Neue Rheinische Zeitung. Nr. 17. Köln, 17. Juni 1848.Berends'schen Antrage auf Anerkennung der Revolution seine Zustimmung nicht gegeben hat. Es wurde angenommen, daß ein Abgeordneter Berlins, der die Revolution und die dadurch zur Geltung gekommene Souveränität des Volkes nicht anerkenne, auch das Vertrauen seiner Wähler nicht besitzen könne. Demzufolge ist fast einstimmig beschlossen worden, den Abgeordneten Bauer über die Gründe seines Verhaltens zu hören. Da derselbe gegen eine zu diesem Zwecke an ihn abgesendete Deputation eine sofortige Erklärung hierüber vor dem Vereine ablehnte, für den Fall aber, daß er das Vertrauen seiner Mandanten verloren habe, sein Mandat niederzulegen sich bereit erklärt hat, ist zur Erledigung dieser wichtigen Angelegenheit eine neue Versammlung auf Mittwoch, den 14. Juni, Abends 6 Uhr, im Konzertsaale des Schauspielhauses angesetzt worden, zu welcher die gesammten Urwähler und Wahlmänner des dritten größeren Wahlbezirks (der Wahlbezirke Nr. 39 bis incl. 63, 68 und 69) hiermit zu recht zahlreichem Erscheinen eingeladen werden. Berlin, den 11. Juni 1848. Das Vereins-Comite des 3. Wahlbezirks. - Die preußische konstituirende Versammlung. (15. Sitzung vom 14. Juni.) Die Sitzung wird Mittags 12 Uhr vom Präs. Milde eröffnet. Gegen das Protokoll der 14. Sitzung findet sich kein erheblicher Widerspruch. Der Präsident läßt ein von ihm an das Staatsministerium unterm 10. Juni gerichtetes Schreiben verlesen, dessen Inhalt sich auf die Vorfälle vom Freitag bezieht. Der Präsident berichtet in demselben über die Deputation, welche die vor der Singakademie versammelte Menge in Betreff der Abstimmung über den Berends'schen Antrag an dem erwähnten Tage an ihn gesandt, die Antwort, die er der Deputation ertheilt, die gegen die Herren v. Arnim und Sydow geschehenen Thätlichkeiten, das Benehmen der in der Nähe aufgestellten Bürgerwehr, welche, wie er aus guter Quelle wisse, sich des Ministers v. Arnim anzunehmen geweigert habe. Am Schlusse des Schreibens wird das Ministerium um strenge Untersuchung und gerichtliche Verfolgung der Urheber und Vollstrecker jener Insulten, sowie um Schutz gegen größere Zusammenrottungen in der Umgegend des Sitzungs-Gebäudes der National-Versammlung ersucht. Abg. Temme beklagt die bedauerlichen Vorgänge, würde jedoch einem Antrage auf Verlegung der National-Versammlung, eben so wie einem kürzlich in Paris erlassenen Gesetz gegen Attroupements nicht beistimmen. Das Gesetz vom 6. April reiche in letzterer Beziehung vollkommen aus; man könne der Bürgerwehr fest vertrauen. Indeß wäre es nothwendig, daß zum Zweck der Sicherstellung der National-Versammlung und ihrer einzelnen Mitglieder ein aus folgenden 4 §§. bestehendes Gesetz erlassen würde: 1) Die Versammlung zur Vereinbarung der preußischen Staats-Verfassung ist während der Dauer ihrer Sitzungen unverletzlich; 2) ebenso jedes einzelne Mitglied der Versammlung auch außerhalb derselben; 3) jede gegen die Versammlung oder einzelne Mitglieder begangene Thätlichkeit und Beleidigung ist als Hochverrath anzusehen, und wird 4) schon als solche, abgesehen von anderen Strafbestimmungen, mit einer Gefängnißstrafe von 3 Monaten bis 3 Jahren belegt. - Minister-Präsident Camphausen: Die vorgefallenen Ereignisse seien im höchsten Grade beklagenswerth, und man müsse ähnlichen Vorkommnissen für die Zukunft steuern, weil sonst in der Provinz die Ansicht Raum gewinnen könnte, daß die National-Versammlung nicht frei handle. "Da aber der Vorwurf die Regierung treffen könnte, daß sie nicht die nöthigen Mittel angewendet, um solchen Ausschweifungen zu begegnen, so halte ich es für meine Pflicht, Ihnen darzulegen, von welchen Grundsätzen wir in dieser Beziehung geleitet werden. Als ich in das Ministerium trat, war das Land noch von einem großen Sturme bewegt, zu dessen Beilegung sich 2 Mittel darboten. Nach dem einem mußten wir gewissermaßen als revolutionäre Regierung auftreten, die Begründung unserer Zustände lediglich in den letzten Zeitereignissen suchen, und von diesem Gesichtspunkte aus bei der Handhabung der Gesetze und der Herstellung der Ordnung ausgehen. Der zweite Weg bot sich uns dadurch dar, daß wir mit den gesetzlichen Mitteln, welche übrig geblieben waren, einstweilen fortregierten, bis die Vereinigung mit der Nationalvertretung uns weitere Mittel in die Hände geben würde. Den ersten Weg, den der revolutionären Diktatur, hat das Ministerium, wenn es ihn einschlagen konnte, nicht einschlagen wollen. Wir haben den zweiten betreten, und dieser Weg war nicht leicht. Wir mußten, so weit uns der feste Halt fehlte, mit der öffentlichen Meinung regieren, unsere Stärke häufig in der Passivität suchen, wir mußten oft auf die Anwendung stärkerer Maßregeln Verzicht leisten, weil daraus der Verdacht der Reaktion hätte entstehen können. Zur Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung mußten wir uns auf die Bürgerwehr, auf ihre Bereitwilligkeit und Gesinnung verlassen. Es ist uns gelungen, diese Schwierigkeit zu überwinden; wir haben diesen Weg zurückgelegt bis zu dem gegenwärtigen Zeitpunkt, wo aus unserer Vereinigung mit den Vertretern der Nation eine starke und kräftige Regierung hervorgehen wird, deren Beschlüsse das ganze Land und Berlin selbst wird anerkennen müssen, sollte diese Versammlung auch als reaktionär verschrieen werden. Was die Sicherstellung ihrer Berathungen anbetrifft, so würde ich eine Verlegung der Versammlung weder für an der Zeit, noch für politisch halten." An der Tagesordnung ist eine Interpellation des Abgeordneten Contzen an den Minister der auswärtigen Angelegenheiten über dessen, dem Gerüchte nach unter den Augen der Bürgerwehr erlittene Mißhandlung; da indeß Hr. v. Arnim nicht gegenwärtig ist, so wird zu dem Antrage des Abg. Reichensperger übergegangen : Die hohe Nationalversammlung wolle sofort eine Kommission mit der Aufgabe ernennen, durch Vernehmung der betreffenden Abgeordneten diejenigen Thatsachen festzustellen, durch welche an den letzten Sitzungstagen die Würde die Nationalversammlung und die Sicherheit ihrer Mitglieder verletzt oder bedroht worden ist; - demnächst aber zu berichten, welche Maßregeln zur Verhütung jeder Wiederkehr derartiger Vorkommnisse ergriffen worden sind. Reichensperger motivirt seinen Antrag. Es fordere die Würde der Versammlung, daß sie ihre Unverletzlichkeit ausspreche. Er selbst wünsche keine "draconischen" Strafbestimmungen, aber es trage zur Ruhe bei, wenn die Versammlung über die Märzrevolution und die letzten "Störungen" ein Votum erlasse. Philipps beantragt Uebergehen zur Tagesordnung. "Ich halte es für unnöthig und unpassend, daß sich die Versammlung auf polizeiliche Bestimmungen einlasse." (Beifallsruf.) Auerswald, Minister des Innern: Das Staatsministerium habe das Schreiben des Präsidenten Milde nicht erst abgewartet, sondern bereits früher den Berliner Magistrat auf die nöthigen Schritte bei Vorfällen solcher Art aufmerksam gemacht. v. Berg. Die Versammlung hat nicht das Recht den Pflichten der Behörden vorzugreifen. Die Bürgerwehr ist nicht dazu da, an schönen Tagen mit Federhüten einherzustolziren, es muß Ehrensache für sie sein, die Vertreter des Volkes zu schützen. Ich verlange statt der einfachen, eine motivirte Tagesordnung; die Versammlung möge erklären: "in Erwartung, daß die Behörden für die Sicherheit der Versammlung pflichtmäßig Sorge tragen werden, geht sie zur Tagesordnung über." Dann haben die Behörden für die nöthig scheinenden Maßregeln, sei es eine Aufruhrakte (Gelächter) oder sonst etwas, selbst Sorge zu tragen. (Der Antrag wird unterstützt.) Jung. Der Berg'sche Antrag stehe mit der Veranlassung in keinem Verhältniß. Auch er, der Redner, habe einen Antrag auf motivirte Tagesordnung eingereicht, nehme aber jetzt denselben zurück und trage auf einfache Tagesordnung an. In England und Frankreich wisse man sich über kleine Unbill erhaben. Vollends aber hier sei das Ereigniß zu unbedeutend, um zu solch großartigen Mitteln zu schreiten. (Lärm in verschiedenem Sinne.) Ein anderer Redner gegen Reichensperger: es sei der Würde der Versammlung nicht angemessen, der Polizei ins Handwerk zu greifen. Die Versammlung möge dem Volk ein treuer Hüter sein, so werde sie auch am Volk einen treuen Hüter haben. (Stürmischer Beifall der Linken.) Baumstock erklärt unter großem Lärm und Gelächter, er wolle sich auf den "welthistorischen Standpunkt" stellen, er wolle Gesetze, die ihn schützen; der Finanzminister Hansemann versichert, daß er keine Furcht habe, daß er im Gegentheil aus Muth der Gewalt des Volkes durch Gesetze entgegentreten wolle; die Versammlung wird immer unruhiger und lärmt zur Abstimmung. Dierschke. Man wolle gegen die kleinen Unbillen des Volks die großartigsten Vorkehrungen treffen, die schändlichsten reaktionären Umtriebe lasse man unberücksichtigt. In Schlesien cirkulirten Adressen, worin gedroht werde, daß die pommer'schen Junker gen Berlin ziehen würden ... (Tobender Sturm in der Versammlung.) Minister Auerswald. Anzeigen dieser Art sollten in bestimmter Fassung nur niedergelegt werden. Reichenbach. Hier haben Sie die Adresse. (Gelächter. Lärm. Stürmischer Ruf zur Abstimmung.) Noch zwei Redner und der Antragsteller erhalten das Wort. Bei der Abstimmung wird zuerst der Antrag von Philipps auf einfache Tagesordnung verworfen; ebenso die von Berg beantragte motivirte Tagesordnung; endlich aber erhält auch der Antrag von Reichensperger nicht die Majorität. 103 Breslau, 17. Juni. Voriges Jahr noch sagte man den Schlesiern Allerhöchste Schmeicheleien; "von Gottes Gnaden" wurde ihnen versichert: ihre Provinz sei und bleibe die schönste Perle in der Krone Preußens. Solch' abgegriffene Redensarten gelten als geistreich bei Denen, die mittelst jener "schönsten Perle" gar angenehme Geschäfte trieben. Die Uebrigen, das heißt 7/8 der ganzen Bevölkerung, verbissen einstweilen ihren Ingrimm über jene Verhöhnung. Sie warteten des Tages, der bald hereinbrechen mußte, um dann frei und bündig ihre Gegenerklärung abzugeben. Schlesiens Zustände sind seit den Märztagen in ihrem wahren Lichte hervorgetreten; über die Gesinnung unter der Mehrzahl seiner Bewohner kann nicht länger ein Zweifel bestehen. Der vorherrschende Geist ist revolutionär. Er wird es so lange bleiben, bis einerseits der mittelalterliche Unrath gänzlich hinweggefegt und andererseits die moderne Beamten-, Polizei- und Bourgeois-Wirthschaft zu Grabe getragen ist, mit Einem Wort, bis die Volkssouveränetät ungeschmälerte Anerkennung und Verwirklichung gefunden. Vor 3 Monaten war ein starkes politisches Bewußtsein hauptsächlich nur in Breslau und einigen andern Städten vorhanden. Selbst in diesen gab es noch gar viele Anhänger der Monarchie, gemüthliche Seelen, denen die Gewohnheit zum Naturgesetz geworden. Noch größer war ihre Zahl in andern Theilen der Provinz. Seitdem hat sich die Stimmung, trotz der kurzen Zeit, mächtig geändert. Zu dieser Umänderung hat allerdings der demokratische Central-Verein zu Breslau in Verbindung mit seinen Zweig- und Bruder-Vereinen hier und in der Provinz kräftig beigetragen. Allein viel wirksamer war jedenfalls die von der reaktionären Partei ausgehende Propaganda. Durch die schamlosen Angriffe, die sie namentlich gegen die hiesigen Demokraten richtete, durch ihre wüthigen Aufforderungen, nach Breslau zu ziehen und die dortigen Revolutionäre mit Stumpf und Stiel auszurotten, nöthigenfalls die Stadt dem Boden gleich zu machen, durch ihre Drohungen, bald mit 20, bald mit 40 Tausend Mann gegen das Demokraten-Nest zu marschiren, durch ihre Intriguen, den diesjährigen Breslauer Wollmarkt zu verhindern, durch ihre Geldaustheilungen an Breslauer Arbeiter, um während des dennoch zu Stande gekommenen Wollmarktes eine Emeute hervorzurufen, hat sie vielen den Staar gestochen. Sodann kam der saubere Verfassungsentwurf. Er fiel wie eine Bombe in Schlesien hinein. Selbst die Herren Konstitutionellen, wenigstens der biedermännische Theil derselben, schämte sich und ließ sein früheres Geschrei gegen die Demokraten verstummen. Und nun gar die Aussicht auf eine gezwungene Anleihe! Nein, das war doch zu stark! Seldst Gutsbesitzer, die zuvor jeden Republikaner mit Haut und Haaren zum Frühstück verspeisen wollten, standen plötzlich da und machten eine Miene, wie die Katzen, wenn's donnert. In ihren Augen hatte jetzt die demokratische Partei doch so Unrecht nicht. Auf dem platten Lande bilden die gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse eine selbstredende Propaganda. Nebstdem ist "Kilian Raschke" ("Inhaber vum eisern Kreitze und Mitglied des demokratischen Klubs") mit seinen 3 Proklamationen an das Landvolk von unberechenbaren Einfluß gewesen. Sein "Pauern, ufgepußt!" hat z. B. in mehr als 100,000 Exemplaren gedruckt werden müssen, um der Nachfrage zu entsprechen. Ist nun zwar die demokratische Partei durch ihre Zahl stark, so sind es die Reaktionäre durch ihre Geldmittel und durch das Beamtenthum. Letzteres ist bis auf wenige Ausnahmen unverändert geblieben und bietet alle Kräfte auf, um sich die geliebten Fleischtöpfe nicht enreißen zu lassen. An diesem Beamtenthum findet eben der hohe und niedere Adel in Schlesien, von dem es wohl nirgens sonst in dem Grade wie bei uns wimmelt, seine beste Stütze. Namentlich sind die Landräthe, sehr wenige ausgenommen, und in den Städten die Magistrate die heftigsten Gegner der neuen Bewegung. Auch die Stadtverordneten sind an vielen Arten nichts weiter, als ein Ausschuß von Reaktionären. Bei solchen widerstrebenden Elementen ist an ein Aufhören des Kampfes nicht zu denken. Für die Einen handelt es sich um Beibehaltung ihrer Vorrechte, für die Andern um Vernichtung derselben. Gutwillig geben die Ersteren nicht nach. Drum wird die Gewalt entscheiden müssen. Schließlich ist nicht zu übersehen, daß wir uns in einer geographischen Lage befinden, die eine scharfe Sonderung der Parteien und einen heftigen wechselseitigen Kampf bedingt. Nicht weit von der russischen Gränze setzen die Reaktionäre ihre Hoffnung auf Hülfe von Osten. An der russischen Gränze häufen sich täglich größere Truppenmassen auf und binnen ein paar Wochen ist Alles zu einem nachdrücklichen Schlage vorbereitet. Daß die russische Politik mit den preußischen Reaktionären von Potsdam, Pommern, Posen und Schlesien Hand in Hand geht, daran zweifelt hier schon lange Niemand mehr. Die Unentschiedenen sind dadurch genöthigt, Partei zu ergreifen und die Verhältnisse zwingen sie meist, sich zur demokratischen Fahne zu schlagen. Aber selbst wenn die Russen wider allen Anschein nicht so schnell in Deutschland einbrechen sollten, so ist doch in Schlesien ein baldiger Kampf zwischen den Anhängern und denen des Alten und Neuen unvermeidlich. Die gesammte Landbevölkerung ist in der höchsten Aufregung. Sie erwartete, daß die Deputirten in Berlin sofort alle mittelalterlichen Lasten ohne Entschädigung aufheben würden. Dies ist bis jetzt nicht geschehen und die Erbittrung wächst mit jedem Tage. Sie wird noch vermehrt durch die Last militärischer Einquartirung, durch das Herumziehen mobiler Kolonnen. Der Faden der Geduld droht bald zu reißen. Dazu kommt das Elend in Oberschlesien und das noch größere unter den Webern und Spinnern, nicht blos des Eulen-, sondern des ganzen übrigen Gebirges. Bestände die Berliner Nationalversammlung aus Männern, welche die Zeit begriffen, sie würde durch energisches Auftreten, durch radikale Maßregeln, durch schnelle Entscheidung dem bedrohlichen Zustande ein Ende machen. Wie es jetzt steht, wird das Volk immer mehr zur Beherzigung des Spruches hingedrängt: "Hilf dir selbst, so wird dir der Himmel helfen!" Posen, 11. Juni. Seit gestern ist die bestimmte Kunde hier, daß im Königreich Polen, und zwar unmittelbar an unserer Gränze, in der Nähe der Stadt Kalisch, auf das schleunigste ein Lager für 100,000 Mann Russen errichtet wird ; die Truppen werden in Eilmärschen aus Litthauen und den angränzenden Gouvernements herangezogen. 8 Dortmund, 15. Juni. Die Grafschaft Mark ist in Frankfurt wie in Berlin ausgezeichnet vertreten. Von dem Ritter Vincke nicht zu sprechen, dem in's Westphälische übersetzten Schwerin, haben wir Herrn Höfken, und Herrn Harkort. Herr Höfken, Dr. phil., Ex-Offizier, früher in königl. spanischen Diensten, jetzt Privatdozent in Heidelberg, ist ein Hattinger von Geburt. Als die Wahlen zur Nationalversammlung ausgeschrieben wurden, erschien Herr Höfken in Dortmund und Bochum und stellte sich als Kandidat. Er wurde zweimal gewählt, einmal als Stellvertreter und das zweitemal, als Ritter Vincke abgelehnt, auch als Abgeordneter nach Frankfurt. Seelenvergnügt reist der Dr. Höfken nach Hause, setzt sich hin und schreibt ein "tiefergebenstes" Danksagungsschreiben an die hochgeehrtesten Herren Wahlmänner des Wahlkreises. - Der deutsche Briefstyl ist großer Dinge fähig; aber diese überschwengliche in hochpoetischen Schwulst eingehüllte Speichelleckerei des Dr. Höfken konnten selbst die "Hochgeehrtesten" der Kreise Bochum und Dortmund nicht ganz verdauen. Seine parlamentarische Stellung bezeichnet Herr Höfken ebenfalls in diesem Schreiben, indem er in ein begeistertes Lob des Ritters Vincke, des "Glanzpunktes der Grafschaft Mark" ausbricht und desgleichen des hochverehrten Herrn Vaters dieses Glanzpunktes rühmlichst gedenkt. Seitdem hat der Dr. Höfken über Limburg und Böhmen gesprochen, sich aber nicht verständlich machen können. Es ist das leider nur zu oft das Loos der großen Männer unserer Gegend. Herr Harkort, Abgeordneter des Kreises Hagen in Berlin ist eine ächte märkische Lokalcelebrität. Jeder Markaner kennt den verehrten Herrn Friedrich Harkort, den Menschenfreund, den Biedermann, den Volksschriftsteller. Herr Fr. Harkort ist Gewerbsmann, Fabrikant, Kaufmann und Krieger von 1815. Hr. Harkort hat einiges Weniges über Industrie und Schulwesen geschrieben. Er war Vorstand des Dortmunder Gewerbvereins. Als solcher trat er vor zwei Jahren mit seiner Lieblingsidee auf, nämlich der Wiedereinführung des Zunftwesens. Hr. Harkort verabsäumte nicht die reaktionäre Taktik und schmückte das Zopfthum seines Zunftwesens mit den Bändern moderner Schlagwörter als Association, Organisation der Arbeit u. s. w. aus. - Nach diesem verschwand Hr. Harkort plötzlich wegen Vermögenszerrüttung. Kurz vor den Wahlen erschien Fr. Harkort wieder in verschiedenen westphälischen Wochenblättern mit einem Briefe an die Meister und Arbeiter der Grafschaft Mark. In diesen Briefen suchte sich Herr Fr. Harkort durch einen sogenannten populären, d. h. ungehobelten und von Plattheiten strotzenden Bollerwagen-Styl zum märkischen Paul Louis Courrier aufzuschwingen. Herr Fr. Harkort "kam auch von Paris", und hatte daher den besten Grund, seinen Markanern mitzutheilen, daß "dort die Tauben auch nicht gebraten herumfliegen." Daran knüpfte Herr Harkort dann eine Schilderung der französischen Republik, die nicht von Paris, sondern aus der Heulerphantasie des Herrn Harkort kam. Ein so unverschämtes Lügengewebe ist nie gemacht worden. Selbst nach den entstellten Berichten der deutschen Zeitungen über Paris kann man ihm zwei Dutzend der handgreiflichsten Lügen nachweisen. Aber diese Verdächtigungen der französischen Republik waren gerade, was die märkischen und bergischen Fabrikanten für ihre Arbeiter bedurften. Tausende und abermals tausende von Exemplaren wurden für Rechnung der Fabrikanten in Elberfeld, Krefeld und der Mark gedruckt und gratis verbreitet. Ein solcher Erfolg sicherte die Wahl des Hrn. Harkort, der nun in Berlin sitzt und darauf anträgt, die Versammlung möge nach Potsdam verlegt werden. Im Kreise Dortmund wurde nach Berlin Herr Ostermann, Jurist, gewählt, der auch gegen die Anerkennung der Revolutioon stimmte. Ueberhaupt sitzt die ganze Grafschaft Mark, wenn nicht auf der Rechten, so doch im rechten Centrum. [#] Frankfurt, 12. Juni. Die Apostel der deutschen Hofrathszeitung, nachdem sie im Wahlkampfe trotz aufgewendeter klingender Mittel unterlegen, sind jetzt auf eine andere sinnreiche Taktik verfallen. Sie haben einen Missionsverein gegründet und am heiligen Pfingstfeste das fromme Werk begonnen. Gervinus, Häusser und noch einige Schildknappen der "Evolution" fuhren gestern, sabbatlich vergnügt gen Frankfurt zu und suchten die Aufmerksamkeit der Mitreisenden auf ein Flugblatt zu lenken, das die verführerische Ueberschrift trug : "Republik oder nicht, ein Wort an das deutsche Volk," und dessen Inhalt aus einem Gemisch der bekannten konstitutionellen Musterphrasen und plumpen persönlichen Ausfälle bestand. Unterwegs stieg die Bruderschaft in verschiedenen Gruppen an verschiedenen Stationen aus und hat, da der gefürchtete Pfingstmontag vor der Thür war, dies ihr Oelblatt überall, namentlich in Weinheim, in zahlreichen Exemplaren verbreitet. Frankfurt, 14. Juni. (16. Sitzung der konstituirenden Nationalversammlung.) Nach Verlesung des Protokolls zeigte der Präsident an, daß die Abgeordneten Meyer von Lüneburg und Arnim von Boitzenburg ausgetreten seien und Camphausen in der Versammlung nicht erscheinen könne. An der Tagesordnung war die Berathung über den Bericht des Verfassungs-Ausschusses in Betreff der luxemburger Frage. Auf den Wunsch der luxemburger Abgeordneten wurde jedoch die Berathung ausgesetzt. - Berathung über den Bericht des Marine-Ausschusses: v Möring empfiehlt das System der Amerikaner, kleinere Schiffe zum Kriegsdienst brauchbar zu machen, zur Nachahmung; erklärt sich für Fregatten und gegen Corvetten, wünscht statt 4 Dampfschiffen zu 350 Pferdekraft, 10 zu 250 Pferdekraft, und will die 200 Kanonenboote ganz beseitigt wissen. Wartensleben empfiehlt im Namen von Millionen Küstenbewohnern die Annahme des Vorschlags. Es sei der erste Akt, wo das Prinzip der Volkssouveränität sich durch die That aussprechen könne. Wiesner gibt zu bedenkrn, daß die Versammlung heute zum ersten Mal eine Steuer auferlegen solle. Das Volk seufze aber nach Steuererleichterung. Jedenfalls dürfe man keine neue Steuer auferlegen, ehe die Aussicht auf Abgabenverminderung dem Volke eröffnet sei. Der Redner stimmt für Zurückweisung der Sache an den Ausschuß. Tellkampf macht die Vortheile einer Flotte geltend. Kaiser vertheidigt die Anwendung von Kanonenböten (welche der Redner vor ihm "bewaffnete Nußschaalen" genannt hatte) besonders für die flachen Ufer der Ostsee. Von Ersparnissen am Landheer könne unter jetzigen Umständen keine Rede sein. Schlöffel: Deutschland besitzt wohl einen Brunnen aus dem es die 6 Mill. Thlr. schöpfen könne: es handle sich nur darum, ihn aufzufinden. Deutschland habe seit Jahren viel Blut verloren; man möge Die aufsuchen, die das Blut bewahren. Die darbenden Weber in Schlesien und die Handwerker und Industriellen in den meisten übrigen Theilen Deutschlands seien außer Stande, neue Steuern zu zahlen; ihre Vertreter könnten sie daher unmöglich bewilligen. Man möge sich an die Großmuth der Privelegirten wenden. Wenn man das Volk mit neuen Steuern belaste und den socialen Uebelständen nicht abhelfe, könnte der politischen Revolution eine Hunger-Revolution folgen. v. Reden bemerkt, daß bereits Hülfssteuern ausgeschrieben seien, von denen auch die Flotte bestritten werden könne. Allerdings würden sie vom Volke erhoben, aber natürlich nur vom besitzenden Theile. Deutschland zähle jetzt schon 40,000 tüchtige Matrosen, die im Ausland vor allen andern gesucht würden. Ferner empfiehlt er die Bildung von Matrosen-Gemeinden wie in Rußland und die Vertheilung von Prämien für die Armirung von Dampf- und Kauffartheischiffen. Er stimmt für sofortige Bewilligung der ganzen Summe. Wedekind erläutert, daß es sich nicht darum handle, neue Steuern aufzulegen, sondern nur Ausgaben zu bewilligen, und in den meisten Staaten werde hierzu keine neue Steuer erforderlich sein. Jedenfalls würden die Schiffe reiche Zinsen tragen durch Kräftigung der politischen Stellung Deutschlunds und durch Schutz des Privateigenthums. Der Redner schlägt vor, die österr. Marine als Anfang der deutschen Flotte zu benutzen, und kommt dann auch auf die preußische "Amazone" zu sprechen, bricht aber diesen Gegenstand ab, da die Versammlung einige Ungeduld zu erkennen gibt. Bally aus Oberschlesien glaubt, daß Jeder gern seinen Beitrag zur Flotte geben werde; findet es aber bedenklich, einer Steuer auszuschreiben, ehe eine entsprechende Einnahme nachgewiesen. Man solle daher den Antrag ruhen lassen, bis eine Marine-Einnahme ausgemittelt sei. Ostendorf schildert die trostlose Lage des Danziger Handels in Folge des Krieges mit Dänemark. Roß zeigt die Correspondenz des Ausschusses vor, um zu beweisen, daß der Ausschuß allerdings die Sache näher geprüft habe. In nähere Details könne der Ausschuß nicht eingehen, wenn man nicht Gefahr laufen solle, die eingeleiteten Unterhandlungen zu vereiteln. Grobert aus Breslau findet die beabsichtigte Marine zu klein und die Geldausgabe zu groß. Er will dem Berends'schen Antrage auf Anerkennung der Revolution seine Zustimmung nicht gegeben hat. Es wurde angenommen, daß ein Abgeordneter Berlins, der die Revolution und die dadurch zur Geltung gekommene Souveränität des Volkes nicht anerkenne, auch das Vertrauen seiner Wähler nicht besitzen könne. Demzufolge ist fast einstimmig beschlossen worden, den Abgeordneten Bauer über die Gründe seines Verhaltens zu hören. Da derselbe gegen eine zu diesem Zwecke an ihn abgesendete Deputation eine sofortige Erklärung hierüber vor dem Vereine ablehnte, für den Fall aber, daß er das Vertrauen seiner Mandanten verloren habe, sein Mandat niederzulegen sich bereit erklärt hat, ist zur Erledigung dieser wichtigen Angelegenheit eine neue Versammlung auf Mittwoch, den 14. Juni, Abends 6 Uhr, im Konzertsaale des Schauspielhauses angesetzt worden, zu welcher die gesammten Urwähler und Wahlmänner des dritten größeren Wahlbezirks (der Wahlbezirke Nr. 39 bis incl. 63, 68 und 69) hiermit zu recht zahlreichem Erscheinen eingeladen werden. Berlin, den 11. Juni 1848. Das Vereins-Comité des 3. Wahlbezirks. ‒ Die preußische konstituirende Versammlung. (15. Sitzung vom 14. Juni.) Die Sitzung wird Mittags 12 Uhr vom Präs. Milde eröffnet. Gegen das Protokoll der 14. Sitzung findet sich kein erheblicher Widerspruch. Der Präsident läßt ein von ihm an das Staatsministerium unterm 10. Juni gerichtetes Schreiben verlesen, dessen Inhalt sich auf die Vorfälle vom Freitag bezieht. Der Präsident berichtet in demselben über die Deputation, welche die vor der Singakademie versammelte Menge in Betreff der Abstimmung über den Berends'schen Antrag an dem erwähnten Tage an ihn gesandt, die Antwort, die er der Deputation ertheilt, die gegen die Herren v. Arnim und Sydow geschehenen Thätlichkeiten, das Benehmen der in der Nähe aufgestellten Bürgerwehr, welche, wie er aus guter Quelle wisse, sich des Ministers v. Arnim anzunehmen geweigert habe. Am Schlusse des Schreibens wird das Ministerium um strenge Untersuchung und gerichtliche Verfolgung der Urheber und Vollstrecker jener Insulten, sowie um Schutz gegen größere Zusammenrottungen in der Umgegend des Sitzungs-Gebäudes der National-Versammlung ersucht. Abg. Temme beklagt die bedauerlichen Vorgänge, würde jedoch einem Antrage auf Verlegung der National-Versammlung, eben so wie einem kürzlich in Paris erlassenen Gesetz gegen Attroupements nicht beistimmen. Das Gesetz vom 6. April reiche in letzterer Beziehung vollkommen aus; man könne der Bürgerwehr fest vertrauen. Indeß wäre es nothwendig, daß zum Zweck der Sicherstellung der National-Versammlung und ihrer einzelnen Mitglieder ein aus folgenden 4 §§. bestehendes Gesetz erlassen würde: 1) Die Versammlung zur Vereinbarung der preußischen Staats-Verfassung ist während der Dauer ihrer Sitzungen unverletzlich; 2) ebenso jedes einzelne Mitglied der Versammlung auch außerhalb derselben; 3) jede gegen die Versammlung oder einzelne Mitglieder begangene Thätlichkeit und Beleidigung ist als Hochverrath anzusehen, und wird 4) schon als solche, abgesehen von anderen Strafbestimmungen, mit einer Gefängnißstrafe von 3 Monaten bis 3 Jahren belegt. ‒ Minister-Präsident Camphausen: Die vorgefallenen Ereignisse seien im höchsten Grade beklagenswerth, und man müsse ähnlichen Vorkommnissen für die Zukunft steuern, weil sonst in der Provinz die Ansicht Raum gewinnen könnte, daß die National-Versammlung nicht frei handle. „Da aber der Vorwurf die Regierung treffen könnte, daß sie nicht die nöthigen Mittel angewendet, um solchen Ausschweifungen zu begegnen, so halte ich es für meine Pflicht, Ihnen darzulegen, von welchen Grundsätzen wir in dieser Beziehung geleitet werden. Als ich in das Ministerium trat, war das Land noch von einem großen Sturme bewegt, zu dessen Beilegung sich 2 Mittel darboten. Nach dem einem mußten wir gewissermaßen als revolutionäre Regierung auftreten, die Begründung unserer Zustände lediglich in den letzten Zeitereignissen suchen, und von diesem Gesichtspunkte aus bei der Handhabung der Gesetze und der Herstellung der Ordnung ausgehen. Der zweite Weg bot sich uns dadurch dar, daß wir mit den gesetzlichen Mitteln, welche übrig geblieben waren, einstweilen fortregierten, bis die Vereinigung mit der Nationalvertretung uns weitere Mittel in die Hände geben würde. Den ersten Weg, den der revolutionären Diktatur, hat das Ministerium, wenn es ihn einschlagen konnte, nicht einschlagen wollen. Wir haben den zweiten betreten, und dieser Weg war nicht leicht. Wir mußten, so weit uns der feste Halt fehlte, mit der öffentlichen Meinung regieren, unsere Stärke häufig in der Passivität suchen, wir mußten oft auf die Anwendung stärkerer Maßregeln Verzicht leisten, weil daraus der Verdacht der Reaktion hätte entstehen können. Zur Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung mußten wir uns auf die Bürgerwehr, auf ihre Bereitwilligkeit und Gesinnung verlassen. Es ist uns gelungen, diese Schwierigkeit zu überwinden; wir haben diesen Weg zurückgelegt bis zu dem gegenwärtigen Zeitpunkt, wo aus unserer Vereinigung mit den Vertretern der Nation eine starke und kräftige Regierung hervorgehen wird, deren Beschlüsse das ganze Land und Berlin selbst wird anerkennen müssen, sollte diese Versammlung auch als reaktionär verschrieen werden. Was die Sicherstellung ihrer Berathungen anbetrifft, so würde ich eine Verlegung der Versammlung weder für an der Zeit, noch für politisch halten.“ An der Tagesordnung ist eine Interpellation des Abgeordneten Contzen an den Minister der auswärtigen Angelegenheiten über dessen, dem Gerüchte nach unter den Augen der Bürgerwehr erlittene Mißhandlung; da indeß Hr. v. Arnim nicht gegenwärtig ist, so wird zu dem Antrage des Abg. Reichensperger übergegangen : Die hohe Nationalversammlung wolle sofort eine Kommission mit der Aufgabe ernennen, durch Vernehmung der betreffenden Abgeordneten diejenigen Thatsachen festzustellen, durch welche an den letzten Sitzungstagen die Würde die Nationalversammlung und die Sicherheit ihrer Mitglieder verletzt oder bedroht worden ist; ‒ demnächst aber zu berichten, welche Maßregeln zur Verhütung jeder Wiederkehr derartiger Vorkommnisse ergriffen worden sind. Reichensperger motivirt seinen Antrag. Es fordere die Würde der Versammlung, daß sie ihre Unverletzlichkeit ausspreche. Er selbst wünsche keine „draconischen“ Strafbestimmungen, aber es trage zur Ruhe bei, wenn die Versammlung über die Märzrevolution und die letzten „Störungen“ ein Votum erlasse. Philipps beantragt Uebergehen zur Tagesordnung. „Ich halte es für unnöthig und unpassend, daß sich die Versammlung auf polizeiliche Bestimmungen einlasse.“ (Beifallsruf.) Auerswald, Minister des Innern: Das Staatsministerium habe das Schreiben des Präsidenten Milde nicht erst abgewartet, sondern bereits früher den Berliner Magistrat auf die nöthigen Schritte bei Vorfällen solcher Art aufmerksam gemacht. v. Berg. Die Versammlung hat nicht das Recht den Pflichten der Behörden vorzugreifen. Die Bürgerwehr ist nicht dazu da, an schönen Tagen mit Federhüten einherzustolziren, es muß Ehrensache für sie sein, die Vertreter des Volkes zu schützen. Ich verlange statt der einfachen, eine motivirte Tagesordnung; die Versammlung möge erklären: „in Erwartung, daß die Behörden für die Sicherheit der Versammlung pflichtmäßig Sorge tragen werden, geht sie zur Tagesordnung über.“ Dann haben die Behörden für die nöthig scheinenden Maßregeln, sei es eine Aufruhrakte (Gelächter) oder sonst etwas, selbst Sorge zu tragen. (Der Antrag wird unterstützt.) Jung. Der Berg'sche Antrag stehe mit der Veranlassung in keinem Verhältniß. Auch er, der Redner, habe einen Antrag auf motivirte Tagesordnung eingereicht, nehme aber jetzt denselben zurück und trage auf einfache Tagesordnung an. In England und Frankreich wisse man sich über kleine Unbill erhaben. Vollends aber hier sei das Ereigniß zu unbedeutend, um zu solch großartigen Mitteln zu schreiten. (Lärm in verschiedenem Sinne.) Ein anderer Redner gegen Reichensperger: es sei der Würde der Versammlung nicht angemessen, der Polizei ins Handwerk zu greifen. Die Versammlung möge dem Volk ein treuer Hüter sein, so werde sie auch am Volk einen treuen Hüter haben. (Stürmischer Beifall der Linken.) Baumstock erklärt unter großem Lärm und Gelächter, er wolle sich auf den „welthistorischen Standpunkt“ stellen, er wolle Gesetze, die ihn schützen; der Finanzminister Hansemann versichert, daß er keine Furcht habe, daß er im Gegentheil aus Muth der Gewalt des Volkes durch Gesetze entgegentreten wolle; die Versammlung wird immer unruhiger und lärmt zur Abstimmung. Dierschke. Man wolle gegen die kleinen Unbillen des Volks die großartigsten Vorkehrungen treffen, die schändlichsten reaktionären Umtriebe lasse man unberücksichtigt. In Schlesien cirkulirten Adressen, worin gedroht werde, daß die pommer'schen Junker gen Berlin ziehen würden … (Tobender Sturm in der Versammlung.) Minister Auerswald. Anzeigen dieser Art sollten in bestimmter Fassung nur niedergelegt werden. Reichenbach. Hier haben Sie die Adresse. (Gelächter. Lärm. Stürmischer Ruf zur Abstimmung.) Noch zwei Redner und der Antragsteller erhalten das Wort. Bei der Abstimmung wird zuerst der Antrag von Philipps auf einfache Tagesordnung verworfen; ebenso die von Berg beantragte motivirte Tagesordnung; endlich aber erhält auch der Antrag von Reichensperger nicht die Majorität. 103 Breslau, 17. Juni. Voriges Jahr noch sagte man den Schlesiern Allerhöchste Schmeicheleien; „von Gottes Gnaden“ wurde ihnen versichert: ihre Provinz sei und bleibe die schönste Perle in der Krone Preußens. Solch' abgegriffene Redensarten gelten als geistreich bei Denen, die mittelst jener „schönsten Perle“ gar angenehme Geschäfte trieben. Die Uebrigen, das heißt 7/8 der ganzen Bevölkerung, verbissen einstweilen ihren Ingrimm über jene Verhöhnung. Sie warteten des Tages, der bald hereinbrechen mußte, um dann frei und bündig ihre Gegenerklärung abzugeben. Schlesiens Zustände sind seit den Märztagen in ihrem wahren Lichte hervorgetreten; über die Gesinnung unter der Mehrzahl seiner Bewohner kann nicht länger ein Zweifel bestehen. Der vorherrschende Geist ist revolutionär. Er wird es so lange bleiben, bis einerseits der mittelalterliche Unrath gänzlich hinweggefegt und andererseits die moderne Beamten-, Polizei- und Bourgeois-Wirthschaft zu Grabe getragen ist, mit Einem Wort, bis die Volkssouveränetät ungeschmälerte Anerkennung und Verwirklichung gefunden. Vor 3 Monaten war ein starkes politisches Bewußtsein hauptsächlich nur in Breslau und einigen andern Städten vorhanden. Selbst in diesen gab es noch gar viele Anhänger der Monarchie, gemüthliche Seelen, denen die Gewohnheit zum Naturgesetz geworden. Noch größer war ihre Zahl in andern Theilen der Provinz. Seitdem hat sich die Stimmung, trotz der kurzen Zeit, mächtig geändert. Zu dieser Umänderung hat allerdings der demokratische Central-Verein zu Breslau in Verbindung mit seinen Zweig- und Bruder-Vereinen hier und in der Provinz kräftig beigetragen. Allein viel wirksamer war jedenfalls die von der reaktionären Partei ausgehende Propaganda. Durch die schamlosen Angriffe, die sie namentlich gegen die hiesigen Demokraten richtete, durch ihre wüthigen Aufforderungen, nach Breslau zu ziehen und die dortigen Revolutionäre mit Stumpf und Stiel auszurotten, nöthigenfalls die Stadt dem Boden gleich zu machen, durch ihre Drohungen, bald mit 20, bald mit 40 Tausend Mann gegen das Demokraten-Nest zu marschiren, durch ihre Intriguen, den diesjährigen Breslauer Wollmarkt zu verhindern, durch ihre Geldaustheilungen an Breslauer Arbeiter, um während des dennoch zu Stande gekommenen Wollmarktes eine Emeute hervorzurufen, hat sie vielen den Staar gestochen. Sodann kam der saubere Verfassungsentwurf. Er fiel wie eine Bombe in Schlesien hinein. Selbst die Herren Konstitutionellen, wenigstens der biedermännische Theil derselben, schämte sich und ließ sein früheres Geschrei gegen die Demokraten verstummen. Und nun gar die Aussicht auf eine gezwungene Anleihe! Nein, das war doch zu stark! Seldst Gutsbesitzer, die zuvor jeden Republikaner mit Haut und Haaren zum Frühstück verspeisen wollten, standen plötzlich da und machten eine Miene, wie die Katzen, wenn's donnert. In ihren Augen hatte jetzt die demokratische Partei doch so Unrecht nicht. Auf dem platten Lande bilden die gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse eine selbstredende Propaganda. Nebstdem ist „Kilian Raschke“ („Inhaber vum eisern Kreitze und Mitglied des demokratischen Klubs“) mit seinen 3 Proklamationen an das Landvolk von unberechenbaren Einfluß gewesen. Sein „Pauern, ufgepußt!“ hat z. B. in mehr als 100,000 Exemplaren gedruckt werden müssen, um der Nachfrage zu entsprechen. Ist nun zwar die demokratische Partei durch ihre Zahl stark, so sind es die Reaktionäre durch ihre Geldmittel und durch das Beamtenthum. Letzteres ist bis auf wenige Ausnahmen unverändert geblieben und bietet alle Kräfte auf, um sich die geliebten Fleischtöpfe nicht enreißen zu lassen. An diesem Beamtenthum findet eben der hohe und niedere Adel in Schlesien, von dem es wohl nirgens sonst in dem Grade wie bei uns wimmelt, seine beste Stütze. Namentlich sind die Landräthe, sehr wenige ausgenommen, und in den Städten die Magistrate die heftigsten Gegner der neuen Bewegung. Auch die Stadtverordneten sind an vielen Arten nichts weiter, als ein Ausschuß von Reaktionären. Bei solchen widerstrebenden Elementen ist an ein Aufhören des Kampfes nicht zu denken. Für die Einen handelt es sich um Beibehaltung ihrer Vorrechte, für die Andern um Vernichtung derselben. Gutwillig geben die Ersteren nicht nach. Drum wird die Gewalt entscheiden müssen. Schließlich ist nicht zu übersehen, daß wir uns in einer geographischen Lage befinden, die eine scharfe Sonderung der Parteien und einen heftigen wechselseitigen Kampf bedingt. Nicht weit von der russischen Gränze setzen die Reaktionäre ihre Hoffnung auf Hülfe von Osten. An der russischen Gränze häufen sich täglich größere Truppenmassen auf und binnen ein paar Wochen ist Alles zu einem nachdrücklichen Schlage vorbereitet. Daß die russische Politik mit den preußischen Reaktionären von Potsdam, Pommern, Posen und Schlesien Hand in Hand geht, daran zweifelt hier schon lange Niemand mehr. Die Unentschiedenen sind dadurch genöthigt, Partei zu ergreifen und die Verhältnisse zwingen sie meist, sich zur demokratischen Fahne zu schlagen. Aber selbst wenn die Russen wider allen Anschein nicht so schnell in Deutschland einbrechen sollten, so ist doch in Schlesien ein baldiger Kampf zwischen den Anhängern und denen des Alten und Neuen unvermeidlich. Die gesammte Landbevölkerung ist in der höchsten Aufregung. Sie erwartete, daß die Deputirten in Berlin sofort alle mittelalterlichen Lasten ohne Entschädigung aufheben würden. Dies ist bis jetzt nicht geschehen und die Erbittrung wächst mit jedem Tage. Sie wird noch vermehrt durch die Last militärischer Einquartirung, durch das Herumziehen mobiler Kolonnen. Der Faden der Geduld droht bald zu reißen. Dazu kommt das Elend in Oberschlesien und das noch größere unter den Webern und Spinnern, nicht blos des Eulen-, sondern des ganzen übrigen Gebirges. Bestände die Berliner Nationalversammlung aus Männern, welche die Zeit begriffen, sie würde durch energisches Auftreten, durch radikale Maßregeln, durch schnelle Entscheidung dem bedrohlichen Zustande ein Ende machen. Wie es jetzt steht, wird das Volk immer mehr zur Beherzigung des Spruches hingedrängt: „Hilf dir selbst, so wird dir der Himmel helfen!“ Posen, 11. Juni. Seit gestern ist die bestimmte Kunde hier, daß im Königreich Polen, und zwar unmittelbar an unserer Gränze, in der Nähe der Stadt Kalisch, auf das schleunigste ein Lager für 100,000 Mann Russen errichtet wird ; die Truppen werden in Eilmärschen aus Litthauen und den angränzenden Gouvernements herangezogen. 8 Dortmund, 15. Juni. Die Grafschaft Mark ist in Frankfurt wie in Berlin ausgezeichnet vertreten. Von dem Ritter Vincke nicht zu sprechen, dem in's Westphälische übersetzten Schwerin, haben wir Herrn Höfken, und Herrn Harkort. Herr Höfken, Dr. phil., Ex-Offizier, früher in königl. spanischen Diensten, jetzt Privatdozent in Heidelberg, ist ein Hattinger von Geburt. Als die Wahlen zur Nationalversammlung ausgeschrieben wurden, erschien Herr Höfken in Dortmund und Bochum und stellte sich als Kandidat. Er wurde zweimal gewählt, einmal als Stellvertreter und das zweitemal, als Ritter Vincke abgelehnt, auch als Abgeordneter nach Frankfurt. Seelenvergnügt reist der Dr. Höfken nach Hause, setzt sich hin und schreibt ein „tiefergebenstes“ Danksagungsschreiben an die hochgeehrtesten Herren Wahlmänner des Wahlkreises. ‒ Der deutsche Briefstyl ist großer Dinge fähig; aber diese überschwengliche in hochpoetischen Schwulst eingehüllte Speichelleckerei des Dr. Höfken konnten selbst die „Hochgeehrtesten“ der Kreise Bochum und Dortmund nicht ganz verdauen. Seine parlamentarische Stellung bezeichnet Herr Höfken ebenfalls in diesem Schreiben, indem er in ein begeistertes Lob des Ritters Vincke, des „Glanzpunktes der Grafschaft Mark“ ausbricht und desgleichen des hochverehrten Herrn Vaters dieses Glanzpunktes rühmlichst gedenkt. Seitdem hat der Dr. Höfken über Limburg und Böhmen gesprochen, sich aber nicht verständlich machen können. Es ist das leider nur zu oft das Loos der großen Männer unserer Gegend. Herr Harkort, Abgeordneter des Kreises Hagen in Berlin ist eine ächte märkische Lokalcelebrität. Jeder Markaner kennt den verehrten Herrn Friedrich Harkort, den Menschenfreund, den Biedermann, den Volksschriftsteller. Herr Fr. Harkort ist Gewerbsmann, Fabrikant, Kaufmann und Krieger von 1815. Hr. Harkort hat einiges Weniges über Industrie und Schulwesen geschrieben. Er war Vorstand des Dortmunder Gewerbvereins. Als solcher trat er vor zwei Jahren mit seiner Lieblingsidee auf, nämlich der Wiedereinführung des Zunftwesens. Hr. Harkort verabsäumte nicht die reaktionäre Taktik und schmückte das Zopfthum seines Zunftwesens mit den Bändern moderner Schlagwörter als Association, Organisation der Arbeit u. s. w. aus. ‒ Nach diesem verschwand Hr. Harkort plötzlich wegen Vermögenszerrüttung. Kurz vor den Wahlen erschien Fr. Harkort wieder in verschiedenen westphälischen Wochenblättern mit einem Briefe an die Meister und Arbeiter der Grafschaft Mark. In diesen Briefen suchte sich Herr Fr. Harkort durch einen sogenannten populären, d. h. ungehobelten und von Plattheiten strotzenden Bollerwagen-Styl zum märkischen Paul Louis Courrier aufzuschwingen. Herr Fr. Harkort „kam auch von Paris“, und hatte daher den besten Grund, seinen Markanern mitzutheilen, daß „dort die Tauben auch nicht gebraten herumfliegen.“ Daran knüpfte Herr Harkort dann eine Schilderung der französischen Republik, die nicht von Paris, sondern aus der Heulerphantasie des Herrn Harkort kam. Ein so unverschämtes Lügengewebe ist nie gemacht worden. Selbst nach den entstellten Berichten der deutschen Zeitungen über Paris kann man ihm zwei Dutzend der handgreiflichsten Lügen nachweisen. Aber diese Verdächtigungen der französischen Republik waren gerade, was die märkischen und bergischen Fabrikanten für ihre Arbeiter bedurften. Tausende und abermals tausende von Exemplaren wurden für Rechnung der Fabrikanten in Elberfeld, Krefeld und der Mark gedruckt und gratis verbreitet. Ein solcher Erfolg sicherte die Wahl des Hrn. Harkort, der nun in Berlin sitzt und darauf anträgt, die Versammlung möge nach Potsdam verlegt werden. Im Kreise Dortmund wurde nach Berlin Herr Ostermann, Jurist, gewählt, der auch gegen die Anerkennung der Revolutioon stimmte. Ueberhaupt sitzt die ganze Grafschaft Mark, wenn nicht auf der Rechten, so doch im rechten Centrum. [#] Frankfurt, 12. Juni. Die Apostel der deutschen Hofrathszeitung, nachdem sie im Wahlkampfe trotz aufgewendeter klingender Mittel unterlegen, sind jetzt auf eine andere sinnreiche Taktik verfallen. Sie haben einen Missionsverein gegründet und am heiligen Pfingstfeste das fromme Werk begonnen. Gervinus, Häusser und noch einige Schildknappen der „Evolution“ fuhren gestern, sabbatlich vergnügt gen Frankfurt zu und suchten die Aufmerksamkeit der Mitreisenden auf ein Flugblatt zu lenken, das die verführerische Ueberschrift trug : „Republik oder nicht, ein Wort an das deutsche Volk,“ und dessen Inhalt aus einem Gemisch der bekannten konstitutionellen Musterphrasen und plumpen persönlichen Ausfälle bestand. Unterwegs stieg die Bruderschaft in verschiedenen Gruppen an verschiedenen Stationen aus und hat, da der gefürchtete Pfingstmontag vor der Thür war, dies ihr Oelblatt überall, namentlich in Weinheim, in zahlreichen Exemplaren verbreitet. Frankfurt, 14. Juni. (16. Sitzung der konstituirenden Nationalversammlung.) Nach Verlesung des Protokolls zeigte der Präsident an, daß die Abgeordneten Meyer von Lüneburg und Arnim von Boitzenburg ausgetreten seien und Camphausen in der Versammlung nicht erscheinen könne. An der Tagesordnung war die Berathung über den Bericht des Verfassungs-Ausschusses in Betreff der luxemburger Frage. Auf den Wunsch der luxemburger Abgeordneten wurde jedoch die Berathung ausgesetzt. ‒ Berathung über den Bericht des Marine-Ausschusses: v Möring empfiehlt das System der Amerikaner, kleinere Schiffe zum Kriegsdienst brauchbar zu machen, zur Nachahmung; erklärt sich für Fregatten und gegen Corvetten, wünscht statt 4 Dampfschiffen zu 350 Pferdekraft, 10 zu 250 Pferdekraft, und will die 200 Kanonenboote ganz beseitigt wissen. Wartensleben empfiehlt im Namen von Millionen Küstenbewohnern die Annahme des Vorschlags. Es sei der erste Akt, wo das Prinzip der Volkssouveränität sich durch die That aussprechen könne. Wiesner gibt zu bedenkrn, daß die Versammlung heute zum ersten Mal eine Steuer auferlegen solle. Das Volk seufze aber nach Steuererleichterung. Jedenfalls dürfe man keine neue Steuer auferlegen, ehe die Aussicht auf Abgabenverminderung dem Volke eröffnet sei. Der Redner stimmt für Zurückweisung der Sache an den Ausschuß. Tellkampf macht die Vortheile einer Flotte geltend. Kaiser vertheidigt die Anwendung von Kanonenböten (welche der Redner vor ihm „bewaffnete Nußschaalen“ genannt hatte) besonders für die flachen Ufer der Ostsee. Von Ersparnissen am Landheer könne unter jetzigen Umständen keine Rede sein. Schlöffel: Deutschland besitzt wohl einen Brunnen aus dem es die 6 Mill. Thlr. schöpfen könne: es handle sich nur darum, ihn aufzufinden. Deutschland habe seit Jahren viel Blut verloren; man möge Die aufsuchen, die das Blut bewahren. Die darbenden Weber in Schlesien und die Handwerker und Industriellen in den meisten übrigen Theilen Deutschlands seien außer Stande, neue Steuern zu zahlen; ihre Vertreter könnten sie daher unmöglich bewilligen. Man möge sich an die Großmuth der Privelegirten wenden. Wenn man das Volk mit neuen Steuern belaste und den socialen Uebelständen nicht abhelfe, könnte der politischen Revolution eine Hunger-Revolution folgen. v. Reden bemerkt, daß bereits Hülfssteuern ausgeschrieben seien, von denen auch die Flotte bestritten werden könne. Allerdings würden sie vom Volke erhoben, aber natürlich nur vom besitzenden Theile. Deutschland zähle jetzt schon 40,000 tüchtige Matrosen, die im Ausland vor allen andern gesucht würden. Ferner empfiehlt er die Bildung von Matrosen-Gemeinden wie in Rußland und die Vertheilung von Prämien für die Armirung von Dampf- und Kauffartheischiffen. Er stimmt für sofortige Bewilligung der ganzen Summe. Wedekind erläutert, daß es sich nicht darum handle, neue Steuern aufzulegen, sondern nur Ausgaben zu bewilligen, und in den meisten Staaten werde hierzu keine neue Steuer erforderlich sein. Jedenfalls würden die Schiffe reiche Zinsen tragen durch Kräftigung der politischen Stellung Deutschlunds und durch Schutz des Privateigenthums. Der Redner schlägt vor, die österr. Marine als Anfang der deutschen Flotte zu benutzen, und kommt dann auch auf die preußische „Amazone“ zu sprechen, bricht aber diesen Gegenstand ab, da die Versammlung einige Ungeduld zu erkennen gibt. Bally aus Oberschlesien glaubt, daß Jeder gern seinen Beitrag zur Flotte geben werde; findet es aber bedenklich, einer Steuer auszuschreiben, ehe eine entsprechende Einnahme nachgewiesen. Man solle daher den Antrag ruhen lassen, bis eine Marine-Einnahme ausgemittelt sei. Ostendorf schildert die trostlose Lage des Danziger Handels in Folge des Krieges mit Dänemark. Roß zeigt die Correspondenz des Ausschusses vor, um zu beweisen, daß der Ausschuß allerdings die Sache näher geprüft habe. In nähere Details könne der Ausschuß nicht eingehen, wenn man nicht Gefahr laufen solle, die eingeleiteten Unterhandlungen zu vereiteln. Grobert aus Breslau findet die beabsichtigte Marine zu klein und die Geldausgabe zu groß. Er will dem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar017_002" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0002" n="0072"/> Berends'schen Antrage auf Anerkennung der Revolution seine Zustimmung nicht gegeben hat.</p> <p>Es wurde angenommen, daß ein Abgeordneter Berlins, der die Revolution und die dadurch zur Geltung gekommene Souveränität des Volkes nicht anerkenne, auch das Vertrauen seiner Wähler nicht besitzen könne. Demzufolge ist fast einstimmig beschlossen worden, den Abgeordneten Bauer über die Gründe seines Verhaltens zu hören. Da derselbe gegen eine zu diesem Zwecke an ihn abgesendete Deputation eine sofortige Erklärung hierüber vor dem Vereine ablehnte, für den Fall aber, daß er das Vertrauen seiner Mandanten verloren habe, sein Mandat niederzulegen sich bereit erklärt hat, ist zur Erledigung dieser wichtigen Angelegenheit eine neue Versammlung auf Mittwoch, den 14. Juni, Abends 6 Uhr, im Konzertsaale des Schauspielhauses angesetzt worden, zu welcher die gesammten Urwähler und Wahlmänner des dritten größeren Wahlbezirks (der Wahlbezirke Nr. 39 bis incl. 63, 68 und 69) hiermit zu recht zahlreichem Erscheinen eingeladen werden. Berlin, den 11. Juni 1848. Das Vereins-Comité des 3. Wahlbezirks.</p> <p>‒ <hi rendition="#g">Die preußische konstituirende Versammlung.</hi> (15. Sitzung vom 14. Juni.) Die Sitzung wird Mittags 12 Uhr vom Präs. Milde eröffnet. Gegen das Protokoll der 14. Sitzung findet sich kein erheblicher Widerspruch. Der Präsident läßt ein von ihm an das Staatsministerium unterm 10. Juni gerichtetes Schreiben verlesen, dessen Inhalt sich auf die Vorfälle vom Freitag bezieht. Der Präsident berichtet in demselben über die Deputation, welche die vor der Singakademie versammelte Menge in Betreff der Abstimmung über den Berends'schen Antrag an dem erwähnten Tage an ihn gesandt, die Antwort, die er der Deputation ertheilt, die gegen die Herren v. Arnim und Sydow geschehenen Thätlichkeiten, das Benehmen der in der Nähe aufgestellten Bürgerwehr, welche, wie er aus guter Quelle wisse, sich des Ministers v. Arnim anzunehmen geweigert habe. Am Schlusse des Schreibens wird das Ministerium um strenge Untersuchung und gerichtliche Verfolgung der Urheber und Vollstrecker jener Insulten, sowie um Schutz gegen größere Zusammenrottungen in der Umgegend des Sitzungs-Gebäudes der National-Versammlung ersucht. Abg. Temme beklagt die bedauerlichen Vorgänge, würde jedoch einem Antrage auf Verlegung der National-Versammlung, eben so wie einem kürzlich in Paris erlassenen Gesetz gegen Attroupements nicht beistimmen. Das Gesetz vom 6. April reiche in letzterer Beziehung vollkommen aus; man könne der Bürgerwehr fest vertrauen. Indeß wäre es nothwendig, daß zum Zweck der Sicherstellung der National-Versammlung und ihrer einzelnen Mitglieder ein aus folgenden 4 §§. bestehendes Gesetz erlassen würde: 1) Die Versammlung zur Vereinbarung der preußischen Staats-Verfassung ist während der Dauer ihrer Sitzungen unverletzlich; 2) ebenso jedes einzelne Mitglied der Versammlung auch außerhalb derselben; 3) jede gegen die Versammlung oder einzelne Mitglieder begangene Thätlichkeit und Beleidigung ist als Hochverrath anzusehen, und wird 4) schon als solche, abgesehen von anderen Strafbestimmungen, mit einer Gefängnißstrafe von 3 Monaten bis 3 Jahren belegt. ‒ Minister-Präsident <hi rendition="#g">Camphausen:</hi> Die vorgefallenen Ereignisse seien im höchsten Grade beklagenswerth, und man müsse ähnlichen Vorkommnissen für die Zukunft steuern, weil sonst in der Provinz die Ansicht Raum gewinnen könnte, daß die National-Versammlung nicht frei handle. „Da aber der Vorwurf die Regierung treffen könnte, daß sie nicht die nöthigen Mittel angewendet, um solchen Ausschweifungen zu begegnen, so halte ich es für meine Pflicht, Ihnen darzulegen, von welchen Grundsätzen wir in dieser Beziehung geleitet werden. Als ich in das Ministerium trat, war das Land noch von einem großen Sturme bewegt, zu dessen Beilegung sich 2 Mittel darboten. Nach dem einem mußten wir gewissermaßen als revolutionäre Regierung auftreten, die Begründung unserer Zustände lediglich in den letzten Zeitereignissen suchen, und von diesem Gesichtspunkte aus bei der Handhabung der Gesetze und der Herstellung der Ordnung ausgehen. Der zweite Weg bot sich uns dadurch dar, daß wir mit den gesetzlichen Mitteln, welche übrig geblieben waren, einstweilen fortregierten, bis die Vereinigung mit der Nationalvertretung uns weitere Mittel in die Hände geben würde. Den ersten Weg, den der revolutionären Diktatur, hat das Ministerium, wenn es ihn einschlagen konnte, nicht einschlagen wollen. Wir haben den zweiten betreten, und dieser Weg war nicht leicht. Wir mußten, so weit uns der feste Halt fehlte, mit der öffentlichen Meinung regieren, unsere Stärke häufig in der Passivität suchen, wir mußten oft auf die Anwendung stärkerer Maßregeln Verzicht leisten, weil daraus der Verdacht der Reaktion hätte entstehen können. Zur Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung mußten wir uns auf die Bürgerwehr, auf ihre Bereitwilligkeit und Gesinnung verlassen. Es ist uns gelungen, diese Schwierigkeit zu überwinden; wir haben diesen Weg zurückgelegt bis zu dem gegenwärtigen Zeitpunkt, wo aus unserer Vereinigung mit den Vertretern der Nation eine starke und kräftige Regierung hervorgehen wird, deren Beschlüsse das ganze Land und Berlin selbst wird anerkennen müssen, sollte diese Versammlung auch als reaktionär verschrieen werden. Was die Sicherstellung ihrer Berathungen anbetrifft, so würde ich eine Verlegung der Versammlung weder für an der Zeit, noch für politisch halten.“ An der Tagesordnung ist eine Interpellation des Abgeordneten <hi rendition="#g">Contzen</hi> an den Minister der auswärtigen Angelegenheiten über dessen, dem Gerüchte nach unter den Augen der Bürgerwehr erlittene Mißhandlung; da indeß Hr. v. Arnim nicht gegenwärtig ist, so wird zu dem Antrage des Abg. Reichensperger übergegangen : Die hohe Nationalversammlung wolle sofort eine Kommission mit der Aufgabe ernennen, durch Vernehmung der betreffenden Abgeordneten diejenigen Thatsachen festzustellen, durch welche an den letzten Sitzungstagen die Würde die Nationalversammlung und die Sicherheit ihrer Mitglieder verletzt oder bedroht worden ist; ‒ demnächst aber zu berichten, welche Maßregeln zur Verhütung jeder Wiederkehr derartiger Vorkommnisse ergriffen worden sind.</p> <p><hi rendition="#g">Reichensperger</hi> motivirt seinen Antrag. Es fordere die Würde der Versammlung, daß sie ihre Unverletzlichkeit ausspreche. Er selbst wünsche keine „draconischen“ Strafbestimmungen, aber es trage zur Ruhe bei, wenn die Versammlung über die Märzrevolution und die letzten „Störungen“ ein Votum erlasse.</p> <p><hi rendition="#g">Philipps</hi> beantragt Uebergehen zur Tagesordnung. „Ich halte es für unnöthig und unpassend, daß sich die Versammlung auf polizeiliche Bestimmungen einlasse.“ (Beifallsruf.)</p> <p><hi rendition="#g">Auerswald,</hi> Minister des Innern: Das Staatsministerium habe das Schreiben des Präsidenten Milde nicht erst abgewartet, sondern bereits früher den Berliner Magistrat auf die nöthigen Schritte bei Vorfällen solcher Art aufmerksam gemacht.</p> <p><hi rendition="#g">v. Berg.</hi> Die Versammlung hat nicht das Recht den Pflichten der Behörden vorzugreifen. Die Bürgerwehr ist nicht dazu da, an schönen Tagen mit Federhüten einherzustolziren, es muß Ehrensache für sie sein, die Vertreter des Volkes zu schützen. Ich verlange statt der einfachen, eine motivirte Tagesordnung; die Versammlung möge erklären: „in Erwartung, daß die Behörden für die Sicherheit der Versammlung pflichtmäßig Sorge tragen werden, geht sie zur Tagesordnung über.“ Dann haben die Behörden für die nöthig scheinenden Maßregeln, sei es eine Aufruhrakte (Gelächter) oder sonst etwas, selbst Sorge zu tragen. (Der Antrag wird unterstützt.)</p> <p><hi rendition="#g">Jung.</hi> Der Berg'sche Antrag stehe mit der Veranlassung in keinem Verhältniß. Auch er, der Redner, habe einen Antrag auf motivirte Tagesordnung eingereicht, nehme aber jetzt denselben zurück und trage auf einfache Tagesordnung an. In England und Frankreich wisse man sich über kleine Unbill erhaben. Vollends aber hier sei das Ereigniß zu unbedeutend, um zu solch großartigen Mitteln zu schreiten. (Lärm in verschiedenem Sinne.)</p> <p>Ein anderer Redner gegen Reichensperger: es sei der Würde der Versammlung nicht angemessen, der Polizei ins Handwerk zu greifen. Die Versammlung möge dem Volk ein treuer Hüter sein, so werde sie auch am Volk einen treuen Hüter haben. (Stürmischer Beifall der Linken.)</p> <p><hi rendition="#g">Baumstock</hi> erklärt unter großem Lärm und Gelächter, er wolle sich auf den „welthistorischen Standpunkt“ stellen, er wolle Gesetze, die ihn schützen; der Finanzminister <hi rendition="#g">Hansemann</hi> versichert, daß er keine Furcht habe, daß er im Gegentheil aus Muth der Gewalt des Volkes durch Gesetze entgegentreten wolle; die Versammlung wird immer unruhiger und lärmt zur Abstimmung.</p> <p><hi rendition="#g">Dierschke.</hi> Man wolle gegen die kleinen Unbillen des Volks die großartigsten Vorkehrungen treffen, die schändlichsten reaktionären Umtriebe lasse man unberücksichtigt. In Schlesien cirkulirten Adressen, worin gedroht werde, daß die pommer'schen Junker gen Berlin ziehen würden … (Tobender Sturm in der Versammlung.)</p> <p>Minister <hi rendition="#g">Auerswald.</hi> Anzeigen dieser Art sollten in bestimmter Fassung nur niedergelegt werden.</p> <p><hi rendition="#g">Reichenbach.</hi> Hier haben Sie die Adresse. (Gelächter. Lärm. Stürmischer Ruf zur Abstimmung.)</p> <p>Noch zwei Redner und der Antragsteller erhalten das Wort. Bei der Abstimmung wird zuerst der Antrag von Philipps auf einfache Tagesordnung verworfen; ebenso die von Berg beantragte motivirte Tagesordnung; endlich aber erhält auch der Antrag von Reichensperger nicht die Majorität.</p> </div> <div xml:id="ar017_003" type="jArticle"> <head><bibl><author>103</author></bibl> Breslau, 17. Juni.</head> <p>Voriges Jahr noch sagte man den Schlesiern Allerhöchste Schmeicheleien; „von Gottes Gnaden“ wurde ihnen versichert: ihre Provinz sei und bleibe die schönste Perle in der Krone Preußens. Solch' abgegriffene Redensarten gelten als geistreich bei Denen, die mittelst jener „schönsten Perle“ gar angenehme Geschäfte trieben. Die Uebrigen, das heißt 7/8 der ganzen Bevölkerung, verbissen einstweilen ihren Ingrimm über jene Verhöhnung. Sie warteten des Tages, der bald hereinbrechen mußte, um dann frei und bündig ihre Gegenerklärung abzugeben.</p> <p>Schlesiens Zustände sind seit den Märztagen in ihrem wahren Lichte hervorgetreten; über die Gesinnung unter der Mehrzahl seiner Bewohner kann nicht länger ein Zweifel bestehen.</p> <p>Der vorherrschende Geist ist revolutionär. Er wird es so lange bleiben, bis einerseits der mittelalterliche Unrath gänzlich hinweggefegt und andererseits die moderne Beamten-, Polizei- und Bourgeois-Wirthschaft zu Grabe getragen ist, mit Einem Wort, bis die Volkssouveränetät ungeschmälerte Anerkennung und Verwirklichung gefunden.</p> <p>Vor 3 Monaten war ein starkes politisches Bewußtsein hauptsächlich nur in Breslau und einigen andern Städten vorhanden. Selbst in diesen gab es noch gar viele Anhänger der Monarchie, gemüthliche Seelen, denen die Gewohnheit zum Naturgesetz geworden. Noch größer war ihre Zahl in andern Theilen der Provinz.</p> <p>Seitdem hat sich die Stimmung, trotz der kurzen Zeit, mächtig geändert. Zu dieser Umänderung hat allerdings der demokratische Central-Verein zu Breslau in Verbindung mit seinen Zweig- und Bruder-Vereinen hier und in der Provinz kräftig beigetragen. Allein viel wirksamer war jedenfalls die von der reaktionären Partei ausgehende Propaganda. Durch die schamlosen Angriffe, die sie namentlich gegen die hiesigen Demokraten richtete, durch ihre wüthigen Aufforderungen, nach Breslau zu ziehen und die dortigen Revolutionäre mit Stumpf und Stiel auszurotten, nöthigenfalls die Stadt dem Boden gleich zu machen, durch ihre Drohungen, bald mit 20, bald mit 40 Tausend Mann gegen das Demokraten-Nest zu marschiren, durch ihre Intriguen, den diesjährigen Breslauer Wollmarkt zu verhindern, durch ihre Geldaustheilungen an Breslauer Arbeiter, um während des dennoch zu Stande gekommenen Wollmarktes eine Emeute hervorzurufen, hat sie vielen den Staar gestochen.</p> <p>Sodann kam der saubere Verfassungsentwurf. Er fiel wie eine Bombe in Schlesien hinein. Selbst die Herren Konstitutionellen, wenigstens der biedermännische Theil derselben, schämte sich und ließ sein früheres Geschrei gegen die Demokraten verstummen. Und nun gar die Aussicht auf eine gezwungene Anleihe! Nein, das war doch zu stark! Seldst Gutsbesitzer, die zuvor jeden Republikaner mit Haut und Haaren zum Frühstück verspeisen wollten, standen plötzlich da und machten eine Miene, wie die Katzen, wenn's donnert. In ihren Augen hatte jetzt die demokratische Partei doch so Unrecht nicht.</p> <p>Auf dem platten Lande bilden die gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse eine selbstredende Propaganda. Nebstdem ist <hi rendition="#g">„Kilian Raschke“</hi> („Inhaber vum eisern Kreitze und Mitglied des demokratischen Klubs“) mit seinen 3 Proklamationen an das Landvolk von unberechenbaren Einfluß gewesen. Sein „Pauern, ufgepußt!“ hat z. B. in mehr als 100,000 Exemplaren gedruckt werden müssen, um der Nachfrage zu entsprechen.</p> <p>Ist nun zwar die demokratische Partei durch ihre Zahl stark, so sind es die Reaktionäre durch ihre Geldmittel und durch das Beamtenthum. Letzteres ist bis auf wenige Ausnahmen unverändert geblieben und bietet alle Kräfte auf, um sich die geliebten Fleischtöpfe nicht enreißen zu lassen. An diesem Beamtenthum findet eben der hohe und niedere Adel in Schlesien, von dem es wohl nirgens sonst in dem Grade wie bei uns wimmelt, seine beste Stütze. Namentlich sind die Landräthe, sehr wenige ausgenommen, und in den Städten die Magistrate die heftigsten Gegner der neuen Bewegung. Auch die Stadtverordneten sind an vielen Arten nichts weiter, als ein Ausschuß von Reaktionären.</p> <p>Bei solchen widerstrebenden Elementen ist an ein Aufhören des Kampfes nicht zu denken. Für die Einen handelt es sich um Beibehaltung ihrer Vorrechte, für die Andern um Vernichtung derselben. Gutwillig geben die Ersteren nicht nach. Drum wird die Gewalt entscheiden müssen.</p> <p>Schließlich ist nicht zu übersehen, daß wir uns in einer geographischen Lage befinden, die eine scharfe Sonderung der Parteien und einen heftigen wechselseitigen Kampf bedingt.</p> <p>Nicht weit von der russischen Gränze setzen die Reaktionäre ihre Hoffnung auf Hülfe von Osten. An der russischen Gränze häufen sich täglich größere Truppenmassen auf und binnen ein paar Wochen ist Alles zu einem nachdrücklichen Schlage vorbereitet. Daß die russische Politik mit den preußischen Reaktionären von Potsdam, Pommern, Posen und Schlesien Hand in Hand geht, daran zweifelt hier schon lange Niemand mehr. Die Unentschiedenen sind dadurch genöthigt, Partei zu ergreifen und die Verhältnisse zwingen sie meist, sich zur demokratischen Fahne zu schlagen.</p> <p>Aber selbst wenn die Russen wider allen Anschein nicht so schnell in Deutschland einbrechen sollten, so ist doch in Schlesien ein baldiger Kampf zwischen den Anhängern und denen des Alten und Neuen unvermeidlich. Die gesammte Landbevölkerung ist in der höchsten Aufregung. Sie erwartete, daß die Deputirten in Berlin sofort alle mittelalterlichen Lasten ohne Entschädigung aufheben würden. Dies ist bis jetzt nicht geschehen und die Erbittrung wächst mit jedem Tage. Sie wird noch vermehrt durch die Last militärischer Einquartirung, durch das Herumziehen mobiler Kolonnen. Der Faden der Geduld droht bald zu reißen. Dazu kommt das Elend in Oberschlesien und das noch größere unter den Webern und Spinnern, nicht blos des Eulen-, sondern des ganzen übrigen Gebirges.</p> <p>Bestände die Berliner Nationalversammlung aus Männern, welche die Zeit begriffen, sie würde durch energisches Auftreten, durch radikale Maßregeln, durch schnelle Entscheidung dem bedrohlichen Zustande ein Ende machen. Wie es jetzt steht, wird das Volk immer mehr zur Beherzigung des Spruches hingedrängt: „Hilf dir selbst, so wird dir der Himmel helfen!“</p> </div> <div xml:id="ar017_004" type="jArticle"> <head>Posen, 11. Juni.</head> <p>Seit gestern ist die bestimmte Kunde hier, daß im Königreich Polen, und zwar unmittelbar an unserer Gränze, in der Nähe der Stadt Kalisch, auf das schleunigste ein Lager für 100,000 Mann Russen errichtet wird ; die Truppen werden in Eilmärschen aus Litthauen und den angränzenden Gouvernements herangezogen.</p> </div> <div xml:id="ar017_005" type="jArticle"> <head><bibl><author>8</author></bibl> Dortmund, 15. Juni.</head> <p>Die Grafschaft Mark ist in Frankfurt wie in Berlin ausgezeichnet vertreten. Von dem <hi rendition="#g">Ritter Vincke</hi> nicht zu sprechen, dem in's Westphälische übersetzten <hi rendition="#g">Schwerin,</hi> haben wir Herrn <hi rendition="#g">Höfken,</hi> und Herrn <hi rendition="#g">Harkort.</hi></p> <p>Herr <hi rendition="#g">Höfken,</hi> Dr. phil., Ex-Offizier, früher in königl. spanischen Diensten, jetzt Privatdozent in Heidelberg, ist ein Hattinger von Geburt. Als die Wahlen zur Nationalversammlung ausgeschrieben wurden, erschien Herr Höfken in Dortmund und Bochum und stellte sich als Kandidat. Er wurde zweimal gewählt, einmal als Stellvertreter und das zweitemal, als Ritter Vincke abgelehnt, auch als Abgeordneter nach Frankfurt.</p> <p>Seelenvergnügt reist der Dr. Höfken nach Hause, setzt sich hin und schreibt ein „tiefergebenstes“ Danksagungsschreiben an die hochgeehrtesten Herren Wahlmänner des Wahlkreises. ‒ Der deutsche Briefstyl ist großer Dinge fähig; aber diese überschwengliche in hochpoetischen Schwulst eingehüllte Speichelleckerei des Dr. Höfken konnten selbst die „Hochgeehrtesten“ der Kreise Bochum und Dortmund nicht ganz verdauen. Seine parlamentarische Stellung bezeichnet Herr Höfken ebenfalls in diesem Schreiben, indem er in ein begeistertes Lob des Ritters Vincke, des „Glanzpunktes der Grafschaft Mark“ ausbricht und desgleichen des hochverehrten Herrn Vaters dieses Glanzpunktes rühmlichst gedenkt. Seitdem hat der Dr. Höfken über Limburg und Böhmen gesprochen, sich aber nicht verständlich machen können. Es ist das leider nur zu oft das Loos der großen Männer unserer Gegend.</p> <p>Herr <hi rendition="#g">Harkort,</hi> Abgeordneter des Kreises Hagen in Berlin ist eine ächte märkische Lokalcelebrität. Jeder Markaner kennt den verehrten Herrn Friedrich Harkort, den Menschenfreund, den Biedermann, den Volksschriftsteller. Herr Fr. Harkort ist Gewerbsmann, Fabrikant, Kaufmann und Krieger von 1815. Hr. Harkort hat einiges Weniges über Industrie und Schulwesen geschrieben. Er war Vorstand des Dortmunder Gewerbvereins. Als solcher trat er vor zwei Jahren mit seiner Lieblingsidee auf, nämlich der Wiedereinführung des Zunftwesens. Hr. Harkort verabsäumte nicht die reaktionäre Taktik und schmückte das Zopfthum seines Zunftwesens mit den Bändern moderner Schlagwörter als Association, Organisation der Arbeit u. s. w. aus. ‒ Nach diesem verschwand Hr. Harkort plötzlich wegen Vermögenszerrüttung. Kurz vor den Wahlen erschien Fr. Harkort wieder in verschiedenen westphälischen Wochenblättern mit einem Briefe an die Meister und Arbeiter der Grafschaft Mark. In diesen Briefen suchte sich Herr Fr. Harkort durch einen sogenannten populären, d. h. ungehobelten und von Plattheiten strotzenden Bollerwagen-Styl zum märkischen Paul Louis Courrier aufzuschwingen. Herr Fr. Harkort „kam auch von Paris“, und hatte daher den besten Grund, seinen Markanern mitzutheilen, daß „dort die Tauben auch nicht gebraten herumfliegen.“ Daran knüpfte Herr Harkort dann eine Schilderung der französischen Republik, die nicht von Paris, sondern aus der Heulerphantasie des Herrn Harkort kam. Ein so unverschämtes Lügengewebe ist nie gemacht worden. Selbst nach den entstellten Berichten der deutschen Zeitungen über Paris kann man ihm zwei Dutzend der handgreiflichsten Lügen nachweisen. Aber diese Verdächtigungen der französischen Republik waren gerade, was die märkischen und bergischen Fabrikanten für ihre Arbeiter bedurften. Tausende und abermals tausende von Exemplaren wurden für Rechnung der Fabrikanten in Elberfeld, Krefeld und der Mark gedruckt und gratis verbreitet. Ein solcher Erfolg sicherte die Wahl des Hrn. Harkort, der nun in Berlin sitzt und darauf anträgt, die Versammlung möge nach Potsdam verlegt werden.</p> <p>Im Kreise Dortmund wurde nach Berlin Herr Ostermann, Jurist, gewählt, der auch gegen die Anerkennung der Revolutioon stimmte. Ueberhaupt sitzt die ganze Grafschaft Mark, wenn nicht auf der Rechten, so doch im rechten Centrum.</p> </div> <div xml:id="ar017_006" type="jArticle"> <head><bibl><author>[#]</author></bibl> Frankfurt, 12. Juni.</head> <p>Die Apostel der deutschen Hofrathszeitung, nachdem sie im Wahlkampfe trotz aufgewendeter klingender Mittel unterlegen, sind jetzt auf eine andere sinnreiche Taktik verfallen. Sie haben einen Missionsverein gegründet und am heiligen Pfingstfeste das fromme Werk begonnen. Gervinus, Häusser und noch einige Schildknappen der „Evolution“ fuhren gestern, sabbatlich vergnügt gen Frankfurt zu und suchten die Aufmerksamkeit der Mitreisenden auf ein Flugblatt zu lenken, das die verführerische Ueberschrift trug : „<hi rendition="#g">Republik oder nicht, ein Wort an das deutsche Volk,</hi>“ und dessen Inhalt aus einem Gemisch der bekannten konstitutionellen Musterphrasen und plumpen persönlichen Ausfälle bestand. Unterwegs stieg die Bruderschaft in verschiedenen Gruppen an verschiedenen Stationen aus und hat, da der gefürchtete Pfingstmontag vor der Thür war, dies ihr Oelblatt überall, namentlich in Weinheim, in zahlreichen Exemplaren verbreitet.</p> </div> <div xml:id="ar017_007" type="jArticle"> <head>Frankfurt, 14. Juni.</head> <p><hi rendition="#g">(16. Sitzung der konstituirenden Nationalversammlung.)</hi> Nach Verlesung des Protokolls zeigte der Präsident an, daß die Abgeordneten Meyer von Lüneburg und Arnim von Boitzenburg ausgetreten seien und Camphausen in der Versammlung nicht erscheinen könne. An der Tagesordnung war die Berathung über den Bericht des Verfassungs-Ausschusses in Betreff der luxemburger Frage. Auf den Wunsch der luxemburger Abgeordneten wurde jedoch die Berathung ausgesetzt. ‒ Berathung über den Bericht des Marine-Ausschusses: <hi rendition="#g">v Möring</hi> empfiehlt das System der Amerikaner, kleinere Schiffe zum Kriegsdienst brauchbar zu machen, zur Nachahmung; erklärt sich für Fregatten und gegen Corvetten, wünscht statt 4 Dampfschiffen zu 350 Pferdekraft, 10 zu 250 Pferdekraft, und will die 200 Kanonenboote ganz beseitigt wissen. <hi rendition="#g">Wartensleben</hi> empfiehlt im Namen von Millionen Küstenbewohnern die Annahme des Vorschlags. Es sei der erste Akt, wo das Prinzip der Volkssouveränität sich durch die That aussprechen könne. <hi rendition="#g">Wiesner</hi> gibt zu bedenkrn, daß die Versammlung heute zum ersten Mal eine Steuer auferlegen solle. Das Volk seufze aber nach Steuererleichterung. Jedenfalls dürfe man keine neue Steuer auferlegen, ehe die Aussicht auf Abgabenverminderung dem Volke eröffnet sei. Der Redner stimmt für Zurückweisung der Sache an den Ausschuß. <hi rendition="#g">Tellkampf</hi> macht die Vortheile einer Flotte geltend. <hi rendition="#g">Kaiser</hi> vertheidigt die Anwendung von Kanonenböten (welche der Redner vor ihm „bewaffnete Nußschaalen“ genannt hatte) besonders für die flachen Ufer der Ostsee. Von Ersparnissen am Landheer könne unter jetzigen Umständen keine Rede sein. <hi rendition="#g">Schlöffel:</hi> Deutschland besitzt wohl einen Brunnen aus dem es die 6 Mill. Thlr. schöpfen könne: es handle sich nur darum, ihn aufzufinden. Deutschland habe seit Jahren viel Blut verloren; man möge Die aufsuchen, die das Blut bewahren. Die darbenden Weber in Schlesien und die Handwerker und Industriellen in den meisten übrigen Theilen Deutschlands seien außer Stande, neue Steuern zu zahlen; ihre Vertreter könnten sie daher unmöglich bewilligen. Man möge sich an die Großmuth der Privelegirten wenden. Wenn man das Volk mit neuen Steuern belaste und den socialen Uebelständen nicht abhelfe, könnte der politischen Revolution eine Hunger-Revolution folgen. <hi rendition="#g">v. Reden</hi> bemerkt, daß bereits Hülfssteuern ausgeschrieben seien, von denen auch die Flotte bestritten werden könne. Allerdings würden sie vom Volke erhoben, aber natürlich nur vom besitzenden Theile. Deutschland zähle jetzt schon 40,000 tüchtige Matrosen, die im Ausland vor allen andern gesucht würden. Ferner empfiehlt er die Bildung von Matrosen-Gemeinden wie in Rußland und die Vertheilung von Prämien für die Armirung von Dampf- und Kauffartheischiffen. Er stimmt für sofortige Bewilligung der ganzen Summe. <hi rendition="#g">Wedekind</hi> erläutert, daß es sich nicht darum handle, neue Steuern aufzulegen, sondern nur Ausgaben zu bewilligen, und in den meisten Staaten werde hierzu keine neue Steuer erforderlich sein. Jedenfalls würden die Schiffe reiche Zinsen tragen durch Kräftigung der politischen Stellung Deutschlunds und durch Schutz des Privateigenthums. Der Redner schlägt vor, die österr. Marine als Anfang der deutschen Flotte zu benutzen, und kommt dann auch auf die preußische „Amazone“ zu sprechen, bricht aber diesen Gegenstand ab, da die Versammlung einige Ungeduld zu erkennen gibt. <hi rendition="#g">Bally</hi> aus Oberschlesien glaubt, daß Jeder gern seinen Beitrag zur Flotte geben werde; findet es aber bedenklich, einer Steuer auszuschreiben, ehe eine entsprechende Einnahme nachgewiesen. Man solle daher den Antrag ruhen lassen, bis eine Marine-Einnahme ausgemittelt sei. <hi rendition="#g">Ostendorf</hi> schildert die trostlose Lage des Danziger Handels in Folge des Krieges mit Dänemark. <hi rendition="#g">Roß</hi> zeigt die Correspondenz des Ausschusses vor, um zu beweisen, daß der Ausschuß allerdings die Sache näher geprüft habe. In nähere Details könne der Ausschuß nicht eingehen, wenn man nicht Gefahr laufen solle, die eingeleiteten Unterhandlungen zu vereiteln. <hi rendition="#g">Grobert</hi> aus Breslau findet die beabsichtigte Marine zu klein und die Geldausgabe zu groß. Er will dem </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0072/0002]
Berends'schen Antrage auf Anerkennung der Revolution seine Zustimmung nicht gegeben hat.
Es wurde angenommen, daß ein Abgeordneter Berlins, der die Revolution und die dadurch zur Geltung gekommene Souveränität des Volkes nicht anerkenne, auch das Vertrauen seiner Wähler nicht besitzen könne. Demzufolge ist fast einstimmig beschlossen worden, den Abgeordneten Bauer über die Gründe seines Verhaltens zu hören. Da derselbe gegen eine zu diesem Zwecke an ihn abgesendete Deputation eine sofortige Erklärung hierüber vor dem Vereine ablehnte, für den Fall aber, daß er das Vertrauen seiner Mandanten verloren habe, sein Mandat niederzulegen sich bereit erklärt hat, ist zur Erledigung dieser wichtigen Angelegenheit eine neue Versammlung auf Mittwoch, den 14. Juni, Abends 6 Uhr, im Konzertsaale des Schauspielhauses angesetzt worden, zu welcher die gesammten Urwähler und Wahlmänner des dritten größeren Wahlbezirks (der Wahlbezirke Nr. 39 bis incl. 63, 68 und 69) hiermit zu recht zahlreichem Erscheinen eingeladen werden. Berlin, den 11. Juni 1848. Das Vereins-Comité des 3. Wahlbezirks.
‒ Die preußische konstituirende Versammlung. (15. Sitzung vom 14. Juni.) Die Sitzung wird Mittags 12 Uhr vom Präs. Milde eröffnet. Gegen das Protokoll der 14. Sitzung findet sich kein erheblicher Widerspruch. Der Präsident läßt ein von ihm an das Staatsministerium unterm 10. Juni gerichtetes Schreiben verlesen, dessen Inhalt sich auf die Vorfälle vom Freitag bezieht. Der Präsident berichtet in demselben über die Deputation, welche die vor der Singakademie versammelte Menge in Betreff der Abstimmung über den Berends'schen Antrag an dem erwähnten Tage an ihn gesandt, die Antwort, die er der Deputation ertheilt, die gegen die Herren v. Arnim und Sydow geschehenen Thätlichkeiten, das Benehmen der in der Nähe aufgestellten Bürgerwehr, welche, wie er aus guter Quelle wisse, sich des Ministers v. Arnim anzunehmen geweigert habe. Am Schlusse des Schreibens wird das Ministerium um strenge Untersuchung und gerichtliche Verfolgung der Urheber und Vollstrecker jener Insulten, sowie um Schutz gegen größere Zusammenrottungen in der Umgegend des Sitzungs-Gebäudes der National-Versammlung ersucht. Abg. Temme beklagt die bedauerlichen Vorgänge, würde jedoch einem Antrage auf Verlegung der National-Versammlung, eben so wie einem kürzlich in Paris erlassenen Gesetz gegen Attroupements nicht beistimmen. Das Gesetz vom 6. April reiche in letzterer Beziehung vollkommen aus; man könne der Bürgerwehr fest vertrauen. Indeß wäre es nothwendig, daß zum Zweck der Sicherstellung der National-Versammlung und ihrer einzelnen Mitglieder ein aus folgenden 4 §§. bestehendes Gesetz erlassen würde: 1) Die Versammlung zur Vereinbarung der preußischen Staats-Verfassung ist während der Dauer ihrer Sitzungen unverletzlich; 2) ebenso jedes einzelne Mitglied der Versammlung auch außerhalb derselben; 3) jede gegen die Versammlung oder einzelne Mitglieder begangene Thätlichkeit und Beleidigung ist als Hochverrath anzusehen, und wird 4) schon als solche, abgesehen von anderen Strafbestimmungen, mit einer Gefängnißstrafe von 3 Monaten bis 3 Jahren belegt. ‒ Minister-Präsident Camphausen: Die vorgefallenen Ereignisse seien im höchsten Grade beklagenswerth, und man müsse ähnlichen Vorkommnissen für die Zukunft steuern, weil sonst in der Provinz die Ansicht Raum gewinnen könnte, daß die National-Versammlung nicht frei handle. „Da aber der Vorwurf die Regierung treffen könnte, daß sie nicht die nöthigen Mittel angewendet, um solchen Ausschweifungen zu begegnen, so halte ich es für meine Pflicht, Ihnen darzulegen, von welchen Grundsätzen wir in dieser Beziehung geleitet werden. Als ich in das Ministerium trat, war das Land noch von einem großen Sturme bewegt, zu dessen Beilegung sich 2 Mittel darboten. Nach dem einem mußten wir gewissermaßen als revolutionäre Regierung auftreten, die Begründung unserer Zustände lediglich in den letzten Zeitereignissen suchen, und von diesem Gesichtspunkte aus bei der Handhabung der Gesetze und der Herstellung der Ordnung ausgehen. Der zweite Weg bot sich uns dadurch dar, daß wir mit den gesetzlichen Mitteln, welche übrig geblieben waren, einstweilen fortregierten, bis die Vereinigung mit der Nationalvertretung uns weitere Mittel in die Hände geben würde. Den ersten Weg, den der revolutionären Diktatur, hat das Ministerium, wenn es ihn einschlagen konnte, nicht einschlagen wollen. Wir haben den zweiten betreten, und dieser Weg war nicht leicht. Wir mußten, so weit uns der feste Halt fehlte, mit der öffentlichen Meinung regieren, unsere Stärke häufig in der Passivität suchen, wir mußten oft auf die Anwendung stärkerer Maßregeln Verzicht leisten, weil daraus der Verdacht der Reaktion hätte entstehen können. Zur Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung mußten wir uns auf die Bürgerwehr, auf ihre Bereitwilligkeit und Gesinnung verlassen. Es ist uns gelungen, diese Schwierigkeit zu überwinden; wir haben diesen Weg zurückgelegt bis zu dem gegenwärtigen Zeitpunkt, wo aus unserer Vereinigung mit den Vertretern der Nation eine starke und kräftige Regierung hervorgehen wird, deren Beschlüsse das ganze Land und Berlin selbst wird anerkennen müssen, sollte diese Versammlung auch als reaktionär verschrieen werden. Was die Sicherstellung ihrer Berathungen anbetrifft, so würde ich eine Verlegung der Versammlung weder für an der Zeit, noch für politisch halten.“ An der Tagesordnung ist eine Interpellation des Abgeordneten Contzen an den Minister der auswärtigen Angelegenheiten über dessen, dem Gerüchte nach unter den Augen der Bürgerwehr erlittene Mißhandlung; da indeß Hr. v. Arnim nicht gegenwärtig ist, so wird zu dem Antrage des Abg. Reichensperger übergegangen : Die hohe Nationalversammlung wolle sofort eine Kommission mit der Aufgabe ernennen, durch Vernehmung der betreffenden Abgeordneten diejenigen Thatsachen festzustellen, durch welche an den letzten Sitzungstagen die Würde die Nationalversammlung und die Sicherheit ihrer Mitglieder verletzt oder bedroht worden ist; ‒ demnächst aber zu berichten, welche Maßregeln zur Verhütung jeder Wiederkehr derartiger Vorkommnisse ergriffen worden sind.
Reichensperger motivirt seinen Antrag. Es fordere die Würde der Versammlung, daß sie ihre Unverletzlichkeit ausspreche. Er selbst wünsche keine „draconischen“ Strafbestimmungen, aber es trage zur Ruhe bei, wenn die Versammlung über die Märzrevolution und die letzten „Störungen“ ein Votum erlasse.
Philipps beantragt Uebergehen zur Tagesordnung. „Ich halte es für unnöthig und unpassend, daß sich die Versammlung auf polizeiliche Bestimmungen einlasse.“ (Beifallsruf.)
Auerswald, Minister des Innern: Das Staatsministerium habe das Schreiben des Präsidenten Milde nicht erst abgewartet, sondern bereits früher den Berliner Magistrat auf die nöthigen Schritte bei Vorfällen solcher Art aufmerksam gemacht.
v. Berg. Die Versammlung hat nicht das Recht den Pflichten der Behörden vorzugreifen. Die Bürgerwehr ist nicht dazu da, an schönen Tagen mit Federhüten einherzustolziren, es muß Ehrensache für sie sein, die Vertreter des Volkes zu schützen. Ich verlange statt der einfachen, eine motivirte Tagesordnung; die Versammlung möge erklären: „in Erwartung, daß die Behörden für die Sicherheit der Versammlung pflichtmäßig Sorge tragen werden, geht sie zur Tagesordnung über.“ Dann haben die Behörden für die nöthig scheinenden Maßregeln, sei es eine Aufruhrakte (Gelächter) oder sonst etwas, selbst Sorge zu tragen. (Der Antrag wird unterstützt.)
Jung. Der Berg'sche Antrag stehe mit der Veranlassung in keinem Verhältniß. Auch er, der Redner, habe einen Antrag auf motivirte Tagesordnung eingereicht, nehme aber jetzt denselben zurück und trage auf einfache Tagesordnung an. In England und Frankreich wisse man sich über kleine Unbill erhaben. Vollends aber hier sei das Ereigniß zu unbedeutend, um zu solch großartigen Mitteln zu schreiten. (Lärm in verschiedenem Sinne.)
Ein anderer Redner gegen Reichensperger: es sei der Würde der Versammlung nicht angemessen, der Polizei ins Handwerk zu greifen. Die Versammlung möge dem Volk ein treuer Hüter sein, so werde sie auch am Volk einen treuen Hüter haben. (Stürmischer Beifall der Linken.)
Baumstock erklärt unter großem Lärm und Gelächter, er wolle sich auf den „welthistorischen Standpunkt“ stellen, er wolle Gesetze, die ihn schützen; der Finanzminister Hansemann versichert, daß er keine Furcht habe, daß er im Gegentheil aus Muth der Gewalt des Volkes durch Gesetze entgegentreten wolle; die Versammlung wird immer unruhiger und lärmt zur Abstimmung.
Dierschke. Man wolle gegen die kleinen Unbillen des Volks die großartigsten Vorkehrungen treffen, die schändlichsten reaktionären Umtriebe lasse man unberücksichtigt. In Schlesien cirkulirten Adressen, worin gedroht werde, daß die pommer'schen Junker gen Berlin ziehen würden … (Tobender Sturm in der Versammlung.)
Minister Auerswald. Anzeigen dieser Art sollten in bestimmter Fassung nur niedergelegt werden.
Reichenbach. Hier haben Sie die Adresse. (Gelächter. Lärm. Stürmischer Ruf zur Abstimmung.)
Noch zwei Redner und der Antragsteller erhalten das Wort. Bei der Abstimmung wird zuerst der Antrag von Philipps auf einfache Tagesordnung verworfen; ebenso die von Berg beantragte motivirte Tagesordnung; endlich aber erhält auch der Antrag von Reichensperger nicht die Majorität.
103 Breslau, 17. Juni. Voriges Jahr noch sagte man den Schlesiern Allerhöchste Schmeicheleien; „von Gottes Gnaden“ wurde ihnen versichert: ihre Provinz sei und bleibe die schönste Perle in der Krone Preußens. Solch' abgegriffene Redensarten gelten als geistreich bei Denen, die mittelst jener „schönsten Perle“ gar angenehme Geschäfte trieben. Die Uebrigen, das heißt 7/8 der ganzen Bevölkerung, verbissen einstweilen ihren Ingrimm über jene Verhöhnung. Sie warteten des Tages, der bald hereinbrechen mußte, um dann frei und bündig ihre Gegenerklärung abzugeben.
Schlesiens Zustände sind seit den Märztagen in ihrem wahren Lichte hervorgetreten; über die Gesinnung unter der Mehrzahl seiner Bewohner kann nicht länger ein Zweifel bestehen.
Der vorherrschende Geist ist revolutionär. Er wird es so lange bleiben, bis einerseits der mittelalterliche Unrath gänzlich hinweggefegt und andererseits die moderne Beamten-, Polizei- und Bourgeois-Wirthschaft zu Grabe getragen ist, mit Einem Wort, bis die Volkssouveränetät ungeschmälerte Anerkennung und Verwirklichung gefunden.
Vor 3 Monaten war ein starkes politisches Bewußtsein hauptsächlich nur in Breslau und einigen andern Städten vorhanden. Selbst in diesen gab es noch gar viele Anhänger der Monarchie, gemüthliche Seelen, denen die Gewohnheit zum Naturgesetz geworden. Noch größer war ihre Zahl in andern Theilen der Provinz.
Seitdem hat sich die Stimmung, trotz der kurzen Zeit, mächtig geändert. Zu dieser Umänderung hat allerdings der demokratische Central-Verein zu Breslau in Verbindung mit seinen Zweig- und Bruder-Vereinen hier und in der Provinz kräftig beigetragen. Allein viel wirksamer war jedenfalls die von der reaktionären Partei ausgehende Propaganda. Durch die schamlosen Angriffe, die sie namentlich gegen die hiesigen Demokraten richtete, durch ihre wüthigen Aufforderungen, nach Breslau zu ziehen und die dortigen Revolutionäre mit Stumpf und Stiel auszurotten, nöthigenfalls die Stadt dem Boden gleich zu machen, durch ihre Drohungen, bald mit 20, bald mit 40 Tausend Mann gegen das Demokraten-Nest zu marschiren, durch ihre Intriguen, den diesjährigen Breslauer Wollmarkt zu verhindern, durch ihre Geldaustheilungen an Breslauer Arbeiter, um während des dennoch zu Stande gekommenen Wollmarktes eine Emeute hervorzurufen, hat sie vielen den Staar gestochen.
Sodann kam der saubere Verfassungsentwurf. Er fiel wie eine Bombe in Schlesien hinein. Selbst die Herren Konstitutionellen, wenigstens der biedermännische Theil derselben, schämte sich und ließ sein früheres Geschrei gegen die Demokraten verstummen. Und nun gar die Aussicht auf eine gezwungene Anleihe! Nein, das war doch zu stark! Seldst Gutsbesitzer, die zuvor jeden Republikaner mit Haut und Haaren zum Frühstück verspeisen wollten, standen plötzlich da und machten eine Miene, wie die Katzen, wenn's donnert. In ihren Augen hatte jetzt die demokratische Partei doch so Unrecht nicht.
Auf dem platten Lande bilden die gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse eine selbstredende Propaganda. Nebstdem ist „Kilian Raschke“ („Inhaber vum eisern Kreitze und Mitglied des demokratischen Klubs“) mit seinen 3 Proklamationen an das Landvolk von unberechenbaren Einfluß gewesen. Sein „Pauern, ufgepußt!“ hat z. B. in mehr als 100,000 Exemplaren gedruckt werden müssen, um der Nachfrage zu entsprechen.
Ist nun zwar die demokratische Partei durch ihre Zahl stark, so sind es die Reaktionäre durch ihre Geldmittel und durch das Beamtenthum. Letzteres ist bis auf wenige Ausnahmen unverändert geblieben und bietet alle Kräfte auf, um sich die geliebten Fleischtöpfe nicht enreißen zu lassen. An diesem Beamtenthum findet eben der hohe und niedere Adel in Schlesien, von dem es wohl nirgens sonst in dem Grade wie bei uns wimmelt, seine beste Stütze. Namentlich sind die Landräthe, sehr wenige ausgenommen, und in den Städten die Magistrate die heftigsten Gegner der neuen Bewegung. Auch die Stadtverordneten sind an vielen Arten nichts weiter, als ein Ausschuß von Reaktionären.
Bei solchen widerstrebenden Elementen ist an ein Aufhören des Kampfes nicht zu denken. Für die Einen handelt es sich um Beibehaltung ihrer Vorrechte, für die Andern um Vernichtung derselben. Gutwillig geben die Ersteren nicht nach. Drum wird die Gewalt entscheiden müssen.
Schließlich ist nicht zu übersehen, daß wir uns in einer geographischen Lage befinden, die eine scharfe Sonderung der Parteien und einen heftigen wechselseitigen Kampf bedingt.
Nicht weit von der russischen Gränze setzen die Reaktionäre ihre Hoffnung auf Hülfe von Osten. An der russischen Gränze häufen sich täglich größere Truppenmassen auf und binnen ein paar Wochen ist Alles zu einem nachdrücklichen Schlage vorbereitet. Daß die russische Politik mit den preußischen Reaktionären von Potsdam, Pommern, Posen und Schlesien Hand in Hand geht, daran zweifelt hier schon lange Niemand mehr. Die Unentschiedenen sind dadurch genöthigt, Partei zu ergreifen und die Verhältnisse zwingen sie meist, sich zur demokratischen Fahne zu schlagen.
Aber selbst wenn die Russen wider allen Anschein nicht so schnell in Deutschland einbrechen sollten, so ist doch in Schlesien ein baldiger Kampf zwischen den Anhängern und denen des Alten und Neuen unvermeidlich. Die gesammte Landbevölkerung ist in der höchsten Aufregung. Sie erwartete, daß die Deputirten in Berlin sofort alle mittelalterlichen Lasten ohne Entschädigung aufheben würden. Dies ist bis jetzt nicht geschehen und die Erbittrung wächst mit jedem Tage. Sie wird noch vermehrt durch die Last militärischer Einquartirung, durch das Herumziehen mobiler Kolonnen. Der Faden der Geduld droht bald zu reißen. Dazu kommt das Elend in Oberschlesien und das noch größere unter den Webern und Spinnern, nicht blos des Eulen-, sondern des ganzen übrigen Gebirges.
Bestände die Berliner Nationalversammlung aus Männern, welche die Zeit begriffen, sie würde durch energisches Auftreten, durch radikale Maßregeln, durch schnelle Entscheidung dem bedrohlichen Zustande ein Ende machen. Wie es jetzt steht, wird das Volk immer mehr zur Beherzigung des Spruches hingedrängt: „Hilf dir selbst, so wird dir der Himmel helfen!“
Posen, 11. Juni. Seit gestern ist die bestimmte Kunde hier, daß im Königreich Polen, und zwar unmittelbar an unserer Gränze, in der Nähe der Stadt Kalisch, auf das schleunigste ein Lager für 100,000 Mann Russen errichtet wird ; die Truppen werden in Eilmärschen aus Litthauen und den angränzenden Gouvernements herangezogen.
8 Dortmund, 15. Juni. Die Grafschaft Mark ist in Frankfurt wie in Berlin ausgezeichnet vertreten. Von dem Ritter Vincke nicht zu sprechen, dem in's Westphälische übersetzten Schwerin, haben wir Herrn Höfken, und Herrn Harkort.
Herr Höfken, Dr. phil., Ex-Offizier, früher in königl. spanischen Diensten, jetzt Privatdozent in Heidelberg, ist ein Hattinger von Geburt. Als die Wahlen zur Nationalversammlung ausgeschrieben wurden, erschien Herr Höfken in Dortmund und Bochum und stellte sich als Kandidat. Er wurde zweimal gewählt, einmal als Stellvertreter und das zweitemal, als Ritter Vincke abgelehnt, auch als Abgeordneter nach Frankfurt.
Seelenvergnügt reist der Dr. Höfken nach Hause, setzt sich hin und schreibt ein „tiefergebenstes“ Danksagungsschreiben an die hochgeehrtesten Herren Wahlmänner des Wahlkreises. ‒ Der deutsche Briefstyl ist großer Dinge fähig; aber diese überschwengliche in hochpoetischen Schwulst eingehüllte Speichelleckerei des Dr. Höfken konnten selbst die „Hochgeehrtesten“ der Kreise Bochum und Dortmund nicht ganz verdauen. Seine parlamentarische Stellung bezeichnet Herr Höfken ebenfalls in diesem Schreiben, indem er in ein begeistertes Lob des Ritters Vincke, des „Glanzpunktes der Grafschaft Mark“ ausbricht und desgleichen des hochverehrten Herrn Vaters dieses Glanzpunktes rühmlichst gedenkt. Seitdem hat der Dr. Höfken über Limburg und Böhmen gesprochen, sich aber nicht verständlich machen können. Es ist das leider nur zu oft das Loos der großen Männer unserer Gegend.
Herr Harkort, Abgeordneter des Kreises Hagen in Berlin ist eine ächte märkische Lokalcelebrität. Jeder Markaner kennt den verehrten Herrn Friedrich Harkort, den Menschenfreund, den Biedermann, den Volksschriftsteller. Herr Fr. Harkort ist Gewerbsmann, Fabrikant, Kaufmann und Krieger von 1815. Hr. Harkort hat einiges Weniges über Industrie und Schulwesen geschrieben. Er war Vorstand des Dortmunder Gewerbvereins. Als solcher trat er vor zwei Jahren mit seiner Lieblingsidee auf, nämlich der Wiedereinführung des Zunftwesens. Hr. Harkort verabsäumte nicht die reaktionäre Taktik und schmückte das Zopfthum seines Zunftwesens mit den Bändern moderner Schlagwörter als Association, Organisation der Arbeit u. s. w. aus. ‒ Nach diesem verschwand Hr. Harkort plötzlich wegen Vermögenszerrüttung. Kurz vor den Wahlen erschien Fr. Harkort wieder in verschiedenen westphälischen Wochenblättern mit einem Briefe an die Meister und Arbeiter der Grafschaft Mark. In diesen Briefen suchte sich Herr Fr. Harkort durch einen sogenannten populären, d. h. ungehobelten und von Plattheiten strotzenden Bollerwagen-Styl zum märkischen Paul Louis Courrier aufzuschwingen. Herr Fr. Harkort „kam auch von Paris“, und hatte daher den besten Grund, seinen Markanern mitzutheilen, daß „dort die Tauben auch nicht gebraten herumfliegen.“ Daran knüpfte Herr Harkort dann eine Schilderung der französischen Republik, die nicht von Paris, sondern aus der Heulerphantasie des Herrn Harkort kam. Ein so unverschämtes Lügengewebe ist nie gemacht worden. Selbst nach den entstellten Berichten der deutschen Zeitungen über Paris kann man ihm zwei Dutzend der handgreiflichsten Lügen nachweisen. Aber diese Verdächtigungen der französischen Republik waren gerade, was die märkischen und bergischen Fabrikanten für ihre Arbeiter bedurften. Tausende und abermals tausende von Exemplaren wurden für Rechnung der Fabrikanten in Elberfeld, Krefeld und der Mark gedruckt und gratis verbreitet. Ein solcher Erfolg sicherte die Wahl des Hrn. Harkort, der nun in Berlin sitzt und darauf anträgt, die Versammlung möge nach Potsdam verlegt werden.
Im Kreise Dortmund wurde nach Berlin Herr Ostermann, Jurist, gewählt, der auch gegen die Anerkennung der Revolutioon stimmte. Ueberhaupt sitzt die ganze Grafschaft Mark, wenn nicht auf der Rechten, so doch im rechten Centrum.
[#] Frankfurt, 12. Juni. Die Apostel der deutschen Hofrathszeitung, nachdem sie im Wahlkampfe trotz aufgewendeter klingender Mittel unterlegen, sind jetzt auf eine andere sinnreiche Taktik verfallen. Sie haben einen Missionsverein gegründet und am heiligen Pfingstfeste das fromme Werk begonnen. Gervinus, Häusser und noch einige Schildknappen der „Evolution“ fuhren gestern, sabbatlich vergnügt gen Frankfurt zu und suchten die Aufmerksamkeit der Mitreisenden auf ein Flugblatt zu lenken, das die verführerische Ueberschrift trug : „Republik oder nicht, ein Wort an das deutsche Volk,“ und dessen Inhalt aus einem Gemisch der bekannten konstitutionellen Musterphrasen und plumpen persönlichen Ausfälle bestand. Unterwegs stieg die Bruderschaft in verschiedenen Gruppen an verschiedenen Stationen aus und hat, da der gefürchtete Pfingstmontag vor der Thür war, dies ihr Oelblatt überall, namentlich in Weinheim, in zahlreichen Exemplaren verbreitet.
Frankfurt, 14. Juni. (16. Sitzung der konstituirenden Nationalversammlung.) Nach Verlesung des Protokolls zeigte der Präsident an, daß die Abgeordneten Meyer von Lüneburg und Arnim von Boitzenburg ausgetreten seien und Camphausen in der Versammlung nicht erscheinen könne. An der Tagesordnung war die Berathung über den Bericht des Verfassungs-Ausschusses in Betreff der luxemburger Frage. Auf den Wunsch der luxemburger Abgeordneten wurde jedoch die Berathung ausgesetzt. ‒ Berathung über den Bericht des Marine-Ausschusses: v Möring empfiehlt das System der Amerikaner, kleinere Schiffe zum Kriegsdienst brauchbar zu machen, zur Nachahmung; erklärt sich für Fregatten und gegen Corvetten, wünscht statt 4 Dampfschiffen zu 350 Pferdekraft, 10 zu 250 Pferdekraft, und will die 200 Kanonenboote ganz beseitigt wissen. Wartensleben empfiehlt im Namen von Millionen Küstenbewohnern die Annahme des Vorschlags. Es sei der erste Akt, wo das Prinzip der Volkssouveränität sich durch die That aussprechen könne. Wiesner gibt zu bedenkrn, daß die Versammlung heute zum ersten Mal eine Steuer auferlegen solle. Das Volk seufze aber nach Steuererleichterung. Jedenfalls dürfe man keine neue Steuer auferlegen, ehe die Aussicht auf Abgabenverminderung dem Volke eröffnet sei. Der Redner stimmt für Zurückweisung der Sache an den Ausschuß. Tellkampf macht die Vortheile einer Flotte geltend. Kaiser vertheidigt die Anwendung von Kanonenböten (welche der Redner vor ihm „bewaffnete Nußschaalen“ genannt hatte) besonders für die flachen Ufer der Ostsee. Von Ersparnissen am Landheer könne unter jetzigen Umständen keine Rede sein. Schlöffel: Deutschland besitzt wohl einen Brunnen aus dem es die 6 Mill. Thlr. schöpfen könne: es handle sich nur darum, ihn aufzufinden. Deutschland habe seit Jahren viel Blut verloren; man möge Die aufsuchen, die das Blut bewahren. Die darbenden Weber in Schlesien und die Handwerker und Industriellen in den meisten übrigen Theilen Deutschlands seien außer Stande, neue Steuern zu zahlen; ihre Vertreter könnten sie daher unmöglich bewilligen. Man möge sich an die Großmuth der Privelegirten wenden. Wenn man das Volk mit neuen Steuern belaste und den socialen Uebelständen nicht abhelfe, könnte der politischen Revolution eine Hunger-Revolution folgen. v. Reden bemerkt, daß bereits Hülfssteuern ausgeschrieben seien, von denen auch die Flotte bestritten werden könne. Allerdings würden sie vom Volke erhoben, aber natürlich nur vom besitzenden Theile. Deutschland zähle jetzt schon 40,000 tüchtige Matrosen, die im Ausland vor allen andern gesucht würden. Ferner empfiehlt er die Bildung von Matrosen-Gemeinden wie in Rußland und die Vertheilung von Prämien für die Armirung von Dampf- und Kauffartheischiffen. Er stimmt für sofortige Bewilligung der ganzen Summe. Wedekind erläutert, daß es sich nicht darum handle, neue Steuern aufzulegen, sondern nur Ausgaben zu bewilligen, und in den meisten Staaten werde hierzu keine neue Steuer erforderlich sein. Jedenfalls würden die Schiffe reiche Zinsen tragen durch Kräftigung der politischen Stellung Deutschlunds und durch Schutz des Privateigenthums. Der Redner schlägt vor, die österr. Marine als Anfang der deutschen Flotte zu benutzen, und kommt dann auch auf die preußische „Amazone“ zu sprechen, bricht aber diesen Gegenstand ab, da die Versammlung einige Ungeduld zu erkennen gibt. Bally aus Oberschlesien glaubt, daß Jeder gern seinen Beitrag zur Flotte geben werde; findet es aber bedenklich, einer Steuer auszuschreiben, ehe eine entsprechende Einnahme nachgewiesen. Man solle daher den Antrag ruhen lassen, bis eine Marine-Einnahme ausgemittelt sei. Ostendorf schildert die trostlose Lage des Danziger Handels in Folge des Krieges mit Dänemark. Roß zeigt die Correspondenz des Ausschusses vor, um zu beweisen, daß der Ausschuß allerdings die Sache näher geprüft habe. In nähere Details könne der Ausschuß nicht eingehen, wenn man nicht Gefahr laufen solle, die eingeleiteten Unterhandlungen zu vereiteln. Grobert aus Breslau findet die beabsichtigte Marine zu klein und die Geldausgabe zu groß. Er will dem
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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