Neue Rheinische Zeitung. Nr. 23. Köln, 23. Juni 1848.Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No. 23. Köln, Freitag 23. Juni 1848Die "Neue Rheinische Zeitung" erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für das nächste Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an. Für Frankreich übernehmen Abonnements das Königliche Ober-Post-Amt in Aachen; für Belgien und Holland die Königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich. Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Außerhalb Preußens mit Zuschlag des fremden Zeitungsportos. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung. Uebersicht. Deutschland. Köln (Sturz des Ministeriums Camphausen. - Erste That der deutschen Nationalversammlung zu Frankfurt). Berlin (Gescheiterte Rekrutirungsversuche des Ministeriums Camphausen. Ministerium des linken Centrums. Ursachen des Falls des Ministeriums. Pfuel nach Petersburg. - Erklärung Hansemann's und Auerswald's. Reichenbach's Antrag. Rodbertus. Auswärtige Politik des Ministeriums Camphausen. - Ratzmer. Wollmarkt. - Die Vereinbarungssitzung. Beginnende Opposition des linken Centrums gegen die Linke. Esser I. Ministerialgelüste. Ratzmer soll sich erschossen haben. - Abermals Camphausen's Abdankung). Frankfurt (die Geldsendungen von Paris. - 10,000 Mann dem "edlen" Gagern zur Verfügung gestellt. - Der demokratische Kongreß. - Sitzung der Nationalversammlung vom 20. Juni). Breslau (Büreaukratie in Reisse. - Oberbürgermeisterwahl). Aus Oberschlesien (der Einmarsch der Russen für die nächsten Tage als sicher angekündigt; Vorbereitungen dazu). Altenburg (kleine Revolution). Leipzig (Ausgleichung in Altenburg). Wien (der Kaiser krank in Insbruck; Erzherzog Karl an seiner Stelle nach Wien abgeordnet - Prag ergibt sich auf Gnade und Ungnade). Polen. Lemberg (Kuliniky's Verhaftung). Franz. Republik. Paris (Sitzung der Nat.-Versammlung vom 30. Juni. - Die Schriftsetzer und Drucker von Paris gegen die Kautionen - Gerücht über einen Aufstand in Savoyen. - Die Exekutivkommission gegen Karl Albert. - Die Paßmystifikation. - Vermischtes). Großbritannien. London (Kampf von Presse und Regierung gegen das Volk. - Ober- und Unterhaus. - Bevorstehende Ankunft eines Wiener Agenten). Italien. Vicenza (Details über die Einnahme). Vom Brenner. (Treviso Oestreichisch). Padua (Einzug der Oestreicher). Venedig (die Regierung ruft Frankreich zu Hülfe). Rovigo (Pepe zieht seine Truppen zusammen). Neapel (Ausweisung der Sizilianer). Valeggio (Brutalitäten der Oestreicher). Handelsnachrichten. Deutschland.
** Köln, 22. Juni. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. ** Köln, Die deutsche Nationalversammlung hat sich endlich erhoben! Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. 31 Berlin, 20. Juni. Das Ministerium ist also gefallen, weil sich Niemand mehr fand, der gemeinschaftlich mit der Hauptperson desselben die Leitung der Staatsgeschäfte übernehmen wollte. In der That hat man sich alle mögliche Mühe gegeben, unter Andern Milde und namentlich Rodbertus für das Innere zu gewinnen, da v. Auerswald den Kultus übernehmen sollte. Beide haben ausgeschlagen. Hansemann ist vorgestern sogar persönlich zu Rodbertus in das Hotel des Princes gegangen; Alles vergebens, Rodbertus war zu klug, das Anerbieten anzunehmen und sich dadurch für immer unmöglich zu machen. Bei Gelegenheit des Ministerwechsels wollte man sich auch Bornemann's entledigen, der die Herren wahrscheinlich als zu weit gehend genirte und man hatte seine Blicke auf Esser I. geworfen, aber diese Verbindung hat nun noch mehr die Leute abgeschreckt, namentlich hat Rodbertus erklärt, daß er mit Esser I. nie und nimmermehr zusammen eintreten würde. So mußte denn Herr Esser wieder über Bord geworfen werden. Wer mit der Bildung eines neuen Kabinets beauftragt ist, darüber verlautet noch nichts; wahrscheinlich wird es aber im linken Centrum gesucht werden. Ein Theil der Mitglieder der Rechten hat sich schon zum linken Centrum begeben, in der Voraussicht, daß es dort Portefeuilles regnet. Ob ein Ministerium aus dem linken Centrum sich halten kann, ist eine andere Frage, wenigstens ist es für sich allein die schwächste Partei der Kammer; das Ministerium muß sich also auf die eine oder andere Seite der Kammer stützen, um seine Existenz zu fristen. - Zum Rücktritt des Ministeriums mögen mannich faltige Ursachen mitgewirkt haben. Der Adreßentwurf, der, obgleich mittelmäßig, dennoch nicht dem Ministerium zusagte, die Schlappe in der Kammer, der Umstand, daß die Verfassungs-Kommission nur 11 Mitglieder aus der Rechten, dagegen 13 aus der Linken und dem linken Centrum, wovon 7 von der äußersten Linken zählt und bereits faktisch den Entwurf der Regierung bei seinen Arbeiten beseitigt hat, der bevorstehende Krieg mit Rußland u. dgl. m. Kurz das Ministerium ist zur Einsicht gekommen, daß seine Stellung unmöglich sei. Gestern Abend erregte das Gerücht, die Russen hätten bei Oberschlesien die Gränze überschritten, großen Schrecken. So viel ist aber gewiß, daß der Kommandant von Neisse bereits die Einwohner aufgefordert hat, sich zu verproviantiren und diejenigen, denen dies unmöglich sei, die Stadt verlassen. Der Krieg mit Rußland scheint unausbleiblich. Nachschrift. So eben erfahre ich, daß der General Pfuel (von Höllenstein) in einer geheimen Sendung nach Petersburg abgehen soll. Man spricht von einer Konspiration hoher Personen mit den Russen zum Zweck gewaltsamer Unterdrückung der Volksbewegung. X Berlin, 20. Juni. Der Verfassungsentwurf war gestern von der Kommission vollständig verworfen worden, man hatte die Auflösung des Ministerius erwartet und dennoch frappirte die Nachricht, auf der Rechten brachte sie ein augenblickliches Erstarren hervor; die Linke athmete sichtbar auf, doch war sie betroffen genug, daß der Präsident Milde es wagen konnte, die Vertagung auf unbestimmte Zeit ohne vorherige Diskussion sogleich zur Abstimmung bringen zu Bürgerliches. von Ferdinand Wolff. (Geschrieben vor der Märzrevolution.) Vor einigen Jahren starb in Paris ein Mann, den man mit Recht den bürgerlichen Napoleon nennen könnte. Halphen hatte als fünfzehnjähriger Knabe seine Vaterstadt Metz verlassen, um wie Tausend andere seiner israelitischen Glaubensgenossen in Paris sein Glück zu versuchen. Von allen Mitteln entblößt, und wie alle Elsasser Juden, auf den Kleinhandel angewiesen, fing er mit dem kleinsten aller Handelsgegenstände an, um mit dem größten zu enden. Er fing an mit der Stecknadel, und hörte auf mit dem Diamanten. Er fing an mit einem Artikel, den man für das wenigste Geld in der größten Quantität haben kann, und endigte mit demjenigen, der für das meiste Geld in der kleinsten Quantität verabreicht wird. Er hatte den ganzen Zwischenhandel, die ganze Reihe von Artikeln durchgemacht, welche die Stecknadel vom Diamanten trennt: er hatte von allen Produkten Nutzen zu ziehen, von allen etwas zu erübrigen gewußt, von der kleinen Stecknadel sowohl, welche das Kapital in seiner kleinsten Einheit, als vom Diamanten, welcher es in seiner kondensirtesten Masse darstellt. Und ein zweiter Napoleon hat er diese ganze Laufbahn von der gemeinnützigsten und gemeinsten aller Industrieen bis zur ungemeinsten und nutzlosesten siegreich überwunden, und war endlich zu einer Höhe angelangt, daß der Diamantenhandel Europas und Asiens, der orientalischen und der occidentalischen Welt in seiner Familie sich koncentrirt hatte. Kein einziger Kronjuwel, kein einziger Diamantenschmuck, der Halphen's prüfendem Auge, Halphen's abwägender Hand entschlüpfen konnte. Man erzählt sich sogar, daß später, als er bereits steinreich geworden, sein größtes Vergnügen darin bestand, seine Gattin nächtlicher Weise mit den reichsten Steinen zu schmücken, die sein täglicher Handel in seine Hände gebracht, sie mit wahrhaft königlichem Schmucke auszustaffiren, also daß er auf seinem Nachtlager sich königlich ergötzte mit dem Gesteine, dem Weibe und der Perle. Dieses harmlose Vergnugen soll ihn vor Ausschweifung und Verführung aller Art geschützt haben, und so geschah es denn, daß er solcher Weise neun Kinder mit seinem Weibe zeugen, und jedem von ihnen mehrere Millionen an Kostbarkeiten und Werth hinterlassen konnte. - In der Umarmung des Einen Weibes umarmte er die Weiber aller Mächte auf Erden: denn er hatte diesen Mächten die Macht abgerungen - die Kleinodieen - wodurch sie die Weiber errungen, und dieselben seinem Weibe übertragen. Und sein Herz entbrannte von immer neuen Liebe, wenn er sein Weib mit immer neuen Reizen ausgestattet sah, Reize, die er ihr verlieh, durch eine Kraftbewährung in seinem täglichem Handel; Reize, die sie für ihn nur entfaltete, fern von den Augen der Welt, im strahlenden Schlafgemache. Mit ihr spottete er der weltlichen Thorheiten, der irdischen Größen, die ihr Kostbartes auf Erden dem Juden verschachert hatten. Mit ihr spottete er der edlen Frauen, die nun alle in eine Jüdin vereinigt, sich ihm, einem Juden, hingaben. Wenn er Abends so alle Schätze hervorholte, und von jedem eine Geschichte zu erzählen wußte - seltsame Geschichten von treubrüchigen Trauringen, abhanden gekommenen Siegelringen, verwaisten Perlen, fürstlichen, gräflichen, königlichen Diamanten und Kronen und wenn er mit jeder neuen Geschichte seine Theure mit immer neuen Insignieen beweiseshalber belegte, sie stufenweise durch alle gesellschaftlichen Stände durchführte, wenn sie dann mit jedem neuen Schmucke süß-schmunzelnd lächelte, mit jeder neuen Standeserhöhung koquettirte, und die Dame von Stande komisch ernst konterfeite, das war eine Seeligkeit, die keinem Christenkinde auf Erden vergönnt ist. Je freigebiger und großmuthiger der liberale Samuel, desto preciöser und pretensiöser die werthvolle Sara. Er nannte sie sein theures Kleinod, sein goldenes Schätzchen, seine Edeldame von Edelstein, seine diamantene Furstin, seine strahlende, juwelenblitzende Königin. Sie nannte ihn ihr goldenes Männchen, ihren kostbaren Schatzmeister, ihren edlen Herrn von Edelstein, ihren Erzgrafen, ihren Juwelenfürsten, ihren Perlenkönig, ihren Korallenkaiser: bis sie beide durch ihre gegenseitige Erhebung über sich selbst und über alle Mächte der Erde erhaben, siegestrunken eingingen in das Reich der Liebe. Um sich einen Begriff von Halphen's Macht und Anseh'n zu machen, muß man wissen, daß er zu den edelsten aller Steine in demselben Verhältnisse stand, wie Rothschild zu dem edelsten aller Metalle. Man hat Unrecht, Rothschild als den alleinigen König der Juden zu bezeichnen: Es gibt zwei Juden-Könige in der modernen Welt, wie es deren zwei im antiken Sparta gab, und wenn man künftighin Rothschild nennt, so muß auch Halphen mitgenannt werden. Unsere Aufgabe ist es, Halphen zur Anerkennung zu bringen, und den Leser in den Stand zu setzen, das zweite Moment einer nichts weniger als spartanisch organisirten Welt gehörig zu würdigen. Von einer Rivalität zwischen diesen beiden Typen unserer Handels- und Industrie-Gesellschaft kann natürlich keine Rede sein, da beide sich in zwei verschiedenen Sphären bewegen: der Eine in der Sphäre der Produkte, der Andere in der Sphäre der Produktions-Werthzeichen. Halphen ist die zum Diamanten gewordene Stecknadel; Rothschild ist der zu einer Milliard angewachsene Liard (Heller). Beide sind Epiciers, Gewürzkrämer, aber bei dem Etnen christallisirt sich der Pfefferkuchen in den Edelstein, bei dem Andern nimmt er die Form des Wechsels an. Halphen konnte nur auf freiem, französischem Boden gedeihen; Rothschild ist ein deutsches Gewächs, er ist aus dem Geldhandel, dem sogenannten Chilef, d. h. aus dem unendlichen Wirrwar von blinden Stübern, falschen Groschen und Weißpfenningen hervorgegangen. In einem Lande, welches durch Münzen und Prinzen so getheilt ist wie Deutschland, dessen Einheit aber am besten durch die Einheit der Juden konstatirt wird, die sich allenthalben gleichen, mußte der beste Chilefhändler der erste Jude und zugleich der beste Deutsche werden. Und so wie nun der blinde Stüber und Groschen der Anfangspunkt des ersten europäischen Banquiers war, so ward die Nadel, das klassische Beispiel der modernen Industrie, die Grundlage des ersten Juwelenhändlers. In Deutschland finden wir zwar auch Israeliten, die nicht unmittelbar vom Gelde, sondern von der Waare ausgingen, um sich eine sociale Stellung zu erkämpfen. Aber gemeiniglich sind es bloß Juden vom Lande, die bei den Bauern herumgehen, um altes Eisen einzukaufen. Nur einige haben es zu berücksichtigungswerthen Stellungen gebracht, und dann war es immer Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No. 23. Köln, Freitag 23. Juni 1848Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für das nächste Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an. Für Frankreich übernehmen Abonnements das Königliche Ober-Post-Amt in Aachen; für Belgien und Holland die Königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich. Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Außerhalb Preußens mit Zuschlag des fremden Zeitungsportos. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung. Uebersicht. Deutschland. Köln (Sturz des Ministeriums Camphausen. ‒ Erste That der deutschen Nationalversammlung zu Frankfurt). Berlin (Gescheiterte Rekrutirungsversuche des Ministeriums Camphausen. Ministerium des linken Centrums. Ursachen des Falls des Ministeriums. Pfuel nach Petersburg. ‒ Erklärung Hansemann's und Auerswald's. Reichenbach's Antrag. Rodbertus. Auswärtige Politik des Ministeriums Camphausen. ‒ Ratzmer. Wollmarkt. ‒ Die Vereinbarungssitzung. Beginnende Opposition des linken Centrums gegen die Linke. Esser I. Ministerialgelüste. Ratzmer soll sich erschossen haben. ‒ Abermals Camphausen's Abdankung). Frankfurt (die Geldsendungen von Paris. ‒ 10,000 Mann dem „edlen“ Gagern zur Verfügung gestellt. ‒ Der demokratische Kongreß. ‒ Sitzung der Nationalversammlung vom 20. Juni). Breslau (Büreaukratie in Reisse. ‒ Oberbürgermeisterwahl). Aus Oberschlesien (der Einmarsch der Russen für die nächsten Tage als sicher angekündigt; Vorbereitungen dazu). Altenburg (kleine Revolution). Leipzig (Ausgleichung in Altenburg). Wien (der Kaiser krank in Insbruck; Erzherzog Karl an seiner Stelle nach Wien abgeordnet ‒ Prag ergibt sich auf Gnade und Ungnade). Polen. Lemberg (Kuliniky's Verhaftung). Franz. Republik. Paris (Sitzung der Nat.-Versammlung vom 30. Juni. ‒ Die Schriftsetzer und Drucker von Paris gegen die Kautionen ‒ Gerücht über einen Aufstand in Savoyen. ‒ Die Exekutivkommission gegen Karl Albert. ‒ Die Paßmystifikation. ‒ Vermischtes). Großbritannien. London (Kampf von Presse und Regierung gegen das Volk. ‒ Ober- und Unterhaus. ‒ Bevorstehende Ankunft eines Wiener Agenten). Italien. Vicenza (Details über die Einnahme). Vom Brenner. (Treviso Oestreichisch). Padua (Einzug der Oestreicher). Venedig (die Regierung ruft Frankreich zu Hülfe). Rovigo (Pepe zieht seine Truppen zusammen). Neapel (Ausweisung der Sizilianer). Valeggio (Brutalitäten der Oestreicher). Handelsnachrichten. Deutschland.
** Köln, 22. Juni. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. ** Köln, Die deutsche Nationalversammlung hat sich endlich erhoben! Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. 31 Berlin, 20. Juni. Das Ministerium ist also gefallen, weil sich Niemand mehr fand, der gemeinschaftlich mit der Hauptperson desselben die Leitung der Staatsgeschäfte übernehmen wollte. In der That hat man sich alle mögliche Mühe gegeben, unter Andern Milde und namentlich Rodbertus für das Innere zu gewinnen, da v. Auerswald den Kultus übernehmen sollte. Beide haben ausgeschlagen. Hansemann ist vorgestern sogar persönlich zu Rodbertus in das Hôtel des Princes gegangen; Alles vergebens, Rodbertus war zu klug, das Anerbieten anzunehmen und sich dadurch für immer unmöglich zu machen. Bei Gelegenheit des Ministerwechsels wollte man sich auch Bornemann's entledigen, der die Herren wahrscheinlich als zu weit gehend genirte und man hatte seine Blicke auf Esser I. geworfen, aber diese Verbindung hat nun noch mehr die Leute abgeschreckt, namentlich hat Rodbertus erklärt, daß er mit Esser I. nie und nimmermehr zusammen eintreten würde. So mußte denn Herr Esser wieder über Bord geworfen werden. Wer mit der Bildung eines neuen Kabinets beauftragt ist, darüber verlautet noch nichts; wahrscheinlich wird es aber im linken Centrum gesucht werden. Ein Theil der Mitglieder der Rechten hat sich schon zum linken Centrum begeben, in der Voraussicht, daß es dort Portefeuilles regnet. Ob ein Ministerium aus dem linken Centrum sich halten kann, ist eine andere Frage, wenigstens ist es für sich allein die schwächste Partei der Kammer; das Ministerium muß sich also auf die eine oder andere Seite der Kammer stützen, um seine Existenz zu fristen. ‒ Zum Rücktritt des Ministeriums mögen mannich faltige Ursachen mitgewirkt haben. Der Adreßentwurf, der, obgleich mittelmäßig, dennoch nicht dem Ministerium zusagte, die Schlappe in der Kammer, der Umstand, daß die Verfassungs-Kommission nur 11 Mitglieder aus der Rechten, dagegen 13 aus der Linken und dem linken Centrum, wovon 7 von der äußersten Linken zählt und bereits faktisch den Entwurf der Regierung bei seinen Arbeiten beseitigt hat, der bevorstehende Krieg mit Rußland u. dgl. m. Kurz das Ministerium ist zur Einsicht gekommen, daß seine Stellung unmöglich sei. Gestern Abend erregte das Gerücht, die Russen hätten bei Oberschlesien die Gränze überschritten, großen Schrecken. So viel ist aber gewiß, daß der Kommandant von Neisse bereits die Einwohner aufgefordert hat, sich zu verproviantiren und diejenigen, denen dies unmöglich sei, die Stadt verlassen. Der Krieg mit Rußland scheint unausbleiblich. Nachschrift. So eben erfahre ich, daß der General Pfuel (von Höllenstein) in einer geheimen Sendung nach Petersburg abgehen soll. Man spricht von einer Konspiration hoher Personen mit den Russen zum Zweck gewaltsamer Unterdrückung der Volksbewegung. X Berlin, 20. Juni. Der Verfassungsentwurf war gestern von der Kommission vollständig verworfen worden, man hatte die Auflösung des Ministerius erwartet und dennoch frappirte die Nachricht, auf der Rechten brachte sie ein augenblickliches Erstarren hervor; die Linke athmete sichtbar auf, doch war sie betroffen genug, daß der Präsident Milde es wagen konnte, die Vertagung auf unbestimmte Zeit ohne vorherige Diskussion sogleich zur Abstimmung bringen zu Bürgerliches. von Ferdinand Wolff. (Geschrieben vor der Märzrevolution.) Vor einigen Jahren starb in Paris ein Mann, den man mit Recht den bürgerlichen Napoleon nennen könnte. Halphen hatte als fünfzehnjähriger Knabe seine Vaterstadt Metz verlassen, um wie Tausend andere seiner israelitischen Glaubensgenossen in Paris sein Glück zu versuchen. Von allen Mitteln entblößt, und wie alle Elsasser Juden, auf den Kleinhandel angewiesen, fing er mit dem kleinsten aller Handelsgegenstände an, um mit dem größten zu enden. Er fing an mit der Stecknadel, und hörte auf mit dem Diamanten. Er fing an mit einem Artikel, den man für das wenigste Geld in der größten Quantität haben kann, und endigte mit demjenigen, der für das meiste Geld in der kleinsten Quantität verabreicht wird. Er hatte den ganzen Zwischenhandel, die ganze Reihe von Artikeln durchgemacht, welche die Stecknadel vom Diamanten trennt: er hatte von allen Produkten Nutzen zu ziehen, von allen etwas zu erübrigen gewußt, von der kleinen Stecknadel sowohl, welche das Kapital in seiner kleinsten Einheit, als vom Diamanten, welcher es in seiner kondensirtesten Masse darstellt. Und ein zweiter Napoleon hat er diese ganze Laufbahn von der gemeinnützigsten und gemeinsten aller Industrieen bis zur ungemeinsten und nutzlosesten siegreich überwunden, und war endlich zu einer Höhe angelangt, daß der Diamantenhandel Europas und Asiens, der orientalischen und der occidentalischen Welt in seiner Familie sich koncentrirt hatte. Kein einziger Kronjuwel, kein einziger Diamantenschmuck, der Halphen's prüfendem Auge, Halphen's abwägender Hand entschlüpfen konnte. Man erzählt sich sogar, daß später, als er bereits steinreich geworden, sein größtes Vergnügen darin bestand, seine Gattin nächtlicher Weise mit den reichsten Steinen zu schmücken, die sein täglicher Handel in seine Hände gebracht, sie mit wahrhaft königlichem Schmucke auszustaffiren, also daß er auf seinem Nachtlager sich königlich ergötzte mit dem Gesteine, dem Weibe und der Perle. Dieses harmlose Vergnugen soll ihn vor Ausschweifung und Verführung aller Art geschützt haben, und so geschah es denn, daß er solcher Weise neun Kinder mit seinem Weibe zeugen, und jedem von ihnen mehrere Millionen an Kostbarkeiten und Werth hinterlassen konnte. ‒ In der Umarmung des Einen Weibes umarmte er die Weiber aller Mächte auf Erden: denn er hatte diesen Mächten die Macht abgerungen ‒ die Kleinodieen ‒ wodurch sie die Weiber errungen, und dieselben seinem Weibe übertragen. Und sein Herz entbrannte von immer neuen Liebe, wenn er sein Weib mit immer neuen Reizen ausgestattet sah, Reize, die er ihr verlieh, durch eine Kraftbewährung in seinem täglichem Handel; Reize, die sie für ihn nur entfaltete, fern von den Augen der Welt, im strahlenden Schlafgemache. Mit ihr spottete er der weltlichen Thorheiten, der irdischen Größen, die ihr Kostbartes auf Erden dem Juden verschachert hatten. Mit ihr spottete er der edlen Frauen, die nun alle in eine Jüdin vereinigt, sich ihm, einem Juden, hingaben. Wenn er Abends so alle Schätze hervorholte, und von jedem eine Geschichte zu erzählen wußte ‒ seltsame Geschichten von treubrüchigen Trauringen, abhanden gekommenen Siegelringen, verwaisten Perlen, fürstlichen, gräflichen, königlichen Diamanten und Kronen und wenn er mit jeder neuen Geschichte seine Theure mit immer neuen Insignieen beweiseshalber belegte, sie stufenweise durch alle gesellschaftlichen Stände durchführte, wenn sie dann mit jedem neuen Schmucke süß-schmunzelnd lächelte, mit jeder neuen Standeserhöhung koquettirte, und die Dame von Stande komisch ernst konterfeite, das war eine Seeligkeit, die keinem Christenkinde auf Erden vergönnt ist. Je freigebiger und großmuthiger der liberale Samuel, desto preciöser und pretensiöser die werthvolle Sara. Er nannte sie sein theures Kleinod, sein goldenes Schätzchen, seine Edeldame von Edelstein, seine diamantene Furstin, seine strahlende, juwelenblitzende Königin. Sie nannte ihn ihr goldenes Männchen, ihren kostbaren Schatzmeister, ihren edlen Herrn von Edelstein, ihren Erzgrafen, ihren Juwelenfürsten, ihren Perlenkönig, ihren Korallenkaiser: bis sie beide durch ihre gegenseitige Erhebung über sich selbst und über alle Mächte der Erde erhaben, siegestrunken eingingen in das Reich der Liebe. Um sich einen Begriff von Halphen's Macht und Anseh'n zu machen, muß man wissen, daß er zu den edelsten aller Steine in demselben Verhältnisse stand, wie Rothschild zu dem edelsten aller Metalle. Man hat Unrecht, Rothschild als den alleinigen König der Juden zu bezeichnen: Es gibt zwei Juden-Könige in der modernen Welt, wie es deren zwei im antiken Sparta gab, und wenn man künftighin Rothschild nennt, so muß auch Halphen mitgenannt werden. Unsere Aufgabe ist es, Halphen zur Anerkennung zu bringen, und den Leser in den Stand zu setzen, das zweite Moment einer nichts weniger als spartanisch organisirten Welt gehörig zu würdigen. Von einer Rivalität zwischen diesen beiden Typen unserer Handels- und Industrie-Gesellschaft kann natürlich keine Rede sein, da beide sich in zwei verschiedenen Sphären bewegen: der Eine in der Sphäre der Produkte, der Andere in der Sphäre der Produktions-Werthzeichen. Halphen ist die zum Diamanten gewordene Stecknadel; Rothschild ist der zu einer Milliard angewachsene Liard (Heller). Beide sind Epiciers, Gewürzkrämer, aber bei dem Etnen christallisirt sich der Pfefferkuchen in den Edelstein, bei dem Andern nimmt er die Form des Wechsels an. Halphen konnte nur auf freiem, französischem Boden gedeihen; Rothschild ist ein deutsches Gewächs, er ist aus dem Geldhandel, dem sogenannten Chilef, d. h. aus dem unendlichen Wirrwar von blinden Stübern, falschen Groschen und Weißpfenningen hervorgegangen. 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Frankfurt (die Geldsendungen von Paris. ‒ 10,000 Mann dem „edlen“ Gagern zur Verfügung gestellt. ‒ Der demokratische Kongreß. ‒ Sitzung der Nationalversammlung vom 20. Juni). Breslau (Büreaukratie in Reisse. ‒ Oberbürgermeisterwahl). Aus Oberschlesien (der Einmarsch der Russen für die nächsten Tage als sicher angekündigt; Vorbereitungen dazu). Altenburg (kleine Revolution). Leipzig (Ausgleichung in Altenburg). Wien (der Kaiser krank in Insbruck; Erzherzog Karl an seiner Stelle nach Wien abgeordnet ‒ Prag ergibt sich auf Gnade und Ungnade).</p> <p><hi rendition="#g">Polen.</hi> Lemberg (Kuliniky's Verhaftung).</p> <p><hi rendition="#g">Franz. Republik.</hi> Paris (Sitzung der Nat.-Versammlung vom 30. 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Hansemann ist vorgestern sogar persönlich zu Rodbertus in das Hôtel des Princes gegangen; Alles vergebens, Rodbertus war zu klug, das Anerbieten anzunehmen und sich dadurch für immer unmöglich zu machen. Bei Gelegenheit des Ministerwechsels wollte man sich auch Bornemann's entledigen, der die Herren wahrscheinlich als zu weit gehend genirte und man hatte seine Blicke auf Esser I. geworfen, aber diese Verbindung hat nun noch mehr die Leute abgeschreckt, namentlich hat Rodbertus erklärt, daß er mit Esser I. nie und nimmermehr zusammen eintreten würde. So mußte denn Herr Esser wieder über Bord geworfen werden. Wer mit der Bildung eines neuen Kabinets beauftragt ist, darüber verlautet noch nichts; wahrscheinlich wird es aber im linken Centrum gesucht werden. Ein Theil der Mitglieder der Rechten hat sich schon zum linken Centrum begeben, in der Voraussicht, daß es dort Portefeuilles regnet. Ob ein Ministerium aus dem linken Centrum sich halten kann, ist eine andere Frage, wenigstens ist es für sich allein die schwächste Partei der Kammer; das Ministerium muß sich also auf die eine oder andere Seite der Kammer stützen, um seine Existenz zu fristen. ‒ Zum Rücktritt des Ministeriums mögen mannich faltige Ursachen mitgewirkt haben. Der Adreßentwurf, der, obgleich mittelmäßig, dennoch nicht dem Ministerium zusagte, die Schlappe in der Kammer, der Umstand, daß die Verfassungs-Kommission nur 11 Mitglieder aus der Rechten, dagegen 13 aus der Linken und dem linken Centrum, wovon 7 von der äußersten Linken zählt und bereits faktisch den Entwurf der Regierung bei seinen Arbeiten beseitigt hat, der bevorstehende Krieg mit Rußland u. dgl. m. Kurz das Ministerium ist zur Einsicht gekommen, daß seine Stellung unmöglich sei. Gestern Abend erregte das Gerücht, die Russen hätten bei Oberschlesien die Gränze überschritten, großen Schrecken. So viel ist aber gewiß, daß der Kommandant von Neisse bereits die Einwohner aufgefordert hat, sich zu verproviantiren und diejenigen, denen dies unmöglich sei, die Stadt verlassen. Der Krieg mit Rußland scheint unausbleiblich.</p> <p><hi rendition="#g">Nachschrift.</hi> So eben erfahre ich, daß der General Pfuel (von Höllenstein) in einer geheimen Sendung nach Petersburg abgehen soll. Man spricht von einer Konspiration hoher Personen mit den Russen zum Zweck gewaltsamer Unterdrückung der Volksbewegung.</p> </div> <div xml:id="ar023_004" type="jArticle"> <head><bibl><author>X</author></bibl> Berlin, 20. 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Von allen Mitteln entblößt, und wie alle Elsasser Juden, auf den Kleinhandel angewiesen, fing er mit dem kleinsten aller Handelsgegenstände an, um mit dem größten zu enden. Er fing an mit der Stecknadel, und hörte auf mit dem Diamanten. Er fing an mit einem Artikel, den man für das wenigste Geld in der größten Quantität haben kann, und endigte mit demjenigen, der für das meiste Geld in der kleinsten Quantität verabreicht wird. Er hatte den ganzen Zwischenhandel, die ganze Reihe von Artikeln durchgemacht, welche die Stecknadel vom Diamanten trennt: er hatte von allen Produkten Nutzen zu ziehen, von allen etwas zu erübrigen gewußt, von der kleinen Stecknadel sowohl, welche das Kapital in seiner kleinsten Einheit, als vom Diamanten, welcher es in seiner kondensirtesten Masse darstellt. Und ein zweiter Napoleon hat er diese ganze Laufbahn von der gemeinnützigsten und gemeinsten aller Industrieen bis zur ungemeinsten und nutzlosesten siegreich überwunden, und war endlich zu einer Höhe angelangt, daß der Diamantenhandel Europas und Asiens, der orientalischen und der occidentalischen Welt in seiner Familie sich koncentrirt hatte. Kein einziger Kronjuwel, kein einziger Diamantenschmuck, der Halphen's prüfendem Auge, Halphen's abwägender Hand entschlüpfen konnte. Man erzählt sich sogar, daß später, als er bereits steinreich geworden, sein größtes Vergnügen darin bestand, seine Gattin nächtlicher Weise mit den reichsten Steinen zu schmücken, die sein täglicher Handel in seine Hände gebracht, sie mit wahrhaft königlichem Schmucke auszustaffiren, also daß er auf seinem Nachtlager sich königlich ergötzte mit dem Gesteine, dem Weibe und der Perle. Dieses harmlose Vergnugen soll ihn vor Ausschweifung und Verführung aller Art geschützt haben, und so geschah es denn, daß er solcher Weise neun Kinder mit seinem Weibe zeugen, und jedem von ihnen mehrere Millionen an Kostbarkeiten und Werth hinterlassen konnte. ‒ In der Umarmung des Einen Weibes umarmte er die Weiber aller Mächte auf Erden: denn er hatte diesen Mächten die Macht abgerungen ‒ die Kleinodieen ‒ wodurch sie die Weiber errungen, und dieselben <hi rendition="#g">seinem</hi> Weibe übertragen. Und sein Herz entbrannte von immer neuen Liebe, wenn er sein Weib mit immer neuen Reizen ausgestattet sah, Reize, die <hi rendition="#g">er</hi> ihr verlieh, durch eine Kraftbewährung in seinem täglichem Handel; Reize, die sie für <hi rendition="#g">ihn</hi> nur entfaltete, fern von den Augen der Welt, im strahlenden Schlafgemache. Mit ihr spottete er der weltlichen Thorheiten, der irdischen Größen, die ihr Kostbartes auf Erden dem Juden verschachert hatten. Mit ihr spottete er der edlen Frauen, die nun alle in eine Jüdin vereinigt, sich ihm, einem Juden, hingaben. Wenn er Abends so alle Schätze hervorholte, und von jedem eine Geschichte zu erzählen wußte ‒ seltsame Geschichten von treubrüchigen Trauringen, abhanden gekommenen Siegelringen, verwaisten Perlen, fürstlichen, gräflichen, königlichen Diamanten und Kronen und wenn er mit jeder neuen Geschichte seine Theure mit immer neuen Insignieen beweiseshalber belegte, sie stufenweise durch alle gesellschaftlichen Stände durchführte, wenn sie dann mit jedem neuen Schmucke süß-schmunzelnd lächelte, mit jeder neuen Standeserhöhung koquettirte, und die Dame von Stande komisch ernst konterfeite, das war eine Seeligkeit, die keinem Christenkinde auf Erden vergönnt ist. Je freigebiger und großmuthiger der liberale Samuel, desto preciöser und pretensiöser die werthvolle Sara. Er nannte sie sein theures Kleinod, sein goldenes Schätzchen, seine Edeldame von Edelstein, seine diamantene Furstin, seine strahlende, juwelenblitzende Königin. Sie nannte ihn ihr goldenes Männchen, ihren kostbaren Schatzmeister, ihren edlen Herrn von Edelstein, ihren Erzgrafen, ihren Juwelenfürsten, ihren Perlenkönig, ihren Korallenkaiser: bis sie beide durch ihre gegenseitige Erhebung über sich selbst und über alle Mächte der Erde erhaben, siegestrunken eingingen in das Reich der Liebe.</p> <p>Um sich einen Begriff von Halphen's Macht und Anseh'n zu machen, muß man wissen, daß er zu den edelsten aller Steine in demselben Verhältnisse stand, wie Rothschild zu dem edelsten aller Metalle. Man hat Unrecht, Rothschild als den alleinigen König der Juden zu bezeichnen: Es gibt zwei Juden-Könige in der modernen Welt, wie es deren zwei im antiken Sparta gab, und wenn man künftighin Rothschild nennt, so muß auch Halphen mitgenannt werden. Unsere Aufgabe ist es, Halphen zur Anerkennung zu bringen, und den Leser in den Stand zu setzen, das zweite Moment einer nichts weniger als spartanisch organisirten Welt gehörig zu würdigen. Von einer Rivalität zwischen diesen beiden Typen unserer Handels- und Industrie-Gesellschaft kann natürlich keine Rede sein, da beide sich in zwei verschiedenen Sphären bewegen: der Eine in der Sphäre der Produkte, der Andere in der Sphäre der Produktions-Werthzeichen. Halphen ist die zum Diamanten gewordene Stecknadel; Rothschild ist der zu einer Milliard angewachsene Liard (Heller). Beide sind Epiciers, Gewürzkrämer, aber bei dem Etnen christallisirt sich der Pfefferkuchen in den Edelstein, bei dem Andern nimmt er die Form des Wechsels an. Halphen konnte nur auf freiem, französischem Boden gedeihen; Rothschild ist ein deutsches Gewächs, er ist aus dem Geldhandel, dem sogenannten <hi rendition="#g">Chilef,</hi> d. h. aus dem unendlichen Wirrwar von blinden Stübern, falschen Groschen und Weißpfenningen hervorgegangen. In einem Lande, welches durch Münzen und Prinzen so getheilt ist wie Deutschland, dessen Einheit aber am besten durch die Einheit der Juden konstatirt wird, die sich allenthalben gleichen, mußte der beste <hi rendition="#g">Chilefhändler</hi> der erste Jude und zugleich der beste Deutsche werden. Und so wie nun der blinde Stüber und Groschen der Anfangspunkt des ersten europäischen Banquiers war, so ward die Nadel, das klassische Beispiel der modernen Industrie, die Grundlage des ersten Juwelenhändlers. In Deutschland finden wir zwar auch Israeliten, die nicht unmittelbar vom Gelde, sondern von der Waare ausgingen, um sich eine sociale Stellung zu erkämpfen. Aber gemeiniglich sind es bloß Juden vom Lande, die bei den Bauern herumgehen, um altes Eisen einzukaufen. Nur einige haben es zu berücksichtigungswerthen Stellungen gebracht, und dann war es immer </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0103/0001]
Neue Rheinische Zeitung.Organ der Demokratie.No. 23. Köln, Freitag 23. Juni 1848 Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für das nächste Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen.
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Uebersicht. Deutschland. Köln (Sturz des Ministeriums Camphausen. ‒ Erste That der deutschen Nationalversammlung zu Frankfurt). Berlin (Gescheiterte Rekrutirungsversuche des Ministeriums Camphausen. Ministerium des linken Centrums. Ursachen des Falls des Ministeriums. Pfuel nach Petersburg. ‒ Erklärung Hansemann's und Auerswald's. Reichenbach's Antrag. Rodbertus. Auswärtige Politik des Ministeriums Camphausen. ‒ Ratzmer. Wollmarkt. ‒ Die Vereinbarungssitzung. Beginnende Opposition des linken Centrums gegen die Linke. Esser I. Ministerialgelüste. Ratzmer soll sich erschossen haben. ‒ Abermals Camphausen's Abdankung). Frankfurt (die Geldsendungen von Paris. ‒ 10,000 Mann dem „edlen“ Gagern zur Verfügung gestellt. ‒ Der demokratische Kongreß. ‒ Sitzung der Nationalversammlung vom 20. Juni). Breslau (Büreaukratie in Reisse. ‒ Oberbürgermeisterwahl). Aus Oberschlesien (der Einmarsch der Russen für die nächsten Tage als sicher angekündigt; Vorbereitungen dazu). Altenburg (kleine Revolution). Leipzig (Ausgleichung in Altenburg). Wien (der Kaiser krank in Insbruck; Erzherzog Karl an seiner Stelle nach Wien abgeordnet ‒ Prag ergibt sich auf Gnade und Ungnade).
Polen. Lemberg (Kuliniky's Verhaftung).
Franz. Republik. Paris (Sitzung der Nat.-Versammlung vom 30. Juni. ‒ Die Schriftsetzer und Drucker von Paris gegen die Kautionen ‒ Gerücht über einen Aufstand in Savoyen. ‒ Die Exekutivkommission gegen Karl Albert. ‒ Die Paßmystifikation. ‒ Vermischtes).
Großbritannien. London (Kampf von Presse und Regierung gegen das Volk. ‒ Ober- und Unterhaus. ‒ Bevorstehende Ankunft eines Wiener Agenten).
Italien. Vicenza (Details über die Einnahme). Vom Brenner. (Treviso Oestreichisch). Padua (Einzug der Oestreicher). Venedig (die Regierung ruft Frankreich zu Hülfe). Rovigo (Pepe zieht seine Truppen zusammen). Neapel (Ausweisung der Sizilianer). Valeggio (Brutalitäten der Oestreicher).
Handelsnachrichten.
Deutschland. ** Köln, 22. Juni. _ ** Köln, Die deutsche Nationalversammlung hat sich endlich erhoben!
_ 31 Berlin, 20. Juni. Das Ministerium ist also gefallen, weil sich Niemand mehr fand, der gemeinschaftlich mit der Hauptperson desselben die Leitung der Staatsgeschäfte übernehmen wollte. In der That hat man sich alle mögliche Mühe gegeben, unter Andern Milde und namentlich Rodbertus für das Innere zu gewinnen, da v. Auerswald den Kultus übernehmen sollte. Beide haben ausgeschlagen. Hansemann ist vorgestern sogar persönlich zu Rodbertus in das Hôtel des Princes gegangen; Alles vergebens, Rodbertus war zu klug, das Anerbieten anzunehmen und sich dadurch für immer unmöglich zu machen. Bei Gelegenheit des Ministerwechsels wollte man sich auch Bornemann's entledigen, der die Herren wahrscheinlich als zu weit gehend genirte und man hatte seine Blicke auf Esser I. geworfen, aber diese Verbindung hat nun noch mehr die Leute abgeschreckt, namentlich hat Rodbertus erklärt, daß er mit Esser I. nie und nimmermehr zusammen eintreten würde. So mußte denn Herr Esser wieder über Bord geworfen werden. Wer mit der Bildung eines neuen Kabinets beauftragt ist, darüber verlautet noch nichts; wahrscheinlich wird es aber im linken Centrum gesucht werden. Ein Theil der Mitglieder der Rechten hat sich schon zum linken Centrum begeben, in der Voraussicht, daß es dort Portefeuilles regnet. Ob ein Ministerium aus dem linken Centrum sich halten kann, ist eine andere Frage, wenigstens ist es für sich allein die schwächste Partei der Kammer; das Ministerium muß sich also auf die eine oder andere Seite der Kammer stützen, um seine Existenz zu fristen. ‒ Zum Rücktritt des Ministeriums mögen mannich faltige Ursachen mitgewirkt haben. Der Adreßentwurf, der, obgleich mittelmäßig, dennoch nicht dem Ministerium zusagte, die Schlappe in der Kammer, der Umstand, daß die Verfassungs-Kommission nur 11 Mitglieder aus der Rechten, dagegen 13 aus der Linken und dem linken Centrum, wovon 7 von der äußersten Linken zählt und bereits faktisch den Entwurf der Regierung bei seinen Arbeiten beseitigt hat, der bevorstehende Krieg mit Rußland u. dgl. m. Kurz das Ministerium ist zur Einsicht gekommen, daß seine Stellung unmöglich sei. Gestern Abend erregte das Gerücht, die Russen hätten bei Oberschlesien die Gränze überschritten, großen Schrecken. So viel ist aber gewiß, daß der Kommandant von Neisse bereits die Einwohner aufgefordert hat, sich zu verproviantiren und diejenigen, denen dies unmöglich sei, die Stadt verlassen. Der Krieg mit Rußland scheint unausbleiblich.
Nachschrift. So eben erfahre ich, daß der General Pfuel (von Höllenstein) in einer geheimen Sendung nach Petersburg abgehen soll. Man spricht von einer Konspiration hoher Personen mit den Russen zum Zweck gewaltsamer Unterdrückung der Volksbewegung.
X Berlin, 20. Juni. Der Verfassungsentwurf war gestern von der Kommission vollständig verworfen worden, man hatte die Auflösung des Ministerius erwartet und dennoch frappirte die Nachricht, auf der Rechten brachte sie ein augenblickliches Erstarren hervor; die Linke athmete sichtbar auf, doch war sie betroffen genug, daß der Präsident Milde es wagen konnte, die Vertagung auf unbestimmte Zeit ohne vorherige Diskussion sogleich zur Abstimmung bringen zu
Bürgerliches. von Ferdinand Wolff.
(Geschrieben vor der Märzrevolution.)
Vor einigen Jahren starb in Paris ein Mann, den man mit Recht den bürgerlichen Napoleon nennen könnte. Halphen hatte als fünfzehnjähriger Knabe seine Vaterstadt Metz verlassen, um wie Tausend andere seiner israelitischen Glaubensgenossen in Paris sein Glück zu versuchen. Von allen Mitteln entblößt, und wie alle Elsasser Juden, auf den Kleinhandel angewiesen, fing er mit dem kleinsten aller Handelsgegenstände an, um mit dem größten zu enden. Er fing an mit der Stecknadel, und hörte auf mit dem Diamanten. Er fing an mit einem Artikel, den man für das wenigste Geld in der größten Quantität haben kann, und endigte mit demjenigen, der für das meiste Geld in der kleinsten Quantität verabreicht wird. Er hatte den ganzen Zwischenhandel, die ganze Reihe von Artikeln durchgemacht, welche die Stecknadel vom Diamanten trennt: er hatte von allen Produkten Nutzen zu ziehen, von allen etwas zu erübrigen gewußt, von der kleinen Stecknadel sowohl, welche das Kapital in seiner kleinsten Einheit, als vom Diamanten, welcher es in seiner kondensirtesten Masse darstellt. Und ein zweiter Napoleon hat er diese ganze Laufbahn von der gemeinnützigsten und gemeinsten aller Industrieen bis zur ungemeinsten und nutzlosesten siegreich überwunden, und war endlich zu einer Höhe angelangt, daß der Diamantenhandel Europas und Asiens, der orientalischen und der occidentalischen Welt in seiner Familie sich koncentrirt hatte. Kein einziger Kronjuwel, kein einziger Diamantenschmuck, der Halphen's prüfendem Auge, Halphen's abwägender Hand entschlüpfen konnte. Man erzählt sich sogar, daß später, als er bereits steinreich geworden, sein größtes Vergnügen darin bestand, seine Gattin nächtlicher Weise mit den reichsten Steinen zu schmücken, die sein täglicher Handel in seine Hände gebracht, sie mit wahrhaft königlichem Schmucke auszustaffiren, also daß er auf seinem Nachtlager sich königlich ergötzte mit dem Gesteine, dem Weibe und der Perle. Dieses harmlose Vergnugen soll ihn vor Ausschweifung und Verführung aller Art geschützt haben, und so geschah es denn, daß er solcher Weise neun Kinder mit seinem Weibe zeugen, und jedem von ihnen mehrere Millionen an Kostbarkeiten und Werth hinterlassen konnte. ‒ In der Umarmung des Einen Weibes umarmte er die Weiber aller Mächte auf Erden: denn er hatte diesen Mächten die Macht abgerungen ‒ die Kleinodieen ‒ wodurch sie die Weiber errungen, und dieselben seinem Weibe übertragen. Und sein Herz entbrannte von immer neuen Liebe, wenn er sein Weib mit immer neuen Reizen ausgestattet sah, Reize, die er ihr verlieh, durch eine Kraftbewährung in seinem täglichem Handel; Reize, die sie für ihn nur entfaltete, fern von den Augen der Welt, im strahlenden Schlafgemache. Mit ihr spottete er der weltlichen Thorheiten, der irdischen Größen, die ihr Kostbartes auf Erden dem Juden verschachert hatten. Mit ihr spottete er der edlen Frauen, die nun alle in eine Jüdin vereinigt, sich ihm, einem Juden, hingaben. Wenn er Abends so alle Schätze hervorholte, und von jedem eine Geschichte zu erzählen wußte ‒ seltsame Geschichten von treubrüchigen Trauringen, abhanden gekommenen Siegelringen, verwaisten Perlen, fürstlichen, gräflichen, königlichen Diamanten und Kronen und wenn er mit jeder neuen Geschichte seine Theure mit immer neuen Insignieen beweiseshalber belegte, sie stufenweise durch alle gesellschaftlichen Stände durchführte, wenn sie dann mit jedem neuen Schmucke süß-schmunzelnd lächelte, mit jeder neuen Standeserhöhung koquettirte, und die Dame von Stande komisch ernst konterfeite, das war eine Seeligkeit, die keinem Christenkinde auf Erden vergönnt ist. Je freigebiger und großmuthiger der liberale Samuel, desto preciöser und pretensiöser die werthvolle Sara. Er nannte sie sein theures Kleinod, sein goldenes Schätzchen, seine Edeldame von Edelstein, seine diamantene Furstin, seine strahlende, juwelenblitzende Königin. Sie nannte ihn ihr goldenes Männchen, ihren kostbaren Schatzmeister, ihren edlen Herrn von Edelstein, ihren Erzgrafen, ihren Juwelenfürsten, ihren Perlenkönig, ihren Korallenkaiser: bis sie beide durch ihre gegenseitige Erhebung über sich selbst und über alle Mächte der Erde erhaben, siegestrunken eingingen in das Reich der Liebe.
Um sich einen Begriff von Halphen's Macht und Anseh'n zu machen, muß man wissen, daß er zu den edelsten aller Steine in demselben Verhältnisse stand, wie Rothschild zu dem edelsten aller Metalle. Man hat Unrecht, Rothschild als den alleinigen König der Juden zu bezeichnen: Es gibt zwei Juden-Könige in der modernen Welt, wie es deren zwei im antiken Sparta gab, und wenn man künftighin Rothschild nennt, so muß auch Halphen mitgenannt werden. Unsere Aufgabe ist es, Halphen zur Anerkennung zu bringen, und den Leser in den Stand zu setzen, das zweite Moment einer nichts weniger als spartanisch organisirten Welt gehörig zu würdigen. Von einer Rivalität zwischen diesen beiden Typen unserer Handels- und Industrie-Gesellschaft kann natürlich keine Rede sein, da beide sich in zwei verschiedenen Sphären bewegen: der Eine in der Sphäre der Produkte, der Andere in der Sphäre der Produktions-Werthzeichen. Halphen ist die zum Diamanten gewordene Stecknadel; Rothschild ist der zu einer Milliard angewachsene Liard (Heller). Beide sind Epiciers, Gewürzkrämer, aber bei dem Etnen christallisirt sich der Pfefferkuchen in den Edelstein, bei dem Andern nimmt er die Form des Wechsels an. Halphen konnte nur auf freiem, französischem Boden gedeihen; Rothschild ist ein deutsches Gewächs, er ist aus dem Geldhandel, dem sogenannten Chilef, d. h. aus dem unendlichen Wirrwar von blinden Stübern, falschen Groschen und Weißpfenningen hervorgegangen. In einem Lande, welches durch Münzen und Prinzen so getheilt ist wie Deutschland, dessen Einheit aber am besten durch die Einheit der Juden konstatirt wird, die sich allenthalben gleichen, mußte der beste Chilefhändler der erste Jude und zugleich der beste Deutsche werden. Und so wie nun der blinde Stüber und Groschen der Anfangspunkt des ersten europäischen Banquiers war, so ward die Nadel, das klassische Beispiel der modernen Industrie, die Grundlage des ersten Juwelenhändlers. In Deutschland finden wir zwar auch Israeliten, die nicht unmittelbar vom Gelde, sondern von der Waare ausgingen, um sich eine sociale Stellung zu erkämpfen. Aber gemeiniglich sind es bloß Juden vom Lande, die bei den Bauern herumgehen, um altes Eisen einzukaufen. Nur einige haben es zu berücksichtigungswerthen Stellungen gebracht, und dann war es immer
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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