Neue Rheinische Zeitung. Nr. 9. Köln, 9. Juni 1848. Beilage.Beilage zu Nr. 9 der Neuen Rhein. Zeitung. Freitag, 9. Juni 1848. Gestern gegen 12 Uhr Mittags erlebten wir auf dem Heumarkte einen Akt der Volksjustiz. Der Gerichtsvollzieher G. erschien daselbst um auf Anstehen des Hr. W. gegen seinen Schuldner G. S. einen gerichtlichen Verkauf von gepfändeten Gegenständen abzuhalten. Da das Haus, in dem die Gegenstände sich befanden, seit zwei Monaten nicht mehr von dem Schuldner und dessen Frau, die man als Hüterin bestellte, bewohnt ist, so hatte genannter Gerichtsvollzieher, ohne die Hüterin zur Herausgabe der Gegenstände aufgefordert zu haben, mit Hülfe eines Polizei-Kommissars die Hausthüre eröffnet und so die Gegenstände auf dem Platze vor der Börse zum Verkaufe ausgestellt. Herr Halin, Miether der Börse, verbot aber dem Gerichtsvollzieher den Verkauf auf dem von ihm gleichzeitig mit gemietheten Platze und mußte demnach der Letztere die Pfandstücke wegräumen lassen. Wie wir hören, hatte sich der Schuldner mit seinem Gläubiger über den Betrag der Forderung, bestehend: in einem baaren Darlehen von 22 Th. - Sgr.
dahin geeinigt, daß er die hierdurch ergangenen Kosten von 18 Thalern bezahlen und ihm für die Kapitalsumme hinreichende Sicherheit und die Unterschrift seiner Frau geben wolle, was auch von W. mündlich genehmigt wurde. Trotz dem hat W. dennoch den Verkauf vornehmen lassen. Unterdeß sammelten sich vor der Börse eine Menge Menschen, die Theil nahmen an dem Geschicke des Mannes und dessen Eigenthums. - Der Gerichtsvollzieher wurde nun in dem Verkaufe gestört, worauf er bewaffnete Macht von der Hauptwache requiriren wollte. Der wachhabende Offizier erklärte auf sein Verlangen, daß nicht ihn, sondern die Bürgerwehr die Sache angehe. Diese wurde nun requirirt und als der Gerichtsvollzieher mit ihr zurückkehrte, hatten Mitleid fühlende Menschen schon die zum Verkaufe bestimmten Gegenstände auf einer Karre dem Schuldner wieder zugeführt. Das persönliche Erscheinen des W. beim Verkaufe und des von ihm versuchten Ankaufes, scheint die Wuth der versammelten Menge gesteigert zu haben. Gesetzlich ist eine derartige Volksjustiz durchaus nicht erlaubt, indeß mag man in jetziger Zeit auch das Gefühl nicht außer Acht lassen. Möchten daher alle Gläubiger bedenken, daß es jetzt nicht an der Zeit ist, ohne Schonung mit ihren Schuldnern zu verfahren. Köln, 6. Juni 1848. Köln, 8. Juni. Vom hiesigen Turnverein ist heute nachfolgende Adresse an den Turnverein von Mainz gerichtet worden. "Lieben Brüder! Euer Auftreten bei den Ereignissen vom 21. Mai hat eine Menge hämischer Anfeindungen hervorgerufen, die Euch vor den Augen Deutschlands zu verdächtigen bemüht waren. Wir unterzeichnete Turner fühlen uns gedrungen, Euch frei und offen auszusprechen, daß es Eurer Rechtfertigung nicht bedurfte, um uns zu überzeugen, wie Ihr keinen Augenblick jene Gesinnungen verläugnen würdet, die den deutschen Turner beseelen und der Leitstern seiner Handlungen sein sollen. Kühn und muthig, wo es galt Eure Rechte zu sichern, seid Ihr berechtigt, auf die Zustimmung und Unterstützung aller Gleichgesinnten zu zählen und wir bieten Euch daher mit frohem Muthe die treue Bruderhand, die unsere Gesinnung durch die That zu besiegeln stets bereit ist. Gut Heil!" Köln, 7. Juni. Die Kölner Turner. (Folgen die Unterschriften:) Trier, den 6. Juni. In einer gestern im Helferschen Saale statt gefundenen Volks-Versammlung wurde folgende Adresse berathen und abgesendet: An das Volk von Wien! Bürger, Studenten, Arbeiter! Durch eine dritte glorreiche Revolution habt Ihr, wir hoffen für immer, die schmählichen Reaktionsgelüste Eures Adels und Eurer Polizeityrannen vollkommen beseitigt. Ihr habt die demokratische Grundlage Eures Staates jetzt aufs Bestimmteste errungen. Wir jubeln Euch aus weiter Ferne mit brüderlicher Gesinnung zu! Ihr habt durch die todesmuthige Eroberung Eurer eigenen Freiheit zugleich die Lösung der Frage angebahnt, wie sich das Schicksal der östreichischen Gesammtmonarchie entscheiden soll. So gut wie Ihr selbst Eure Freiheit im nationalen Sinn ausbilden wollt, ebenso werdet Ihr den anderen mit Euch verbundenen Nationalitäten ihr natürliches Recht angedeihen lassen. Dafür unsern wärmsten Dank, wir blicken jetzt ruhiger nach den deutschen Ostmarken hin. Bürger der Nationalgarde, Ihr habt Euch als Söhne des Volkes bewiesen! Studenten der Aula, Ihr habt gezeigt, daß die Wissenschaft frei macht! In dem Edelmuthe und der Würde, welche Ihr, Arbeiter von Wien, namentlich wieder bei der letzten Revolution entfaltet habt, erblicken wir, tiefgerührt eine Bürgschaft für die friedliche und baldige Lösung der socialen Fragen. - (Eingesandt.) Die zweite Nummer der Rheinischen Zeitung, welche mir so eben zugeht, deutet in einem "Eingesandt" an, daß die Reaktion in der Nationalversammlung vertreten sey, und bringt hiermit meine Person in der unverkennbaren Absicht in Verbindung, meine hiesige Stellung zu verdächtigen, indem behauptet wird, daß ich als ein bekannter Kandidat eines hohen Postens im Justizministerio offenbar nicht zur äußersten Linken gehöre, und daß ich in einem an einen meiner Freunde gerichteten Schreiben die in der Nationalversammlung waltende Reaktion als eine furchtbare bezeichnet habe. Hiervon ist nur wahr : daß ich nicht zur äußersten Linken gehöre; ich glaube aber auch, daß ich mit einem dieser Partei entsprechenden Glaubensbekenntnisse mich mit meinen Kommittenten in einen großen Widerspruch setzen würde. Ich bin noch nie der Kandidat für irgend ein Staatsamt gewesen; ich habe ein solches nie nachgesucht, und ist mir auch noch nie ein solches angeboten worden. Wer mich und meine Verhältnisse näher kennt, weiß auch, daß letzteren ein Aufgeben meiner bisherigen Stellung nicht zusagen würde. Daß die Reaktion in der Nationalversammlung eine "furchtbare" sei, habe ich nicht gemeldet, ich würde eine Unwahrheit berichtet haben. Wohl aber habe ich meinen Freunden geschrieben, daß die radikale Partei durch ihr Verhalten die Reaktion leicht befördern könne. Dies letztere würde ich ebenso sehr wie der Verfasser des oben gedachten Artikels beklagen. Berlin, den 6. Juni 1848. Esser, I. Advokat. Xanten. Auch von hier ging am 29. Mai ein mit mehreren hundert, Unterschriften bedeckter Protest, gegen den vom preußischen Ministerium vorgelegten Verfassungs-Entwurf, an die Nationalversammlung in Berlin ab. - Die kölnische Zeitung lehnte es ab, demselben einen Platz in ihren Spalten einzuräumen, mit dem Bemerken: dergleichen könne nur als Inserat aufgenommen werden. Obgleich wir nun schon längst mit dem größten Unwillen es zugesehen wie dieses Blatt, das Journal des Debats des preußischen Ministeriums, sowohl in seinen Leitartikeln, wie in der ganzen Haltung seiner Korrespondenz unter der heuchlerischen Maske von Freisinnigkeit dem Ministerium Camphausen, d. h., der Reaktion in die Hände arbeitete, so glaubten wir dennoch, es würde einer zur Kenntniß der politischen Stimmung der Provinz beitragenden Thatsache, die Aufnahme um so weniger versagen, als es bisheran bemüht war, sich das Ansehen des Organs der Rheinprovinz zu geben. Es ist der kölnischen Zeitung wirklich gelungen, ein durchaus verfälschtes Bild der politischen Stimmung der Rheinprovinz in die Welt zu senden, indem sie die demokratische Manifestation zurückwieß, und Loyalitäts-Adressen mit offenen Armen empfing; sie verfolgte dabei auch den andern Zweck: das politische Bewußtsein der liberalen Mehrheit der Provinz nieder zu halten, um dem verrätherischen Treiben der Reaktion Vorschub zu leisten. Sie wischte den alten königlich preußischen Raubvogel von ihrer Stirne hinweg, und färbte sich schwarz, roth, golden - natürlich als alle Gefahr vorüber. Sie ist die Garküche des Ministeriums Camphausen, sie muß die ministeriellen Pasteten, die für unsere demokratischen Gaumen von zu penetrantem haautgoautsind, erst mit einer scheinbar freimüthigen Kritik, in etwa zu präpariren. Zuweilen wenn die ministeriellen Pillen etwas zu bitter ausgefallen sind tadelt sie auch wohl die Unvorsichtigkeit der Pillendreher. Im Ganzen aber findet sie alles vortrefflich. Wir wünschen ihr Glück zu ihrem Kalfaktor-Geschäft! Mehre Unterzeichner des Xantner Protestes. (Folgen die Unterschriften.) - Das Frankfurter Journal bringt folgenden Aufruf: Die Deutschen, welche in Folge der politischen Ereignisse der neuesten Zeit gezwungen waren, ihr Vaterland zu verlassen und nach Frankreich zu flüchten, befinden sich meistens in großer Noth. Die Unterstützung, welche die französische Republik den Flüchtlingen gewährt, sobald sie Straßburg verlassen, genügt zwar für die äußerste Nothdurft; allein täglich kommen noch Politisch-Verfolgte aus allen Theilen Deutschlands hier in Straßburg an, die meistens von allen Mitteln entblößt sind, und deßhalb die Reise in's Innere von Frankreich nicht antreten können. Diese traurigen Umstände veranlaßten die hier anwesenden deutschen Flüchtlinge, in einer Donnerstag den 1. Juni abgehaltenen Generalversammlung eine Unterstützungskommission zu erwählen, welche aus den unterzeichneten Personen besteht. Wir bitten daher diejenigen deutschen Brüder, welche ein Herz für unsere Sache haben und zu helfen geneigt sind, ihre Unterstützungen an die unterzeichnete Kommission nach Straßburg in den "Gasthof zum Rebsteck" zu senden. Von Zeit zu Zeit werden wir öffentlich Rechenschaft darüber ablegen. Alle Redaktionen deutscher Blätter werden gebeten, diesen Aufruf unentgeltlich aufzunehmen. Straßburg, den 2. Juni 1848. Die Unterstützungskommission der deutschen Flüchtlinge in Straßburg. Corvin. Dr. med. Hammer. L. Weber. Bruch der königlichen Amnestie durch die königliche Bureaukratie. Man erinnert sich noch des famosen Prozesses, welcher gegen die Gräfin Hatzfeldt wegen angeblicher Kalumnien in einer angeblich von ihr verbreiteten Druckschrift angehoben wurde und nach zweimaliger Freisprechung durch die Instanzgerichte damit endigte, daß der Kassationshof die Gräfin für schuldig erklärte und zu einer zweimonatlichen Gefängnißstrafe verurtheilte. Dieses Kassationsurtheil ist vom 10. Januar d J., der 20. März ist darauf gefolgt, der König hat für alle durch die Presse verübten Vergehen Amnestie ertheilt, aber unser Prokuratur scheint davon keine Notiz zu nehmen. Wenigstens ist sie erhaben über die klaren unzweideutigen königlichen Worte; sie erlaubt sich dieselben nach Belieben zu interpretiren und ertheilt auf Reklamationen, die der Wortlaut des Edikts mit ihren Exekutionserlassen nicht vereinbaren können, abschlägigen Bescheid, ohne es auch nur irgend der Mühe werth zu halten, sich über die Beweggründe ihrer Entscheidung zu erklären. Die Gräfin Hatzfeldt hat nämlich auf die Aufforderung, die über sie verhängte Gefängnißstrafe anzutreten, an den hiesigen Oberprokurator eine Rekursschrift gerichtet, die im Wesentlichen also lautet: "In jenem Amnestieerlaß heißt es: ""verkündige ich hiermit Vergebung allen denen, die wegen politischer oder durch die Presse verübter Vergehen und Verbrechen angeklagt oder verurtheilt worden sind."" Es sind also - nicht Preßvergehen, sondern wie der Wortlaut des Ediktes besagt, ausnahmslos alle diejenigen Vergehen amnestirt, welche durch die Presse, durch das Mittel der Presse, durch das Mittel des Drucks ausgeführt worden. Die Handlung, welche die Basis des Kassationsurtheils vom 10. Januar bildet, bestand eben darin, daß durch gedruckte Schriften, durch das mechanische Mittel der Presse das Vergehen der Kalumnie immer verübt worden sein soll. Diese Handlung ist somit als ein "durch die Presse verübtes Vergehen" amnestirt. "Der Buchstabe des Gesetzes ist so klar, daß es überflüssig scheinen könnte, noch Weiteres hinzuzufügen. Selbst wenn man annehmen wollte, daß ein Mißverhältniß zwischen dem Wortlaut des Edikts und der Absicht des Erlassers stattfinde, daß der Gesetzgeber nicht alle "durch die Presse verübten Vergehen," sondern nur "Preßvergehen," d. h. solche durch die Presse verübte Vergehen, welche gegen Staat und Beamte gerichtet sind, habe amnestiren wollen, selbst wenn man dies als die Absicht des Gesetzgebers voraussetzen wollte und dürfte, so wäre dies dennoch gleichgültig und einflußlos. Denn gleichviel ob es Absicht des Gesetzgebers war oder nicht, alle durch die Presse verübten Vergehen und nicht blos die Preßvergehen par excelence zu amnestiren - genug, das Amnestieedikt vom 20. Mai hat sie amnestirt. Das Wort der Vergebung ist nun einmal ausgesprochen, der Buchstabe des Gesetzes spricht nun einmal mit haarscharfer Präcision alle Vergehen frei, welche durch die Presse verübt worden, und es wäre so unjuristisch wie unwürdig, durch die Zuflucht zu einem geheimen Sinne, zu apokryphischen Interpretationen die eben erlassene Wohlthat schmälern, beschränken, rückgängig machen, theilweise aufheben zu wollen. Von einer Amnestie gilt gewiß dreimal, was jenes altdeutsche Gedicht von Königsworte sagt: "Ein Königswort soll man nicht drehn noch deuteln." Gleichviel also, welches die Absicht war, das Wort des Königs amnestirt und dies Wort kann nicht mehr zurückgenommen werden, wenn anders jenes so vielverlangte Vertrauen zu einem Königswort noch bestehen soll. Ew. Hochwohlg. haben aber als Behörde mehr als ein Andrer die Pflicht, auf die Integrität eines königlichen Wortes zu halten. Es ist indeß sogar leicht nachzuweisen, daß auch die Absicht des Gesetzgebers die war, alle durch die Presse verübte Vergehen, gleichviel ob politischer oder privater Natur, zu amnestiren. Dies ergiebt sich aus folgenden Gründen: 1. Wäre zunächst nicht abzusehen, warum der Gesetzgeber, wenn er nur "Preßvergehen" par excellence amnestiren, diesen sowohl in dem allgemeinen als gesetzlichen Sprachgebrauch sehr gang und gäben Ausdruck vermeiden und durch vier Worte umschrieben haben sollte, um eine Zweideutigkeit hinnein zu bringen, die durch das eine so geläufige Wort "Preßvergehen" vermeiden worden wäre. Zur Gewißheit wird diese Betrachtung 2. durch einen Blick auf die neueste königliche Verordnung über politische und Preßvergehen vom 15. April c. In diesem 15. Parographen umfassenden Gesetz, welche das Verfahren bei politischen und durch die Presse verübten Vergehen politischer Natur regelt, bedient sich der Gesetzgeber stets des Ausdrucks "Preßvergehen." Er sagt kein einziges Mal: "durch die Presse verübte Vergehen." Diese Ausdrücke sind somit dem Gesetzgeber keineswegs identisch, wie das auch an und für sich unmöglich wäre. Wenn also der Gesetzgeber in einem Gesetze, wo es sich um politische durch die Presse verübte Vergehen handelt, immer sorgfältig den Ausdruck "Preßvergehen" gebraucht, in jenem Amnestie-Erlaß diesen Ausdruck aber sorgfältig vermeidet und dafür die vier Worte "durch die Presse verübte Vergehen" setzt, so ist klar - will man anders dem Gesetzgeber nicht eine große Ungeschicklichkeit und Inconsequenz in der Wahl seiner Ausdrücke zu trauen - daß in dem Amnestie - Erlaß der Ausdruck "Preßvergehen" absichtlich vermieden und absichtlich dafür gesagt ist: "die durch die Presse verübten Vergehen" um eben alle durch die Presse vollbrachten, nicht blos gegen Staat und Beamte dadurch begangene Vergehen zu amnestiren. 3. Zur ganz unwidersprechlichen Gewißheit aber wird dies durch folgende Betrachtung. Hätte das Amnestie-Dekret vom 20. März beabsichtigt, nur solche durch die Presse verübte Vergehen, welche politischer Natur sind, zu amnestiren, dann hätte es mindestens heißen müssen: "Vergebung allen denen, die wegen politischer und durch die Presse verübter Vergehen u. s. w. verurtheilt sind", nicht aber "wegen politischer oder durch die Presse verübter Vergehen." Und ist ein bindender Partikel, oder dagegen ein trennender. Hätte der Gesetzgeber sagen wollen, daß auch die durch die Presse verübten Vergehen politische sein müßten, so hätte er das Wort "politische" mit den folgenden Worten durch ein "und" verbunden und so den Begriff des Politischen in die folgenden Worte mithinüber geschleift. Er thut dies nicht. Im Gegentheil: sorgfältig trennt und schneidet er den Begriff "politische" durch die Trennungspartikel "oder" von den folgenden Worten "durch die Presse verübter Vergehen" ab. Dieser einzige Umstand setzt auf souveraine Weise die Absicht des Gesetzgebers bei seinem Amnestie-Erlaß außer Zweifel. In dem schon bezogenen Gesetze vom 15. April dagegen heißt es wiederum uberall wo die polischen neben den Preßbergehen erwähnt sind, "politische und Preßvergehen;" zum Ueberfluß hier sogar, weil das Wort "Preßvergehen" den Begriff des politischen schon hinreichend in sich trägt. Im Amnestieedikt dagegen ist nicht nur der ausschließliche Begriff des Politischen durch die sonnenklaren Worte "durch die Presse verübten Vergehen" sorgsam vermieden, sondern damit sich der ausschließliche Begriff des Politischen nicht aus der ersten Kategorie der amnestirten Vergehen in die zweite mithinüberzuziehen scheine, ist er durch das trennende Wörtchen "oder" auf das Sorgfältigste davon abgeschnitten. Der Gesetzgeber hat also nicht nur ohne jede Beschränkung alle durch die Presse verübten Vergehen schlechthin - gleichviel ob politische oder nicht - durch das Amnestie-Edikt vom 20. März wirklich amnestirt, sondern dies ist auch seine Absicht gewesen." Auf diese Eingabe erhielt die Gräfin von der Oberprokuratur die Antwort, "daß sie die Amnestie-Ordre auf das Vergehen, wegen dessen die Gräfin verurtheilt sei, nicht für anwendbar halte, daß sie ihr überlassen müsse, gegen diese Verfügung zu rekuriren." Warum hier die Anwendbarkeit ausgeschlossen sei, wird wie gesagt nicht angegeben; statt aller Gründe heißt es hier blos: "car tel est notre plaisir." Und doch wäre es um so mehr Pflicht der Beamten, für abschlägige Bescheide Gründe anzugeben, als auf dem Rekurswege nur dann ein günstiger Erfolg erzielt werden kann, wenn der abschlagende Beamte Gelegenheit giebt, die entgegenstehenden Gründe bei der höhern Instanz zu widerlegen. Offizieller Wechsel-Cours. [irrelevantes Material] Geld Course. [irrelevantes Material] Eisenbahnen. [irrelevantes Material] Handels- und Börsen-Nachrichten. [irrelevantes Material]
Beilage zu Nr. 9 der Neuen Rhein. Zeitung. Freitag, 9. Juni 1848. Gestern gegen 12 Uhr Mittags erlebten wir auf dem Heumarkte einen Akt der Volksjustiz. Der Gerichtsvollzieher G. erschien daselbst um auf Anstehen des Hr. W. gegen seinen Schuldner G. S. einen gerichtlichen Verkauf von gepfändeten Gegenständen abzuhalten. Da das Haus, in dem die Gegenstände sich befanden, seit zwei Monaten nicht mehr von dem Schuldner und dessen Frau, die man als Hüterin bestellte, bewohnt ist, so hatte genannter Gerichtsvollzieher, ohne die Hüterin zur Herausgabe der Gegenstände aufgefordert zu haben, mit Hülfe eines Polizei-Kommissars die Hausthüre eröffnet und so die Gegenstände auf dem Platze vor der Börse zum Verkaufe ausgestellt. Herr Halin, Miether der Börse, verbot aber dem Gerichtsvollzieher den Verkauf auf dem von ihm gleichzeitig mit gemietheten Platze und mußte demnach der Letztere die Pfandstücke wegräumen lassen. Wie wir hören, hatte sich der Schuldner mit seinem Gläubiger über den Betrag der Forderung, bestehend: in einem baaren Darlehen von 22 Th. ‒ Sgr.
dahin geeinigt, daß er die hierdurch ergangenen Kosten von 18 Thalern bezahlen und ihm für die Kapitalsumme hinreichende Sicherheit und die Unterschrift seiner Frau geben wolle, was auch von W. mündlich genehmigt wurde. Trotz dem hat W. dennoch den Verkauf vornehmen lassen. Unterdeß sammelten sich vor der Börse eine Menge Menschen, die Theil nahmen an dem Geschicke des Mannes und dessen Eigenthums. ‒ Der Gerichtsvollzieher wurde nun in dem Verkaufe gestört, worauf er bewaffnete Macht von der Hauptwache requiriren wollte. Der wachhabende Offizier erklärte auf sein Verlangen, daß nicht ihn, sondern die Bürgerwehr die Sache angehe. Diese wurde nun requirirt und als der Gerichtsvollzieher mit ihr zurückkehrte, hatten Mitleid fühlende Menschen schon die zum Verkaufe bestimmten Gegenstände auf einer Karre dem Schuldner wieder zugeführt. Das persönliche Erscheinen des W. beim Verkaufe und des von ihm versuchten Ankaufes, scheint die Wuth der versammelten Menge gesteigert zu haben. Gesetzlich ist eine derartige Volksjustiz durchaus nicht erlaubt, indeß mag man in jetziger Zeit auch das Gefühl nicht außer Acht lassen. Möchten daher alle Gläubiger bedenken, daß es jetzt nicht an der Zeit ist, ohne Schonung mit ihren Schuldnern zu verfahren. Köln, 6. Juni 1848. Köln, 8. Juni. Vom hiesigen Turnverein ist heute nachfolgende Adresse an den Turnverein von Mainz gerichtet worden. „Lieben Brüder! Euer Auftreten bei den Ereignissen vom 21. Mai hat eine Menge hämischer Anfeindungen hervorgerufen, die Euch vor den Augen Deutschlands zu verdächtigen bemüht waren. Wir unterzeichnete Turner fühlen uns gedrungen, Euch frei und offen auszusprechen, daß es Eurer Rechtfertigung nicht bedurfte, um uns zu überzeugen, wie Ihr keinen Augenblick jene Gesinnungen verläugnen würdet, die den deutschen Turner beseelen und der Leitstern seiner Handlungen sein sollen. Kühn und muthig, wo es galt Eure Rechte zu sichern, seid Ihr berechtigt, auf die Zustimmung und Unterstützung aller Gleichgesinnten zu zählen und wir bieten Euch daher mit frohem Muthe die treue Bruderhand, die unsere Gesinnung durch die That zu besiegeln stets bereit ist. Gut Heil!“ Köln, 7. Juni. Die Kölner Turner. (Folgen die Unterschriften:) Trier, den 6. Juni. In einer gestern im Helferschen Saale statt gefundenen Volks-Versammlung wurde folgende Adresse berathen und abgesendet: An das Volk von Wien! Bürger, Studenten, Arbeiter! Durch eine dritte glorreiche Revolution habt Ihr, wir hoffen für immer, die schmählichen Reaktionsgelüste Eures Adels und Eurer Polizeityrannen vollkommen beseitigt. Ihr habt die demokratische Grundlage Eures Staates jetzt aufs Bestimmteste errungen. Wir jubeln Euch aus weiter Ferne mit brüderlicher Gesinnung zu! Ihr habt durch die todesmuthige Eroberung Eurer eigenen Freiheit zugleich die Lösung der Frage angebahnt, wie sich das Schicksal der östreichischen Gesammtmonarchie entscheiden soll. So gut wie Ihr selbst Eure Freiheit im nationalen Sinn ausbilden wollt, ebenso werdet Ihr den anderen mit Euch verbundenen Nationalitäten ihr natürliches Recht angedeihen lassen. Dafür unsern wärmsten Dank, wir blicken jetzt ruhiger nach den deutschen Ostmarken hin. Bürger der Nationalgarde, Ihr habt Euch als Söhne des Volkes bewiesen! Studenten der Aula, Ihr habt gezeigt, daß die Wissenschaft frei macht! In dem Edelmuthe und der Würde, welche Ihr, Arbeiter von Wien, namentlich wieder bei der letzten Revolution entfaltet habt, erblicken wir, tiefgerührt eine Bürgschaft für die friedliche und baldige Lösung der socialen Fragen. ‒ (Eingesandt.) Die zweite Nummer der Rheinischen Zeitung, welche mir so eben zugeht, deutet in einem „Eingesandt“ an, daß die Reaktion in der Nationalversammlung vertreten sey, und bringt hiermit meine Person in der unverkennbaren Absicht in Verbindung, meine hiesige Stellung zu verdächtigen, indem behauptet wird, daß ich als ein bekannter Kandidat eines hohen Postens im Justizministerio offenbar nicht zur äußersten Linken gehöre, und daß ich in einem an einen meiner Freunde gerichteten Schreiben die in der Nationalversammlung waltende Reaktion als eine furchtbare bezeichnet habe. Hiervon ist nur wahr : daß ich nicht zur äußersten Linken gehöre; ich glaube aber auch, daß ich mit einem dieser Partei entsprechenden Glaubensbekenntnisse mich mit meinen Kommittenten in einen großen Widerspruch setzen würde. Ich bin noch nie der Kandidat für irgend ein Staatsamt gewesen; ich habe ein solches nie nachgesucht, und ist mir auch noch nie ein solches angeboten worden. Wer mich und meine Verhältnisse näher kennt, weiß auch, daß letzteren ein Aufgeben meiner bisherigen Stellung nicht zusagen würde. Daß die Reaktion in der Nationalversammlung eine „furchtbare“ sei, habe ich nicht gemeldet, ich würde eine Unwahrheit berichtet haben. Wohl aber habe ich meinen Freunden geschrieben, daß die radikale Partei durch ihr Verhalten die Reaktion leicht befördern könne. Dies letztere würde ich ebenso sehr wie der Verfasser des oben gedachten Artikels beklagen. Berlin, den 6. Juni 1848. Esser, I. Advokat. Xanten. Auch von hier ging am 29. Mai ein mit mehreren hundert, Unterschriften bedeckter Protest, gegen den vom preußischen Ministerium vorgelegten Verfassungs-Entwurf, an die Nationalversammlung in Berlin ab. ‒ Die kölnische Zeitung lehnte es ab, demselben einen Platz in ihren Spalten einzuräumen, mit dem Bemerken: dergleichen könne nur als Inserat aufgenommen werden. Obgleich wir nun schon längst mit dem größten Unwillen es zugesehen wie dieses Blatt, das Journal des Debats des preußischen Ministeriums, sowohl in seinen Leitartikeln, wie in der ganzen Haltung seiner Korrespondenz unter der heuchlerischen Maske von Freisinnigkeit dem Ministerium Camphausen, d. h., der Reaktion in die Hände arbeitete, so glaubten wir dennoch, es würde einer zur Kenntniß der politischen Stimmung der Provinz beitragenden Thatsache, die Aufnahme um so weniger versagen, als es bisheran bemüht war, sich das Ansehen des Organs der Rheinprovinz zu geben. Es ist der kölnischen Zeitung wirklich gelungen, ein durchaus verfälschtes Bild der politischen Stimmung der Rheinprovinz in die Welt zu senden, indem sie die demokratische Manifestation zurückwieß, und Loyalitäts-Adressen mit offenen Armen empfing; sie verfolgte dabei auch den andern Zweck: das politische Bewußtsein der liberalen Mehrheit der Provinz nieder zu halten, um dem verrätherischen Treiben der Reaktion Vorschub zu leisten. Sie wischte den alten königlich preußischen Raubvogel von ihrer Stirne hinweg, und färbte sich schwarz, roth, golden ‒ natürlich als alle Gefahr vorüber. Sie ist die Garküche des Ministeriums Camphausen, sie muß die ministeriellen Pasteten, die für unsere demokratischen Gaumen von zu penetrantem haûtgoûtsind, erst mit einer scheinbar freimüthigen Kritik, in etwa zu präpariren. Zuweilen wenn die ministeriellen Pillen etwas zu bitter ausgefallen sind tadelt sie auch wohl die Unvorsichtigkeit der Pillendreher. Im Ganzen aber findet sie alles vortrefflich. Wir wünschen ihr Glück zu ihrem Kalfaktor-Geschäft! Mehre Unterzeichner des Xantner Protestes. (Folgen die Unterschriften.) ‒ Das Frankfurter Journal bringt folgenden Aufruf: Die Deutschen, welche in Folge der politischen Ereignisse der neuesten Zeit gezwungen waren, ihr Vaterland zu verlassen und nach Frankreich zu flüchten, befinden sich meistens in großer Noth. Die Unterstützung, welche die französische Republik den Flüchtlingen gewährt, sobald sie Straßburg verlassen, genügt zwar für die äußerste Nothdurft; allein täglich kommen noch Politisch-Verfolgte aus allen Theilen Deutschlands hier in Straßburg an, die meistens von allen Mitteln entblößt sind, und deßhalb die Reise in's Innere von Frankreich nicht antreten können. Diese traurigen Umstände veranlaßten die hier anwesenden deutschen Flüchtlinge, in einer Donnerstag den 1. Juni abgehaltenen Generalversammlung eine Unterstützungskommission zu erwählen, welche aus den unterzeichneten Personen besteht. Wir bitten daher diejenigen deutschen Brüder, welche ein Herz für unsere Sache haben und zu helfen geneigt sind, ihre Unterstützungen an die unterzeichnete Kommission nach Straßburg in den „Gasthof zum Rebsteck“ zu senden. Von Zeit zu Zeit werden wir öffentlich Rechenschaft darüber ablegen. Alle Redaktionen deutscher Blätter werden gebeten, diesen Aufruf unentgeltlich aufzunehmen. Straßburg, den 2. Juni 1848. Die Unterstützungskommission der deutschen Flüchtlinge in Straßburg. Corvin. Dr. med. Hammer. L. Weber. Bruch der königlichen Amnestie durch die königliche Bureaukratie. Man erinnert sich noch des famosen Prozesses, welcher gegen die Gräfin Hatzfeldt wegen angeblicher Kalumnien in einer angeblich von ihr verbreiteten Druckschrift angehoben wurde und nach zweimaliger Freisprechung durch die Instanzgerichte damit endigte, daß der Kassationshof die Gräfin für schuldig erklärte und zu einer zweimonatlichen Gefängnißstrafe verurtheilte. Dieses Kassationsurtheil ist vom 10. Januar d J., der 20. März ist darauf gefolgt, der König hat für alle durch die Presse verübten Vergehen Amnestie ertheilt, aber unser Prokuratur scheint davon keine Notiz zu nehmen. Wenigstens ist sie erhaben über die klaren unzweideutigen königlichen Worte; sie erlaubt sich dieselben nach Belieben zu interpretiren und ertheilt auf Reklamationen, die der Wortlaut des Edikts mit ihren Exekutionserlassen nicht vereinbaren können, abschlägigen Bescheid, ohne es auch nur irgend der Mühe werth zu halten, sich über die Beweggründe ihrer Entscheidung zu erklären. Die Gräfin Hatzfeldt hat nämlich auf die Aufforderung, die über sie verhängte Gefängnißstrafe anzutreten, an den hiesigen Oberprokurator eine Rekursschrift gerichtet, die im Wesentlichen also lautet: „In jenem Amnestieerlaß heißt es: „„verkündige ich hiermit Vergebung allen denen, die wegen politischer oder durch die Presse verübter Vergehen und Verbrechen angeklagt oder verurtheilt worden sind.““ Es sind also ‒ nicht Preßvergehen, sondern wie der Wortlaut des Ediktes besagt, ausnahmslos alle diejenigen Vergehen amnestirt, welche durch die Presse, durch das Mittel der Presse, durch das Mittel des Drucks ausgeführt worden. Die Handlung, welche die Basis des Kassationsurtheils vom 10. Januar bildet, bestand eben darin, daß durch gedruckte Schriften, durch das mechanische Mittel der Presse das Vergehen der Kalumnie immer verübt worden sein soll. Diese Handlung ist somit als ein „durch die Presse verübtes Vergehen“ amnestirt. „Der Buchstabe des Gesetzes ist so klar, daß es überflüssig scheinen könnte, noch Weiteres hinzuzufügen. Selbst wenn man annehmen wollte, daß ein Mißverhältniß zwischen dem Wortlaut des Edikts und der Absicht des Erlassers stattfinde, daß der Gesetzgeber nicht alle „durch die Presse verübten Vergehen,“ sondern nur „Preßvergehen,“ d. h. solche durch die Presse verübte Vergehen, welche gegen Staat und Beamte gerichtet sind, habe amnestiren wollen, selbst wenn man dies als die Absicht des Gesetzgebers voraussetzen wollte und dürfte, so wäre dies dennoch gleichgültig und einflußlos. Denn gleichviel ob es Absicht des Gesetzgebers war oder nicht, alle durch die Presse verübten Vergehen und nicht blos die Preßvergehen par excelence zu amnestiren ‒ genug, das Amnestieedikt vom 20. Mai hat sie amnestirt. Das Wort der Vergebung ist nun einmal ausgesprochen, der Buchstabe des Gesetzes spricht nun einmal mit haarscharfer Präcision alle Vergehen frei, welche durch die Presse verübt worden, und es wäre so unjuristisch wie unwürdig, durch die Zuflucht zu einem geheimen Sinne, zu apokryphischen Interpretationen die eben erlassene Wohlthat schmälern, beschränken, rückgängig machen, theilweise aufheben zu wollen. Von einer Amnestie gilt gewiß dreimal, was jenes altdeutsche Gedicht von Königsworte sagt: „Ein Königswort soll man nicht drehn noch deuteln.“ Gleichviel also, welches die Absicht war, das Wort des Königs amnestirt und dies Wort kann nicht mehr zurückgenommen werden, wenn anders jenes so vielverlangte Vertrauen zu einem Königswort noch bestehen soll. Ew. Hochwohlg. haben aber als Behörde mehr als ein Andrer die Pflicht, auf die Integrität eines königlichen Wortes zu halten. Es ist indeß sogar leicht nachzuweisen, daß auch die Absicht des Gesetzgebers die war, alle durch die Presse verübte Vergehen, gleichviel ob politischer oder privater Natur, zu amnestiren. Dies ergiebt sich aus folgenden Gründen: 1. Wäre zunächst nicht abzusehen, warum der Gesetzgeber, wenn er nur „Preßvergehen“ par excellence amnestiren, diesen sowohl in dem allgemeinen als gesetzlichen Sprachgebrauch sehr gang und gäben Ausdruck vermeiden und durch vier Worte umschrieben haben sollte, um eine Zweideutigkeit hinnein zu bringen, die durch das eine so geläufige Wort „Preßvergehen“ vermeiden worden wäre. Zur Gewißheit wird diese Betrachtung 2. durch einen Blick auf die neueste königliche Verordnung über politische und Preßvergehen vom 15. April c. In diesem 15. Parographen umfassenden Gesetz, welche das Verfahren bei politischen und durch die Presse verübten Vergehen politischer Natur regelt, bedient sich der Gesetzgeber stets des Ausdrucks „Preßvergehen.“ Er sagt kein einziges Mal: „durch die Presse verübte Vergehen.“ Diese Ausdrücke sind somit dem Gesetzgeber keineswegs identisch, wie das auch an und für sich unmöglich wäre. Wenn also der Gesetzgeber in einem Gesetze, wo es sich um politische durch die Presse verübte Vergehen handelt, immer sorgfältig den Ausdruck „Preßvergehen“ gebraucht, in jenem Amnestie-Erlaß diesen Ausdruck aber sorgfältig vermeidet und dafür die vier Worte „durch die Presse verübte Vergehen“ setzt, so ist klar ‒ will man anders dem Gesetzgeber nicht eine große Ungeschicklichkeit und Inconsequenz in der Wahl seiner Ausdrücke zu trauen ‒ daß in dem Amnestie - Erlaß der Ausdruck „Preßvergehen“ absichtlich vermieden und absichtlich dafür gesagt ist: „die durch die Presse verübten Vergehen“ um eben alle durch die Presse vollbrachten, nicht blos gegen Staat und Beamte dadurch begangene Vergehen zu amnestiren. 3. Zur ganz unwidersprechlichen Gewißheit aber wird dies durch folgende Betrachtung. Hätte das Amnestie-Dekret vom 20. März beabsichtigt, nur solche durch die Presse verübte Vergehen, welche politischer Natur sind, zu amnestiren, dann hätte es mindestens heißen müssen: „Vergebung allen denen, die wegen politischer und durch die Presse verübter Vergehen u. s. w. verurtheilt sind“, nicht aber „wegen politischer oder durch die Presse verübter Vergehen.“ Und ist ein bindender Partikel, oder dagegen ein trennender. Hätte der Gesetzgeber sagen wollen, daß auch die durch die Presse verübten Vergehen politische sein müßten, so hätte er das Wort „politische“ mit den folgenden Worten durch ein „und“ verbunden und so den Begriff des Politischen in die folgenden Worte mithinüber geschleift. Er thut dies nicht. Im Gegentheil: sorgfältig trennt und schneidet er den Begriff „politische“ durch die Trennungspartikel „oder“ von den folgenden Worten „durch die Presse verübter Vergehen“ ab. Dieser einzige Umstand setzt auf souveraine Weise die Absicht des Gesetzgebers bei seinem Amnestie-Erlaß außer Zweifel. In dem schon bezogenen Gesetze vom 15. April dagegen heißt es wiederum uberall wo die polischen neben den Preßbergehen erwähnt sind, „politische und Preßvergehen;“ zum Ueberfluß hier sogar, weil das Wort „Preßvergehen“ den Begriff des politischen schon hinreichend in sich trägt. Im Amnestieedikt dagegen ist nicht nur der ausschließliche Begriff des Politischen durch die sonnenklaren Worte „durch die Presse verübten Vergehen“ sorgsam vermieden, sondern damit sich der ausschließliche Begriff des Politischen nicht aus der ersten Kategorie der amnestirten Vergehen in die zweite mithinüberzuziehen scheine, ist er durch das trennende Wörtchen „oder“ auf das Sorgfältigste davon abgeschnitten. Der Gesetzgeber hat also nicht nur ohne jede Beschränkung alle durch die Presse verübten Vergehen schlechthin ‒ gleichviel ob politische oder nicht ‒ durch das Amnestie-Edikt vom 20. März wirklich amnestirt, sondern dies ist auch seine Absicht gewesen.“ Auf diese Eingabe erhielt die Gräfin von der Oberprokuratur die Antwort, „daß sie die Amnestie-Ordre auf das Vergehen, wegen dessen die Gräfin verurtheilt sei, nicht für anwendbar halte, daß sie ihr überlassen müsse, gegen diese Verfügung zu rekuriren.“ Warum hier die Anwendbarkeit ausgeschlossen sei, wird wie gesagt nicht angegeben; statt aller Gründe heißt es hier blos: „car tel est notre plaisir.“ Und doch wäre es um so mehr Pflicht der Beamten, für abschlägige Bescheide Gründe anzugeben, als auf dem Rekurswege nur dann ein günstiger Erfolg erzielt werden kann, wenn der abschlagende Beamte Gelegenheit giebt, die entgegenstehenden Gründe bei der höhern Instanz zu widerlegen. Offizieller Wechsel-Cours. [irrelevantes Material] Geld Course. [irrelevantes Material] Eisenbahnen. [irrelevantes Material] Handels- und Börsen-Nachrichten. [irrelevantes Material]
<TEI> <text> <pb facs="#f0001" n="0039"/> <front> <titlePage type="heading"> <titlePart type="main">Beilage zu Nr. 9 der Neuen Rhein. Zeitung.</titlePart> <docImprint> <docDate>Freitag, 9. Juni 1848.</docDate> </docImprint> </titlePage> </front> <body> <div type="jReadersLetters" n="1"> <div xml:id="ar009b_001" type="jArticle"> <p>Gestern gegen 12 Uhr Mittags erlebten wir auf dem Heumarkte einen Akt der Volksjustiz.</p> <p>Der Gerichtsvollzieher G. erschien daselbst um auf Anstehen des Hr. W. gegen seinen Schuldner G. S. einen gerichtlichen Verkauf von gepfändeten Gegenständen abzuhalten.</p> <p>Da das Haus, in dem die Gegenstände sich befanden, seit zwei Monaten nicht mehr von dem Schuldner und dessen Frau, die man als Hüterin bestellte, bewohnt ist, so hatte genannter Gerichtsvollzieher, ohne die Hüterin zur Herausgabe der Gegenstände aufgefordert zu haben, mit Hülfe eines Polizei-Kommissars die Hausthüre eröffnet und so die Gegenstände auf dem Platze vor der Börse zum Verkaufe ausgestellt.</p> <p>Herr Halin, Miether der Börse, verbot aber dem Gerichtsvollzieher den Verkauf auf dem von ihm gleichzeitig mit gemietheten Platze und mußte demnach der Letztere die Pfandstücke wegräumen lassen.</p> <p>Wie wir hören, hatte sich der Schuldner mit seinem Gläubiger über den Betrag der Forderung, bestehend: in einem baaren Darlehen von 22 Th. ‒ Sgr.</p> <table> <row> <cell rows="1" cols="1"> einem Fäßchen Butter 11 Th. 13 Sgr.<lb/> und für Ueberlassung auf 1 Monat (Honorar) 6 Th. 17 Sgr.<lb/> zusammen: 40 Thaler </cell> </row> </table> <p>dahin geeinigt, daß er die hierdurch ergangenen Kosten von 18 Thalern bezahlen und ihm für die Kapitalsumme hinreichende Sicherheit und die Unterschrift seiner Frau geben wolle, was auch von W. mündlich genehmigt wurde. Trotz dem hat W. dennoch den Verkauf vornehmen lassen.</p> <p>Unterdeß sammelten sich vor der Börse eine Menge Menschen, die Theil nahmen an dem Geschicke des Mannes und dessen Eigenthums. ‒</p> <p>Der Gerichtsvollzieher wurde nun in dem Verkaufe gestört, worauf er bewaffnete Macht von der Hauptwache requiriren wollte. Der wachhabende Offizier erklärte auf sein Verlangen, daß nicht ihn, sondern die Bürgerwehr die Sache angehe. Diese wurde nun requirirt und als der Gerichtsvollzieher mit ihr zurückkehrte, hatten Mitleid fühlende Menschen schon die zum Verkaufe bestimmten Gegenstände auf einer Karre dem Schuldner wieder zugeführt.</p> <p>Das persönliche Erscheinen des W. beim Verkaufe und des von ihm versuchten Ankaufes, scheint die Wuth der versammelten Menge gesteigert zu haben.</p> <p>Gesetzlich ist eine derartige Volksjustiz durchaus nicht erlaubt, indeß mag man in jetziger Zeit auch das Gefühl nicht außer Acht lassen.</p> <p>Möchten daher alle Gläubiger bedenken, daß es jetzt nicht an der Zeit ist, ohne Schonung mit ihren Schuldnern zu verfahren.</p> <p><hi rendition="#g">Köln,</hi> 6. Juni 1848.</p> </div> <div xml:id="ar009b_002" type="jArticle"> <head><hi rendition="#g">Köln,</hi> 8. Juni.</head> <p>Vom hiesigen Turnverein ist heute nachfolgende Adresse an den Turnverein von Mainz gerichtet worden.</p> <p>„Lieben Brüder! Euer Auftreten bei den Ereignissen vom 21. Mai hat eine Menge hämischer Anfeindungen hervorgerufen, die Euch vor den Augen Deutschlands zu verdächtigen bemüht waren. Wir unterzeichnete Turner fühlen uns gedrungen, Euch frei und offen auszusprechen, daß es Eurer Rechtfertigung nicht bedurfte, um uns zu überzeugen, wie Ihr keinen Augenblick jene Gesinnungen verläugnen würdet, die den deutschen Turner beseelen und der Leitstern seiner Handlungen sein sollen. Kühn und muthig, wo es galt Eure Rechte zu sichern, seid Ihr berechtigt, auf die Zustimmung und Unterstützung aller Gleichgesinnten zu zählen und wir bieten Euch daher mit frohem Muthe die treue Bruderhand, die unsere Gesinnung durch die That zu besiegeln stets bereit ist. Gut Heil!“</p> <p><hi rendition="#g">Köln,</hi> 7. Juni.</p> <p> <hi rendition="#g">Die Kölner Turner.</hi> </p> <p>(Folgen die Unterschriften:)</p> </div> <div xml:id="ar009b_003" type="jArticle"> <head><hi rendition="#g">Trier,</hi> den 6. Juni.</head> <p>In einer gestern im Helferschen Saale statt gefundenen Volks-Versammlung wurde folgende Adresse berathen und abgesendet:</p> <p> <hi rendition="#g">An das Volk von Wien!</hi> </p> <p> <hi rendition="#g">Bürger, Studenten, Arbeiter!</hi> </p> <p>Durch eine dritte glorreiche Revolution habt Ihr, wir hoffen für immer, die schmählichen Reaktionsgelüste Eures Adels und Eurer Polizeityrannen vollkommen beseitigt. Ihr habt die demokratische Grundlage Eures Staates jetzt aufs Bestimmteste errungen. Wir jubeln Euch aus weiter Ferne mit brüderlicher Gesinnung zu! Ihr habt durch die todesmuthige Eroberung Eurer eigenen Freiheit zugleich die Lösung der Frage angebahnt, wie sich das Schicksal der östreichischen Gesammtmonarchie entscheiden soll. So gut wie Ihr selbst Eure Freiheit im nationalen Sinn ausbilden wollt, ebenso werdet Ihr den anderen mit Euch verbundenen Nationalitäten ihr natürliches Recht angedeihen lassen. Dafür unsern wärmsten Dank, wir blicken jetzt ruhiger nach den deutschen Ostmarken hin.</p> <p>Bürger der Nationalgarde, Ihr habt Euch als Söhne des Volkes bewiesen! Studenten der Aula, Ihr habt gezeigt, daß die Wissenschaft frei macht! In dem Edelmuthe und der Würde, welche Ihr, Arbeiter von Wien, namentlich wieder bei der letzten Revolution entfaltet habt, erblicken wir, tiefgerührt eine Bürgschaft für die friedliche und baldige Lösung der socialen Fragen. ‒</p> </div> </div> <div type="jReadersLetters" n="1"> <div xml:id="ar009b_004" type="jArticle"> <p> <hi rendition="#g">(Eingesandt.)</hi> </p> <p>Die zweite Nummer der Rheinischen Zeitung, welche mir so eben zugeht, deutet in einem „Eingesandt“ an, daß die Reaktion in der Nationalversammlung vertreten sey, und bringt hiermit meine Person in der unverkennbaren Absicht in Verbindung, meine hiesige Stellung zu verdächtigen, indem behauptet wird, daß ich als ein <hi rendition="#g">bekannter</hi> Kandidat eines <hi rendition="#g">hohen</hi> Postens im Justizministerio offenbar nicht zur äußersten Linken gehöre, und daß ich in einem an einen meiner Freunde gerichteten Schreiben die in der Nationalversammlung waltende Reaktion als eine <hi rendition="#g">furchtbare</hi> bezeichnet habe. Hiervon ist nur wahr : daß ich nicht zur äußersten Linken gehöre; ich glaube aber auch, daß ich mit einem <hi rendition="#g">dieser</hi> Partei entsprechenden Glaubensbekenntnisse mich mit meinen Kommittenten in einen großen Widerspruch setzen würde.</p> <p>Ich bin noch nie der Kandidat für irgend ein Staatsamt gewesen; ich habe ein solches <hi rendition="#g">nie</hi> nachgesucht, und ist mir auch noch nie ein solches angeboten worden. Wer mich und meine Verhältnisse näher kennt, weiß auch, daß letzteren ein Aufgeben meiner bisherigen Stellung nicht zusagen würde. Daß die Reaktion in der Nationalversammlung eine „furchtbare“ sei, habe ich nicht gemeldet, ich würde eine Unwahrheit berichtet haben. Wohl aber habe ich meinen Freunden geschrieben, daß die radikale Partei durch ihr Verhalten die Reaktion leicht befördern könne. Dies letztere würde ich ebenso sehr wie der Verfasser des oben gedachten Artikels beklagen.</p> <p>Berlin, den 6. Juni 1848.</p> <p><hi rendition="#g">Esser,</hi> I. Advokat.</p> </div> <div xml:id="ar009b_005" type="jArticle"> <head> <hi rendition="#g">Xanten.</hi> </head> <p>Auch von hier ging am 29. Mai ein mit mehreren hundert, Unterschriften bedeckter Protest, gegen den vom preußischen Ministerium vorgelegten Verfassungs-Entwurf, an die Nationalversammlung in Berlin ab. ‒ Die kölnische Zeitung lehnte es ab, demselben einen Platz in ihren Spalten einzuräumen, mit dem Bemerken: dergleichen könne nur als Inserat aufgenommen werden.</p> <p>Obgleich wir nun schon längst mit dem größten Unwillen es zugesehen wie dieses Blatt, das Journal des Debats des preußischen Ministeriums, sowohl in seinen Leitartikeln, wie in der ganzen Haltung seiner Korrespondenz unter der heuchlerischen Maske von Freisinnigkeit dem Ministerium Camphausen, d. h., der Reaktion in die Hände arbeitete, so glaubten wir dennoch, es würde einer zur Kenntniß der politischen Stimmung der Provinz beitragenden Thatsache, die Aufnahme um so weniger versagen, als es bisheran bemüht war, sich das Ansehen des Organs der Rheinprovinz zu geben. Es ist der kölnischen Zeitung wirklich gelungen, ein durchaus verfälschtes Bild der politischen Stimmung der Rheinprovinz in die Welt zu senden, indem sie die demokratische Manifestation zurückwieß, und Loyalitäts-Adressen mit offenen Armen empfing; sie verfolgte dabei auch den andern Zweck: das politische Bewußtsein der liberalen Mehrheit der Provinz nieder zu halten, um dem verrätherischen Treiben der Reaktion Vorschub zu leisten. Sie wischte den alten königlich preußischen Raubvogel von ihrer Stirne hinweg, und färbte sich schwarz, roth, golden ‒ natürlich als alle Gefahr vorüber. Sie ist die Garküche des Ministeriums Camphausen, sie muß die ministeriellen Pasteten, die für unsere demokratischen Gaumen von zu penetrantem haûtgoûtsind, erst mit einer scheinbar freimüthigen Kritik, in etwa zu präpariren. Zuweilen wenn die ministeriellen Pillen etwas zu bitter ausgefallen sind tadelt sie auch wohl die Unvorsichtigkeit der Pillendreher. Im Ganzen aber findet sie alles vortrefflich.</p> <p>Wir wünschen ihr Glück zu ihrem Kalfaktor-Geschäft!</p> <p>Mehre Unterzeichner des Xantner Protestes.</p> <p>(Folgen die Unterschriften.)</p> </div> <div xml:id="ar009b_006" type="jArticle"> <p>‒ Das Frankfurter Journal bringt folgenden Aufruf:</p> <p>Die Deutschen, welche in Folge der politischen Ereignisse der neuesten Zeit gezwungen waren, ihr Vaterland zu verlassen und nach Frankreich zu flüchten, befinden sich meistens in großer Noth. Die Unterstützung, welche die französische Republik den Flüchtlingen gewährt, sobald sie Straßburg verlassen, genügt zwar für die äußerste Nothdurft; allein täglich kommen noch Politisch-Verfolgte aus allen Theilen Deutschlands hier in Straßburg an, die meistens von allen Mitteln entblößt sind, und deßhalb die Reise in's Innere von Frankreich nicht antreten können. Diese traurigen Umstände veranlaßten die hier anwesenden deutschen Flüchtlinge, in einer Donnerstag den 1. Juni abgehaltenen Generalversammlung eine Unterstützungskommission zu erwählen, welche aus den unterzeichneten Personen besteht. Wir bitten daher diejenigen deutschen Brüder, welche ein Herz für unsere Sache haben und zu helfen geneigt sind, ihre Unterstützungen an die unterzeichnete Kommission nach Straßburg in den „Gasthof zum Rebsteck“ zu senden. Von Zeit zu Zeit werden wir öffentlich Rechenschaft darüber ablegen. Alle Redaktionen deutscher Blätter werden gebeten, diesen Aufruf unentgeltlich aufzunehmen.</p> <p>Straßburg, den 2. Juni 1848.</p> <p>Die Unterstützungskommission der deutschen Flüchtlinge in</p> <p>Straßburg.</p> <p><hi rendition="#g">Corvin.</hi> Dr. med. <hi rendition="#g">Hammer.</hi> L. <hi rendition="#g">Weber.</hi> </p> </div> <div xml:id="ar009b_007" type="jArticle"> <head>Bruch der königlichen Amnestie durch die königliche Bureaukratie.</head> <p>Man erinnert sich noch des famosen Prozesses, welcher gegen die Gräfin Hatzfeldt wegen angeblicher Kalumnien in einer angeblich von ihr verbreiteten Druckschrift angehoben wurde und nach zweimaliger Freisprechung durch die Instanzgerichte damit endigte, daß der Kassationshof die Gräfin für schuldig erklärte und zu einer zweimonatlichen Gefängnißstrafe verurtheilte. Dieses Kassationsurtheil ist vom 10. Januar d J., der 20. März ist darauf gefolgt, der König hat für <hi rendition="#g">alle durch die Presse</hi> verübten Vergehen Amnestie ertheilt, aber unser Prokuratur scheint davon keine Notiz zu nehmen. Wenigstens ist sie erhaben über die klaren unzweideutigen königlichen Worte; sie erlaubt sich dieselben nach Belieben zu interpretiren und ertheilt auf Reklamationen, die der Wortlaut des Edikts mit ihren Exekutionserlassen nicht vereinbaren können, abschlägigen Bescheid, ohne es auch nur irgend der Mühe werth zu halten, sich über die Beweggründe ihrer Entscheidung zu erklären.</p> <p>Die Gräfin Hatzfeldt hat nämlich auf die Aufforderung, die über sie verhängte Gefängnißstrafe anzutreten, an den hiesigen Oberprokurator eine Rekursschrift gerichtet, die im Wesentlichen also lautet:</p> <p>„In jenem Amnestieerlaß heißt es: „„verkündige ich hiermit Vergebung allen denen, die wegen politischer <hi rendition="#g">oder durch die Presse verübter Vergehen</hi> und Verbrechen angeklagt oder verurtheilt worden sind.““ Es sind also ‒ nicht Preßvergehen, sondern wie der Wortlaut des Ediktes besagt, ausnahmslos alle diejenigen Vergehen amnestirt, welche <hi rendition="#g">durch die Presse,</hi> durch das Mittel der Presse, durch das Mittel des Drucks ausgeführt worden. Die Handlung, welche die Basis des Kassationsurtheils vom 10. Januar bildet, bestand eben darin, daß durch gedruckte Schriften, durch das mechanische Mittel der Presse das Vergehen der Kalumnie immer verübt worden sein soll. Diese Handlung ist somit als ein „durch die Presse verübtes Vergehen“ amnestirt.</p> <p>„Der Buchstabe des Gesetzes ist so klar, daß es überflüssig scheinen könnte, noch Weiteres hinzuzufügen. Selbst wenn man annehmen wollte, daß ein Mißverhältniß zwischen dem Wortlaut des Edikts und der Absicht des Erlassers stattfinde, daß der Gesetzgeber nicht alle „durch die Presse verübten Vergehen,“ sondern nur „Preßvergehen,“ d. h. solche durch die Presse verübte Vergehen, welche gegen Staat und Beamte gerichtet sind, habe amnestiren wollen, selbst wenn man dies als die <hi rendition="#g">Absicht</hi> des Gesetzgebers voraussetzen wollte und dürfte, so wäre dies dennoch gleichgültig und einflußlos.</p> <p>Denn gleichviel ob es Absicht des Gesetzgebers war oder nicht, alle durch die Presse verübten Vergehen und nicht blos die Preßvergehen par excelence zu amnestiren ‒ genug, das Amnestieedikt vom 20. Mai hat sie amnestirt. Das Wort der Vergebung ist nun einmal ausgesprochen, der Buchstabe des Gesetzes spricht nun einmal mit haarscharfer Präcision alle Vergehen frei, welche durch die Presse verübt worden, und es wäre so unjuristisch wie unwürdig, durch die Zuflucht zu einem geheimen Sinne, zu apokryphischen Interpretationen die eben erlassene Wohlthat schmälern, beschränken, rückgängig machen, theilweise aufheben zu wollen. Von einer <hi rendition="#g">Amnestie</hi> gilt gewiß dreimal, was jenes altdeutsche Gedicht von Königsworte sagt: „Ein Königswort soll man nicht drehn noch deuteln.“ Gleichviel also, welches die <hi rendition="#g">Absicht</hi> war, das Wort des Königs amnestirt und dies Wort kann nicht mehr zurückgenommen werden, wenn anders jenes so vielverlangte Vertrauen zu einem Königswort noch bestehen soll. Ew. Hochwohlg. haben aber als Behörde mehr als ein Andrer die Pflicht, auf die Integrität eines königlichen Wortes zu halten.</p> <p>Es ist indeß sogar leicht nachzuweisen, daß auch die <hi rendition="#g">Absicht</hi> des Gesetzgebers die war, alle durch die Presse verübte Vergehen, gleichviel ob politischer oder privater Natur, zu amnestiren. Dies ergiebt sich aus folgenden Gründen:</p> <p>1. Wäre zunächst nicht abzusehen, warum der Gesetzgeber, wenn er nur „Preßvergehen“ par excellence amnestiren, diesen sowohl in dem allgemeinen als gesetzlichen Sprachgebrauch sehr gang und gäben Ausdruck vermeiden und durch <hi rendition="#g">vier</hi> Worte umschrieben haben sollte, um eine Zweideutigkeit hinnein zu bringen, die durch das eine so geläufige Wort „Preßvergehen“ vermeiden worden wäre. Zur Gewißheit wird diese Betrachtung</p> <p>2. durch einen Blick auf die neueste königliche Verordnung über politische und Preßvergehen vom 15. April c. In diesem 15. Parographen umfassenden Gesetz, welche das Verfahren bei politischen und durch die Presse verübten Vergehen politischer Natur regelt, bedient sich der Gesetzgeber <hi rendition="#g">stets</hi> des Ausdrucks „Preßvergehen.“ Er sagt kein einziges Mal: „durch die Presse verübte Vergehen.“ Diese Ausdrücke sind somit dem Gesetzgeber keineswegs identisch, wie das auch an und für sich unmöglich wäre. Wenn also der Gesetzgeber in einem Gesetze, wo es sich um politische durch die Presse verübte Vergehen handelt, immer sorgfältig den Ausdruck „Preßvergehen“ gebraucht, in jenem Amnestie-Erlaß diesen Ausdruck aber sorgfältig vermeidet und dafür die vier Worte „durch die Presse verübte Vergehen“ setzt, so ist klar ‒ will man anders dem Gesetzgeber nicht eine große Ungeschicklichkeit und Inconsequenz in der Wahl seiner Ausdrücke zu trauen ‒ daß in dem Amnestie - Erlaß der Ausdruck „Preßvergehen“ <hi rendition="#g">absichtlich</hi> vermieden und <hi rendition="#g">absichtlich</hi> dafür gesagt ist: „die durch die Presse verübten Vergehen“ um eben <hi rendition="#g">alle</hi> durch die Presse vollbrachten, nicht blos gegen Staat und Beamte dadurch begangene Vergehen zu amnestiren.</p> <p>3. Zur ganz unwidersprechlichen Gewißheit aber wird dies durch folgende Betrachtung. Hätte das Amnestie-Dekret vom 20. März beabsichtigt, nur solche durch die Presse verübte Vergehen, welche politischer Natur sind, zu amnestiren, dann hätte es mindestens heißen müssen: „Vergebung allen denen, die wegen politischer <hi rendition="#g">und</hi> durch die Presse verübter Vergehen u. s. w. verurtheilt sind“, nicht aber „wegen politischer <hi rendition="#g">oder</hi> durch die Presse verübter Vergehen.“ <hi rendition="#g">Und</hi> ist ein bindender Partikel, <hi rendition="#g">oder</hi> dagegen ein trennender. Hätte der Gesetzgeber sagen wollen, daß auch die durch die Presse verübten Vergehen politische sein müßten, so hätte er das Wort „politische“ mit den folgenden Worten durch ein „und“ verbunden und so den Begriff des Politischen in die folgenden Worte mithinüber geschleift. Er thut dies nicht. Im Gegentheil: sorgfältig trennt und schneidet er den Begriff „politische“ durch die Trennungspartikel „oder“ von den folgenden Worten „durch die Presse verübter Vergehen“ ab. Dieser einzige Umstand setzt auf souveraine Weise die Absicht des Gesetzgebers bei seinem Amnestie-Erlaß außer Zweifel. In dem schon bezogenen Gesetze vom 15. April dagegen heißt es wiederum uberall wo die polischen neben den Preßbergehen erwähnt sind, „politische <hi rendition="#g">und</hi> Preßvergehen;“ zum Ueberfluß hier sogar, weil das Wort „Preßvergehen“ den Begriff des politischen schon hinreichend in sich trägt. Im Amnestieedikt dagegen ist nicht nur der ausschließliche Begriff des Politischen durch die sonnenklaren Worte „durch die Presse verübten Vergehen“ sorgsam vermieden, sondern damit sich der ausschließliche Begriff des Politischen nicht aus der ersten Kategorie der amnestirten Vergehen in die zweite mithinüberzuziehen scheine, ist er durch das trennende Wörtchen „oder“ auf das Sorgfältigste davon abgeschnitten.</p> <p>Der Gesetzgeber hat also nicht nur ohne jede Beschränkung alle durch die Presse verübten Vergehen schlechthin ‒ gleichviel ob politische oder nicht ‒ durch das Amnestie-Edikt vom 20. März <hi rendition="#g">wirklich</hi> amnestirt, sondern dies ist auch seine Absicht gewesen.“</p> <p>Auf diese Eingabe erhielt die Gräfin von der Oberprokuratur die Antwort, „daß sie die Amnestie-Ordre auf das Vergehen, wegen dessen die Gräfin verurtheilt sei, nicht für anwendbar halte, daß sie ihr überlassen müsse, gegen diese Verfügung zu rekuriren.“ Warum hier die Anwendbarkeit ausgeschlossen sei, wird wie gesagt nicht angegeben; statt aller Gründe heißt es hier blos: „car tel est notre plaisir.“ Und doch wäre es um so mehr Pflicht der Beamten, für abschlägige Bescheide Gründe anzugeben, als auf dem Rekurswege nur dann ein günstiger Erfolg erzielt werden kann, wenn der abschlagende Beamte Gelegenheit giebt, die entgegenstehenden Gründe bei der höhern Instanz zu widerlegen.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Offizieller Wechsel-Cours.</head> <gap reason="insignificant"/> </div> <div n="1"> <head>Geld Course.</head> <gap reason="insignificant"/> </div> <div n="1"> <head>Eisenbahnen.</head> <gap reason="insignificant"/> </div> <div n="1"> <head>Handels- und Börsen-Nachrichten.</head> <gap reason="insignificant"/> </div> </body> </text> </TEI> [0039/0001]
Beilage zu Nr. 9 der Neuen Rhein. Zeitung. Freitag, 9. Juni 1848. Gestern gegen 12 Uhr Mittags erlebten wir auf dem Heumarkte einen Akt der Volksjustiz.
Der Gerichtsvollzieher G. erschien daselbst um auf Anstehen des Hr. W. gegen seinen Schuldner G. S. einen gerichtlichen Verkauf von gepfändeten Gegenständen abzuhalten.
Da das Haus, in dem die Gegenstände sich befanden, seit zwei Monaten nicht mehr von dem Schuldner und dessen Frau, die man als Hüterin bestellte, bewohnt ist, so hatte genannter Gerichtsvollzieher, ohne die Hüterin zur Herausgabe der Gegenstände aufgefordert zu haben, mit Hülfe eines Polizei-Kommissars die Hausthüre eröffnet und so die Gegenstände auf dem Platze vor der Börse zum Verkaufe ausgestellt.
Herr Halin, Miether der Börse, verbot aber dem Gerichtsvollzieher den Verkauf auf dem von ihm gleichzeitig mit gemietheten Platze und mußte demnach der Letztere die Pfandstücke wegräumen lassen.
Wie wir hören, hatte sich der Schuldner mit seinem Gläubiger über den Betrag der Forderung, bestehend: in einem baaren Darlehen von 22 Th. ‒ Sgr.
einem Fäßchen Butter 11 Th. 13 Sgr.
und für Ueberlassung auf 1 Monat (Honorar) 6 Th. 17 Sgr.
zusammen: 40 Thaler
dahin geeinigt, daß er die hierdurch ergangenen Kosten von 18 Thalern bezahlen und ihm für die Kapitalsumme hinreichende Sicherheit und die Unterschrift seiner Frau geben wolle, was auch von W. mündlich genehmigt wurde. Trotz dem hat W. dennoch den Verkauf vornehmen lassen.
Unterdeß sammelten sich vor der Börse eine Menge Menschen, die Theil nahmen an dem Geschicke des Mannes und dessen Eigenthums. ‒
Der Gerichtsvollzieher wurde nun in dem Verkaufe gestört, worauf er bewaffnete Macht von der Hauptwache requiriren wollte. Der wachhabende Offizier erklärte auf sein Verlangen, daß nicht ihn, sondern die Bürgerwehr die Sache angehe. Diese wurde nun requirirt und als der Gerichtsvollzieher mit ihr zurückkehrte, hatten Mitleid fühlende Menschen schon die zum Verkaufe bestimmten Gegenstände auf einer Karre dem Schuldner wieder zugeführt.
Das persönliche Erscheinen des W. beim Verkaufe und des von ihm versuchten Ankaufes, scheint die Wuth der versammelten Menge gesteigert zu haben.
Gesetzlich ist eine derartige Volksjustiz durchaus nicht erlaubt, indeß mag man in jetziger Zeit auch das Gefühl nicht außer Acht lassen.
Möchten daher alle Gläubiger bedenken, daß es jetzt nicht an der Zeit ist, ohne Schonung mit ihren Schuldnern zu verfahren.
Köln, 6. Juni 1848.
Köln, 8. Juni. Vom hiesigen Turnverein ist heute nachfolgende Adresse an den Turnverein von Mainz gerichtet worden.
„Lieben Brüder! Euer Auftreten bei den Ereignissen vom 21. Mai hat eine Menge hämischer Anfeindungen hervorgerufen, die Euch vor den Augen Deutschlands zu verdächtigen bemüht waren. Wir unterzeichnete Turner fühlen uns gedrungen, Euch frei und offen auszusprechen, daß es Eurer Rechtfertigung nicht bedurfte, um uns zu überzeugen, wie Ihr keinen Augenblick jene Gesinnungen verläugnen würdet, die den deutschen Turner beseelen und der Leitstern seiner Handlungen sein sollen. Kühn und muthig, wo es galt Eure Rechte zu sichern, seid Ihr berechtigt, auf die Zustimmung und Unterstützung aller Gleichgesinnten zu zählen und wir bieten Euch daher mit frohem Muthe die treue Bruderhand, die unsere Gesinnung durch die That zu besiegeln stets bereit ist. Gut Heil!“
Köln, 7. Juni.
Die Kölner Turner.
(Folgen die Unterschriften:)
Trier, den 6. Juni. In einer gestern im Helferschen Saale statt gefundenen Volks-Versammlung wurde folgende Adresse berathen und abgesendet:
An das Volk von Wien!
Bürger, Studenten, Arbeiter!
Durch eine dritte glorreiche Revolution habt Ihr, wir hoffen für immer, die schmählichen Reaktionsgelüste Eures Adels und Eurer Polizeityrannen vollkommen beseitigt. Ihr habt die demokratische Grundlage Eures Staates jetzt aufs Bestimmteste errungen. Wir jubeln Euch aus weiter Ferne mit brüderlicher Gesinnung zu! Ihr habt durch die todesmuthige Eroberung Eurer eigenen Freiheit zugleich die Lösung der Frage angebahnt, wie sich das Schicksal der östreichischen Gesammtmonarchie entscheiden soll. So gut wie Ihr selbst Eure Freiheit im nationalen Sinn ausbilden wollt, ebenso werdet Ihr den anderen mit Euch verbundenen Nationalitäten ihr natürliches Recht angedeihen lassen. Dafür unsern wärmsten Dank, wir blicken jetzt ruhiger nach den deutschen Ostmarken hin.
Bürger der Nationalgarde, Ihr habt Euch als Söhne des Volkes bewiesen! Studenten der Aula, Ihr habt gezeigt, daß die Wissenschaft frei macht! In dem Edelmuthe und der Würde, welche Ihr, Arbeiter von Wien, namentlich wieder bei der letzten Revolution entfaltet habt, erblicken wir, tiefgerührt eine Bürgschaft für die friedliche und baldige Lösung der socialen Fragen. ‒
(Eingesandt.)
Die zweite Nummer der Rheinischen Zeitung, welche mir so eben zugeht, deutet in einem „Eingesandt“ an, daß die Reaktion in der Nationalversammlung vertreten sey, und bringt hiermit meine Person in der unverkennbaren Absicht in Verbindung, meine hiesige Stellung zu verdächtigen, indem behauptet wird, daß ich als ein bekannter Kandidat eines hohen Postens im Justizministerio offenbar nicht zur äußersten Linken gehöre, und daß ich in einem an einen meiner Freunde gerichteten Schreiben die in der Nationalversammlung waltende Reaktion als eine furchtbare bezeichnet habe. Hiervon ist nur wahr : daß ich nicht zur äußersten Linken gehöre; ich glaube aber auch, daß ich mit einem dieser Partei entsprechenden Glaubensbekenntnisse mich mit meinen Kommittenten in einen großen Widerspruch setzen würde.
Ich bin noch nie der Kandidat für irgend ein Staatsamt gewesen; ich habe ein solches nie nachgesucht, und ist mir auch noch nie ein solches angeboten worden. Wer mich und meine Verhältnisse näher kennt, weiß auch, daß letzteren ein Aufgeben meiner bisherigen Stellung nicht zusagen würde. Daß die Reaktion in der Nationalversammlung eine „furchtbare“ sei, habe ich nicht gemeldet, ich würde eine Unwahrheit berichtet haben. Wohl aber habe ich meinen Freunden geschrieben, daß die radikale Partei durch ihr Verhalten die Reaktion leicht befördern könne. Dies letztere würde ich ebenso sehr wie der Verfasser des oben gedachten Artikels beklagen.
Berlin, den 6. Juni 1848.
Esser, I. Advokat.
Xanten. Auch von hier ging am 29. Mai ein mit mehreren hundert, Unterschriften bedeckter Protest, gegen den vom preußischen Ministerium vorgelegten Verfassungs-Entwurf, an die Nationalversammlung in Berlin ab. ‒ Die kölnische Zeitung lehnte es ab, demselben einen Platz in ihren Spalten einzuräumen, mit dem Bemerken: dergleichen könne nur als Inserat aufgenommen werden.
Obgleich wir nun schon längst mit dem größten Unwillen es zugesehen wie dieses Blatt, das Journal des Debats des preußischen Ministeriums, sowohl in seinen Leitartikeln, wie in der ganzen Haltung seiner Korrespondenz unter der heuchlerischen Maske von Freisinnigkeit dem Ministerium Camphausen, d. h., der Reaktion in die Hände arbeitete, so glaubten wir dennoch, es würde einer zur Kenntniß der politischen Stimmung der Provinz beitragenden Thatsache, die Aufnahme um so weniger versagen, als es bisheran bemüht war, sich das Ansehen des Organs der Rheinprovinz zu geben. Es ist der kölnischen Zeitung wirklich gelungen, ein durchaus verfälschtes Bild der politischen Stimmung der Rheinprovinz in die Welt zu senden, indem sie die demokratische Manifestation zurückwieß, und Loyalitäts-Adressen mit offenen Armen empfing; sie verfolgte dabei auch den andern Zweck: das politische Bewußtsein der liberalen Mehrheit der Provinz nieder zu halten, um dem verrätherischen Treiben der Reaktion Vorschub zu leisten. Sie wischte den alten königlich preußischen Raubvogel von ihrer Stirne hinweg, und färbte sich schwarz, roth, golden ‒ natürlich als alle Gefahr vorüber. Sie ist die Garküche des Ministeriums Camphausen, sie muß die ministeriellen Pasteten, die für unsere demokratischen Gaumen von zu penetrantem haûtgoûtsind, erst mit einer scheinbar freimüthigen Kritik, in etwa zu präpariren. Zuweilen wenn die ministeriellen Pillen etwas zu bitter ausgefallen sind tadelt sie auch wohl die Unvorsichtigkeit der Pillendreher. Im Ganzen aber findet sie alles vortrefflich.
Wir wünschen ihr Glück zu ihrem Kalfaktor-Geschäft!
Mehre Unterzeichner des Xantner Protestes.
(Folgen die Unterschriften.)
‒ Das Frankfurter Journal bringt folgenden Aufruf:
Die Deutschen, welche in Folge der politischen Ereignisse der neuesten Zeit gezwungen waren, ihr Vaterland zu verlassen und nach Frankreich zu flüchten, befinden sich meistens in großer Noth. Die Unterstützung, welche die französische Republik den Flüchtlingen gewährt, sobald sie Straßburg verlassen, genügt zwar für die äußerste Nothdurft; allein täglich kommen noch Politisch-Verfolgte aus allen Theilen Deutschlands hier in Straßburg an, die meistens von allen Mitteln entblößt sind, und deßhalb die Reise in's Innere von Frankreich nicht antreten können. Diese traurigen Umstände veranlaßten die hier anwesenden deutschen Flüchtlinge, in einer Donnerstag den 1. Juni abgehaltenen Generalversammlung eine Unterstützungskommission zu erwählen, welche aus den unterzeichneten Personen besteht. Wir bitten daher diejenigen deutschen Brüder, welche ein Herz für unsere Sache haben und zu helfen geneigt sind, ihre Unterstützungen an die unterzeichnete Kommission nach Straßburg in den „Gasthof zum Rebsteck“ zu senden. Von Zeit zu Zeit werden wir öffentlich Rechenschaft darüber ablegen. Alle Redaktionen deutscher Blätter werden gebeten, diesen Aufruf unentgeltlich aufzunehmen.
Straßburg, den 2. Juni 1848.
Die Unterstützungskommission der deutschen Flüchtlinge in
Straßburg.
Corvin. Dr. med. Hammer. L. Weber.
Bruch der königlichen Amnestie durch die königliche Bureaukratie. Man erinnert sich noch des famosen Prozesses, welcher gegen die Gräfin Hatzfeldt wegen angeblicher Kalumnien in einer angeblich von ihr verbreiteten Druckschrift angehoben wurde und nach zweimaliger Freisprechung durch die Instanzgerichte damit endigte, daß der Kassationshof die Gräfin für schuldig erklärte und zu einer zweimonatlichen Gefängnißstrafe verurtheilte. Dieses Kassationsurtheil ist vom 10. Januar d J., der 20. März ist darauf gefolgt, der König hat für alle durch die Presse verübten Vergehen Amnestie ertheilt, aber unser Prokuratur scheint davon keine Notiz zu nehmen. Wenigstens ist sie erhaben über die klaren unzweideutigen königlichen Worte; sie erlaubt sich dieselben nach Belieben zu interpretiren und ertheilt auf Reklamationen, die der Wortlaut des Edikts mit ihren Exekutionserlassen nicht vereinbaren können, abschlägigen Bescheid, ohne es auch nur irgend der Mühe werth zu halten, sich über die Beweggründe ihrer Entscheidung zu erklären.
Die Gräfin Hatzfeldt hat nämlich auf die Aufforderung, die über sie verhängte Gefängnißstrafe anzutreten, an den hiesigen Oberprokurator eine Rekursschrift gerichtet, die im Wesentlichen also lautet:
„In jenem Amnestieerlaß heißt es: „„verkündige ich hiermit Vergebung allen denen, die wegen politischer oder durch die Presse verübter Vergehen und Verbrechen angeklagt oder verurtheilt worden sind.““ Es sind also ‒ nicht Preßvergehen, sondern wie der Wortlaut des Ediktes besagt, ausnahmslos alle diejenigen Vergehen amnestirt, welche durch die Presse, durch das Mittel der Presse, durch das Mittel des Drucks ausgeführt worden. Die Handlung, welche die Basis des Kassationsurtheils vom 10. Januar bildet, bestand eben darin, daß durch gedruckte Schriften, durch das mechanische Mittel der Presse das Vergehen der Kalumnie immer verübt worden sein soll. Diese Handlung ist somit als ein „durch die Presse verübtes Vergehen“ amnestirt.
„Der Buchstabe des Gesetzes ist so klar, daß es überflüssig scheinen könnte, noch Weiteres hinzuzufügen. Selbst wenn man annehmen wollte, daß ein Mißverhältniß zwischen dem Wortlaut des Edikts und der Absicht des Erlassers stattfinde, daß der Gesetzgeber nicht alle „durch die Presse verübten Vergehen,“ sondern nur „Preßvergehen,“ d. h. solche durch die Presse verübte Vergehen, welche gegen Staat und Beamte gerichtet sind, habe amnestiren wollen, selbst wenn man dies als die Absicht des Gesetzgebers voraussetzen wollte und dürfte, so wäre dies dennoch gleichgültig und einflußlos.
Denn gleichviel ob es Absicht des Gesetzgebers war oder nicht, alle durch die Presse verübten Vergehen und nicht blos die Preßvergehen par excelence zu amnestiren ‒ genug, das Amnestieedikt vom 20. Mai hat sie amnestirt. Das Wort der Vergebung ist nun einmal ausgesprochen, der Buchstabe des Gesetzes spricht nun einmal mit haarscharfer Präcision alle Vergehen frei, welche durch die Presse verübt worden, und es wäre so unjuristisch wie unwürdig, durch die Zuflucht zu einem geheimen Sinne, zu apokryphischen Interpretationen die eben erlassene Wohlthat schmälern, beschränken, rückgängig machen, theilweise aufheben zu wollen. Von einer Amnestie gilt gewiß dreimal, was jenes altdeutsche Gedicht von Königsworte sagt: „Ein Königswort soll man nicht drehn noch deuteln.“ Gleichviel also, welches die Absicht war, das Wort des Königs amnestirt und dies Wort kann nicht mehr zurückgenommen werden, wenn anders jenes so vielverlangte Vertrauen zu einem Königswort noch bestehen soll. Ew. Hochwohlg. haben aber als Behörde mehr als ein Andrer die Pflicht, auf die Integrität eines königlichen Wortes zu halten.
Es ist indeß sogar leicht nachzuweisen, daß auch die Absicht des Gesetzgebers die war, alle durch die Presse verübte Vergehen, gleichviel ob politischer oder privater Natur, zu amnestiren. Dies ergiebt sich aus folgenden Gründen:
1. Wäre zunächst nicht abzusehen, warum der Gesetzgeber, wenn er nur „Preßvergehen“ par excellence amnestiren, diesen sowohl in dem allgemeinen als gesetzlichen Sprachgebrauch sehr gang und gäben Ausdruck vermeiden und durch vier Worte umschrieben haben sollte, um eine Zweideutigkeit hinnein zu bringen, die durch das eine so geläufige Wort „Preßvergehen“ vermeiden worden wäre. Zur Gewißheit wird diese Betrachtung
2. durch einen Blick auf die neueste königliche Verordnung über politische und Preßvergehen vom 15. April c. In diesem 15. Parographen umfassenden Gesetz, welche das Verfahren bei politischen und durch die Presse verübten Vergehen politischer Natur regelt, bedient sich der Gesetzgeber stets des Ausdrucks „Preßvergehen.“ Er sagt kein einziges Mal: „durch die Presse verübte Vergehen.“ Diese Ausdrücke sind somit dem Gesetzgeber keineswegs identisch, wie das auch an und für sich unmöglich wäre. Wenn also der Gesetzgeber in einem Gesetze, wo es sich um politische durch die Presse verübte Vergehen handelt, immer sorgfältig den Ausdruck „Preßvergehen“ gebraucht, in jenem Amnestie-Erlaß diesen Ausdruck aber sorgfältig vermeidet und dafür die vier Worte „durch die Presse verübte Vergehen“ setzt, so ist klar ‒ will man anders dem Gesetzgeber nicht eine große Ungeschicklichkeit und Inconsequenz in der Wahl seiner Ausdrücke zu trauen ‒ daß in dem Amnestie - Erlaß der Ausdruck „Preßvergehen“ absichtlich vermieden und absichtlich dafür gesagt ist: „die durch die Presse verübten Vergehen“ um eben alle durch die Presse vollbrachten, nicht blos gegen Staat und Beamte dadurch begangene Vergehen zu amnestiren.
3. Zur ganz unwidersprechlichen Gewißheit aber wird dies durch folgende Betrachtung. Hätte das Amnestie-Dekret vom 20. März beabsichtigt, nur solche durch die Presse verübte Vergehen, welche politischer Natur sind, zu amnestiren, dann hätte es mindestens heißen müssen: „Vergebung allen denen, die wegen politischer und durch die Presse verübter Vergehen u. s. w. verurtheilt sind“, nicht aber „wegen politischer oder durch die Presse verübter Vergehen.“ Und ist ein bindender Partikel, oder dagegen ein trennender. Hätte der Gesetzgeber sagen wollen, daß auch die durch die Presse verübten Vergehen politische sein müßten, so hätte er das Wort „politische“ mit den folgenden Worten durch ein „und“ verbunden und so den Begriff des Politischen in die folgenden Worte mithinüber geschleift. Er thut dies nicht. Im Gegentheil: sorgfältig trennt und schneidet er den Begriff „politische“ durch die Trennungspartikel „oder“ von den folgenden Worten „durch die Presse verübter Vergehen“ ab. Dieser einzige Umstand setzt auf souveraine Weise die Absicht des Gesetzgebers bei seinem Amnestie-Erlaß außer Zweifel. In dem schon bezogenen Gesetze vom 15. April dagegen heißt es wiederum uberall wo die polischen neben den Preßbergehen erwähnt sind, „politische und Preßvergehen;“ zum Ueberfluß hier sogar, weil das Wort „Preßvergehen“ den Begriff des politischen schon hinreichend in sich trägt. Im Amnestieedikt dagegen ist nicht nur der ausschließliche Begriff des Politischen durch die sonnenklaren Worte „durch die Presse verübten Vergehen“ sorgsam vermieden, sondern damit sich der ausschließliche Begriff des Politischen nicht aus der ersten Kategorie der amnestirten Vergehen in die zweite mithinüberzuziehen scheine, ist er durch das trennende Wörtchen „oder“ auf das Sorgfältigste davon abgeschnitten.
Der Gesetzgeber hat also nicht nur ohne jede Beschränkung alle durch die Presse verübten Vergehen schlechthin ‒ gleichviel ob politische oder nicht ‒ durch das Amnestie-Edikt vom 20. März wirklich amnestirt, sondern dies ist auch seine Absicht gewesen.“
Auf diese Eingabe erhielt die Gräfin von der Oberprokuratur die Antwort, „daß sie die Amnestie-Ordre auf das Vergehen, wegen dessen die Gräfin verurtheilt sei, nicht für anwendbar halte, daß sie ihr überlassen müsse, gegen diese Verfügung zu rekuriren.“ Warum hier die Anwendbarkeit ausgeschlossen sei, wird wie gesagt nicht angegeben; statt aller Gründe heißt es hier blos: „car tel est notre plaisir.“ Und doch wäre es um so mehr Pflicht der Beamten, für abschlägige Bescheide Gründe anzugeben, als auf dem Rekurswege nur dann ein günstiger Erfolg erzielt werden kann, wenn der abschlagende Beamte Gelegenheit giebt, die entgegenstehenden Gründe bei der höhern Instanz zu widerlegen.
Offizieller Wechsel-Cours. _ Geld Course. _ Eisenbahnen. _ Handels- und Börsen-Nachrichten. _
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-20T13:08:10Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
(2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |