Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Neue Rheinische Zeitung. Nr. 11. Köln, 11. Juni 1848.

Bild:
<< vorherige Seite
15 Frankfurt, 7. Juni.

Die heutige Sitzung begann mit einer schönen Versöhnungsscene, wie sie nur bei der hier betriebenen Gemüthspolitik zu Stande kommen konnte. Es sind zwar einige Charaktere, die rechts und links zu scharf ausgeprägt sind, als daß sie, wenn ihre Worte auch noch so mild wären, bis in die Herzensregion ihrer Gegner vordringen könnten; aber Jacob Benedey gehört nicht zu diesen Ecksteinen des Anstoßes, und obwohl er sich brav zur Linken hält, verzog doch das ehrenwerthe Gros der Rechten keine Miene zum Lachen, als er das blonde Lockenhaupt zu ihr hinwiegte und von dem "tiefen Schmerze" sprach, mit dem sein Gemüth die Tribüne betrete. Er reklamirte nämlich gegen das Protokoll, in welchem stand, daß er wegen ausgestoßener Drohungen zur Ordnung gerufen sei. Benedey sollte gedroht haben? Unmöglich! Es war zwar ein bedenklicher Anlaß; aber Venedey hatte wirklich nicht gedroht; mein Himmel, wie konnte man ihn so mißverstehn! er hatte nur eine Erinnerung an die Geschichte der französischen Revolution der Rechten an's Herz legen wollen. Der Rechten? o nein, wir Alle sind Sünder oder könnten es werden. Lassen Sie uns weder rechts noch links die Redner niedertrommeln, Sie sehen aus der französischen Revolution, wohin das geführt hat; "und wir werden hoffentlich etwas anderes zu Stande bringen als die Franzosen!"

Das verfehlte freilich seine Wirkung nicht. Die Rechte ärgerte sich über die erneute Mahnung, aber sie freute sich, daß wieder einmal von der deutschen Tribüne gegen die Franzosen und gegen die Revolution gesprochen war. Sie applaudirte demnach so lebhaft, daß Gagern den Ordnungsruf zurücknahm.

*Frankfurt, 8. Juni.

Mancherlei Anträge waren schon früher und später über die Sicherstellung der Nationalversammlung gegen etwelche Attentate eingereicht, heute kam darüber der Bericht zur Verlesung und Herr Wippermann, dem dies Amt oblag, fügte hinzu : Allerdings sei Gefahr vorhanden und Dringlichkeit heischender denn je. Er wisse es, denn in seinem eigenen Vaterlande sei der Aufruf ergangen, alle demokratischen Vereine sollten nach Frankfurt kommen zu Pfingsten, und ihre Parole sei für das Parlament, wenn es demokratisch, sonst gegen das Parlament. Desgleichen fordre der Aufruf zur Sensenbewaffnung auf und wer wisse, wie viele Sensen bereits gen Frankfurt zögen? Der Tag sei ausgeschrieben: dringende Noth erheische, sich an den Senat in Frankfurt zu wenden und von den umliegenden Regierungen die nöthigen Bajonnette zu begehren.

Zwar spottete allgemeines Gelächter des Ehren-Wippermann, allein Wohlderselbe fühlte bereits die Sense, dies barbarische Instrument, in seinem Fleische wühlen, und mit ihm Schüler aus Jena. Schüler meinte nämlich, die Linke zu gewinnen, wenn er zwar keine Bitte um Waffenaufgebot an den Frankfurter Senat wolle, wohl aber eine Aufforderung an die Demokraten, sich der Herzensangst des Parlaments zu erbarmen und doch ja nicht nach Frankfurt zu kommen; denn es liege im Interesse der Linken, keinen falschen Schein auf sich zu laden. Dieser beschwichtigende Vorschlag verfehlte seinen Zweck. Der ehemalige Mitarbeiter des politischen Wochenblattes, Radowitz, erhebt sich: Man möge sich ja nicht über die Gefahr täuschen, sie sei in der That größer als man glaube. Man könne nicht läugnen, daß die Nationalversammlung eine große Partei, und zwar eben die demokratische, bereits über die Hoffnungen, welche man vom Parlament gehegt, enttäuscht habe. Auch ein nöthiges Losungswort sei bereits gefunden, es heiße : Nieder mit der Reaktion. Ehemals habe man als Stichwort Demagoge gebraucht, aber jetzt hieße es Reaktionär, und unter dieser Bezeichnung verstehe man Alle, die den Wünschen und Forderungen des Volks aus höhern Rücksichten nicht willfahren wollen. Er fürchte nicht für die Personen der Nationalversammlung, sondern für die Folgen eines Angriffs. Diese wären unfehlbar : Provisorische Regierung, Proklamirung der Republik, Bürgerkrieg, Krieg mit Außen. Drum sei es heilige Pflicht der Volksvertreter, einen Sicherheitsausschuß von 3 Personen zu wählen, die sich erkundigten, wie stark die Streitkräfte Frankfurts, und danach Truppen von außen reklamirten.

Sie sehen also, daß man es bereits bedauert, nicht in Potsdam zu tagen. Ja, ein Wiener, Meyer, denkt schon als Militär auf den Rückzug, und beantragt zuerst das englische Gesetz, daß im Umkreis von drei Meilen keinerlei größere Versammlungen statt finden sollen, und daß im Fall einer Zersprengung die Nationalversammlung sich in Regensburg unter baierischer Obhut oder in Wien, wo man bis dahin die alte gute Ordnung der Dinge wieder hergestellt zu sehen hofft, auf's neue vereinigen möge.

Wie Radowitz andeutete: die Vertreter des Volks können sich nicht länger verhehlen, daß ihr gefährlichster Antagonist eben das Volk ist. Simon aus Trier sagte ihnen dies ziemlich deutlich: Wie es denn so auf einmal komme, daß die Nationalversammlung Polizei spielen wolle. Man habe doch früher bei der Mainzer Angelegenheit und bei der Ausweisung deutscher Ausländer so sehr damit gepocht, daß man keine Polizei sein dürfe; woher diese Inkonsequenz? Wenn man sich in der That gestehen müsse, daß man bereits mit der Volkspartei so sehr im Widerspruch stehe, um deren Zorn zu fürchten, nun, dann sei auch wohl nicht viel an der Nationalversammlung verloren. Die Waffen fürchte man, warum denn nur die der Demokraten, die doch nur höchstens zu dreihundert hierherzögen, warum nicht die Bayonnette, die man zu vielen tausenden berufe?

Ein donnender Beifall begleitete (trotz der aufgestellten Klaque und der Censurmaßregeln des Hrn. Biedermann, bis auf ein Drittel der Gallerie nur Billete auf Empfehlung von Deputirten den Eintritt zu gewähren, wobei die Empfehlungen der linken Seite selten berücksichtigt werden) - den Redner und die Worte des nach ihm folgenden Wesendonck. Die Linke forderte wiederholt den Uebergang zur Tagesordnung, allein der Präsident suchte diesen Antrag zu unterdrücken und nur eine Ueberweisung der Anträge an eine Kommission (d. h. eine abermalige, die es besser verstände, die Sache plausibel zu machen) zur Abstimmung zu bringen. Als ihm dies nicht gelang und wirklich der Uebergang zur Tagesordnung beschlossen wurde, bemühte er sich, wenigstens aus den Anträgen eine Habeas-Corpus-Akte für die Abgeordneten nebst etlichen andern Anträgen zu stellen, Trotz des Rufs: zur Tagesordnung! konnte er sich nicht überwinden, wenigstens eine Vertagung derselben zu erbitten, in deren Folge Soiron den Vorschlag machte, die ganze Angelegenheit an die Prioritäts-Kommission zurückzuweisen. Dies wurde mit dem Wesendonckschen Zusatze, "insoweit die Anträge nicht durch den Uebergang zur Tagesordnung erledigt sind," genehmigt, und so behalten die muthigen Bayonnettliebhaber wenigstens den Trost, sich demnächst eine Habeas-Corpus-Akte dekretiren zu können.

Nun die Blumsche Angelegenheit.

Zuvörderst sucht Eisenmann zu ermitteln, jede Partei könne blamirt werden, darum sei besser, keine werde blamirt. Aber davon will Blum nichts wissen, obgleich ihm unbekannt sey, was Auerswald eigentlich mit seiner Anklage bezwecke, da er keinen Antrag gestellt habe. In der Erklärung des preußischen Ministers, welche Auerswald erzielt habe, heiße es:

1) Die preußische Regierung habe in Beziehung auf das Verfassungswerk niemals einen Rath (an die fraglichen Regierungen), geschweige einen solchen Rath gegeben, wie hier in Rede sey. (Er fragt, ob hierin ein Widerspruch gegen die von ihm gegebene Mittheilung liege?)

2) Wenn nun in Frankfurt behauptet werde, die preußische Regierung habe sich durch solch einen Rath eines Verraths schuldig gemacht, so sei dies eine Verläumdung. (Blum setzt hinzu, das würde es in der That sein und fährt fort):

Hieraus möge man schließen, wie an das Ministerium berichtet sei. Er habe den stenographischen Protokollen gemäß nur folgendes gesagt : das Einzige Gegengewicht gegen die konstituirende Nationalversammlung, der preußischen Antwort zufolge, sei, daß man möglichst viele Ständeversammlungen berufe, und er habe hinzugesetzt : Meine Herren, ich habe Ihnen für die Genauigkeit nichts einzusetzen, als "ein Ehrenwort," daß es mir so mitgetheilt ist: denn mir stehen keine diplomatische Archive zu Gebote, aber es wird nicht schwer fallen, falls man mehr wissen will, nähere Erkundigungen einzuziehen.

Jetzt, da man auf diese unverfängliche Mittheilung eine Anklage, eine Verdächtigung gründe, und es nur Mann gegen Mann genüge, ein Ehrenwort zu Pfand zu setzen, erkläre er, jedoch nur der Nationalversammlung, daß zwei Zeugen aus der Nationalversammlung seine Aussagen unterstützen könnten, da er sich in dem delikaten Falle befinde, den Namen seiner Quelle nicht preisgeben zu können. Thatsächlich unterstützten ihn aber die wirklich stattgefundenen Einberufungen der verschiedenen Ständeversammlungen und eine merkwürdige Anmerkung der Redaktion der Vossischen Zeitung zu dem unklaren Berichte ihres Korrespondenten in Nro. 173. Leid thue ihm bei der ganzen Geschichte am allermeisten, daß der preußische Minister nicht geantwortet habe wie der sächsische, er werde sich nie zu solchen Maßregeln verstehen.

Gagern (der Präsident) bemerkt zur Aufklärung, der 50r-Ausschuß habe ein Gesuch an den Bundestag gerichtet, dahin zu wirken, daß während der Nationalversammlung keine andre Versammlung einberufen werde, und der Bund habe dies den Regierungen mitgetheilt; vielleicht sei hieraus jene Mittheilung mißverständlich entstanden. Da Blum dies verneint und eine Deutung Auerswalds, als als habe er versöhnend einlenken wollen, gleichfalls zurückweist, so stellt Auerswald den Antrag seiner gestrigen Beschwerde dahin: daß die Nationalversammlung ihre Mißbilligung über Blum's "Anklage" äußern möge. (Heftiges Zischen.) Er sucht hierauf zu beweisen, daß der Minister des Auswärtigen, Arnim, ihm im Auftrage auf seine "höhern Orts" eingereichte Beschwerde geantwortet habe und dessen Bescheid vollgültig sey und theilt, nachdem er im Ablesen längerer Zeitungsartikel durch den Ruf "zur Sache" und "Wie langweilig" unterbrochen, ein Schreiben Arnim's vom 4. Mai an den Herrn von Röder mit, dahin lautend :

"Man könne den Vorschlag, das Plenum des Bundestags, und zwar namentlich mit Prinzen zu beschicken, damit diese als Kandidaten für die zu erwählende Centralgewalt aufträten, nicht zweckmäßig finden, ehe nicht der Bund selbst neu organisirt sei.

Dies Dokument wird zu den Akten eingereicht und der Prässdent sieht sich auf heftiges Verlangen gemüßigt, zu erklären, daß ein Antrag auf Mißbilligung gegen ein Mitglied der Versammlung überall unstatthaft sei, da nur ihm eine Zurechtweisung auf frischer That zustehe.

Jetzt sucht noch Lichnowsky eine Lanze für Auerswald zu brechen und Blum zu verdächtigen. Allein der Donquixote des Parlaments erreicht nur seinen regelmäßigen Zweck, zur Heiterkeit des Publikums zu dienen und sich ein "von der Tribüne!" zu erringen. Schaffrath zürnt, daß Blum überhaupt auf eine solche Anschuldigung geantwortet und nicht lieber den Stolz des Schweigens entgegengesetzt habe. Das Volk würde schon entschieden haben, wem es Glauben beimessen solle, einem Auerswald oder einem Blum. Hier dürfe Niemand beschuldigt werden, bis die Beweise einer Unwahrheit vorlägen. Ihm scheine als seien die Feinde der Preßfreiheit auch Feinde der Redefreiheit. Draußen übten sie Censur der Presse, in der Paulskirche wollten sie Censur der Rede üben. Blum habe nichts zu beweisen, da er nur eine Mittheilung berichtet habe, ihm scheinen sogar die Berufung auf zwei Ehrenmänner zuviel zugestanden. (Diese nennen sich: Dr. Joseph Hermann, und Dr. J. Georg Günther).

Es wurde nun zur Tagesordnung übergegangen, die Sitzung wurde geschlossen. Nachdem man über 4 Stunden wiederum nur Redeübung gehalten hatte. Doch nein, ein Resultat ging vorauf, nämlich der Bericht des Marine-Ausschusses. Dieser ist zu dem Ergebniß gekommen,

a) 4 Hauptfragen für seine Aufgabe aufzustellen:

1. Welche Bedingungen die deutsche Kriegsmarine zu erfüllen habe,

2. welche Mittel in Bezug auf Zahl und Art der Schiffe dazu geeignet seien,

3. welche Geldmittel erfordert werden,

4. In welche natürliche Zeitabschnitte die gesammte Bildung der deutschen Flotte zerfalle?

b) In Erwägung, daß der Ausschuß diese Fragen sobald nicht beantworten könne, stelle er den Antrag:

"Hohe National-Versammlung wolle beschließen, daß die hohe Bundes-Versammlung zu veranlassen sei, die Summe von 6 Millionen Thalern auf verfassungsmäßigem Wege verfügbar zu machen, und zwar 3 Millionen sofort und die ferneren 3 Millionen nach Maßgabe des Bedürfnisses."

Diese 3 Millionen Thaler sollen, da man vorerst der Linienschiffe nicht bedürfe, folgendermaßen verwendet werden:

2 Fregatten zu 42 bis 56 Kan. a 450,000 Rth. - 900,000 Rth.
4 Korvetten zu 22 bis 32 Kan. a 220,000 Rth. - 880,000 Rth.
2 Dampfschiffe zu 500 Pferdekraft a 400,000 Rth. - 800,000 Rth.
4 Dampfschiffe zu 350 Pferdekraft a 300,500 Rth. - 1,200,000 Rth.
200 Kanonen a 7,000 Rth. - 1,400,000 Rth.

Der Rest mit 780,000 bis 800,000 Rthlr. sei für Hafen und Arsenalanlagen zu verwenden.

Wir müssen abwarten, ob die drei Millionen und die Flotte so schnell flott werden, wie die Rechnung in Aussicht stellt.

Frankfurt, 9. Juni, 21/2 Uhr.

Die Nationalversammlung hat so eben folgenden Beschluß gefaßt: "Die deutsche Nationalversammlung erklärt, daß die schleswigsche Sache, als eine Angelegenheit der deutschen Nation, zu dem Bereich ihrer Wirksamkeit gehört, und verlangt, daß energische Maßregeln getroffen werden, um den Krieg zu Ende zu führen, daß aber bei dem Abschluß des Friedens mit Dänemark das Recht der Herzogthümer Schleswig und Holstein und die Ehre Deutschlands gewahrt werde." Ueber den beantragten Zusatz: "und daß der abgeschlossene Friede der Nationalversammlung zur Genehmigung vorgelegt werde," ist in diesem Augenblick noch nicht abgestimmt.

7Berlin, 8. Juni.

Mitten in einer Debatte über den Verfassungsentwurf, ob der von dem Ministerium vorgelegte zur Grundlage genommen werden solle oder nicht, erschien heut der Prinz von Preußen in der Vereinbarungs-Versammlung. Einige Mitglieder der Rechten erhoben sich; von allen Seiten hören wir aber sogleich die Stimmen: Sitzen bleiben! Sitzen bleiben! Der Präsident Milde gibt dem Prinzen als Abgeordneten des Wirsitzer Kreises in einer persönlichen Angelegenheit das Wort. Derselbe besteigt die Tribune und hält, wir möchten sagen, eine Thronrede: "Vermöge der auf mich gefallenen Wahl, bin ich berechtigt, in Ihrer Mitte zu erscheinen; bereits gestern würde ich hierher geeilt sein, wenn es nicht ein Tag unauslöschlicher Trauer gewesen wäre, der mich im Schooße meiner Familie zurückhielt. Heute bin ich hierher geeilt, um zuerst meinen Dank auszusprechen für das Vertrauen, welches mich hierhergeführt, dann aber Sie, meine Herren, welche aus allen Ständen des Velkes, aus allen Provinzen und allen Klassen hier vereinigt sind, herzlich willkommen zu heißen. Nicht Preußen allein, sondern die Welt sieht auf unsere Versammlung!!: wir sollen das Verfassungswerk mit unserem Könige vereinbaren, welches für lange Zeit die Schicksale der preußischen Nation und ihrer Könige feststellen wird. Welch hoher Beruf! Aber je höher dieser Beruf, je heiliger muß der Geist und die Gesinnung sein, welche unsere Berathungen leiten werden. Die konstitutionelle Monarchie ist die Regierungsform, welche der König uns vorgezeichnet hat; dieser werde ich alle meine Kräfte weihen, wie ich dieselben den früheren Verhältnissen stets gewidmet habe. Mein Charakter liegt Ihnen offen vor, alle meine Kräfte sind dem Heile des Vaterlandes geweiht gewesen. So stehe ich jetzt wieder in Ihrer Mitte, um mitzuwirken, daß die uns gestellte Aufgabe zu einem glücklichen Ziele geleitet werde." Der Prinz fordert den Präsidenten auf, da seine anderweitigen Geschäfte es ihm nicht gestatten, regelmäßig den Versammlungen beizuwohnen, seiner Stellvertreter einzuberufen. Er schließt seine Rede dann mit den Phrase: "Uns alle aber, meine Herren, leitet den Ruf und Wahlspruch der Preußen, der sich so oft bewährt hat: Mit Gott für König und Vaterland!" Der Prinz scheint ein Hurrah zu erwarten. Einzelne Stimmen erheben sich auf der Rechten, werden aber sogleich durch das Zischen von verschiedenen Seiten erdrückt. Der Prinz verläßt die Versammlung und wird auf der Straße von einigen, wahrscheinlich bestellten Leuten mit Hurrah empfangen; dies zieht sogleich die Vorübergehenden und die im Kastanienwalde sich aufhaltende Menge herbei, die ihm durch Pfeifen und Zischen ihre Sympathien zu erkennen gibt. Seine Kalesche fliegt davon. - Der Abgeordnete d'Ester besteigt, nachdem der Prinz den Saal verlassen, die Tribüne und knüpft wieder an die über den Verfassungsentwurf abgebrochene Debatte an. Der Präsident Milde hatte nämlich beantragt: die Abtheilungen möchten den Titel II des vorgelegten Entwurfs zuerst berathen, wurde aber vom Abgeordneten Temme darauf hingewiesen, daß es eben noch ganz ungewiß sei, ob nicht ein neuer Entwurf als Grundlage für die Berathungen verfaßt werden würde. D'Ester will also die Frage gestellt wissen: ob die Versammlung den vom Ministerium vorgelegten Entwurf beibehalten wolle oder nicht. Der Präsident zog, nachdem noch einige Redner gegen seinen Antrag gesprochen, denselben zurück. Darauf wieder ein in unserer Vereinbarungs-Versammlung ganz gewöhnlicher Vorfall. Der Abgeordnete Ruhr klagt den Präsidenten an, er habe einige Petitionen, die er ihn an die Versammlung zu vertheilen bat, zurückgewiesen. Es entsteht daraus ein fürchterlicher Lärm, bei dem sich besonders wie immer Hr. v. Wangenheim, Abg. aus Saatzig, der sich nur auf die linke Seite gesetzt zu haben scheint, um dort Skandal zu machen, ganz besonders auszeichnet. Endlich wird wieder die Ruhe hergestellt und man geht zur Tagesordnung über. Berends aus Berlin hat das Wort. Er stellt den Antrag: Die Versammlung soll ein Anerkennung der Revolution zu Protokoll erklären, daß die Kämpfer des 18. und 19. März sich um das Vaterland verdient gemacht haben. Der Antrag wird sehr zahlreich unterstützt und Herr Berends entwickelt denselben. Er opponirt gegen die Ansicht des Ministerpräsidenten, daß die neue Verfassung des Staates an die alte angeknüpft werden müsse. Hierin liege die Meinung, daß eine wirkliche Revolution nicht stattgefunden habe, daß sie nicht nöthig gewesen sei, ferner daß die Rechte des Volkes vom Könige bewilligt oder vom vereinigten Landtage ausgegangen sind. Der Redner erinnert hierauf an die Bewegung, welche durch ganz Preußen, durch ganz Deutschland zitterte, daß der Kampf nicht überflüssig gewesen, weil erstlich nicht Alles bewilligt, zweitens die Verheißungen dem Volke keine Garantien gewesen. Die Garantien für die Unverletzlichkeit der Volksrechte hat dasselbe sich erobert, indem es am 19. März die Bürgerbewaffnung durchsetzte. Der Kampf war eine gewaltige Katastrophe und erst durch diese Katastrophe ist die Umgestaltung des Staatslebens zur wirklichen Wahrheit geworden. Deßhalb fordert der Redner, daß die Kämpfer vom 18. und 19. März sich um das Vaterland verdient gemacht haben. Wir müssen hier bemerken, daß die Versammlung zu unserem Erstaunen nach dem Vortrage eines Abgeordneten der Linken, dem ein sehr lebhafter Beifall zu Theil wurde, heute zum Erstenmal eine sehr ernste, parlamentarische, der Frage angemessene Haltung annahm. Diese behielt sie bis zum Schluß der Sitzung. Herr Reygers stellt einen Antrag auf Tagesordnung. Er findet keine Unterstützung. Wir haben dieses Resultat sicher unserer Sonntagsdemonstration zuzuschreiben. Ein sehr breites, konfuses Amendement des Abg. Brehmer wird gleich verworfen. Der Abg. Schultze will einen Zusatz, wonach auch das Berliner Volk wegen seiner Haltung nach dem Kampfe eine Anerkennung erhalten sollte. Es erhebt sich hierauf eine sehr interessante Debatte, an welcher sich auch die Minister betheiligen. Camphausen fürchtet, daß die Annahme des Antrages zu neuen Unruhen anstatt zur Versöhnung führen könnte. Er sieht in der Form des Antrages eine Nachahmung ähnlicher Anträge, die in der englischen und französischen Revolution gestellt worden, in Revolutionen, die nothwendig zur Diktatur führen müßten. Er protestirt dagegen im Namen des Volkes von Berlin, unter dessen Schutz sich der König gestellt. Er will also eine andere Form für den Antrag. Hansemann möchte ihn bis morgen vertagen. Die Minister, die die Versammlung für den Antrag geneigt sahen, bekamen entschieden Angst und Herr Schwerin äußert unverhohlen, er werde ja nach der Abstimmung wissen, was er zu thun habe. Es scheint uns jetzt ziemlich sicher, daß das Kabinet in seiner jetzigen Zusammensetzung nicht lange bestehen wird. Für den Antrag haben mit gutem Erfolge Jacoby, Reichenbach, Schulz aus Wanzleben, v. Berg und Stein gesprochen. Die Debatte wird in der morgigen Sitzung wieder aufgenommen. Es steht ziemlich fest, daß die demokratische Partei hier den ersten Sieg erringen wird, denn die Rechte ist zu feig, ein historisches Faktum, die Revolution gradezu zu läugnen. Die Linke wird, wenn es nöthig wäre, auf namentliche Abstimmung dringen.

Morgen Abend bringen die Studenten und der Handwerkerverein dem französischen Gesandten ein Ständchen.

Breslau, 31. Mai.

Wie fast überall, so hatte auch hier in der letzten Zeit die Energie des Bürgerthums sehr nachgelassen. Die schwankenden Zustände, die Lähmung des Handels und der Gewerbe, die fortdauernden Störungen der Ruhe, das Wachestehen, Patroulliren etc., hatte nach und nach entmuthigend auf sehr viele Bürger gewirkt. Und da in dieser Zeit der demokratische Verein in Breslau ausschließlich seine entschlossene Haltung behielt, so begannen auch von Seiten des Breslauer Bürgerthums offene und geheime Angriffe gegen ihn. Die Bekanntmachung des neuen Verfassungsentwurfs und die Adressen des Militärs an den demokratischen Verein in Breslau, welche dieser in Folge eines Aufrufs an die Soldaten, gegen den das Associations- und Petitionsrecht beschränkenden Ministererlaß zu protestiren, veranlaßte, haben die demokratische Partei Schlesiens wesentlich verstärkt. Den reaktionären Erklärungen gegenüber verdient die von Soldaten des zehnten Infanterieregiments und namentlich die von 1145 Landwehrmännern besondere Aufmerksamkeit. Letztere sagen u. A.: "Wir werden denen nicht folgen, welche gern die alten knechtischen Zustände herbeiführen möchten, unter denen ihnen so wohl war. Wir haben auch dem Könige den Soldateneid geschworen; aber wir müßten keinen Funken von Ehrlichkeit, von Bewußtsein unserer Menschenwürde, von Bruderliebe haben, wir müßten uns im Zustande eines russischen Kosakenthums und der Knute befinden, wenn wir über diesem Eide die heiligen Pflichten gegen unsere Brüder, das Volk, oder, was dasselbe ist, gegen das Vaterland, vergessen sollten, die uns unsere jetzige Zeit mit Flammenschrift vor die Augen hält. Die Pflichten aber, welche wir jetzt gegen das Volk zu erfüllen haben, sind die Erhaltung und Sicherung seiner heiligen Rechte; nur dadurch hoffen wir zugleich die Stütze des Thrones zu sein. Wir bilden uns aber nicht thörichter und lächerlicher Weise ein, daß wir allein die Stützen des Thrones ohne das Volk sein könnten, wir kennen auch keinen Thron und Staat ohne das Volk. Wir Landwehrmänner sind nicht noch um 100 Jahre zurück und daher so bornirt und unwissend, daß wir nicht begreifen sollten, wir selbst seien ein Theil des Volkes, mit dem wir stehen und fallen. Daher betrachten wir auch diejenigen als unsere Feinde, welche die heiligen Rechte des Volkes und dadurch zugleich die des Königs angreifen oder auf Schrauben stellen wollen, u. s. w." Gegen jene Feinde, bemerken sie schließlich, würden sie eben so heldenmüthig kämpfen, als ihre Landwehrbrüder 1813, 1814 und 1815 dies gethan.

(O.-P.-A.-Z.)
Breslau. 4. Juni.

Die mobile reitende Kompagnie ist aus der Gegend von Glatz heute hier eingerückt. Die beiden mobilen Fußbatterien Nr. 26 und 27 verlassen dagegen Breslau und werden in die nächste Umgegend verlegt. Auch, heißt es, sollen das 5. und 6. Husarenregiment in die Umgebungen der Stadt rücken, so wie auch ein Landwehrbataillon aus Oberschlesien. Es sind in dieser Truppen-Umzingelung alle Anzeichen vorhanden, daß ein großer Hand-

Heute berieth die Rechte abermals, wie man die Gallerie ersprießlicher besetzen könne, und da sie erst seit den letzten drei Sitzungen jene Sperre von zwei Drittheilen der Emporbühne angeordnet hat, ohne den erwünschten Erfolg, meinte sie, man müsse einmal die Tribünen räumen.
15 Frankfurt, 7. Juni.

Die heutige Sitzung begann mit einer schönen Versöhnungsscene, wie sie nur bei der hier betriebenen Gemüthspolitik zu Stande kommen konnte. Es sind zwar einige Charaktere, die rechts und links zu scharf ausgeprägt sind, als daß sie, wenn ihre Worte auch noch so mild wären, bis in die Herzensregion ihrer Gegner vordringen könnten; aber Jacob Benedey gehört nicht zu diesen Ecksteinen des Anstoßes, und obwohl er sich brav zur Linken hält, verzog doch das ehrenwerthe Gros der Rechten keine Miene zum Lachen, als er das blonde Lockenhaupt zu ihr hinwiegte und von dem „tiefen Schmerze“ sprach, mit dem sein Gemüth die Tribüne betrete. Er reklamirte nämlich gegen das Protokoll, in welchem stand, daß er wegen ausgestoßener Drohungen zur Ordnung gerufen sei. Benedey sollte gedroht haben? Unmöglich! Es war zwar ein bedenklicher Anlaß; aber Venedey hatte wirklich nicht gedroht; mein Himmel, wie konnte man ihn so mißverstehn! er hatte nur eine Erinnerung an die Geschichte der französischen Revolution der Rechten an's Herz legen wollen. Der Rechten? o nein, wir Alle sind Sünder oder könnten es werden. Lassen Sie uns weder rechts noch links die Redner niedertrommeln, Sie sehen aus der französischen Revolution, wohin das geführt hat; „und wir werden hoffentlich etwas anderes zu Stande bringen als die Franzosen!“

Das verfehlte freilich seine Wirkung nicht. Die Rechte ärgerte sich über die erneute Mahnung, aber sie freute sich, daß wieder einmal von der deutschen Tribüne gegen die Franzosen und gegen die Revolution gesprochen war. Sie applaudirte demnach so lebhaft, daß Gagern den Ordnungsruf zurücknahm.

*Frankfurt, 8. Juni.

Mancherlei Anträge waren schon früher und später über die Sicherstellung der Nationalversammlung gegen etwelche Attentate eingereicht, heute kam darüber der Bericht zur Verlesung und Herr Wippermann, dem dies Amt oblag, fügte hinzu : Allerdings sei Gefahr vorhanden und Dringlichkeit heischender denn je. Er wisse es, denn in seinem eigenen Vaterlande sei der Aufruf ergangen, alle demokratischen Vereine sollten nach Frankfurt kommen zu Pfingsten, und ihre Parole sei für das Parlament, wenn es demokratisch, sonst gegen das Parlament. Desgleichen fordre der Aufruf zur Sensenbewaffnung auf und wer wisse, wie viele Sensen bereits gen Frankfurt zögen? Der Tag sei ausgeschrieben: dringende Noth erheische, sich an den Senat in Frankfurt zu wenden und von den umliegenden Regierungen die nöthigen Bajonnette zu begehren.

Zwar spottete allgemeines Gelächter des Ehren-Wippermann, allein Wohlderselbe fühlte bereits die Sense, dies barbarische Instrument, in seinem Fleische wühlen, und mit ihm Schüler aus Jena. Schüler meinte nämlich, die Linke zu gewinnen, wenn er zwar keine Bitte um Waffenaufgebot an den Frankfurter Senat wolle, wohl aber eine Aufforderung an die Demokraten, sich der Herzensangst des Parlaments zu erbarmen und doch ja nicht nach Frankfurt zu kommen; denn es liege im Interesse der Linken, keinen falschen Schein auf sich zu laden. Dieser beschwichtigende Vorschlag verfehlte seinen Zweck. Der ehemalige Mitarbeiter des politischen Wochenblattes, Radowitz, erhebt sich: Man möge sich ja nicht über die Gefahr täuschen, sie sei in der That größer als man glaube. Man könne nicht läugnen, daß die Nationalversammlung eine große Partei, und zwar eben die demokratische, bereits über die Hoffnungen, welche man vom Parlament gehegt, enttäuscht habe. Auch ein nöthiges Losungswort sei bereits gefunden, es heiße : Nieder mit der Reaktion. Ehemals habe man als Stichwort Demagoge gebraucht, aber jetzt hieße es Reaktionär, und unter dieser Bezeichnung verstehe man Alle, die den Wünschen und Forderungen des Volks aus höhern Rücksichten nicht willfahren wollen. Er fürchte nicht für die Personen der Nationalversammlung, sondern für die Folgen eines Angriffs. Diese wären unfehlbar : Provisorische Regierung, Proklamirung der Republik, Bürgerkrieg, Krieg mit Außen. Drum sei es heilige Pflicht der Volksvertreter, einen Sicherheitsausschuß von 3 Personen zu wählen, die sich erkundigten, wie stark die Streitkräfte Frankfurts, und danach Truppen von außen reklamirten.

Sie sehen also, daß man es bereits bedauert, nicht in Potsdam zu tagen. Ja, ein Wiener, Meyer, denkt schon als Militär auf den Rückzug, und beantragt zuerst das englische Gesetz, daß im Umkreis von drei Meilen keinerlei größere Versammlungen statt finden sollen, und daß im Fall einer Zersprengung die Nationalversammlung sich in Regensburg unter baierischer Obhut oder in Wien, wo man bis dahin die alte gute Ordnung der Dinge wieder hergestellt zu sehen hofft, auf's neue vereinigen möge.

Wie Radowitz andeutete: die Vertreter des Volks können sich nicht länger verhehlen, daß ihr gefährlichster Antagonist eben das Volk ist. Simon aus Trier sagte ihnen dies ziemlich deutlich: Wie es denn so auf einmal komme, daß die Nationalversammlung Polizei spielen wolle. Man habe doch früher bei der Mainzer Angelegenheit und bei der Ausweisung deutscher Ausländer so sehr damit gepocht, daß man keine Polizei sein dürfe; woher diese Inkonsequenz? Wenn man sich in der That gestehen müsse, daß man bereits mit der Volkspartei so sehr im Widerspruch stehe, um deren Zorn zu fürchten, nun, dann sei auch wohl nicht viel an der Nationalversammlung verloren. Die Waffen fürchte man, warum denn nur die der Demokraten, die doch nur höchstens zu dreihundert hierherzögen, warum nicht die Bayonnette, die man zu vielen tausenden berufe?

Ein donnender Beifall begleitete (trotz der aufgestellten Klaque und der Censurmaßregeln des Hrn. Biedermann, bis auf ein Drittel der Gallerie nur Billete auf Empfehlung von Deputirten den Eintritt zu gewähren, wobei die Empfehlungen der linken Seite selten berücksichtigt werden) ‒ den Redner und die Worte des nach ihm folgenden Wesendonck. Die Linke forderte wiederholt den Uebergang zur Tagesordnung, allein der Präsident suchte diesen Antrag zu unterdrücken und nur eine Ueberweisung der Anträge an eine Kommission (d. h. eine abermalige, die es besser verstände, die Sache plausibel zu machen) zur Abstimmung zu bringen. Als ihm dies nicht gelang und wirklich der Uebergang zur Tagesordnung beschlossen wurde, bemühte er sich, wenigstens aus den Anträgen eine Habeas-Corpus-Akte für die Abgeordneten nebst etlichen andern Anträgen zu stellen, Trotz des Rufs: zur Tagesordnung! konnte er sich nicht überwinden, wenigstens eine Vertagung derselben zu erbitten, in deren Folge Soiron den Vorschlag machte, die ganze Angelegenheit an die Prioritäts-Kommission zurückzuweisen. Dies wurde mit dem Wesendonckschen Zusatze, „insoweit die Anträge nicht durch den Uebergang zur Tagesordnung erledigt sind,“ genehmigt, und so behalten die muthigen Bayonnettliebhaber wenigstens den Trost, sich demnächst eine Habeas-Corpus-Akte dekretiren zu können.

Nun die Blumsche Angelegenheit.

Zuvörderst sucht Eisenmann zu ermitteln, jede Partei könne blamirt werden, darum sei besser, keine werde blamirt. Aber davon will Blum nichts wissen, obgleich ihm unbekannt sey, was Auerswald eigentlich mit seiner Anklage bezwecke, da er keinen Antrag gestellt habe. In der Erklärung des preußischen Ministers, welche Auerswald erzielt habe, heiße es:

1) Die preußische Regierung habe in Beziehung auf das Verfassungswerk niemals einen Rath (an die fraglichen Regierungen), geschweige einen solchen Rath gegeben, wie hier in Rede sey. (Er fragt, ob hierin ein Widerspruch gegen die von ihm gegebene Mittheilung liege?)

2) Wenn nun in Frankfurt behauptet werde, die preußische Regierung habe sich durch solch einen Rath eines Verraths schuldig gemacht, so sei dies eine Verläumdung. (Blum setzt hinzu, das würde es in der That sein und fährt fort):

Hieraus möge man schließen, wie an das Ministerium berichtet sei. Er habe den stenographischen Protokollen gemäß nur folgendes gesagt : das Einzige Gegengewicht gegen die konstituirende Nationalversammlung, der preußischen Antwort zufolge, sei, daß man möglichst viele Ständeversammlungen berufe, und er habe hinzugesetzt : Meine Herren, ich habe Ihnen für die Genauigkeit nichts einzusetzen, als „ein Ehrenwort,“ daß es mir so mitgetheilt ist: denn mir stehen keine diplomatische Archive zu Gebote, aber es wird nicht schwer fallen, falls man mehr wissen will, nähere Erkundigungen einzuziehen.

Jetzt, da man auf diese unverfängliche Mittheilung eine Anklage, eine Verdächtigung gründe, und es nur Mann gegen Mann genüge, ein Ehrenwort zu Pfand zu setzen, erkläre er, jedoch nur der Nationalversammlung, daß zwei Zeugen aus der Nationalversammlung seine Aussagen unterstützen könnten, da er sich in dem delikaten Falle befinde, den Namen seiner Quelle nicht preisgeben zu können. Thatsächlich unterstützten ihn aber die wirklich stattgefundenen Einberufungen der verschiedenen Ständeversammlungen und eine merkwürdige Anmerkung der Redaktion der Vossischen Zeitung zu dem unklaren Berichte ihres Korrespondenten in Nro. 173. Leid thue ihm bei der ganzen Geschichte am allermeisten, daß der preußische Minister nicht geantwortet habe wie der sächsische, er werde sich nie zu solchen Maßregeln verstehen.

Gagern (der Präsident) bemerkt zur Aufklärung, der 50r-Ausschuß habe ein Gesuch an den Bundestag gerichtet, dahin zu wirken, daß während der Nationalversammlung keine andre Versammlung einberufen werde, und der Bund habe dies den Regierungen mitgetheilt; vielleicht sei hieraus jene Mittheilung mißverständlich entstanden. Da Blum dies verneint und eine Deutung Auerswalds, als als habe er versöhnend einlenken wollen, gleichfalls zurückweist, so stellt Auerswald den Antrag seiner gestrigen Beschwerde dahin: daß die Nationalversammlung ihre Mißbilligung über Blum's „Anklage“ äußern möge. (Heftiges Zischen.) Er sucht hierauf zu beweisen, daß der Minister des Auswärtigen, Arnim, ihm im Auftrage auf seine „höhern Orts“ eingereichte Beschwerde geantwortet habe und dessen Bescheid vollgültig sey und theilt, nachdem er im Ablesen längerer Zeitungsartikel durch den Ruf „zur Sache“ und „Wie langweilig“ unterbrochen, ein Schreiben Arnim's vom 4. Mai an den Herrn von Röder mit, dahin lautend :

„Man könne den Vorschlag, das Plenum des Bundestags, und zwar namentlich mit Prinzen zu beschicken, damit diese als Kandidaten für die zu erwählende Centralgewalt aufträten, nicht zweckmäßig finden, ehe nicht der Bund selbst neu organisirt sei.

Dies Dokument wird zu den Akten eingereicht und der Prässdent sieht sich auf heftiges Verlangen gemüßigt, zu erklären, daß ein Antrag auf Mißbilligung gegen ein Mitglied der Versammlung überall unstatthaft sei, da nur ihm eine Zurechtweisung auf frischer That zustehe.

Jetzt sucht noch Lichnowsky eine Lanze für Auerswald zu brechen und Blum zu verdächtigen. Allein der Donquixote des Parlaments erreicht nur seinen regelmäßigen Zweck, zur Heiterkeit des Publikums zu dienen und sich ein „von der Tribüne!“ zu erringen. Schaffrath zürnt, daß Blum überhaupt auf eine solche Anschuldigung geantwortet und nicht lieber den Stolz des Schweigens entgegengesetzt habe. Das Volk würde schon entschieden haben, wem es Glauben beimessen solle, einem Auerswald oder einem Blum. Hier dürfe Niemand beschuldigt werden, bis die Beweise einer Unwahrheit vorlägen. Ihm scheine als seien die Feinde der Preßfreiheit auch Feinde der Redefreiheit. Draußen übten sie Censur der Presse, in der Paulskirche wollten sie Censur der Rede üben. Blum habe nichts zu beweisen, da er nur eine Mittheilung berichtet habe, ihm scheinen sogar die Berufung auf zwei Ehrenmänner zuviel zugestanden. (Diese nennen sich: Dr. Joseph Hermann, und Dr. J. Georg Günther).

Es wurde nun zur Tagesordnung übergegangen, die Sitzung wurde geschlossen. Nachdem man über 4 Stunden wiederum nur Redeübung gehalten hatte. Doch nein, ein Resultat ging vorauf, nämlich der Bericht des Marine-Ausschusses. Dieser ist zu dem Ergebniß gekommen,

a) 4 Hauptfragen für seine Aufgabe aufzustellen:

1. Welche Bedingungen die deutsche Kriegsmarine zu erfüllen habe,

2. welche Mittel in Bezug auf Zahl und Art der Schiffe dazu geeignet seien,

3. welche Geldmittel erfordert werden,

4. In welche natürliche Zeitabschnitte die gesammte Bildung der deutschen Flotte zerfalle?

b) In Erwägung, daß der Ausschuß diese Fragen sobald nicht beantworten könne, stelle er den Antrag:

„Hohe National-Versammlung wolle beschließen, daß die hohe Bundes-Versammlung zu veranlassen sei, die Summe von 6 Millionen Thalern auf verfassungsmäßigem Wege verfügbar zu machen, und zwar 3 Millionen sofort und die ferneren 3 Millionen nach Maßgabe des Bedürfnisses.“

Diese 3 Millionen Thaler sollen, da man vorerst der Linienschiffe nicht bedürfe, folgendermaßen verwendet werden:

2 Fregatten zu 42 bis 56 Kan. à 450,000 Rth. ‒ 900,000 Rth.
4 Korvetten zu 22 bis 32 Kan. à 220,000 Rth. ‒ 880,000 Rth.
2 Dampfschiffe zu 500 Pferdekraft à 400,000 Rth. ‒ 800,000 Rth.
4 Dampfschiffe zu 350 Pferdekraft à 300,500 Rth. ‒ 1,200,000 Rth.
200 Kanonen à 7,000 Rth. ‒ 1,400,000 Rth.

Der Rest mit 780,000 bis 800,000 Rthlr. sei für Hafen und Arsenalanlagen zu verwenden.

Wir müssen abwarten, ob die drei Millionen und die Flotte so schnell flott werden, wie die Rechnung in Aussicht stellt.

Frankfurt, 9. Juni, 21/2 Uhr.

Die Nationalversammlung hat so eben folgenden Beschluß gefaßt: „Die deutsche Nationalversammlung erklärt, daß die schleswigsche Sache, als eine Angelegenheit der deutschen Nation, zu dem Bereich ihrer Wirksamkeit gehört, und verlangt, daß energische Maßregeln getroffen werden, um den Krieg zu Ende zu führen, daß aber bei dem Abschluß des Friedens mit Dänemark das Recht der Herzogthümer Schleswig und Holstein und die Ehre Deutschlands gewahrt werde.“ Ueber den beantragten Zusatz: „und daß der abgeschlossene Friede der Nationalversammlung zur Genehmigung vorgelegt werde,“ ist in diesem Augenblick noch nicht abgestimmt.

7Berlin, 8. Juni.

Mitten in einer Debatte über den Verfassungsentwurf, ob der von dem Ministerium vorgelegte zur Grundlage genommen werden solle oder nicht, erschien heut der Prinz von Preußen in der Vereinbarungs-Versammlung. Einige Mitglieder der Rechten erhoben sich; von allen Seiten hören wir aber sogleich die Stimmen: Sitzen bleiben! Sitzen bleiben! Der Präsident Milde gibt dem Prinzen als Abgeordneten des Wirsitzer Kreises in einer persönlichen Angelegenheit das Wort. Derselbe besteigt die Tribune und hält, wir möchten sagen, eine Thronrede: „Vermöge der auf mich gefallenen Wahl, bin ich berechtigt, in Ihrer Mitte zu erscheinen; bereits gestern würde ich hierher geeilt sein, wenn es nicht ein Tag unauslöschlicher Trauer gewesen wäre, der mich im Schooße meiner Familie zurückhielt. Heute bin ich hierher geeilt, um zuerst meinen Dank auszusprechen für das Vertrauen, welches mich hierhergeführt, dann aber Sie, meine Herren, welche aus allen Ständen des Velkes, aus allen Provinzen und allen Klassen hier vereinigt sind, herzlich willkommen zu heißen. Nicht Preußen allein, sondern die Welt sieht auf unsere Versammlung!!: wir sollen das Verfassungswerk mit unserem Könige vereinbaren, welches für lange Zeit die Schicksale der preußischen Nation und ihrer Könige feststellen wird. Welch hoher Beruf! Aber je höher dieser Beruf, je heiliger muß der Geist und die Gesinnung sein, welche unsere Berathungen leiten werden. Die konstitutionelle Monarchie ist die Regierungsform, welche der König uns vorgezeichnet hat; dieser werde ich alle meine Kräfte weihen, wie ich dieselben den früheren Verhältnissen stets gewidmet habe. Mein Charakter liegt Ihnen offen vor, alle meine Kräfte sind dem Heile des Vaterlandes geweiht gewesen. So stehe ich jetzt wieder in Ihrer Mitte, um mitzuwirken, daß die uns gestellte Aufgabe zu einem glücklichen Ziele geleitet werde.“ Der Prinz fordert den Präsidenten auf, da seine anderweitigen Geschäfte es ihm nicht gestatten, regelmäßig den Versammlungen beizuwohnen, seiner Stellvertreter einzuberufen. Er schließt seine Rede dann mit den Phrase: „Uns alle aber, meine Herren, leitet den Ruf und Wahlspruch der Preußen, der sich so oft bewährt hat: Mit Gott für König und Vaterland!“ Der Prinz scheint ein Hurrah zu erwarten. Einzelne Stimmen erheben sich auf der Rechten, werden aber sogleich durch das Zischen von verschiedenen Seiten erdrückt. Der Prinz verläßt die Versammlung und wird auf der Straße von einigen, wahrscheinlich bestellten Leuten mit Hurrah empfangen; dies zieht sogleich die Vorübergehenden und die im Kastanienwalde sich aufhaltende Menge herbei, die ihm durch Pfeifen und Zischen ihre Sympathien zu erkennen gibt. Seine Kalesche fliegt davon. ‒ Der Abgeordnete d'Ester besteigt, nachdem der Prinz den Saal verlassen, die Tribüne und knüpft wieder an die über den Verfassungsentwurf abgebrochene Debatte an. Der Präsident Milde hatte nämlich beantragt: die Abtheilungen möchten den Titel II des vorgelegten Entwurfs zuerst berathen, wurde aber vom Abgeordneten Temme darauf hingewiesen, daß es eben noch ganz ungewiß sei, ob nicht ein neuer Entwurf als Grundlage für die Berathungen verfaßt werden würde. D'Ester will also die Frage gestellt wissen: ob die Versammlung den vom Ministerium vorgelegten Entwurf beibehalten wolle oder nicht. Der Präsident zog, nachdem noch einige Redner gegen seinen Antrag gesprochen, denselben zurück. Darauf wieder ein in unserer Vereinbarungs-Versammlung ganz gewöhnlicher Vorfall. Der Abgeordnete Ruhr klagt den Präsidenten an, er habe einige Petitionen, die er ihn an die Versammlung zu vertheilen bat, zurückgewiesen. Es entsteht daraus ein fürchterlicher Lärm, bei dem sich besonders wie immer Hr. v. Wangenheim, Abg. aus Saatzig, der sich nur auf die linke Seite gesetzt zu haben scheint, um dort Skandal zu machen, ganz besonders auszeichnet. Endlich wird wieder die Ruhe hergestellt und man geht zur Tagesordnung über. Berends aus Berlin hat das Wort. Er stellt den Antrag: Die Versammlung soll ein Anerkennung der Revolution zu Protokoll erklären, daß die Kämpfer des 18. und 19. März sich um das Vaterland verdient gemacht haben. Der Antrag wird sehr zahlreich unterstützt und Herr Berends entwickelt denselben. Er opponirt gegen die Ansicht des Ministerpräsidenten, daß die neue Verfassung des Staates an die alte angeknüpft werden müsse. Hierin liege die Meinung, daß eine wirkliche Revolution nicht stattgefunden habe, daß sie nicht nöthig gewesen sei, ferner daß die Rechte des Volkes vom Könige bewilligt oder vom vereinigten Landtage ausgegangen sind. Der Redner erinnert hierauf an die Bewegung, welche durch ganz Preußen, durch ganz Deutschland zitterte, daß der Kampf nicht überflüssig gewesen, weil erstlich nicht Alles bewilligt, zweitens die Verheißungen dem Volke keine Garantien gewesen. Die Garantien für die Unverletzlichkeit der Volksrechte hat dasselbe sich erobert, indem es am 19. März die Bürgerbewaffnung durchsetzte. Der Kampf war eine gewaltige Katastrophe und erst durch diese Katastrophe ist die Umgestaltung des Staatslebens zur wirklichen Wahrheit geworden. Deßhalb fordert der Redner, daß die Kämpfer vom 18. und 19. März sich um das Vaterland verdient gemacht haben. Wir müssen hier bemerken, daß die Versammlung zu unserem Erstaunen nach dem Vortrage eines Abgeordneten der Linken, dem ein sehr lebhafter Beifall zu Theil wurde, heute zum Erstenmal eine sehr ernste, parlamentarische, der Frage angemessene Haltung annahm. Diese behielt sie bis zum Schluß der Sitzung. Herr Reygers stellt einen Antrag auf Tagesordnung. Er findet keine Unterstützung. Wir haben dieses Resultat sicher unserer Sonntagsdemonstration zuzuschreiben. Ein sehr breites, konfuses Amendement des Abg. Brehmer wird gleich verworfen. Der Abg. Schultze will einen Zusatz, wonach auch das Berliner Volk wegen seiner Haltung nach dem Kampfe eine Anerkennung erhalten sollte. Es erhebt sich hierauf eine sehr interessante Debatte, an welcher sich auch die Minister betheiligen. Camphausen fürchtet, daß die Annahme des Antrages zu neuen Unruhen anstatt zur Versöhnung führen könnte. Er sieht in der Form des Antrages eine Nachahmung ähnlicher Anträge, die in der englischen und französischen Revolution gestellt worden, in Revolutionen, die nothwendig zur Diktatur führen müßten. Er protestirt dagegen im Namen des Volkes von Berlin, unter dessen Schutz sich der König gestellt. Er will also eine andere Form für den Antrag. Hansemann möchte ihn bis morgen vertagen. Die Minister, die die Versammlung für den Antrag geneigt sahen, bekamen entschieden Angst und Herr Schwerin äußert unverhohlen, er werde ja nach der Abstimmung wissen, was er zu thun habe. Es scheint uns jetzt ziemlich sicher, daß das Kabinet in seiner jetzigen Zusammensetzung nicht lange bestehen wird. Für den Antrag haben mit gutem Erfolge Jacoby, Reichenbach, Schulz aus Wanzleben, v. Berg und Stein gesprochen. Die Debatte wird in der morgigen Sitzung wieder aufgenommen. Es steht ziemlich fest, daß die demokratische Partei hier den ersten Sieg erringen wird, denn die Rechte ist zu feig, ein historisches Faktum, die Revolution gradezu zu läugnen. Die Linke wird, wenn es nöthig wäre, auf namentliche Abstimmung dringen.

Morgen Abend bringen die Studenten und der Handwerkerverein dem französischen Gesandten ein Ständchen.

Breslau, 31. Mai.

Wie fast überall, so hatte auch hier in der letzten Zeit die Energie des Bürgerthums sehr nachgelassen. Die schwankenden Zustände, die Lähmung des Handels und der Gewerbe, die fortdauernden Störungen der Ruhe, das Wachestehen, Patroulliren etc., hatte nach und nach entmuthigend auf sehr viele Bürger gewirkt. Und da in dieser Zeit der demokratische Verein in Breslau ausschließlich seine entschlossene Haltung behielt, so begannen auch von Seiten des Breslauer Bürgerthums offene und geheime Angriffe gegen ihn. Die Bekanntmachung des neuen Verfassungsentwurfs und die Adressen des Militärs an den demokratischen Verein in Breslau, welche dieser in Folge eines Aufrufs an die Soldaten, gegen den das Associations- und Petitionsrecht beschränkenden Ministererlaß zu protestiren, veranlaßte, haben die demokratische Partei Schlesiens wesentlich verstärkt. Den reaktionären Erklärungen gegenüber verdient die von Soldaten des zehnten Infanterieregiments und namentlich die von 1145 Landwehrmännern besondere Aufmerksamkeit. Letztere sagen u. A.: „Wir werden denen nicht folgen, welche gern die alten knechtischen Zustände herbeiführen möchten, unter denen ihnen so wohl war. Wir haben auch dem Könige den Soldateneid geschworen; aber wir müßten keinen Funken von Ehrlichkeit, von Bewußtsein unserer Menschenwürde, von Bruderliebe haben, wir müßten uns im Zustande eines russischen Kosakenthums und der Knute befinden, wenn wir über diesem Eide die heiligen Pflichten gegen unsere Brüder, das Volk, oder, was dasselbe ist, gegen das Vaterland, vergessen sollten, die uns unsere jetzige Zeit mit Flammenschrift vor die Augen hält. Die Pflichten aber, welche wir jetzt gegen das Volk zu erfüllen haben, sind die Erhaltung und Sicherung seiner heiligen Rechte; nur dadurch hoffen wir zugleich die Stütze des Thrones zu sein. Wir bilden uns aber nicht thörichter und lächerlicher Weise ein, daß wir allein die Stützen des Thrones ohne das Volk sein könnten, wir kennen auch keinen Thron und Staat ohne das Volk. Wir Landwehrmänner sind nicht noch um 100 Jahre zurück und daher so bornirt und unwissend, daß wir nicht begreifen sollten, wir selbst seien ein Theil des Volkes, mit dem wir stehen und fallen. Daher betrachten wir auch diejenigen als unsere Feinde, welche die heiligen Rechte des Volkes und dadurch zugleich die des Königs angreifen oder auf Schrauben stellen wollen, u. s. w.“ Gegen jene Feinde, bemerken sie schließlich, würden sie eben so heldenmüthig kämpfen, als ihre Landwehrbrüder 1813, 1814 und 1815 dies gethan.

(O.-P.-A.-Z.)
Breslau. 4. Juni.

Die mobile reitende Kompagnie ist aus der Gegend von Glatz heute hier eingerückt. Die beiden mobilen Fußbatterien Nr. 26 und 27 verlassen dagegen Breslau und werden in die nächste Umgegend verlegt. Auch, heißt es, sollen das 5. und 6. Husarenregiment in die Umgebungen der Stadt rücken, so wie auch ein Landwehrbataillon aus Oberschlesien. Es sind in dieser Truppen-Umzingelung alle Anzeichen vorhanden, daß ein großer Hand-

Heute berieth die Rechte abermals, wie man die Gallerie ersprießlicher besetzen könne, und da sie erst seit den letzten drei Sitzungen jene Sperre von zwei Drittheilen der Emporbühne angeordnet hat, ohne den erwünschten Erfolg, meinte sie, man müsse einmal die Tribünen räumen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0002" n="0048"/>
        <div xml:id="ar011_003" type="jArticle">
          <head><bibl><author>15</author></bibl><hi rendition="#g">Frankfurt,</hi> 7. Juni.</head>
          <p>Die heutige Sitzung begann mit einer schönen Versöhnungsscene, wie sie nur                         bei der hier betriebenen Gemüthspolitik zu Stande kommen konnte. Es sind                         zwar einige Charaktere, die rechts und links zu scharf ausgeprägt sind, als                         daß sie, wenn ihre Worte auch noch so mild wären, bis in die Herzensregion                         ihrer Gegner vordringen könnten; aber Jacob Benedey gehört nicht zu diesen                         Ecksteinen des Anstoßes, und obwohl er sich brav zur Linken hält, verzog                         doch das ehrenwerthe Gros der Rechten keine Miene zum Lachen, als er das                         blonde Lockenhaupt zu ihr hinwiegte und von dem &#x201E;tiefen Schmerze&#x201C; sprach,                         mit dem sein Gemüth die Tribüne betrete. Er reklamirte nämlich gegen das                         Protokoll, in welchem stand, daß er wegen ausgestoßener Drohungen zur                         Ordnung gerufen sei. Benedey sollte gedroht haben? Unmöglich! Es war zwar                         ein bedenklicher Anlaß; aber Venedey hatte wirklich nicht gedroht; mein                         Himmel, wie konnte man ihn so mißverstehn! er hatte nur eine Erinnerung an                         die Geschichte der französischen Revolution der Rechten an's Herz legen                         wollen. Der Rechten? o nein, wir Alle sind Sünder oder könnten es werden.                         Lassen Sie uns weder rechts noch links die Redner niedertrommeln, Sie sehen                         aus der französischen Revolution, wohin das geführt hat; &#x201E;und wir werden                         hoffentlich etwas anderes zu Stande bringen als die Franzosen!&#x201C;</p>
          <p>Das verfehlte freilich seine Wirkung nicht. Die Rechte ärgerte sich über die                         erneute Mahnung, aber sie freute sich, daß wieder einmal von der deutschen                         Tribüne gegen die Franzosen und gegen die Revolution gesprochen war. Sie                         applaudirte demnach so lebhaft, daß Gagern den Ordnungsruf zurücknahm.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar011_004" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl><hi rendition="#g">Frankfurt,</hi> 8.                         Juni.</head>
          <p>Mancherlei Anträge waren schon früher und später über die Sicherstellung der                         Nationalversammlung gegen etwelche Attentate eingereicht, heute kam darüber                         der Bericht zur Verlesung und Herr Wippermann, dem dies Amt oblag, fügte                         hinzu : Allerdings sei Gefahr vorhanden und Dringlichkeit heischender denn                         je. Er wisse es, denn in seinem eigenen Vaterlande sei der Aufruf ergangen,                         alle demokratischen Vereine sollten nach Frankfurt kommen zu Pfingsten, und                         ihre Parole sei für das Parlament, wenn es demokratisch, sonst gegen das                         Parlament. Desgleichen fordre der Aufruf zur Sensenbewaffnung auf und wer                         wisse, wie viele Sensen bereits gen Frankfurt zögen? Der Tag sei                         ausgeschrieben: dringende Noth erheische, sich an den Senat in Frankfurt zu                         wenden und von den umliegenden Regierungen <hi rendition="#g">die nöthigen                             Bajonnette</hi> zu begehren.</p>
          <p>Zwar spottete allgemeines Gelächter des Ehren-Wippermann, allein Wohlderselbe                         fühlte bereits die Sense, dies barbarische Instrument, in seinem Fleische                         wühlen, und mit ihm Schüler aus Jena. Schüler meinte nämlich, die Linke zu                         gewinnen, wenn er zwar keine Bitte um Waffenaufgebot an den Frankfurter                         Senat wolle, wohl aber eine Aufforderung an die Demokraten, sich der                         Herzensangst des Parlaments zu erbarmen und doch ja nicht nach Frankfurt zu                         kommen; denn es liege im Interesse der Linken, keinen falschen Schein auf                         sich zu laden. Dieser beschwichtigende Vorschlag verfehlte seinen Zweck. Der                         ehemalige Mitarbeiter des politischen Wochenblattes, Radowitz, erhebt sich:                         Man möge sich ja nicht über die Gefahr täuschen, sie sei in der That größer                         als man glaube. Man könne nicht läugnen, daß die Nationalversammlung eine                         große Partei, und zwar eben die demokratische, bereits über die Hoffnungen,                         welche man vom Parlament gehegt, <hi rendition="#g">enttäuscht</hi> habe.                         Auch ein nöthiges Losungswort sei bereits gefunden, es heiße : Nieder mit                         der Reaktion. Ehemals habe man als Stichwort Demagoge gebraucht, aber jetzt                         hieße es Reaktionär, und unter dieser Bezeichnung verstehe man Alle, die den                         Wünschen und Forderungen des Volks <hi rendition="#g">aus höhern                             Rücksichten</hi> nicht willfahren wollen. Er fürchte nicht für die                         Personen der Nationalversammlung, sondern für die Folgen eines Angriffs.                         Diese wären unfehlbar : Provisorische Regierung, Proklamirung der Republik,                         Bürgerkrieg, Krieg mit Außen. Drum sei es heilige Pflicht der                         Volksvertreter, einen Sicherheitsausschuß von 3 Personen zu wählen, die sich                         erkundigten, wie stark die Streitkräfte Frankfurts, und danach Truppen von                         außen reklamirten.</p>
          <p>Sie sehen also, daß man es bereits bedauert, nicht in Potsdam zu tagen. Ja,                         ein Wiener, Meyer, denkt schon als Militär auf den Rückzug, und beantragt                         zuerst das englische Gesetz, daß im Umkreis von drei Meilen keinerlei                         größere Versammlungen statt finden sollen, und daß im Fall einer                         Zersprengung die Nationalversammlung sich in Regensburg unter baierischer                         Obhut oder in Wien, wo man bis dahin die alte gute Ordnung der Dinge wieder                         hergestellt zu sehen hofft, auf's neue vereinigen möge.</p>
          <p>Wie Radowitz andeutete: die Vertreter des Volks können sich nicht länger                         verhehlen, daß ihr gefährlichster Antagonist eben das Volk ist. Simon aus                         Trier sagte ihnen dies ziemlich deutlich: Wie es denn so auf einmal komme,                         daß die Nationalversammlung Polizei spielen wolle. Man habe doch früher bei                         der Mainzer Angelegenheit und bei der Ausweisung deutscher Ausländer so sehr                         damit gepocht, daß man keine Polizei sein dürfe; woher diese Inkonsequenz?                         Wenn man sich in der That gestehen müsse, daß man bereits mit der                         Volkspartei so sehr im Widerspruch stehe, um deren Zorn zu fürchten, nun,                         dann sei auch wohl nicht viel an der Nationalversammlung verloren. Die                         Waffen fürchte man, warum denn nur die der Demokraten, die doch nur                         höchstens zu dreihundert hierherzögen, warum nicht die Bayonnette, die man                         zu vielen tausenden berufe?</p>
          <p>Ein donnender Beifall begleitete (trotz der aufgestellten Klaque und der                         Censurmaßregeln des Hrn. Biedermann, bis auf ein Drittel der Gallerie nur                         Billete auf Empfehlung von Deputirten den Eintritt zu gewähren, wobei die                         Empfehlungen der linken Seite selten berücksichtigt werden) <note place="foot">Heute berieth die Rechte abermals, wie man die Gallerie                             ersprießlicher besetzen könne, und da sie erst seit den letzten drei                             Sitzungen jene Sperre von zwei Drittheilen der Emporbühne angeordnet                             hat, ohne den erwünschten Erfolg, meinte sie, man müsse einmal die                             Tribünen räumen.</note> &#x2012; den Redner und die Worte des nach ihm                         folgenden Wesendonck. Die Linke forderte wiederholt den Uebergang zur                         Tagesordnung, allein der Präsident suchte diesen Antrag zu unterdrücken und                         nur eine Ueberweisung der Anträge an eine Kommission (d. h. eine abermalige,                         die es besser verstände, die Sache plausibel zu machen) zur Abstimmung zu                         bringen. Als ihm dies nicht gelang und wirklich der Uebergang zur                         Tagesordnung beschlossen wurde, bemühte er sich, wenigstens aus den Anträgen                         eine Habeas-Corpus-Akte für die Abgeordneten nebst etlichen andern Anträgen                         zu stellen, Trotz des Rufs: zur Tagesordnung! konnte er sich nicht                         überwinden, wenigstens eine Vertagung derselben zu erbitten, in deren Folge                         Soiron den Vorschlag machte, die ganze Angelegenheit an die                         Prioritäts-Kommission zurückzuweisen. Dies wurde mit dem Wesendonckschen                         Zusatze, &#x201E;insoweit die Anträge nicht durch den Uebergang zur Tagesordnung                         erledigt sind,&#x201C; genehmigt, und so behalten die muthigen Bayonnettliebhaber                         wenigstens den Trost, sich demnächst eine Habeas-Corpus-Akte dekretiren zu                         können.</p>
          <p>Nun die Blumsche Angelegenheit.</p>
          <p>Zuvörderst sucht Eisenmann zu ermitteln, jede Partei könne blamirt werden,                         darum sei besser, keine werde blamirt. Aber davon will Blum nichts wissen,                         obgleich ihm unbekannt sey, was Auerswald eigentlich mit seiner Anklage                         bezwecke, da er keinen Antrag gestellt habe. In der Erklärung des                         preußischen Ministers, welche Auerswald erzielt habe, heiße es:</p>
          <p>1) Die preußische Regierung habe in Beziehung auf das Verfassungswerk niemals                         einen Rath (an die fraglichen Regierungen), geschweige einen solchen Rath                         gegeben, wie hier in Rede sey. (Er fragt, ob hierin ein Widerspruch gegen                         die von ihm gegebene Mittheilung liege?)</p>
          <p>2) Wenn nun in Frankfurt behauptet werde, die preußische Regierung habe sich                         durch solch einen Rath eines Verraths schuldig gemacht, so sei dies eine                         Verläumdung. (Blum setzt hinzu, das würde es in der That sein und fährt                         fort):</p>
          <p>Hieraus möge man schließen, wie an das Ministerium berichtet sei. Er habe den                         stenographischen Protokollen gemäß nur folgendes gesagt : das Einzige                         Gegengewicht gegen die konstituirende Nationalversammlung, der preußischen                         Antwort zufolge, sei, daß man möglichst viele Ständeversammlungen berufe,                         und er habe hinzugesetzt : Meine Herren, ich habe Ihnen für die Genauigkeit                         nichts einzusetzen, als &#x201E;ein Ehrenwort,&#x201C; daß es mir so mitgetheilt ist: denn                         mir stehen keine diplomatische Archive zu Gebote, aber es wird nicht schwer                         fallen, falls man mehr wissen will, nähere Erkundigungen einzuziehen.</p>
          <p>Jetzt, da man auf diese unverfängliche Mittheilung eine Anklage, eine                         Verdächtigung gründe, und es nur Mann gegen Mann genüge, ein Ehrenwort zu                         Pfand zu setzen, erkläre er, jedoch nur der Nationalversammlung, daß zwei                         Zeugen aus der Nationalversammlung seine Aussagen unterstützen könnten, da                         er sich in dem delikaten Falle befinde, den Namen seiner Quelle nicht                         preisgeben zu können. Thatsächlich unterstützten ihn aber die wirklich                         stattgefundenen Einberufungen der verschiedenen Ständeversammlungen und eine                         merkwürdige Anmerkung der Redaktion der Vossischen Zeitung zu dem unklaren                         Berichte ihres Korrespondenten in Nro. 173. Leid thue ihm bei der ganzen                         Geschichte am allermeisten, daß der preußische Minister nicht geantwortet                         habe wie der sächsische, er werde sich nie zu solchen Maßregeln                         verstehen.</p>
          <p>Gagern (der Präsident) bemerkt zur Aufklärung, der 50r-Ausschuß habe ein                         Gesuch an den Bundestag gerichtet, dahin zu wirken, daß während der                         Nationalversammlung keine andre Versammlung einberufen werde, und der Bund                         habe dies den Regierungen mitgetheilt; vielleicht sei hieraus jene                         Mittheilung mißverständlich entstanden. Da Blum dies verneint und eine                         Deutung Auerswalds, als als habe er versöhnend einlenken wollen, gleichfalls                         zurückweist, so stellt Auerswald den Antrag seiner gestrigen Beschwerde                         dahin: daß die Nationalversammlung ihre Mißbilligung über Blum's &#x201E;Anklage&#x201C;                         äußern möge. (Heftiges Zischen.) Er sucht hierauf zu beweisen, daß der                         Minister des Auswärtigen, Arnim, ihm im Auftrage auf seine &#x201E;höhern Orts&#x201C;                         eingereichte Beschwerde geantwortet habe und dessen Bescheid vollgültig sey                         und theilt, nachdem er im Ablesen längerer Zeitungsartikel durch den Ruf                         &#x201E;zur Sache&#x201C; und &#x201E;Wie langweilig&#x201C; unterbrochen, ein Schreiben Arnim's vom 4.                         Mai an den Herrn von Röder mit, dahin lautend :</p>
          <p>&#x201E;Man könne den Vorschlag, das Plenum des Bundestags, und zwar namentlich mit                         Prinzen zu beschicken, damit diese als Kandidaten für die zu erwählende                         Centralgewalt aufträten, nicht zweckmäßig finden, ehe nicht der Bund selbst                         neu organisirt sei.</p>
          <p>Dies Dokument wird zu den Akten eingereicht und der Prässdent sieht sich auf                         heftiges Verlangen gemüßigt, zu erklären, daß ein Antrag auf Mißbilligung                         gegen ein Mitglied der Versammlung überall unstatthaft sei, da nur ihm eine                         Zurechtweisung auf frischer That zustehe.</p>
          <p>Jetzt sucht noch Lichnowsky eine Lanze für Auerswald zu brechen und Blum zu                         verdächtigen. Allein der Donquixote des Parlaments erreicht nur seinen                         regelmäßigen Zweck, zur Heiterkeit des Publikums zu dienen und sich ein &#x201E;von                         der Tribüne!&#x201C; zu erringen. Schaffrath zürnt, daß Blum überhaupt auf eine                         solche Anschuldigung geantwortet und nicht lieber den Stolz des Schweigens                         entgegengesetzt habe. Das Volk würde schon entschieden haben, wem es Glauben                         beimessen solle, einem Auerswald oder einem Blum. Hier dürfe Niemand                         beschuldigt werden, bis die <hi rendition="#g">Beweise</hi> einer Unwahrheit                         vorlägen. Ihm scheine als seien die Feinde der Preßfreiheit auch Feinde der                         Redefreiheit. Draußen übten sie Censur der Presse, in der Paulskirche                         wollten sie Censur der Rede üben. Blum habe nichts zu beweisen, da er nur                         eine Mittheilung berichtet habe, ihm scheinen sogar die Berufung auf zwei                         Ehrenmänner zuviel zugestanden. (Diese nennen sich: Dr. Joseph Hermann, und                         Dr. J. Georg Günther).</p>
          <p>Es wurde nun zur Tagesordnung übergegangen, die Sitzung wurde geschlossen.                         Nachdem man über 4 Stunden wiederum nur Redeübung gehalten hatte. Doch nein,                         ein Resultat ging vorauf, nämlich der Bericht des Marine-Ausschusses. Dieser                         ist zu dem Ergebniß gekommen,</p>
          <p>a) 4 Hauptfragen für seine Aufgabe aufzustellen:</p>
          <p>1. Welche Bedingungen die deutsche Kriegsmarine zu erfüllen habe,</p>
          <p>2. welche Mittel in Bezug auf Zahl und Art der Schiffe dazu geeignet                         seien,</p>
          <p>3. welche Geldmittel erfordert werden,</p>
          <p>4. In welche natürliche Zeitabschnitte die gesammte Bildung der deutschen                         Flotte zerfalle?</p>
          <p>b) In Erwägung, daß der Ausschuß diese Fragen sobald nicht beantworten könne,                         stelle er den Antrag:</p>
          <p>&#x201E;Hohe National-Versammlung wolle beschließen, daß die hohe Bundes-Versammlung                         zu veranlassen sei, die Summe von 6 Millionen Thalern auf verfassungsmäßigem                         Wege verfügbar zu machen, und zwar 3 Millionen sofort und die ferneren 3                         Millionen nach Maßgabe des Bedürfnisses.&#x201C;</p>
          <p>Diese 3 Millionen Thaler sollen, da man vorerst der Linienschiffe nicht                         bedürfe, folgendermaßen verwendet werden:</p>
          <table>
            <row>
              <cell>2 Fregatten zu 42 bis 56 Kan. à 450,000 Rth. &#x2012; 900,000 Rth.<lb/>
4                                 Korvetten zu 22 bis 32 Kan. à 220,000 Rth. &#x2012; 880,000 Rth.<lb/>
2                                 Dampfschiffe zu 500 Pferdekraft à 400,000 Rth. &#x2012; 800,000 Rth.<lb/>
4                                 Dampfschiffe zu 350 Pferdekraft à 300,500 Rth. &#x2012; 1,200,000                                 Rth.<lb/>
200 Kanonen à 7,000 Rth. &#x2012; 1,400,000 Rth.<lb/></cell>
            </row>
          </table>
          <p>Der Rest mit 780,000 bis 800,000 Rthlr. sei für Hafen und Arsenalanlagen zu                         verwenden.</p>
          <p>Wir müssen abwarten, ob die drei Millionen und die Flotte so schnell flott                         werden, wie die Rechnung in Aussicht stellt.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar011_005" type="jArticle">
          <head><hi rendition="#g">Frankfurt,</hi> 9. Juni, 21/2 Uhr.</head>
          <p>Die Nationalversammlung hat so eben folgenden Beschluß gefaßt: &#x201E;Die deutsche                         Nationalversammlung erklärt, daß die schleswigsche Sache, als eine                         Angelegenheit der deutschen Nation, zu dem Bereich ihrer Wirksamkeit gehört,                         und verlangt, daß energische Maßregeln getroffen werden, um den Krieg zu                         Ende zu führen, daß aber bei dem Abschluß des Friedens mit Dänemark das                         Recht der Herzogthümer Schleswig und Holstein und die Ehre Deutschlands                         gewahrt werde.&#x201C; Ueber den beantragten Zusatz: &#x201E;und daß der abgeschlossene                         Friede der Nationalversammlung zur Genehmigung vorgelegt werde,&#x201C; ist in                         diesem Augenblick noch nicht abgestimmt.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar011_006" type="jArticle">
          <head><bibl><author>7</author></bibl><hi rendition="#g">Berlin,</hi> 8.                         Juni.</head>
          <p>Mitten in einer Debatte über den Verfassungsentwurf, ob der von dem                         Ministerium vorgelegte zur Grundlage genommen werden solle oder nicht,                         erschien heut der Prinz von Preußen in der Vereinbarungs-Versammlung. Einige                         Mitglieder der Rechten erhoben sich; von allen Seiten hören wir aber                         sogleich die Stimmen: Sitzen bleiben! Sitzen bleiben! Der Präsident Milde                         gibt dem Prinzen als Abgeordneten des Wirsitzer Kreises in einer                         persönlichen Angelegenheit das Wort. Derselbe besteigt die Tribune und hält,                         wir möchten sagen, eine Thronrede: &#x201E;Vermöge der auf mich gefallenen Wahl,                         bin ich berechtigt, in Ihrer Mitte zu erscheinen; bereits gestern würde ich                         hierher geeilt sein, wenn es nicht ein Tag unauslöschlicher Trauer gewesen                         wäre, der mich im Schooße meiner Familie zurückhielt. Heute bin ich hierher                         geeilt, um zuerst meinen Dank auszusprechen für das Vertrauen, welches mich                         hierhergeführt, dann aber Sie, meine Herren, welche aus allen Ständen des                         Velkes, aus allen Provinzen und allen Klassen hier vereinigt sind, herzlich                         willkommen zu heißen. Nicht Preußen allein, sondern die Welt sieht auf                         unsere Versammlung!!: wir sollen das Verfassungswerk mit unserem Könige                         vereinbaren, welches für lange Zeit die Schicksale der preußischen Nation                         und ihrer Könige feststellen wird. Welch hoher Beruf! Aber je höher dieser                         Beruf, je heiliger muß der Geist und die Gesinnung sein, welche unsere                         Berathungen leiten werden. Die konstitutionelle Monarchie ist die                         Regierungsform, welche <hi rendition="#g">der König uns vorgezeichnet                             hat;</hi> dieser werde ich alle meine Kräfte weihen, wie ich dieselben                         den früheren Verhältnissen stets gewidmet habe. Mein Charakter liegt Ihnen                         offen vor, alle meine Kräfte sind dem Heile des Vaterlandes geweiht gewesen.                         So stehe ich jetzt wieder in Ihrer Mitte, um mitzuwirken, daß die uns                         gestellte Aufgabe zu einem glücklichen Ziele geleitet werde.&#x201C; Der Prinz                         fordert den Präsidenten auf, da seine anderweitigen Geschäfte es ihm nicht                         gestatten, regelmäßig den Versammlungen beizuwohnen, seiner Stellvertreter                         einzuberufen. Er schließt seine Rede dann mit den Phrase: &#x201E;Uns alle aber,                         meine Herren, leitet den Ruf und Wahlspruch der Preußen, der sich so oft                         bewährt hat: Mit Gott für König und Vaterland!&#x201C; Der Prinz scheint ein Hurrah                         zu erwarten. Einzelne Stimmen erheben sich auf der Rechten, werden aber                         sogleich durch das Zischen von verschiedenen Seiten erdrückt. Der Prinz                         verläßt die Versammlung und wird auf der Straße von einigen, wahrscheinlich                         bestellten Leuten mit Hurrah empfangen; dies zieht sogleich die                         Vorübergehenden und die im Kastanienwalde sich aufhaltende Menge herbei, die                         ihm durch Pfeifen und Zischen ihre Sympathien zu erkennen gibt. Seine                         Kalesche fliegt davon. &#x2012; Der Abgeordnete d'Ester besteigt, nachdem der Prinz                         den Saal verlassen, die Tribüne und knüpft wieder an die über den                         Verfassungsentwurf abgebrochene Debatte an. Der Präsident Milde hatte                         nämlich beantragt: die Abtheilungen möchten den Titel II des vorgelegten                         Entwurfs zuerst berathen, wurde aber vom Abgeordneten Temme darauf                         hingewiesen, daß es eben noch ganz ungewiß sei, ob nicht ein neuer Entwurf                         als Grundlage für die Berathungen verfaßt werden würde. D'Ester will also                         die Frage gestellt wissen: ob die Versammlung den vom Ministerium                         vorgelegten Entwurf beibehalten wolle oder nicht. Der Präsident zog, nachdem                         noch einige Redner gegen seinen Antrag gesprochen, denselben zurück. Darauf                         wieder ein in unserer Vereinbarungs-Versammlung ganz gewöhnlicher Vorfall.                         Der Abgeordnete Ruhr klagt den Präsidenten an, er habe einige Petitionen,                         die er ihn an die Versammlung zu vertheilen bat, zurückgewiesen. Es entsteht                         daraus ein fürchterlicher Lärm, bei dem sich besonders wie immer Hr. v.                         Wangenheim, Abg. aus Saatzig, der sich nur auf die linke Seite gesetzt zu                         haben scheint, um dort Skandal zu machen, ganz besonders auszeichnet.                         Endlich wird wieder die Ruhe hergestellt und man geht zur Tagesordnung über.                         Berends aus Berlin hat das Wort. Er stellt den Antrag: Die Versammlung soll                         ein Anerkennung der Revolution zu Protokoll erklären, daß die Kämpfer des                         18. und 19. März sich um das Vaterland verdient gemacht haben. Der Antrag                         wird sehr zahlreich unterstützt und Herr Berends entwickelt denselben. Er                         opponirt gegen die Ansicht des Ministerpräsidenten, daß die neue Verfassung                         des Staates an die alte angeknüpft werden müsse. Hierin liege die Meinung,                         daß eine wirkliche Revolution <hi rendition="#g">nicht</hi> stattgefunden                         habe, daß sie nicht nöthig gewesen sei, ferner daß die Rechte des Volkes vom                         Könige bewilligt oder vom vereinigten Landtage ausgegangen sind. Der Redner                         erinnert hierauf an die Bewegung, welche durch ganz Preußen, durch ganz                         Deutschland zitterte, daß der Kampf nicht überflüssig gewesen, weil erstlich                         nicht Alles bewilligt, zweitens die Verheißungen dem Volke keine Garantien                         gewesen. Die Garantien für die Unverletzlichkeit der Volksrechte hat                         dasselbe sich erobert, indem es am 19. März die Bürgerbewaffnung                         durchsetzte. Der Kampf war eine gewaltige Katastrophe und erst durch diese                         Katastrophe ist die Umgestaltung des Staatslebens zur wirklichen Wahrheit                         geworden. Deßhalb fordert der Redner, daß die Kämpfer vom 18. und 19. März                         sich um das Vaterland verdient gemacht haben. Wir müssen hier bemerken, daß                         die Versammlung zu unserem Erstaunen nach dem Vortrage eines Abgeordneten                         der Linken, dem ein sehr lebhafter Beifall zu Theil wurde, heute zum                         Erstenmal eine sehr ernste, parlamentarische, der Frage angemessene Haltung                         annahm. Diese behielt sie bis zum Schluß der Sitzung. Herr Reygers stellt                         einen Antrag auf Tagesordnung. Er findet keine Unterstützung. Wir haben                         dieses Resultat sicher unserer Sonntagsdemonstration zuzuschreiben. Ein sehr                         breites, konfuses Amendement des Abg. Brehmer wird gleich verworfen. Der                         Abg. Schultze will einen Zusatz, wonach auch das Berliner Volk wegen seiner                         Haltung nach dem Kampfe eine Anerkennung erhalten sollte. Es erhebt sich                         hierauf eine sehr interessante Debatte, an welcher sich auch die Minister                         betheiligen. Camphausen fürchtet, daß die Annahme des Antrages zu neuen                         Unruhen anstatt zur Versöhnung führen könnte. Er sieht in der Form des                         Antrages eine Nachahmung ähnlicher Anträge, die in der englischen und                         französischen Revolution gestellt worden, in Revolutionen, die nothwendig                         zur Diktatur führen müßten. Er protestirt dagegen im Namen des Volkes von                         Berlin, unter dessen Schutz sich der König gestellt. Er will also eine                         andere Form für den Antrag. Hansemann möchte ihn bis morgen vertagen. Die                         Minister, die die Versammlung für den Antrag geneigt sahen, bekamen                         entschieden Angst und Herr Schwerin äußert unverhohlen, er werde ja nach der                         Abstimmung wissen, was er zu thun habe. Es scheint uns jetzt ziemlich                         sicher, daß das Kabinet in seiner jetzigen Zusammensetzung nicht lange                         bestehen wird. Für den Antrag haben mit gutem Erfolge Jacoby, Reichenbach,                         Schulz aus Wanzleben, v. Berg und Stein gesprochen. Die Debatte wird in der                         morgigen Sitzung wieder aufgenommen. Es steht ziemlich fest, daß die                         demokratische Partei hier den ersten Sieg erringen wird, denn die Rechte ist                         zu feig, ein historisches Faktum, die Revolution gradezu zu läugnen. Die                         Linke wird, wenn es nöthig wäre, auf namentliche Abstimmung dringen.</p>
          <p>Morgen Abend bringen die Studenten und der Handwerkerverein dem französischen                         Gesandten ein Ständchen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar011_007" type="jArticle">
          <head><hi rendition="#g">Breslau,</hi> 31. Mai.</head>
          <p>Wie fast überall, so hatte auch hier in der letzten Zeit die Energie des                         Bürgerthums sehr nachgelassen. Die schwankenden Zustände, die Lähmung des                         Handels und der Gewerbe, die fortdauernden Störungen der Ruhe, das                         Wachestehen, Patroulliren etc., hatte nach und nach entmuthigend auf sehr                         viele Bürger gewirkt. Und da in dieser Zeit der demokratische Verein in                         Breslau ausschließlich seine entschlossene Haltung behielt, so begannen auch                         von Seiten des Breslauer Bürgerthums offene und geheime Angriffe gegen ihn.                         Die Bekanntmachung des neuen Verfassungsentwurfs und die Adressen des                         Militärs an den demokratischen Verein in Breslau, welche dieser in Folge                         eines Aufrufs an die Soldaten, gegen den das Associations- und                         Petitionsrecht beschränkenden Ministererlaß zu protestiren, veranlaßte,                         haben die demokratische Partei Schlesiens wesentlich verstärkt. Den                         reaktionären Erklärungen gegenüber verdient die von Soldaten des zehnten                         Infanterieregiments und namentlich die von 1145 Landwehrmännern besondere                         Aufmerksamkeit. Letztere sagen u. A.: &#x201E;Wir werden denen <hi rendition="#g">nicht</hi> folgen, welche gern die alten knechtischen Zustände                         herbeiführen möchten, unter denen ihnen so wohl war. Wir haben <hi rendition="#g">auch</hi> dem Könige den Soldateneid geschworen; aber wir                         müßten keinen Funken von Ehrlichkeit, von Bewußtsein unserer Menschenwürde,                         von Bruderliebe haben, wir müßten uns im Zustande eines russischen                         Kosakenthums und der Knute befinden, wenn wir über diesem Eide die heiligen                         Pflichten gegen unsere Brüder, das Volk, oder, was dasselbe ist, gegen das                         Vaterland, vergessen sollten, die uns unsere jetzige Zeit mit Flammenschrift                         vor die Augen hält. Die Pflichten aber, welche wir jetzt gegen das Volk zu                         erfüllen haben, sind die Erhaltung und Sicherung seiner heiligen Rechte; nur                         dadurch hoffen wir zugleich die Stütze des Thrones zu sein. Wir bilden uns                         aber nicht thörichter und lächerlicher Weise ein, daß wir allein die Stützen                         des Thrones ohne das Volk sein könnten, wir kennen auch keinen Thron und                         Staat ohne das Volk. Wir Landwehrmänner sind nicht noch um 100 Jahre zurück                         und daher so bornirt und unwissend, daß wir nicht begreifen sollten, wir                         selbst seien ein Theil des Volkes, mit dem wir stehen und fallen. Daher                         betrachten wir auch diejenigen als unsere Feinde, welche die heiligen Rechte                         des Volkes und dadurch zugleich die des Königs angreifen oder auf Schrauben                         stellen wollen, u. s. w.&#x201C; Gegen jene Feinde, bemerken sie schließlich,                         würden sie eben so heldenmüthig kämpfen, als ihre Landwehrbrüder 1813, 1814                         und 1815 dies gethan.</p>
          <bibl>(O.-P.-A.-Z.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar011_008" type="jArticle">
          <head><hi rendition="#g">Breslau.</hi> 4. Juni.</head>
          <p>Die mobile reitende Kompagnie ist aus der Gegend von Glatz heute hier                         eingerückt. Die beiden mobilen Fußbatterien Nr. 26 und 27 verlassen dagegen                         Breslau und werden in die nächste Umgegend verlegt. Auch, heißt es, sollen                         das 5. und 6. Husarenregiment in die Umgebungen der Stadt rücken, so wie                         auch ein Landwehrbataillon aus Oberschlesien. Es sind in dieser                         Truppen-Umzingelung alle Anzeichen vorhanden, daß ein großer Hand-
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0048/0002] 15 Frankfurt, 7. Juni. Die heutige Sitzung begann mit einer schönen Versöhnungsscene, wie sie nur bei der hier betriebenen Gemüthspolitik zu Stande kommen konnte. Es sind zwar einige Charaktere, die rechts und links zu scharf ausgeprägt sind, als daß sie, wenn ihre Worte auch noch so mild wären, bis in die Herzensregion ihrer Gegner vordringen könnten; aber Jacob Benedey gehört nicht zu diesen Ecksteinen des Anstoßes, und obwohl er sich brav zur Linken hält, verzog doch das ehrenwerthe Gros der Rechten keine Miene zum Lachen, als er das blonde Lockenhaupt zu ihr hinwiegte und von dem „tiefen Schmerze“ sprach, mit dem sein Gemüth die Tribüne betrete. Er reklamirte nämlich gegen das Protokoll, in welchem stand, daß er wegen ausgestoßener Drohungen zur Ordnung gerufen sei. Benedey sollte gedroht haben? Unmöglich! Es war zwar ein bedenklicher Anlaß; aber Venedey hatte wirklich nicht gedroht; mein Himmel, wie konnte man ihn so mißverstehn! er hatte nur eine Erinnerung an die Geschichte der französischen Revolution der Rechten an's Herz legen wollen. Der Rechten? o nein, wir Alle sind Sünder oder könnten es werden. Lassen Sie uns weder rechts noch links die Redner niedertrommeln, Sie sehen aus der französischen Revolution, wohin das geführt hat; „und wir werden hoffentlich etwas anderes zu Stande bringen als die Franzosen!“ Das verfehlte freilich seine Wirkung nicht. Die Rechte ärgerte sich über die erneute Mahnung, aber sie freute sich, daß wieder einmal von der deutschen Tribüne gegen die Franzosen und gegen die Revolution gesprochen war. Sie applaudirte demnach so lebhaft, daß Gagern den Ordnungsruf zurücknahm. *Frankfurt, 8. Juni. Mancherlei Anträge waren schon früher und später über die Sicherstellung der Nationalversammlung gegen etwelche Attentate eingereicht, heute kam darüber der Bericht zur Verlesung und Herr Wippermann, dem dies Amt oblag, fügte hinzu : Allerdings sei Gefahr vorhanden und Dringlichkeit heischender denn je. Er wisse es, denn in seinem eigenen Vaterlande sei der Aufruf ergangen, alle demokratischen Vereine sollten nach Frankfurt kommen zu Pfingsten, und ihre Parole sei für das Parlament, wenn es demokratisch, sonst gegen das Parlament. Desgleichen fordre der Aufruf zur Sensenbewaffnung auf und wer wisse, wie viele Sensen bereits gen Frankfurt zögen? Der Tag sei ausgeschrieben: dringende Noth erheische, sich an den Senat in Frankfurt zu wenden und von den umliegenden Regierungen die nöthigen Bajonnette zu begehren. Zwar spottete allgemeines Gelächter des Ehren-Wippermann, allein Wohlderselbe fühlte bereits die Sense, dies barbarische Instrument, in seinem Fleische wühlen, und mit ihm Schüler aus Jena. Schüler meinte nämlich, die Linke zu gewinnen, wenn er zwar keine Bitte um Waffenaufgebot an den Frankfurter Senat wolle, wohl aber eine Aufforderung an die Demokraten, sich der Herzensangst des Parlaments zu erbarmen und doch ja nicht nach Frankfurt zu kommen; denn es liege im Interesse der Linken, keinen falschen Schein auf sich zu laden. Dieser beschwichtigende Vorschlag verfehlte seinen Zweck. Der ehemalige Mitarbeiter des politischen Wochenblattes, Radowitz, erhebt sich: Man möge sich ja nicht über die Gefahr täuschen, sie sei in der That größer als man glaube. Man könne nicht läugnen, daß die Nationalversammlung eine große Partei, und zwar eben die demokratische, bereits über die Hoffnungen, welche man vom Parlament gehegt, enttäuscht habe. Auch ein nöthiges Losungswort sei bereits gefunden, es heiße : Nieder mit der Reaktion. Ehemals habe man als Stichwort Demagoge gebraucht, aber jetzt hieße es Reaktionär, und unter dieser Bezeichnung verstehe man Alle, die den Wünschen und Forderungen des Volks aus höhern Rücksichten nicht willfahren wollen. Er fürchte nicht für die Personen der Nationalversammlung, sondern für die Folgen eines Angriffs. Diese wären unfehlbar : Provisorische Regierung, Proklamirung der Republik, Bürgerkrieg, Krieg mit Außen. Drum sei es heilige Pflicht der Volksvertreter, einen Sicherheitsausschuß von 3 Personen zu wählen, die sich erkundigten, wie stark die Streitkräfte Frankfurts, und danach Truppen von außen reklamirten. Sie sehen also, daß man es bereits bedauert, nicht in Potsdam zu tagen. Ja, ein Wiener, Meyer, denkt schon als Militär auf den Rückzug, und beantragt zuerst das englische Gesetz, daß im Umkreis von drei Meilen keinerlei größere Versammlungen statt finden sollen, und daß im Fall einer Zersprengung die Nationalversammlung sich in Regensburg unter baierischer Obhut oder in Wien, wo man bis dahin die alte gute Ordnung der Dinge wieder hergestellt zu sehen hofft, auf's neue vereinigen möge. Wie Radowitz andeutete: die Vertreter des Volks können sich nicht länger verhehlen, daß ihr gefährlichster Antagonist eben das Volk ist. Simon aus Trier sagte ihnen dies ziemlich deutlich: Wie es denn so auf einmal komme, daß die Nationalversammlung Polizei spielen wolle. Man habe doch früher bei der Mainzer Angelegenheit und bei der Ausweisung deutscher Ausländer so sehr damit gepocht, daß man keine Polizei sein dürfe; woher diese Inkonsequenz? Wenn man sich in der That gestehen müsse, daß man bereits mit der Volkspartei so sehr im Widerspruch stehe, um deren Zorn zu fürchten, nun, dann sei auch wohl nicht viel an der Nationalversammlung verloren. Die Waffen fürchte man, warum denn nur die der Demokraten, die doch nur höchstens zu dreihundert hierherzögen, warum nicht die Bayonnette, die man zu vielen tausenden berufe? Ein donnender Beifall begleitete (trotz der aufgestellten Klaque und der Censurmaßregeln des Hrn. Biedermann, bis auf ein Drittel der Gallerie nur Billete auf Empfehlung von Deputirten den Eintritt zu gewähren, wobei die Empfehlungen der linken Seite selten berücksichtigt werden) ‒ den Redner und die Worte des nach ihm folgenden Wesendonck. Die Linke forderte wiederholt den Uebergang zur Tagesordnung, allein der Präsident suchte diesen Antrag zu unterdrücken und nur eine Ueberweisung der Anträge an eine Kommission (d. h. eine abermalige, die es besser verstände, die Sache plausibel zu machen) zur Abstimmung zu bringen. Als ihm dies nicht gelang und wirklich der Uebergang zur Tagesordnung beschlossen wurde, bemühte er sich, wenigstens aus den Anträgen eine Habeas-Corpus-Akte für die Abgeordneten nebst etlichen andern Anträgen zu stellen, Trotz des Rufs: zur Tagesordnung! konnte er sich nicht überwinden, wenigstens eine Vertagung derselben zu erbitten, in deren Folge Soiron den Vorschlag machte, die ganze Angelegenheit an die Prioritäts-Kommission zurückzuweisen. Dies wurde mit dem Wesendonckschen Zusatze, „insoweit die Anträge nicht durch den Uebergang zur Tagesordnung erledigt sind,“ genehmigt, und so behalten die muthigen Bayonnettliebhaber wenigstens den Trost, sich demnächst eine Habeas-Corpus-Akte dekretiren zu können. Nun die Blumsche Angelegenheit. Zuvörderst sucht Eisenmann zu ermitteln, jede Partei könne blamirt werden, darum sei besser, keine werde blamirt. Aber davon will Blum nichts wissen, obgleich ihm unbekannt sey, was Auerswald eigentlich mit seiner Anklage bezwecke, da er keinen Antrag gestellt habe. In der Erklärung des preußischen Ministers, welche Auerswald erzielt habe, heiße es: 1) Die preußische Regierung habe in Beziehung auf das Verfassungswerk niemals einen Rath (an die fraglichen Regierungen), geschweige einen solchen Rath gegeben, wie hier in Rede sey. (Er fragt, ob hierin ein Widerspruch gegen die von ihm gegebene Mittheilung liege?) 2) Wenn nun in Frankfurt behauptet werde, die preußische Regierung habe sich durch solch einen Rath eines Verraths schuldig gemacht, so sei dies eine Verläumdung. (Blum setzt hinzu, das würde es in der That sein und fährt fort): Hieraus möge man schließen, wie an das Ministerium berichtet sei. Er habe den stenographischen Protokollen gemäß nur folgendes gesagt : das Einzige Gegengewicht gegen die konstituirende Nationalversammlung, der preußischen Antwort zufolge, sei, daß man möglichst viele Ständeversammlungen berufe, und er habe hinzugesetzt : Meine Herren, ich habe Ihnen für die Genauigkeit nichts einzusetzen, als „ein Ehrenwort,“ daß es mir so mitgetheilt ist: denn mir stehen keine diplomatische Archive zu Gebote, aber es wird nicht schwer fallen, falls man mehr wissen will, nähere Erkundigungen einzuziehen. Jetzt, da man auf diese unverfängliche Mittheilung eine Anklage, eine Verdächtigung gründe, und es nur Mann gegen Mann genüge, ein Ehrenwort zu Pfand zu setzen, erkläre er, jedoch nur der Nationalversammlung, daß zwei Zeugen aus der Nationalversammlung seine Aussagen unterstützen könnten, da er sich in dem delikaten Falle befinde, den Namen seiner Quelle nicht preisgeben zu können. Thatsächlich unterstützten ihn aber die wirklich stattgefundenen Einberufungen der verschiedenen Ständeversammlungen und eine merkwürdige Anmerkung der Redaktion der Vossischen Zeitung zu dem unklaren Berichte ihres Korrespondenten in Nro. 173. Leid thue ihm bei der ganzen Geschichte am allermeisten, daß der preußische Minister nicht geantwortet habe wie der sächsische, er werde sich nie zu solchen Maßregeln verstehen. Gagern (der Präsident) bemerkt zur Aufklärung, der 50r-Ausschuß habe ein Gesuch an den Bundestag gerichtet, dahin zu wirken, daß während der Nationalversammlung keine andre Versammlung einberufen werde, und der Bund habe dies den Regierungen mitgetheilt; vielleicht sei hieraus jene Mittheilung mißverständlich entstanden. Da Blum dies verneint und eine Deutung Auerswalds, als als habe er versöhnend einlenken wollen, gleichfalls zurückweist, so stellt Auerswald den Antrag seiner gestrigen Beschwerde dahin: daß die Nationalversammlung ihre Mißbilligung über Blum's „Anklage“ äußern möge. (Heftiges Zischen.) Er sucht hierauf zu beweisen, daß der Minister des Auswärtigen, Arnim, ihm im Auftrage auf seine „höhern Orts“ eingereichte Beschwerde geantwortet habe und dessen Bescheid vollgültig sey und theilt, nachdem er im Ablesen längerer Zeitungsartikel durch den Ruf „zur Sache“ und „Wie langweilig“ unterbrochen, ein Schreiben Arnim's vom 4. Mai an den Herrn von Röder mit, dahin lautend : „Man könne den Vorschlag, das Plenum des Bundestags, und zwar namentlich mit Prinzen zu beschicken, damit diese als Kandidaten für die zu erwählende Centralgewalt aufträten, nicht zweckmäßig finden, ehe nicht der Bund selbst neu organisirt sei. Dies Dokument wird zu den Akten eingereicht und der Prässdent sieht sich auf heftiges Verlangen gemüßigt, zu erklären, daß ein Antrag auf Mißbilligung gegen ein Mitglied der Versammlung überall unstatthaft sei, da nur ihm eine Zurechtweisung auf frischer That zustehe. Jetzt sucht noch Lichnowsky eine Lanze für Auerswald zu brechen und Blum zu verdächtigen. Allein der Donquixote des Parlaments erreicht nur seinen regelmäßigen Zweck, zur Heiterkeit des Publikums zu dienen und sich ein „von der Tribüne!“ zu erringen. Schaffrath zürnt, daß Blum überhaupt auf eine solche Anschuldigung geantwortet und nicht lieber den Stolz des Schweigens entgegengesetzt habe. Das Volk würde schon entschieden haben, wem es Glauben beimessen solle, einem Auerswald oder einem Blum. Hier dürfe Niemand beschuldigt werden, bis die Beweise einer Unwahrheit vorlägen. Ihm scheine als seien die Feinde der Preßfreiheit auch Feinde der Redefreiheit. Draußen übten sie Censur der Presse, in der Paulskirche wollten sie Censur der Rede üben. Blum habe nichts zu beweisen, da er nur eine Mittheilung berichtet habe, ihm scheinen sogar die Berufung auf zwei Ehrenmänner zuviel zugestanden. (Diese nennen sich: Dr. Joseph Hermann, und Dr. J. Georg Günther). Es wurde nun zur Tagesordnung übergegangen, die Sitzung wurde geschlossen. Nachdem man über 4 Stunden wiederum nur Redeübung gehalten hatte. Doch nein, ein Resultat ging vorauf, nämlich der Bericht des Marine-Ausschusses. Dieser ist zu dem Ergebniß gekommen, a) 4 Hauptfragen für seine Aufgabe aufzustellen: 1. Welche Bedingungen die deutsche Kriegsmarine zu erfüllen habe, 2. welche Mittel in Bezug auf Zahl und Art der Schiffe dazu geeignet seien, 3. welche Geldmittel erfordert werden, 4. In welche natürliche Zeitabschnitte die gesammte Bildung der deutschen Flotte zerfalle? b) In Erwägung, daß der Ausschuß diese Fragen sobald nicht beantworten könne, stelle er den Antrag: „Hohe National-Versammlung wolle beschließen, daß die hohe Bundes-Versammlung zu veranlassen sei, die Summe von 6 Millionen Thalern auf verfassungsmäßigem Wege verfügbar zu machen, und zwar 3 Millionen sofort und die ferneren 3 Millionen nach Maßgabe des Bedürfnisses.“ Diese 3 Millionen Thaler sollen, da man vorerst der Linienschiffe nicht bedürfe, folgendermaßen verwendet werden: 2 Fregatten zu 42 bis 56 Kan. à 450,000 Rth. ‒ 900,000 Rth. 4 Korvetten zu 22 bis 32 Kan. à 220,000 Rth. ‒ 880,000 Rth. 2 Dampfschiffe zu 500 Pferdekraft à 400,000 Rth. ‒ 800,000 Rth. 4 Dampfschiffe zu 350 Pferdekraft à 300,500 Rth. ‒ 1,200,000 Rth. 200 Kanonen à 7,000 Rth. ‒ 1,400,000 Rth. Der Rest mit 780,000 bis 800,000 Rthlr. sei für Hafen und Arsenalanlagen zu verwenden. Wir müssen abwarten, ob die drei Millionen und die Flotte so schnell flott werden, wie die Rechnung in Aussicht stellt. Frankfurt, 9. Juni, 21/2 Uhr. Die Nationalversammlung hat so eben folgenden Beschluß gefaßt: „Die deutsche Nationalversammlung erklärt, daß die schleswigsche Sache, als eine Angelegenheit der deutschen Nation, zu dem Bereich ihrer Wirksamkeit gehört, und verlangt, daß energische Maßregeln getroffen werden, um den Krieg zu Ende zu führen, daß aber bei dem Abschluß des Friedens mit Dänemark das Recht der Herzogthümer Schleswig und Holstein und die Ehre Deutschlands gewahrt werde.“ Ueber den beantragten Zusatz: „und daß der abgeschlossene Friede der Nationalversammlung zur Genehmigung vorgelegt werde,“ ist in diesem Augenblick noch nicht abgestimmt. 7Berlin, 8. Juni. Mitten in einer Debatte über den Verfassungsentwurf, ob der von dem Ministerium vorgelegte zur Grundlage genommen werden solle oder nicht, erschien heut der Prinz von Preußen in der Vereinbarungs-Versammlung. Einige Mitglieder der Rechten erhoben sich; von allen Seiten hören wir aber sogleich die Stimmen: Sitzen bleiben! Sitzen bleiben! Der Präsident Milde gibt dem Prinzen als Abgeordneten des Wirsitzer Kreises in einer persönlichen Angelegenheit das Wort. Derselbe besteigt die Tribune und hält, wir möchten sagen, eine Thronrede: „Vermöge der auf mich gefallenen Wahl, bin ich berechtigt, in Ihrer Mitte zu erscheinen; bereits gestern würde ich hierher geeilt sein, wenn es nicht ein Tag unauslöschlicher Trauer gewesen wäre, der mich im Schooße meiner Familie zurückhielt. Heute bin ich hierher geeilt, um zuerst meinen Dank auszusprechen für das Vertrauen, welches mich hierhergeführt, dann aber Sie, meine Herren, welche aus allen Ständen des Velkes, aus allen Provinzen und allen Klassen hier vereinigt sind, herzlich willkommen zu heißen. Nicht Preußen allein, sondern die Welt sieht auf unsere Versammlung!!: wir sollen das Verfassungswerk mit unserem Könige vereinbaren, welches für lange Zeit die Schicksale der preußischen Nation und ihrer Könige feststellen wird. Welch hoher Beruf! Aber je höher dieser Beruf, je heiliger muß der Geist und die Gesinnung sein, welche unsere Berathungen leiten werden. Die konstitutionelle Monarchie ist die Regierungsform, welche der König uns vorgezeichnet hat; dieser werde ich alle meine Kräfte weihen, wie ich dieselben den früheren Verhältnissen stets gewidmet habe. Mein Charakter liegt Ihnen offen vor, alle meine Kräfte sind dem Heile des Vaterlandes geweiht gewesen. So stehe ich jetzt wieder in Ihrer Mitte, um mitzuwirken, daß die uns gestellte Aufgabe zu einem glücklichen Ziele geleitet werde.“ Der Prinz fordert den Präsidenten auf, da seine anderweitigen Geschäfte es ihm nicht gestatten, regelmäßig den Versammlungen beizuwohnen, seiner Stellvertreter einzuberufen. Er schließt seine Rede dann mit den Phrase: „Uns alle aber, meine Herren, leitet den Ruf und Wahlspruch der Preußen, der sich so oft bewährt hat: Mit Gott für König und Vaterland!“ Der Prinz scheint ein Hurrah zu erwarten. Einzelne Stimmen erheben sich auf der Rechten, werden aber sogleich durch das Zischen von verschiedenen Seiten erdrückt. Der Prinz verläßt die Versammlung und wird auf der Straße von einigen, wahrscheinlich bestellten Leuten mit Hurrah empfangen; dies zieht sogleich die Vorübergehenden und die im Kastanienwalde sich aufhaltende Menge herbei, die ihm durch Pfeifen und Zischen ihre Sympathien zu erkennen gibt. Seine Kalesche fliegt davon. ‒ Der Abgeordnete d'Ester besteigt, nachdem der Prinz den Saal verlassen, die Tribüne und knüpft wieder an die über den Verfassungsentwurf abgebrochene Debatte an. Der Präsident Milde hatte nämlich beantragt: die Abtheilungen möchten den Titel II des vorgelegten Entwurfs zuerst berathen, wurde aber vom Abgeordneten Temme darauf hingewiesen, daß es eben noch ganz ungewiß sei, ob nicht ein neuer Entwurf als Grundlage für die Berathungen verfaßt werden würde. D'Ester will also die Frage gestellt wissen: ob die Versammlung den vom Ministerium vorgelegten Entwurf beibehalten wolle oder nicht. Der Präsident zog, nachdem noch einige Redner gegen seinen Antrag gesprochen, denselben zurück. Darauf wieder ein in unserer Vereinbarungs-Versammlung ganz gewöhnlicher Vorfall. Der Abgeordnete Ruhr klagt den Präsidenten an, er habe einige Petitionen, die er ihn an die Versammlung zu vertheilen bat, zurückgewiesen. Es entsteht daraus ein fürchterlicher Lärm, bei dem sich besonders wie immer Hr. v. Wangenheim, Abg. aus Saatzig, der sich nur auf die linke Seite gesetzt zu haben scheint, um dort Skandal zu machen, ganz besonders auszeichnet. Endlich wird wieder die Ruhe hergestellt und man geht zur Tagesordnung über. Berends aus Berlin hat das Wort. Er stellt den Antrag: Die Versammlung soll ein Anerkennung der Revolution zu Protokoll erklären, daß die Kämpfer des 18. und 19. März sich um das Vaterland verdient gemacht haben. Der Antrag wird sehr zahlreich unterstützt und Herr Berends entwickelt denselben. Er opponirt gegen die Ansicht des Ministerpräsidenten, daß die neue Verfassung des Staates an die alte angeknüpft werden müsse. Hierin liege die Meinung, daß eine wirkliche Revolution nicht stattgefunden habe, daß sie nicht nöthig gewesen sei, ferner daß die Rechte des Volkes vom Könige bewilligt oder vom vereinigten Landtage ausgegangen sind. Der Redner erinnert hierauf an die Bewegung, welche durch ganz Preußen, durch ganz Deutschland zitterte, daß der Kampf nicht überflüssig gewesen, weil erstlich nicht Alles bewilligt, zweitens die Verheißungen dem Volke keine Garantien gewesen. Die Garantien für die Unverletzlichkeit der Volksrechte hat dasselbe sich erobert, indem es am 19. März die Bürgerbewaffnung durchsetzte. Der Kampf war eine gewaltige Katastrophe und erst durch diese Katastrophe ist die Umgestaltung des Staatslebens zur wirklichen Wahrheit geworden. Deßhalb fordert der Redner, daß die Kämpfer vom 18. und 19. März sich um das Vaterland verdient gemacht haben. Wir müssen hier bemerken, daß die Versammlung zu unserem Erstaunen nach dem Vortrage eines Abgeordneten der Linken, dem ein sehr lebhafter Beifall zu Theil wurde, heute zum Erstenmal eine sehr ernste, parlamentarische, der Frage angemessene Haltung annahm. Diese behielt sie bis zum Schluß der Sitzung. Herr Reygers stellt einen Antrag auf Tagesordnung. Er findet keine Unterstützung. Wir haben dieses Resultat sicher unserer Sonntagsdemonstration zuzuschreiben. Ein sehr breites, konfuses Amendement des Abg. Brehmer wird gleich verworfen. Der Abg. Schultze will einen Zusatz, wonach auch das Berliner Volk wegen seiner Haltung nach dem Kampfe eine Anerkennung erhalten sollte. Es erhebt sich hierauf eine sehr interessante Debatte, an welcher sich auch die Minister betheiligen. Camphausen fürchtet, daß die Annahme des Antrages zu neuen Unruhen anstatt zur Versöhnung führen könnte. Er sieht in der Form des Antrages eine Nachahmung ähnlicher Anträge, die in der englischen und französischen Revolution gestellt worden, in Revolutionen, die nothwendig zur Diktatur führen müßten. Er protestirt dagegen im Namen des Volkes von Berlin, unter dessen Schutz sich der König gestellt. Er will also eine andere Form für den Antrag. Hansemann möchte ihn bis morgen vertagen. Die Minister, die die Versammlung für den Antrag geneigt sahen, bekamen entschieden Angst und Herr Schwerin äußert unverhohlen, er werde ja nach der Abstimmung wissen, was er zu thun habe. Es scheint uns jetzt ziemlich sicher, daß das Kabinet in seiner jetzigen Zusammensetzung nicht lange bestehen wird. Für den Antrag haben mit gutem Erfolge Jacoby, Reichenbach, Schulz aus Wanzleben, v. Berg und Stein gesprochen. Die Debatte wird in der morgigen Sitzung wieder aufgenommen. Es steht ziemlich fest, daß die demokratische Partei hier den ersten Sieg erringen wird, denn die Rechte ist zu feig, ein historisches Faktum, die Revolution gradezu zu läugnen. Die Linke wird, wenn es nöthig wäre, auf namentliche Abstimmung dringen. Morgen Abend bringen die Studenten und der Handwerkerverein dem französischen Gesandten ein Ständchen. Breslau, 31. Mai. Wie fast überall, so hatte auch hier in der letzten Zeit die Energie des Bürgerthums sehr nachgelassen. Die schwankenden Zustände, die Lähmung des Handels und der Gewerbe, die fortdauernden Störungen der Ruhe, das Wachestehen, Patroulliren etc., hatte nach und nach entmuthigend auf sehr viele Bürger gewirkt. Und da in dieser Zeit der demokratische Verein in Breslau ausschließlich seine entschlossene Haltung behielt, so begannen auch von Seiten des Breslauer Bürgerthums offene und geheime Angriffe gegen ihn. Die Bekanntmachung des neuen Verfassungsentwurfs und die Adressen des Militärs an den demokratischen Verein in Breslau, welche dieser in Folge eines Aufrufs an die Soldaten, gegen den das Associations- und Petitionsrecht beschränkenden Ministererlaß zu protestiren, veranlaßte, haben die demokratische Partei Schlesiens wesentlich verstärkt. Den reaktionären Erklärungen gegenüber verdient die von Soldaten des zehnten Infanterieregiments und namentlich die von 1145 Landwehrmännern besondere Aufmerksamkeit. Letztere sagen u. A.: „Wir werden denen nicht folgen, welche gern die alten knechtischen Zustände herbeiführen möchten, unter denen ihnen so wohl war. Wir haben auch dem Könige den Soldateneid geschworen; aber wir müßten keinen Funken von Ehrlichkeit, von Bewußtsein unserer Menschenwürde, von Bruderliebe haben, wir müßten uns im Zustande eines russischen Kosakenthums und der Knute befinden, wenn wir über diesem Eide die heiligen Pflichten gegen unsere Brüder, das Volk, oder, was dasselbe ist, gegen das Vaterland, vergessen sollten, die uns unsere jetzige Zeit mit Flammenschrift vor die Augen hält. Die Pflichten aber, welche wir jetzt gegen das Volk zu erfüllen haben, sind die Erhaltung und Sicherung seiner heiligen Rechte; nur dadurch hoffen wir zugleich die Stütze des Thrones zu sein. Wir bilden uns aber nicht thörichter und lächerlicher Weise ein, daß wir allein die Stützen des Thrones ohne das Volk sein könnten, wir kennen auch keinen Thron und Staat ohne das Volk. Wir Landwehrmänner sind nicht noch um 100 Jahre zurück und daher so bornirt und unwissend, daß wir nicht begreifen sollten, wir selbst seien ein Theil des Volkes, mit dem wir stehen und fallen. Daher betrachten wir auch diejenigen als unsere Feinde, welche die heiligen Rechte des Volkes und dadurch zugleich die des Königs angreifen oder auf Schrauben stellen wollen, u. s. w.“ Gegen jene Feinde, bemerken sie schließlich, würden sie eben so heldenmüthig kämpfen, als ihre Landwehrbrüder 1813, 1814 und 1815 dies gethan. (O.-P.-A.-Z.) Breslau. 4. Juni. Die mobile reitende Kompagnie ist aus der Gegend von Glatz heute hier eingerückt. Die beiden mobilen Fußbatterien Nr. 26 und 27 verlassen dagegen Breslau und werden in die nächste Umgegend verlegt. Auch, heißt es, sollen das 5. und 6. Husarenregiment in die Umgebungen der Stadt rücken, so wie auch ein Landwehrbataillon aus Oberschlesien. Es sind in dieser Truppen-Umzingelung alle Anzeichen vorhanden, daß ein großer Hand- Heute berieth die Rechte abermals, wie man die Gallerie ersprießlicher besetzen könne, und da sie erst seit den letzten drei Sitzungen jene Sperre von zwei Drittheilen der Emporbühne angeordnet hat, ohne den erwünschten Erfolg, meinte sie, man müsse einmal die Tribünen räumen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz011_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz011_1848/2
Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 11. Köln, 11. Juni 1848, S. 0048. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz011_1848/2>, abgerufen am 03.12.2024.