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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 29. Köln, 29. Juni 1848.

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und ihr Alle, die ihr noch die Waffen gegen die Republik erhebet im Namen von allem, was verehrungswürdig, was heilig den Menschen ist, legt eure Waffen nieder. Die Nationalversammlung und die ganze Nation verlangen es. Man sagt euch, daß euch grausame Rache erwarte. Es sind eure Feinde und die unsrigen, die so sprechen. Man sagt euch, daß man euch mit kaltem Blut opfern wird. Kommt zu uns, wie reuige Brüder (man hat die reuigen Brüder füsilirt, Spießruthen laufen lassen, den Verwundeten selbst die ärztliche Pflege versagt) dem Gesetz ergeben, und die Vertheidiger der Republik werden bereit sein, euch zu empfangen.

Mehre Stunden sind verstrichen seit Veröffentlichung dieser Proklamation hinter den Barrikaden und haben wir das Unglück, bis zur letzten Stunde französisches Blut vergießen zu müssen, so ist wenigstens den Forderungen der Humanität genügt worden. Suspension der Sitzung.

Um 9 Uhr ist die Sitzung wieder eröffnet. Die Versammlung ist sehr zahlreich.

Senard, Präsident: Die Sache der Ordnung, der Freiheit, der Republik hat triumphirt. General Lamoriciere hat endlich seine Verbindung mit dem General Duvivier bewerkstelligt und die Insurrektion existirt gegenwärtig nur noch im Fbg. St. Antoine. Alle anderen Punkte sind aufgegeben, die Insurgenten haben sich vor die Barrieren zurückgezogen und ihre Aktion erstreckt sich nur noch auf die Punkte, wo genügende Truppenmacht ihnen nicht gegenübersteht. Diese Siege sind unglücklicherweise durch die beklagenswerthesten Resultate erkauft. Mehre Mitglieder der Nationalversammlung sind gefallen, so General Negrier, Oberst Charbonel ist verwundet worden.

Unterdessen muß die Gerechtigkeit ihren Lauf haben. Ich schlage euch folgendes Dekret vor, worüber die Versammlung morgen entscheiden wird.

Art. 1. Jedes Individuum, mit den Waffen in der Hand ergriffen, wird unmittelbar deportirt.

Art. 2. Die exekutive Gewalt ist beauftragt, die für die Vollstreckung des gegenwärtigen Dekrets nothwendigen Maßregeln zu ergreifen.

Die Sitzung wird für den andern Morgen 8 Uhr ausgesetzt.

16 Paris, 25. Juni.

Die kolossale Schilderhebung des pariser Proletariats ist jetzt, 5 Uhr Abends, fast gänzlich niedergeschmettert; man kanonirt nur noch auf den Inseln St. Louis und Louviers. Es sind heute nur wenige Journale und meist nur auf halbe Blätter, erschienen. Die Börse und der Justizpallast waren bereits Samstag geschlossen, um sich gewiß bald, wohl schon morgen, in stolzester Siegesfreude zu "frischen Geschäften" zu eröffnen. Im Faubourg St. Antoine hat man 500 Gefangene auf einmal gemacht, sie hatten die letzte Patrone verschossen und das Gebäude, das sie zu einer trefflichen Festung umgeschaffen, drohte unter den Paßkugeln der Bourgeoisie zusammenzustürzen; da erst ergaben sie sich auf Diskretion, und wurden von der Nationalgarde mit dem Geschrei: a bas les brigands de St. Antoine, weggeführt. Ganze Häuserreihen sind dort in ungeheure Kasernen verwandelt, die Wände durchbrochen, so daß die Proletarier in sechs bis acht Gebäuden kommuniciren. Barrikaden sind kunstgerecht in geringer Entfernung hinter und schräge gegeneinander erbaut, von Sandsteinklötzen, oft bis an's erste Stockwerk, mit Schießscharten für die Artillerie der Insurgenten. Andere Barrikaden sind aus dem dicksten Holz von der geschickten Hand der faubourger Zimmerleute gefertigt. Heute lieferte St. Antoine die Schlacht, gestern kämpfte St. Jacques, in der Nacht kämpfte St. Louis und Faubourg St. Denis, wo das Gefängniß für Frauenzimmer (St. Lazare) ein unbezwingliches Fort, mit trefflicher Artillerie besetzt, geworden war; man rechnet hier allein 280 Schwerverwundete auf Seiten der Bourgeoisie, Linie und Mobile, denn um die der "Emeutiers" kümmert man sich nicht. Arbeiter, die gestern sieben Stunden im Faubourg St. Antoine gefochten, erzählten mir kuriose Züge von der "Ritterlichkeit" und der, französischen Ehre," die dem National zufolge die Bourgeois an den Tag gelegt: mehrmals ist es vorgekommen, sagten sie, daß letztere, wenn sie eine Barrikade gestürmt, den Kopf eines verwundeten Proletariers mit Kolbenstößen unter dem Ruf: "ah du bist ein Demokrat?" zerstampften. So antworten sie auf das Geschrei der Barrikadeurs: vive la republique democratique sociale! Das ist freilich auch eine Antwort. - Die "Lazzaroni von Paris," die "alten Schlangen von 93" und von der "tugendhaften, energischen" Bevolkerung erwürgt. Alle citoyens bien intentionnes freuen sich.

Daß die Proletarier von vorn herein den Kampf des Todes mit heroischer Verzweiflung kämpften, ist natürlich. Einige Proletarierinnen erneuten die Scenen des vorigen Jahrhunderts: mit Blousen über ihren Röcken, Beile in Händen, hieben sie den starkverwundeten Offizieren die Köpfe ab und steckten sie auf Stangen. Als dies Augenzeugen berichteten, behauptete ein deutscher Gelehrter, man solle diese "Missethäterinnen" an einem Freiheitsbaum aufhängen; man hat sie jedoch verhaftet, um der Justiz einen ganz aparten Leckerbissen zu bereiten. C'est plus chevaleresque comme ca. Die Bourgeois erzählen ferner, im Pantheon hätten diese belagerten "Räuber" (die wohlverstanden nichts als einige Viktualien, Munition und Leinewand zu Verbänden genommen haben) einige Soldaten der Mobilgarde gefangen und von der Gallerie in die Tiefe gestürzt, auch einen Lieutenant aufgeknüpft. (Die Bürger suchen durch dergleichen offenbare Märchen ihre Brutalitat zu beschönigen.) Mehrmals ward das Pantheon gestürmt und zuletzt drei Stunden mit Granaten beschossen; die Proletarier erwiederten gleichfalls mit Artillerie. Daß die Mobile sich theilen würde, war vorauszusehen; man sah sie gegeneinander fechten, doch siegte die Mehrzahl derselben, die es, wie die republikanische Garde, zuletzt mit der Bourgeoisie hielt. Dafür hat General Cavaignac heute früh eine Lobrede an diese "jeunes defenseurs de l'ordre" affischiren lassen. Er unterzeichnet: Chef der Exekutivgewalt, und schwört, für die Republik sterben zu wollen. - So eben beginnt die Kanonade mit erneuter Wuth; die Insurgenten sollen auf Hülfe der Kameraden aus Rouen gerechnet haben; statt deren ist aber Bourgeoisgarde von dorther nach Paris gerückt, wo die halbe Banlicue schon gestern einzog, und die Bourgeois von Amiens, Orleans und Compiegne sind seit Tagesanbruch ebenfalls hier. Das Feldgeschrei dieser verschiedenen Mannschaften ist vive la republique, oder vive Paris, oder vive la ligne; von Bonaparte und Henri V. wird nichts vernommen, bis jetzt wenigstens.

Die Stadt ist von der in Permanenz sitzenden Versammlung in Belagerungszustand erklärt; man wird buchstäblich an jeder Straßenecke von den Nationalgardisten angehalten, und manchmal eskortirt; auch untersuchen sie Männer, Frauen und Kinder mitunter, seitdem sie Mädchen arretirt, welche Kartuschen in Körben und in Broden trugen. Gegen Blousenleute sind sie völlig unerbittlich; jeder wird durchsucht, manchmal ohne ernsten Anlaß arretirt und dann erst nach Ausstellung eines moralisch-politischen Sanitätsattestes Seitens des Polizeikommissärs entlassen. Ein junger Blousenmann rauchte in einem Tabaksladen und sagte halblaut zu mir: er ennuyire sich über all dieses Zeug, zumal das Volk nachher doch wieder ohne Arbeit sein werde; ein wohlgenährter uniformirter Bourgeois, der sich seine Pfeife anzündete, hörte es und rief: "Bürger, nehmen Sie ein Gewehr und kommen Sie mit uns." Der Blousenmann lachte und rief: "Dadurch kriege ich aber weder Arbeit noch Brod." "Später," entgegnete der Bourgeois knurrend; "jawohl später, wenn's zu spät ist," erwiederte der Proletarier, nickte mir zu und ging nach einer andern Seite. Nichts ärgert die uniformirten Nationalgardisten mehr als wenn sie in ihren Reihen keine nicht-uniformirten in diesen Schreckenstagen finden.

Die Wagencirculation existirt auch heute nicht. Ein Theil des Generalstabs hat auf Bombardiren des Faubourgs St. Antoine gedrungen, doch weigerte sich Cavaignac mit den Worten: il ne faut pas tuer les brebis ensemble avec les boucs. Seine Artillerie hat ohnehin sehr viele Häuser zertrümmert, z. B. das große Kleidermagazin la belle jardiniere am Blumenmarkt, wo vier Stunden Bresche geschossen, und ein mächtiger Munitionsvorrath entdeckt wurde, der im Keller bis zur Conciergerie sich erstreckte.

Il faut en finir avec les brigands, dies ist das Stichwort in jeder Konversation; man grüßt nicht die Bahre, auf der ein "brigand" vorbeigetragen wird, aber vor der Nationalgardistenbahre wird präsentirt und chapeau bas gerufen, und wer nicht den Hut zieht, wird hart zurechtgewiesen. Gestern sah ich zwei Bataillonchefs auf den Tod verwundet tragen; eine Frau sah ganz ruhig zu, doch als sie die Epaulette bemerkt, schluchzte sie und war ausser sich, daß ein Offizier superieur sogar von den Voleurs getroffen sei. Die verdammten Voleurs! ...

Voleurs, brigands, faineants: das sind die drei brüderlichen Titel womit jetzt eine hohe und niedere Bourgeoisie die Proletarier zu bezeichnen beliebt, aus deren Schweiß sie ihre "ewige" Rente, ihre Aktien, ihre Fonds de Bourse bezieht. "Nieder mit den Dieben", schrien die hungrigen Arbeiter des Faubourg St. Antoine im Juni 1847 den Karossen zu, worin die philippistischen Bourgeois und Adligen nach dem berüchtigten Waldfeste in Vincennes rollten, wo Monseigneur Montpensier in einem Nachtball dreihunderttausen Franken verjubelte; a bas les voleurs schreit jetzt dieselbe Bourgeoisie und kärtätscht diese aimabeln Faubourger, deren "Tugend" noch im Februar sehr hoch von ihr angeschlagen worden. Es wird in der That allgemein verbreitet, die Insurgenten hätten "nur plündern, morden und sich besaufen" gewollt; die Proklamationen des chevaleresken Maire von Paris und des trefflichen Hrn. Senard (des Heros der Massakern von Rouen und jetzigen Präsidenten der Assemblee) sprechen dies frech genug aus; die des letztern weiß auch das Wörtchen "Kommunismus" fein hineinzumischen. Die Assemblee hat die Hinterbliebenen der Bourgeoiskämpfer an Kindesstatt angenommen, und eine Proklamation in die Barrikaden der St. Antoiner zu werfen gewußt; diese sind, wie es heißt, uneinig geworden. Vierzigtausend Mann Linie sind zu der frühern Garnison gestoßen; Klubs und Journale werden jetzt wohl militärisch "geregelt" werden, a a Thiers.

Als Beweis der Bourgeoisgesinnung der medizinischen Studenten diene, daß kein Einziger sich freiwillig zum Verbinden der Blessirten zu den Insurgenten begeben; einige sind von den letztern gefangen und zu diesem Geschäft genöthigt worden. "Lieber wollte ich mich gänzlich massakriren lassen", gestikulirte ein junger französischer Arzt, als ich ihm dieses erzählt... - Die Bourgeois illuminiren heute Abend.

- "In Erwägung des von der Versammlung gefaßten Beschlusses, einige ihrer Mitglieder damit zu beauftragen, in ihrem Gesammtnamen zu interveniren in den Pariser Wirren, erlassen wir Unterzeichneten, die wir gegen den Belagerungszustand votirt haben, folgende Erklärung

Wenn wir bezeichnet sind, werden wir uns mit Enthusiasmus an die Stellen begeben, wo der Kampf am heftigsten ist; aber nur, um Worte des Friedens dahin zu tragen, überzeugt, daß das Mittel zur Wiederherstellung der Ordnung und zur Rettung der Republik die Erinnerung an die Devise ist, welche auf der republikanischen Fahne eingeschrieben steht und die Anrufung des Gefühls der Fraternite (Brüderlichkeit).

Den 24. Juni 1848, 10 Uhr Morgens.

Gezeichnet haben:
Greppo, Louis Blanc, Th. Bac, Caussidiere, Lagrange, Menand, Clement, Durand-Savoyat, Mathieu, Brives, Charbonnel, Pierre Lerroux, Bertholon, Doutre, Felix Pyat. Pegot-Ogier, Buvignier, Bruys, Proudhon, Ferrouillat, Mule senior, Lafoud, Babaud-Laribiere, Pelletier, Lamennais, Vignerte, James Demontry, Chanay, Ronjat, Signard, Pleignard, Walferdin, Chauffour, Gambon, Detours, Labrousse. Martin-Rey, Jondeau, Weiterkan, Chollat, Astaix, Deville, Renouvier, Condou, Renaud, Petitjean, Fargin-Fayolle, Mathieu, Alean, Bertrand, Lasteyras, P. Lefranc, Maire. Picard, Pascal, Azerm, Guitter, Henri Didier, Xavier Durrieu, Germain Sarrut, Auguste Mie, J. Chauffour, Koenig, Ives, P. Joigneaux, Mathe, Baune, Fleury, Madet, Benoist, Eugene Raspail, Cazelles, Frichon aEIne, Considerant, Michot, Boutet, Demosthene Ollivier, Ch. Robert.

- Cavaignac hat am 25. Juni folgende Proklamationen erlassen:

I. Französische Republik. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. (?)
Die exekutive Gewalt

Nach Einsicht des Dekrets der Nationalversammlung vom heutigen Datum, das Paris in Belagerungszustand erklärt:

In Kraft der uns durch dasselbe Dekret übertragenen Vollmacht, beschließen wir, erster Kommandant der in der Hauptstadt befindlichen Streitkräfte:

Art. 1. Alle Maueranschläge, die politische Gegenstände behandeln und nicht von den Behörden herrühren, sind verboten bis zur Wiederherstellung der öffentlichen Ruhe.

Art. 2. Alle Civil- und Militär-Autoritäten werden zur Vollstreckung gegenwärtigen Dekrets ihren Beistand leisten.

II.

Der Chef der exekutiven Gewalt beschließt:

Die Maires der verschiedenen Arrondissements von Paris werden jeden Nationalgardisten entwaffnen, der ohne legitimes Motiv bei den Appells fehlt, die gemacht werden, um zur Vertheidigung der Republik mitzuwirken.

III.

Die Sache der Ordnung und der wahren Republik triumphirt. Die Insurrektion nimmt ab; beträchtliche Waffenmassen sind weggenommen, überall gewinnen die Nationalgarde und die Armee, immer bewunderungswürdig in ihrer Einheit, an Terrain und räumen alle Hindernisse hinweg. Wir können es furchtlos versichern, das Vertrauen und die Gesellschaft sind gerettet. Von allen Departementen strömen brüderliche Hülfstruppen herbei, gan Frankreich hat nur Einen Herzschlag und strebt nach demselben Zweck - Republik und Ordnung.

- Die "Reforme" erklärt in ihrer Drittheilnummer vom 25. Juni, daß sie den andern Tag nicht erscheinen könne. Die Setzer erklärten ihr nämlich am 25., daß, da man die legalen Bestimmungen des ancien regime wegen Stempel, Kaution u. s. w. in Kraft setze, sie ihren Beistand für das Erscheinen des Blattes nicht zusagen könnten.

- Gegen 5 Uhr heute Abend sprach an der Ecke der Straßen Coquilliere und J. J. Rousseau ein Arbeiter ruhig zu andern Bürgern desselben Stadtviertels und beklagte sich wegen des Mangels an Beschäftigung und des Elendes der Arbeiter. Die Leute welche ihn umringten, baten ihn, etwas Geduld zu haben und der Republik zu vertrauen. Da näherte sich der Gruppe ein wohl gekleideter Mann und redete den Arbeiter an, indem er ihn "Lump" und "Kanaille" titulirte. Zur selben Zeit versetzte er ihm einen heftigen Schlag auf die Schulter. Nach dieser Aeußerung des wüthenden "Gemäßigten", stürzten sich alle Anwesenden indignirt über ihn her und brachten das so wohl verdiente Gesetz der Wiedervergeltung bei ihm in Anwendung. Nicht ohne daß Hut und Kleider Spuren davon zeigten, brachte man ihn dann nach dem ersten Posten der National-Garde.

* Straßburg, 25. Juni.

Aus nachfolgenden beiden Depeschen wird man wenigstens das ersehen, daß die jetzigen Gewalthaber in Paris am 24. morgens 9 Uhr mit ihren Streitkräften "Herr aller Punkte" sind, und daß sie 41/2 St. später trotz aller Verschleierungen doch gestehen müssen: "Barrikaden sind noch vorhanden etc., ja daß sie bis Straßburg hin die Nationalgarden auffordern, das Beispiel der Bourgeois anderer Städte nachzuahmen.

Telegraphische Depesche. Paris, 24. Juni, 9 Uhr Morgens.

Der Minister des Innern an den Präfekten des Niederrheins. Mehrere Häupter der Nationalwerkstätten haben bedenkliche Unruhen in Paris angefacht. Barrikaden sind errichtet worden. Die Nationalgarde, die Mobilgarde, die Linientruppen und die republikanische Garde haben muthig ihre Pflicht erfüllt. Sie sind Herr aller Punkte.

Straßburg, 25. Juni, 11 Uhr Mittags.

Telegraphische Depesche. Paris, 24. Juni. 11/2 Uhr Nachmittags.

Der Chef der vollziehenden Gewalt an die Präfekten und Unterpräfekten.

Durch Dekret der Nationalversammlung ist Paris in Belagerungszustand und die Nationalversammlung in Permanenz erklärt. Die vollziehende Gewalt ist dem General Cavaignac anvertraut. Die Exekutivkommission hat ihre Entlassung gegeben. Barrikaden sind noch vorhanden. Die Uebereinstimmung der Nationalgarde, der Armee und der Mobilgarde gibt die Gewißheit, daß die Ordnung bald hergestellt sein werde. Die Nationalgarden von mehreren Städten sind schon angelangt. Ihr Beispiel sollte nachgeahmt werden (doit etre imite). Die Republik wird siegreich diesem letzten Kampfe gegen die Anarchie entgehen. Gez. Cavaignac.

Neueste Nachrichten.
* Paris, 26. Juni.

Morgens um zehn Uhr war die erste Barrikade der Straße du Faubourg Saint Antoine gegen die Bastille zu von der Artillerie zusammengeschossen. Um halb eilf Uhr war die zweite Barrikade von der Mobilgarde genommen. Die Truppen drangen in die Häuser, die Sappeurs und Pioniere brachen Löcher in die Brandmauern, sodaß die Soldaten von Haus zu Haus den Insurgenten in den Rücken kamen und oft ihre eigenen Barrikaden gegen sie benutzten.

Von den 30,000 Mann der Nationalgarde des Faubourg St. Antoine standen über 12,000 in den Reihen der Insurgenten. Offiziere der Nationalgarde, Ritter der Ehrenlegion, befehligten sie. Mehrere Kompagnieen der 7., 8. und 9. Legion Nationalgarde waren noch zuletzt zu den Insurgenten übergegangen. Dreimal wurde die Parole gewechselt.

Um zwölf Uhr war allgemeiner Sturm des Faubourg angesagt; um halb eins kapitulirte ein Theil, er ergab sich unbedingt. Ein anderer kämpfte fort, kapitulirte aber später auch. Der letzte wüthendste Theil der Insurgenten zog vor die Barrieren von Charonne und Menilmontant, wo sie neue Barrikaden bauten und neuerdings von den Kanonen vertrieben wurden.

Mitternacht. - Der Himmel in der Richtung des Faubourg Saint Antoine steht in Flammen. Ein Feuersbrunst muß dort losgebrochen sein.

- Paris gleicht an vielen Orten einer bombardirten Stadt. Das Pantheon und die Umgegend, die ganze Straße St. Jacques, der Boulevart Beaumarchais, der Eingang der Straße des Faubourg St. Antoine, sind sehr beschädigt von Kartätschen und Kanonenkugeln. Wir werden morgen ausführliche Details mittheilen.

- Eine Masse Verhaftungen unter den sonderbarsten Vorwänden finden Statt. Die Schwester Blanqui's wurde arretirt, als sie den Insurgenten Munition bringen wollte. Ihr ganzes Haus war voll Munition.

- Der Redakteur en chef des Pere Duchene, Benjamin Laroche (oder Larroque) kommandirte die enorme Barrikade der Barriere Rochechouart, und wurde dort erschossen.

Marseille.

Am 24. fiel hier auch ein Arbeiterstand vor. Trotz des Befehls des Polizeipräfekten, die Arbeit auf 10 Stunden zu beschränken, sollten die Arbeiter dennoch 11 Stunden fortarbeiten. Sie zogen vor das Haus des Präfekten, kamen in Kollision mit dem Militär, warfen Barrikaden auf und schlugen sich von 8 Uhr Morgens bis Nachmittags vier Uhr. Auf mehreren Punkten war der Kampf mörderisch; über hundert Todte oder Verwundete blieben auf dem Platz.

Belgien.
15 Brüssel, 26. Juni.

"Während ganz Europa von Agitationen so tief bewegt wird, ist Belgien ruhig, vertrauensvoll und stark geblieben." Ruhig - vertrauensvoll - stark, so spricht der Löwe zu seinem Volke, es drängt ihn sein Herz auszuschütten, sein dankbares, stolzgeschwelltes Herz vor den Repräsentanten der Nation. Die Vorgänge anderer Länder haben Belgien nicht gestört, es ist ruhig geblieben, dafür sind ihm "Beweise der Sympathie und Achtung" zugegangen, sein Vertrauen ist unerschüttert; der Kreis der politischen Rechte ist erweitert worden, aber diese "beträchtliche" Erweiterung hat das Land stark erhalten.

Um diese Stärke zu sichern, "wird die Organisation der Bürgerwehr mit Eifer verfolgt; bis dahin wird die patriotische Armee in einem achtungswerthen Vertheidigungszustand erhalten. Die Zukunft wird die Opfer der Vergangenheit belohnen. Neue Kosten werden nicht nothwendig sein, wenn nicht unvorhergesehene Verwickelungen es unmöglich machen. Das Normalbudget der Ausgaben muß vermindert werden, auch diejenigen werden bei der Vertheilung der Ausgaben berücksichtigt, die ihren Unterhalt allein durch ihrer Hände Arbeit verdienen. Wir werden mit wahrer Sorgfalt alle Maßregeln ergreifen, die Zustände der arbeitenden Klasse zu erleichtern, zu verbessern. Belgien wird sich von dem weisen und sichern Wege, den es betreten, nicht abbringen lassen. Es hat Stehenbleiben mit Fortschritt, Ordnung mit Freiheit verbunden; auf diesem Wege wird es bleiben, wenn die Nation Glauben an sich selbst hat und einig bleibt. Unsere Anstrengungen werden sich wieder um das Land verdient machen."

Wir sind stark, vertrauensvoll und ruhig, und werden uns wieder um das Land verdient machen, wie wir es so oft gethan. Wir ergreifen Maßregeln zur Erleichterung der Arbeiter, Flandern ist ruhig. Wir vermindern das Normalbudget, das "Vertrauen" der Bourgeois ist im Wachsen. Wir verbinden Rückschritt mit Fortschritt, Ordnung mit Freiheit; kann es eine bessere Garantie der "Stärke" geben, als diese "Vermittelung der Extreme?"

Rußland.
*

Seltener als je dringen jetzt von daher verläßliche Nachrichten zu uns. Am wenigsten finden wir in den Petersburger Blättern Aufklärung über Vorgänge und Zustände im Innern. Man ist in dieser Hinsicht nur auf Privatmittheilungen angewiesen, mögen diese auch noch so sparsam erfolgen. Aus solcher Quelle stammt auch die Nachricht her, daß die Städte Tula, Orel, Jaroslaw und viele andere Städte, besonders im Gouvernement Orel, durch Brandstiftung so gut wie eingeäschert sind.

(Siehe den Verfolg in der Beilage.)

und ihr Alle, die ihr noch die Waffen gegen die Republik erhebet im Namen von allem, was verehrungswürdig, was heilig den Menschen ist, legt eure Waffen nieder. Die Nationalversammlung und die ganze Nation verlangen es. Man sagt euch, daß euch grausame Rache erwarte. Es sind eure Feinde und die unsrigen, die so sprechen. Man sagt euch, daß man euch mit kaltem Blut opfern wird. Kommt zu uns, wie reuige Brüder (man hat die reuigen Brüder füsilirt, Spießruthen laufen lassen, den Verwundeten selbst die ärztliche Pflege versagt) dem Gesetz ergeben, und die Vertheidiger der Republik werden bereit sein, euch zu empfangen.

Mehre Stunden sind verstrichen seit Veröffentlichung dieser Proklamation hinter den Barrikaden und haben wir das Unglück, bis zur letzten Stunde französisches Blut vergießen zu müssen, so ist wenigstens den Forderungen der Humanität genügt worden. Suspension der Sitzung.

Um 9 Uhr ist die Sitzung wieder eröffnet. Die Versammlung ist sehr zahlreich.

Senard, Präsident: Die Sache der Ordnung, der Freiheit, der Republik hat triumphirt. General Lamoriciére hat endlich seine Verbindung mit dem General Duvivier bewerkstelligt und die Insurrektion existirt gegenwärtig nur noch im Fbg. St. Antoine. Alle anderen Punkte sind aufgegeben, die Insurgenten haben sich vor die Barrieren zurückgezogen und ihre Aktion erstreckt sich nur noch auf die Punkte, wo genügende Truppenmacht ihnen nicht gegenübersteht. Diese Siege sind unglücklicherweise durch die beklagenswerthesten Resultate erkauft. Mehre Mitglieder der Nationalversammlung sind gefallen, so General Nègrier, Oberst Charbonel ist verwundet worden.

Unterdessen muß die Gerechtigkeit ihren Lauf haben. Ich schlage euch folgendes Dekret vor, worüber die Versammlung morgen entscheiden wird.

Art. 1. Jedes Individuum, mit den Waffen in der Hand ergriffen, wird unmittelbar deportirt.

Art. 2. Die exekutive Gewalt ist beauftragt, die für die Vollstreckung des gegenwärtigen Dekrets nothwendigen Maßregeln zu ergreifen.

Die Sitzung wird für den andern Morgen 8 Uhr ausgesetzt.

16 Paris, 25. Juni.

Die kolossale Schilderhebung des pariser Proletariats ist jetzt, 5 Uhr Abends, fast gänzlich niedergeschmettert; man kanonirt nur noch auf den Inseln St. Louis und Louviers. Es sind heute nur wenige Journale und meist nur auf halbe Blätter, erschienen. Die Börse und der Justizpallast waren bereits Samstag geschlossen, um sich gewiß bald, wohl schon morgen, in stolzester Siegesfreude zu „frischen Geschäften“ zu eröffnen. Im Faubourg St. Antoine hat man 500 Gefangene auf einmal gemacht, sie hatten die letzte Patrone verschossen und das Gebäude, das sie zu einer trefflichen Festung umgeschaffen, drohte unter den Paßkugeln der Bourgeoisie zusammenzustürzen; da erst ergaben sie sich auf Diskretion, und wurden von der Nationalgarde mit dem Geschrei: à bas les brigands de St. Antoine, weggeführt. Ganze Häuserreihen sind dort in ungeheure Kasernen verwandelt, die Wände durchbrochen, so daß die Proletarier in sechs bis acht Gebäuden kommuniciren. Barrikaden sind kunstgerecht in geringer Entfernung hinter und schräge gegeneinander erbaut, von Sandsteinklötzen, oft bis an's erste Stockwerk, mit Schießscharten für die Artillerie der Insurgenten. Andere Barrikaden sind aus dem dicksten Holz von der geschickten Hand der faubourger Zimmerleute gefertigt. Heute lieferte St. Antoine die Schlacht, gestern kämpfte St. Jacques, in der Nacht kämpfte St. Louis und Faubourg St. Denis, wo das Gefängniß für Frauenzimmer (St. Lazare) ein unbezwingliches Fort, mit trefflicher Artillerie besetzt, geworden war; man rechnet hier allein 280 Schwerverwundete auf Seiten der Bourgeoisie, Linie und Mobile, denn um die der „Emeutiers“ kümmert man sich nicht. Arbeiter, die gestern sieben Stunden im Faubourg St. Antoine gefochten, erzählten mir kuriose Züge von der „Ritterlichkeit“ und der, französischen Ehre,“ die dem National zufolge die Bourgeois an den Tag gelegt: mehrmals ist es vorgekommen, sagten sie, daß letztere, wenn sie eine Barrikade gestürmt, den Kopf eines verwundeten Proletariers mit Kolbenstößen unter dem Ruf: „ah du bist ein Demokrat?“ zerstampften. So antworten sie auf das Geschrei der Barrikadeurs: vive la république démocratique sociale! Das ist freilich auch eine Antwort. ‒ Die „Lazzaroni von Paris,“ die „alten Schlangen von 93“ und von der „tugendhaften, energischen“ Bevolkerung erwürgt. Alle citoyens bien intentionnés freuen sich.

Daß die Proletarier von vorn herein den Kampf des Todes mit heroischer Verzweiflung kämpften, ist natürlich. Einige Proletarierinnen erneuten die Scenen des vorigen Jahrhunderts: mit Blousen über ihren Röcken, Beile in Händen, hieben sie den starkverwundeten Offizieren die Köpfe ab und steckten sie auf Stangen. Als dies Augenzeugen berichteten, behauptete ein deutscher Gelehrter, man solle diese „Missethäterinnen“ an einem Freiheitsbaum aufhängen; man hat sie jedoch verhaftet, um der Justiz einen ganz aparten Leckerbissen zu bereiten. C'est plus chevaleresque comme ça. Die Bourgeois erzählen ferner, im Pantheon hätten diese belagerten „Räuber“ (die wohlverstanden nichts als einige Viktualien, Munition und Leinewand zu Verbänden genommen haben) einige Soldaten der Mobilgarde gefangen und von der Gallerie in die Tiefe gestürzt, auch einen Lieutenant aufgeknüpft. (Die Bürger suchen durch dergleichen offenbare Märchen ihre Brutalitat zu beschönigen.) Mehrmals ward das Pantheon gestürmt und zuletzt drei Stunden mit Granaten beschossen; die Proletarier erwiederten gleichfalls mit Artillerie. Daß die Mobile sich theilen würde, war vorauszusehen; man sah sie gegeneinander fechten, doch siegte die Mehrzahl derselben, die es, wie die republikanische Garde, zuletzt mit der Bourgeoisie hielt. Dafür hat General Cavaignac heute früh eine Lobrede an diese „jeunes défenseurs de l'ordre“ affischiren lassen. Er unterzeichnet: Chef der Exekutivgewalt, und schwört, für die Republik sterben zu wollen. ‒ So eben beginnt die Kanonade mit erneuter Wuth; die Insurgenten sollen auf Hülfe der Kameraden aus Rouen gerechnet haben; statt deren ist aber Bourgeoisgarde von dorther nach Paris gerückt, wo die halbe Banlicue schon gestern einzog, und die Bourgeois von Amiens, Orleans und Compiegne sind seit Tagesanbruch ebenfalls hier. Das Feldgeschrei dieser verschiedenen Mannschaften ist vive la république, oder vive Paris, oder vive la ligne; von Bonaparte und Henri V. wird nichts vernommen, bis jetzt wenigstens.

Die Stadt ist von der in Permanenz sitzenden Versammlung in Belagerungszustand erklärt; man wird buchstäblich an jeder Straßenecke von den Nationalgardisten angehalten, und manchmal eskortirt; auch untersuchen sie Männer, Frauen und Kinder mitunter, seitdem sie Mädchen arretirt, welche Kartuschen in Körben und in Broden trugen. Gegen Blousenleute sind sie völlig unerbittlich; jeder wird durchsucht, manchmal ohne ernsten Anlaß arretirt und dann erst nach Ausstellung eines moralisch-politischen Sanitätsattestes Seitens des Polizeikommissärs entlassen. Ein junger Blousenmann rauchte in einem Tabaksladen und sagte halblaut zu mir: er ennuyire sich über all dieses Zeug, zumal das Volk nachher doch wieder ohne Arbeit sein werde; ein wohlgenährter uniformirter Bourgeois, der sich seine Pfeife anzündete, hörte es und rief: „Bürger, nehmen Sie ein Gewehr und kommen Sie mit uns.“ Der Blousenmann lachte und rief: „Dadurch kriege ich aber weder Arbeit noch Brod.“ „Später,“ entgegnete der Bourgeois knurrend; „jawohl später, wenn's zu spät ist,“ erwiederte der Proletarier, nickte mir zu und ging nach einer andern Seite. Nichts ärgert die uniformirten Nationalgardisten mehr als wenn sie in ihren Reihen keine nicht-uniformirten in diesen Schreckenstagen finden.

Die Wagencirculation existirt auch heute nicht. Ein Theil des Generalstabs hat auf Bombardiren des Faubourgs St. Antoine gedrungen, doch weigerte sich Cavaignac mit den Worten: il ne faut pas tuer les brebis ensemble avec les boucs. Seine Artillerie hat ohnehin sehr viele Häuser zertrümmert, z. B. das große Kleidermagazin la belle jardinière am Blumenmarkt, wo vier Stunden Bresche geschossen, und ein mächtiger Munitionsvorrath entdeckt wurde, der im Keller bis zur Conciergerie sich erstreckte.

Il faut en finir avec les brigands, dies ist das Stichwort in jeder Konversation; man grüßt nicht die Bahre, auf der ein „brigand“ vorbeigetragen wird, aber vor der Nationalgardistenbahre wird präsentirt und chapeau bas gerufen, und wer nicht den Hut zieht, wird hart zurechtgewiesen. Gestern sah ich zwei Bataillonchefs auf den Tod verwundet tragen; eine Frau sah ganz ruhig zu, doch als sie die Epaulette bemerkt, schluchzte sie und war ausser sich, daß ein Offizier supérieur sogar von den Voleurs getroffen sei. Die verdammten Voleurs! …

Voleurs, brigands, fainéants: das sind die drei brüderlichen Titel womit jetzt eine hohe und niedere Bourgeoisie die Proletarier zu bezeichnen beliebt, aus deren Schweiß sie ihre „ewige“ Rente, ihre Aktien, ihre Fonds de Bourse bezieht. „Nieder mit den Dieben“, schrien die hungrigen Arbeiter des Faubourg St. Antoine im Juni 1847 den Karossen zu, worin die philippistischen Bourgeois und Adligen nach dem berüchtigten Waldfeste in Vincennes rollten, wo Monseigneur Montpensier in einem Nachtball dreihunderttausen Franken verjubelte; à bas les voleurs schreit jetzt dieselbe Bourgeoisie und kärtätscht diese aimabeln Faubourger, deren „Tugend“ noch im Februar sehr hoch von ihr angeschlagen worden. Es wird in der That allgemein verbreitet, die Insurgenten hätten „nur plündern, morden und sich besaufen“ gewollt; die Proklamationen des chevaleresken Maire von Paris und des trefflichen Hrn. Senard (des Heros der Massakern von Rouen und jetzigen Präsidenten der Assemblée) sprechen dies frech genug aus; die des letztern weiß auch das Wörtchen „Kommunismus“ fein hineinzumischen. Die Assemblée hat die Hinterbliebenen der Bourgeoiskämpfer an Kindesstatt angenommen, und eine Proklamation in die Barrikaden der St. Antoiner zu werfen gewußt; diese sind, wie es heißt, uneinig geworden. Vierzigtausend Mann Linie sind zu der frühern Garnison gestoßen; Klubs und Journale werden jetzt wohl militärisch „geregelt“ werden, à a Thiers.

Als Beweis der Bourgeoisgesinnung der medizinischen Studenten diene, daß kein Einziger sich freiwillig zum Verbinden der Blessirten zu den Insurgenten begeben; einige sind von den letztern gefangen und zu diesem Geschäft genöthigt worden. „Lieber wollte ich mich gänzlich massakriren lassen“, gestikulirte ein junger französischer Arzt, als ich ihm dieses erzählt… ‒ Die Bourgeois illuminiren heute Abend.

‒ „In Erwägung des von der Versammlung gefaßten Beschlusses, einige ihrer Mitglieder damit zu beauftragen, in ihrem Gesammtnamen zu interveniren in den Pariser Wirren, erlassen wir Unterzeichneten, die wir gegen den Belagerungszustand votirt haben, folgende Erklärung

Wenn wir bezeichnet sind, werden wir uns mit Enthusiasmus an die Stellen begeben, wo der Kampf am heftigsten ist; aber nur, um Worte des Friedens dahin zu tragen, überzeugt, daß das Mittel zur Wiederherstellung der Ordnung und zur Rettung der Republik die Erinnerung an die Devise ist, welche auf der republikanischen Fahne eingeschrieben steht und die Anrufung des Gefühls der Fraternité (Brüderlichkeit).

Den 24. Juni 1848, 10 Uhr Morgens.

Gezeichnet haben:
Greppo, Louis Blanc, Th. Bac, Caussidière, Lagrange, Menand, Clément, Durand-Savoyat, Mathieu, Brives, Charbonnel, Pierre Lerroux, Bertholon, Doutre, Felix Pyat. Pégot-Ogier, Buvignier, Bruys, Proudhon, Ferrouillat, Mulé senior, Lafoud, Babaud-Laribière, Pelletier, Lamennais, Vignerte, James Demontry, Chanay, Ronjat, Signard, Pleignard, Walferdin, Chauffour, Gambon, Detours, Labrousse. Martin-Rey, Jondeau, Weiterkan, Chollat, Astaix, Deville, Renouvier, Condou, Renaud, Petitjean, Fargin-Fayolle, Mathieu, Alean, Bertrand, Lasteyras, P. Lefranc, Maire. Picard, Pascal, Azerm, Guitter, Henri Didier, Xavier Durrieu, Germain Sarrut, Auguste Mie, J. Chauffour, Koenig, Ives, P. Joigneaux, Mathé, Baune, Fleury, Madet, Benoist, Eugène Raspail, Cazelles, Frichon aÎné, Considérant, Michot, Boutet, Démosthène Ollivier, Ch. Robert.

Cavaignac hat am 25. Juni folgende Proklamationen erlassen:

I. Französische Republik. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. (?)
Die exekutive Gewalt

Nach Einsicht des Dekrets der Nationalversammlung vom heutigen Datum, das Paris in Belagerungszustand erklärt:

In Kraft der uns durch dasselbe Dekret übertragenen Vollmacht, beschließen wir, erster Kommandant der in der Hauptstadt befindlichen Streitkräfte:

Art. 1. Alle Maueranschläge, die politische Gegenstände behandeln und nicht von den Behörden herrühren, sind verboten bis zur Wiederherstellung der öffentlichen Ruhe.

Art. 2. Alle Civil- und Militär-Autoritäten werden zur Vollstreckung gegenwärtigen Dekrets ihren Beistand leisten.

II.

Der Chef der exekutiven Gewalt beschließt:

Die Maires der verschiedenen Arrondissements von Paris werden jeden Nationalgardisten entwaffnen, der ohne legitimes Motiv bei den Appells fehlt, die gemacht werden, um zur Vertheidigung der Republik mitzuwirken.

III.

Die Sache der Ordnung und der wahren Republik triumphirt. Die Insurrektion nimmt ab; beträchtliche Waffenmassen sind weggenommen, überall gewinnen die Nationalgarde und die Armee, immer bewunderungswürdig in ihrer Einheit, an Terrain und räumen alle Hindernisse hinweg. Wir können es furchtlos versichern, das Vertrauen und die Gesellschaft sind gerettet. Von allen Departementen strömen brüderliche Hülfstruppen herbei, gan Frankreich hat nur Einen Herzschlag und strebt nach demselben Zweck ‒ Republik und Ordnung.

‒ Die „Réforme“ erklärt in ihrer Drittheilnummer vom 25. Juni, daß sie den andern Tag nicht erscheinen könne. Die Setzer erklärten ihr nämlich am 25., daß, da man die legalen Bestimmungen des ancien régime wegen Stempel, Kaution u. s. w. in Kraft setze, sie ihren Beistand für das Erscheinen des Blattes nicht zusagen könnten.

‒ Gegen 5 Uhr heute Abend sprach an der Ecke der Straßen Coquillière und J. J. Rousseau ein Arbeiter ruhig zu andern Bürgern desselben Stadtviertels und beklagte sich wegen des Mangels an Beschäftigung und des Elendes der Arbeiter. Die Leute welche ihn umringten, baten ihn, etwas Geduld zu haben und der Republik zu vertrauen. Da näherte sich der Gruppe ein wohl gekleideter Mann und redete den Arbeiter an, indem er ihn „Lump“ und „Kanaille“ titulirte. Zur selben Zeit versetzte er ihm einen heftigen Schlag auf die Schulter. Nach dieser Aeußerung des wüthenden „Gemäßigten“, stürzten sich alle Anwesenden indignirt über ihn her und brachten das so wohl verdiente Gesetz der Wiedervergeltung bei ihm in Anwendung. Nicht ohne daß Hut und Kleider Spuren davon zeigten, brachte man ihn dann nach dem ersten Posten der National-Garde.

* Straßburg, 25. Juni.

Aus nachfolgenden beiden Depeschen wird man wenigstens das ersehen, daß die jetzigen Gewalthaber in Paris am 24. morgens 9 Uhr mit ihren Streitkräften „Herr aller Punkte“ sind, und daß sie 41/2 St. später trotz aller Verschleierungen doch gestehen müssen: „Barrikaden sind noch vorhanden etc., ja daß sie bis Straßburg hin die Nationalgarden auffordern, das Beispiel der Bourgeois anderer Städte nachzuahmen.

Telegraphische Depesche. Paris, 24. Juni, 9 Uhr Morgens.

Der Minister des Innern an den Präfekten des Niederrheins. Mehrere Häupter der Nationalwerkstätten haben bedenkliche Unruhen in Paris angefacht. Barrikaden sind errichtet worden. Die Nationalgarde, die Mobilgarde, die Linientruppen und die republikanische Garde haben muthig ihre Pflicht erfüllt. Sie sind Herr aller Punkte.

Straßburg, 25. Juni, 11 Uhr Mittags.

Telegraphische Depesche. Paris, 24. Juni. 11/2 Uhr Nachmittags.

Der Chef der vollziehenden Gewalt an die Präfekten und Unterpräfekten.

Durch Dekret der Nationalversammlung ist Paris in Belagerungszustand und die Nationalversammlung in Permanenz erklärt. Die vollziehende Gewalt ist dem General Cavaignac anvertraut. Die Exekutivkommission hat ihre Entlassung gegeben. Barrikaden sind noch vorhanden. Die Uebereinstimmung der Nationalgarde, der Armee und der Mobilgarde gibt die Gewißheit, daß die Ordnung bald hergestellt sein werde. Die Nationalgarden von mehreren Städten sind schon angelangt. Ihr Beispiel sollte nachgeahmt werden (doit être imité). Die Republik wird siegreich diesem letzten Kampfe gegen die Anarchie entgehen. Gez. Cavaignac.

Neueste Nachrichten.
* Paris, 26. Juni.

Morgens um zehn Uhr war die erste Barrikade der Straße du Faubourg Saint Antoine gegen die Bastille zu von der Artillerie zusammengeschossen. Um halb eilf Uhr war die zweite Barrikade von der Mobilgarde genommen. Die Truppen drangen in die Häuser, die Sappeurs und Pioniere brachen Löcher in die Brandmauern, sodaß die Soldaten von Haus zu Haus den Insurgenten in den Rücken kamen und oft ihre eigenen Barrikaden gegen sie benutzten.

Von den 30,000 Mann der Nationalgarde des Faubourg St. Antoine standen über 12,000 in den Reihen der Insurgenten. Offiziere der Nationalgarde, Ritter der Ehrenlegion, befehligten sie. Mehrere Kompagnieen der 7., 8. und 9. Legion Nationalgarde waren noch zuletzt zu den Insurgenten übergegangen. Dreimal wurde die Parole gewechselt.

Um zwölf Uhr war allgemeiner Sturm des Faubourg angesagt; um halb eins kapitulirte ein Theil, er ergab sich unbedingt. Ein anderer kämpfte fort, kapitulirte aber später auch. Der letzte wüthendste Theil der Insurgenten zog vor die Barrieren von Charonne und Menilmontant, wo sie neue Barrikaden bauten und neuerdings von den Kanonen vertrieben wurden.

Mitternacht. ‒ Der Himmel in der Richtung des Faubourg Saint Antoine steht in Flammen. Ein Feuersbrunst muß dort losgebrochen sein.

‒ Paris gleicht an vielen Orten einer bombardirten Stadt. Das Pantheon und die Umgegend, die ganze Straße St. Jacques, der Boulevart Beaumarchais, der Eingang der Straße des Faubourg St. Antoine, sind sehr beschädigt von Kartätschen und Kanonenkugeln. Wir werden morgen ausführliche Details mittheilen.

‒ Eine Masse Verhaftungen unter den sonderbarsten Vorwänden finden Statt. Die Schwester Blanqui's wurde arretirt, als sie den Insurgenten Munition bringen wollte. Ihr ganzes Haus war voll Munition.

‒ Der Redakteur en chef des Père Duchêne, Benjamin Laroche (oder Larroque) kommandirte die enorme Barrikade der Barrière Rochechouart, und wurde dort erschossen.

Marseille.

Am 24. fiel hier auch ein Arbeiterstand vor. Trotz des Befehls des Polizeipräfekten, die Arbeit auf 10 Stunden zu beschränken, sollten die Arbeiter dennoch 11 Stunden fortarbeiten. Sie zogen vor das Haus des Präfekten, kamen in Kollision mit dem Militär, warfen Barrikaden auf und schlugen sich von 8 Uhr Morgens bis Nachmittags vier Uhr. Auf mehreren Punkten war der Kampf mörderisch; über hundert Todte oder Verwundete blieben auf dem Platz.

Belgien.
15 Brüssel, 26. Juni.

„Während ganz Europa von Agitationen so tief bewegt wird, ist Belgien ruhig, vertrauensvoll und stark geblieben.“ Ruhig ‒ vertrauensvoll ‒ stark, so spricht der Löwe zu seinem Volke, es drängt ihn sein Herz auszuschütten, sein dankbares, stolzgeschwelltes Herz vor den Repräsentanten der Nation. Die Vorgänge anderer Länder haben Belgien nicht gestört, es ist ruhig geblieben, dafür sind ihm „Beweise der Sympathie und Achtung“ zugegangen, sein Vertrauen ist unerschüttert; der Kreis der politischen Rechte ist erweitert worden, aber diese „beträchtliche“ Erweiterung hat das Land stark erhalten.

Um diese Stärke zu sichern, „wird die Organisation der Bürgerwehr mit Eifer verfolgt; bis dahin wird die patriotische Armee in einem achtungswerthen Vertheidigungszustand erhalten. Die Zukunft wird die Opfer der Vergangenheit belohnen. Neue Kosten werden nicht nothwendig sein, wenn nicht unvorhergesehene Verwickelungen es unmöglich machen. Das Normalbudget der Ausgaben muß vermindert werden, auch diejenigen werden bei der Vertheilung der Ausgaben berücksichtigt, die ihren Unterhalt allein durch ihrer Hände Arbeit verdienen. Wir werden mit wahrer Sorgfalt alle Maßregeln ergreifen, die Zustände der arbeitenden Klasse zu erleichtern, zu verbessern. Belgien wird sich von dem weisen und sichern Wege, den es betreten, nicht abbringen lassen. Es hat Stehenbleiben mit Fortschritt, Ordnung mit Freiheit verbunden; auf diesem Wege wird es bleiben, wenn die Nation Glauben an sich selbst hat und einig bleibt. Unsere Anstrengungen werden sich wieder um das Land verdient machen.“

Wir sind stark, vertrauensvoll und ruhig, und werden uns wieder um das Land verdient machen, wie wir es so oft gethan. Wir ergreifen Maßregeln zur Erleichterung der Arbeiter, Flandern ist ruhig. Wir vermindern das Normalbudget, das „Vertrauen“ der Bourgeois ist im Wachsen. Wir verbinden Rückschritt mit Fortschritt, Ordnung mit Freiheit; kann es eine bessere Garantie der „Stärke“ geben, als diese „Vermittelung der Extreme?“

Rußland.
*

Seltener als je dringen jetzt von daher verläßliche Nachrichten zu uns. Am wenigsten finden wir in den Petersburger Blättern Aufklärung über Vorgänge und Zustände im Innern. Man ist in dieser Hinsicht nur auf Privatmittheilungen angewiesen, mögen diese auch noch so sparsam erfolgen. Aus solcher Quelle stammt auch die Nachricht her, daß die Städte Tula, Orel, Jaroslaw und viele andere Städte, besonders im Gouvernement Orel, durch Brandstiftung so gut wie eingeäschert sind.

(Siehe den Verfolg in der Beilage.)

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und ihr Alle, die ihr noch die Waffen gegen die                         Republik erhebet im Namen von allem, was verehrungswürdig, was heilig den                         Menschen ist, legt eure Waffen nieder. Die Nationalversammlung und die ganze                         Nation verlangen es. Man sagt euch, daß euch grausame Rache erwarte. Es sind                         eure Feinde und die unsrigen, die so sprechen. Man sagt euch, daß man euch                         mit kaltem Blut opfern wird. Kommt zu uns, wie reuige Brüder <hi rendition="#g">(man hat die reuigen Brüder füsilirt, Spießruthen laufen                             lassen, den Verwundeten selbst die ärztliche Pflege versagt)</hi> dem                         Gesetz ergeben, und die Vertheidiger der Republik werden bereit sein, euch                         zu empfangen.</p>
          <p>Mehre Stunden sind verstrichen seit Veröffentlichung dieser Proklamation                         hinter den Barrikaden und haben wir <hi rendition="#g">das</hi> Unglück, bis                         zur letzten Stunde französisches Blut vergießen zu müssen, so ist wenigstens                         den Forderungen der Humanität genügt worden. Suspension der Sitzung.</p>
          <p>Um 9 Uhr ist die Sitzung wieder eröffnet. Die Versammlung ist sehr                         zahlreich.</p>
          <p><hi rendition="#g">Senard,</hi> Präsident: Die Sache der Ordnung, der                         Freiheit, der Republik hat triumphirt. General Lamoriciére hat endlich seine                         Verbindung mit dem General Duvivier bewerkstelligt und die Insurrektion                         existirt gegenwärtig nur noch im Fbg. St. Antoine. Alle anderen Punkte sind                         aufgegeben, die Insurgenten haben sich vor die Barrieren zurückgezogen und                         ihre Aktion erstreckt sich nur noch auf die Punkte, wo genügende                         Truppenmacht ihnen nicht gegenübersteht. Diese Siege sind unglücklicherweise                         durch die beklagenswerthesten Resultate erkauft. Mehre Mitglieder der                         Nationalversammlung sind gefallen, so General Nègrier, Oberst Charbonel ist                         verwundet worden.</p>
          <p>Unterdessen muß die Gerechtigkeit ihren Lauf haben. Ich schlage euch                         folgendes Dekret vor, worüber die Versammlung morgen entscheiden wird.</p>
          <p>Art. 1. Jedes Individuum, mit den Waffen in der Hand ergriffen, wird                         unmittelbar deportirt.</p>
          <p>Art. 2. Die exekutive Gewalt ist beauftragt, die für die Vollstreckung des                         gegenwärtigen Dekrets nothwendigen Maßregeln zu ergreifen.</p>
          <p>Die Sitzung wird für den andern Morgen 8 Uhr ausgesetzt.</p>
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          <head><bibl><author>16</author></bibl> Paris, 25. Juni.</head>
          <p>Die kolossale Schilderhebung des pariser Proletariats ist jetzt, 5 Uhr                         Abends, fast gänzlich niedergeschmettert; man kanonirt nur noch auf den                         Inseln St. Louis und Louviers. Es sind heute nur wenige Journale und meist                         nur auf halbe Blätter, erschienen. Die Börse und der Justizpallast waren                         bereits Samstag geschlossen, um sich gewiß bald, wohl schon morgen, in                         stolzester Siegesfreude zu &#x201E;frischen Geschäften&#x201C; zu eröffnen. Im Faubourg                         St. Antoine hat man 500 Gefangene auf einmal gemacht, sie hatten die letzte                         Patrone verschossen und das Gebäude, das sie zu einer trefflichen Festung                         umgeschaffen, drohte unter den Paßkugeln der Bourgeoisie zusammenzustürzen;                         da erst ergaben sie sich auf Diskretion, und wurden von der Nationalgarde                         mit dem Geschrei: à bas les brigands de St. Antoine, weggeführt. Ganze                         Häuserreihen sind dort in ungeheure Kasernen verwandelt, die Wände                         durchbrochen, so daß die Proletarier in sechs bis acht Gebäuden                         kommuniciren. Barrikaden sind kunstgerecht in geringer Entfernung hinter und                         schräge gegeneinander erbaut, von Sandsteinklötzen, oft bis an's erste                         Stockwerk, mit Schießscharten für die Artillerie der Insurgenten. Andere                         Barrikaden sind aus dem dicksten Holz von der geschickten Hand der                         faubourger Zimmerleute gefertigt. Heute lieferte St. Antoine die Schlacht,                         gestern kämpfte St. Jacques, in der Nacht kämpfte St. Louis und Faubourg St.                         Denis, wo das Gefängniß für Frauenzimmer (St. Lazare) ein unbezwingliches                         Fort, mit trefflicher Artillerie besetzt, geworden war; man rechnet hier                         allein 280 Schwerverwundete auf Seiten der Bourgeoisie, Linie und Mobile,                         denn um die der &#x201E;Emeutiers&#x201C; kümmert man sich nicht. Arbeiter, die gestern                         sieben Stunden im Faubourg St. Antoine gefochten, erzählten mir kuriose Züge                         von der &#x201E;Ritterlichkeit&#x201C; und der, französischen Ehre,&#x201C; die dem <hi rendition="#g">National</hi> zufolge die Bourgeois an den Tag gelegt:                         mehrmals ist es vorgekommen, sagten sie, daß letztere, wenn sie eine                         Barrikade gestürmt, den Kopf eines verwundeten Proletariers mit Kolbenstößen                         unter dem Ruf: &#x201E;ah du bist ein Demokrat?&#x201C; zerstampften. So antworten sie auf                         das Geschrei der Barrikadeurs: vive la république démocratique sociale! Das                         ist freilich auch eine Antwort. &#x2012; Die &#x201E;Lazzaroni von Paris,&#x201C; die &#x201E;alten                         Schlangen von 93&#x201C; und von der &#x201E;tugendhaften, energischen&#x201C; Bevolkerung                         erwürgt. Alle citoyens bien intentionnés freuen sich.</p>
          <p>Daß die Proletarier von vorn herein den Kampf des Todes mit heroischer                         Verzweiflung kämpften, ist natürlich. Einige Proletarierinnen erneuten die                         Scenen des vorigen Jahrhunderts: mit Blousen über ihren Röcken, Beile in                         Händen, hieben sie den starkverwundeten Offizieren die Köpfe ab und steckten                         sie auf Stangen. Als dies Augenzeugen berichteten, behauptete ein deutscher                         Gelehrter, man solle diese &#x201E;Missethäterinnen&#x201C; an einem Freiheitsbaum                         aufhängen; man hat sie jedoch verhaftet, um der Justiz einen ganz aparten                         Leckerbissen zu bereiten. C'est plus chevaleresque comme ça. Die Bourgeois                         erzählen ferner, im Pantheon hätten diese belagerten &#x201E;Räuber&#x201C; (die                         wohlverstanden nichts als einige Viktualien, Munition und Leinewand zu                         Verbänden genommen haben) einige Soldaten der Mobilgarde gefangen und von                         der Gallerie in die Tiefe gestürzt, auch einen Lieutenant aufgeknüpft. (Die                         Bürger suchen durch dergleichen offenbare Märchen ihre Brutalitat zu                         beschönigen.) Mehrmals ward das Pantheon gestürmt und zuletzt drei Stunden                         mit Granaten beschossen; die Proletarier erwiederten gleichfalls mit                         Artillerie. Daß die Mobile sich theilen würde, war vorauszusehen; man sah                         sie gegeneinander fechten, doch siegte die Mehrzahl derselben, die es, wie                         die republikanische Garde, zuletzt mit der Bourgeoisie hielt. Dafür hat                         General Cavaignac heute früh eine Lobrede an diese &#x201E;jeunes défenseurs de                         l'ordre&#x201C; affischiren lassen. Er unterzeichnet: Chef der Exekutivgewalt, und                         schwört, für die Republik sterben zu wollen. &#x2012; So eben beginnt die Kanonade                         mit erneuter Wuth; die Insurgenten sollen auf Hülfe der Kameraden aus Rouen                         gerechnet haben; statt deren ist aber Bourgeoisgarde von dorther nach Paris                         gerückt, wo die halbe Banlicue schon gestern einzog, und die Bourgeois von                         Amiens, Orleans und Compiegne sind seit Tagesanbruch ebenfalls hier. Das                         Feldgeschrei dieser verschiedenen Mannschaften ist vive la république, oder                         vive Paris, oder vive la ligne; von Bonaparte und Henri V. wird nichts                         vernommen, bis jetzt wenigstens.</p>
          <p>Die Stadt ist von der in Permanenz sitzenden Versammlung in                         Belagerungszustand erklärt; man wird buchstäblich an <hi rendition="#g">jeder</hi> Straßenecke von den Nationalgardisten angehalten, und                         manchmal eskortirt; auch untersuchen sie Männer, Frauen und Kinder mitunter,                         seitdem sie Mädchen arretirt, welche Kartuschen in Körben und in Broden                         trugen. Gegen Blousenleute sind sie völlig unerbittlich; <hi rendition="#g">jeder</hi> wird durchsucht, manchmal ohne ernsten Anlaß arretirt und                         dann erst nach Ausstellung eines moralisch-politischen Sanitätsattestes                         Seitens des Polizeikommissärs entlassen. Ein junger Blousenmann rauchte in                         einem Tabaksladen und sagte halblaut zu mir: er ennuyire sich über all                         dieses Zeug, zumal das Volk nachher doch wieder ohne Arbeit sein werde; ein                         wohlgenährter uniformirter Bourgeois, der sich seine Pfeife anzündete, hörte                         es und rief: &#x201E;Bürger, nehmen Sie ein Gewehr und kommen Sie mit uns.&#x201C; Der                         Blousenmann lachte und rief: &#x201E;Dadurch kriege ich aber weder Arbeit noch                         Brod.&#x201C; &#x201E;Später,&#x201C; entgegnete der Bourgeois knurrend; &#x201E;jawohl später, wenn's                         zu spät ist,&#x201C; erwiederte der Proletarier, nickte mir zu und ging nach einer                         andern Seite. Nichts ärgert die <hi rendition="#g">uniformirten</hi> Nationalgardisten mehr als wenn sie in ihren Reihen keine <hi rendition="#g">nicht-uniformirten</hi> in diesen Schreckenstagen finden.</p>
          <p>Die Wagencirculation existirt auch heute nicht. Ein Theil des Generalstabs                         hat auf Bombardiren des Faubourgs St. Antoine gedrungen, doch weigerte sich                         Cavaignac mit den Worten: il ne faut pas tuer les brebis ensemble avec les                         boucs. Seine Artillerie hat ohnehin sehr viele Häuser zertrümmert, z. B. das                         große Kleidermagazin la belle jardinière am Blumenmarkt, wo vier Stunden                         Bresche geschossen, und ein mächtiger Munitionsvorrath entdeckt wurde, der                         im Keller bis zur Conciergerie sich erstreckte.</p>
          <p>Il faut en finir avec les brigands, dies ist das Stichwort in jeder                         Konversation; man grüßt nicht die Bahre, auf der ein &#x201E;brigand&#x201C;                         vorbeigetragen wird, aber vor der Nationalgardistenbahre wird präsentirt und                         chapeau bas gerufen, und wer nicht den Hut zieht, wird hart zurechtgewiesen.                         Gestern sah ich zwei Bataillonchefs auf den Tod verwundet tragen; eine Frau                         sah ganz ruhig zu, doch als sie die Epaulette bemerkt, schluchzte sie und                         war ausser sich, daß ein Offizier supérieur sogar von den Voleurs getroffen                         sei. Die verdammten Voleurs! &#x2026;</p>
          <p>Voleurs, brigands, fainéants: das sind die drei brüderlichen Titel womit                         jetzt eine hohe und niedere Bourgeoisie die Proletarier zu bezeichnen                         beliebt, aus deren Schweiß sie ihre &#x201E;ewige&#x201C; Rente, ihre Aktien, ihre Fonds                         de Bourse bezieht. &#x201E;Nieder mit den Dieben&#x201C;, schrien die hungrigen Arbeiter                         des Faubourg St. Antoine im Juni 1847 den Karossen zu, worin die                         philippistischen Bourgeois und Adligen nach dem berüchtigten Waldfeste in                         Vincennes rollten, wo Monseigneur Montpensier in <hi rendition="#g">einem</hi> Nachtball dreihunderttausen Franken verjubelte; à bas les                         voleurs schreit jetzt dieselbe Bourgeoisie und kärtätscht diese aimabeln                         Faubourger, deren &#x201E;Tugend&#x201C; noch im Februar sehr hoch von ihr angeschlagen                         worden. Es wird in der That allgemein verbreitet, die Insurgenten hätten                         &#x201E;nur plündern, morden und sich besaufen&#x201C; gewollt; die Proklamationen des                         chevaleresken Maire von Paris und des trefflichen Hrn. Senard (des Heros der                         Massakern von Rouen und jetzigen Präsidenten der Assemblée) sprechen dies                         frech genug aus; die des letztern weiß auch das Wörtchen &#x201E;Kommunismus&#x201C; fein                         hineinzumischen. Die Assemblée hat die Hinterbliebenen der Bourgeoiskämpfer                         an Kindesstatt angenommen, und eine Proklamation in die Barrikaden der St.                         Antoiner zu werfen gewußt; diese sind, wie es heißt, uneinig geworden.                         Vierzigtausend Mann Linie sind zu der frühern Garnison gestoßen; Klubs und                         Journale werden jetzt wohl militärisch &#x201E;geregelt&#x201C; werden, à a Thiers.</p>
          <p>Als Beweis der Bourgeoisgesinnung der medizinischen Studenten diene, daß <hi rendition="#g">kein Einziger</hi> sich <hi rendition="#g">freiwillig</hi> zum Verbinden der Blessirten zu den Insurgenten                         begeben; einige sind von den letztern gefangen und zu diesem Geschäft                         genöthigt worden. &#x201E;Lieber wollte ich mich gänzlich massakriren lassen&#x201C;,                         gestikulirte ein junger französischer Arzt, als ich ihm dieses erzählt&#x2026; &#x2012; <hi rendition="#g">Die Bourgeois illuminiren heute Abend.</hi></p>
          <p>&#x2012; &#x201E;In Erwägung des von der Versammlung gefaßten Beschlusses, einige ihrer                         Mitglieder damit zu beauftragen, in ihrem Gesammtnamen zu interveniren in                         den Pariser Wirren, erlassen wir Unterzeichneten, die wir gegen den                         Belagerungszustand votirt haben, folgende Erklärung</p>
          <p>Wenn wir bezeichnet sind, werden wir uns mit Enthusiasmus an die Stellen                         begeben, wo der Kampf am heftigsten ist; aber nur, um Worte des Friedens                         dahin zu tragen, überzeugt, daß das Mittel zur Wiederherstellung der Ordnung                         und zur Rettung der Republik die Erinnerung an die Devise ist, welche auf                         der republikanischen Fahne eingeschrieben steht und die Anrufung des Gefühls                         der Fraternité (Brüderlichkeit).</p>
          <p>Den 24. Juni 1848, 10 Uhr Morgens.</p>
          <p rendition="#et">Gezeichnet haben:<lb/>
Greppo, Louis Blanc, Th. Bac,                         Caussidière, Lagrange, Menand, Clément, Durand-Savoyat, Mathieu, Brives,                         Charbonnel, Pierre Lerroux, Bertholon, Doutre, Felix Pyat. Pégot-Ogier,                         Buvignier, Bruys, Proudhon, Ferrouillat, Mulé senior, Lafoud,                         Babaud-Laribière, Pelletier, Lamennais, Vignerte, James Demontry, Chanay,                         Ronjat, Signard, Pleignard, Walferdin, Chauffour, Gambon, Detours,                         Labrousse. Martin-Rey, Jondeau, Weiterkan, Chollat, Astaix, Deville,                         Renouvier, Condou, Renaud, Petitjean, Fargin-Fayolle, Mathieu, Alean,                         Bertrand, Lasteyras, P. Lefranc, Maire. Picard, Pascal, Azerm, Guitter,                         Henri Didier, Xavier Durrieu, Germain Sarrut, Auguste Mie, J. Chauffour,                         Koenig, Ives, P. Joigneaux, Mathé, Baune, Fleury, Madet, Benoist, Eugène                         Raspail, Cazelles, Frichon aÎné, Considérant, Michot, Boutet, Démosthène                         Ollivier, Ch. Robert.</p>
          <p>&#x2012; <hi rendition="#g">Cavaignac</hi> hat am 25. Juni folgende Proklamationen                         erlassen:</p>
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#g">I. Französische Republik. Freiheit,                             Gleichheit, Brüderlichkeit. (?)<lb/>
Die exekutive Gewalt</hi> </p>
          <p>Nach Einsicht des Dekrets der Nationalversammlung vom heutigen Datum, das                         Paris in Belagerungszustand erklärt:</p>
          <p>In Kraft der uns durch dasselbe Dekret übertragenen Vollmacht, beschließen                         wir, erster Kommandant der in der Hauptstadt befindlichen Streitkräfte:</p>
          <p><hi rendition="#g">Art. 1.</hi> Alle Maueranschläge, die politische                         Gegenstände behandeln und nicht von den Behörden herrühren, sind verboten                         bis zur Wiederherstellung der öffentlichen Ruhe.</p>
          <p><hi rendition="#g">Art. 2.</hi> Alle Civil- und Militär-Autoritäten werden                         zur Vollstreckung gegenwärtigen Dekrets ihren Beistand leisten.</p>
          <p rendition="#et">II.</p>
          <p>Der Chef der exekutiven Gewalt beschließt:</p>
          <p>Die Maires der verschiedenen Arrondissements von Paris werden jeden                         Nationalgardisten entwaffnen, der ohne legitimes Motiv bei den Appells                         fehlt, die gemacht werden, um zur Vertheidigung der Republik                         mitzuwirken.</p>
          <p rendition="#et">III.</p>
          <p>Die Sache der Ordnung und der wahren Republik triumphirt. Die Insurrektion                         nimmt ab; beträchtliche Waffenmassen sind weggenommen, überall gewinnen die                         Nationalgarde und die Armee, immer bewunderungswürdig in ihrer Einheit, an                         Terrain und räumen alle Hindernisse hinweg. Wir können es furchtlos                         versichern, das Vertrauen und die Gesellschaft sind gerettet. Von allen                         Departementen strömen brüderliche Hülfstruppen herbei, gan Frankreich hat                         nur <hi rendition="#g">Einen</hi> Herzschlag und strebt nach demselben Zweck                         &#x2012; Republik und Ordnung.</p>
          <p>&#x2012; Die &#x201E;Réforme&#x201C; erklärt in ihrer Drittheilnummer vom 25. Juni, daß sie den                         andern Tag nicht erscheinen könne. Die Setzer erklärten ihr nämlich am 25.,                         daß, da man die legalen Bestimmungen des ancien régime wegen Stempel,                         Kaution u. s. w. in Kraft setze, sie ihren Beistand für das Erscheinen des                         Blattes nicht zusagen könnten.</p>
          <p>&#x2012; Gegen 5 Uhr heute Abend sprach an der Ecke der Straßen Coquillière und J.                         J. Rousseau ein Arbeiter ruhig zu andern Bürgern desselben Stadtviertels und                         beklagte sich wegen des Mangels an Beschäftigung und des Elendes der                         Arbeiter. Die Leute welche ihn umringten, baten ihn, etwas Geduld zu haben                         und der Republik zu vertrauen. Da näherte sich der Gruppe ein wohl                         gekleideter Mann und redete den Arbeiter an, indem er ihn &#x201E;Lump&#x201C; und                         &#x201E;Kanaille&#x201C; titulirte. Zur selben Zeit versetzte er ihm einen heftigen Schlag                         auf die Schulter. Nach dieser Aeußerung des wüthenden &#x201E;Gemäßigten&#x201C;, stürzten                         sich alle Anwesenden indignirt über ihn her und brachten das so wohl                         verdiente Gesetz der Wiedervergeltung bei ihm in Anwendung. Nicht ohne daß                         Hut und Kleider Spuren davon zeigten, brachte man ihn dann nach dem ersten                         Posten der National-Garde.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar029_007" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Straßburg, 25. Juni.</head>
          <p>Aus nachfolgenden beiden Depeschen wird man wenigstens das ersehen, daß die                         jetzigen Gewalthaber in Paris am 24. morgens 9 Uhr mit ihren Streitkräften                         &#x201E;Herr aller Punkte&#x201C; sind, und daß sie 41/2 St. später trotz aller                         Verschleierungen doch gestehen müssen: &#x201E;Barrikaden sind noch vorhanden etc.,                         ja daß sie bis Straßburg hin die Nationalgarden auffordern, das Beispiel der                         Bourgeois anderer Städte nachzuahmen.</p>
          <p>Telegraphische Depesche. <hi rendition="#g">Paris,</hi> 24. Juni, 9 Uhr                         Morgens.</p>
          <p>Der Minister des Innern an den Präfekten des Niederrheins. Mehrere Häupter                         der Nationalwerkstätten haben bedenkliche Unruhen in Paris angefacht.                         Barrikaden sind errichtet worden. Die Nationalgarde, die Mobilgarde, die                         Linientruppen und die republikanische Garde haben muthig ihre Pflicht                         erfüllt. Sie sind Herr aller Punkte.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar029_008" type="jArticle">
          <head>Straßburg, 25. Juni, 11 Uhr Mittags.</head>
          <p>Telegraphische Depesche. <hi rendition="#g">Paris,</hi> 24. Juni. 11/2 Uhr                         Nachmittags.</p>
          <p>Der Chef der vollziehenden Gewalt an die Präfekten und Unterpräfekten.</p>
          <p>Durch Dekret der Nationalversammlung ist Paris in Belagerungszustand und die                         Nationalversammlung in Permanenz erklärt. Die vollziehende Gewalt ist dem                         General Cavaignac anvertraut. Die Exekutivkommission hat ihre Entlassung                         gegeben. Barrikaden sind noch vorhanden. Die Uebereinstimmung der                         Nationalgarde, der Armee und der Mobilgarde gibt die Gewißheit, daß die                         Ordnung bald hergestellt sein werde. Die Nationalgarden von mehreren Städten                         sind schon angelangt. Ihr Beispiel sollte nachgeahmt werden (doit être                         imité). Die Republik wird siegreich diesem letzten Kampfe gegen die Anarchie                         entgehen. Gez. Cavaignac.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Neueste Nachrichten.</head>
        <div xml:id="ar029_009" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Paris, 26. Juni.</head>
          <p>Morgens um zehn Uhr war die erste Barrikade der Straße du Faubourg Saint                         Antoine gegen die Bastille zu von der Artillerie zusammengeschossen. Um halb                         eilf Uhr war die zweite Barrikade von der Mobilgarde genommen. Die Truppen                         drangen in die Häuser, die Sappeurs und Pioniere brachen Löcher in die                         Brandmauern, sodaß die Soldaten von Haus zu Haus den Insurgenten in den                         Rücken kamen und oft ihre eigenen Barrikaden gegen sie benutzten.</p>
          <p>Von den 30,000 Mann der Nationalgarde des Faubourg St. Antoine standen über                         12,000 in den Reihen der Insurgenten. Offiziere der Nationalgarde, Ritter                         der Ehrenlegion, befehligten sie. Mehrere Kompagnieen der 7., 8. und 9.                         Legion Nationalgarde waren noch zuletzt zu den Insurgenten übergegangen.                         Dreimal wurde die Parole gewechselt.</p>
          <p>Um zwölf Uhr war allgemeiner Sturm des Faubourg angesagt; um halb eins                         kapitulirte ein Theil, er ergab sich unbedingt. Ein anderer kämpfte fort,                         kapitulirte aber später auch. Der letzte wüthendste Theil der Insurgenten                         zog vor die Barrieren von Charonne und Menilmontant, wo sie neue Barrikaden                         bauten und neuerdings von den Kanonen vertrieben wurden.</p>
          <p>Mitternacht. &#x2012; Der Himmel in der Richtung des Faubourg Saint Antoine steht in                         Flammen. Ein Feuersbrunst muß dort losgebrochen sein.</p>
          <p>&#x2012; Paris gleicht an vielen Orten einer bombardirten Stadt. Das Pantheon und                         die Umgegend, die ganze Straße St. Jacques, der Boulevart Beaumarchais, der                         Eingang der Straße des Faubourg St. Antoine, sind sehr beschädigt von                         Kartätschen und Kanonenkugeln. Wir werden morgen ausführliche Details                         mittheilen.</p>
          <p>&#x2012; Eine Masse Verhaftungen unter den sonderbarsten Vorwänden finden Statt. Die                         Schwester Blanqui's wurde arretirt, als sie den Insurgenten Munition bringen                         wollte. Ihr ganzes Haus war voll Munition.</p>
          <p>&#x2012; Der Redakteur en chef des Père Duchêne, Benjamin Laroche (oder Larroque)                         kommandirte die enorme Barrikade der Barrière Rochechouart, und wurde dort                         erschossen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar029_010" type="jArticle">
          <head>Marseille.</head>
          <p>Am 24. fiel hier auch ein Arbeiterstand vor. Trotz des Befehls des                         Polizeipräfekten, die Arbeit auf 10 Stunden zu beschränken, sollten die                         Arbeiter dennoch 11 Stunden fortarbeiten. Sie zogen vor das Haus des                         Präfekten, kamen in Kollision mit dem Militär, warfen Barrikaden auf und                         schlugen sich von 8 Uhr Morgens bis Nachmittags vier Uhr. Auf mehreren                         Punkten war der Kampf mörderisch; über hundert Todte oder Verwundete blieben                         auf dem Platz.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Belgien.</head>
        <div xml:id="ar029_011" type="jArticle">
          <head><bibl><author>15</author></bibl> Brüssel, 26. Juni.</head>
          <p>&#x201E;Während ganz Europa von Agitationen so tief bewegt wird, ist Belgien ruhig,                         vertrauensvoll und stark geblieben.&#x201C; Ruhig &#x2012; vertrauensvoll &#x2012; stark, so                         spricht der Löwe zu seinem Volke, es drängt ihn sein Herz auszuschütten,                         sein dankbares, stolzgeschwelltes Herz vor den Repräsentanten der Nation.                         Die Vorgänge anderer Länder haben Belgien nicht gestört, es ist <hi rendition="#g">ruhig</hi> geblieben, dafür sind ihm &#x201E;Beweise der                         Sympathie und Achtung&#x201C; zugegangen, sein <hi rendition="#g">Vertrauen</hi> ist unerschüttert; der Kreis der politischen Rechte ist erweitert worden,                         aber diese &#x201E;beträchtliche&#x201C; Erweiterung hat das Land <hi rendition="#g">stark</hi> erhalten.</p>
          <p>Um diese Stärke zu sichern, &#x201E;wird die Organisation der Bürgerwehr mit Eifer                         verfolgt; bis dahin wird die patriotische Armee in einem achtungswerthen                         Vertheidigungszustand erhalten. Die Zukunft wird die Opfer der Vergangenheit                         belohnen. Neue Kosten werden nicht nothwendig sein, wenn nicht                         unvorhergesehene Verwickelungen es unmöglich machen. Das Normalbudget der                         Ausgaben muß vermindert werden, auch diejenigen werden bei der Vertheilung                         der Ausgaben berücksichtigt, die ihren Unterhalt allein durch ihrer Hände                         Arbeit verdienen. Wir werden mit <hi rendition="#g">wahrer Sorgfalt</hi> alle Maßregeln ergreifen, die Zustände der arbeitenden Klasse zu                         erleichtern, zu verbessern. Belgien wird sich von dem weisen und sichern                         Wege, den es betreten, nicht abbringen lassen. Es hat Stehenbleiben mit                         Fortschritt, Ordnung mit Freiheit verbunden; auf diesem Wege wird es                         bleiben, wenn die Nation Glauben an sich selbst hat und einig bleibt. Unsere                         Anstrengungen werden sich wieder um das Land verdient machen.&#x201C;</p>
          <p>Wir sind stark, vertrauensvoll und ruhig, und werden uns wieder um das Land                         verdient machen, wie wir es so oft gethan. Wir ergreifen Maßregeln zur                         Erleichterung der Arbeiter, Flandern ist ruhig. Wir vermindern das                         Normalbudget, das &#x201E;Vertrauen&#x201C; der Bourgeois ist im Wachsen. Wir verbinden                         Rückschritt mit Fortschritt, Ordnung mit Freiheit; kann es eine bessere                         Garantie der &#x201E;Stärke&#x201C; geben, als diese &#x201E;Vermittelung der Extreme?&#x201C;</p>
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          <p>Seltener als je dringen jetzt von daher verläßliche Nachrichten zu uns. Am                         wenigsten finden wir in den Petersburger Blättern Aufklärung über Vorgänge                         und Zustände im Innern. Man ist in dieser Hinsicht nur auf                         Privatmittheilungen angewiesen, mögen diese auch noch so sparsam erfolgen.                         Aus solcher Quelle stammt auch die Nachricht her, daß die Städte Tula, Orel,                         Jaroslaw und viele andere Städte, besonders im Gouvernement Orel, durch                         Brandstiftung so gut wie eingeäschert sind.</p>
          <p>
            <ref type="link"> <hi rendition="#b">(Siehe den Verfolg in der                             Beilage.)</hi> </ref>
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[0139/0003] und ihr Alle, die ihr noch die Waffen gegen die Republik erhebet im Namen von allem, was verehrungswürdig, was heilig den Menschen ist, legt eure Waffen nieder. Die Nationalversammlung und die ganze Nation verlangen es. Man sagt euch, daß euch grausame Rache erwarte. Es sind eure Feinde und die unsrigen, die so sprechen. Man sagt euch, daß man euch mit kaltem Blut opfern wird. Kommt zu uns, wie reuige Brüder (man hat die reuigen Brüder füsilirt, Spießruthen laufen lassen, den Verwundeten selbst die ärztliche Pflege versagt) dem Gesetz ergeben, und die Vertheidiger der Republik werden bereit sein, euch zu empfangen. Mehre Stunden sind verstrichen seit Veröffentlichung dieser Proklamation hinter den Barrikaden und haben wir das Unglück, bis zur letzten Stunde französisches Blut vergießen zu müssen, so ist wenigstens den Forderungen der Humanität genügt worden. Suspension der Sitzung. Um 9 Uhr ist die Sitzung wieder eröffnet. Die Versammlung ist sehr zahlreich. Senard, Präsident: Die Sache der Ordnung, der Freiheit, der Republik hat triumphirt. General Lamoriciére hat endlich seine Verbindung mit dem General Duvivier bewerkstelligt und die Insurrektion existirt gegenwärtig nur noch im Fbg. St. Antoine. Alle anderen Punkte sind aufgegeben, die Insurgenten haben sich vor die Barrieren zurückgezogen und ihre Aktion erstreckt sich nur noch auf die Punkte, wo genügende Truppenmacht ihnen nicht gegenübersteht. Diese Siege sind unglücklicherweise durch die beklagenswerthesten Resultate erkauft. Mehre Mitglieder der Nationalversammlung sind gefallen, so General Nègrier, Oberst Charbonel ist verwundet worden. Unterdessen muß die Gerechtigkeit ihren Lauf haben. Ich schlage euch folgendes Dekret vor, worüber die Versammlung morgen entscheiden wird. Art. 1. Jedes Individuum, mit den Waffen in der Hand ergriffen, wird unmittelbar deportirt. Art. 2. Die exekutive Gewalt ist beauftragt, die für die Vollstreckung des gegenwärtigen Dekrets nothwendigen Maßregeln zu ergreifen. Die Sitzung wird für den andern Morgen 8 Uhr ausgesetzt. 16 Paris, 25. Juni. Die kolossale Schilderhebung des pariser Proletariats ist jetzt, 5 Uhr Abends, fast gänzlich niedergeschmettert; man kanonirt nur noch auf den Inseln St. Louis und Louviers. Es sind heute nur wenige Journale und meist nur auf halbe Blätter, erschienen. Die Börse und der Justizpallast waren bereits Samstag geschlossen, um sich gewiß bald, wohl schon morgen, in stolzester Siegesfreude zu „frischen Geschäften“ zu eröffnen. Im Faubourg St. Antoine hat man 500 Gefangene auf einmal gemacht, sie hatten die letzte Patrone verschossen und das Gebäude, das sie zu einer trefflichen Festung umgeschaffen, drohte unter den Paßkugeln der Bourgeoisie zusammenzustürzen; da erst ergaben sie sich auf Diskretion, und wurden von der Nationalgarde mit dem Geschrei: à bas les brigands de St. Antoine, weggeführt. Ganze Häuserreihen sind dort in ungeheure Kasernen verwandelt, die Wände durchbrochen, so daß die Proletarier in sechs bis acht Gebäuden kommuniciren. Barrikaden sind kunstgerecht in geringer Entfernung hinter und schräge gegeneinander erbaut, von Sandsteinklötzen, oft bis an's erste Stockwerk, mit Schießscharten für die Artillerie der Insurgenten. Andere Barrikaden sind aus dem dicksten Holz von der geschickten Hand der faubourger Zimmerleute gefertigt. Heute lieferte St. Antoine die Schlacht, gestern kämpfte St. Jacques, in der Nacht kämpfte St. Louis und Faubourg St. Denis, wo das Gefängniß für Frauenzimmer (St. Lazare) ein unbezwingliches Fort, mit trefflicher Artillerie besetzt, geworden war; man rechnet hier allein 280 Schwerverwundete auf Seiten der Bourgeoisie, Linie und Mobile, denn um die der „Emeutiers“ kümmert man sich nicht. Arbeiter, die gestern sieben Stunden im Faubourg St. Antoine gefochten, erzählten mir kuriose Züge von der „Ritterlichkeit“ und der, französischen Ehre,“ die dem National zufolge die Bourgeois an den Tag gelegt: mehrmals ist es vorgekommen, sagten sie, daß letztere, wenn sie eine Barrikade gestürmt, den Kopf eines verwundeten Proletariers mit Kolbenstößen unter dem Ruf: „ah du bist ein Demokrat?“ zerstampften. So antworten sie auf das Geschrei der Barrikadeurs: vive la république démocratique sociale! Das ist freilich auch eine Antwort. ‒ Die „Lazzaroni von Paris,“ die „alten Schlangen von 93“ und von der „tugendhaften, energischen“ Bevolkerung erwürgt. Alle citoyens bien intentionnés freuen sich. Daß die Proletarier von vorn herein den Kampf des Todes mit heroischer Verzweiflung kämpften, ist natürlich. Einige Proletarierinnen erneuten die Scenen des vorigen Jahrhunderts: mit Blousen über ihren Röcken, Beile in Händen, hieben sie den starkverwundeten Offizieren die Köpfe ab und steckten sie auf Stangen. Als dies Augenzeugen berichteten, behauptete ein deutscher Gelehrter, man solle diese „Missethäterinnen“ an einem Freiheitsbaum aufhängen; man hat sie jedoch verhaftet, um der Justiz einen ganz aparten Leckerbissen zu bereiten. C'est plus chevaleresque comme ça. Die Bourgeois erzählen ferner, im Pantheon hätten diese belagerten „Räuber“ (die wohlverstanden nichts als einige Viktualien, Munition und Leinewand zu Verbänden genommen haben) einige Soldaten der Mobilgarde gefangen und von der Gallerie in die Tiefe gestürzt, auch einen Lieutenant aufgeknüpft. (Die Bürger suchen durch dergleichen offenbare Märchen ihre Brutalitat zu beschönigen.) Mehrmals ward das Pantheon gestürmt und zuletzt drei Stunden mit Granaten beschossen; die Proletarier erwiederten gleichfalls mit Artillerie. Daß die Mobile sich theilen würde, war vorauszusehen; man sah sie gegeneinander fechten, doch siegte die Mehrzahl derselben, die es, wie die republikanische Garde, zuletzt mit der Bourgeoisie hielt. Dafür hat General Cavaignac heute früh eine Lobrede an diese „jeunes défenseurs de l'ordre“ affischiren lassen. Er unterzeichnet: Chef der Exekutivgewalt, und schwört, für die Republik sterben zu wollen. ‒ So eben beginnt die Kanonade mit erneuter Wuth; die Insurgenten sollen auf Hülfe der Kameraden aus Rouen gerechnet haben; statt deren ist aber Bourgeoisgarde von dorther nach Paris gerückt, wo die halbe Banlicue schon gestern einzog, und die Bourgeois von Amiens, Orleans und Compiegne sind seit Tagesanbruch ebenfalls hier. Das Feldgeschrei dieser verschiedenen Mannschaften ist vive la république, oder vive Paris, oder vive la ligne; von Bonaparte und Henri V. wird nichts vernommen, bis jetzt wenigstens. Die Stadt ist von der in Permanenz sitzenden Versammlung in Belagerungszustand erklärt; man wird buchstäblich an jeder Straßenecke von den Nationalgardisten angehalten, und manchmal eskortirt; auch untersuchen sie Männer, Frauen und Kinder mitunter, seitdem sie Mädchen arretirt, welche Kartuschen in Körben und in Broden trugen. Gegen Blousenleute sind sie völlig unerbittlich; jeder wird durchsucht, manchmal ohne ernsten Anlaß arretirt und dann erst nach Ausstellung eines moralisch-politischen Sanitätsattestes Seitens des Polizeikommissärs entlassen. Ein junger Blousenmann rauchte in einem Tabaksladen und sagte halblaut zu mir: er ennuyire sich über all dieses Zeug, zumal das Volk nachher doch wieder ohne Arbeit sein werde; ein wohlgenährter uniformirter Bourgeois, der sich seine Pfeife anzündete, hörte es und rief: „Bürger, nehmen Sie ein Gewehr und kommen Sie mit uns.“ Der Blousenmann lachte und rief: „Dadurch kriege ich aber weder Arbeit noch Brod.“ „Später,“ entgegnete der Bourgeois knurrend; „jawohl später, wenn's zu spät ist,“ erwiederte der Proletarier, nickte mir zu und ging nach einer andern Seite. Nichts ärgert die uniformirten Nationalgardisten mehr als wenn sie in ihren Reihen keine nicht-uniformirten in diesen Schreckenstagen finden. Die Wagencirculation existirt auch heute nicht. Ein Theil des Generalstabs hat auf Bombardiren des Faubourgs St. Antoine gedrungen, doch weigerte sich Cavaignac mit den Worten: il ne faut pas tuer les brebis ensemble avec les boucs. Seine Artillerie hat ohnehin sehr viele Häuser zertrümmert, z. B. das große Kleidermagazin la belle jardinière am Blumenmarkt, wo vier Stunden Bresche geschossen, und ein mächtiger Munitionsvorrath entdeckt wurde, der im Keller bis zur Conciergerie sich erstreckte. Il faut en finir avec les brigands, dies ist das Stichwort in jeder Konversation; man grüßt nicht die Bahre, auf der ein „brigand“ vorbeigetragen wird, aber vor der Nationalgardistenbahre wird präsentirt und chapeau bas gerufen, und wer nicht den Hut zieht, wird hart zurechtgewiesen. Gestern sah ich zwei Bataillonchefs auf den Tod verwundet tragen; eine Frau sah ganz ruhig zu, doch als sie die Epaulette bemerkt, schluchzte sie und war ausser sich, daß ein Offizier supérieur sogar von den Voleurs getroffen sei. Die verdammten Voleurs! … Voleurs, brigands, fainéants: das sind die drei brüderlichen Titel womit jetzt eine hohe und niedere Bourgeoisie die Proletarier zu bezeichnen beliebt, aus deren Schweiß sie ihre „ewige“ Rente, ihre Aktien, ihre Fonds de Bourse bezieht. „Nieder mit den Dieben“, schrien die hungrigen Arbeiter des Faubourg St. Antoine im Juni 1847 den Karossen zu, worin die philippistischen Bourgeois und Adligen nach dem berüchtigten Waldfeste in Vincennes rollten, wo Monseigneur Montpensier in einem Nachtball dreihunderttausen Franken verjubelte; à bas les voleurs schreit jetzt dieselbe Bourgeoisie und kärtätscht diese aimabeln Faubourger, deren „Tugend“ noch im Februar sehr hoch von ihr angeschlagen worden. Es wird in der That allgemein verbreitet, die Insurgenten hätten „nur plündern, morden und sich besaufen“ gewollt; die Proklamationen des chevaleresken Maire von Paris und des trefflichen Hrn. Senard (des Heros der Massakern von Rouen und jetzigen Präsidenten der Assemblée) sprechen dies frech genug aus; die des letztern weiß auch das Wörtchen „Kommunismus“ fein hineinzumischen. Die Assemblée hat die Hinterbliebenen der Bourgeoiskämpfer an Kindesstatt angenommen, und eine Proklamation in die Barrikaden der St. Antoiner zu werfen gewußt; diese sind, wie es heißt, uneinig geworden. Vierzigtausend Mann Linie sind zu der frühern Garnison gestoßen; Klubs und Journale werden jetzt wohl militärisch „geregelt“ werden, à a Thiers. Als Beweis der Bourgeoisgesinnung der medizinischen Studenten diene, daß kein Einziger sich freiwillig zum Verbinden der Blessirten zu den Insurgenten begeben; einige sind von den letztern gefangen und zu diesem Geschäft genöthigt worden. „Lieber wollte ich mich gänzlich massakriren lassen“, gestikulirte ein junger französischer Arzt, als ich ihm dieses erzählt… ‒ Die Bourgeois illuminiren heute Abend. ‒ „In Erwägung des von der Versammlung gefaßten Beschlusses, einige ihrer Mitglieder damit zu beauftragen, in ihrem Gesammtnamen zu interveniren in den Pariser Wirren, erlassen wir Unterzeichneten, die wir gegen den Belagerungszustand votirt haben, folgende Erklärung Wenn wir bezeichnet sind, werden wir uns mit Enthusiasmus an die Stellen begeben, wo der Kampf am heftigsten ist; aber nur, um Worte des Friedens dahin zu tragen, überzeugt, daß das Mittel zur Wiederherstellung der Ordnung und zur Rettung der Republik die Erinnerung an die Devise ist, welche auf der republikanischen Fahne eingeschrieben steht und die Anrufung des Gefühls der Fraternité (Brüderlichkeit). Den 24. Juni 1848, 10 Uhr Morgens. Gezeichnet haben: Greppo, Louis Blanc, Th. Bac, Caussidière, Lagrange, Menand, Clément, Durand-Savoyat, Mathieu, Brives, Charbonnel, Pierre Lerroux, Bertholon, Doutre, Felix Pyat. Pégot-Ogier, Buvignier, Bruys, Proudhon, Ferrouillat, Mulé senior, Lafoud, Babaud-Laribière, Pelletier, Lamennais, Vignerte, James Demontry, Chanay, Ronjat, Signard, Pleignard, Walferdin, Chauffour, Gambon, Detours, Labrousse. Martin-Rey, Jondeau, Weiterkan, Chollat, Astaix, Deville, Renouvier, Condou, Renaud, Petitjean, Fargin-Fayolle, Mathieu, Alean, Bertrand, Lasteyras, P. Lefranc, Maire. Picard, Pascal, Azerm, Guitter, Henri Didier, Xavier Durrieu, Germain Sarrut, Auguste Mie, J. Chauffour, Koenig, Ives, P. Joigneaux, Mathé, Baune, Fleury, Madet, Benoist, Eugène Raspail, Cazelles, Frichon aÎné, Considérant, Michot, Boutet, Démosthène Ollivier, Ch. Robert. ‒ Cavaignac hat am 25. Juni folgende Proklamationen erlassen: I. Französische Republik. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. (?) Die exekutive Gewalt Nach Einsicht des Dekrets der Nationalversammlung vom heutigen Datum, das Paris in Belagerungszustand erklärt: In Kraft der uns durch dasselbe Dekret übertragenen Vollmacht, beschließen wir, erster Kommandant der in der Hauptstadt befindlichen Streitkräfte: Art. 1. Alle Maueranschläge, die politische Gegenstände behandeln und nicht von den Behörden herrühren, sind verboten bis zur Wiederherstellung der öffentlichen Ruhe. Art. 2. Alle Civil- und Militär-Autoritäten werden zur Vollstreckung gegenwärtigen Dekrets ihren Beistand leisten. II. Der Chef der exekutiven Gewalt beschließt: Die Maires der verschiedenen Arrondissements von Paris werden jeden Nationalgardisten entwaffnen, der ohne legitimes Motiv bei den Appells fehlt, die gemacht werden, um zur Vertheidigung der Republik mitzuwirken. III. Die Sache der Ordnung und der wahren Republik triumphirt. Die Insurrektion nimmt ab; beträchtliche Waffenmassen sind weggenommen, überall gewinnen die Nationalgarde und die Armee, immer bewunderungswürdig in ihrer Einheit, an Terrain und räumen alle Hindernisse hinweg. Wir können es furchtlos versichern, das Vertrauen und die Gesellschaft sind gerettet. Von allen Departementen strömen brüderliche Hülfstruppen herbei, gan Frankreich hat nur Einen Herzschlag und strebt nach demselben Zweck ‒ Republik und Ordnung. ‒ Die „Réforme“ erklärt in ihrer Drittheilnummer vom 25. Juni, daß sie den andern Tag nicht erscheinen könne. Die Setzer erklärten ihr nämlich am 25., daß, da man die legalen Bestimmungen des ancien régime wegen Stempel, Kaution u. s. w. in Kraft setze, sie ihren Beistand für das Erscheinen des Blattes nicht zusagen könnten. ‒ Gegen 5 Uhr heute Abend sprach an der Ecke der Straßen Coquillière und J. J. Rousseau ein Arbeiter ruhig zu andern Bürgern desselben Stadtviertels und beklagte sich wegen des Mangels an Beschäftigung und des Elendes der Arbeiter. Die Leute welche ihn umringten, baten ihn, etwas Geduld zu haben und der Republik zu vertrauen. Da näherte sich der Gruppe ein wohl gekleideter Mann und redete den Arbeiter an, indem er ihn „Lump“ und „Kanaille“ titulirte. Zur selben Zeit versetzte er ihm einen heftigen Schlag auf die Schulter. Nach dieser Aeußerung des wüthenden „Gemäßigten“, stürzten sich alle Anwesenden indignirt über ihn her und brachten das so wohl verdiente Gesetz der Wiedervergeltung bei ihm in Anwendung. Nicht ohne daß Hut und Kleider Spuren davon zeigten, brachte man ihn dann nach dem ersten Posten der National-Garde. * Straßburg, 25. Juni. Aus nachfolgenden beiden Depeschen wird man wenigstens das ersehen, daß die jetzigen Gewalthaber in Paris am 24. morgens 9 Uhr mit ihren Streitkräften „Herr aller Punkte“ sind, und daß sie 41/2 St. später trotz aller Verschleierungen doch gestehen müssen: „Barrikaden sind noch vorhanden etc., ja daß sie bis Straßburg hin die Nationalgarden auffordern, das Beispiel der Bourgeois anderer Städte nachzuahmen. Telegraphische Depesche. Paris, 24. Juni, 9 Uhr Morgens. Der Minister des Innern an den Präfekten des Niederrheins. Mehrere Häupter der Nationalwerkstätten haben bedenkliche Unruhen in Paris angefacht. Barrikaden sind errichtet worden. Die Nationalgarde, die Mobilgarde, die Linientruppen und die republikanische Garde haben muthig ihre Pflicht erfüllt. Sie sind Herr aller Punkte. Straßburg, 25. Juni, 11 Uhr Mittags. Telegraphische Depesche. Paris, 24. Juni. 11/2 Uhr Nachmittags. Der Chef der vollziehenden Gewalt an die Präfekten und Unterpräfekten. Durch Dekret der Nationalversammlung ist Paris in Belagerungszustand und die Nationalversammlung in Permanenz erklärt. Die vollziehende Gewalt ist dem General Cavaignac anvertraut. Die Exekutivkommission hat ihre Entlassung gegeben. Barrikaden sind noch vorhanden. Die Uebereinstimmung der Nationalgarde, der Armee und der Mobilgarde gibt die Gewißheit, daß die Ordnung bald hergestellt sein werde. Die Nationalgarden von mehreren Städten sind schon angelangt. Ihr Beispiel sollte nachgeahmt werden (doit être imité). Die Republik wird siegreich diesem letzten Kampfe gegen die Anarchie entgehen. Gez. Cavaignac. Neueste Nachrichten. * Paris, 26. Juni. Morgens um zehn Uhr war die erste Barrikade der Straße du Faubourg Saint Antoine gegen die Bastille zu von der Artillerie zusammengeschossen. Um halb eilf Uhr war die zweite Barrikade von der Mobilgarde genommen. Die Truppen drangen in die Häuser, die Sappeurs und Pioniere brachen Löcher in die Brandmauern, sodaß die Soldaten von Haus zu Haus den Insurgenten in den Rücken kamen und oft ihre eigenen Barrikaden gegen sie benutzten. Von den 30,000 Mann der Nationalgarde des Faubourg St. Antoine standen über 12,000 in den Reihen der Insurgenten. Offiziere der Nationalgarde, Ritter der Ehrenlegion, befehligten sie. Mehrere Kompagnieen der 7., 8. und 9. Legion Nationalgarde waren noch zuletzt zu den Insurgenten übergegangen. Dreimal wurde die Parole gewechselt. Um zwölf Uhr war allgemeiner Sturm des Faubourg angesagt; um halb eins kapitulirte ein Theil, er ergab sich unbedingt. Ein anderer kämpfte fort, kapitulirte aber später auch. Der letzte wüthendste Theil der Insurgenten zog vor die Barrieren von Charonne und Menilmontant, wo sie neue Barrikaden bauten und neuerdings von den Kanonen vertrieben wurden. Mitternacht. ‒ Der Himmel in der Richtung des Faubourg Saint Antoine steht in Flammen. Ein Feuersbrunst muß dort losgebrochen sein. ‒ Paris gleicht an vielen Orten einer bombardirten Stadt. Das Pantheon und die Umgegend, die ganze Straße St. Jacques, der Boulevart Beaumarchais, der Eingang der Straße des Faubourg St. Antoine, sind sehr beschädigt von Kartätschen und Kanonenkugeln. Wir werden morgen ausführliche Details mittheilen. ‒ Eine Masse Verhaftungen unter den sonderbarsten Vorwänden finden Statt. Die Schwester Blanqui's wurde arretirt, als sie den Insurgenten Munition bringen wollte. Ihr ganzes Haus war voll Munition. ‒ Der Redakteur en chef des Père Duchêne, Benjamin Laroche (oder Larroque) kommandirte die enorme Barrikade der Barrière Rochechouart, und wurde dort erschossen. Marseille. Am 24. fiel hier auch ein Arbeiterstand vor. Trotz des Befehls des Polizeipräfekten, die Arbeit auf 10 Stunden zu beschränken, sollten die Arbeiter dennoch 11 Stunden fortarbeiten. Sie zogen vor das Haus des Präfekten, kamen in Kollision mit dem Militär, warfen Barrikaden auf und schlugen sich von 8 Uhr Morgens bis Nachmittags vier Uhr. Auf mehreren Punkten war der Kampf mörderisch; über hundert Todte oder Verwundete blieben auf dem Platz. Belgien. 15 Brüssel, 26. Juni. „Während ganz Europa von Agitationen so tief bewegt wird, ist Belgien ruhig, vertrauensvoll und stark geblieben.“ Ruhig ‒ vertrauensvoll ‒ stark, so spricht der Löwe zu seinem Volke, es drängt ihn sein Herz auszuschütten, sein dankbares, stolzgeschwelltes Herz vor den Repräsentanten der Nation. Die Vorgänge anderer Länder haben Belgien nicht gestört, es ist ruhig geblieben, dafür sind ihm „Beweise der Sympathie und Achtung“ zugegangen, sein Vertrauen ist unerschüttert; der Kreis der politischen Rechte ist erweitert worden, aber diese „beträchtliche“ Erweiterung hat das Land stark erhalten. Um diese Stärke zu sichern, „wird die Organisation der Bürgerwehr mit Eifer verfolgt; bis dahin wird die patriotische Armee in einem achtungswerthen Vertheidigungszustand erhalten. Die Zukunft wird die Opfer der Vergangenheit belohnen. Neue Kosten werden nicht nothwendig sein, wenn nicht unvorhergesehene Verwickelungen es unmöglich machen. Das Normalbudget der Ausgaben muß vermindert werden, auch diejenigen werden bei der Vertheilung der Ausgaben berücksichtigt, die ihren Unterhalt allein durch ihrer Hände Arbeit verdienen. Wir werden mit wahrer Sorgfalt alle Maßregeln ergreifen, die Zustände der arbeitenden Klasse zu erleichtern, zu verbessern. Belgien wird sich von dem weisen und sichern Wege, den es betreten, nicht abbringen lassen. Es hat Stehenbleiben mit Fortschritt, Ordnung mit Freiheit verbunden; auf diesem Wege wird es bleiben, wenn die Nation Glauben an sich selbst hat und einig bleibt. Unsere Anstrengungen werden sich wieder um das Land verdient machen.“ Wir sind stark, vertrauensvoll und ruhig, und werden uns wieder um das Land verdient machen, wie wir es so oft gethan. Wir ergreifen Maßregeln zur Erleichterung der Arbeiter, Flandern ist ruhig. Wir vermindern das Normalbudget, das „Vertrauen“ der Bourgeois ist im Wachsen. Wir verbinden Rückschritt mit Fortschritt, Ordnung mit Freiheit; kann es eine bessere Garantie der „Stärke“ geben, als diese „Vermittelung der Extreme?“ Rußland. * Seltener als je dringen jetzt von daher verläßliche Nachrichten zu uns. Am wenigsten finden wir in den Petersburger Blättern Aufklärung über Vorgänge und Zustände im Innern. Man ist in dieser Hinsicht nur auf Privatmittheilungen angewiesen, mögen diese auch noch so sparsam erfolgen. Aus solcher Quelle stammt auch die Nachricht her, daß die Städte Tula, Orel, Jaroslaw und viele andere Städte, besonders im Gouvernement Orel, durch Brandstiftung so gut wie eingeäschert sind. (Siehe den Verfolg in der Beilage.)

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 29. Köln, 29. Juni 1848, S. 0139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz029_1848/3>, abgerufen am 23.11.2024.