Neue Rheinische Zeitung. Nr. 28. Köln, 28. Juni 1848.seien. (Bravo!) Inmitten dieser Bravos rühren sich plötzlich alle Trommeln außerhalb des Sitzungssaales und verbreiten großen Schrecken. Man erfährt aber bald, daß dies ein Freudenwirbel zu Ehren der eben aufziehenden Bürgerwehr aus Rouen sei. Um 8 Uhr setzt Portalis, ein anderer Vizepräsident, die Sitzung fort. Babaud Laribiere, einer der abgesandten Deputirten, stattet Bericht über seine Sendung ab. Am Chateau d'Eau (auf dem Boulevard) hörte er zwei lebhafte Gewehrfeuer, die gegen die Insurgenten der Umgegend gerichtet wurden. Lamoriciere verlange Verstärkung. Man habe ihm die Bürger-Corps aus Amiens zugeführt. Der General hoffe noch diesen Abend mit dem Faubourg St. Denis fertig zu werden; ebenso mit St. Antoine und den Marais. Sein System sei, die Barrikaden zu umzingeln und dann von hinten statt von vorne zu überfallen. Türk bestätigt die Einnahme der starken Position des Pantheons und giebt ein Menge Details über die dortigen Kämpfe zwischen den Insurgenten und der Mobilgarde, welche fürchterliche Verluste erlitten. Ihr General Damesme gehört zu ihren Opfern. Die Sitzung wird von Neuem suspendirt. Um 91/4 Uhr nimmt sie Senard wieder auf und erzählt der Versammlung die Ereignisse des Tages, je nach den verschiedenen Berichten der Generäle und Deputirten. Sie wissen, entwickelte er im Anfang seiner Erzählung, daß die Insurgenten nach einem gemeinsamen fürchterlichen Plane ihre Kräfte auf drei Hauptpunkte der Stadt koncentrirt hatten: 1) Das Pantheon mit der Severinskirche, den engen Gassen des lateinischen Quartiers, Place Maubert und dem schrecklichen Viertel der Weinhalle, gleichsam als Außenwerke. 2) Die City mit ihren zahlreichen Bänken und den großen Gebäuden der Belle Jardiniere und dem Hotel Dieu als Bollwerke. 3) Das sogenannte Clos von St. Lazare, das einer Art Centralveste gleicht, mit der die Straße St. Denis, St. Martin, la Chapelle, la Villette, Temple, Popincourt und St. Antoine als Strahlen in Verbindung stehen. Das Pantheon und die City seien genommen, es bleibe nur noch das Clos von St. Lazare übrig (?), das dem Bombardement des vereinigten Ingenieur- und Artillerie-Corps unmöglich lange widerstehen könne. Haubitzen, Leuchtkugeln, Brandraketen etc. seien bereits vertheilt worden! Er wiederhole, fuhr der Präsident unter sichtlichem Beifall der Rechten fort, diese Details, weil sie die Vorwürfe widerlegen, die dem Obergeneral Cavaignac von mehrern Stadtvierteln gemacht worden und die darin bestanden, daß er die vereinzelten Angriffe der Insurgenten nicht mit dem gehörigen Nachdruck zurückgeschlagen. Er habe deshalb Paris in Belagerungsstand erklären lassen, damit aller Verkehr auf den Straßen gehemmt, alle Läden, Thüren und Fenster geschlossen und so den fliehenden Insurgenten oder ihren Freunden jede Gelegenheit zu neuen Barrikaden oder der Linie und Artillerie in den Rücken zu fallen, genommen würde. Auf diese Weise abgeschnitten, werde der Kreis um die Insurgenten immer enger gezogen und ihre vollständige Niederlage könne nicht lange auf sich warten lassen. Der Präsident erzählt hierauf die hervorragendsten Thaten der einzelnen Kämpfe, wobei natürlich des Heldenmuths hinter den Barrikaden nicht gedacht wurde. Stürmische Bravo's unterbrachen ihn, als er erzählte, daß General Brea alle Barrikaden von der Rue Mouffetard bis zum Jardin des Plantes genommen habe. Am Stadthause (!) sei der Widerstand heftiger. General Duvivier mit vierzehn Bataillonen Mobilgarde, habe der Insurrektion der Umgegend noch nicht Meister werden können. (!!) Lamoriciere, obgleich verwundet, habe jedoch die Räumung des Faubourg St. Denis fortsetzen können. General Corte sei verwundet, eben so der General Lafontaine. Die Mobilgarde, die republikanische Garde und die Linien hätten sich bei St. Severin, am Hotel Dieu, (dem größten Krankenhause von Paris, in dessen unmittelbarer Nähe das große Kleidermagazin belle Jardiniere mit Kanonen in Trümmer geschossen wurde) - so wie bei St. Merry und am Pantheon zwar überaus tapfer gehalten (im Pantheon selbst mußten 1500 Insurgenten das Gewehr strecken), aber ihre Reihen seien bedeutend gelichtet. Das Dekret, das ihre Wittwen und Kinder adoptirt, habe daher großen Enthusiasmus erregt. Der Schluß der Sitzung bot wenig Neues. Etienne Arago versicherte der Versammlung, daß alle Posten pünktlich abgegangen seien. Nur die Depeschensäcke nach Deutschland (über Belgien) seien in die Hände der Insurgenten bei St. Lazare gefallen, die sie indessen respektirt und auf den Bahnhof der Nordbahn geschickt hätten. Ein Glied erzählte dann noch, daß viele Personen hinter den Barrikaden mit Geldsummen ergriffen worden seien. Bei einem Knaben von 14 Jahren habe man eine Summe von 10,000 Frs. in Goldstücken entdeckt. (Der National, der die besten Berichte besitzt, begnügt sich mit der Erklärung, daß man zwei Personen mit 314 Frs. und resp. 1400 Franken arretirt habe. Dies klingt natürlicher.) Die Sitzung wurde um 10 Uhr Abends geschlossen. Paris, 25. Juni. Unsre französischen Blätter, mit Ausnahme der Debats, sind heute wieder ausgeblieben, eben so die gewöhnliche Korrespondenz. Belgischen Blättern entnehmen wir folgende weitere Details über den 25. Juni: Gestern und heute verblieb die Mehrzahl der Offiziere der Nationalgarde in den Reihen der Nationalgarde, zur Vertheidigung der alten bürgerlichen Ordnung. Die Kommunikation ist sehr erschwert. Man gelangt nur mit einem Begleitschein oder mit besondern Karten, von einem Quartier in's andre. Das linke Ufer der Seine scheint völlig von den Insurgenten befreit; alle Barrikaden sind zerstört. Auf dem rechten Ufer dauert der Widerstand an drei Hauptpunkten fort, auf dem Bastillenplatz und im Faubourg St. Antoine, auf dem Faubourg du Temple und auf dem clos St. Lazare. Man berichtet uns in diesem Augenblick, daß die Nationalgarde von la Chapelle sich mit den Insurgenten verbunden hat auf dieser ganzen Linie des äußeren Boulevards: die Insurgenten haben die Maurer, die in ihren Reihen sind, zum Einbrechen der Mauern und zur Errichtung ungeheurer Barrikaden verwandt. General Perrot, derselbe der am Hotel Guizot Feuer kommandirt hat, soll zum obern Kommandanten der Nationalgarde ernannt sein. Der Generalprokurator von Paris hat bestimmt, daß an den Mauern nur noch die Proklamationen der Regierung angeschlagen werden dürfen. In der Rue Montmartre hat man eine angebliche Milchträgerin arretirt, die mit Kartouchen gefüllte Milchgefäße trug. Man versichert, daß Artilleriestücke auf den Höhen von Montmartre aufgepflanzt worden, um von da den Platz St. Lazare zu bombardiren. Es scheint, daß in dem gestrigen Angriff auf das Pantheon, wo sich die Insurgenten verbarrikadirt hatten, die Kanonen furchtbare Verwüstungen angerichtet haben unter den Säulen und einer Masse von Kunstwerken. 300 Insurgenten haben sich in das Kollegium Henri IV. zurückgezogen. Die Mobilgarde verfolgte sie hierhin und ließ nach Entlassung der Zöglinge und Professoren die Insurgenten Spießruthen laufen. Heute Morgen langen Nationalgarden von den entferntesten Punkten an, von Peronne, von Havre, von Louviers. Die Nationalgarde von Paris hat so Zeit, sich zu erholen. 11/2 Uhr. Wir hören die Kanonen in der Richtung des Klosters St. Lazare, obgleich der Wind nicht günstig ist. Die Nationalgarde von Pontoise hat grausam gelitten. Unserer Ansicht nach zählen die Tage des 23., 24. und 25. Juni mehr Opfer als die Revolutionen von 1830 und vom Februar 1848 zusammengenommen. Mehre kleine Journale von Paris sind nicht erschienen. Man hört kein einziges in den Straßen ausrufen. Die Presse, die Debats, der Constitutionel haben nur ein halbes Blatt herausgegeben. Die Insurgenten machen keine oder nur wenige Gefangene. Man hat hinter den Barrikaden an der Spitze von Bayonnetten Lanzen und Piken Köpfe aufgepflanzt gesehen. Ihre Fahne ist mit einer rothen Mütze geziert. Sie haben Feuer angelegt an die Mairie des achten Arrondepartements und an viele Hotels des Place ex Royale. Spätere Korrespondenz. "Ich befinde mich auf den Vorposten; Boulevard du Temple, und schreibe in aller Eile unter dem Geräusch der Füsillade. Mein Brief wird ihnen zukommen durch einen Ordonnanzoffizier, das ist die einzig mögliche Weise Ihnen zu schreiben, da die Nationalgarde den Befehl erhalten hat, alle Individuen ausserhalb ihrer Quartiers zu durchsuchen. Seit gestern Abend hören Kanonen und Musketen nicht auf gegen die Barrikaden zu donnern, aber vergeblich. Man erwartet 50 Stück Artillerie, die diesen Abend von la Fere anlangen müssen, um den letzten Schlag zu versetzen. Unterdessen verlieren wir viele Leute, besonders Offiziere, auf die man sicher zielt. General Renaud, seit gestern ernannt, ist gefallen; die Mobilgarde verrichtet Wunder der Tapferkeit, die Linientruppen und die Nationalgarde marschiren zusammen, die Pompiers, die Sapeurs kommen an mit Aexten und Hebeln; man cernirt das Faubourg du Temple und das Faubourg St. Antoine, worauf die Insurrektion sich einzuschränken scheint. Das Clos St. Lazare ist vollständig gesäubert, die Insurgenten sind verfolgt auf die Höhen des Montmartre, wo sie sich verschanzen wollen, die Artillerie und die Kavallerie schlagen sofort diese Richtung ein. Alle Bürger sind in Folge der Befehle des Generals Cavaignac gezwungen, die Waffen zu ergrifen und ihren Dienst zu thun; man entwaffnet die, die bis zu diesem Tag nicht die Wache bezogen haben, ihre Häuser sind verschlossen und überwacht. General Cavaignac kommt so eben an, er verspricht uns das Ende des Bürgerkriegs vor der Nacht, der Himmel gebe es, denn wir erliegen der Ermüdung, die Kavalleriepferde ermangeln der Lebensmittel, und was das Schlimmste ist, die Munitionen sind unzureichend. Drei Häuser, die denuncirt sind wegen Ertheilen von Signalen, werden visitirt, man findet Gewehre und Pulver, vier Männer werden arretirt, 15 oder 20 entwischen über die Dächer, in ihrer Flucht von den Nachbarn unterstüzt. 21/2 Uhr. Mehre Volksrepräsentanten durchlaufen die Boulevards. Auf dem Boulevard Montmartre hat man einen Mann arretirt, der sich für einen Volksrepräsentanten ausgab; er wurde auf die Mairie des zweiten Arrondissements geführt. 3 Uhr. Ein Volksrepräsentant, begleitet von einem Adjutanten, zeigt an, daß 200 Insurgenten so eben zu Gefangenen gemacht worden sind. 1200 Arbeiter von Rouen kommen so eben in Paris den Insurgenten zur Hülfe. Die Kanonen und die Protzkasten passiren beständig im Galop die Boulevards. Die Kanonade und die Füsillade finden statt auf 3 Punkten: 1. Auf den Barrieren Rochechonart und Poissoniere gegen die fast uneinnehmbaren Barrikaden. 2. Auf dem Boulevard Beaumarchais, dem Faubourg Saint Antoine. 3. Auf den Höhen des Jardin des Plantes. Die Artillerie von Vincennes kam heute die Mobilgarde der Kaserne von Remilly im Faubourg St. Antoine befreien. Diesen Morgen wurden die Sapeurs-Pompiers requirirt, um Passagen im Faubourg Poissonniere zu zerstören. An der Barriere Poissonniere wurde ein kleines Haus in Brand gesteckt. Zahlreiche Gefangene werden jeden Augenblick nach den Tuilerien gebracht. Nachschrift. Paris, 8 Uhr Abends. Der Kampf dauert fort. Die Insurrektion beherrscht noch zwei Quartiere. - Alle Apotheken zwischen den Thoren Saint-Denis und Saint-Martin sind in Lazarethe verwandelt, und voll von Verwundeten und Todten. Großbritannien.
27 London, 25. Juni. Seitdem die "National-Association of United Trades", die Association der Vereinigten Gewerke, in England und Schottland gebildet worden: treten jährlich am Pfingstmontage ihre Deputirten zu einer Konferenz zusammen, in welcher das Vollziehungscomite Rechenschaft über seine letztjährige Verwaltung ablegt und worin dann alle zur gedeihlichen Wirksamkeit und Ausdehnung dieser mächtigen Association erforderlichen Maßregeln reörtert und beschlossen werden. Diesmal dauerten die Verhandlungen vom 12. bis 17. Juni incl. Das Centralcomite erhielt unter Anderm den Auftrag, auf Realisirung folgender Vorschläge hinzuwirken: "Daß die Arbeitgeber, wo irgend ausführbar, dahin vermocht werden, für ihre Arbeiter gehörig lichte und gelüftete Werkstätten einzurichten, damit das Schwitzsystem und die Zwischenmeister aufhören und den zahlreichen Uebelständen vorgebeugt werde, die aus dem Arbeiten in Privatwohnungen entspringen." Sodann: "Regulirung der Arbeitsstunden in allen Gewerken, zu dem Zweck, die Beschäftigung unter den arbeitenden Klassen möglichst gleichmäßig zu vertheilen, so daß die Einen nicht überarbeitet werden, unterdeß Andere aus Mangel an Beschäftigung Hungers sterben." Ferner: "Verwendung der überschüssigen Arbeitskraft des Landes Seitens der Regierung zu nützlichen Arbeiten, wie Urbarmachung wüster Strecken, Verbesserung der Häfen, Vertiefen und Reguliren von Flüssen etc." Endlich: "Bestimmungen in gesundheitspolizeilicher Hinsicht von allgemeingiltigem und umfassenden Charakter" und "Ernennung eines Arbeitsministers, der diese und andere praktische Maßregeln zur Verbesserung der Lage der arbeitenden Klasse ausführen läßt und ihre Ausführung überwacht." Deutschland.
27 Berlin, 25. Juni. Der Polizeipräsident Minutoli erhielt in Folge seiner Abdankung eine Deputation Seitens einer Anzahl Bürger, die ihn zum Bleiben in seiner bisherigen Stellung zu vermögen suchte. Hr. Minutoli erklärte aber, "er könne nicht länger bleiben, weil es ihm nicht möglich sei, mit der Reaktion fertig zu werden." Einer zweiten zu demselben Zweck abgesandten Deputation soll er dieselbe abschlägige Antwort unter Anführung des nämlichen Grundes gegeben haben. * Berlin, 25. Juni. In unserer letzten Stadtverordnetenversammlung kam unter Anderm das Gesuch eines gewissen Hennig zur Sprache, der Oberaufseher der Straßenreinigung zu werden verlangte. Als Grund, als wichtigen, höchst wichtigen Grund seiner Petition führt er an, daß er am 18. März mit einigen anderen Kameraden das Rathhaus besetzt und so vermieden hatte, daß aus demselben geschossen und geworfen werden konnte. Die Stadtverordneten nahmen zwar das Gesuch an und überwiesen es der betreffenden Kommission, jedoch mit dem ausdrücklichen Bemerken : "Daß es ein Ruhm sei, am 18. März gekämpft zu haben, daß es deshalb als ein Verdienst des etc. Hennig durchaus nicht zu erachten, wenn er, seiner Angabe nach, den Kampf zu verhindern gesucht." Was doch schon ein Drittel neues Blut in diesen Stadtverordneten umgeändert hat; was würde erst die demokratische Erneuerung sämmtlicher drei Drittel für eine Umwandlung zu Stande bringen. 103 Berlin, 25. Juni. Die Reaktion ist hier in voller Thätigkeit. Heute läßt sie über tausend Listen in der ganzen Stadt zirkuliren, welche auf der ersten Seite die gedruckte Erklärung enthalten und weitläufig auseinandersetzen, daß man die demokratischen Bestrebungen, die nur zur Republik führen sollen, verabscheue und sich daher mit Namensunterschrift zur erblichen konstitutionellen Monarchie mit dem geliebten Hause Hohenzollern bekenne. Jeder der die Unterschrift verweigert, soll als Republikaner angesehen werden und ein reaktionärer Hauptmann einer Kompagnie Bürgerwehr will sogar alle diejenigen, die sich demnach als Republikaner zu erkennen geben, zum Austritt aus der Bürgerwehr und zur Rückgabe des Gewehrs zwingen. Das alte Ministerium wollte den Mitgliedern des demokratischen Centralcomite's, welches hier seinen Sitz haben soll, den Aufenthalt verweigern. Wie wird das zu erwartende neue Ministerium nun diese Sache beurtheilen? Soll sich die Ausweisung Itzsteins und Heckers erneuern? Der Magistrat von Berlin ist mit dem demokratischen Klub in einen Krieg verwickelt, der an allen Straßenecken durch beiderseitige Plakate ausgefochten wird. Der demokratische Klub hatte sich der brodlosen Arbeiter angenommen, nachdem sie lange beim Magistrat und Minister um Unterstützung gebettelt und um sie vor dem wüthendsten Hunger zu schützen, ernannte der Klub eine Kommission, welche in allen Bezirken Sammlungen zu diesem Zweck veranstaltete, dafür Brod und Speck für mehr als Tausend Hungernde anschaffte und sie seit Anfang dieses Monats damit unterhielt. Der Magistrat scheint von der Reaktion darauf aufmerksam gemacht worden zu sein, daß der Klub durch die Brodvertheilung einen zu großen Einfluß erlange und der Magistrat läßt deshalb bekannt machen, daß dergleichen Sammlungen ungesetzlich seien, daß sich jeder Brodlose an den Armenvorsteher seines Bezirks zu wenden habe und in einem anderm Plakat verdächtigt er den demokratischen Klub noch auf eine ganz gemeine Art. Der Klub setzt die ganze Geschichte heute in einem neuen Plakat auseinander und klagt den Magistrat vor dem Richterstuhl der öffentlichen Meinung an. 122 Breslau, 23. Juni. "Die Sachlage nähert die andre Seite der unsrigen durch die gemeinsame gleiche Noth. Ein fast einmüthiger Beschluß beider Seiten setzte fest, daß wir, wenn wir nicht bis zum nächsten Montage eingeladen werden, Montags 12 Uhr aus eigenem Berufe zusammentreten und handeln werden." Dieser Brief eines Deputirten ist vom 22. d. datirt, enthält aber die neue Ministerliste nicht, da diese erst um 10 Uhr bekannt wurde. Wahrscheinlich hat die Regierung diesen Plan erfahren und nun, um ihm vorzubeugen, schnell ein Ministerium gebildet, das durch heterogene Charaktere sich auszeichnet. 122 Breslau, 24. Juni. Der demokratische Verein in Breslau war schon früher wegen Majestätsbeleidigung angeklagt. Der Grund hierzu lag für die Behörden in den Plakaten: An die Bauern, an die Soldaten und an die bewaffneten Bürger Breslaus. Um die Verfasser dieser Plakate zu erfahren, war der ganze Vorstand verhört worden; da jedoch dieses Verfahren sich als unzulänglich auswies, indem man keinen als Verfasser nennen konnte, da der ganze Verein dieselben berathen hatte, so wurde der bisherige Präsident, Stadtrath Becker, der Majestätsbeleidigung angeklagt. Man fragt unwillkürlich, kann jetzt gegen den König ein Majestätsverbrechen noch begangen werden? Liegt die Majestät im Könige oder im Volke? * Frankfurt, 24. Juni. (Schluß der Sitzung). Gagern sprach für die Uebertragung der Centralgewalt an einen einzigen, von der Nationalversammlung aus den höchsten Sphären der Gesellschaft zu Wählenden; Auflösung des Bundestages, Einführung eines Staatenhauses. Nachdem hierauf Dahlmann als Ausschußreferent das Wort genommen, wurde beschlossen, alle zu den verschiedenen Anträgen vorzuschlagenden Modifikationen behufs der Nbstimmung, welche Montag Statt finden soll, in ein Programm zusammen zu fassen. Sitzung vom 26. Juni. - Die Abg. Zitz, Blum und Genossen, M. Mohl, Schoder und Genossen haben ihre Anträge vereinigt. Dagegen bringen Bassermann und Auerswald ein neues Amendement, wonach die provisorische Centralgewalt einem nicht regierenden Mitgliede eines deutschen Regentenhauses als Reichsverweser übertragen und derselbe von der Nationalversammlung im Vertrauen auf die Zustimmung der deutschen Regierungen gewählt werden soll. Ein Unteramendement von Heckscher geht bloß dahin: der Reichsverweiser wird von der Nationalversammlung im Vertrauen auf die Zustimmung der deutschen Regierungen gewählt. Ein drittes Amendement von Heckscher und von Rotenhan bezweckt, daß die provisarische Centralgewalt alsbald der Nationalversammlung geeignete Vorlagen über Auflösung des Bundestages und die dadurch nöthig werdenden organischen Einrichtungen mache. Die Zulässigkeit dieser Anträge zur Abstimmung nach bereits vorgestern entschiedenem Schluß der Debatte rief von der linken Seite lebhaften Widerspruch und eine mehrstündige Debatte hervor. Nachdem schon im Verlauf derselben der Abg. Bassermann von seinem Amendement zurückgetreten war, verzichtete zuletzt auch Abg. v. Auerswald auf dasselbe, dieser jedoch nur unter der Voraussetzung, daß auch die übrigen Amendement zurückgenommen würden. Da Heckscher sich erst mit seinen Freunden zu verständigen wünscht, so ist die Sitzung bis 5 Uhr ausgesetzt worden. 27 Wien, 21. Juni. Zuerst wollte der Kaiser selbst hieher zurückkehren und den Reichstag eröffnen. Die insbrucker Szeen verwandelt sich und sein "treuer und geliebter Bruder" Erzherzog Franz Karl wird zum alter ego, zum Stellvertreter des Kaisers nach Wien beordert. Dritte Verwandlung auf dem Theater zu Innsbruck: der theure Bruder muß da bleiben, der Kaiser kann sich von ihm nicht trennen; er braucht ihn vor seinem Krankenbette, während der gute Ferdinand jetzt nicht gesünder und nicht kränker ist, als ers seit Jahren gewesen. Statt des theuren Bruders wird nun der geliebte Oheim Erzherzog Johann für uns bestimmt. Den Wienern ist bereits der Kaiser, sein "geliebter" Bruder, wie sein "theurer" Oheim gleichgültig geworden. Aus Brünn erfahren wir, daß es dort zu einem blutigen Konflikt gekommen. Die Arbeitermasse war dort seit längerer Zeit in großer Aufregung, weil zum großen Theil ohne Arbeit. Ansammlungen von bedeutenden Haufen fanden täglich statt. Endlich schritt das Militär ein, namentlich hieb die Kavallerie scharf ein; viele Verwundungen sind vorgefallen und die Erbitterung der Arbeiter vermehrt worden. * Wien, 22. Juni.
Die "Wiener Zeitung" enthält in ihrem amtlichen Theile provisorische Bestimmungen zur Deckung des Bedarfs der nothwendigen Staatsausgaben und Eröffnung neuer Quellen des Einkommens. Danach soll eine außerordentliche Abgabe entrichtet werden: von den Besoldungen und Personalzulagen landesfürstlicher Civil- oder Militär- und städtischer Beamten; von den Pensionen, Quieszenz-Gehalten, Gnadengaben etc. der Civil- oder Militärbeamten, pensionirten Offiziere, Wittwen oder andern Angehörigen der Beamten oder Offiziere; von dem reinen Einkommen in- und ausländischer Pfründen, Klostergemeinden und geistlichen Orden; bloß Beamte, Pensionisten, Pfründner und Klostergemeinden, deren Gesammtgenuß jährlich nicht 1000 Fl. erreicht, sind frei davon. Die Abgabe ist zweierlei: 5 Prozent von jedem jährlichen Einkommen zwischen 1000 bis 3000 Fl. und 10 Prozent von jedem höheren Jahresgenuß. Die Diäten der Beamten in den 9 ersten Klassen werden um 1/4 verringert. Die 10., 11. und 12. Diätenklasse bleiben davon unberührt. Eine höhere Jahrespension als 8000 Fl. darf überhaupt nicht mehr ausgezahlt werden. Diese Bestimmungen treten mit dem 1. Juli a. c. in Kraft. - Das Kriegsministerium erklärt, daß es die von vielen Seiten aufgestellten Forderungen einer schleunigen Verstärkung der in Italien kämpfenden Armee aus verschiedenen Gründen nicht erfüllen könne; unter diesen sei namentlich der hervorzuheben, daß nach den Beschlüssen des ungarischen Reichstages, die sämmtlichen Truppen in Ungarn, Siebenbürgen und allen die Militärgränze umfassenden Nebenländern nicht mehr beliebig von Wien aus verwandt werden können; daß ferner in Gallizien eine große Heeresmacht nicht zu entbehren sei; daß die Ereignisse in Böhmen ein gleiches erfordern. Trotz dem würde aber das Heer in Italien doch verstärkt werden; die Vorbereitungen dazu seien im vollen Gange. seien. (Bravo!) Inmitten dieser Bravos rühren sich plötzlich alle Trommeln außerhalb des Sitzungssaales und verbreiten großen Schrecken. Man erfährt aber bald, daß dies ein Freudenwirbel zu Ehren der eben aufziehenden Bürgerwehr aus Rouen sei. Um 8 Uhr setzt Portalis, ein anderer Vizepräsident, die Sitzung fort. Babaud Laribiere, einer der abgesandten Deputirten, stattet Bericht über seine Sendung ab. Am Chateau d'Eau (auf dem Boulevard) hörte er zwei lebhafte Gewehrfeuer, die gegen die Insurgenten der Umgegend gerichtet wurden. Lamoriciere verlange Verstärkung. Man habe ihm die Bürger-Corps aus Amiens zugeführt. Der General hoffe noch diesen Abend mit dem Faubourg St. Denis fertig zu werden; ebenso mit St. Antoine und den Marais. Sein System sei, die Barrikaden zu umzingeln und dann von hinten statt von vorne zu überfallen. Türk bestätigt die Einnahme der starken Position des Pantheons und giebt ein Menge Details über die dortigen Kämpfe zwischen den Insurgenten und der Mobilgarde, welche fürchterliche Verluste erlitten. Ihr General Damesme gehört zu ihren Opfern. Die Sitzung wird von Neuem suspendirt. Um 91/4 Uhr nimmt sie Senard wieder auf und erzählt der Versammlung die Ereignisse des Tages, je nach den verschiedenen Berichten der Generäle und Deputirten. Sie wissen, entwickelte er im Anfang seiner Erzählung, daß die Insurgenten nach einem gemeinsamen fürchterlichen Plane ihre Kräfte auf drei Hauptpunkte der Stadt koncentrirt hatten: 1) Das Pantheon mit der Severinskirche, den engen Gassen des lateinischen Quartiers, Place Maubert und dem schrecklichen Viertel der Weinhalle, gleichsam als Außenwerke. 2) Die City mit ihren zahlreichen Bänken und den großen Gebäuden der Belle Jardiniere und dem Hotel Dieu als Bollwerke. 3) Das sogenannte Clos von St. Lazare, das einer Art Centralveste gleicht, mit der die Straße St. Denis, St. Martin, la Chapelle, la Villette, Temple, Popincourt und St. Antoine als Strahlen in Verbindung stehen. Das Pantheon und die City seien genommen, es bleibe nur noch das Clos von St. Lazare übrig (?), das dem Bombardement des vereinigten Ingenieur- und Artillerie-Corps unmöglich lange widerstehen könne. Haubitzen, Leuchtkugeln, Brandraketen etc. seien bereits vertheilt worden! Er wiederhole, fuhr der Präsident unter sichtlichem Beifall der Rechten fort, diese Details, weil sie die Vorwürfe widerlegen, die dem Obergeneral Cavaignac von mehrern Stadtvierteln gemacht worden und die darin bestanden, daß er die vereinzelten Angriffe der Insurgenten nicht mit dem gehörigen Nachdruck zurückgeschlagen. Er habe deshalb Paris in Belagerungsstand erklären lassen, damit aller Verkehr auf den Straßen gehemmt, alle Läden, Thüren und Fenster geschlossen und so den fliehenden Insurgenten oder ihren Freunden jede Gelegenheit zu neuen Barrikaden oder der Linie und Artillerie in den Rücken zu fallen, genommen würde. Auf diese Weise abgeschnitten, werde der Kreis um die Insurgenten immer enger gezogen und ihre vollständige Niederlage könne nicht lange auf sich warten lassen. Der Präsident erzählt hierauf die hervorragendsten Thaten der einzelnen Kämpfe, wobei natürlich des Heldenmuths hinter den Barrikaden nicht gedacht wurde. Stürmische Bravo's unterbrachen ihn, als er erzählte, daß General Brea alle Barrikaden von der Rue Mouffetard bis zum Jardin des Plantes genommen habe. Am Stadthause (!) sei der Widerstand heftiger. General Duvivier mit vierzehn Bataillonen Mobilgarde, habe der Insurrektion der Umgegend noch nicht Meister werden können. (!!) Lamoricière, obgleich verwundet, habe jedoch die Räumung des Faubourg St. Denis fortsetzen können. General Corté sei verwundet, eben so der General Lafontaine. Die Mobilgarde, die republikanische Garde und die Linien hätten sich bei St. Severin, am Hotel Dieu, (dem größten Krankenhause von Paris, in dessen unmittelbarer Nähe das große Kleidermagazin belle Jardiniêre mit Kanonen in Trümmer geschossen wurde) ‒ so wie bei St. Merry und am Pantheon zwar überaus tapfer gehalten (im Pantheon selbst mußten 1500 Insurgenten das Gewehr strecken), aber ihre Reihen seien bedeutend gelichtet. Das Dekret, das ihre Wittwen und Kinder adoptirt, habe daher großen Enthusiasmus erregt. Der Schluß der Sitzung bot wenig Neues. Etienne Arago versicherte der Versammlung, daß alle Posten pünktlich abgegangen seien. Nur die Depeschensäcke nach Deutschland (über Belgien) seien in die Hände der Insurgenten bei St. Lazare gefallen, die sie indessen respektirt und auf den Bahnhof der Nordbahn geschickt hätten. Ein Glied erzählte dann noch, daß viele Personen hinter den Barrikaden mit Geldsummen ergriffen worden seien. Bei einem Knaben von 14 Jahren habe man eine Summe von 10,000 Frs. in Goldstücken entdeckt. (Der National, der die besten Berichte besitzt, begnügt sich mit der Erklärung, daß man zwei Personen mit 314 Frs. und resp. 1400 Franken arretirt habe. Dies klingt natürlicher.) Die Sitzung wurde um 10 Uhr Abends geschlossen. Paris, 25. Juni. Unsre französischen Blätter, mit Ausnahme der Debats, sind heute wieder ausgeblieben, eben so die gewöhnliche Korrespondenz. Belgischen Blättern entnehmen wir folgende weitere Details über den 25. Juni: Gestern und heute verblieb die Mehrzahl der Offiziere der Nationalgarde in den Reihen der Nationalgarde, zur Vertheidigung der alten bürgerlichen Ordnung. Die Kommunikation ist sehr erschwert. Man gelangt nur mit einem Begleitschein oder mit besondern Karten, von einem Quartier in's andre. Das linke Ufer der Seine scheint völlig von den Insurgenten befreit; alle Barrikaden sind zerstört. Auf dem rechten Ufer dauert der Widerstand an drei Hauptpunkten fort, auf dem Bastillenplatz und im Faubourg St. Antoine, auf dem Faubourg du Temple und auf dem clos St. Lazare. Man berichtet uns in diesem Augenblick, daß die Nationalgarde von la Chapelle sich mit den Insurgenten verbunden hat auf dieser ganzen Linie des äußeren Boulevards: die Insurgenten haben die Maurer, die in ihren Reihen sind, zum Einbrechen der Mauern und zur Errichtung ungeheurer Barrikaden verwandt. General Perrot, derselbe der am Hotel Guizot Feuer kommandirt hat, soll zum obern Kommandanten der Nationalgarde ernannt sein. Der Generalprokurator von Paris hat bestimmt, daß an den Mauern nur noch die Proklamationen der Regierung angeschlagen werden dürfen. In der Rue Montmartre hat man eine angebliche Milchträgerin arretirt, die mit Kartouchen gefüllte Milchgefäße trug. Man versichert, daß Artilleriestücke auf den Höhen von Montmartre aufgepflanzt worden, um von da den Platz St. Lazare zu bombardiren. Es scheint, daß in dem gestrigen Angriff auf das Pantheon, wo sich die Insurgenten verbarrikadirt hatten, die Kanonen furchtbare Verwüstungen angerichtet haben unter den Säulen und einer Masse von Kunstwerken. 300 Insurgenten haben sich in das Kollegium Henri IV. zurückgezogen. Die Mobilgarde verfolgte sie hierhin und ließ nach Entlassung der Zöglinge und Professoren die Insurgenten Spießruthen laufen. Heute Morgen langen Nationalgarden von den entferntesten Punkten an, von Peronne, von Havre, von Louviers. Die Nationalgarde von Paris hat so Zeit, sich zu erholen. 11/2 Uhr. Wir hören die Kanonen in der Richtung des Klosters St. Lazare, obgleich der Wind nicht günstig ist. Die Nationalgarde von Pontoise hat grausam gelitten. Unserer Ansicht nach zählen die Tage des 23., 24. und 25. Juni mehr Opfer als die Revolutionen von 1830 und vom Februar 1848 zusammengenommen. Mehre kleine Journale von Paris sind nicht erschienen. Man hört kein einziges in den Straßen ausrufen. Die Presse, die Débats, der Constitutionel haben nur ein halbes Blatt herausgegeben. Die Insurgenten machen keine oder nur wenige Gefangene. Man hat hinter den Barrikaden an der Spitze von Bayonnetten Lanzen und Piken Köpfe aufgepflanzt gesehen. Ihre Fahne ist mit einer rothen Mütze geziert. Sie haben Feuer angelegt an die Mairie des achten Arrondepartements und an viele Hotels des Place ex Royale. Spätere Korrespondenz. „Ich befinde mich auf den Vorposten; Boulevard du Temple, und schreibe in aller Eile unter dem Geräusch der Füsillade. Mein Brief wird ihnen zukommen durch einen Ordonnanzoffizier, das ist die einzig mögliche Weise Ihnen zu schreiben, da die Nationalgarde den Befehl erhalten hat, alle Individuen ausserhalb ihrer Quartiers zu durchsuchen. Seit gestern Abend hören Kanonen und Musketen nicht auf gegen die Barrikaden zu donnern, aber vergeblich. Man erwartet 50 Stück Artillerie, die diesen Abend von la Fère anlangen müssen, um den letzten Schlag zu versetzen. Unterdessen verlieren wir viele Leute, besonders Offiziere, auf die man sicher zielt. General Rènaud, seit gestern ernannt, ist gefallen; die Mobilgarde verrichtet Wunder der Tapferkeit, die Linientruppen und die Nationalgarde marschiren zusammen, die Pompiers, die Sapeurs kommen an mit Aexten und Hebeln; man cernirt das Faubourg du Temple und das Faubourg St. Antoine, worauf die Insurrektion sich einzuschränken scheint. Das Clos St. Lazare ist vollständig gesäubert, die Insurgenten sind verfolgt auf die Höhen des Montmartre, wo sie sich verschanzen wollen, die Artillerie und die Kavallerie schlagen sofort diese Richtung ein. Alle Bürger sind in Folge der Befehle des Generals Cavaignac gezwungen, die Waffen zu ergrifen und ihren Dienst zu thun; man entwaffnet die, die bis zu diesem Tag nicht die Wache bezogen haben, ihre Häuser sind verschlossen und überwacht. General Cavaignac kommt so eben an, er verspricht uns das Ende des Bürgerkriegs vor der Nacht, der Himmel gebe es, denn wir erliegen der Ermüdung, die Kavalleriepferde ermangeln der Lebensmittel, und was das Schlimmste ist, die Munitionen sind unzureichend. Drei Häuser, die denuncirt sind wegen Ertheilen von Signalen, werden visitirt, man findet Gewehre und Pulver, vier Männer werden arretirt, 15 oder 20 entwischen über die Dächer, in ihrer Flucht von den Nachbarn unterstüzt. 21/2 Uhr. Mehre Volksrepräsentanten durchlaufen die Boulevards. Auf dem Boulevard Montmartre hat man einen Mann arretirt, der sich für einen Volksrepräsentanten ausgab; er wurde auf die Mairie des zweiten Arrondissements geführt. 3 Uhr. Ein Volksrepräsentant, begleitet von einem Adjutanten, zeigt an, daß 200 Insurgenten so eben zu Gefangenen gemacht worden sind. 1200 Arbeiter von Rouen kommen so eben in Paris den Insurgenten zur Hülfe. Die Kanonen und die Protzkasten passiren beständig im Galop die Boulevards. Die Kanonade und die Füsillade finden statt auf 3 Punkten: 1. Auf den Barrièren Rochechonart und Poissonière gegen die fast uneinnehmbaren Barrikaden. 2. Auf dem Boulevard Beaumarchais, dem Faubourg Saint Antoine. 3. Auf den Höhen des Jardin des Plantes. Die Artillerie von Vincennes kam heute die Mobilgarde der Kaserne von Remilly im Faubourg St. Antoine befreien. Diesen Morgen wurden die Sapeurs-Pompiers requirirt, um Passagen im Faubourg Poissonnière zu zerstören. An der Barriere Poissonnière wurde ein kleines Haus in Brand gesteckt. Zahlreiche Gefangene werden jeden Augenblick nach den Tuilerien gebracht. Nachschrift. Paris, 8 Uhr Abends. Der Kampf dauert fort. Die Insurrektion beherrscht noch zwei Quartiere. ‒ Alle Apotheken zwischen den Thoren Saint-Denis und Saint-Martin sind in Lazarethe verwandelt, und voll von Verwundeten und Todten. Großbritannien.
27 London, 25. Juni. Seitdem die „National-Association of United Trades“, die Association der Vereinigten Gewerke, in England und Schottland gebildet worden: treten jährlich am Pfingstmontage ihre Deputirten zu einer Konferenz zusammen, in welcher das Vollziehungscomité Rechenschaft über seine letztjährige Verwaltung ablegt und worin dann alle zur gedeihlichen Wirksamkeit und Ausdehnung dieser mächtigen Association erforderlichen Maßregeln reörtert und beschlossen werden. Diesmal dauerten die Verhandlungen vom 12. bis 17. Juni incl. Das Centralcomité erhielt unter Anderm den Auftrag, auf Realisirung folgender Vorschläge hinzuwirken: „Daß die Arbeitgeber, wo irgend ausführbar, dahin vermocht werden, für ihre Arbeiter gehörig lichte und gelüftete Werkstätten einzurichten, damit das Schwitzsystem und die Zwischenmeister aufhören und den zahlreichen Uebelständen vorgebeugt werde, die aus dem Arbeiten in Privatwohnungen entspringen.“ Sodann: „Regulirung der Arbeitsstunden in allen Gewerken, zu dem Zweck, die Beschäftigung unter den arbeitenden Klassen möglichst gleichmäßig zu vertheilen, so daß die Einen nicht überarbeitet werden, unterdeß Andere aus Mangel an Beschäftigung Hungers sterben.“ Ferner: „Verwendung der überschüssigen Arbeitskraft des Landes Seitens der Regierung zu nützlichen Arbeiten, wie Urbarmachung wüster Strecken, Verbesserung der Häfen, Vertiefen und Reguliren von Flüssen etc.“ Endlich: „Bestimmungen in gesundheitspolizeilicher Hinsicht von allgemeingiltigem und umfassenden Charakter“ und „Ernennung eines Arbeitsministers, der diese und andere praktische Maßregeln zur Verbesserung der Lage der arbeitenden Klasse ausführen läßt und ihre Ausführung überwacht.“ Deutschland.
27 Berlin, 25. Juni. Der Polizeipräsident Minutoli erhielt in Folge seiner Abdankung eine Deputation Seitens einer Anzahl Bürger, die ihn zum Bleiben in seiner bisherigen Stellung zu vermögen suchte. Hr. Minutoli erklärte aber, „er könne nicht länger bleiben, weil es ihm nicht möglich sei, mit der Reaktion fertig zu werden.“ Einer zweiten zu demselben Zweck abgesandten Deputation soll er dieselbe abschlägige Antwort unter Anführung des nämlichen Grundes gegeben haben. * Berlin, 25. Juni. In unserer letzten Stadtverordnetenversammlung kam unter Anderm das Gesuch eines gewissen Hennig zur Sprache, der Oberaufseher der Straßenreinigung zu werden verlangte. Als Grund, als wichtigen, höchst wichtigen Grund seiner Petition führt er an, daß er am 18. März mit einigen anderen Kameraden das Rathhaus besetzt und so vermieden hatte, daß aus demselben geschossen und geworfen werden konnte. Die Stadtverordneten nahmen zwar das Gesuch an und überwiesen es der betreffenden Kommission, jedoch mit dem ausdrücklichen Bemerken : „Daß es ein Ruhm sei, am 18. März gekämpft zu haben, daß es deshalb als ein Verdienst des etc. Hennig durchaus nicht zu erachten, wenn er, seiner Angabe nach, den Kampf zu verhindern gesucht.“ Was doch schon ein Drittel neues Blut in diesen Stadtverordneten umgeändert hat; was würde erst die demokratische Erneuerung sämmtlicher drei Drittel für eine Umwandlung zu Stande bringen. 103 Berlin, 25. Juni. Die Reaktion ist hier in voller Thätigkeit. Heute läßt sie über tausend Listen in der ganzen Stadt zirkuliren, welche auf der ersten Seite die gedruckte Erklärung enthalten und weitläufig auseinandersetzen, daß man die demokratischen Bestrebungen, die nur zur Republik führen sollen, verabscheue und sich daher mit Namensunterschrift zur erblichen konstitutionellen Monarchie mit dem geliebten Hause Hohenzollern bekenne. Jeder der die Unterschrift verweigert, soll als Republikaner angesehen werden und ein reaktionärer Hauptmann einer Kompagnie Bürgerwehr will sogar alle diejenigen, die sich demnach als Republikaner zu erkennen geben, zum Austritt aus der Bürgerwehr und zur Rückgabe des Gewehrs zwingen. Das alte Ministerium wollte den Mitgliedern des demokratischen Centralcomité's, welches hier seinen Sitz haben soll, den Aufenthalt verweigern. Wie wird das zu erwartende neue Ministerium nun diese Sache beurtheilen? Soll sich die Ausweisung Itzsteins und Heckers erneuern? Der Magistrat von Berlin ist mit dem demokratischen Klub in einen Krieg verwickelt, der an allen Straßenecken durch beiderseitige Plakate ausgefochten wird. Der demokratische Klub hatte sich der brodlosen Arbeiter angenommen, nachdem sie lange beim Magistrat und Minister um Unterstützung gebettelt und um sie vor dem wüthendsten Hunger zu schützen, ernannte der Klub eine Kommission, welche in allen Bezirken Sammlungen zu diesem Zweck veranstaltete, dafür Brod und Speck für mehr als Tausend Hungernde anschaffte und sie seit Anfang dieses Monats damit unterhielt. Der Magistrat scheint von der Reaktion darauf aufmerksam gemacht worden zu sein, daß der Klub durch die Brodvertheilung einen zu großen Einfluß erlange und der Magistrat läßt deshalb bekannt machen, daß dergleichen Sammlungen ungesetzlich seien, daß sich jeder Brodlose an den Armenvorsteher seines Bezirks zu wenden habe und in einem anderm Plakat verdächtigt er den demokratischen Klub noch auf eine ganz gemeine Art. Der Klub setzt die ganze Geschichte heute in einem neuen Plakat auseinander und klagt den Magistrat vor dem Richterstuhl der öffentlichen Meinung an. 122 Breslau, 23. Juni. „Die Sachlage nähert die andre Seite der unsrigen durch die gemeinsame gleiche Noth. Ein fast einmüthiger Beschluß beider Seiten setzte fest, daß wir, wenn wir nicht bis zum nächsten Montage eingeladen werden, Montags 12 Uhr aus eigenem Berufe zusammentreten und handeln werden.“ Dieser Brief eines Deputirten ist vom 22. d. datirt, enthält aber die neue Ministerliste nicht, da diese erst um 10 Uhr bekannt wurde. Wahrscheinlich hat die Regierung diesen Plan erfahren und nun, um ihm vorzubeugen, schnell ein Ministerium gebildet, das durch heterogene Charaktere sich auszeichnet. 122 Breslau, 24. Juni. Der demokratische Verein in Breslau war schon früher wegen Majestätsbeleidigung angeklagt. Der Grund hierzu lag für die Behörden in den Plakaten: An die Bauern, an die Soldaten und an die bewaffneten Bürger Breslaus. Um die Verfasser dieser Plakate zu erfahren, war der ganze Vorstand verhört worden; da jedoch dieses Verfahren sich als unzulänglich auswies, indem man keinen als Verfasser nennen konnte, da der ganze Verein dieselben berathen hatte, so wurde der bisherige Präsident, Stadtrath Becker, der Majestätsbeleidigung angeklagt. Man fragt unwillkürlich, kann jetzt gegen den König ein Majestätsverbrechen noch begangen werden? Liegt die Majestät im Könige oder im Volke? * Frankfurt, 24. Juni. (Schluß der Sitzung). Gagern sprach für die Uebertragung der Centralgewalt an einen einzigen, von der Nationalversammlung aus den höchsten Sphären der Gesellschaft zu Wählenden; Auflösung des Bundestages, Einführung eines Staatenhauses. Nachdem hierauf Dahlmann als Ausschußreferent das Wort genommen, wurde beschlossen, alle zu den verschiedenen Anträgen vorzuschlagenden Modifikationen behufs der Nbstimmung, welche Montag Statt finden soll, in ein Programm zusammen zu fassen. Sitzung vom 26. Juni. ‒ Die Abg. Zitz, Blum und Genossen, M. Mohl, Schoder und Genossen haben ihre Anträge vereinigt. Dagegen bringen Bassermann und Auerswald ein neues Amendement, wonach die provisorische Centralgewalt einem nicht regierenden Mitgliede eines deutschen Regentenhauses als Reichsverweser übertragen und derselbe von der Nationalversammlung im Vertrauen auf die Zustimmung der deutschen Regierungen gewählt werden soll. Ein Unteramendement von Heckscher geht bloß dahin: der Reichsverweiser wird von der Nationalversammlung im Vertrauen auf die Zustimmung der deutschen Regierungen gewählt. Ein drittes Amendement von Heckscher und von Rotenhan bezweckt, daß die provisarische Centralgewalt alsbald der Nationalversammlung geeignete Vorlagen über Auflösung des Bundestages und die dadurch nöthig werdenden organischen Einrichtungen mache. Die Zulässigkeit dieser Anträge zur Abstimmung nach bereits vorgestern entschiedenem Schluß der Debatte rief von der linken Seite lebhaften Widerspruch und eine mehrstündige Debatte hervor. Nachdem schon im Verlauf derselben der Abg. Bassermann von seinem Amendement zurückgetreten war, verzichtete zuletzt auch Abg. v. Auerswald auf dasselbe, dieser jedoch nur unter der Voraussetzung, daß auch die übrigen Amendement zurückgenommen würden. Da Heckscher sich erst mit seinen Freunden zu verständigen wünscht, so ist die Sitzung bis 5 Uhr ausgesetzt worden. 27 Wien, 21. Juni. Zuerst wollte der Kaiser selbst hieher zurückkehren und den Reichstag eröffnen. Die insbrucker Szeen verwandelt sich und sein „treuer und geliebter Bruder“ Erzherzog Franz Karl wird zum alter ego, zum Stellvertreter des Kaisers nach Wien beordert. Dritte Verwandlung auf dem Theater zu Innsbruck: der theure Bruder muß da bleiben, der Kaiser kann sich von ihm nicht trennen; er braucht ihn vor seinem Krankenbette, während der gute Ferdinand jetzt nicht gesünder und nicht kränker ist, als ers seit Jahren gewesen. Statt des theuren Bruders wird nun der geliebte Oheim Erzherzog Johann für uns bestimmt. Den Wienern ist bereits der Kaiser, sein „geliebter“ Bruder, wie sein „theurer“ Oheim gleichgültig geworden. Aus Brünn erfahren wir, daß es dort zu einem blutigen Konflikt gekommen. Die Arbeitermasse war dort seit längerer Zeit in großer Aufregung, weil zum großen Theil ohne Arbeit. Ansammlungen von bedeutenden Haufen fanden täglich statt. Endlich schritt das Militär ein, namentlich hieb die Kavallerie scharf ein; viele Verwundungen sind vorgefallen und die Erbitterung der Arbeiter vermehrt worden. * Wien, 22. Juni.
Die „Wiener Zeitung“ enthält in ihrem amtlichen Theile provisorische Bestimmungen zur Deckung des Bedarfs der nothwendigen Staatsausgaben und Eröffnung neuer Quellen des Einkommens. Danach soll eine außerordentliche Abgabe entrichtet werden: von den Besoldungen und Personalzulagen landesfürstlicher Civil- oder Militär- und städtischer Beamten; von den Pensionen, Quieszenz-Gehalten, Gnadengaben etc. der Civil- oder Militärbeamten, pensionirten Offiziere, Wittwen oder andern Angehörigen der Beamten oder Offiziere; von dem reinen Einkommen in- und ausländischer Pfründen, Klostergemeinden und geistlichen Orden; bloß Beamte, Pensionisten, Pfründner und Klostergemeinden, deren Gesammtgenuß jährlich nicht 1000 Fl. erreicht, sind frei davon. Die Abgabe ist zweierlei: 5 Prozent von jedem jährlichen Einkommen zwischen 1000 bis 3000 Fl. und 10 Prozent von jedem höheren Jahresgenuß. Die Diäten der Beamten in den 9 ersten Klassen werden um 1/4 verringert. Die 10., 11. und 12. Diätenklasse bleiben davon unberührt. Eine höhere Jahrespension als 8000 Fl. darf überhaupt nicht mehr ausgezahlt werden. Diese Bestimmungen treten mit dem 1. Juli a. c. in Kraft. ‒ Das Kriegsministerium erklärt, daß es die von vielen Seiten aufgestellten Forderungen einer schleunigen Verstärkung der in Italien kämpfenden Armee aus verschiedenen Gründen nicht erfüllen könne; unter diesen sei namentlich der hervorzuheben, daß nach den Beschlüssen des ungarischen Reichstages, die sämmtlichen Truppen in Ungarn, Siebenbürgen und allen die Militärgränze umfassenden Nebenländern nicht mehr beliebig von Wien aus verwandt werden können; daß ferner in Gallizien eine große Heeresmacht nicht zu entbehren sei; daß die Ereignisse in Böhmen ein gleiches erfordern. Trotz dem würde aber das Heer in Italien doch verstärkt werden; die Vorbereitungen dazu seien im vollen Gange. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar028_007" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0003" n="0133"/> seien. (Bravo!) Inmitten dieser Bravos rühren sich plötzlich alle Trommeln außerhalb des Sitzungssaales und verbreiten großen Schrecken. Man erfährt aber bald, daß dies ein Freudenwirbel zu Ehren der eben aufziehenden Bürgerwehr aus Rouen sei. Um 8 Uhr setzt <hi rendition="#g">Portalis,</hi> ein anderer Vizepräsident, die Sitzung fort. Babaud Laribiere, einer der abgesandten Deputirten, stattet Bericht über seine Sendung ab. Am Chateau d'Eau (auf dem Boulevard) hörte er zwei lebhafte Gewehrfeuer, die gegen die Insurgenten der Umgegend gerichtet wurden. Lamoriciere verlange Verstärkung. Man habe ihm die Bürger-Corps aus Amiens zugeführt. Der General hoffe noch diesen Abend mit dem Faubourg St. Denis fertig zu werden; ebenso mit St. Antoine und den Marais. Sein System sei, die Barrikaden zu umzingeln und dann von hinten statt von vorne zu überfallen. Türk bestätigt die Einnahme der starken Position des Pantheons und giebt ein Menge Details über die dortigen Kämpfe zwischen den Insurgenten und der Mobilgarde, welche fürchterliche Verluste erlitten. Ihr General Damesme gehört zu ihren Opfern. Die Sitzung wird von Neuem suspendirt. Um 91/4 Uhr nimmt sie Senard wieder auf und erzählt der Versammlung die Ereignisse des Tages, je nach den verschiedenen Berichten der Generäle und Deputirten. Sie wissen, entwickelte er im Anfang seiner Erzählung, daß die Insurgenten nach einem gemeinsamen fürchterlichen Plane ihre Kräfte auf drei Hauptpunkte der Stadt koncentrirt hatten: 1) Das <hi rendition="#g">Pantheon</hi> mit der Severinskirche, den engen Gassen des lateinischen Quartiers, Place Maubert und dem schrecklichen Viertel der Weinhalle, gleichsam als Außenwerke. 2) Die <hi rendition="#g">City</hi> mit ihren zahlreichen Bänken und den großen Gebäuden der Belle Jardiniere und dem Hotel Dieu als Bollwerke. 3) Das sogenannte <hi rendition="#g">Clos von St. Lazare,</hi> das einer Art Centralveste gleicht, mit der die Straße St. Denis, St. Martin, la Chapelle, la Villette, Temple, Popincourt und St. Antoine als Strahlen in Verbindung stehen.</p> <p>Das Pantheon und die City seien genommen, es bleibe nur noch das Clos von St. Lazare übrig (?), das dem Bombardement des vereinigten Ingenieur- und Artillerie-Corps unmöglich lange widerstehen könne. Haubitzen, Leuchtkugeln, Brandraketen etc. seien bereits vertheilt worden! Er wiederhole, fuhr der Präsident unter sichtlichem Beifall der Rechten fort, diese Details, weil sie die Vorwürfe widerlegen, die dem Obergeneral Cavaignac von mehrern Stadtvierteln gemacht worden und die darin bestanden, daß er die vereinzelten Angriffe der Insurgenten nicht mit dem gehörigen Nachdruck zurückgeschlagen. Er habe deshalb Paris in Belagerungsstand erklären lassen, damit aller Verkehr auf den Straßen gehemmt, alle Läden, Thüren und Fenster geschlossen und so den fliehenden Insurgenten oder ihren Freunden jede Gelegenheit zu neuen Barrikaden oder der Linie und Artillerie in den Rücken zu fallen, genommen würde. Auf diese Weise abgeschnitten, werde der Kreis um die Insurgenten immer enger gezogen und ihre vollständige Niederlage könne nicht lange auf sich warten lassen. Der Präsident erzählt hierauf die hervorragendsten Thaten der einzelnen Kämpfe, wobei natürlich des Heldenmuths <hi rendition="#g">hinter</hi> den Barrikaden nicht gedacht wurde. Stürmische Bravo's unterbrachen ihn, als er erzählte, daß General Brea alle Barrikaden von der Rue Mouffetard bis zum Jardin des Plantes genommen habe. Am Stadthause (!) sei der Widerstand heftiger.</p> <p>General Duvivier mit <hi rendition="#g">vierzehn</hi> Bataillonen Mobilgarde, habe der Insurrektion der Umgegend noch nicht Meister werden können. (!!) Lamoricière, obgleich verwundet, habe jedoch die Räumung des Faubourg St. Denis fortsetzen können. General Corté sei verwundet, eben so der General Lafontaine. Die Mobilgarde, die republikanische Garde und die Linien hätten sich bei St. Severin, am Hotel Dieu, (dem größten Krankenhause von Paris, in dessen unmittelbarer Nähe das große Kleidermagazin belle Jardiniêre mit Kanonen in Trümmer geschossen wurde) ‒ so wie bei St. Merry und am Pantheon zwar überaus tapfer gehalten (im Pantheon selbst mußten 1500 Insurgenten das Gewehr strecken), aber ihre Reihen seien bedeutend gelichtet. Das Dekret, das ihre Wittwen und Kinder adoptirt, habe daher großen Enthusiasmus erregt.</p> <p>Der Schluß der Sitzung bot wenig Neues. Etienne Arago versicherte der Versammlung, daß alle Posten pünktlich abgegangen seien. Nur die Depeschensäcke nach Deutschland (über Belgien) seien in die Hände der Insurgenten bei St. Lazare gefallen, die sie indessen respektirt und auf den Bahnhof der Nordbahn geschickt hätten. Ein Glied erzählte dann noch, daß viele Personen hinter den Barrikaden mit Geldsummen ergriffen worden seien. Bei einem Knaben von 14 Jahren habe man eine Summe von 10,000 Frs. in Goldstücken entdeckt. (Der National, der die besten Berichte besitzt, begnügt sich mit der Erklärung, daß man zwei Personen mit 314 Frs. und resp. 1400 Franken arretirt habe. Dies klingt natürlicher.)</p> <p>Die Sitzung wurde um 10 Uhr Abends geschlossen.</p> </div> <div xml:id="ar028_008" type="jArticle"> <head>Paris, 25. Juni.</head> <p>Unsre französischen Blätter, mit Ausnahme der Debats, sind heute wieder ausgeblieben, eben so die gewöhnliche Korrespondenz. Belgischen Blättern entnehmen wir folgende weitere Details über den 25. Juni:</p> <p>Gestern und heute verblieb die Mehrzahl der Offiziere der Nationalgarde in den Reihen der Nationalgarde, zur Vertheidigung der alten bürgerlichen Ordnung. Die Kommunikation ist sehr erschwert. Man gelangt nur mit einem Begleitschein oder mit besondern Karten, von einem Quartier in's andre. Das linke Ufer der Seine scheint völlig von den Insurgenten befreit; alle Barrikaden sind zerstört. Auf dem rechten Ufer dauert der Widerstand an drei Hauptpunkten fort, auf dem Bastillenplatz und im Faubourg St. Antoine, auf dem Faubourg du Temple und auf dem clos St. Lazare. Man berichtet uns in diesem Augenblick, daß die Nationalgarde von la Chapelle sich mit den Insurgenten verbunden hat auf dieser ganzen Linie des äußeren Boulevards: die Insurgenten haben die Maurer, die in ihren Reihen sind, zum Einbrechen der Mauern und zur Errichtung ungeheurer Barrikaden verwandt. General <hi rendition="#g">Perrot,</hi> derselbe der am <hi rendition="#g">Hotel Guizot Feuer kommandirt hat,</hi> soll zum obern Kommandanten der Nationalgarde ernannt sein. Der Generalprokurator von Paris hat bestimmt, daß an den Mauern nur noch die Proklamationen der Regierung angeschlagen werden dürfen. In der Rue Montmartre hat man eine angebliche Milchträgerin arretirt, die mit Kartouchen gefüllte Milchgefäße trug. Man versichert, daß Artilleriestücke auf den Höhen von Montmartre aufgepflanzt worden, um von da den Platz St. Lazare zu bombardiren. Es scheint, daß in dem gestrigen Angriff auf das Pantheon, wo sich die Insurgenten verbarrikadirt hatten, die Kanonen furchtbare Verwüstungen angerichtet haben unter den Säulen und einer Masse von Kunstwerken. 300 Insurgenten haben sich in das Kollegium Henri IV. zurückgezogen. Die Mobilgarde verfolgte sie hierhin und ließ nach Entlassung der Zöglinge und Professoren die Insurgenten Spießruthen laufen.</p> <p>Heute Morgen langen Nationalgarden von den entferntesten Punkten an, von Peronne, von Havre, von Louviers. Die Nationalgarde von Paris hat so Zeit, sich zu erholen.</p> <p>11/2 Uhr. Wir hören die Kanonen in der Richtung des Klosters St. Lazare, obgleich der Wind nicht günstig ist. Die Nationalgarde von Pontoise hat grausam gelitten. Unserer Ansicht nach zählen die Tage des 23., 24. und 25. Juni mehr Opfer als die Revolutionen von 1830 und vom Februar 1848 zusammengenommen. Mehre kleine Journale von Paris sind nicht erschienen. Man hört kein einziges in den Straßen ausrufen. Die <hi rendition="#g">Presse,</hi> die <hi rendition="#g">Débats,</hi> der <hi rendition="#g">Constitutionel</hi> haben nur ein halbes Blatt herausgegeben.</p> <p>Die Insurgenten machen keine oder nur wenige Gefangene. Man hat hinter den Barrikaden an der Spitze von Bayonnetten Lanzen und Piken Köpfe aufgepflanzt gesehen. Ihre Fahne ist mit einer rothen Mütze geziert. Sie haben Feuer angelegt an die Mairie des achten Arrondepartements und an viele Hotels des Place ex Royale.</p> <p> <hi rendition="#g">Spätere Korrespondenz.</hi> </p> <p>„Ich befinde mich auf den Vorposten; Boulevard du Temple, und schreibe in aller Eile unter dem Geräusch der Füsillade. Mein Brief wird ihnen zukommen durch einen Ordonnanzoffizier, das ist die einzig mögliche Weise Ihnen zu schreiben, da die Nationalgarde den Befehl erhalten hat, alle Individuen ausserhalb ihrer Quartiers zu durchsuchen. Seit gestern Abend hören Kanonen und Musketen nicht auf gegen die Barrikaden zu donnern, aber vergeblich. Man erwartet 50 Stück Artillerie, die diesen Abend von la Fère anlangen müssen, um den letzten Schlag zu versetzen. Unterdessen verlieren wir viele Leute, besonders Offiziere, auf die man sicher zielt. General Rènaud, seit gestern ernannt, ist gefallen; die Mobilgarde verrichtet Wunder der Tapferkeit, die Linientruppen und die Nationalgarde marschiren zusammen, die Pompiers, die Sapeurs kommen an mit Aexten und Hebeln; man cernirt das Faubourg du Temple und das Faubourg St. Antoine, worauf die Insurrektion sich einzuschränken scheint. Das Clos St. Lazare ist vollständig gesäubert, die Insurgenten sind verfolgt auf die Höhen des Montmartre, wo sie sich verschanzen wollen, die Artillerie und die Kavallerie schlagen sofort diese Richtung ein.</p> <p>Alle Bürger sind in Folge der Befehle des Generals Cavaignac gezwungen, die Waffen zu ergrifen und ihren Dienst zu thun; man entwaffnet die, die bis zu diesem Tag nicht die Wache bezogen haben, ihre Häuser sind verschlossen und überwacht.</p> <p>General Cavaignac kommt so eben an, er verspricht uns das Ende des Bürgerkriegs vor der Nacht, der Himmel gebe es, denn wir erliegen der Ermüdung, die Kavalleriepferde ermangeln der Lebensmittel, und was das Schlimmste ist, die Munitionen sind unzureichend. Drei Häuser, die denuncirt sind wegen Ertheilen von Signalen, werden visitirt, man findet Gewehre und Pulver, vier Männer werden arretirt, 15 oder 20 entwischen über die Dächer, in ihrer Flucht von den Nachbarn unterstüzt.</p> <p><hi rendition="#g">21/2 Uhr.</hi> Mehre Volksrepräsentanten durchlaufen die Boulevards. Auf dem Boulevard Montmartre hat man einen Mann arretirt, der sich für einen Volksrepräsentanten ausgab; er wurde auf die Mairie des zweiten Arrondissements geführt.</p> <p><hi rendition="#g">3 Uhr.</hi> Ein Volksrepräsentant, begleitet von einem Adjutanten, zeigt an, daß 200 Insurgenten so eben zu Gefangenen gemacht worden sind.</p> <p>1200 Arbeiter von Rouen kommen so eben in Paris den Insurgenten zur Hülfe. Die Kanonen und die Protzkasten passiren beständig im Galop die Boulevards. Die Kanonade und die Füsillade finden statt auf 3 Punkten:</p> <p>1. Auf den Barrièren Rochechonart und Poissonière gegen die fast uneinnehmbaren Barrikaden.</p> <p>2. Auf dem Boulevard Beaumarchais, dem Faubourg Saint Antoine.</p> <p>3. Auf den Höhen des Jardin des Plantes. Die Artillerie von Vincennes kam heute die Mobilgarde der Kaserne von Remilly im Faubourg St. Antoine befreien. Diesen Morgen wurden die Sapeurs-Pompiers requirirt, um Passagen im Faubourg Poissonnière zu zerstören. An der Barriere Poissonnière wurde ein kleines Haus in Brand gesteckt. Zahlreiche Gefangene werden jeden Augenblick nach den Tuilerien gebracht.</p> <p> <hi rendition="#g">Nachschrift. Paris, 8 Uhr Abends. Der Kampf dauert fort. Die Insurrektion beherrscht noch zwei Quartiere.</hi> </p> <p>‒ Alle Apotheken zwischen den Thoren Saint-Denis und Saint-Martin sind in Lazarethe verwandelt, und voll von Verwundeten und Todten.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Großbritannien.</head> <div xml:id="ar028_009" type="jArticle"> <head><bibl><author>27</author></bibl> London, 25. 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Das Centralcomité erhielt unter Anderm den Auftrag, auf Realisirung folgender Vorschläge hinzuwirken:</p> <p>„Daß die Arbeitgeber, wo irgend ausführbar, dahin vermocht werden, für ihre Arbeiter gehörig lichte und gelüftete Werkstätten einzurichten, damit das Schwitzsystem und die Zwischenmeister aufhören und den zahlreichen Uebelständen vorgebeugt werde, die aus dem Arbeiten in Privatwohnungen entspringen.“</p> <p>Sodann: „Regulirung der Arbeitsstunden in allen Gewerken, zu dem Zweck, die Beschäftigung unter den arbeitenden Klassen möglichst gleichmäßig zu vertheilen, so daß die Einen nicht überarbeitet werden, unterdeß Andere aus Mangel an Beschäftigung Hungers sterben.“</p> <p>Ferner: „Verwendung der überschüssigen Arbeitskraft des Landes Seitens der Regierung zu nützlichen Arbeiten, wie Urbarmachung wüster Strecken, Verbesserung der Häfen, Vertiefen und Reguliren von Flüssen etc.“</p> <p>Endlich: „Bestimmungen in gesundheitspolizeilicher Hinsicht von allgemeingiltigem und umfassenden Charakter“ und</p> <p>„Ernennung eines Arbeitsministers, der diese und andere praktische Maßregeln zur Verbesserung der Lage der arbeitenden Klasse ausführen läßt und ihre Ausführung überwacht.“</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Deutschland.</head> <div xml:id="ar028_010" type="jArticle"> <head><bibl><author>27</author></bibl> Berlin, 25. 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Die Stadtverordneten nahmen zwar das Gesuch an und überwiesen es der betreffenden Kommission, jedoch mit dem ausdrücklichen Bemerken :</p> <p><hi rendition="#g">„Daß es ein Ruhm sei, am 18. März gekämpft zu haben, daß es deshalb als ein Verdienst des etc. Hennig durchaus nicht zu erachten, wenn er, seiner Angabe nach, den Kampf zu verhindern gesucht.“</hi> Was doch schon ein Drittel neues Blut in diesen Stadtverordneten umgeändert hat; was würde erst die demokratische Erneuerung sämmtlicher drei Drittel für eine Umwandlung zu Stande bringen.</p> </div> <div xml:id="ar028_012" type="jArticle"> <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 25. Juni.</head> <p>Die Reaktion ist hier in voller Thätigkeit. Heute läßt sie über tausend Listen in der ganzen Stadt zirkuliren, welche auf der ersten Seite die gedruckte Erklärung enthalten und weitläufig auseinandersetzen, daß man die demokratischen Bestrebungen, die nur zur Republik führen sollen, verabscheue und sich daher mit Namensunterschrift zur erblichen konstitutionellen Monarchie mit dem geliebten Hause Hohenzollern bekenne. Jeder der die Unterschrift verweigert, soll als Republikaner angesehen werden und ein reaktionärer Hauptmann einer Kompagnie Bürgerwehr will sogar alle diejenigen, die sich demnach als Republikaner zu erkennen geben, zum Austritt aus der Bürgerwehr und zur Rückgabe des Gewehrs zwingen.</p> <p>Das alte Ministerium wollte den Mitgliedern des demokratischen Centralcomité's, welches hier seinen Sitz haben soll, den Aufenthalt verweigern. Wie wird das zu erwartende neue Ministerium nun diese Sache beurtheilen? Soll sich die Ausweisung Itzsteins und Heckers erneuern?</p> <p>Der Magistrat von Berlin ist mit dem demokratischen Klub in einen Krieg verwickelt, der an allen Straßenecken durch beiderseitige Plakate ausgefochten wird. Der demokratische Klub hatte sich der brodlosen Arbeiter angenommen, nachdem sie lange beim Magistrat und Minister um Unterstützung gebettelt und um sie vor dem wüthendsten Hunger zu schützen, ernannte der Klub eine Kommission, welche in allen Bezirken Sammlungen zu diesem Zweck veranstaltete, dafür Brod und Speck für mehr als Tausend Hungernde anschaffte und sie seit Anfang dieses Monats damit unterhielt. Der Magistrat scheint von der Reaktion darauf aufmerksam gemacht worden zu sein, daß der Klub durch die Brodvertheilung einen zu großen Einfluß erlange und der Magistrat läßt deshalb bekannt machen, daß dergleichen Sammlungen ungesetzlich seien, daß sich jeder Brodlose an den Armenvorsteher seines Bezirks zu wenden habe und in einem anderm Plakat verdächtigt er den demokratischen Klub noch auf eine ganz gemeine Art. Der Klub setzt die ganze Geschichte heute in einem neuen Plakat auseinander und klagt den Magistrat vor dem Richterstuhl der öffentlichen Meinung an.</p> </div> <div xml:id="ar028_013" type="jArticle"> <head><bibl><author>122</author></bibl> Breslau, 23. Juni.</head> <p>„Die Sachlage nähert die andre Seite der unsrigen durch die gemeinsame gleiche Noth. 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Um die Verfasser dieser Plakate zu erfahren, war der ganze Vorstand verhört worden; da jedoch dieses Verfahren sich als unzulänglich auswies, indem man keinen als Verfasser nennen konnte, da der ganze Verein dieselben berathen hatte, so wurde der bisherige Präsident, Stadtrath Becker, der Majestätsbeleidigung angeklagt.</p> <p>Man fragt unwillkürlich, kann jetzt gegen den <hi rendition="#g">König</hi> ein Majestätsverbrechen noch begangen werden? Liegt die Majestät im Könige oder im Volke?</p> </div> <div xml:id="ar028_015" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Frankfurt, 24. Juni.</head> <p>(Schluß der Sitzung). <hi rendition="#g">Gagern</hi> sprach für die Uebertragung der Centralgewalt an einen einzigen, von der Nationalversammlung aus den höchsten Sphären der Gesellschaft zu Wählenden; Auflösung des Bundestages, Einführung eines Staatenhauses. Nachdem hierauf <hi rendition="#g">Dahlmann</hi> als Ausschußreferent das Wort genommen, wurde beschlossen, alle zu den verschiedenen Anträgen vorzuschlagenden Modifikationen behufs der Nbstimmung, welche Montag Statt finden soll, in ein Programm zusammen zu fassen.</p> <p>Sitzung vom 26. Juni.</p> <p>‒ Die Abg. Zitz, Blum und Genossen, M. Mohl, Schoder und Genossen haben ihre Anträge vereinigt. Dagegen bringen Bassermann und Auerswald ein neues Amendement, wonach die provisorische Centralgewalt einem nicht regierenden Mitgliede eines deutschen Regentenhauses als Reichsverweser übertragen und derselbe von der Nationalversammlung im Vertrauen auf die Zustimmung der deutschen Regierungen gewählt werden soll. Ein Unteramendement von Heckscher geht bloß dahin: der Reichsverweiser wird von der Nationalversammlung im Vertrauen auf die Zustimmung der deutschen Regierungen gewählt.</p> <p>Ein drittes Amendement von Heckscher und von Rotenhan bezweckt, daß die provisarische Centralgewalt alsbald der Nationalversammlung geeignete Vorlagen über Auflösung des Bundestages und die dadurch nöthig werdenden organischen Einrichtungen mache. Die Zulässigkeit dieser Anträge zur Abstimmung nach bereits vorgestern entschiedenem Schluß der Debatte rief von der linken Seite lebhaften Widerspruch und eine mehrstündige Debatte hervor. Nachdem schon im Verlauf derselben der Abg. Bassermann von seinem Amendement zurückgetreten war, verzichtete zuletzt auch Abg. v. Auerswald auf dasselbe, dieser jedoch nur unter der Voraussetzung, daß auch die übrigen Amendement zurückgenommen würden. Da Heckscher sich erst mit seinen Freunden zu verständigen wünscht, so ist die Sitzung bis 5 Uhr ausgesetzt worden.</p> </div> <div xml:id="ar028_016" type="jArticle"> <head><bibl><author>27</author></bibl> Wien, 21. Juni.</head> <p>Zuerst wollte der Kaiser selbst hieher zurückkehren und den Reichstag eröffnen. Die insbrucker Szeen verwandelt sich und sein „treuer und geliebter Bruder“ Erzherzog Franz Karl wird zum alter ego, zum Stellvertreter des Kaisers nach Wien beordert. Dritte Verwandlung auf dem Theater zu Innsbruck: der theure Bruder muß da bleiben, der Kaiser kann sich von ihm nicht trennen; er braucht ihn vor seinem Krankenbette, während der gute Ferdinand jetzt nicht gesünder und nicht kränker ist, als ers seit Jahren gewesen. Statt des theuren Bruders wird nun der geliebte Oheim Erzherzog Johann für uns bestimmt. Den Wienern ist bereits der Kaiser, sein „geliebter“ Bruder, wie sein „theurer“ Oheim gleichgültig geworden. Aus Brünn erfahren wir, daß es dort zu einem blutigen Konflikt gekommen. Die Arbeitermasse war dort seit längerer Zeit in großer Aufregung, weil zum großen Theil ohne Arbeit. Ansammlungen von bedeutenden Haufen fanden täglich statt. Endlich schritt das Militär ein, namentlich hieb die Kavallerie scharf ein; viele Verwundungen sind vorgefallen und die Erbitterung der Arbeiter vermehrt worden.</p> </div> <div xml:id="ar028_017" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Wien, 22. Juni.</head> <p>Die „Wiener Zeitung“ enthält in ihrem amtlichen Theile provisorische Bestimmungen zur Deckung des Bedarfs der nothwendigen Staatsausgaben und Eröffnung neuer Quellen des Einkommens. Danach soll eine außerordentliche Abgabe entrichtet werden: von den Besoldungen und Personalzulagen landesfürstlicher Civil- oder Militär- und städtischer Beamten; von den Pensionen, Quieszenz-Gehalten, Gnadengaben etc. der Civil- oder Militärbeamten, pensionirten Offiziere, Wittwen oder andern Angehörigen der Beamten oder Offiziere; von dem reinen Einkommen in- und ausländischer Pfründen, Klostergemeinden und geistlichen Orden; bloß Beamte, Pensionisten, Pfründner und Klostergemeinden, deren Gesammtgenuß jährlich nicht 1000 Fl. erreicht, sind frei davon. Die Abgabe ist zweierlei: 5 Prozent von jedem jährlichen Einkommen zwischen 1000 bis 3000 Fl. und 10 Prozent von jedem höheren Jahresgenuß. Die Diäten der Beamten in den 9 ersten Klassen werden um 1/4 verringert. Die 10., 11. und 12. Diätenklasse bleiben davon unberührt. Eine höhere Jahrespension als 8000 Fl. darf überhaupt nicht mehr ausgezahlt werden. Diese Bestimmungen treten mit dem 1. Juli a. c. in Kraft. ‒ Das Kriegsministerium erklärt, daß es die von vielen Seiten aufgestellten Forderungen einer schleunigen Verstärkung der in Italien kämpfenden Armee aus verschiedenen Gründen nicht erfüllen könne; unter diesen sei namentlich der hervorzuheben, daß nach den Beschlüssen des ungarischen Reichstages, die sämmtlichen Truppen in Ungarn, Siebenbürgen und allen die Militärgränze umfassenden Nebenländern nicht mehr beliebig von Wien aus verwandt werden können; daß ferner in Gallizien eine große Heeresmacht nicht zu entbehren sei; daß die Ereignisse in Böhmen ein gleiches erfordern. Trotz dem würde aber das Heer in Italien doch verstärkt werden; die Vorbereitungen dazu seien im vollen Gange.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0133/0003]
seien. (Bravo!) Inmitten dieser Bravos rühren sich plötzlich alle Trommeln außerhalb des Sitzungssaales und verbreiten großen Schrecken. Man erfährt aber bald, daß dies ein Freudenwirbel zu Ehren der eben aufziehenden Bürgerwehr aus Rouen sei. Um 8 Uhr setzt Portalis, ein anderer Vizepräsident, die Sitzung fort. Babaud Laribiere, einer der abgesandten Deputirten, stattet Bericht über seine Sendung ab. Am Chateau d'Eau (auf dem Boulevard) hörte er zwei lebhafte Gewehrfeuer, die gegen die Insurgenten der Umgegend gerichtet wurden. Lamoriciere verlange Verstärkung. Man habe ihm die Bürger-Corps aus Amiens zugeführt. Der General hoffe noch diesen Abend mit dem Faubourg St. Denis fertig zu werden; ebenso mit St. Antoine und den Marais. Sein System sei, die Barrikaden zu umzingeln und dann von hinten statt von vorne zu überfallen. Türk bestätigt die Einnahme der starken Position des Pantheons und giebt ein Menge Details über die dortigen Kämpfe zwischen den Insurgenten und der Mobilgarde, welche fürchterliche Verluste erlitten. Ihr General Damesme gehört zu ihren Opfern. Die Sitzung wird von Neuem suspendirt. Um 91/4 Uhr nimmt sie Senard wieder auf und erzählt der Versammlung die Ereignisse des Tages, je nach den verschiedenen Berichten der Generäle und Deputirten. Sie wissen, entwickelte er im Anfang seiner Erzählung, daß die Insurgenten nach einem gemeinsamen fürchterlichen Plane ihre Kräfte auf drei Hauptpunkte der Stadt koncentrirt hatten: 1) Das Pantheon mit der Severinskirche, den engen Gassen des lateinischen Quartiers, Place Maubert und dem schrecklichen Viertel der Weinhalle, gleichsam als Außenwerke. 2) Die City mit ihren zahlreichen Bänken und den großen Gebäuden der Belle Jardiniere und dem Hotel Dieu als Bollwerke. 3) Das sogenannte Clos von St. Lazare, das einer Art Centralveste gleicht, mit der die Straße St. Denis, St. Martin, la Chapelle, la Villette, Temple, Popincourt und St. Antoine als Strahlen in Verbindung stehen.
Das Pantheon und die City seien genommen, es bleibe nur noch das Clos von St. Lazare übrig (?), das dem Bombardement des vereinigten Ingenieur- und Artillerie-Corps unmöglich lange widerstehen könne. Haubitzen, Leuchtkugeln, Brandraketen etc. seien bereits vertheilt worden! Er wiederhole, fuhr der Präsident unter sichtlichem Beifall der Rechten fort, diese Details, weil sie die Vorwürfe widerlegen, die dem Obergeneral Cavaignac von mehrern Stadtvierteln gemacht worden und die darin bestanden, daß er die vereinzelten Angriffe der Insurgenten nicht mit dem gehörigen Nachdruck zurückgeschlagen. Er habe deshalb Paris in Belagerungsstand erklären lassen, damit aller Verkehr auf den Straßen gehemmt, alle Läden, Thüren und Fenster geschlossen und so den fliehenden Insurgenten oder ihren Freunden jede Gelegenheit zu neuen Barrikaden oder der Linie und Artillerie in den Rücken zu fallen, genommen würde. Auf diese Weise abgeschnitten, werde der Kreis um die Insurgenten immer enger gezogen und ihre vollständige Niederlage könne nicht lange auf sich warten lassen. Der Präsident erzählt hierauf die hervorragendsten Thaten der einzelnen Kämpfe, wobei natürlich des Heldenmuths hinter den Barrikaden nicht gedacht wurde. Stürmische Bravo's unterbrachen ihn, als er erzählte, daß General Brea alle Barrikaden von der Rue Mouffetard bis zum Jardin des Plantes genommen habe. Am Stadthause (!) sei der Widerstand heftiger.
General Duvivier mit vierzehn Bataillonen Mobilgarde, habe der Insurrektion der Umgegend noch nicht Meister werden können. (!!) Lamoricière, obgleich verwundet, habe jedoch die Räumung des Faubourg St. Denis fortsetzen können. General Corté sei verwundet, eben so der General Lafontaine. Die Mobilgarde, die republikanische Garde und die Linien hätten sich bei St. Severin, am Hotel Dieu, (dem größten Krankenhause von Paris, in dessen unmittelbarer Nähe das große Kleidermagazin belle Jardiniêre mit Kanonen in Trümmer geschossen wurde) ‒ so wie bei St. Merry und am Pantheon zwar überaus tapfer gehalten (im Pantheon selbst mußten 1500 Insurgenten das Gewehr strecken), aber ihre Reihen seien bedeutend gelichtet. Das Dekret, das ihre Wittwen und Kinder adoptirt, habe daher großen Enthusiasmus erregt.
Der Schluß der Sitzung bot wenig Neues. Etienne Arago versicherte der Versammlung, daß alle Posten pünktlich abgegangen seien. Nur die Depeschensäcke nach Deutschland (über Belgien) seien in die Hände der Insurgenten bei St. Lazare gefallen, die sie indessen respektirt und auf den Bahnhof der Nordbahn geschickt hätten. Ein Glied erzählte dann noch, daß viele Personen hinter den Barrikaden mit Geldsummen ergriffen worden seien. Bei einem Knaben von 14 Jahren habe man eine Summe von 10,000 Frs. in Goldstücken entdeckt. (Der National, der die besten Berichte besitzt, begnügt sich mit der Erklärung, daß man zwei Personen mit 314 Frs. und resp. 1400 Franken arretirt habe. Dies klingt natürlicher.)
Die Sitzung wurde um 10 Uhr Abends geschlossen.
Paris, 25. Juni. Unsre französischen Blätter, mit Ausnahme der Debats, sind heute wieder ausgeblieben, eben so die gewöhnliche Korrespondenz. Belgischen Blättern entnehmen wir folgende weitere Details über den 25. Juni:
Gestern und heute verblieb die Mehrzahl der Offiziere der Nationalgarde in den Reihen der Nationalgarde, zur Vertheidigung der alten bürgerlichen Ordnung. Die Kommunikation ist sehr erschwert. Man gelangt nur mit einem Begleitschein oder mit besondern Karten, von einem Quartier in's andre. Das linke Ufer der Seine scheint völlig von den Insurgenten befreit; alle Barrikaden sind zerstört. Auf dem rechten Ufer dauert der Widerstand an drei Hauptpunkten fort, auf dem Bastillenplatz und im Faubourg St. Antoine, auf dem Faubourg du Temple und auf dem clos St. Lazare. Man berichtet uns in diesem Augenblick, daß die Nationalgarde von la Chapelle sich mit den Insurgenten verbunden hat auf dieser ganzen Linie des äußeren Boulevards: die Insurgenten haben die Maurer, die in ihren Reihen sind, zum Einbrechen der Mauern und zur Errichtung ungeheurer Barrikaden verwandt. General Perrot, derselbe der am Hotel Guizot Feuer kommandirt hat, soll zum obern Kommandanten der Nationalgarde ernannt sein. Der Generalprokurator von Paris hat bestimmt, daß an den Mauern nur noch die Proklamationen der Regierung angeschlagen werden dürfen. In der Rue Montmartre hat man eine angebliche Milchträgerin arretirt, die mit Kartouchen gefüllte Milchgefäße trug. Man versichert, daß Artilleriestücke auf den Höhen von Montmartre aufgepflanzt worden, um von da den Platz St. Lazare zu bombardiren. Es scheint, daß in dem gestrigen Angriff auf das Pantheon, wo sich die Insurgenten verbarrikadirt hatten, die Kanonen furchtbare Verwüstungen angerichtet haben unter den Säulen und einer Masse von Kunstwerken. 300 Insurgenten haben sich in das Kollegium Henri IV. zurückgezogen. Die Mobilgarde verfolgte sie hierhin und ließ nach Entlassung der Zöglinge und Professoren die Insurgenten Spießruthen laufen.
Heute Morgen langen Nationalgarden von den entferntesten Punkten an, von Peronne, von Havre, von Louviers. Die Nationalgarde von Paris hat so Zeit, sich zu erholen.
11/2 Uhr. Wir hören die Kanonen in der Richtung des Klosters St. Lazare, obgleich der Wind nicht günstig ist. Die Nationalgarde von Pontoise hat grausam gelitten. Unserer Ansicht nach zählen die Tage des 23., 24. und 25. Juni mehr Opfer als die Revolutionen von 1830 und vom Februar 1848 zusammengenommen. Mehre kleine Journale von Paris sind nicht erschienen. Man hört kein einziges in den Straßen ausrufen. Die Presse, die Débats, der Constitutionel haben nur ein halbes Blatt herausgegeben.
Die Insurgenten machen keine oder nur wenige Gefangene. Man hat hinter den Barrikaden an der Spitze von Bayonnetten Lanzen und Piken Köpfe aufgepflanzt gesehen. Ihre Fahne ist mit einer rothen Mütze geziert. Sie haben Feuer angelegt an die Mairie des achten Arrondepartements und an viele Hotels des Place ex Royale.
Spätere Korrespondenz.
„Ich befinde mich auf den Vorposten; Boulevard du Temple, und schreibe in aller Eile unter dem Geräusch der Füsillade. Mein Brief wird ihnen zukommen durch einen Ordonnanzoffizier, das ist die einzig mögliche Weise Ihnen zu schreiben, da die Nationalgarde den Befehl erhalten hat, alle Individuen ausserhalb ihrer Quartiers zu durchsuchen. Seit gestern Abend hören Kanonen und Musketen nicht auf gegen die Barrikaden zu donnern, aber vergeblich. Man erwartet 50 Stück Artillerie, die diesen Abend von la Fère anlangen müssen, um den letzten Schlag zu versetzen. Unterdessen verlieren wir viele Leute, besonders Offiziere, auf die man sicher zielt. General Rènaud, seit gestern ernannt, ist gefallen; die Mobilgarde verrichtet Wunder der Tapferkeit, die Linientruppen und die Nationalgarde marschiren zusammen, die Pompiers, die Sapeurs kommen an mit Aexten und Hebeln; man cernirt das Faubourg du Temple und das Faubourg St. Antoine, worauf die Insurrektion sich einzuschränken scheint. Das Clos St. Lazare ist vollständig gesäubert, die Insurgenten sind verfolgt auf die Höhen des Montmartre, wo sie sich verschanzen wollen, die Artillerie und die Kavallerie schlagen sofort diese Richtung ein.
Alle Bürger sind in Folge der Befehle des Generals Cavaignac gezwungen, die Waffen zu ergrifen und ihren Dienst zu thun; man entwaffnet die, die bis zu diesem Tag nicht die Wache bezogen haben, ihre Häuser sind verschlossen und überwacht.
General Cavaignac kommt so eben an, er verspricht uns das Ende des Bürgerkriegs vor der Nacht, der Himmel gebe es, denn wir erliegen der Ermüdung, die Kavalleriepferde ermangeln der Lebensmittel, und was das Schlimmste ist, die Munitionen sind unzureichend. Drei Häuser, die denuncirt sind wegen Ertheilen von Signalen, werden visitirt, man findet Gewehre und Pulver, vier Männer werden arretirt, 15 oder 20 entwischen über die Dächer, in ihrer Flucht von den Nachbarn unterstüzt.
21/2 Uhr. Mehre Volksrepräsentanten durchlaufen die Boulevards. Auf dem Boulevard Montmartre hat man einen Mann arretirt, der sich für einen Volksrepräsentanten ausgab; er wurde auf die Mairie des zweiten Arrondissements geführt.
3 Uhr. Ein Volksrepräsentant, begleitet von einem Adjutanten, zeigt an, daß 200 Insurgenten so eben zu Gefangenen gemacht worden sind.
1200 Arbeiter von Rouen kommen so eben in Paris den Insurgenten zur Hülfe. Die Kanonen und die Protzkasten passiren beständig im Galop die Boulevards. Die Kanonade und die Füsillade finden statt auf 3 Punkten:
1. Auf den Barrièren Rochechonart und Poissonière gegen die fast uneinnehmbaren Barrikaden.
2. Auf dem Boulevard Beaumarchais, dem Faubourg Saint Antoine.
3. Auf den Höhen des Jardin des Plantes. Die Artillerie von Vincennes kam heute die Mobilgarde der Kaserne von Remilly im Faubourg St. Antoine befreien. Diesen Morgen wurden die Sapeurs-Pompiers requirirt, um Passagen im Faubourg Poissonnière zu zerstören. An der Barriere Poissonnière wurde ein kleines Haus in Brand gesteckt. Zahlreiche Gefangene werden jeden Augenblick nach den Tuilerien gebracht.
Nachschrift. Paris, 8 Uhr Abends. Der Kampf dauert fort. Die Insurrektion beherrscht noch zwei Quartiere.
‒ Alle Apotheken zwischen den Thoren Saint-Denis und Saint-Martin sind in Lazarethe verwandelt, und voll von Verwundeten und Todten.
Großbritannien. 27 London, 25. Juni. Seitdem die „National-Association of United Trades“, die Association der Vereinigten Gewerke, in England und Schottland gebildet worden: treten jährlich am Pfingstmontage ihre Deputirten zu einer Konferenz zusammen, in welcher das Vollziehungscomité Rechenschaft über seine letztjährige Verwaltung ablegt und worin dann alle zur gedeihlichen Wirksamkeit und Ausdehnung dieser mächtigen Association erforderlichen Maßregeln reörtert und beschlossen werden. Diesmal dauerten die Verhandlungen vom 12. bis 17. Juni incl. Das Centralcomité erhielt unter Anderm den Auftrag, auf Realisirung folgender Vorschläge hinzuwirken:
„Daß die Arbeitgeber, wo irgend ausführbar, dahin vermocht werden, für ihre Arbeiter gehörig lichte und gelüftete Werkstätten einzurichten, damit das Schwitzsystem und die Zwischenmeister aufhören und den zahlreichen Uebelständen vorgebeugt werde, die aus dem Arbeiten in Privatwohnungen entspringen.“
Sodann: „Regulirung der Arbeitsstunden in allen Gewerken, zu dem Zweck, die Beschäftigung unter den arbeitenden Klassen möglichst gleichmäßig zu vertheilen, so daß die Einen nicht überarbeitet werden, unterdeß Andere aus Mangel an Beschäftigung Hungers sterben.“
Ferner: „Verwendung der überschüssigen Arbeitskraft des Landes Seitens der Regierung zu nützlichen Arbeiten, wie Urbarmachung wüster Strecken, Verbesserung der Häfen, Vertiefen und Reguliren von Flüssen etc.“
Endlich: „Bestimmungen in gesundheitspolizeilicher Hinsicht von allgemeingiltigem und umfassenden Charakter“ und
„Ernennung eines Arbeitsministers, der diese und andere praktische Maßregeln zur Verbesserung der Lage der arbeitenden Klasse ausführen läßt und ihre Ausführung überwacht.“
Deutschland. 27 Berlin, 25. Juni. Der Polizeipräsident Minutoli erhielt in Folge seiner Abdankung eine Deputation Seitens einer Anzahl Bürger, die ihn zum Bleiben in seiner bisherigen Stellung zu vermögen suchte. Hr. Minutoli erklärte aber, „er könne nicht länger bleiben, weil es ihm nicht möglich sei, mit der Reaktion fertig zu werden.“ Einer zweiten zu demselben Zweck abgesandten Deputation soll er dieselbe abschlägige Antwort unter Anführung des nämlichen Grundes gegeben haben.
* Berlin, 25. Juni. In unserer letzten Stadtverordnetenversammlung kam unter Anderm das Gesuch eines gewissen Hennig zur Sprache, der Oberaufseher der Straßenreinigung zu werden verlangte. Als Grund, als wichtigen, höchst wichtigen Grund seiner Petition führt er an, daß er am 18. März mit einigen anderen Kameraden das Rathhaus besetzt und so vermieden hatte, daß aus demselben geschossen und geworfen werden konnte. Die Stadtverordneten nahmen zwar das Gesuch an und überwiesen es der betreffenden Kommission, jedoch mit dem ausdrücklichen Bemerken :
„Daß es ein Ruhm sei, am 18. März gekämpft zu haben, daß es deshalb als ein Verdienst des etc. Hennig durchaus nicht zu erachten, wenn er, seiner Angabe nach, den Kampf zu verhindern gesucht.“ Was doch schon ein Drittel neues Blut in diesen Stadtverordneten umgeändert hat; was würde erst die demokratische Erneuerung sämmtlicher drei Drittel für eine Umwandlung zu Stande bringen.
103 Berlin, 25. Juni. Die Reaktion ist hier in voller Thätigkeit. Heute läßt sie über tausend Listen in der ganzen Stadt zirkuliren, welche auf der ersten Seite die gedruckte Erklärung enthalten und weitläufig auseinandersetzen, daß man die demokratischen Bestrebungen, die nur zur Republik führen sollen, verabscheue und sich daher mit Namensunterschrift zur erblichen konstitutionellen Monarchie mit dem geliebten Hause Hohenzollern bekenne. Jeder der die Unterschrift verweigert, soll als Republikaner angesehen werden und ein reaktionärer Hauptmann einer Kompagnie Bürgerwehr will sogar alle diejenigen, die sich demnach als Republikaner zu erkennen geben, zum Austritt aus der Bürgerwehr und zur Rückgabe des Gewehrs zwingen.
Das alte Ministerium wollte den Mitgliedern des demokratischen Centralcomité's, welches hier seinen Sitz haben soll, den Aufenthalt verweigern. Wie wird das zu erwartende neue Ministerium nun diese Sache beurtheilen? Soll sich die Ausweisung Itzsteins und Heckers erneuern?
Der Magistrat von Berlin ist mit dem demokratischen Klub in einen Krieg verwickelt, der an allen Straßenecken durch beiderseitige Plakate ausgefochten wird. Der demokratische Klub hatte sich der brodlosen Arbeiter angenommen, nachdem sie lange beim Magistrat und Minister um Unterstützung gebettelt und um sie vor dem wüthendsten Hunger zu schützen, ernannte der Klub eine Kommission, welche in allen Bezirken Sammlungen zu diesem Zweck veranstaltete, dafür Brod und Speck für mehr als Tausend Hungernde anschaffte und sie seit Anfang dieses Monats damit unterhielt. Der Magistrat scheint von der Reaktion darauf aufmerksam gemacht worden zu sein, daß der Klub durch die Brodvertheilung einen zu großen Einfluß erlange und der Magistrat läßt deshalb bekannt machen, daß dergleichen Sammlungen ungesetzlich seien, daß sich jeder Brodlose an den Armenvorsteher seines Bezirks zu wenden habe und in einem anderm Plakat verdächtigt er den demokratischen Klub noch auf eine ganz gemeine Art. Der Klub setzt die ganze Geschichte heute in einem neuen Plakat auseinander und klagt den Magistrat vor dem Richterstuhl der öffentlichen Meinung an.
122 Breslau, 23. Juni. „Die Sachlage nähert die andre Seite der unsrigen durch die gemeinsame gleiche Noth. Ein fast einmüthiger Beschluß beider Seiten setzte fest, daß wir, wenn wir nicht bis zum nächsten Montage eingeladen werden, Montags 12 Uhr aus eigenem Berufe zusammentreten und handeln werden.“
Dieser Brief eines Deputirten ist vom 22. d. datirt, enthält aber die neue Ministerliste nicht, da diese erst um 10 Uhr bekannt wurde. Wahrscheinlich hat die Regierung diesen Plan erfahren und nun, um ihm vorzubeugen, schnell ein Ministerium gebildet, das durch heterogene Charaktere sich auszeichnet.
122 Breslau, 24. Juni. Der demokratische Verein in Breslau war schon früher wegen Majestätsbeleidigung angeklagt. Der Grund hierzu lag für die Behörden in den Plakaten: An die Bauern, an die Soldaten und an die bewaffneten Bürger Breslaus. Um die Verfasser dieser Plakate zu erfahren, war der ganze Vorstand verhört worden; da jedoch dieses Verfahren sich als unzulänglich auswies, indem man keinen als Verfasser nennen konnte, da der ganze Verein dieselben berathen hatte, so wurde der bisherige Präsident, Stadtrath Becker, der Majestätsbeleidigung angeklagt.
Man fragt unwillkürlich, kann jetzt gegen den König ein Majestätsverbrechen noch begangen werden? Liegt die Majestät im Könige oder im Volke?
* Frankfurt, 24. Juni. (Schluß der Sitzung). Gagern sprach für die Uebertragung der Centralgewalt an einen einzigen, von der Nationalversammlung aus den höchsten Sphären der Gesellschaft zu Wählenden; Auflösung des Bundestages, Einführung eines Staatenhauses. Nachdem hierauf Dahlmann als Ausschußreferent das Wort genommen, wurde beschlossen, alle zu den verschiedenen Anträgen vorzuschlagenden Modifikationen behufs der Nbstimmung, welche Montag Statt finden soll, in ein Programm zusammen zu fassen.
Sitzung vom 26. Juni.
‒ Die Abg. Zitz, Blum und Genossen, M. Mohl, Schoder und Genossen haben ihre Anträge vereinigt. Dagegen bringen Bassermann und Auerswald ein neues Amendement, wonach die provisorische Centralgewalt einem nicht regierenden Mitgliede eines deutschen Regentenhauses als Reichsverweser übertragen und derselbe von der Nationalversammlung im Vertrauen auf die Zustimmung der deutschen Regierungen gewählt werden soll. Ein Unteramendement von Heckscher geht bloß dahin: der Reichsverweiser wird von der Nationalversammlung im Vertrauen auf die Zustimmung der deutschen Regierungen gewählt.
Ein drittes Amendement von Heckscher und von Rotenhan bezweckt, daß die provisarische Centralgewalt alsbald der Nationalversammlung geeignete Vorlagen über Auflösung des Bundestages und die dadurch nöthig werdenden organischen Einrichtungen mache. Die Zulässigkeit dieser Anträge zur Abstimmung nach bereits vorgestern entschiedenem Schluß der Debatte rief von der linken Seite lebhaften Widerspruch und eine mehrstündige Debatte hervor. Nachdem schon im Verlauf derselben der Abg. Bassermann von seinem Amendement zurückgetreten war, verzichtete zuletzt auch Abg. v. Auerswald auf dasselbe, dieser jedoch nur unter der Voraussetzung, daß auch die übrigen Amendement zurückgenommen würden. Da Heckscher sich erst mit seinen Freunden zu verständigen wünscht, so ist die Sitzung bis 5 Uhr ausgesetzt worden.
27 Wien, 21. Juni. Zuerst wollte der Kaiser selbst hieher zurückkehren und den Reichstag eröffnen. Die insbrucker Szeen verwandelt sich und sein „treuer und geliebter Bruder“ Erzherzog Franz Karl wird zum alter ego, zum Stellvertreter des Kaisers nach Wien beordert. Dritte Verwandlung auf dem Theater zu Innsbruck: der theure Bruder muß da bleiben, der Kaiser kann sich von ihm nicht trennen; er braucht ihn vor seinem Krankenbette, während der gute Ferdinand jetzt nicht gesünder und nicht kränker ist, als ers seit Jahren gewesen. Statt des theuren Bruders wird nun der geliebte Oheim Erzherzog Johann für uns bestimmt. Den Wienern ist bereits der Kaiser, sein „geliebter“ Bruder, wie sein „theurer“ Oheim gleichgültig geworden. Aus Brünn erfahren wir, daß es dort zu einem blutigen Konflikt gekommen. Die Arbeitermasse war dort seit längerer Zeit in großer Aufregung, weil zum großen Theil ohne Arbeit. Ansammlungen von bedeutenden Haufen fanden täglich statt. Endlich schritt das Militär ein, namentlich hieb die Kavallerie scharf ein; viele Verwundungen sind vorgefallen und die Erbitterung der Arbeiter vermehrt worden.
* Wien, 22. Juni. Die „Wiener Zeitung“ enthält in ihrem amtlichen Theile provisorische Bestimmungen zur Deckung des Bedarfs der nothwendigen Staatsausgaben und Eröffnung neuer Quellen des Einkommens. Danach soll eine außerordentliche Abgabe entrichtet werden: von den Besoldungen und Personalzulagen landesfürstlicher Civil- oder Militär- und städtischer Beamten; von den Pensionen, Quieszenz-Gehalten, Gnadengaben etc. der Civil- oder Militärbeamten, pensionirten Offiziere, Wittwen oder andern Angehörigen der Beamten oder Offiziere; von dem reinen Einkommen in- und ausländischer Pfründen, Klostergemeinden und geistlichen Orden; bloß Beamte, Pensionisten, Pfründner und Klostergemeinden, deren Gesammtgenuß jährlich nicht 1000 Fl. erreicht, sind frei davon. Die Abgabe ist zweierlei: 5 Prozent von jedem jährlichen Einkommen zwischen 1000 bis 3000 Fl. und 10 Prozent von jedem höheren Jahresgenuß. Die Diäten der Beamten in den 9 ersten Klassen werden um 1/4 verringert. Die 10., 11. und 12. Diätenklasse bleiben davon unberührt. Eine höhere Jahrespension als 8000 Fl. darf überhaupt nicht mehr ausgezahlt werden. Diese Bestimmungen treten mit dem 1. Juli a. c. in Kraft. ‒ Das Kriegsministerium erklärt, daß es die von vielen Seiten aufgestellten Forderungen einer schleunigen Verstärkung der in Italien kämpfenden Armee aus verschiedenen Gründen nicht erfüllen könne; unter diesen sei namentlich der hervorzuheben, daß nach den Beschlüssen des ungarischen Reichstages, die sämmtlichen Truppen in Ungarn, Siebenbürgen und allen die Militärgränze umfassenden Nebenländern nicht mehr beliebig von Wien aus verwandt werden können; daß ferner in Gallizien eine große Heeresmacht nicht zu entbehren sei; daß die Ereignisse in Böhmen ein gleiches erfordern. Trotz dem würde aber das Heer in Italien doch verstärkt werden; die Vorbereitungen dazu seien im vollen Gange.
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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