute Revolution wieder in Fluß bringen und unnachsichtlich den Sturz derer herbeiführen, welche sich der Bewegung blindlings entgegenstemmten. *Frankfurt, 7. Juni. Verflossenen Sonntag, am 4. Juni, war bei Bergen, einem 11/2 Stunden von hier entfernten kurhessischen Ort, eine Volksversammlung, zu der sich Turner und Arbeiter aus Hanau, Offenbach, Frankfurt, sowie die Bauern aus allen benachbarten Dörfern eingefunden hatten. Die Versammlung, welche im Freien abgehalten wurde, war in so fern von Bedeutung, als man unter der allgemeinsten Akklamation verkündete: wenn die Nationalversammlung welche den Willen des Volkes zu vertreten berufen sei, die Volkssouveränität an die Fürsten verrathe, so werde man ihre Beschlüsse nicht anerkennen und die demokratische Minorität "durch die That" unterstützen." *Frankfurt. 7. Juni. Der Terrorismus, welchen die reaktionäre Majorität der Nationalversammlung ausübt, ist sogar auf die Korrespondenten der demokratischen Zeitungen ausgedehnt worden. Die provisorische Kommission zur Vertheilung der Journalistenplätze hatte sich die Polizeikontrolle angemaßt, die einzelnen Journalisten in der Art zu überwachen, daß sie denselben eine Legitimation für eine bestimmte Zeitung abverlangte; ein Akt, der in der "freien" Stadt Frankfurt, wo noch die Polizeiwillkühr "mißliebige" Schriftsteller ausweisen darf, für die Korrespondenzen nicht ohne Bedeutung ist. Die neue Kommission, bestehend in dem Herrn Biedermann, ist noch offener zu Werke gegangen. Als die provisorischen Plätze nach Beibringung der Legitimation heute neu vertheilt wurden, erhielten 1) Julius Froebel, O. Lüning, L. Feuerbach, H. Bode (sämmtlich für Organe der Linken legitimirt) gar keine Stütze; 2) Bamberger und Dronke (beide für demokratische Zeitungen legitimirt) einen Platz auf der Tribüne, der nach dem Ausdruck des Alterspräsidenten an einem "akustischen Fehler" leidet. Dafür wurden die früheren (provisorischen) Plätze der genannten Schriftsteller vertheilt 1) an Herrn A. Lewald, Wohlgeboren, für die Augsb. Allg. Ztg.; 2) den durch Guizot neuerdings bekannt gewordenen Dr. Weil, für die deutsche Professorenzeitung; 3) einen Korrespondenten der Köln. Ztg., Schroer oder ähnlichen Namens; 4) an zwei für die Weserzeitung legitimirte Korrespondenten, Sattler und Lengerke; 5) an einen sogenannten Korrespondenten des Frankfurter Journals, Namens Ebner. Herr Biedermann hat hierbei weder die Reihenfolge der früheren provisorischen Anmeldungen, noch die Reihenfolge, in welcher die neuen Legitimationen eingebracht wurden, beobachtet; Herr Biedermann, der als Buchhändler, Journalist und Professor der schönen Künste die Ansichten der einzelnen Blätter und ihrer Mitarbeiter kennen muß, hat also die Willkühr im Vertheilen der Journalistenplätze dahin ausgeübt, die Korrespondenten "mißliebiger" Zeitungen auszuschließen oder zurückzusetzen, und die besseren Plätze in der Mitte der Versammlung den Korrespondenten konservativer und reaktionärer Blätter zuzuwenden. Den Herrn Fröbel und Bamberger ist es durch entschiedenes Auftreten gegen Hrn. Biedermann, gelungen, ihre früheren Plätze wieder einzunehmen, was wohl das beste Zeugniß der Willkühr des Herrn Biedermann ist; die übrigen demokratischen Zeitungen werden indeß vorläufig wohl ohne direkte Mittheilungen bleiben müssen. Das Manifest der radikal-demokratischen Patrei haben unterzeichnet: Dr. J. N. Berger aus Wien. Brentano aus Bruchsal. Hermann Grubert aus Schlesien. Dr. Heldmann aus Hessen. Junghanns aus Baden. Ch. Kapp aus Heidelberg. Adolph Kolaczek aus Schlesien. Martiny aus Westpreußen. Dr. Mohr aus Rheinhessen. Peter aus Konstanz. Gustav Ree aus Offenburg. Reinstein aus preuß. Sachsen. Arnold Ruge aus Leipzig. Julius Scharre aus Sachsen. Schlöffel aus Schlesien. Titus aus Baiern. W. Zimmermann aus Würtemberg. Zitz aus Hessen. Frankfurt, a. d. O., 5. Juni. Der demokratische Verein hierselbst hat die nachfolgende Adresse an die konstituirende National-Versammlung in Berlin beschlossen und dem Präsidenten Milde so wie abschriftlich dem Abg. v. Gerlach zur Befürwortung übergeben: Vertreter des Volkes! Wie sich die Stimme des Volkes bereits in so vielen Städten des Vaterlandes gegen den vorgelegten Verfassungsentwurf protestirend erhoben hat, so fühlt auch der unterzeichnete Verein sich gedrungen, nach reiflicher Erörterung des Gegenstandes zu erklären, daß jener Entwurf bei ihm nicht nur Staunen und Unwillen erregt, sondern in seinen sämmtlichen Mitgliedern die lebhafteste Entrüstung hervorgerufen hat. Der Verein kann in dem Entwurfe nicht die vom Könige in Folge des glorreichen Volkskampfes gegen das absolute Königthum verheißene Verfassung auf breitester Grundlage erkennen, sondern findet in ihm nichts als eine Verkrüppelung der belgischen Konstitution, welche viele der wichtigsten errungenen Volksrechte unerwähnt läßt, andern gänzlich Hohn spricht. Er muß deshalb die Volksvertreter ersuchen, den von dem Ministerio vorgelegten Verfassungsentwurf als der Berathung, Namens eines freien Volkes unwürdig, ohne Weiteres zurückzuweisen, und nur auf Grund eines solchen zu berathen, welcher das in heiliger Stunde gegebene königliche Wort, dem das Volk so gern vertraute, Wahrheit werden läßt und sichere Bürgschaft für Gegenwart und Zukunft gewährt. Berlin, 6. Juni. Sitzung der Vereinbarungs-Versammlung. - Der Minister des Auswärtigen nimmt das Wort, um die früher an ihn gestellte Interpellation wegen der Rede Lamartines in Bezug auf das Großherzogthum Posen zu beantworten. In der Rede Lamartines seien mehrere Punkte ungenau angegeben. Er (der Minister) könne eigentlich die ganze Angelegenheit von der Hand weisen, doch habe er sich bemüht, Aufklärung darüber geben zu können. Er habe trotz allen Nachforschungen in den Akten nicht auffinden können, daß irgend ein Geheimniß der Regierung in der Posenschen Angelegenheit stattgefunden habe. - Abg. Kirsten interpellirt den Finanzminister über die gegenwärtige Lage der freiwilligen Anleihe und fragt, ob der Minister vielleicht gesonnen sei, jetzt mit einer Zwangsanleihe hervorzugehen. Es sei befremdend, daß die Ergebnisse unserer freiwilligen Anleihe hinter den Erwartungen so sehr zurückgeblieben seien. Es stehe nun zwar in der Thronrede, die Ersparnisse des Landes würden die Bedürfnisse decken, jedoch glaubt er, daß unter so bewandten Umständen das Ministerium zu einer Zwangsanleihe schreiten werde, die aber seiner Ansicht nach eine unangenehme Stimmung im Lande hervorrufen wird, eben so im Auslande den Anschein, als ob man sehr wenige Patrioten im Lande habe. Minister Hansemann: Es ist unrichtig, daß in der Thronrede angeführt ist : die Ersparnisse würden die Bedürfnisse decken, sondern es steht bloß darin : die Ersparnisse sind noch nicht aufgezehrt. Der vorherige Redner befürchtet einen unangenehmen Eindruck von der Zwangs-Anleihe? Ich auch. (Heiterkeit.) Wenn man Jemanden zwingen will, Geld zu geben, das bringt niemals einen guten Eindruck hervor. (Heiterkeit.) Wenn der Staat zu Beiträgen aufgefordert hat, wenn er den an ihn dieserhalb gemachten Anträgen nachgegeben, wenn er den Lokalbehörden die Sache in die Hand gegeben, und doch der Erfolg so gering gewesen ist, daß die Beiträge bis jetzt nur etwa 1 Mill. im ganzen Lande betragen (wobei bemerkt wird, daß die Berichte über den Schluß des vorigen Monats noch nicht eingegangen) - so ist es die Pflicht des Ministeriums dafür zu sorgen, daß die Bedürfnisse des Landes befriedigt werden. Ich mache der Versammlung daher die Anzeige, daß ihr in wenigen Tagen ein Gesetz-Entwurf über eine Zwangs-Anleihe vorgelegt werden wird, undzwar ein solcher, der viel weniger günstige Bedingungen füe die Darleiher stellt, als die freiwillige Anleihe. Erst dann, wenn die gewöhnlichen Organe der Staatsgewalt hier fungiren, dann wird der Zeitpunkt kommen, wo Preußens Kredit wieder stark genug sein wird. Doch können die Vertreter des Landes selber zur Herbeiführung dieses Zeitpunktes viel beitragen. Je schneller die Geschäfte hier abgemacht werden, desto schneller wird die Zeit da sein, wo Preußen wieder Kredit haben wird. Denn nur erst, wenn diese Zeit herangerückt ist, und wenn er dann noch das Portefeuille des Finanzministeriums haben wird, dann werde er Vorschläge zu großen Unternehmungen machen, wodurch er hoffe, die Noth der Arbeiter zu steuern. (Schallendes Bravo.) Abg. Hartmann fragt den Minister-Präsidenten, ob er geneigt sei, eine Erklärung über die Abwesenheit des Prinzen von Preußen vom Lande und über die Gründe, welche ihn bisher entfernt gehalten, zu geben. Der Min.-Präs. erklärt augenblicklich dazu bereit zu sein. Abg. Hartmann motivirt seine Interpellation durch die vielen verschiedenartigen Gerüchte, welche über diese Angelegenheit umlaufen. Minist.-Präs. Camphausen: die Räthe der Kammer sollen dafür verantwortlich sein, was sie beschließen. Er selbst glaube, die Versammlung werde dies berücksichtigen und hat nur zu bemerken, daß die jetzigen Minister erst unter dem dreißigsten März ihre Verantwortlichkeit ausgesprochen haben. Dennoch aber wolle er jetzt eine Erklärung geben. Nach Beendigung des Kampfes des 18. und 19. März, der hier in Berlin stattgefunden, habe sich eine Erbitterung gegen den Prinzen gezeigt, wodurch einige Freunde des Prinzen veranlaßt wurden, demselben zu rathen, die Stadt zu verlassen. Der Prinz hat sich demnach nach Spandau begeben, ist sodann bis zum 21. März auf der Pfaueninsel bei Potsdam geblieben. Das Gerücht von dem Anrücken des Prinzen mit Truppen an die Stadt, hat eine erneuerte und erhöh'te Bewegung hervorgerufen, die die Minister veranlaßte, eine Reise dem Prinzen ins Ausland anzurathen. Der König hat diesem Gesuche nachgegeben und dem Prinzen darüber eine mündliche Mittheilung gemacht, die aber der Prinz nicht anzunehmen erklärte, daß er aber auf einen schriftlichen Befehl abzureisen bereit sei. Dieser wurde vom König eigenhändig ausgefertigt, mit der Bestimmung, in London dem befreundeten Kabinette Aufschluß über das hier Geschehene zu geben. Später hat sich der Prinz mit dem Marinewesen beschäftigt. Was die Dauer der Abwesenheit betrifft, so hatte das Ministerium früher keine Veranlassung ihn zurückzurufen. Als aber die Zeit der Einberufung der Versammlung herannahte, habe es für unerläßlich gehalten, auf die Rückkehr des Prinzen anzutragen, um als der Nächste am Throne, dem Gang der Sachen beizuwohnen. Darüber habe das Ministerium eine Masse der bittersten Angriffe erfahren; es sei ihm vorgeworfen, daß es alle Konsequenzen des neuen Umschwunges des Landes verleugne. Sie haben ihren Antrag als eine ministerielle Maßregel betrachtet, sie sind und bleiben dafür verantwortlich. Sie haben geglaubt, gerade dadurch den reaktionären Bestrebungen entgegenzutreten. Sie haben geglaubt, sich in die Stelle einer hohen Person setzen zu müssen, dies glaubten sie dem Prinzen und der Achtung vor der Versammlung schuldig zu sein, daß der Prinz nicht später mit einer unausgesprochenen Ansicht vor sie hintrete. Mit dieser Ansicht trete das Ministerium jetzt vor die Versammlung, doch nicht mit jenem festen Hervortreten, sondern sie sprechen es hier aus, mit der Demuth des Bewußtseins, daß nur Milde und Versöhnung auch diese Versammlung zum Ziele führe. Sie bitten nur die Versammlung um Gerechtigkeit und Nachsicht. (Anhaltendes Bravo.) Hierauf weist der Minister der auswärtigen Angelegenheiten wieder einen Interpellanten, Abgordnete Müller aus Wahlau, mit einer ungeheuren Vornehmheit zurück. Derselbe wollte nämlich wissen, ob der preußische Gesandte sich in Wien oder in Inspruck bei dem Kaiser befinde und wo der Sitz der österreichischen Regierung jetzt sei? Der Graf von Arnim "belehrt" den Abgeordneten, "daß ein Gesandter ein Mann ist, der immer von Person zu Person akredirt ist" und daß Herr Graf Bernstorf, der jetzige Gesandte, sich in Iseke befinde, weil er ein Ereigniß in seiner Familie erwarte, welches er bei dem bewegten Zustande Wiens dort nicht erwarten mochte. - Nun interpellirt Graf Lieskowski das Ministerium über die schwarze Beitze, mit welcher die polnischen Gefangenen gezeichnet werden. Herr v. Auerswald verspricht eine strenge Untersuchung gegen Behörden, die dergleichen Mißbrauch ihrer Gewalt trieben, bis jetzt habe er nicht in Erfahrung bringen können, daß man eine beitzende Materie, sondern nur eine gewöhnliche, nach drei Tagen zu verwischende Farbe angewandt. - Die Versammlung scheint mit dieser Erklärung keinesweges beruhigt. - Der Minister erklärt hierauf, daß diese Antwort durchaus nicht als eine Erledigung zu betrachten sei, sondern daß in der Adreßdebatte über die polnische Frage ohne Zweifel noch genügende Aufklärungen gegeben werden sollen. - Der Abgeordnete Krackrügge bringt das Niederschießen zweier Bürger und noch sechs Verwundungen, die von Seiten des Militärs bei einem Auflaufe am 14. März stattgefunden, zur Sprache, und trägt auf Untersuchung an. Der Präsident will dem Antragsteller gestatten, seine Angelegenheit sogleich zur Debatte zu bringen. Die Versammlung lehnt sich dagegen auf. (Ungeheurer Lärm, Pochen, Schreien, Scharren.) Der Antrag wird in die Abtheilung verwiesen. Ein Antrag des Abgeordneten Schöne auf Herabsetzung der Reisediäten für die Abgeordneten auf die Hälfte, um ein Beispiel der Oekonomie zu geben, wird zurückgewiesen. Alles übrige war uninteressant und nicht den Schweiß werth, den uns die Hitze des Saales erpreßte. Zu bemerken ist nur noch, daß die Majorität der Versammlung dem Abgeordneten Jung nicht erlaubte, den Wunsch eines für die Märzhelden zu errichtenden Denkmals auszusprechen. Die vorgestrige Demonstration ist wirkungslos an ihr abgeprallt. Erfurt, 4. Juni. Am 2. Juni Abends hatten wir hier eine Arbeiterversammlung, in der sich der Unwille gegen einen hiesigen Bürger äußerte, da derselbe über einen beim Volke beliebten Mann, welcher gebrechlich ist, fortwährend spöttelte. Nach dem Schlusse der Versammlung zogen die Arbeiter in Begleitung Tausender von Neugierigen vor die Wohnung des Bürgers und brachten demselben eine Katzenmusik. Am 3. Juni Abends versammelten sich die Arbeiter wieder und zogen dann in Masse vor die Wohnung des Grafen von Keller, brachten ihm eine Katzenmusik und fingen schon an, demselben die Fenster einzuwerfen, als noch zu rechter Zeit die Bürgerwache ankam, worauf sodann das Volk gegen diese seinen Zorn ausließ. Es entstand ein förmlicher Kampf, wobei zwei der achtbarsten Bürger getödtet und acht andere schwer verwundet wurden. Nun wurde Generalmarsch geschlagen, das Militär rückte heran, selbst Kanonen wurden aufgefahren, und so wurde für diesen Abend die Ruhe hergestellt; allein heute Abend befürchtet man noch Schlimmeres. (D. A. Z.)Breslau, 4. Juni. Sie haben Gelegenheit gehabt, im Allgemeinen und auch in Berlin besonders die Wirksamkeit des Hrn. Wit v. Dörring zu beobachten. In der letzten Zeit strotzten die Straßenecken von Plakaten, deren Anfertiger er war, und die Zeitungen von Inseraten der gemeinsten Art. Er war es ferner, der in Oberschlesien Judenverfolgungen anzettelte und in der That den Aufwiegler im gemeinen Sinne des Wortes spielte. Vorgestern und gestern ist ihm vom Volke die öffentliche Meinung klar gemacht worden. Aus Natidor bereits auf den Antrag der Bürger entfernt, befand er sich hier in einem namhaften Hotel, und vor dieses zog vorgestern Abend eine Menschenmenge, die ihm eine Katzen-Symphonie darbrachte, in Folge deren der Gasthofbesitzer sich veranlaßt fand, sein Ehrenwort zu geben, daß erstens Hr. Wit nicht mehr da sei (er war durch die Hinterthür entwischt), und zweitens, daß er ihn nicht wieder aufnehmen würde. Hr. Wit aber suchte bei allen Behörden Schutz, der ihm auch in so weit gewährt wurde, daß er die Nacht in der Kürassier-Kaserne zubrachte. Gestern Morgen aber war er wieder sichtbar, und da erhob sich ein kleiner Sturm, der etwa 4 bis 500 Menschen zusammenbrachte, die ihn ohne weitere Umstände nach dem Bahnhof der oberschlesischen Eisenbahn brachten und zur Abreise mit dem nächsten Zuge zwangen. Daß diese Begleitung eben nicht sehr freundlich gestimmt war, darf ich Ihnen nicht sagen, und es gelang eben nur einzelnen Mitgliedern des demokratischen Klubs und des Arbeiter-Vereins, Hrn. Wit v. Dörring vor ernsteren Mißhandlungen zu schützen. - Gestern Abend hatte wieder eine Katzenmusik statt, und da sah man wieder klar, wie die Volksbewaffnung schmählich gemißbraucht wird. Die Musik fand in der Nähe des Theaters statt, das eben zu Ende war. Die berittene Bürgerwehr kam heran und es wurden zunächst drei Damen übergeritten, dann hieben die Herren Kavaliere ohne zum Auseinandergehen aufzufordern, ja ohne Kommando, ein und zwar scharf mit geschliffnen Säbeln. Unter mehreren Verwundeten befand sich auch ein Mann von 62 Jahren, der eben mit seinem Kinde von der Promenade heimkehrte. Königsberg, 2. Juni. Der hiesige Arbeiterverein hat gestern folgenden Protest an die Vereinbarungs-Versammlung nach Berlin gesandt: "Hohe Nationalversammlung! Wir protestiren hiermit gegen den der hohen Nationalversammlung durch das königl. Staatsministerium vorgelegten Verfassungs-Entwurf, weil er die Revolution vom 18. März verleugnet und das Volk um die Früchte derselben zu bringen sucht; denn : 1. enthält er keine Erklärung der Menschenrechte, keine Garantie der Arbeit; 2. sind keinerlei Vorrechte, Monopole und noch bestehende mittelalterliche Lasten aufgehoben worden, sondern durch eine erbliche Pairie sind neue Privilegien erschaffen und die Aristokratie des Besitzes ist geheiligt; 3. die Trennung der Kirche vom Staat und die Trennung der Schule von der Kirche ist nirgends ausgesprochen; 4. das Zweikammersystem, an und für sich verwerflich, macht in der Art und Weise, wie es der Gesetzentwurf durchgeführt und beschränkt hat, jede Vertretung und Fortbildung der Volksrechte unmöglich; 5. dem Könige ist ein unbedingtes Veto eingeräumt; 6. der Gesetzentwurf enthält die Verklausulirung wesentlicher und unveräußerlicher Rechte, wie die Freiheit des Unterrichts und der Preßfreiheit, und die offenbare Beschränkung des Associationsrechts. Die Annahme eines solchen Verfassungs-Entwurfs würde das Vaterland in neue Revolutionen stürzen, oder die freie Entwicklung des Volks auf lange Zeit hin unmöglich machen. Deshalb erklären wir den Verfassungs-Entwurf für unhaltbar und fordern die konstituirende Versammlung auf, ihn in der jetzigen Fassung ganz und unbedingt zu verwerfen." Aus Schlesien, 2. Juni. Die öffentliche Stimmung verschlimmert sich fortwährend, indem sie die verschiedenen Stände immer mehr entzweit. Die schlesische Aristokratie sieht sich in ihrer Existenz bedroht, nicht sowohl in ihrem materiellen Besitz, als in dem ruhigen Fortgenuß eingebildeter Vorrechte, wornach sie besonders die gebildeten Bürgerlichen dergestalt von sich entfernt hielt, daß diese endlich gar nicht mehr mit der hohen Noblesse umgehen mochten, wenn auch ein oder das andere Mitglied derselben über solche Standesvorurtheile erhoben war. Diese Aristokraten fangen nunmehr an, den Liberalen ernstlich den Krieg zu bereiten. Diese aber sind ebenfalls in die verschiedenartigsten Heerlager gespalten. Die Mehrzahl ist gegen die frühern Mißbräuche; allein nicht gewöhnt sich in öffentliche Angelegenheiten zu mischen, - weil dieß Sache der Büreaukratie war, an deren Spitze die Aristokratie stand - bleibt sie theilnahmlos, schwankend [Deutschland] Frankfurt, 7. Juni. Die konstituirende Nationalversammlung hat heute nach einer längern, zunächst durch die veröffentlichten Vorlagen des provisorischen Centralcomité in Prag an den Slavenkongreß veranlaßten Debatte beschlossen: einen besondern Ausschuß von 15 Mitgliedern zur Begutachtung der österreichisch-slavischen Frage, insoweit es sich von deutschen Bundesländern handelt, niederzusetzen. Die Wahl des Ausschusses durch die Abtheilungen sollte alsbald nach der öffentlichen Sitzung erfolgen; derselbe wird sich bereits heute Nachmittag 5 Uhr konstituiren. pp. Frankfurt, 6. Juni. Die deutsche National-Versammlung hat durch ihre letzten Verhandlungen, wenn auch wider ihren Willen, der deutschen Republik ganz entschieden in die Hände gearbeitet, sie hat den unausbleiblichen Sturm heraufbeschworen, der sich zunächst über ihrem Haupte und dann über dem Pferche der patriarchalisch-deutschen Zustände entladen wird. Die Versammlung, zusammengesetzt aus romantischen Antiquitäten, stockgelehrten Hofräthen und Doktoren, selbstgefälligen Doktrinärs und wenigen entschiedenen Männern, hat ihren verhängnißvollen Sturz dadurch herbeigeführt, daß sie da einzulenken versuchte, wo der Stillstand ein Verbrechen ist, daß sie ihre Zeit, ihre Aufgabe nicht verstand; den Todesstoß endlich hat sie sich gegeben durch die Zusammensetzung des Ausschusses für die Bildung einer provisorischen Vollziehungsgewalt. Woher, werden Sie mich vielleicht fragen, schon jetzt diese düsteren Voraussetzungen? Da wir von der Thätigkeit dieses Ausschusses noch nichts wissen, da er seinen Entwurf noch nicht einmal vorgelegt hat. Ich brauche Ihnen aber nur die Namen der Mitglieder der Kommission zu nennen und sie werden meine Besorgniß gerechtfertigt finden. Da ist Hr. Flottwell, preußischer Oberpräsident, ein Erzbüreaukrat alten Stils, der noch vor zwei Jahren den sich bei ihm als damaligen Finanzminister beschwerenden rheinischen Gewerbetreibenden anempfahl, sie möchten sich nur um ihre Angelegenheiten, nicht aber um die tiefer gehenden kommerziellen und politischen Verhältnisse kümmern, Hr. v. Zenetti, ein abgedankter baierischer Minister, der selbst dem seligen König Ludwig zu schlecht war und abgesetzt wurde, Hr. v. Würth, einer jener Schwächlinge, welche alle Revolutionen beklagen, endlich Hr. v. Saucken ein preußischer Krieger, der früher nach der Melodie seines Bruders den Rechtsboden des ersten vereinigten Landtages ausbeutete, jetzt aber, wo der Pöbel zur Herrschaft strebt, den Frieden „einer vernünftigen Konstitution allen politischen Kämpfen vorzieht.“ Diese Herren bilden die Rechte, sie wollen Ruhe und Vertrauen durch ein selbstbegründetes Königthum wieder herstellen. An sie schließen sich als Centrum an der Hofrath Dahlmann, der Vertrauensmensch und Fürstengläubige, der mit seinem Bruder in der Politik, dem keuschen Joseph derselben, Hofrath Gervinus noch nie „eine politische Unzucht begangen“, sondern sich stets an das Maß der gegebenen Zustände gehalten hat, ferner der liberale Hr. Stedtmann, welcher zur Zeit der Revolution den preußischen Landtag für die letzte Planke der Gesetzlichkeit hielt, Hr. Wippermann, ein Kasseler Jakobiner, Hr. Duncker, ein zahmer hallenser Löwe, Hr. Claussen, ein liberaler Holsteiner, Hr. v. Lindenau, v. Raumer, v. Gagern und v. Meyern, lauter freisinnige Männer, die aber vor dem unschuldigen Worte Republik erschrecken und durch ein festbegründetes, aber festbegränztes konstitutionelles Königthum Alles erreichen wollen. Auf der linken Seite erblicken wir nur Robert Blum und Trützschler, die aber beide bis jetzt noch nicht die Konsequenz aus den von ihnen vertretenen Ansichten gezogen haben. Das ist die Kommission; einige ihrer Mitglieder sprachen es mit naiver Gradheit aus, daß das Volk nicht souverain sei, sondern daß es darauf ankomme, den durch die Revolution erschütterten Einfluß und Macht der uns vorgesetzten Fürsten wieder zu befestigen. Unsere Aussichten sind also einfach die, daß die vollziehende Centralgewalt den Fürsten in die Hände gelegt oder gleich kurzer Hand dem Bundestage übertragen wird, daß man endlich höchstens, um nach Art eines Feiglings den Schein für sich zu wahren, den Vollziehungsausschuß aus dem Schooße der Versammlung ernannt, aber von den Fürsten bestätigen läßt. Bei den Bestandtheilen der ersteren bin ich Ihnen Bürge für die Annahme eines dergestalt abgefaßten Kommissions-Entwurfes, um so mehr, als die Rechte wenigstens aus 2/3 der Mitglieder besteht und das wohlbegründetste Interesse hat, ihren vermeintlichen Vortheil der verhaßten Linken gegenüber zu wahren. Also Barrikaden und Revolution waren umsonst, der alte Schlendrian soll wieder von Neuem angehen. Der Bund, den selbst der Hr. v. Gagern eine Leiche nannte, dieser Kadaver soll das Volk von Neuem knechten, von Neuem mit dessen Wohl sein schnödes Spiel treiben. Doch nein! so wird es nicht, so kann es nicht werden, so lange noch eine kräftige, wenn auch kleine Minorität in der Versammlung sitzt, so lange sie ihrem Mandat getreu, dort die Rechte des Volkes wahrt, und jenes eher aufgiebt als dieses im Stiche läßt. Der Tag der Entscheidung, der Debatte über den Bericht des Vollziehungsausschusses wird bald kommen. Die Linke wird dann wissen, was sie zu thun hat, sie wird es nicht bei einem bloßen Proteste bewenden lassen, sondern sofort aus der Versammlung austreten, da hier die erste Lebensfrage zur Sprache kommt, die Frage nämlich, ob das Prinzip der Volkssouverainität anerkannt oder die ungeschmälerte Fürstenmacht fortbestehen soll? Die entschiedensten Vertreter der Linken haben sich unbedingt für diesen Austritt ausgesprochen; ob sie sich dann selbstständig konstituiren werden, hängt von der Theilnahme ab, den ihr Schritt beim Volke finden wird. So ist der Austritt der Minorität von den wichtigsten Folgen begleitet, er wird die gewaltsam gestaute Revolution wieder in Fluß bringen und unnachsichtlich den Sturz derer herbeiführen, welche sich der Bewegung blindlings entgegenstemmten. *Frankfurt, 7. Juni. Verflossenen Sonntag, am 4. Juni, war bei Bergen, einem 11/2 Stunden von hier entfernten kurhessischen Ort, eine Volksversammlung, zu der sich Turner und Arbeiter aus Hanau, Offenbach, Frankfurt, sowie die Bauern aus allen benachbarten Dörfern eingefunden hatten. Die Versammlung, welche im Freien abgehalten wurde, war in so fern von Bedeutung, als man unter der allgemeinsten Akklamation verkündete: wenn die Nationalversammlung welche den Willen des Volkes zu vertreten berufen sei, die Volkssouveränität an die Fürsten verrathe, so werde man ihre Beschlüsse nicht anerkennen und die demokratische Minorität „durch die That“ unterstützen.“ *Frankfurt. 7. Juni. Der Terrorismus, welchen die reaktionäre Majorität der Nationalversammlung ausübt, ist sogar auf die Korrespondenten der demokratischen Zeitungen ausgedehnt worden. Die provisorische Kommission zur Vertheilung der Journalistenplätze hatte sich die Polizeikontrolle angemaßt, die einzelnen Journalisten in der Art zu überwachen, daß sie denselben eine Legitimation für eine bestimmte Zeitung abverlangte; ein Akt, der in der „freien“ Stadt Frankfurt, wo noch die Polizeiwillkühr „mißliebige“ Schriftsteller ausweisen darf, für die Korrespondenzen nicht ohne Bedeutung ist. Die neue Kommission, bestehend in dem Herrn Biedermann, ist noch offener zu Werke gegangen. Als die provisorischen Plätze nach Beibringung der Legitimation heute neu vertheilt wurden, erhielten 1) Julius Froebel, O. Lüning, L. Feuerbach, H. Bode (sämmtlich für Organe der Linken legitimirt) gar keine Stütze; 2) Bamberger und Dronke (beide für demokratische Zeitungen legitimirt) einen Platz auf der Tribüne, der nach dem Ausdruck des Alterspräsidenten an einem „akustischen Fehler“ leidet. Dafür wurden die früheren (provisorischen) Plätze der genannten Schriftsteller vertheilt 1) an Herrn A. Lewald, Wohlgeboren, für die Augsb. Allg. Ztg.; 2) den durch Guizot neuerdings bekannt gewordenen Dr. Weil, für die deutsche Professorenzeitung; 3) einen Korrespondenten der Köln. Ztg., Schroer oder ähnlichen Namens; 4) an zwei für die Weserzeitung legitimirte Korrespondenten, Sattler und Lengerke; 5) an einen sogenannten Korrespondenten des Frankfurter Journals, Namens Ebner. Herr Biedermann hat hierbei weder die Reihenfolge der früheren provisorischen Anmeldungen, noch die Reihenfolge, in welcher die neuen Legitimationen eingebracht wurden, beobachtet; Herr Biedermann, der als Buchhändler, Journalist und Professor der schönen Künste die Ansichten der einzelnen Blätter und ihrer Mitarbeiter kennen muß, hat also die Willkühr im Vertheilen der Journalistenplätze dahin ausgeübt, die Korrespondenten „mißliebiger“ Zeitungen auszuschließen oder zurückzusetzen, und die besseren Plätze in der Mitte der Versammlung den Korrespondenten konservativer und reaktionärer Blätter zuzuwenden. Den Herrn Fröbel und Bamberger ist es durch entschiedenes Auftreten gegen Hrn. Biedermann, gelungen, ihre früheren Plätze wieder einzunehmen, was wohl das beste Zeugniß der Willkühr des Herrn Biedermann ist; die übrigen demokratischen Zeitungen werden indeß vorläufig wohl ohne direkte Mittheilungen bleiben müssen. Das Manifest der radikal-demokratischen Patrei haben unterzeichnet: Dr. J. N. Berger aus Wien. Brentano aus Bruchsal. Hermann Grubert aus Schlesien. Dr. Heldmann aus Hessen. Junghanns aus Baden. Ch. Kapp aus Heidelberg. Adolph Kolaczek aus Schlesien. Martiny aus Westpreußen. Dr. Mohr aus Rheinhessen. Peter aus Konstanz. Gustav Rée aus Offenburg. Reinstein aus preuß. Sachsen. Arnold Ruge aus Leipzig. Julius Scharre aus Sachsen. Schlöffel aus Schlesien. Titus aus Baiern. W. Zimmermann aus Würtemberg. Zitz aus Hessen. Frankfurt, a. d. O., 5. Juni. Der demokratische Verein hierselbst hat die nachfolgende Adresse an die konstituirende National-Versammlung in Berlin beschlossen und dem Präsidenten Milde so wie abschriftlich dem Abg. v. Gerlach zur Befürwortung übergeben: Vertreter des Volkes! Wie sich die Stimme des Volkes bereits in so vielen Städten des Vaterlandes gegen den vorgelegten Verfassungsentwurf protestirend erhoben hat, so fühlt auch der unterzeichnete Verein sich gedrungen, nach reiflicher Erörterung des Gegenstandes zu erklären, daß jener Entwurf bei ihm nicht nur Staunen und Unwillen erregt, sondern in seinen sämmtlichen Mitgliedern die lebhafteste Entrüstung hervorgerufen hat. Der Verein kann in dem Entwurfe nicht die vom Könige in Folge des glorreichen Volkskampfes gegen das absolute Königthum verheißene Verfassung auf breitester Grundlage erkennen, sondern findet in ihm nichts als eine Verkrüppelung der belgischen Konstitution, welche viele der wichtigsten errungenen Volksrechte unerwähnt läßt, andern gänzlich Hohn spricht. Er muß deshalb die Volksvertreter ersuchen, den von dem Ministerio vorgelegten Verfassungsentwurf als der Berathung, Namens eines freien Volkes unwürdig, ohne Weiteres zurückzuweisen, und nur auf Grund eines solchen zu berathen, welcher das in heiliger Stunde gegebene königliche Wort, dem das Volk so gern vertraute, Wahrheit werden läßt und sichere Bürgschaft für Gegenwart und Zukunft gewährt. Berlin, 6. Juni. Sitzung der Vereinbarungs-Versammlung. ‒ Der Minister des Auswärtigen nimmt das Wort, um die früher an ihn gestellte Interpellation wegen der Rede Lamartines in Bezug auf das Großherzogthum Posen zu beantworten. In der Rede Lamartines seien mehrere Punkte ungenau angegeben. Er (der Minister) könne eigentlich die ganze Angelegenheit von der Hand weisen, doch habe er sich bemüht, Aufklärung darüber geben zu können. Er habe trotz allen Nachforschungen in den Akten nicht auffinden können, daß irgend ein Geheimniß der Regierung in der Posenschen Angelegenheit stattgefunden habe. ‒ Abg. Kirsten interpellirt den Finanzminister über die gegenwärtige Lage der freiwilligen Anleihe und fragt, ob der Minister vielleicht gesonnen sei, jetzt mit einer Zwangsanleihe hervorzugehen. Es sei befremdend, daß die Ergebnisse unserer freiwilligen Anleihe hinter den Erwartungen so sehr zurückgeblieben seien. Es stehe nun zwar in der Thronrede, die Ersparnisse des Landes würden die Bedürfnisse decken, jedoch glaubt er, daß unter so bewandten Umständen das Ministerium zu einer Zwangsanleihe schreiten werde, die aber seiner Ansicht nach eine unangenehme Stimmung im Lande hervorrufen wird, eben so im Auslande den Anschein, als ob man sehr wenige Patrioten im Lande habe. Minister Hansemann: Es ist unrichtig, daß in der Thronrede angeführt ist : die Ersparnisse würden die Bedürfnisse decken, sondern es steht bloß darin : die Ersparnisse sind noch nicht aufgezehrt. Der vorherige Redner befürchtet einen unangenehmen Eindruck von der Zwangs-Anleihe? Ich auch. (Heiterkeit.) Wenn man Jemanden zwingen will, Geld zu geben, das bringt niemals einen guten Eindruck hervor. (Heiterkeit.) Wenn der Staat zu Beiträgen aufgefordert hat, wenn er den an ihn dieserhalb gemachten Anträgen nachgegeben, wenn er den Lokalbehörden die Sache in die Hand gegeben, und doch der Erfolg so gering gewesen ist, daß die Beiträge bis jetzt nur etwa 1 Mill. im ganzen Lande betragen (wobei bemerkt wird, daß die Berichte über den Schluß des vorigen Monats noch nicht eingegangen) ‒ so ist es die Pflicht des Ministeriums dafür zu sorgen, daß die Bedürfnisse des Landes befriedigt werden. Ich mache der Versammlung daher die Anzeige, daß ihr in wenigen Tagen ein Gesetz-Entwurf über eine Zwangs-Anleihe vorgelegt werden wird, undzwar ein solcher, der viel weniger günstige Bedingungen füe die Darleiher stellt, als die freiwillige Anleihe. Erst dann, wenn die gewöhnlichen Organe der Staatsgewalt hier fungiren, dann wird der Zeitpunkt kommen, wo Preußens Kredit wieder stark genug sein wird. Doch können die Vertreter des Landes selber zur Herbeiführung dieses Zeitpunktes viel beitragen. Je schneller die Geschäfte hier abgemacht werden, desto schneller wird die Zeit da sein, wo Preußen wieder Kredit haben wird. Denn nur erst, wenn diese Zeit herangerückt ist, und wenn er dann noch das Portefeuille des Finanzministeriums haben wird, dann werde er Vorschläge zu großen Unternehmungen machen, wodurch er hoffe, die Noth der Arbeiter zu steuern. (Schallendes Bravo.) Abg. Hartmann fragt den Minister-Präsidenten, ob er geneigt sei, eine Erklärung über die Abwesenheit des Prinzen von Preußen vom Lande und über die Gründe, welche ihn bisher entfernt gehalten, zu geben. Der Min.-Präs. erklärt augenblicklich dazu bereit zu sein. Abg. Hartmann motivirt seine Interpellation durch die vielen verschiedenartigen Gerüchte, welche über diese Angelegenheit umlaufen. Minist.-Präs. Camphausen: die Räthe der Kammer sollen dafür verantwortlich sein, was sie beschließen. Er selbst glaube, die Versammlung werde dies berücksichtigen und hat nur zu bemerken, daß die jetzigen Minister erst unter dem dreißigsten März ihre Verantwortlichkeit ausgesprochen haben. Dennoch aber wolle er jetzt eine Erklärung geben. Nach Beendigung des Kampfes des 18. und 19. März, der hier in Berlin stattgefunden, habe sich eine Erbitterung gegen den Prinzen gezeigt, wodurch einige Freunde des Prinzen veranlaßt wurden, demselben zu rathen, die Stadt zu verlassen. Der Prinz hat sich demnach nach Spandau begeben, ist sodann bis zum 21. März auf der Pfaueninsel bei Potsdam geblieben. Das Gerücht von dem Anrücken des Prinzen mit Truppen an die Stadt, hat eine erneuerte und erhöh'te Bewegung hervorgerufen, die die Minister veranlaßte, eine Reise dem Prinzen ins Ausland anzurathen. Der König hat diesem Gesuche nachgegeben und dem Prinzen darüber eine mündliche Mittheilung gemacht, die aber der Prinz nicht anzunehmen erklärte, daß er aber auf einen schriftlichen Befehl abzureisen bereit sei. Dieser wurde vom König eigenhändig ausgefertigt, mit der Bestimmung, in London dem befreundeten Kabinette Aufschluß über das hier Geschehene zu geben. Später hat sich der Prinz mit dem Marinewesen beschäftigt. Was die Dauer der Abwesenheit betrifft, so hatte das Ministerium früher keine Veranlassung ihn zurückzurufen. Als aber die Zeit der Einberufung der Versammlung herannahte, habe es für unerläßlich gehalten, auf die Rückkehr des Prinzen anzutragen, um als der Nächste am Throne, dem Gang der Sachen beizuwohnen. Darüber habe das Ministerium eine Masse der bittersten Angriffe erfahren; es sei ihm vorgeworfen, daß es alle Konsequenzen des neuen Umschwunges des Landes verleugne. Sie haben ihren Antrag als eine ministerielle Maßregel betrachtet, sie sind und bleiben dafür verantwortlich. Sie haben geglaubt, gerade dadurch den reaktionären Bestrebungen entgegenzutreten. Sie haben geglaubt, sich in die Stelle einer hohen Person setzen zu müssen, dies glaubten sie dem Prinzen und der Achtung vor der Versammlung schuldig zu sein, daß der Prinz nicht später mit einer unausgesprochenen Ansicht vor sie hintrete. Mit dieser Ansicht trete das Ministerium jetzt vor die Versammlung, doch nicht mit jenem festen Hervortreten, sondern sie sprechen es hier aus, mit der Demuth des Bewußtseins, daß nur Milde und Versöhnung auch diese Versammlung zum Ziele führe. Sie bitten nur die Versammlung um Gerechtigkeit und Nachsicht. (Anhaltendes Bravo.) Hierauf weist der Minister der auswärtigen Angelegenheiten wieder einen Interpellanten, Abgordnete Müller aus Wahlau, mit einer ungeheuren Vornehmheit zurück. Derselbe wollte nämlich wissen, ob der preußische Gesandte sich in Wien oder in Inspruck bei dem Kaiser befinde und wo der Sitz der österreichischen Regierung jetzt sei? Der Graf von Arnim „belehrt“ den Abgeordneten, „daß ein Gesandter ein Mann ist, der immer von Person zu Person akredirt ist“ und daß Herr Graf Bernstorf, der jetzige Gesandte, sich in Iseke befinde, weil er ein Ereigniß in seiner Familie erwarte, welches er bei dem bewegten Zustande Wiens dort nicht erwarten mochte. ‒ Nun interpellirt Graf Lieskowski das Ministerium über die schwarze Beitze, mit welcher die polnischen Gefangenen gezeichnet werden. Herr v. Auerswald verspricht eine strenge Untersuchung gegen Behörden, die dergleichen Mißbrauch ihrer Gewalt trieben, bis jetzt habe er nicht in Erfahrung bringen können, daß man eine beitzende Materie, sondern nur eine gewöhnliche, nach drei Tagen zu verwischende Farbe angewandt. ‒ Die Versammlung scheint mit dieser Erklärung keinesweges beruhigt. ‒ Der Minister erklärt hierauf, daß diese Antwort durchaus nicht als eine Erledigung zu betrachten sei, sondern daß in der Adreßdebatte über die polnische Frage ohne Zweifel noch genügende Aufklärungen gegeben werden sollen. ‒ Der Abgeordnete Krackrügge bringt das Niederschießen zweier Bürger und noch sechs Verwundungen, die von Seiten des Militärs bei einem Auflaufe am 14. März stattgefunden, zur Sprache, und trägt auf Untersuchung an. Der Präsident will dem Antragsteller gestatten, seine Angelegenheit sogleich zur Debatte zu bringen. Die Versammlung lehnt sich dagegen auf. (Ungeheurer Lärm, Pochen, Schreien, Scharren.) Der Antrag wird in die Abtheilung verwiesen. Ein Antrag des Abgeordneten Schöne auf Herabsetzung der Reisediäten für die Abgeordneten auf die Hälfte, um ein Beispiel der Oekonomie zu geben, wird zurückgewiesen. Alles übrige war uninteressant und nicht den Schweiß werth, den uns die Hitze des Saales erpreßte. Zu bemerken ist nur noch, daß die Majorität der Versammlung dem Abgeordneten Jung nicht erlaubte, den Wunsch eines für die Märzhelden zu errichtenden Denkmals auszusprechen. Die vorgestrige Demonstration ist wirkungslos an ihr abgeprallt. Erfurt, 4. Juni. Am 2. Juni Abends hatten wir hier eine Arbeiterversammlung, in der sich der Unwille gegen einen hiesigen Bürger äußerte, da derselbe über einen beim Volke beliebten Mann, welcher gebrechlich ist, fortwährend spöttelte. Nach dem Schlusse der Versammlung zogen die Arbeiter in Begleitung Tausender von Neugierigen vor die Wohnung des Bürgers und brachten demselben eine Katzenmusik. Am 3. Juni Abends versammelten sich die Arbeiter wieder und zogen dann in Masse vor die Wohnung des Grafen von Keller, brachten ihm eine Katzenmusik und fingen schon an, demselben die Fenster einzuwerfen, als noch zu rechter Zeit die Bürgerwache ankam, worauf sodann das Volk gegen diese seinen Zorn ausließ. Es entstand ein förmlicher Kampf, wobei zwei der achtbarsten Bürger getödtet und acht andere schwer verwundet wurden. Nun wurde Generalmarsch geschlagen, das Militär rückte heran, selbst Kanonen wurden aufgefahren, und so wurde für diesen Abend die Ruhe hergestellt; allein heute Abend befürchtet man noch Schlimmeres. (D. A. Z.)Breslau, 4. Juni. Sie haben Gelegenheit gehabt, im Allgemeinen und auch in Berlin besonders die Wirksamkeit des Hrn. Wit v. Dörring zu beobachten. In der letzten Zeit strotzten die Straßenecken von Plakaten, deren Anfertiger er war, und die Zeitungen von Inseraten der gemeinsten Art. Er war es ferner, der in Oberschlesien Judenverfolgungen anzettelte und in der That den Aufwiegler im gemeinen Sinne des Wortes spielte. Vorgestern und gestern ist ihm vom Volke die öffentliche Meinung klar gemacht worden. Aus Natidor bereits auf den Antrag der Bürger entfernt, befand er sich hier in einem namhaften Hotel, und vor dieses zog vorgestern Abend eine Menschenmenge, die ihm eine Katzen-Symphonie darbrachte, in Folge deren der Gasthofbesitzer sich veranlaßt fand, sein Ehrenwort zu geben, daß erstens Hr. Wit nicht mehr da sei (er war durch die Hinterthür entwischt), und zweitens, daß er ihn nicht wieder aufnehmen würde. Hr. Wit aber suchte bei allen Behörden Schutz, der ihm auch in so weit gewährt wurde, daß er die Nacht in der Kürassier-Kaserne zubrachte. Gestern Morgen aber war er wieder sichtbar, und da erhob sich ein kleiner Sturm, der etwa 4 bis 500 Menschen zusammenbrachte, die ihn ohne weitere Umstände nach dem Bahnhof der oberschlesischen Eisenbahn brachten und zur Abreise mit dem nächsten Zuge zwangen. Daß diese Begleitung eben nicht sehr freundlich gestimmt war, darf ich Ihnen nicht sagen, und es gelang eben nur einzelnen Mitgliedern des demokratischen Klubs und des Arbeiter-Vereins, Hrn. Wit v. Dörring vor ernsteren Mißhandlungen zu schützen. ‒ Gestern Abend hatte wieder eine Katzenmusik statt, und da sah man wieder klar, wie die Volksbewaffnung schmählich gemißbraucht wird. Die Musik fand in der Nähe des Theaters statt, das eben zu Ende war. Die berittene Bürgerwehr kam heran und es wurden zunächst drei Damen übergeritten, dann hieben die Herren Kavaliere ohne zum Auseinandergehen aufzufordern, ja ohne Kommando, ein und zwar scharf mit geschliffnen Säbeln. Unter mehreren Verwundeten befand sich auch ein Mann von 62 Jahren, der eben mit seinem Kinde von der Promenade heimkehrte. Königsberg, 2. Juni. Der hiesige Arbeiterverein hat gestern folgenden Protest an die Vereinbarungs-Versammlung nach Berlin gesandt: „Hohe Nationalversammlung! Wir protestiren hiermit gegen den der hohen Nationalversammlung durch das königl. Staatsministerium vorgelegten Verfassungs-Entwurf, weil er die Revolution vom 18. März verleugnet und das Volk um die Früchte derselben zu bringen sucht; denn : 1. enthält er keine Erklärung der Menschenrechte, keine Garantie der Arbeit; 2. sind keinerlei Vorrechte, Monopole und noch bestehende mittelalterliche Lasten aufgehoben worden, sondern durch eine erbliche Pairie sind neue Privilegien erschaffen und die Aristokratie des Besitzes ist geheiligt; 3. die Trennung der Kirche vom Staat und die Trennung der Schule von der Kirche ist nirgends ausgesprochen; 4. das Zweikammersystem, an und für sich verwerflich, macht in der Art und Weise, wie es der Gesetzentwurf durchgeführt und beschränkt hat, jede Vertretung und Fortbildung der Volksrechte unmöglich; 5. dem Könige ist ein unbedingtes Veto eingeräumt; 6. der Gesetzentwurf enthält die Verklausulirung wesentlicher und unveräußerlicher Rechte, wie die Freiheit des Unterrichts und der Preßfreiheit, und die offenbare Beschränkung des Associationsrechts. Die Annahme eines solchen Verfassungs-Entwurfs würde das Vaterland in neue Revolutionen stürzen, oder die freie Entwicklung des Volks auf lange Zeit hin unmöglich machen. Deshalb erklären wir den Verfassungs-Entwurf für unhaltbar und fordern die konstituirende Versammlung auf, ihn in der jetzigen Fassung ganz und unbedingt zu verwerfen.“ Aus Schlesien, 2. Juni. Die öffentliche Stimmung verschlimmert sich fortwährend, indem sie die verschiedenen Stände immer mehr entzweit. Die schlesische Aristokratie sieht sich in ihrer Existenz bedroht, nicht sowohl in ihrem materiellen Besitz, als in dem ruhigen Fortgenuß eingebildeter Vorrechte, wornach sie besonders die gebildeten Bürgerlichen dergestalt von sich entfernt hielt, daß diese endlich gar nicht mehr mit der hohen Noblesse umgehen mochten, wenn auch ein oder das andere Mitglied derselben über solche Standesvorurtheile erhoben war. Diese Aristokraten fangen nunmehr an, den Liberalen ernstlich den Krieg zu bereiten. Diese aber sind ebenfalls in die verschiedenartigsten Heerlager gespalten. Die Mehrzahl ist gegen die frühern Mißbräuche; allein nicht gewöhnt sich in öffentliche Angelegenheiten zu mischen, ‒ weil dieß Sache der Büreaukratie war, an deren Spitze die Aristokratie stand ‒ bleibt sie theilnahmlos, schwankend <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0002" n="0036"/> <div n="1"> <head>[Deutschland]</head> <div xml:id="ar009_006" type="jArticle"> <head><hi rendition="#g">Frankfurt,</hi> 7. Juni.</head> <p>Die konstituirende Nationalversammlung hat heute nach einer längern, zunächst durch die veröffentlichten Vorlagen des provisorischen Centralcomité in Prag an den Slavenkongreß veranlaßten Debatte beschlossen: einen besondern Ausschuß von 15 Mitgliedern zur Begutachtung der österreichisch-slavischen Frage, insoweit es sich von deutschen Bundesländern handelt, niederzusetzen. Die Wahl des Ausschusses durch die Abtheilungen sollte alsbald nach der öffentlichen Sitzung erfolgen; derselbe wird sich bereits heute Nachmittag 5 Uhr konstituiren.</p> </div> <div xml:id="ar009_007" type="jArticle"> <head><bibl><author>pp.</author></bibl><hi rendition="#g">Frankfurt,</hi> 6. Juni.</head> <p>Die deutsche National-Versammlung hat durch ihre letzten Verhandlungen, wenn auch wider ihren Willen, der deutschen Republik ganz entschieden in die Hände gearbeitet, sie hat den unausbleiblichen Sturm heraufbeschworen, der sich zunächst über ihrem Haupte und dann über dem Pferche der patriarchalisch-deutschen Zustände entladen wird. Die Versammlung, zusammengesetzt aus romantischen Antiquitäten, stockgelehrten Hofräthen und Doktoren, selbstgefälligen Doktrinärs und wenigen entschiedenen Männern, hat ihren verhängnißvollen Sturz dadurch herbeigeführt, daß sie da einzulenken versuchte, wo der Stillstand ein Verbrechen ist, daß sie ihre Zeit, ihre Aufgabe nicht verstand; den Todesstoß endlich hat sie sich gegeben durch die Zusammensetzung des Ausschusses für die Bildung einer provisorischen Vollziehungsgewalt. Woher, werden Sie mich vielleicht fragen, schon jetzt diese düsteren Voraussetzungen? Da wir von der Thätigkeit dieses Ausschusses noch nichts wissen, da er seinen Entwurf noch nicht einmal vorgelegt hat. Ich brauche Ihnen aber nur die Namen der Mitglieder der Kommission zu nennen und sie werden meine Besorgniß gerechtfertigt finden. Da ist Hr. <hi rendition="#g">Flottwell,</hi> preußischer Oberpräsident, ein Erzbüreaukrat alten Stils, der noch vor zwei Jahren den sich bei ihm als damaligen Finanzminister beschwerenden rheinischen Gewerbetreibenden anempfahl, sie möchten sich nur um ihre Angelegenheiten, nicht aber um die tiefer gehenden kommerziellen und politischen Verhältnisse kümmern, Hr. v. <hi rendition="#g">Zenetti,</hi> ein abgedankter baierischer Minister, der selbst dem seligen König Ludwig zu schlecht war und abgesetzt wurde, Hr. v. <hi rendition="#g">Würth,</hi> einer jener Schwächlinge, welche alle Revolutionen beklagen, endlich Hr. v. <hi rendition="#g">Saucken</hi> ein preußischer Krieger, der früher nach der Melodie seines Bruders den Rechtsboden des ersten vereinigten Landtages ausbeutete, jetzt aber, wo der Pöbel zur Herrschaft strebt, den Frieden „einer vernünftigen Konstitution allen politischen Kämpfen vorzieht.“ Diese Herren bilden die Rechte, sie wollen Ruhe und Vertrauen durch ein selbstbegründetes Königthum wieder herstellen. An sie schließen sich als Centrum an der Hofrath <hi rendition="#g">Dahlmann,</hi> der Vertrauensmensch und Fürstengläubige, der mit seinem Bruder in der Politik, dem keuschen Joseph derselben, Hofrath Gervinus noch nie „eine politische Unzucht begangen“, sondern sich stets an das Maß der gegebenen Zustände gehalten hat, ferner der liberale Hr. <hi rendition="#g">Stedt</hi>mann, welcher zur Zeit der Revolution den preußischen Landtag für die letzte Planke der Gesetzlichkeit hielt, Hr. <hi rendition="#g">Wippermann,</hi> ein Kasseler Jakobiner, Hr. <hi rendition="#g">Duncker,</hi> ein zahmer hallenser Löwe, Hr. <hi rendition="#g">Claussen,</hi> ein liberaler Holsteiner, Hr. <hi rendition="#g">v. Lindenau, v. Raumer, v. Gagern</hi> und <hi rendition="#g">v. Meyern,</hi> lauter freisinnige Männer, die aber vor dem unschuldigen Worte Republik erschrecken und durch ein festbegründetes, aber festbegränztes konstitutionelles Königthum Alles erreichen wollen. Auf der linken Seite erblicken wir nur Robert <hi rendition="#g">Blum</hi> und <hi rendition="#g">Trützschler,</hi> die aber beide bis jetzt noch nicht die Konsequenz aus den von ihnen vertretenen Ansichten gezogen haben. Das ist die Kommission; einige ihrer Mitglieder sprachen es mit naiver Gradheit aus, daß das Volk nicht souverain sei, sondern daß es darauf ankomme, den durch die Revolution erschütterten Einfluß und Macht der uns vorgesetzten Fürsten wieder zu befestigen. Unsere Aussichten sind also einfach die, daß die vollziehende Centralgewalt den Fürsten in die Hände gelegt oder gleich kurzer Hand dem Bundestage übertragen wird, daß man endlich höchstens, um nach Art eines Feiglings den Schein für sich zu wahren, den Vollziehungsausschuß aus dem Schooße der Versammlung ernannt, aber von den Fürsten bestätigen läßt. Bei den Bestandtheilen der ersteren bin ich Ihnen Bürge für die Annahme eines dergestalt abgefaßten Kommissions-Entwurfes, um so mehr, als die Rechte wenigstens aus 2/3 der Mitglieder besteht und das wohlbegründetste Interesse hat, ihren vermeintlichen Vortheil der verhaßten Linken gegenüber zu wahren. Also Barrikaden und Revolution waren umsonst, der alte Schlendrian soll wieder von Neuem angehen. Der Bund, den selbst der Hr. v. <hi rendition="#g">Gagern</hi> eine Leiche nannte, dieser Kadaver soll das Volk von Neuem knechten, von Neuem mit dessen Wohl sein schnödes Spiel treiben. Doch nein! so wird es nicht, so kann es nicht werden, so lange noch eine kräftige, wenn auch kleine Minorität in der Versammlung sitzt, so lange sie ihrem Mandat getreu, dort die Rechte des Volkes wahrt, und jenes eher aufgiebt als dieses im Stiche läßt. Der Tag der Entscheidung, der Debatte über den Bericht des Vollziehungsausschusses wird bald kommen. Die Linke wird dann wissen, was sie zu thun hat, sie wird es nicht bei einem bloßen Proteste bewenden lassen, sondern sofort aus der Versammlung austreten, da hier die erste Lebensfrage zur Sprache kommt, die Frage nämlich, ob das Prinzip der Volkssouverainität anerkannt oder die ungeschmälerte Fürstenmacht fortbestehen soll? Die entschiedensten Vertreter der Linken haben sich unbedingt für diesen Austritt ausgesprochen; ob sie sich dann selbstständig konstituiren werden, hängt von der Theilnahme ab, den ihr Schritt beim Volke finden wird. So ist der Austritt der Minorität von den wichtigsten Folgen begleitet, er wird die gewaltsam gestaute Revolution wieder in Fluß bringen und unnachsichtlich den Sturz derer herbeiführen, welche sich der Bewegung blindlings entgegenstemmten.</p> </div> <div xml:id="ar009_008" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl><hi rendition="#g">Frankfurt,</hi> 7. Juni.</head> <p>Verflossenen Sonntag, am 4. Juni, war bei Bergen, einem 11/2 Stunden von hier entfernten kurhessischen Ort, eine Volksversammlung, zu der sich Turner und Arbeiter aus Hanau, Offenbach, Frankfurt, sowie die Bauern aus allen benachbarten Dörfern eingefunden hatten. Die Versammlung, welche im Freien abgehalten wurde, war in so fern von Bedeutung, als man unter der allgemeinsten Akklamation verkündete: wenn die Nationalversammlung welche den Willen des Volkes zu vertreten berufen sei, die Volkssouveränität an die Fürsten verrathe, so werde man ihre Beschlüsse nicht anerkennen und die demokratische Minorität „<hi rendition="#g">durch die That</hi>“ unterstützen.“</p> </div> <div xml:id="ar009_009" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl><hi rendition="#g">Frankfurt.</hi> 7. Juni.</head> <p>Der Terrorismus, welchen die reaktionäre Majorität der Nationalversammlung ausübt, ist sogar auf die Korrespondenten der demokratischen Zeitungen ausgedehnt worden. Die provisorische Kommission zur Vertheilung der Journalistenplätze hatte sich die Polizeikontrolle angemaßt, die einzelnen Journalisten in der Art zu überwachen, daß sie denselben eine Legitimation für eine bestimmte Zeitung abverlangte; ein Akt, der in der „freien“ Stadt Frankfurt, wo noch die Polizeiwillkühr „mißliebige“ Schriftsteller ausweisen darf, für die Korrespondenzen nicht ohne Bedeutung ist. Die neue Kommission, bestehend in dem Herrn Biedermann, ist noch offener zu Werke gegangen. Als die provisorischen Plätze nach Beibringung der Legitimation heute neu vertheilt wurden, erhielten 1) Julius Froebel, O. Lüning, L. Feuerbach, H. Bode (sämmtlich für Organe der Linken legitimirt) <hi rendition="#g">gar keine</hi> Stütze; 2) Bamberger und Dronke (beide für demokratische Zeitungen legitimirt) einen Platz auf der Tribüne, der nach dem Ausdruck des Alterspräsidenten an einem „akustischen Fehler“ leidet. Dafür wurden die früheren (provisorischen) Plätze der genannten Schriftsteller vertheilt 1) an Herrn A. Lewald, Wohlgeboren, für die Augsb. Allg. Ztg.; 2) den durch Guizot neuerdings bekannt gewordenen Dr. Weil, für die deutsche Professorenzeitung; 3) einen Korrespondenten der Köln. Ztg., Schroer oder ähnlichen Namens; 4) an <hi rendition="#g">zwei</hi> für die Weserzeitung legitimirte Korrespondenten, Sattler und Lengerke; 5) an einen sogenannten Korrespondenten des Frankfurter Journals, Namens Ebner. Herr Biedermann hat hierbei weder die Reihenfolge der früheren provisorischen Anmeldungen, noch die Reihenfolge, in welcher die neuen Legitimationen eingebracht wurden, beobachtet; Herr Biedermann, der als Buchhändler, Journalist und Professor der schönen Künste die Ansichten der einzelnen Blätter und ihrer Mitarbeiter kennen muß, hat also die Willkühr im Vertheilen der Journalistenplätze dahin ausgeübt, die Korrespondenten „mißliebiger“ Zeitungen auszuschließen oder zurückzusetzen, und die besseren Plätze in der Mitte der Versammlung den Korrespondenten konservativer und reaktionärer Blätter zuzuwenden. Den Herrn Fröbel und Bamberger ist es durch entschiedenes Auftreten gegen Hrn. Biedermann, gelungen, ihre früheren Plätze wieder einzunehmen, was wohl das beste Zeugniß der Willkühr des Herrn Biedermann ist; die übrigen demokratischen Zeitungen werden indeß vorläufig wohl ohne direkte Mittheilungen bleiben müssen.</p> <p>Das Manifest der radikal-demokratischen Patrei haben unterzeichnet:</p> <p>Dr. J. N. Berger aus Wien. Brentano aus Bruchsal. Hermann Grubert aus Schlesien. Dr. Heldmann aus Hessen. Junghanns aus Baden. Ch. Kapp aus Heidelberg. Adolph Kolaczek aus Schlesien. Martiny aus Westpreußen. Dr. Mohr aus Rheinhessen. Peter aus Konstanz. Gustav Rée aus Offenburg. Reinstein aus preuß. Sachsen. Arnold Ruge aus Leipzig. Julius Scharre aus Sachsen. Schlöffel aus Schlesien. Titus aus Baiern. W. Zimmermann aus Würtemberg. Zitz aus Hessen.</p> </div> <div xml:id="ar009_010" type="jArticle"> <head><hi rendition="#g">Frankfurt,</hi> a. d. O., 5. Juni.</head> <p>Der demokratische Verein hierselbst hat die nachfolgende Adresse an die konstituirende National-Versammlung in Berlin beschlossen und dem Präsidenten Milde so wie abschriftlich dem Abg. v. Gerlach zur Befürwortung übergeben:</p> <p>Vertreter des Volkes! Wie sich die Stimme des Volkes bereits in so vielen Städten des Vaterlandes gegen den vorgelegten Verfassungsentwurf protestirend erhoben hat, so fühlt auch der unterzeichnete Verein sich gedrungen, nach reiflicher Erörterung des Gegenstandes zu erklären, daß jener Entwurf bei ihm nicht nur Staunen und Unwillen erregt, sondern in seinen sämmtlichen Mitgliedern die lebhafteste Entrüstung hervorgerufen hat. Der Verein kann in dem Entwurfe nicht die vom Könige in Folge des glorreichen Volkskampfes gegen das absolute Königthum verheißene Verfassung auf breitester Grundlage erkennen, sondern findet in ihm nichts als eine Verkrüppelung der belgischen Konstitution, welche viele der wichtigsten errungenen Volksrechte unerwähnt läßt, andern gänzlich Hohn spricht. Er muß deshalb die Volksvertreter ersuchen, den von dem Ministerio vorgelegten Verfassungsentwurf als der Berathung, Namens eines freien Volkes unwürdig, ohne Weiteres zurückzuweisen, und nur auf Grund eines solchen zu berathen, welcher das in heiliger Stunde gegebene königliche Wort, dem das Volk so gern vertraute, Wahrheit werden läßt und sichere Bürgschaft für Gegenwart und Zukunft gewährt.</p> </div> <div xml:id="ar009_011" type="jArticle"> <head><hi rendition="#g">Berlin,</hi> 6. Juni.</head> <p>Sitzung der Vereinbarungs-Versammlung. ‒ Der Minister des Auswärtigen nimmt das Wort, um die früher an ihn gestellte Interpellation wegen der Rede Lamartines in Bezug auf das Großherzogthum Posen zu beantworten. In der Rede Lamartines seien mehrere Punkte ungenau angegeben. Er (der Minister) könne eigentlich die ganze Angelegenheit von der Hand weisen, doch habe er sich bemüht, Aufklärung darüber geben zu können. Er habe trotz allen Nachforschungen in den Akten nicht auffinden können, daß irgend ein Geheimniß der Regierung in der Posenschen Angelegenheit stattgefunden habe. ‒ Abg. <hi rendition="#g">Kirsten</hi> interpellirt den Finanzminister über die gegenwärtige Lage der freiwilligen Anleihe und fragt, ob der Minister vielleicht gesonnen sei, jetzt mit einer Zwangsanleihe hervorzugehen. Es sei befremdend, daß die Ergebnisse unserer freiwilligen Anleihe hinter den Erwartungen so sehr zurückgeblieben seien. Es stehe nun zwar in der Thronrede, die Ersparnisse des Landes würden die Bedürfnisse decken, jedoch glaubt er, daß unter so bewandten Umständen das Ministerium zu einer Zwangsanleihe schreiten werde, die aber seiner Ansicht nach eine unangenehme Stimmung im Lande hervorrufen wird, eben so im Auslande den Anschein, als ob man sehr wenige Patrioten im Lande habe. Minister <hi rendition="#g">Hansemann:</hi> Es ist unrichtig, daß in der Thronrede angeführt ist : die Ersparnisse würden die Bedürfnisse decken, <hi rendition="#g">sondern es steht bloß darin : die Ersparnisse sind noch nicht aufgezehrt.</hi> Der vorherige Redner befürchtet einen unangenehmen Eindruck von der Zwangs-Anleihe? Ich auch. (Heiterkeit.) Wenn man Jemanden zwingen will, Geld zu geben, das bringt niemals einen guten Eindruck hervor. (Heiterkeit.) Wenn der Staat zu Beiträgen aufgefordert hat, wenn er den an ihn dieserhalb gemachten Anträgen nachgegeben, wenn er den Lokalbehörden die Sache in die Hand gegeben, und doch der Erfolg so gering gewesen ist, daß die Beiträge bis jetzt nur etwa 1 Mill. im ganzen Lande betragen (wobei bemerkt wird, daß die Berichte über den Schluß des vorigen Monats noch nicht eingegangen) ‒ so ist es die Pflicht des Ministeriums dafür zu sorgen, daß die Bedürfnisse des Landes befriedigt werden. Ich mache der Versammlung daher die Anzeige, daß ihr in wenigen Tagen ein Gesetz-Entwurf über eine Zwangs-Anleihe vorgelegt werden wird, undzwar ein solcher, der viel weniger günstige Bedingungen füe die Darleiher stellt, als die freiwillige Anleihe. Erst dann, wenn die gewöhnlichen Organe der Staatsgewalt hier fungiren, dann wird der Zeitpunkt kommen, wo Preußens Kredit wieder stark genug sein wird. Doch können die Vertreter des Landes selber zur Herbeiführung dieses Zeitpunktes viel beitragen. <hi rendition="#g">Je schneller die Geschäfte hier abgemacht werden, desto schneller wird die Zeit da sein, wo Preußen wieder Kredit haben wird.</hi> Denn nur erst, wenn diese Zeit herangerückt ist, und wenn er dann noch das Portefeuille des Finanzministeriums haben wird, dann werde er Vorschläge zu großen Unternehmungen machen, <hi rendition="#g">wodurch er hoffe, die Noth der Arbeiter zu steuern.</hi> (Schallendes Bravo.) Abg. <hi rendition="#g">Hartmann</hi> fragt den Minister-Präsidenten, ob er geneigt sei, eine Erklärung über die Abwesenheit des Prinzen von Preußen vom Lande und über die Gründe, welche ihn bisher entfernt gehalten, zu geben. Der Min.-Präs. erklärt augenblicklich dazu bereit zu sein. Abg. Hartmann motivirt seine Interpellation durch die vielen verschiedenartigen Gerüchte, welche über diese Angelegenheit umlaufen. Minist.-Präs. <hi rendition="#g">Camphausen:</hi> die Räthe der Kammer sollen dafür verantwortlich sein, was sie beschließen. Er selbst glaube, die Versammlung werde dies berücksichtigen und hat nur zu bemerken, daß die jetzigen Minister erst unter dem dreißigsten März ihre Verantwortlichkeit ausgesprochen haben. Dennoch aber wolle er jetzt eine Erklärung geben. Nach Beendigung des Kampfes des 18. und 19. März, der hier in Berlin stattgefunden, habe sich eine Erbitterung gegen den Prinzen gezeigt, wodurch einige Freunde des Prinzen veranlaßt wurden, demselben zu rathen, die Stadt zu verlassen. Der Prinz hat sich demnach nach Spandau begeben, ist sodann bis zum 21. März auf der Pfaueninsel bei Potsdam geblieben. Das Gerücht von dem Anrücken des Prinzen mit Truppen an die Stadt, hat eine erneuerte und erhöh'te Bewegung hervorgerufen, die die Minister veranlaßte, eine Reise dem Prinzen ins Ausland anzurathen. Der König hat diesem Gesuche nachgegeben und dem Prinzen darüber eine mündliche Mittheilung gemacht, die aber der Prinz nicht anzunehmen erklärte, daß er aber auf einen schriftlichen Befehl abzureisen bereit sei. Dieser wurde vom König eigenhändig ausgefertigt, <hi rendition="#g">mit der Bestimmung, in London dem befreundeten Kabinette Aufschluß über das hier Geschehene zu geben.</hi> Später hat sich der Prinz mit dem Marinewesen beschäftigt. Was die Dauer der Abwesenheit betrifft, so hatte das Ministerium früher keine Veranlassung ihn zurückzurufen. Als aber die Zeit der Einberufung der Versammlung herannahte, habe es für unerläßlich gehalten, auf die Rückkehr des Prinzen anzutragen, um als der Nächste am Throne, dem Gang der Sachen beizuwohnen. Darüber habe das Ministerium eine Masse der bittersten Angriffe erfahren; es sei ihm vorgeworfen, daß es alle Konsequenzen des neuen Umschwunges des Landes verleugne. Sie haben ihren Antrag als eine ministerielle Maßregel betrachtet, sie sind und bleiben dafür verantwortlich. Sie haben geglaubt, gerade dadurch den reaktionären Bestrebungen entgegenzutreten. Sie haben geglaubt, sich in die Stelle einer hohen Person setzen zu müssen, dies glaubten sie dem Prinzen und der Achtung vor der Versammlung schuldig zu sein, daß der Prinz nicht später mit einer unausgesprochenen Ansicht vor sie hintrete. Mit dieser Ansicht trete das Ministerium jetzt vor die Versammlung, doch nicht mit jenem festen Hervortreten, sondern sie sprechen es hier aus, mit der Demuth des Bewußtseins, daß nur Milde und Versöhnung auch diese Versammlung zum Ziele führe. Sie bitten nur die Versammlung um Gerechtigkeit und Nachsicht. (Anhaltendes Bravo.) Hierauf weist der Minister der auswärtigen Angelegenheiten wieder einen Interpellanten, Abgordnete Müller aus Wahlau, mit einer ungeheuren Vornehmheit zurück. Derselbe wollte nämlich wissen, ob der preußische Gesandte sich in Wien oder in Inspruck bei dem Kaiser befinde und wo der Sitz der österreichischen Regierung jetzt sei? Der Graf von Arnim „belehrt“ den Abgeordneten, „daß ein Gesandter ein Mann ist, der immer von Person zu Person akredirt ist“ und daß Herr Graf Bernstorf, der jetzige Gesandte, sich in Iseke befinde, weil er ein Ereigniß in seiner Familie erwarte, welches er bei dem bewegten Zustande Wiens dort nicht erwarten mochte. ‒ Nun interpellirt Graf Lieskowski das Ministerium über die schwarze Beitze, mit welcher die polnischen Gefangenen gezeichnet werden. Herr v. Auerswald verspricht eine strenge Untersuchung gegen Behörden, die dergleichen Mißbrauch ihrer Gewalt trieben, bis jetzt habe er nicht in Erfahrung bringen können, daß man eine beitzende Materie, sondern nur eine gewöhnliche, nach drei Tagen zu verwischende Farbe angewandt. ‒ Die Versammlung scheint mit dieser Erklärung keinesweges beruhigt. ‒ Der Minister erklärt hierauf, daß diese Antwort durchaus nicht als eine Erledigung zu betrachten sei, sondern daß in der Adreßdebatte über die polnische Frage ohne Zweifel noch genügende Aufklärungen gegeben werden sollen. ‒ Der Abgeordnete Krackrügge bringt das Niederschießen zweier Bürger und noch sechs Verwundungen, die von Seiten des Militärs bei einem Auflaufe am 14. März stattgefunden, zur Sprache, und trägt auf Untersuchung an. Der Präsident will dem Antragsteller gestatten, seine Angelegenheit sogleich zur Debatte zu bringen. Die Versammlung lehnt sich dagegen auf. (Ungeheurer Lärm, Pochen, Schreien, Scharren.) Der Antrag wird in die Abtheilung verwiesen. Ein Antrag des Abgeordneten Schöne auf Herabsetzung der Reisediäten für die Abgeordneten auf die Hälfte, um ein Beispiel der Oekonomie zu geben, wird zurückgewiesen. Alles übrige war uninteressant und nicht den Schweiß werth, den uns die Hitze des Saales erpreßte. Zu bemerken ist nur noch, daß die Majorität der Versammlung dem Abgeordneten Jung nicht erlaubte, den Wunsch eines für die Märzhelden zu errichtenden Denkmals auszusprechen. Die vorgestrige Demonstration ist wirkungslos an ihr abgeprallt.</p> </div> <div xml:id="ar009_012" type="jArticle"> <head><hi rendition="#g">Erfurt,</hi> 4. Juni.</head> <p>Am 2. Juni Abends hatten wir hier eine Arbeiterversammlung, in der sich der Unwille gegen einen hiesigen Bürger äußerte, da derselbe über einen beim Volke beliebten Mann, welcher gebrechlich ist, fortwährend spöttelte. Nach dem Schlusse der Versammlung zogen die Arbeiter in Begleitung Tausender von Neugierigen vor die Wohnung des Bürgers und brachten demselben eine Katzenmusik. Am 3. Juni Abends versammelten sich die Arbeiter wieder und zogen dann in Masse vor die Wohnung des Grafen von Keller, brachten ihm eine Katzenmusik und fingen schon an, demselben die Fenster einzuwerfen, als noch zu rechter Zeit die Bürgerwache ankam, worauf sodann das Volk gegen diese seinen Zorn ausließ. Es entstand ein förmlicher Kampf, wobei zwei der achtbarsten Bürger getödtet und acht andere schwer verwundet wurden. Nun wurde Generalmarsch geschlagen, das Militär rückte heran, selbst Kanonen wurden aufgefahren, und so wurde für diesen Abend die Ruhe hergestellt; allein heute Abend befürchtet man noch Schlimmeres.</p> <bibl>(D. A. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar009_013" type="jArticle"> <head><hi rendition="#g">Breslau,</hi> 4. Juni.</head> <p>Sie haben Gelegenheit gehabt, im Allgemeinen und auch in Berlin besonders die Wirksamkeit des Hrn. Wit v. Dörring zu beobachten. In der letzten Zeit strotzten die Straßenecken von Plakaten, deren Anfertiger er war, und die Zeitungen von Inseraten der gemeinsten Art. Er war es ferner, der in Oberschlesien Judenverfolgungen anzettelte und in der That den Aufwiegler im gemeinen Sinne des Wortes spielte. Vorgestern und gestern ist ihm vom Volke die öffentliche Meinung klar gemacht worden. Aus Natidor bereits auf den Antrag der Bürger entfernt, befand er sich hier in einem namhaften Hotel, und vor dieses zog vorgestern Abend eine Menschenmenge, die ihm eine Katzen-Symphonie darbrachte, in Folge deren der Gasthofbesitzer sich veranlaßt fand, sein Ehrenwort zu geben, daß erstens Hr. Wit nicht mehr da sei (er war durch die Hinterthür entwischt), und zweitens, daß er ihn nicht wieder aufnehmen würde. Hr. Wit aber suchte bei allen Behörden Schutz, der ihm auch in so weit gewährt wurde, daß er die Nacht in der Kürassier-Kaserne zubrachte. Gestern Morgen aber war er wieder sichtbar, und da erhob sich ein kleiner Sturm, der etwa 4 bis 500 Menschen zusammenbrachte, die ihn ohne weitere Umstände nach dem Bahnhof der oberschlesischen Eisenbahn brachten und zur Abreise mit dem nächsten Zuge zwangen. Daß diese Begleitung eben nicht sehr freundlich gestimmt war, darf ich Ihnen nicht sagen, und es gelang eben nur einzelnen Mitgliedern des demokratischen Klubs und des Arbeiter-Vereins, Hrn. Wit v. Dörring vor ernsteren Mißhandlungen zu schützen. ‒ Gestern Abend hatte wieder eine Katzenmusik statt, und da sah man wieder klar, wie die Volksbewaffnung schmählich gemißbraucht wird. Die Musik fand in der Nähe des Theaters statt, das eben zu Ende war. Die berittene Bürgerwehr kam heran und es wurden zunächst drei Damen übergeritten, dann hieben die Herren Kavaliere ohne zum Auseinandergehen aufzufordern, <hi rendition="#g">ja ohne Kommando,</hi> ein und zwar scharf mit geschliffnen Säbeln. Unter mehreren Verwundeten befand sich auch ein Mann von 62 Jahren, der eben mit seinem Kinde von der Promenade heimkehrte.</p> </div> <div xml:id="ar009_014" type="jArticle"> <head><hi rendition="#g">Königsberg,</hi> 2. Juni.</head> <p>Der hiesige Arbeiterverein hat gestern folgenden Protest an die Vereinbarungs-Versammlung nach Berlin gesandt:</p> <p>„Hohe Nationalversammlung! Wir protestiren hiermit gegen den der hohen Nationalversammlung durch das königl. Staatsministerium vorgelegten Verfassungs-Entwurf, weil er die Revolution vom 18. März verleugnet und das Volk um die Früchte derselben zu bringen sucht; denn : 1. enthält er keine Erklärung der Menschenrechte, keine Garantie der Arbeit; 2. sind keinerlei Vorrechte, Monopole und noch bestehende mittelalterliche Lasten aufgehoben worden, sondern durch eine erbliche Pairie sind neue Privilegien erschaffen und die Aristokratie des Besitzes ist geheiligt; 3. die Trennung der Kirche vom Staat und die Trennung der Schule von der Kirche ist nirgends ausgesprochen; 4. das Zweikammersystem, an und für sich verwerflich, macht in der Art und Weise, wie es der Gesetzentwurf durchgeführt und beschränkt hat, jede Vertretung und Fortbildung der Volksrechte unmöglich; 5. dem Könige ist ein unbedingtes Veto eingeräumt; 6. der Gesetzentwurf enthält die Verklausulirung wesentlicher und unveräußerlicher Rechte, wie die Freiheit des Unterrichts und der Preßfreiheit, und die offenbare Beschränkung des Associationsrechts. Die Annahme eines solchen Verfassungs-Entwurfs würde das Vaterland in neue Revolutionen stürzen, oder die freie Entwicklung des Volks auf lange Zeit hin unmöglich machen. Deshalb erklären wir den Verfassungs-Entwurf für unhaltbar und fordern die konstituirende Versammlung auf, ihn in der jetzigen Fassung ganz und unbedingt zu verwerfen.“</p> </div> <div xml:id="ar009_015" type="jArticle"> <head><hi rendition="#g">Aus Schlesien,</hi> 2. Juni.</head> <p>Die öffentliche Stimmung verschlimmert sich fortwährend, indem sie die verschiedenen Stände immer mehr entzweit. Die schlesische Aristokratie sieht sich in ihrer Existenz bedroht, nicht sowohl in ihrem materiellen Besitz, als in dem ruhigen Fortgenuß eingebildeter Vorrechte, wornach sie besonders die gebildeten Bürgerlichen dergestalt von sich entfernt hielt, daß diese endlich gar nicht mehr mit der hohen Noblesse umgehen mochten, wenn auch ein oder das andere Mitglied derselben über solche Standesvorurtheile erhoben war. Diese Aristokraten fangen nunmehr an, den Liberalen ernstlich den Krieg zu bereiten. Diese aber sind ebenfalls in die verschiedenartigsten Heerlager gespalten. Die Mehrzahl ist gegen die frühern Mißbräuche; allein nicht gewöhnt sich in öffentliche Angelegenheiten zu mischen, ‒ weil dieß Sache der Büreaukratie war, an deren Spitze die Aristokratie stand ‒ bleibt sie theilnahmlos, schwankend </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0036/0002]
[Deutschland] Frankfurt, 7. Juni. Die konstituirende Nationalversammlung hat heute nach einer längern, zunächst durch die veröffentlichten Vorlagen des provisorischen Centralcomité in Prag an den Slavenkongreß veranlaßten Debatte beschlossen: einen besondern Ausschuß von 15 Mitgliedern zur Begutachtung der österreichisch-slavischen Frage, insoweit es sich von deutschen Bundesländern handelt, niederzusetzen. Die Wahl des Ausschusses durch die Abtheilungen sollte alsbald nach der öffentlichen Sitzung erfolgen; derselbe wird sich bereits heute Nachmittag 5 Uhr konstituiren.
pp. Frankfurt, 6. Juni. Die deutsche National-Versammlung hat durch ihre letzten Verhandlungen, wenn auch wider ihren Willen, der deutschen Republik ganz entschieden in die Hände gearbeitet, sie hat den unausbleiblichen Sturm heraufbeschworen, der sich zunächst über ihrem Haupte und dann über dem Pferche der patriarchalisch-deutschen Zustände entladen wird. Die Versammlung, zusammengesetzt aus romantischen Antiquitäten, stockgelehrten Hofräthen und Doktoren, selbstgefälligen Doktrinärs und wenigen entschiedenen Männern, hat ihren verhängnißvollen Sturz dadurch herbeigeführt, daß sie da einzulenken versuchte, wo der Stillstand ein Verbrechen ist, daß sie ihre Zeit, ihre Aufgabe nicht verstand; den Todesstoß endlich hat sie sich gegeben durch die Zusammensetzung des Ausschusses für die Bildung einer provisorischen Vollziehungsgewalt. Woher, werden Sie mich vielleicht fragen, schon jetzt diese düsteren Voraussetzungen? Da wir von der Thätigkeit dieses Ausschusses noch nichts wissen, da er seinen Entwurf noch nicht einmal vorgelegt hat. Ich brauche Ihnen aber nur die Namen der Mitglieder der Kommission zu nennen und sie werden meine Besorgniß gerechtfertigt finden. Da ist Hr. Flottwell, preußischer Oberpräsident, ein Erzbüreaukrat alten Stils, der noch vor zwei Jahren den sich bei ihm als damaligen Finanzminister beschwerenden rheinischen Gewerbetreibenden anempfahl, sie möchten sich nur um ihre Angelegenheiten, nicht aber um die tiefer gehenden kommerziellen und politischen Verhältnisse kümmern, Hr. v. Zenetti, ein abgedankter baierischer Minister, der selbst dem seligen König Ludwig zu schlecht war und abgesetzt wurde, Hr. v. Würth, einer jener Schwächlinge, welche alle Revolutionen beklagen, endlich Hr. v. Saucken ein preußischer Krieger, der früher nach der Melodie seines Bruders den Rechtsboden des ersten vereinigten Landtages ausbeutete, jetzt aber, wo der Pöbel zur Herrschaft strebt, den Frieden „einer vernünftigen Konstitution allen politischen Kämpfen vorzieht.“ Diese Herren bilden die Rechte, sie wollen Ruhe und Vertrauen durch ein selbstbegründetes Königthum wieder herstellen. An sie schließen sich als Centrum an der Hofrath Dahlmann, der Vertrauensmensch und Fürstengläubige, der mit seinem Bruder in der Politik, dem keuschen Joseph derselben, Hofrath Gervinus noch nie „eine politische Unzucht begangen“, sondern sich stets an das Maß der gegebenen Zustände gehalten hat, ferner der liberale Hr. Stedtmann, welcher zur Zeit der Revolution den preußischen Landtag für die letzte Planke der Gesetzlichkeit hielt, Hr. Wippermann, ein Kasseler Jakobiner, Hr. Duncker, ein zahmer hallenser Löwe, Hr. Claussen, ein liberaler Holsteiner, Hr. v. Lindenau, v. Raumer, v. Gagern und v. Meyern, lauter freisinnige Männer, die aber vor dem unschuldigen Worte Republik erschrecken und durch ein festbegründetes, aber festbegränztes konstitutionelles Königthum Alles erreichen wollen. Auf der linken Seite erblicken wir nur Robert Blum und Trützschler, die aber beide bis jetzt noch nicht die Konsequenz aus den von ihnen vertretenen Ansichten gezogen haben. Das ist die Kommission; einige ihrer Mitglieder sprachen es mit naiver Gradheit aus, daß das Volk nicht souverain sei, sondern daß es darauf ankomme, den durch die Revolution erschütterten Einfluß und Macht der uns vorgesetzten Fürsten wieder zu befestigen. Unsere Aussichten sind also einfach die, daß die vollziehende Centralgewalt den Fürsten in die Hände gelegt oder gleich kurzer Hand dem Bundestage übertragen wird, daß man endlich höchstens, um nach Art eines Feiglings den Schein für sich zu wahren, den Vollziehungsausschuß aus dem Schooße der Versammlung ernannt, aber von den Fürsten bestätigen läßt. Bei den Bestandtheilen der ersteren bin ich Ihnen Bürge für die Annahme eines dergestalt abgefaßten Kommissions-Entwurfes, um so mehr, als die Rechte wenigstens aus 2/3 der Mitglieder besteht und das wohlbegründetste Interesse hat, ihren vermeintlichen Vortheil der verhaßten Linken gegenüber zu wahren. Also Barrikaden und Revolution waren umsonst, der alte Schlendrian soll wieder von Neuem angehen. Der Bund, den selbst der Hr. v. Gagern eine Leiche nannte, dieser Kadaver soll das Volk von Neuem knechten, von Neuem mit dessen Wohl sein schnödes Spiel treiben. Doch nein! so wird es nicht, so kann es nicht werden, so lange noch eine kräftige, wenn auch kleine Minorität in der Versammlung sitzt, so lange sie ihrem Mandat getreu, dort die Rechte des Volkes wahrt, und jenes eher aufgiebt als dieses im Stiche läßt. Der Tag der Entscheidung, der Debatte über den Bericht des Vollziehungsausschusses wird bald kommen. Die Linke wird dann wissen, was sie zu thun hat, sie wird es nicht bei einem bloßen Proteste bewenden lassen, sondern sofort aus der Versammlung austreten, da hier die erste Lebensfrage zur Sprache kommt, die Frage nämlich, ob das Prinzip der Volkssouverainität anerkannt oder die ungeschmälerte Fürstenmacht fortbestehen soll? Die entschiedensten Vertreter der Linken haben sich unbedingt für diesen Austritt ausgesprochen; ob sie sich dann selbstständig konstituiren werden, hängt von der Theilnahme ab, den ihr Schritt beim Volke finden wird. So ist der Austritt der Minorität von den wichtigsten Folgen begleitet, er wird die gewaltsam gestaute Revolution wieder in Fluß bringen und unnachsichtlich den Sturz derer herbeiführen, welche sich der Bewegung blindlings entgegenstemmten.
*Frankfurt, 7. Juni. Verflossenen Sonntag, am 4. Juni, war bei Bergen, einem 11/2 Stunden von hier entfernten kurhessischen Ort, eine Volksversammlung, zu der sich Turner und Arbeiter aus Hanau, Offenbach, Frankfurt, sowie die Bauern aus allen benachbarten Dörfern eingefunden hatten. Die Versammlung, welche im Freien abgehalten wurde, war in so fern von Bedeutung, als man unter der allgemeinsten Akklamation verkündete: wenn die Nationalversammlung welche den Willen des Volkes zu vertreten berufen sei, die Volkssouveränität an die Fürsten verrathe, so werde man ihre Beschlüsse nicht anerkennen und die demokratische Minorität „durch die That“ unterstützen.“
*Frankfurt. 7. Juni. Der Terrorismus, welchen die reaktionäre Majorität der Nationalversammlung ausübt, ist sogar auf die Korrespondenten der demokratischen Zeitungen ausgedehnt worden. Die provisorische Kommission zur Vertheilung der Journalistenplätze hatte sich die Polizeikontrolle angemaßt, die einzelnen Journalisten in der Art zu überwachen, daß sie denselben eine Legitimation für eine bestimmte Zeitung abverlangte; ein Akt, der in der „freien“ Stadt Frankfurt, wo noch die Polizeiwillkühr „mißliebige“ Schriftsteller ausweisen darf, für die Korrespondenzen nicht ohne Bedeutung ist. Die neue Kommission, bestehend in dem Herrn Biedermann, ist noch offener zu Werke gegangen. Als die provisorischen Plätze nach Beibringung der Legitimation heute neu vertheilt wurden, erhielten 1) Julius Froebel, O. Lüning, L. Feuerbach, H. Bode (sämmtlich für Organe der Linken legitimirt) gar keine Stütze; 2) Bamberger und Dronke (beide für demokratische Zeitungen legitimirt) einen Platz auf der Tribüne, der nach dem Ausdruck des Alterspräsidenten an einem „akustischen Fehler“ leidet. Dafür wurden die früheren (provisorischen) Plätze der genannten Schriftsteller vertheilt 1) an Herrn A. Lewald, Wohlgeboren, für die Augsb. Allg. Ztg.; 2) den durch Guizot neuerdings bekannt gewordenen Dr. Weil, für die deutsche Professorenzeitung; 3) einen Korrespondenten der Köln. Ztg., Schroer oder ähnlichen Namens; 4) an zwei für die Weserzeitung legitimirte Korrespondenten, Sattler und Lengerke; 5) an einen sogenannten Korrespondenten des Frankfurter Journals, Namens Ebner. Herr Biedermann hat hierbei weder die Reihenfolge der früheren provisorischen Anmeldungen, noch die Reihenfolge, in welcher die neuen Legitimationen eingebracht wurden, beobachtet; Herr Biedermann, der als Buchhändler, Journalist und Professor der schönen Künste die Ansichten der einzelnen Blätter und ihrer Mitarbeiter kennen muß, hat also die Willkühr im Vertheilen der Journalistenplätze dahin ausgeübt, die Korrespondenten „mißliebiger“ Zeitungen auszuschließen oder zurückzusetzen, und die besseren Plätze in der Mitte der Versammlung den Korrespondenten konservativer und reaktionärer Blätter zuzuwenden. Den Herrn Fröbel und Bamberger ist es durch entschiedenes Auftreten gegen Hrn. Biedermann, gelungen, ihre früheren Plätze wieder einzunehmen, was wohl das beste Zeugniß der Willkühr des Herrn Biedermann ist; die übrigen demokratischen Zeitungen werden indeß vorläufig wohl ohne direkte Mittheilungen bleiben müssen.
Das Manifest der radikal-demokratischen Patrei haben unterzeichnet:
Dr. J. N. Berger aus Wien. Brentano aus Bruchsal. Hermann Grubert aus Schlesien. Dr. Heldmann aus Hessen. Junghanns aus Baden. Ch. Kapp aus Heidelberg. Adolph Kolaczek aus Schlesien. Martiny aus Westpreußen. Dr. Mohr aus Rheinhessen. Peter aus Konstanz. Gustav Rée aus Offenburg. Reinstein aus preuß. Sachsen. Arnold Ruge aus Leipzig. Julius Scharre aus Sachsen. Schlöffel aus Schlesien. Titus aus Baiern. W. Zimmermann aus Würtemberg. Zitz aus Hessen.
Frankfurt, a. d. O., 5. Juni. Der demokratische Verein hierselbst hat die nachfolgende Adresse an die konstituirende National-Versammlung in Berlin beschlossen und dem Präsidenten Milde so wie abschriftlich dem Abg. v. Gerlach zur Befürwortung übergeben:
Vertreter des Volkes! Wie sich die Stimme des Volkes bereits in so vielen Städten des Vaterlandes gegen den vorgelegten Verfassungsentwurf protestirend erhoben hat, so fühlt auch der unterzeichnete Verein sich gedrungen, nach reiflicher Erörterung des Gegenstandes zu erklären, daß jener Entwurf bei ihm nicht nur Staunen und Unwillen erregt, sondern in seinen sämmtlichen Mitgliedern die lebhafteste Entrüstung hervorgerufen hat. Der Verein kann in dem Entwurfe nicht die vom Könige in Folge des glorreichen Volkskampfes gegen das absolute Königthum verheißene Verfassung auf breitester Grundlage erkennen, sondern findet in ihm nichts als eine Verkrüppelung der belgischen Konstitution, welche viele der wichtigsten errungenen Volksrechte unerwähnt läßt, andern gänzlich Hohn spricht. Er muß deshalb die Volksvertreter ersuchen, den von dem Ministerio vorgelegten Verfassungsentwurf als der Berathung, Namens eines freien Volkes unwürdig, ohne Weiteres zurückzuweisen, und nur auf Grund eines solchen zu berathen, welcher das in heiliger Stunde gegebene königliche Wort, dem das Volk so gern vertraute, Wahrheit werden läßt und sichere Bürgschaft für Gegenwart und Zukunft gewährt.
Berlin, 6. Juni. Sitzung der Vereinbarungs-Versammlung. ‒ Der Minister des Auswärtigen nimmt das Wort, um die früher an ihn gestellte Interpellation wegen der Rede Lamartines in Bezug auf das Großherzogthum Posen zu beantworten. In der Rede Lamartines seien mehrere Punkte ungenau angegeben. Er (der Minister) könne eigentlich die ganze Angelegenheit von der Hand weisen, doch habe er sich bemüht, Aufklärung darüber geben zu können. Er habe trotz allen Nachforschungen in den Akten nicht auffinden können, daß irgend ein Geheimniß der Regierung in der Posenschen Angelegenheit stattgefunden habe. ‒ Abg. Kirsten interpellirt den Finanzminister über die gegenwärtige Lage der freiwilligen Anleihe und fragt, ob der Minister vielleicht gesonnen sei, jetzt mit einer Zwangsanleihe hervorzugehen. Es sei befremdend, daß die Ergebnisse unserer freiwilligen Anleihe hinter den Erwartungen so sehr zurückgeblieben seien. Es stehe nun zwar in der Thronrede, die Ersparnisse des Landes würden die Bedürfnisse decken, jedoch glaubt er, daß unter so bewandten Umständen das Ministerium zu einer Zwangsanleihe schreiten werde, die aber seiner Ansicht nach eine unangenehme Stimmung im Lande hervorrufen wird, eben so im Auslande den Anschein, als ob man sehr wenige Patrioten im Lande habe. Minister Hansemann: Es ist unrichtig, daß in der Thronrede angeführt ist : die Ersparnisse würden die Bedürfnisse decken, sondern es steht bloß darin : die Ersparnisse sind noch nicht aufgezehrt. Der vorherige Redner befürchtet einen unangenehmen Eindruck von der Zwangs-Anleihe? Ich auch. (Heiterkeit.) Wenn man Jemanden zwingen will, Geld zu geben, das bringt niemals einen guten Eindruck hervor. (Heiterkeit.) Wenn der Staat zu Beiträgen aufgefordert hat, wenn er den an ihn dieserhalb gemachten Anträgen nachgegeben, wenn er den Lokalbehörden die Sache in die Hand gegeben, und doch der Erfolg so gering gewesen ist, daß die Beiträge bis jetzt nur etwa 1 Mill. im ganzen Lande betragen (wobei bemerkt wird, daß die Berichte über den Schluß des vorigen Monats noch nicht eingegangen) ‒ so ist es die Pflicht des Ministeriums dafür zu sorgen, daß die Bedürfnisse des Landes befriedigt werden. Ich mache der Versammlung daher die Anzeige, daß ihr in wenigen Tagen ein Gesetz-Entwurf über eine Zwangs-Anleihe vorgelegt werden wird, undzwar ein solcher, der viel weniger günstige Bedingungen füe die Darleiher stellt, als die freiwillige Anleihe. Erst dann, wenn die gewöhnlichen Organe der Staatsgewalt hier fungiren, dann wird der Zeitpunkt kommen, wo Preußens Kredit wieder stark genug sein wird. Doch können die Vertreter des Landes selber zur Herbeiführung dieses Zeitpunktes viel beitragen. Je schneller die Geschäfte hier abgemacht werden, desto schneller wird die Zeit da sein, wo Preußen wieder Kredit haben wird. Denn nur erst, wenn diese Zeit herangerückt ist, und wenn er dann noch das Portefeuille des Finanzministeriums haben wird, dann werde er Vorschläge zu großen Unternehmungen machen, wodurch er hoffe, die Noth der Arbeiter zu steuern. (Schallendes Bravo.) Abg. Hartmann fragt den Minister-Präsidenten, ob er geneigt sei, eine Erklärung über die Abwesenheit des Prinzen von Preußen vom Lande und über die Gründe, welche ihn bisher entfernt gehalten, zu geben. Der Min.-Präs. erklärt augenblicklich dazu bereit zu sein. Abg. Hartmann motivirt seine Interpellation durch die vielen verschiedenartigen Gerüchte, welche über diese Angelegenheit umlaufen. Minist.-Präs. Camphausen: die Räthe der Kammer sollen dafür verantwortlich sein, was sie beschließen. Er selbst glaube, die Versammlung werde dies berücksichtigen und hat nur zu bemerken, daß die jetzigen Minister erst unter dem dreißigsten März ihre Verantwortlichkeit ausgesprochen haben. Dennoch aber wolle er jetzt eine Erklärung geben. Nach Beendigung des Kampfes des 18. und 19. März, der hier in Berlin stattgefunden, habe sich eine Erbitterung gegen den Prinzen gezeigt, wodurch einige Freunde des Prinzen veranlaßt wurden, demselben zu rathen, die Stadt zu verlassen. Der Prinz hat sich demnach nach Spandau begeben, ist sodann bis zum 21. März auf der Pfaueninsel bei Potsdam geblieben. Das Gerücht von dem Anrücken des Prinzen mit Truppen an die Stadt, hat eine erneuerte und erhöh'te Bewegung hervorgerufen, die die Minister veranlaßte, eine Reise dem Prinzen ins Ausland anzurathen. Der König hat diesem Gesuche nachgegeben und dem Prinzen darüber eine mündliche Mittheilung gemacht, die aber der Prinz nicht anzunehmen erklärte, daß er aber auf einen schriftlichen Befehl abzureisen bereit sei. Dieser wurde vom König eigenhändig ausgefertigt, mit der Bestimmung, in London dem befreundeten Kabinette Aufschluß über das hier Geschehene zu geben. Später hat sich der Prinz mit dem Marinewesen beschäftigt. Was die Dauer der Abwesenheit betrifft, so hatte das Ministerium früher keine Veranlassung ihn zurückzurufen. Als aber die Zeit der Einberufung der Versammlung herannahte, habe es für unerläßlich gehalten, auf die Rückkehr des Prinzen anzutragen, um als der Nächste am Throne, dem Gang der Sachen beizuwohnen. Darüber habe das Ministerium eine Masse der bittersten Angriffe erfahren; es sei ihm vorgeworfen, daß es alle Konsequenzen des neuen Umschwunges des Landes verleugne. Sie haben ihren Antrag als eine ministerielle Maßregel betrachtet, sie sind und bleiben dafür verantwortlich. Sie haben geglaubt, gerade dadurch den reaktionären Bestrebungen entgegenzutreten. Sie haben geglaubt, sich in die Stelle einer hohen Person setzen zu müssen, dies glaubten sie dem Prinzen und der Achtung vor der Versammlung schuldig zu sein, daß der Prinz nicht später mit einer unausgesprochenen Ansicht vor sie hintrete. Mit dieser Ansicht trete das Ministerium jetzt vor die Versammlung, doch nicht mit jenem festen Hervortreten, sondern sie sprechen es hier aus, mit der Demuth des Bewußtseins, daß nur Milde und Versöhnung auch diese Versammlung zum Ziele führe. Sie bitten nur die Versammlung um Gerechtigkeit und Nachsicht. (Anhaltendes Bravo.) Hierauf weist der Minister der auswärtigen Angelegenheiten wieder einen Interpellanten, Abgordnete Müller aus Wahlau, mit einer ungeheuren Vornehmheit zurück. Derselbe wollte nämlich wissen, ob der preußische Gesandte sich in Wien oder in Inspruck bei dem Kaiser befinde und wo der Sitz der österreichischen Regierung jetzt sei? Der Graf von Arnim „belehrt“ den Abgeordneten, „daß ein Gesandter ein Mann ist, der immer von Person zu Person akredirt ist“ und daß Herr Graf Bernstorf, der jetzige Gesandte, sich in Iseke befinde, weil er ein Ereigniß in seiner Familie erwarte, welches er bei dem bewegten Zustande Wiens dort nicht erwarten mochte. ‒ Nun interpellirt Graf Lieskowski das Ministerium über die schwarze Beitze, mit welcher die polnischen Gefangenen gezeichnet werden. Herr v. Auerswald verspricht eine strenge Untersuchung gegen Behörden, die dergleichen Mißbrauch ihrer Gewalt trieben, bis jetzt habe er nicht in Erfahrung bringen können, daß man eine beitzende Materie, sondern nur eine gewöhnliche, nach drei Tagen zu verwischende Farbe angewandt. ‒ Die Versammlung scheint mit dieser Erklärung keinesweges beruhigt. ‒ Der Minister erklärt hierauf, daß diese Antwort durchaus nicht als eine Erledigung zu betrachten sei, sondern daß in der Adreßdebatte über die polnische Frage ohne Zweifel noch genügende Aufklärungen gegeben werden sollen. ‒ Der Abgeordnete Krackrügge bringt das Niederschießen zweier Bürger und noch sechs Verwundungen, die von Seiten des Militärs bei einem Auflaufe am 14. März stattgefunden, zur Sprache, und trägt auf Untersuchung an. Der Präsident will dem Antragsteller gestatten, seine Angelegenheit sogleich zur Debatte zu bringen. Die Versammlung lehnt sich dagegen auf. (Ungeheurer Lärm, Pochen, Schreien, Scharren.) Der Antrag wird in die Abtheilung verwiesen. Ein Antrag des Abgeordneten Schöne auf Herabsetzung der Reisediäten für die Abgeordneten auf die Hälfte, um ein Beispiel der Oekonomie zu geben, wird zurückgewiesen. Alles übrige war uninteressant und nicht den Schweiß werth, den uns die Hitze des Saales erpreßte. Zu bemerken ist nur noch, daß die Majorität der Versammlung dem Abgeordneten Jung nicht erlaubte, den Wunsch eines für die Märzhelden zu errichtenden Denkmals auszusprechen. Die vorgestrige Demonstration ist wirkungslos an ihr abgeprallt.
Erfurt, 4. Juni. Am 2. Juni Abends hatten wir hier eine Arbeiterversammlung, in der sich der Unwille gegen einen hiesigen Bürger äußerte, da derselbe über einen beim Volke beliebten Mann, welcher gebrechlich ist, fortwährend spöttelte. Nach dem Schlusse der Versammlung zogen die Arbeiter in Begleitung Tausender von Neugierigen vor die Wohnung des Bürgers und brachten demselben eine Katzenmusik. Am 3. Juni Abends versammelten sich die Arbeiter wieder und zogen dann in Masse vor die Wohnung des Grafen von Keller, brachten ihm eine Katzenmusik und fingen schon an, demselben die Fenster einzuwerfen, als noch zu rechter Zeit die Bürgerwache ankam, worauf sodann das Volk gegen diese seinen Zorn ausließ. Es entstand ein förmlicher Kampf, wobei zwei der achtbarsten Bürger getödtet und acht andere schwer verwundet wurden. Nun wurde Generalmarsch geschlagen, das Militär rückte heran, selbst Kanonen wurden aufgefahren, und so wurde für diesen Abend die Ruhe hergestellt; allein heute Abend befürchtet man noch Schlimmeres.
(D. A. Z.) Breslau, 4. Juni. Sie haben Gelegenheit gehabt, im Allgemeinen und auch in Berlin besonders die Wirksamkeit des Hrn. Wit v. Dörring zu beobachten. In der letzten Zeit strotzten die Straßenecken von Plakaten, deren Anfertiger er war, und die Zeitungen von Inseraten der gemeinsten Art. Er war es ferner, der in Oberschlesien Judenverfolgungen anzettelte und in der That den Aufwiegler im gemeinen Sinne des Wortes spielte. Vorgestern und gestern ist ihm vom Volke die öffentliche Meinung klar gemacht worden. Aus Natidor bereits auf den Antrag der Bürger entfernt, befand er sich hier in einem namhaften Hotel, und vor dieses zog vorgestern Abend eine Menschenmenge, die ihm eine Katzen-Symphonie darbrachte, in Folge deren der Gasthofbesitzer sich veranlaßt fand, sein Ehrenwort zu geben, daß erstens Hr. Wit nicht mehr da sei (er war durch die Hinterthür entwischt), und zweitens, daß er ihn nicht wieder aufnehmen würde. Hr. Wit aber suchte bei allen Behörden Schutz, der ihm auch in so weit gewährt wurde, daß er die Nacht in der Kürassier-Kaserne zubrachte. Gestern Morgen aber war er wieder sichtbar, und da erhob sich ein kleiner Sturm, der etwa 4 bis 500 Menschen zusammenbrachte, die ihn ohne weitere Umstände nach dem Bahnhof der oberschlesischen Eisenbahn brachten und zur Abreise mit dem nächsten Zuge zwangen. Daß diese Begleitung eben nicht sehr freundlich gestimmt war, darf ich Ihnen nicht sagen, und es gelang eben nur einzelnen Mitgliedern des demokratischen Klubs und des Arbeiter-Vereins, Hrn. Wit v. Dörring vor ernsteren Mißhandlungen zu schützen. ‒ Gestern Abend hatte wieder eine Katzenmusik statt, und da sah man wieder klar, wie die Volksbewaffnung schmählich gemißbraucht wird. Die Musik fand in der Nähe des Theaters statt, das eben zu Ende war. Die berittene Bürgerwehr kam heran und es wurden zunächst drei Damen übergeritten, dann hieben die Herren Kavaliere ohne zum Auseinandergehen aufzufordern, ja ohne Kommando, ein und zwar scharf mit geschliffnen Säbeln. Unter mehreren Verwundeten befand sich auch ein Mann von 62 Jahren, der eben mit seinem Kinde von der Promenade heimkehrte.
Königsberg, 2. Juni. Der hiesige Arbeiterverein hat gestern folgenden Protest an die Vereinbarungs-Versammlung nach Berlin gesandt:
„Hohe Nationalversammlung! Wir protestiren hiermit gegen den der hohen Nationalversammlung durch das königl. Staatsministerium vorgelegten Verfassungs-Entwurf, weil er die Revolution vom 18. März verleugnet und das Volk um die Früchte derselben zu bringen sucht; denn : 1. enthält er keine Erklärung der Menschenrechte, keine Garantie der Arbeit; 2. sind keinerlei Vorrechte, Monopole und noch bestehende mittelalterliche Lasten aufgehoben worden, sondern durch eine erbliche Pairie sind neue Privilegien erschaffen und die Aristokratie des Besitzes ist geheiligt; 3. die Trennung der Kirche vom Staat und die Trennung der Schule von der Kirche ist nirgends ausgesprochen; 4. das Zweikammersystem, an und für sich verwerflich, macht in der Art und Weise, wie es der Gesetzentwurf durchgeführt und beschränkt hat, jede Vertretung und Fortbildung der Volksrechte unmöglich; 5. dem Könige ist ein unbedingtes Veto eingeräumt; 6. der Gesetzentwurf enthält die Verklausulirung wesentlicher und unveräußerlicher Rechte, wie die Freiheit des Unterrichts und der Preßfreiheit, und die offenbare Beschränkung des Associationsrechts. Die Annahme eines solchen Verfassungs-Entwurfs würde das Vaterland in neue Revolutionen stürzen, oder die freie Entwicklung des Volks auf lange Zeit hin unmöglich machen. Deshalb erklären wir den Verfassungs-Entwurf für unhaltbar und fordern die konstituirende Versammlung auf, ihn in der jetzigen Fassung ganz und unbedingt zu verwerfen.“
Aus Schlesien, 2. Juni. Die öffentliche Stimmung verschlimmert sich fortwährend, indem sie die verschiedenen Stände immer mehr entzweit. Die schlesische Aristokratie sieht sich in ihrer Existenz bedroht, nicht sowohl in ihrem materiellen Besitz, als in dem ruhigen Fortgenuß eingebildeter Vorrechte, wornach sie besonders die gebildeten Bürgerlichen dergestalt von sich entfernt hielt, daß diese endlich gar nicht mehr mit der hohen Noblesse umgehen mochten, wenn auch ein oder das andere Mitglied derselben über solche Standesvorurtheile erhoben war. Diese Aristokraten fangen nunmehr an, den Liberalen ernstlich den Krieg zu bereiten. Diese aber sind ebenfalls in die verschiedenartigsten Heerlager gespalten. Die Mehrzahl ist gegen die frühern Mißbräuche; allein nicht gewöhnt sich in öffentliche Angelegenheiten zu mischen, ‒ weil dieß Sache der Büreaukratie war, an deren Spitze die Aristokratie stand ‒ bleibt sie theilnahmlos, schwankend
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Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-20T13:08:10Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
(2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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