Neue Rheinische Zeitung. Nr. 30. Köln, 30. Juni 1848.scenen, deren Zeuge Herr Payer (Deputirter) war während der 12 Stunden, wo die Insurgenten ihn gefangen hielten, erzählt er Thatsachen, die beweisen, daß die große Mehrzahl der Kämpfer Arbeiter waren, in Verzweiflung gestürzt durch das Elend, das sie seit 4 Monaten erdrückte. Sie antworteten denen, welche sie fragten, warum sie sich schlügen: Besser an einer Kugel sterben, als am Hunger. Als man ihnen zu trinken anbot, wollte keiner Wein nehmen, ohne ihn vorher mit Wasser vermischt zu haben. Sie schlugen sich und starben, ohne einen Schrei auszustoßen. - Seit heute früh beginnt die Vertheilung der Unterstützungsgelder an die Bedürftigsten. Man entsinnt sich daß die Nationalversammlung von gestern 3,000,000 Franken dafür votirte. Die Noth ist fürchterlich. - Im Laufe der vorigen Nacht wurden etwa 2000 Gefangene in Omnibuswagen, unter starkem Kavalleriegeleit, aus den Stadtgefängnissen in die Kasematten von Vincennes und der übrigen Außenwerke geschafft. - Noch läßt sich die Zahl der Gefallenen, Verwundeten, Ersäuften, Verbrannten, Massakrirten, kurz aller Verlorenen nicht genau bestimmen. Man schätzte sie gestern Abend auf 10 bis 11,000. Außer den Spitälern sind mehrere Kirchen und Privatgebäude der Pflege der Verwundeten gewidmet. Die Frauenwelt sitzt vor den Hausthüren und zupft Charpie. Wehmüthiger Anblick! - Der Erzbischof von Paris ist gestorben. Die Kugel, die ihn hinter den Barrikaden erreichte, hatte das Rückenmark verletzt und jede Rettung war unmöglich. - Die Gesammtzahl der gefangenen Insurgenten wird von Einigen auf 4 bis 5000 geschätzt. - Der zur Untersuchung der Ereignisse des 23., 24., 25. und 26. Juni dekretirte Ausschuß besteht aus meist der Majorität angehörenden Gliedern. Odilon-Barrot ist Präsident, Woirhaye Vicepräsident, Waldeck-Rousseau und Landrin Sekretäre. - Die Journale: 1. La Presse, 2. La Revolution, 3. L'assemblee nationale, 4. La Vraie Republique, 5. L'Organisation du travail, 6. Le Napoleon republicain, 7. L'aimable faubourien ou le Journal de la Canaille, 8. Le Lampion, 9. La Liberte, 10) Le Pere Duchene und 11. le Pilori sind bis auf Weiteres unterdrückt und ihre Pressen versiegelt. Auch der Proudhonsche Representant du peuple ist nicht erschienen. Indessen kommt das wohl nur daher, daß er in derselben Offizin mit "La Presse" gedruckt wurde. Ein Verbot ist gegen ihn nicht erlassen. - Lalanne, der neue Direktor der Nationalwerkstätten (Schwager des Staatsbautenministers Trelat) ist als der Begünstigung der Insurrektion verdächtig arretirt worden. - Deflotte, der bekannte Marine-Offizier und Mitredakteur der Democratie pacifique ist ebenfalls verhaftet. - Emil de Girardin, Redakteur der Presse, sitzt in der Conciergerie im strengsten Verhaft. Selbst seine Frau, die bekannte Delphine Gay, darf nicht ihm mit korrespondiren. - Um Mitternacht fand noch eine lebhafte Füsillade in der Nähe der Tuilerien und des Palais National statt. Der Pere la Chaise ist noch von den Insurgenten besetzt. Heute war keine Börse. - Proklamation Cavaignac's. An die Bürgerwehr und Armee. Bürger, Soldaten! Die geheiligte Sache der Republik hat triumphirt. Eure Hingebung, Euer unerschütterlicher Muth haben sträfliche Pläne vereitelt, verhängnißvolle Irrthümer gerichtet. Im Namen des Vaterlandes, im Namen der ganzen Menschheit seid bedankt für Eure Anstrengungen, seid gesegnet für diesen nothwendigen Triumph. Diesen Morgen noch war die Aufregung des Kampfs legitim, unvermeidlich. Jetzt aber seid eben so groß in der Ruhe als Ihr es so eben im Kampfe gewesen. In Paris sehe ich Sieger, Besiegte; möge mein Name verflucht bleiben, wenn ich einwilligte, dort Opfer zu sehen. Die Gerechtigkeit wird ihren Lauf haben; möge sie handeln. Das ist Euer Gedanke, das ist der meinige. Bereit, wieder in den Rang eines einfachen Bürgers zurückzukehren, nehme ich in Eure Mitte das bürgerliche Bewußtsein zurück, in diesen Tagen schwerer Prüfungen die Freiheit nur insoweit beschränkt zu haben, als das Heil der Republik dies selbst verlangte, und demjenigen ein Beispiel geliefert zu haben, der einmal berufen sein könnte, seinerseits ebenso ernste Pflichten zu erfüllen. Paris, 26. Juni Abends 1848. (gez.) E. Cavaignac. - Der General-Prokurator der Republik beim Appellhof von Paris hat an den Polizeipräfekten Trouve-Chauvel drei Depeschen gerichtet, alle drei vom 24. Juni, worin er auf frühere Gesetze zurückgeht, deren Ausübung bisher wohl vernachläßigt worden, die aber nicht aufgehört hätten in Kraft zu sein. In der ersten Depesche verweist er auf das Gesetz vom 10. Dezember 1830, Art. 1. "Keine Schrift, sei es Hand- oder Druckschrift, Stich oder Lithographie, welche politische Nachrichten enthält oder von politischen Gegenständen handelt, darf auf Straßen, Plätzen oder andern öffentlichen Orten angeschlagen werden. Ausgenommen von dieser Bestimmung sind die Erlasse der öffentlichen Gewalt." Die zweite Depesche bringt den Art. 1 des Ges. v. 16. Febr. 1834 in Erinnerung: "Niemand darf auch nur temporär das Geschäft eines öffentlichen Ausrufers, Verkäufers oder Vertheilers von Schriften, Zeichnungen oder Darstellungen in Druck, Lithographie, Autographie, Holzschnitt, Stich oder Manuscript ausüben, ohne obrigkeitliche Erlaubniß. Diese Erlaubniß kann zurückgenommen werden. Die vorstehenden Bestimmungen sind auf die Straßensänger anwendbar. Beide Gesetze sollen jetzt wieder pünktlich in Vollzug gesetzt werden und der Polizeipräfekt wird aufgefordert, alle Uebertretungen derselben Behufs der gerichtlichen Verfolgung genau konstatiren zu lassen." - Die dritte Depesche lautet im Wesentlichen: "Die Gesetzgebung über die Presse und Journale, deren Ausübung um der Freiheit willen hat vernachlässigt werden können, die den Bürgern in jüngster Zeit zu den allgemeinen Wahlen gelassen war, hat nicht aufgehört in Kraft zu sein. Wollen Sie den Druckern der Stadt Paris und des zur Polizeipräfektur gehörigen Gebietes bekannt machen, daß ich die Vollziehung aller Bestimmungen dieser Gesetze der öffentlichen Ordnung genau überwachen werde. Ich fordere Sie auf, eine wirksame Aufsicht über die Druckereien ausüben zu lassen." Die Drucker werden dann hingewiesen auf das Gesetz v. 24. Oktober 1814, welches ihr Gewerbe im Allgemeinen betrifft, auf die Vorschriften übee Affischen, Stempel und Farbe des Papiers; dann rücksichtlich der periodischen Presse auf das Gesetz vom 18. Juli 1828 über die Geranten der Zeitungen. Endlich wird ihnen die Pflicht eingeschärft, zumal in schwierigen Zeiten, von dem Inhalt dessen, was sie drucken, Kenntniß zu nehmen und keine Schriften zu drucken, die Aufreizungen zu Verbrechen oder Vergehen, zum Ungehorsam gegen die Gesetze oder sonst irgend welcher Uebertretung enthalten. Den Zuwiderhandelnden wird mit dem Gesetze v. 17. Mai 1819 und allen andern gedroht, die Repressivvorschriften enthalten. - Man schätzt die Stärke der verschiedenen Truppenabtheilungen aus den Departements, die sich heute im Laufe des Tages zur Nationalversammlung begeben haben, um sich zu ihrer Disposition zu stellen, auf mehr als 10,000 Mann. 2000 Mann Nationalgarde sind allein von Orleans und Tours gekommen. Viele darunter waren nicht einmal bewaffnet. - Folgender Aufruf war Sonntag im Faubourg St. Antoine von den Insurgenten angeschlagen: "Zu den Waffen! Wir wollen die demokratische und sociale Republik! Wir wollen die Souverainität des Volkes! Alle Bürger der Republik dürfen und können nichts Anderes wollen. Um diese Republik zu vertheidigen, bedarf es des Zusammenwirkens Aller. Die zahlreichen Demokraten, welche diese Nothwendigkeit begriffen haben, stehen schon seit zwei Tagen auf der Straße. Diese heilige Sache hat schon viele Opfer gekostet; wir sind alle entschlossen, diese edeln Märtyrer zu rächen oder zu sterben. Auf Bürger! daß kein einziger von uns diesem Aufruf nicht entspreche! Indem wir die Republik vertheidigen, vertheidigen wir das Eigenthum. Wenn eine blinde Widerspenstigkeit Euch gleichgültig ließe gegen all das vergossene Blut, so werden wir Alle sterben unter dem Brandschutt des Faubourg St. Antoine. Denket an eure Weiber, an eure Kinder und ihr werdet zu uns kommen!" 7Paris, 27. Juni. Man sagt, daß so eben Ordre abgegangen ist, eine Fregatte und zwei Corvetten auszurüsten, um die gefangenen Insurgenten zu deportiren. - Man liest oben im Journal "Le peuple constituant" vom 26. und 27. Juni: "Wir offenherzige Republikaner, die nicht so glücklich sind, als die Herrn vom Constitutionel, den Debats u. s. w., wir haben gestern nicht erscheinen können, da die neue Gewalt unsre Pressen unter Siegel gestellt hat. Wir versuchen heute, eine Schuldigkeit gegen unsere Abonnenten zu erfüllen, wir stehen aber nicht für morgen. - Die Freilassung Girardin's unter Stellung einer Kaution ist verweigert worden. - Die Boulevards zwischen der Porte St. Denis bis zur Bastille hin (begriffen in der Abtheilung Lamoriciere) bilden in diesem Augenblicke noch ein wahres Lager von zwei Stunden Ausdehnung. Die Pferde der Cavalerie, der Curassiere, Ulanen und Dragoner stehen angebunden. Zu beiden Seiten der Straße liegt Stroh hingestreut, worauf die Soldaten ausruhen. Allenthalben sind Schenken errichtet. - Keine einzige Schlacht unter Napoleon hat so viele Generale geraubt, als die Begebenheiten der vier letzten Tage. - Die Börse war einige Augenblicke lang geöffnet. Geschäfte wurden keine gemacht. Die Börse soll so lange geschlossen bleiben, als der Belagerungszustand dauert. - Man hat die Gewißheit, daß 7 bis 8000 Insurgenten sich in den Wald von Vincennes geflüchtet haben, wo sie mit einem ungemeinen Eifer und Energie verfolgt werden Es ist wahrscheinlich, daß in Folge der getroffenen Maßregeln man nicht zögern wird, sie wie Wild einzufangen. - Man liest im Peuple Constituant von Lamennais: "Die Schlacht ist aus, das Faubourg St. Antoine hat kapitulirt und verlangt, daß der General Cavaignac die Kapitulation selbst unterzeichne. "Der Kampf war riesenhaft; von beiden Seiten gleicher Muth, gleiche heroische Wunder! und über diesen Heroismus kann das Vaterland nur weinen. Was könnte nicht Alles eine Regierung mit einem solchen Volke machen, wenn in dieser Regierung die Seele des Volkes athmete! Der Belagerungszustand dauert fort, und mit ihm die Aufhebung aller Gesetze. Man begreift also, daß man sich lediglich am bloßen Erzählen halten muß. Es ist zu hoffen, daß die Presse bald wieder zu ihren Rechten kommen und der Gedanke aufhören wird, vom fremden, eigenmächtigen Willen abzuhängen. - Man liest in demselben Journale: Strenge Geschichtsschreiber, werden wir mäßig sein mit unserm Lobe auf die Sieger; die Besiegten sind ihre Brüder, deren Muth immerhin geachtet und sichergestellt werden muß vor den schmählichsten Verläumdungen, in dem Falle selbst, wo sie eine gerechte Strafe verdient hätten. Auf beiden Seiten hat der Tod schrecklich gemäht, und der Parteigeist ist erloschen vor Gott: Lebende, thut ein Gleiches. - Der Korrespondent des "London Telegraph" behauptet, daß 500 Insurgenten, die sich im Clos St. Lazare ergaben, Sonntag Abend und 400 andere Montag früh erschossen wurden. Deutschland.
* Köln, 29. Juni. Gestern fand hier ein unbedeutender Krawall vor dem Hause des Hrn. Camphausen Statt. * Berlin, 27. Juni. Seit dem 25. heißt die Versammlung der "Vereinbarer" "National-Versammlung". Siehe Erlaß, de dato Sanssouci 25. Juni, unter Minister Nro. 2, Hansemann kontrasignirt. - Sitzung der Vereinb.-Versammlung vom 27. Juni. - Vizepräsident Waldeck führt das Präsidium. - Das Protokoll wird verlesen und Temme vermißt in demselben, daß das Ministerium aus der nochmaligen Verweisung des Adreßentwurfs in die Kommission eine Kabinetsfrage gemacht habe. Es ist das ein Ereigniß, welches die wichtigsten Folgen haben kann. Wenn diese Folgen eintreten und das Land will mit Gewißheit von dem Ursprung derselben unterrichtet sein, so können wir nicht einmal durch das geführte Protokoll, den richtigen Thatbestand nachweisen. Der Sekretär Schneider bemerkt, daß man schon früher in einem ähnlichen Falle bei der Adreßfrage bestimmt habe, daß es im Protokoll nicht aufzunehmen sei, ob das Ministerium eine Kabinetsfrage aufgeworfen habe oder nicht. Nachdem noch Ritz und Riedel gesprochen haben, entscheidet sich die Versammlung für die Nichterwähnung. - Wencelius hat den Antrag eingereicht, die Einberufung des Abgeordneten Valdenaire aus Trier zu veranlassen, oder dessen Angelegenheit nach Maßgabe des Gesetzes wegen Unverletzlichkeit der Abgeordneten vor der hohen Versammlung zur Entscheidung zu bringen. Der Antrag wird in die Abtheilungen verwiesen, nachdem er große Unterstützung gefunden hatte. - Auf Loes Antrag beschließt man, sofort zur Präsidentenwahl überzugehen. Nachdem sich die Versammlung zuerst gegen den Antrag ausgesprochen, daß zur Konstatirung der Zahl der Abstimmenden der Namensaufruf stattfinden solle, beschließt sie jedoch, nachdem eine wirklich anarchische Scene vorgefallen war, indem der Abgeordnete Moritz sich eigenmächtig das Wort genommen hatte, fest an der Geschäftsordnung zu halten und den Namensaufruf bei Abgabe der Stimmzettel stattfinden zu lassen. - Die Versammlung, die sehr unruhig geworden war, beruhigt sich endlich und man übergiebt nach namentlichem die Aufruf Stimmzettel. Das Scrutinium ergiebt folgendes Resultat: Grabow mit 238 Stimmen wird als Präsident proklamirt. Nächst ihm hatten die meisten Stimmen: Waldeck 110. Kirchmann 25. Riedel 2. Uhlich 2. Camphausen 1. Philipps 1. v. Unruh 1. Rosch 1. Funke 1. Fretzdorff 1. Die Zahl der Abstimmenden war demnach 383. Absolute Majorität: 192. Hierauf richtete Grabow einige Worte des Dankes an die Versammlung: "er werde das Vertrauen, welches er in keiner Weise verdient habe, durch Unpartheilichkeit sich zu erwerben suchen." - Grabow ist der Kandidat der ministeriellen Majorität und gehört dem linken Centrum an. Waldeck und Kirchmann erhielten ihre Stimmen von der Linken. - Nachdem um 3 Uhr die Stimmzettel für die zu wählenden Vicepräsidenten abgegeben, wurde die Sitzung bis 5 Uhr vertagt; während dieser Zeit wurden jedoch die Stimmzettel von den Sekretären geordnet; um 5 Uhr wurde folgendes Resultat proklamirt: Zahl der Abstimmenden 369. Absolute Majorität: 185. Es erhielten Stimmen: Kirchmann 223, Rosch 206, Jonas, geh. Revisionsrath 203, Waldeck 163, Philipps 145, Joh. Jacoby 104, Bauer 84, Baumstark 63 und mehrere Andere. Da nur die Abgeordneten Kirchmann Rosch und geh. Revisionsrath Jonas die absolute Majorität hatten, so muß wegen den vierten Vice-Präsident nochmals abgestimmt werden. Dem Geschäftsreglement nach kamen Waldeck und Philipps auf die engere Wahl. Die gewählten Vicepräsidenten dankten der Versammlung für das ihnen geschenkte Vertrauen. Hierauf werden die Stimmzettel für den vierten Vicepräsidenten und für die acht Sekretäre zugleich eingesammelt und das Sekretariat bleibt zusammen, um noch heute Abend das Skrutinium zu vollenden, damit beim Beginn der morgenden Sitzung das Resultat verlesen werden kann. Königsberg, 23. Juni. In einem Briefe aus Riga berichtet man uns, unter Angabe frappanter Einzelnheiten, über bedeutende Excesse, die in Petersburg vorgefallen wären. Es gelang der Behörde, sie in kurzer Zeit zu unterdrücken, doch sollen "einige hundert" Personen dabei umgekommen sein. Da wir nicht wissen, wiefern der Bericht Glauben verdient, enthalten wir uns der Mittheilung der Details. (Königsb. Z.)* München, 24. Juni. Die Regierung hat in ihren großen Geldklemme die Bureaukratie, das Heer und den Klerus mit einer freiwilligen Zwangsanleihe belegt. Prag, 21. Juni. Die Augsb. A. Ztg. berichtet von hier, daß auch in Brünn ein Aufruhr bewältigt worden. General Graf Schlick soll dort der rettende Engel gewesen sein. Viele Prager Studenten wurden gefangen oder getödtet. Natürlich verfehlt die Ausburger nicht zu bemerken, daß der ganze Aufstand von der hiesigen Parthei organisirt und geleitet gewesen; sie fügt hinzu, daß auch in Olenitz Prager Emissäre gefangen genommen worden. Wien, 23. Juni. Sicherem Vernehmen nach wird die Truppenzahl in der Umgegend von Wien bedeutend verstärkt. Ein Jägerbataillon und ein Cavallerieregiment sind vorläufig in der Gegen von Pötzleinsdorf cantonnirt und andere Truppen sollen noch nachfolgen. Die Wahlen haben auch bei uns Umtriebe aller Art in Bewegung gesetzt. Ueber das Resultat derselben läßt sich vorläufig nichts bestimmtes sagen. (A. A. Z.)* Frankfurt. Sitzung der Nationalversammlung vom 27. Juni. Fortsetzung der Berathung über die provisorische Centralgewalt. Nach Verwerfung des Art. 2 Lit. d. (s. d. gestr. Nr. der Neuen Rhein. Ztg.) wird Art. 3: "Die Errichtung des Verfassungswerkes bleibt von der Wirksamkeit der Centralgewalt ausgeschlossen" durch einfache Abstimmung angenommen. Art. 4. "Ueber Krieg und Frieden, und über Verträge mit auswärtigen Mächten beschließt die Centralgewalt im Einverständniß mit der Nationalversammlung." Einfache Abstimmung durch Aufstehen und Sitzenbleiben. Der Präsident verkündigt, daß die Majorität den Artikel angenommen habe; aber die Ritter der Rechten behaupten, die Frage schlecht verstanden zu haben und nach heftigen Debatten wird in einer neuen Abstimmung durch Namensaufruf der Artikel nochmals, und zwar mit 408 gegen 143 Stimmen angenommen. Art. 5. "Die provisorische Centralgewalt wird einem Präsidenten übertragen." Abstimmung durch Namensaufruf: der Artikel wird von der Majorität (der ganzen Rechten, und mehr als zwei Drittheilen der Centren) mit 355 gegen 171 Stimmen verworfen; dagegen der zweite Antrag: die Uebertragung an einen "Reichsverweser" angenommen. Art. 6. "Derselbe wird von der Nationalversammlung gewählt." Mit 403 gegen 135 Stimmen angenommen. (Stürmischer Beifall der Galerien.) Der edle Würth giebt eine Erklärung der Rechten zu Protokoll, daß sie dem Beschluß blos unter der Voraussetzung beigestimmt habe, daß die einzelnen Regierungen ihre Genehmigung gäben. Schluß der Sitzung. Sitzung vom 28. Juni. Fortsetzung der Berathung über die provisorische Centralgewalt. Art. 9. "Der Reichsverweser übt seine Gewalt durch von ihm ernannte, der Nationalversammlung verantwortliche Minister aus. Alle Anordnungen desselben bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung wenigstens eines verantwortlichen Ministers." Fast einstimmig angenommen. Der Art. 10 ("wegen Verbrechen, in und außer dem Amte begangen, ist der Reichsverweser der Anklage durch die Nationalversammlung und der gerichtlichen Bestrafung unterworfen,") fällt aus, da die Linke aus Höflichkeit freiwillig darauf verzichtet hat. Dafür wird nun Art. 11. "Der Reichsverweser ist unverantwortlich", mit 373 gegen 175 angenommen. (Große Unruhe auf den Galerien.) Art. 12 fällt aus. Die ferneren Art. 12, 13, 14, 15 und 16 über die Stellung der verantwortlichen Minister und des straflosen Reichsverwesers zu der Versammlung, werden durch einfache Abstimmung angenommen. Art. 18. "Mit dem Eintritt der Wirksamkeit der provisorischen Centralgewalt hört das Bestehen des Bundestags auf." Abstimmung durch Namensaufruf: Der Art. wird mit 510 gegen 35 Stimmen (worunter Welcker) angenommen. Art. 19 (jetzt 14) und Art 20 (jetzt 15) welche bestimmen, daß die Centralgewalt so viel als thunlich sich mit den Einzelregierungen in Einklang zu setzen habe, und daß ihre Thätigkeit mit Vollendung des Verfassungswerkes aufhöre, werden in einfacher Abstimmung angenommen. Es wird sodann der ganze Entwurf zur Abstimmung gebracht, und das Gesetz mit 45" Stimmen (der ganzen Rechten und beiden Centren) gegen 100 angenommen. Herr v. Radowitz gibt eine Erklärung der Rechten zu Protokoll, daß sie dem Beschluß nur unter Zustimmung der Regierungen beigetreten. Die Linke dagegen läßt durch den Abgeordneten Jordan die Erklärung verlesen und zu Protokoll nehmen: Sie hätten gegen das ganze Gesetz gestimmt, in der festen Ueberzeugung, daß die Aufstellung eines unverantwortlichen Reichsverwesers mit dem so oft ausgesprochenen Grundsatz der Volkssouveränität unvereinbar und nur geeignet sei, die Revolution zu verlängern. Die nächste Sitzung wird auf morgen 12 Uhr bestimmt, und die "Wahl des Reichsverwesers" auf die Tagesordnung gestellt. Großbritannien.
London, 27. Juni. Im Oberhause machte Earl Grey gestern eine Motion in Betreff einiger, die Westindischen Kolonieen angehenden Papiere. - Im Unterhause kam derselbe Gegenstand zur Sprache indem Hr. Hawes sich gegen die Beschuldigung Lord George Beutincks, dieselben zurückgehalten zu haben, vertheidigte. Nachdem dieser Gegenstand geledigt war ging man zu der vertagten Debatte der Zuckergesetze über, an der Hr. G. Thompson, Bernal und Sir James Graham Theil nahmen indem letzterer die Propositionen des Gouvernements kräftig in Schutz nahm. Die weitere Diskussion wurde denn auf Donnerstag verschoben.- Wie man hört, hat Sir Robert Peel eine längere Rede wegen der Zuckergesetze vorbereitet, in der er seine bisherige Handlungsweise zu vertheidigen gedenkt. Wie bei jeder größern Debatte wird er erst gegen den Schluß damit herausrücken. - - Die Nachricht, daß die Pariser Insurrektion ihr Ende erreicht habe, brachte einen günstigen Eindruck in der City hervor. - Konsols, 3 Uhr. 83 1/2 a 3/4. Holland.
40Amsterdam, 27. Juni. Das komische Land Holland befindet sich noch immer in seiner Althergebrachten Ruhe. Wir essen noch dieselben großen Käse wie vor der Revolution, wir trinken unsern verfälschten Bordeaux noch aus denselben ehrwürdigen Flaschen wie damals. Unsre Waisenkinder sind noch immer halb schwarz und halb roth gekleidet, unsre Truppen tragen noch immer blaue Hosen zur Hebung der Indigo-Kolonien; unsre Fischweiber schreien noch gerade wie früher, unsre irdnen Pfeifen dampfen und duften so lieblich wie jemals und die holländisch Nation ist noch immer "die moralste Natie." Bei uns kein Kampf und kein Sieg, bei uns keine Barrikaden und Kartätschen, bei uns weder Marseilläse noch Shrapnells, bei uns weder Na- scenen, deren Zeuge Herr Payer (Deputirter) war während der 12 Stunden, wo die Insurgenten ihn gefangen hielten, erzählt er Thatsachen, die beweisen, daß die große Mehrzahl der Kämpfer Arbeiter waren, in Verzweiflung gestürzt durch das Elend, das sie seit 4 Monaten erdrückte. Sie antworteten denen, welche sie fragten, warum sie sich schlügen: Besser an einer Kugel sterben, als am Hunger. Als man ihnen zu trinken anbot, wollte keiner Wein nehmen, ohne ihn vorher mit Wasser vermischt zu haben. Sie schlugen sich und starben, ohne einen Schrei auszustoßen. ‒ Seit heute früh beginnt die Vertheilung der Unterstützungsgelder an die Bedürftigsten. Man entsinnt sich daß die Nationalversammlung von gestern 3,000,000 Franken dafür votirte. Die Noth ist fürchterlich. ‒ Im Laufe der vorigen Nacht wurden etwa 2000 Gefangene in Omnibuswagen, unter starkem Kavalleriegeleit, aus den Stadtgefängnissen in die Kasematten von Vincennes und der übrigen Außenwerke geschafft. ‒ Noch läßt sich die Zahl der Gefallenen, Verwundeten, Ersäuften, Verbrannten, Massakrirten, kurz aller Verlorenen nicht genau bestimmen. Man schätzte sie gestern Abend auf 10 bis 11,000. Außer den Spitälern sind mehrere Kirchen und Privatgebäude der Pflege der Verwundeten gewidmet. Die Frauenwelt sitzt vor den Hausthüren und zupft Charpie. Wehmüthiger Anblick! ‒ Der Erzbischof von Paris ist gestorben. Die Kugel, die ihn hinter den Barrikaden erreichte, hatte das Rückenmark verletzt und jede Rettung war unmöglich. ‒ Die Gesammtzahl der gefangenen Insurgenten wird von Einigen auf 4 bis 5000 geschätzt. ‒ Der zur Untersuchung der Ereignisse des 23., 24., 25. und 26. Juni dekretirte Ausschuß besteht aus meist der Majorität angehörenden Gliedern. Odilon-Barrot ist Präsident, Woirhaye Vicepräsident, Waldeck-Rousseau und Landrin Sekretäre. ‒ Die Journale: 1. La Presse, 2. La Révolution, 3. L'assemblée nationale, 4. La Vraie République, 5. L'Organisation du travail, 6. Le Napoléon républicain, 7. L'aimable faubourien ou le Journal de la Canaille, 8. Le Lampion, 9. La Liberté, 10) Le Père Duchène und 11. le Pilori sind bis auf Weiteres unterdrückt und ihre Pressen versiegelt. Auch der Proudhonsche Représentant du peuple ist nicht erschienen. Indessen kommt das wohl nur daher, daß er in derselben Offizin mit „La Presse“ gedruckt wurde. Ein Verbot ist gegen ihn nicht erlassen. ‒ Lalanne, der neue Direktor der Nationalwerkstätten (Schwager des Staatsbautenministers Trèlat) ist als der Begünstigung der Insurrektion verdächtig arretirt worden. ‒ Deflotte, der bekannte Marine-Offizier und Mitredakteur der Democratie pacifique ist ebenfalls verhaftet. ‒ Emil de Girardin, Redakteur der Presse, sitzt in der Conciergerie im strengsten Verhaft. Selbst seine Frau, die bekannte Delphine Gay, darf nicht ihm mit korrespondiren. ‒ Um Mitternacht fand noch eine lebhafte Füsillade in der Nähe der Tuilerien und des Palais National statt. Der Père la Chaise ist noch von den Insurgenten besetzt. Heute war keine Börse. ‒ Proklamation Cavaignac's. An die Bürgerwehr und Armee. Bürger, Soldaten! Die geheiligte Sache der Republik hat triumphirt. Eure Hingebung, Euer unerschütterlicher Muth haben sträfliche Pläne vereitelt, verhängnißvolle Irrthümer gerichtet. Im Namen des Vaterlandes, im Namen der ganzen Menschheit seid bedankt für Eure Anstrengungen, seid gesegnet für diesen nothwendigen Triumph. Diesen Morgen noch war die Aufregung des Kampfs legitim, unvermeidlich. Jetzt aber seid eben so groß in der Ruhe als Ihr es so eben im Kampfe gewesen. In Paris sehe ich Sieger, Besiegte; möge mein Name verflucht bleiben, wenn ich einwilligte, dort Opfer zu sehen. Die Gerechtigkeit wird ihren Lauf haben; möge sie handeln. Das ist Euer Gedanke, das ist der meinige. Bereit, wieder in den Rang eines einfachen Bürgers zurückzukehren, nehme ich in Eure Mitte das bürgerliche Bewußtsein zurück, in diesen Tagen schwerer Prüfungen die Freiheit nur insoweit beschränkt zu haben, als das Heil der Republik dies selbst verlangte, und demjenigen ein Beispiel geliefert zu haben, der einmal berufen sein könnte, seinerseits ebenso ernste Pflichten zu erfüllen. Paris, 26. Juni Abends 1848. (gez.) E. Cavaignac. ‒ Der General-Prokurator der Republik beim Appellhof von Paris hat an den Polizeipräfekten Trouvé-Chauvel drei Depeschen gerichtet, alle drei vom 24. Juni, worin er auf frühere Gesetze zurückgeht, deren Ausübung bisher wohl vernachläßigt worden, die aber nicht aufgehört hätten in Kraft zu sein. In der ersten Depesche verweist er auf das Gesetz vom 10. Dezember 1830, Art. 1. „Keine Schrift, sei es Hand- oder Druckschrift, Stich oder Lithographie, welche politische Nachrichten enthält oder von politischen Gegenständen handelt, darf auf Straßen, Plätzen oder andern öffentlichen Orten angeschlagen werden. Ausgenommen von dieser Bestimmung sind die Erlasse der öffentlichen Gewalt.“ Die zweite Depesche bringt den Art. 1 des Ges. v. 16. Febr. 1834 in Erinnerung: „Niemand darf auch nur temporär das Geschäft eines öffentlichen Ausrufers, Verkäufers oder Vertheilers von Schriften, Zeichnungen oder Darstellungen in Druck, Lithographie, Autographie, Holzschnitt, Stich oder Manuscript ausüben, ohne obrigkeitliche Erlaubniß. Diese Erlaubniß kann zurückgenommen werden. Die vorstehenden Bestimmungen sind auf die Straßensänger anwendbar. Beide Gesetze sollen jetzt wieder pünktlich in Vollzug gesetzt werden und der Polizeipräfekt wird aufgefordert, alle Uebertretungen derselben Behufs der gerichtlichen Verfolgung genau konstatiren zu lassen.“ ‒ Die dritte Depesche lautet im Wesentlichen: „Die Gesetzgebung über die Presse und Journale, deren Ausübung um der Freiheit willen hat vernachlässigt werden können, die den Bürgern in jüngster Zeit zu den allgemeinen Wahlen gelassen war, hat nicht aufgehört in Kraft zu sein. Wollen Sie den Druckern der Stadt Paris und des zur Polizeipräfektur gehörigen Gebietes bekannt machen, daß ich die Vollziehung aller Bestimmungen dieser Gesetze der öffentlichen Ordnung genau überwachen werde. Ich fordere Sie auf, eine wirksame Aufsicht über die Druckereien ausüben zu lassen.“ Die Drucker werden dann hingewiesen auf das Gesetz v. 24. Oktober 1814, welches ihr Gewerbe im Allgemeinen betrifft, auf die Vorschriften übee Affischen, Stempel und Farbe des Papiers; dann rücksichtlich der periodischen Presse auf das Gesetz vom 18. Juli 1828 über die Geranten der Zeitungen. Endlich wird ihnen die Pflicht eingeschärft, zumal in schwierigen Zeiten, von dem Inhalt dessen, was sie drucken, Kenntniß zu nehmen und keine Schriften zu drucken, die Aufreizungen zu Verbrechen oder Vergehen, zum Ungehorsam gegen die Gesetze oder sonst irgend welcher Uebertretung enthalten. Den Zuwiderhandelnden wird mit dem Gesetze v. 17. Mai 1819 und allen andern gedroht, die Repressivvorschriften enthalten. ‒ Man schätzt die Stärke der verschiedenen Truppenabtheilungen aus den Departements, die sich heute im Laufe des Tages zur Nationalversammlung begeben haben, um sich zu ihrer Disposition zu stellen, auf mehr als 10,000 Mann. 2000 Mann Nationalgarde sind allein von Orleans und Tours gekommen. Viele darunter waren nicht einmal bewaffnet. ‒ Folgender Aufruf war Sonntag im Faubourg St. Antoine von den Insurgenten angeschlagen: „Zu den Waffen! Wir wollen die demokratische und sociale Republik! Wir wollen die Souverainität des Volkes! Alle Bürger der Republik dürfen und können nichts Anderes wollen. Um diese Republik zu vertheidigen, bedarf es des Zusammenwirkens Aller. Die zahlreichen Demokraten, welche diese Nothwendigkeit begriffen haben, stehen schon seit zwei Tagen auf der Straße. Diese heilige Sache hat schon viele Opfer gekostet; wir sind alle entschlossen, diese edeln Märtyrer zu rächen oder zu sterben. Auf Bürger! daß kein einziger von uns diesem Aufruf nicht entspreche! Indem wir die Republik vertheidigen, vertheidigen wir das Eigenthum. Wenn eine blinde Widerspenstigkeit Euch gleichgültig ließe gegen all das vergossene Blut, so werden wir Alle sterben unter dem Brandschutt des Faubourg St. Antoine. Denket an eure Weiber, an eure Kinder und ihr werdet zu uns kommen!“ 7Paris, 27. Juni. Man sagt, daß so eben Ordre abgegangen ist, eine Fregatte und zwei Corvetten auszurüsten, um die gefangenen Insurgenten zu deportiren. ‒ Man liest oben im Journal „Le peuple constituant“ vom 26. und 27. Juni: „Wir offenherzige Republikaner, die nicht so glücklich sind, als die Herrn vom Constitutionel, den Débats u. s. w., wir haben gestern nicht erscheinen können, da die neue Gewalt unsre Pressen unter Siegel gestellt hat. Wir versuchen heute, eine Schuldigkeit gegen unsere Abonnenten zu erfüllen, wir stehen aber nicht für morgen. ‒ Die Freilassung Girardin's unter Stellung einer Kaution ist verweigert worden. ‒ Die Boulevards zwischen der Porte St. Denis bis zur Bastille hin (begriffen in der Abtheilung Lamoriciére) bilden in diesem Augenblicke noch ein wahres Lager von zwei Stunden Ausdehnung. Die Pferde der Cavalerie, der Curassiere, Ulanen und Dragoner stehen angebunden. Zu beiden Seiten der Straße liegt Stroh hingestreut, worauf die Soldaten ausruhen. Allenthalben sind Schenken errichtet. ‒ Keine einzige Schlacht unter Napoleon hat so viele Generale geraubt, als die Begebenheiten der vier letzten Tage. ‒ Die Börse war einige Augenblicke lang geöffnet. Geschäfte wurden keine gemacht. Die Börse soll so lange geschlossen bleiben, als der Belagerungszustand dauert. ‒ Man hat die Gewißheit, daß 7 bis 8000 Insurgenten sich in den Wald von Vincennes geflüchtet haben, wo sie mit einem ungemeinen Eifer und Energie verfolgt werden Es ist wahrscheinlich, daß in Folge der getroffenen Maßregeln man nicht zögern wird, sie wie Wild einzufangen. ‒ Man liest im Peuple Constituant von Lamennais: „Die Schlacht ist aus, das Faubourg St. Antoine hat kapitulirt und verlangt, daß der General Cavaignac die Kapitulation selbst unterzeichne. „Der Kampf war riesenhaft; von beiden Seiten gleicher Muth, gleiche heroische Wunder! und über diesen Heroismus kann das Vaterland nur weinen. Was könnte nicht Alles eine Regierung mit einem solchen Volke machen, wenn in dieser Regierung die Seele des Volkes athmete! Der Belagerungszustand dauert fort, und mit ihm die Aufhebung aller Gesetze. Man begreift also, daß man sich lediglich am bloßen Erzählen halten muß. Es ist zu hoffen, daß die Presse bald wieder zu ihren Rechten kommen und der Gedanke aufhören wird, vom fremden, eigenmächtigen Willen abzuhängen. ‒ Man liest in demselben Journale: Strenge Geschichtsschreiber, werden wir mäßig sein mit unserm Lobe auf die Sieger; die Besiegten sind ihre Brüder, deren Muth immerhin geachtet und sichergestellt werden muß vor den schmählichsten Verläumdungen, in dem Falle selbst, wo sie eine gerechte Strafe verdient hätten. Auf beiden Seiten hat der Tod schrecklich gemäht, und der Parteigeist ist erloschen vor Gott: Lebende, thut ein Gleiches. ‒ Der Korrespondent des „London Telegraph“ behauptet, daß 500 Insurgenten, die sich im Clos St. Lazare ergaben, Sonntag Abend und 400 andere Montag früh erschossen wurden. Deutschland.
* Köln, 29. Juni. Gestern fand hier ein unbedeutender Krawall vor dem Hause des Hrn. Camphausen Statt. * Berlin, 27. Juni. Seit dem 25. heißt die Versammlung der „Vereinbarer“ „National-Versammlung“. Siehe Erlaß, de dato Sanssouci 25. Juni, unter Minister Nro. 2, Hansemann kontrasignirt. ‒ Sitzung der Vereinb.-Versammlung vom 27. Juni. ‒ Vizepräsident Waldeck führt das Präsidium. ‒ Das Protokoll wird verlesen und Temme vermißt in demselben, daß das Ministerium aus der nochmaligen Verweisung des Adreßentwurfs in die Kommission eine Kabinetsfrage gemacht habe. Es ist das ein Ereigniß, welches die wichtigsten Folgen haben kann. Wenn diese Folgen eintreten und das Land will mit Gewißheit von dem Ursprung derselben unterrichtet sein, so können wir nicht einmal durch das geführte Protokoll, den richtigen Thatbestand nachweisen. Der Sekretär Schneider bemerkt, daß man schon früher in einem ähnlichen Falle bei der Adreßfrage bestimmt habe, daß es im Protokoll nicht aufzunehmen sei, ob das Ministerium eine Kabinetsfrage aufgeworfen habe oder nicht. Nachdem noch Ritz und Riedel gesprochen haben, entscheidet sich die Versammlung für die Nichterwähnung. ‒ Wencelius hat den Antrag eingereicht, die Einberufung des Abgeordneten Valdenaire aus Trier zu veranlassen, oder dessen Angelegenheit nach Maßgabe des Gesetzes wegen Unverletzlichkeit der Abgeordneten vor der hohen Versammlung zur Entscheidung zu bringen. Der Antrag wird in die Abtheilungen verwiesen, nachdem er große Unterstützung gefunden hatte. ‒ Auf Loës Antrag beschließt man, sofort zur Präsidentenwahl überzugehen. Nachdem sich die Versammlung zuerst gegen den Antrag ausgesprochen, daß zur Konstatirung der Zahl der Abstimmenden der Namensaufruf stattfinden solle, beschließt sie jedoch, nachdem eine wirklich anarchische Scene vorgefallen war, indem der Abgeordnete Moritz sich eigenmächtig das Wort genommen hatte, fest an der Geschäftsordnung zu halten und den Namensaufruf bei Abgabe der Stimmzettel stattfinden zu lassen. ‒ Die Versammlung, die sehr unruhig geworden war, beruhigt sich endlich und man übergiebt nach namentlichem die Aufruf Stimmzettel. Das Scrutinium ergiebt folgendes Resultat: Grabow mit 238 Stimmen wird als Präsident proklamirt. Nächst ihm hatten die meisten Stimmen: Waldeck 110. Kirchmann 25. Riedel 2. Uhlich 2. Camphausen 1. Philipps 1. v. Unruh 1. Rosch 1. Funke 1. Fretzdorff 1. Die Zahl der Abstimmenden war demnach 383. Absolute Majorität: 192. Hierauf richtete Grabow einige Worte des Dankes an die Versammlung: „er werde das Vertrauen, welches er in keiner Weise verdient habe, durch Unpartheilichkeit sich zu erwerben suchen.“ ‒ Grabow ist der Kandidat der ministeriellen Majorität und gehört dem linken Centrum an. Waldeck und Kirchmann erhielten ihre Stimmen von der Linken. ‒ Nachdem um 3 Uhr die Stimmzettel für die zu wählenden Vicepräsidenten abgegeben, wurde die Sitzung bis 5 Uhr vertagt; während dieser Zeit wurden jedoch die Stimmzettel von den Sekretären geordnet; um 5 Uhr wurde folgendes Resultat proklamirt: Zahl der Abstimmenden 369. Absolute Majorität: 185. Es erhielten Stimmen: Kirchmann 223, Rosch 206, Jonas, geh. Revisionsrath 203, Waldeck 163, Philipps 145, Joh. Jacoby 104, Bauer 84, Baumstark 63 und mehrere Andere. Da nur die Abgeordneten Kirchmann Rosch und geh. Revisionsrath Jonas die absolute Majorität hatten, so muß wegen den vierten Vice-Präsident nochmals abgestimmt werden. Dem Geschäftsreglement nach kamen Waldeck und Philipps auf die engere Wahl. Die gewählten Vicepräsidenten dankten der Versammlung für das ihnen geschenkte Vertrauen. Hierauf werden die Stimmzettel für den vierten Vicepräsidenten und für die acht Sekretäre zugleich eingesammelt und das Sekretariat bleibt zusammen, um noch heute Abend das Skrutinium zu vollenden, damit beim Beginn der morgenden Sitzung das Resultat verlesen werden kann. Königsberg, 23. Juni. In einem Briefe aus Riga berichtet man uns, unter Angabe frappanter Einzelnheiten, über bedeutende Excesse, die in Petersburg vorgefallen wären. Es gelang der Behörde, sie in kurzer Zeit zu unterdrücken, doch sollen „einige hundert“ Personen dabei umgekommen sein. Da wir nicht wissen, wiefern der Bericht Glauben verdient, enthalten wir uns der Mittheilung der Details. (Königsb. Z.)* München, 24. Juni. Die Regierung hat in ihren großen Geldklemme die Bureaukratie, das Heer und den Klerus mit einer freiwilligen Zwangsanleihe belegt. Prag, 21. Juni. Die Augsb. A. Ztg. berichtet von hier, daß auch in Brünn ein Aufruhr bewältigt worden. General Graf Schlick soll dort der rettende Engel gewesen sein. Viele Prager Studenten wurden gefangen oder getödtet. Natürlich verfehlt die Ausburger nicht zu bemerken, daß der ganze Aufstand von der hiesigen Parthei organisirt und geleitet gewesen; sie fügt hinzu, daß auch in Olenitz Prager Emissäre gefangen genommen worden. Wien, 23. Juni. Sicherem Vernehmen nach wird die Truppenzahl in der Umgegend von Wien bedeutend verstärkt. Ein Jägerbataillon und ein Cavallerieregiment sind vorläufig in der Gegen von Pötzleinsdorf cantonnirt und andere Truppen sollen noch nachfolgen. Die Wahlen haben auch bei uns Umtriebe aller Art in Bewegung gesetzt. Ueber das Resultat derselben läßt sich vorläufig nichts bestimmtes sagen. (A. A. Z.)* Frankfurt. Sitzung der Nationalversammlung vom 27. Juni. Fortsetzung der Berathung über die provisorische Centralgewalt. Nach Verwerfung des Art. 2 Lit. d. (s. d. gestr. Nr. der Neuen Rhein. Ztg.) wird Art. 3: „Die Errichtung des Verfassungswerkes bleibt von der Wirksamkeit der Centralgewalt ausgeschlossen“ durch einfache Abstimmung angenommen. Art. 4. „Ueber Krieg und Frieden, und über Verträge mit auswärtigen Mächten beschließt die Centralgewalt im Einverständniß mit der Nationalversammlung.“ Einfache Abstimmung durch Aufstehen und Sitzenbleiben. Der Präsident verkündigt, daß die Majorität den Artikel angenommen habe; aber die Ritter der Rechten behaupten, die Frage schlecht verstanden zu haben und nach heftigen Debatten wird in einer neuen Abstimmung durch Namensaufruf der Artikel nochmals, und zwar mit 408 gegen 143 Stimmen angenommen. Art. 5. „Die provisorische Centralgewalt wird einem Präsidenten übertragen.“ Abstimmung durch Namensaufruf: der Artikel wird von der Majorität (der ganzen Rechten, und mehr als zwei Drittheilen der Centren) mit 355 gegen 171 Stimmen verworfen; dagegen der zweite Antrag: die Uebertragung an einen „Reichsverweser“ angenommen. Art. 6. „Derselbe wird von der Nationalversammlung gewählt.“ Mit 403 gegen 135 Stimmen angenommen. (Stürmischer Beifall der Galerien.) Der edle Würth giebt eine Erklärung der Rechten zu Protokoll, daß sie dem Beschluß blos unter der Voraussetzung beigestimmt habe, daß die einzelnen Regierungen ihre Genehmigung gäben. Schluß der Sitzung. Sitzung vom 28. Juni. Fortsetzung der Berathung über die provisorische Centralgewalt. Art. 9. „Der Reichsverweser übt seine Gewalt durch von ihm ernannte, der Nationalversammlung verantwortliche Minister aus. Alle Anordnungen desselben bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung wenigstens eines verantwortlichen Ministers.“ Fast einstimmig angenommen. Der Art. 10 („wegen Verbrechen, in und außer dem Amte begangen, ist der Reichsverweser der Anklage durch die Nationalversammlung und der gerichtlichen Bestrafung unterworfen,“) fällt aus, da die Linke aus Höflichkeit freiwillig darauf verzichtet hat. Dafür wird nun Art. 11. „Der Reichsverweser ist unverantwortlich“, mit 373 gegen 175 angenommen. (Große Unruhe auf den Galerien.) Art. 12 fällt aus. Die ferneren Art. 12, 13, 14, 15 und 16 über die Stellung der verantwortlichen Minister und des straflosen Reichsverwesers zu der Versammlung, werden durch einfache Abstimmung angenommen. Art. 18. „Mit dem Eintritt der Wirksamkeit der provisorischen Centralgewalt hört das Bestehen des Bundestags auf.“ Abstimmung durch Namensaufruf: Der Art. wird mit 510 gegen 35 Stimmen (worunter Welcker) angenommen. Art. 19 (jetzt 14) und Art 20 (jetzt 15) welche bestimmen, daß die Centralgewalt so viel als thunlich sich mit den Einzelregierungen in Einklang zu setzen habe, und daß ihre Thätigkeit mit Vollendung des Verfassungswerkes aufhöre, werden in einfacher Abstimmung angenommen. Es wird sodann der ganze Entwurf zur Abstimmung gebracht, und das Gesetz mit 45„ Stimmen (der ganzen Rechten und beiden Centren) gegen 100 angenommen. Herr v. Radowitz gibt eine Erklärung der Rechten zu Protokoll, daß sie dem Beschluß nur unter Zustimmung der Regierungen beigetreten. Die Linke dagegen läßt durch den Abgeordneten Jordan die Erklärung verlesen und zu Protokoll nehmen: Sie hätten gegen das ganze Gesetz gestimmt, in der festen Ueberzeugung, daß die Aufstellung eines unverantwortlichen Reichsverwesers mit dem so oft ausgesprochenen Grundsatz der Volkssouveränität unvereinbar und nur geeignet sei, die Revolution zu verlängern. Die nächste Sitzung wird auf morgen 12 Uhr bestimmt, und die „Wahl des Reichsverwesers“ auf die Tagesordnung gestellt. Großbritannien.
London, 27. Juni. Im Oberhause machte Earl Grey gestern eine Motion in Betreff einiger, die Westindischen Kolonieen angehenden Papiere. ‒ Im Unterhause kam derselbe Gegenstand zur Sprache indem Hr. Hawes sich gegen die Beschuldigung Lord George Beutincks, dieselben zurückgehalten zu haben, vertheidigte. Nachdem dieser Gegenstand geledigt war ging man zu der vertagten Debatte der Zuckergesetze über, an der Hr. G. Thompson, Bernal und Sir James Graham Theil nahmen indem letzterer die Propositionen des Gouvernements kräftig in Schutz nahm. Die weitere Diskussion wurde denn auf Donnerstag verschoben.‒ Wie man hört, hat Sir Robert Peel eine längere Rede wegen der Zuckergesetze vorbereitet, in der er seine bisherige Handlungsweise zu vertheidigen gedenkt. Wie bei jeder größern Debatte wird er erst gegen den Schluß damit herausrücken. ‒ ‒ Die Nachricht, daß die Pariser Insurrektion ihr Ende erreicht habe, brachte einen günstigen Eindruck in der City hervor. ‒ Konsols, 3 Uhr. 83 1/2 à 3/4. Holland.
40Amsterdam, 27. Juni. Das komische Land Holland befindet sich noch immer in seiner Althergebrachten Ruhe. Wir essen noch dieselben großen Käse wie vor der Revolution, wir trinken unsern verfälschten Bordeaux noch aus denselben ehrwürdigen Flaschen wie damals. Unsre Waisenkinder sind noch immer halb schwarz und halb roth gekleidet, unsre Truppen tragen noch immer blaue Hosen zur Hebung der Indigo-Kolonien; unsre Fischweiber schreien noch gerade wie früher, unsre irdnen Pfeifen dampfen und duften so lieblich wie jemals und die holländisch Nation ist noch immer „die moralste Natie.“ Bei uns kein Kampf und kein Sieg, bei uns keine Barrikaden und Kartätschen, bei uns weder Marseilläse noch Shrapnells, bei uns weder Na- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar030_006" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0003" n="0145"/> scenen, deren Zeuge Herr <hi rendition="#g">Payer</hi> (Deputirter) war während der 12 Stunden, wo die Insurgenten ihn gefangen hielten, erzählt er Thatsachen, die beweisen, daß <hi rendition="#g">die große Mehrzahl der Kämpfer Arbeiter waren, in Verzweiflung gestürzt durch das Elend, das sie seit 4 Monaten erdrückte.</hi> Sie antworteten denen, welche sie fragten, warum sie sich schlügen: <hi rendition="#g">Besser an einer Kugel sterben, als am Hunger.</hi> Als man ihnen zu trinken anbot, wollte keiner Wein nehmen, ohne ihn vorher mit Wasser vermischt zu haben. Sie schlugen sich und starben, ohne einen Schrei auszustoßen.</p> <bibl>(la Réforme.)</bibl> <p>‒ Seit heute früh beginnt die Vertheilung der Unterstützungsgelder an die Bedürftigsten. Man entsinnt sich daß die Nationalversammlung von gestern 3,000,000 Franken dafür votirte. Die Noth ist fürchterlich.</p> <p>‒ Im Laufe der vorigen Nacht wurden etwa 2000 Gefangene in Omnibuswagen, unter starkem Kavalleriegeleit, aus den Stadtgefängnissen in die Kasematten von Vincennes und der übrigen Außenwerke geschafft.</p> <p>‒ Noch läßt sich die Zahl der Gefallenen, Verwundeten, Ersäuften, Verbrannten, Massakrirten, kurz aller Verlorenen nicht genau bestimmen. Man schätzte sie gestern Abend auf 10 bis 11,000. Außer den Spitälern sind mehrere Kirchen und Privatgebäude der Pflege der Verwundeten gewidmet. Die Frauenwelt sitzt vor den Hausthüren und zupft Charpie. Wehmüthiger Anblick!</p> <p>‒ Der Erzbischof von Paris ist gestorben. Die Kugel, die ihn hinter den Barrikaden erreichte, hatte das Rückenmark verletzt und jede Rettung war unmöglich.</p> <p>‒ Die Gesammtzahl der gefangenen Insurgenten wird von Einigen auf 4 bis 5000 geschätzt.</p> <p>‒ Der zur Untersuchung der Ereignisse des 23., 24., 25. und 26. Juni dekretirte Ausschuß besteht aus meist der Majorität angehörenden Gliedern. Odilon-Barrot ist Präsident, Woirhaye Vicepräsident, Waldeck-Rousseau und Landrin Sekretäre.</p> <p>‒ Die Journale: 1. La Presse, 2. La Révolution, 3. L'assemblée nationale, 4. La Vraie République, 5. L'Organisation du travail, 6. Le Napoléon républicain, 7. L'aimable faubourien ou le Journal de la Canaille, 8. Le Lampion, 9. La Liberté, 10) Le Père Duchène und 11. le Pilori sind bis auf Weiteres unterdrückt und ihre Pressen versiegelt. Auch der Proudhonsche Représentant du peuple ist nicht erschienen. Indessen kommt das wohl nur daher, daß er in derselben Offizin mit „La Presse“ gedruckt wurde. Ein Verbot ist gegen ihn nicht erlassen.</p> <p>‒ Lalanne, der neue Direktor der Nationalwerkstätten (Schwager des Staatsbautenministers Trèlat) ist als der Begünstigung der Insurrektion verdächtig arretirt worden.</p> <p>‒ Deflotte, der bekannte Marine-Offizier und Mitredakteur der Democratie pacifique ist ebenfalls verhaftet.</p> <p>‒ Emil de Girardin, Redakteur der Presse, sitzt in der Conciergerie im strengsten Verhaft. Selbst seine Frau, die bekannte Delphine Gay, darf nicht ihm mit korrespondiren.</p> <p>‒ Um Mitternacht fand noch eine lebhafte Füsillade in der Nähe der Tuilerien und des Palais National statt. Der Père la Chaise ist noch von den Insurgenten besetzt. Heute war keine Börse.</p> <p>‒ <hi rendition="#g">Proklamation Cavaignac's.</hi> An die Bürgerwehr und Armee. Bürger, Soldaten! Die geheiligte Sache der Republik hat triumphirt. Eure Hingebung, Euer unerschütterlicher Muth haben sträfliche Pläne vereitelt, verhängnißvolle Irrthümer gerichtet. Im Namen des Vaterlandes, im Namen der ganzen Menschheit seid bedankt für Eure Anstrengungen, seid gesegnet für diesen nothwendigen Triumph. Diesen Morgen noch war die Aufregung des Kampfs legitim, unvermeidlich. Jetzt aber seid eben so groß in der Ruhe als Ihr es so eben im Kampfe gewesen. In Paris sehe ich Sieger, Besiegte; möge mein Name verflucht bleiben, wenn ich einwilligte, dort Opfer zu sehen. Die Gerechtigkeit wird ihren Lauf haben; möge sie handeln. Das ist Euer Gedanke, das ist der meinige. Bereit, wieder in den Rang eines einfachen Bürgers zurückzukehren, nehme ich in Eure Mitte das bürgerliche Bewußtsein zurück, in diesen Tagen schwerer Prüfungen die Freiheit nur insoweit beschränkt zu haben, als das Heil der Republik dies selbst verlangte, und demjenigen ein Beispiel geliefert zu haben, der einmal berufen sein könnte, seinerseits ebenso ernste Pflichten zu erfüllen. Paris, 26. Juni Abends 1848. (gez.) E. <hi rendition="#g">Cavaignac.</hi></p> </div> <div xml:id="ar030_007" type="jArticle"> <p>‒ Der General-Prokurator der Republik beim Appellhof von Paris hat an den Polizeipräfekten Trouvé-Chauvel drei Depeschen gerichtet, alle drei vom 24. Juni, worin er auf frühere Gesetze zurückgeht, deren Ausübung bisher wohl vernachläßigt worden, die aber nicht aufgehört hätten in Kraft zu sein. In der ersten Depesche verweist er auf das Gesetz vom 10. Dezember 1830, Art. 1. „Keine Schrift, sei es Hand- oder Druckschrift, Stich oder Lithographie, welche politische Nachrichten enthält oder von politischen Gegenständen handelt, darf auf Straßen, Plätzen oder andern öffentlichen Orten angeschlagen werden. Ausgenommen von dieser Bestimmung sind die Erlasse der öffentlichen Gewalt.“ Die zweite Depesche bringt den Art. 1 des Ges. v. 16. Febr. 1834 in Erinnerung: „Niemand darf auch nur temporär das Geschäft eines öffentlichen Ausrufers, Verkäufers oder Vertheilers von Schriften, Zeichnungen oder Darstellungen in Druck, Lithographie, Autographie, Holzschnitt, Stich oder Manuscript ausüben, ohne obrigkeitliche Erlaubniß. Diese Erlaubniß kann zurückgenommen werden. Die vorstehenden Bestimmungen sind auf die Straßensänger anwendbar. Beide Gesetze sollen jetzt wieder pünktlich in Vollzug gesetzt werden und der Polizeipräfekt wird aufgefordert, alle Uebertretungen derselben Behufs der gerichtlichen Verfolgung genau konstatiren zu lassen.“ ‒ Die dritte Depesche lautet im Wesentlichen: „Die Gesetzgebung über die Presse und Journale, deren Ausübung um der Freiheit willen hat vernachlässigt werden können, die den Bürgern in jüngster Zeit zu den allgemeinen Wahlen gelassen war, hat nicht aufgehört in Kraft zu sein. Wollen Sie den Druckern der Stadt Paris und des zur Polizeipräfektur gehörigen Gebietes bekannt machen, daß ich die Vollziehung aller Bestimmungen dieser Gesetze der öffentlichen Ordnung genau überwachen werde. Ich fordere Sie auf, eine wirksame Aufsicht über die Druckereien ausüben zu lassen.“ Die Drucker werden dann hingewiesen auf das Gesetz v. 24. Oktober 1814, welches ihr Gewerbe im Allgemeinen betrifft, auf die Vorschriften übee Affischen, Stempel und Farbe des Papiers; dann rücksichtlich der periodischen Presse auf das Gesetz vom 18. Juli 1828 über die Geranten der Zeitungen. Endlich wird ihnen die Pflicht eingeschärft, zumal in schwierigen Zeiten, von dem Inhalt dessen, was sie drucken, Kenntniß zu nehmen und keine Schriften zu drucken, die Aufreizungen zu Verbrechen oder Vergehen, zum Ungehorsam gegen die Gesetze oder sonst irgend welcher Uebertretung enthalten. Den Zuwiderhandelnden wird mit dem Gesetze v. 17. Mai 1819 und allen andern gedroht, die Repressivvorschriften enthalten.</p> <p>‒ Man schätzt die Stärke der verschiedenen Truppenabtheilungen aus den Departements, die sich heute im Laufe des Tages zur Nationalversammlung begeben haben, um sich zu ihrer Disposition zu stellen, auf mehr als 10,000 Mann. 2000 Mann Nationalgarde sind allein von Orleans und Tours gekommen. Viele darunter waren nicht einmal bewaffnet.</p> <p>‒ Folgender Aufruf war Sonntag im Faubourg St. Antoine von den Insurgenten angeschlagen:</p> <p>„Zu den Waffen! Wir wollen die demokratische und sociale Republik! Wir wollen die Souverainität des Volkes! Alle Bürger der Republik dürfen und können nichts Anderes wollen. Um diese Republik zu vertheidigen, bedarf es des Zusammenwirkens Aller. Die zahlreichen Demokraten, welche diese Nothwendigkeit begriffen haben, stehen schon seit zwei Tagen auf der Straße.</p> <p>Diese heilige Sache hat schon viele Opfer gekostet; wir sind alle entschlossen, diese edeln Märtyrer zu rächen oder zu sterben.</p> <p>Auf Bürger! daß kein einziger von uns diesem Aufruf nicht entspreche!</p> <p>Indem wir die Republik vertheidigen, vertheidigen wir das Eigenthum.</p> <p>Wenn eine blinde Widerspenstigkeit Euch gleichgültig ließe gegen all das vergossene Blut, so werden wir Alle sterben unter dem Brandschutt des Faubourg St. Antoine.</p> <p>Denket an eure Weiber, an eure Kinder und ihr werdet zu uns kommen!“</p> </div> <div xml:id="ar030_008" type="jArticle"> <head><bibl><author>7</author></bibl>Paris, 27. Juni.</head> <p>Man sagt, daß so eben Ordre abgegangen ist, eine Fregatte und zwei Corvetten auszurüsten, um die gefangenen Insurgenten zu deportiren.</p> <p>‒ Man liest oben im Journal „Le peuple constituant“ vom 26. und 27. Juni: „Wir offenherzige Republikaner, die nicht so glücklich sind, als die Herrn vom Constitutionel, den Débats u. s. w., wir haben gestern nicht erscheinen können, da die neue Gewalt unsre Pressen unter Siegel gestellt hat. Wir versuchen heute, eine Schuldigkeit gegen unsere Abonnenten zu erfüllen, wir stehen aber nicht für morgen.</p> <p>‒ Die Freilassung Girardin's unter Stellung einer Kaution ist verweigert worden.</p> <p>‒ Die Boulevards zwischen der Porte St. Denis bis zur Bastille hin (begriffen in der Abtheilung Lamoriciére) bilden in diesem Augenblicke noch ein wahres Lager von zwei Stunden Ausdehnung. Die Pferde der Cavalerie, der Curassiere, Ulanen und Dragoner stehen angebunden. Zu beiden Seiten der Straße liegt Stroh hingestreut, worauf die Soldaten ausruhen. Allenthalben sind Schenken errichtet.</p> <p>‒ Keine einzige Schlacht unter Napoleon hat so viele Generale geraubt, als die Begebenheiten der vier letzten Tage.</p> <p>‒ Die Börse war einige Augenblicke lang geöffnet. Geschäfte wurden keine gemacht. Die Börse soll so lange geschlossen bleiben, als der Belagerungszustand dauert.</p> <p>‒ Man hat die Gewißheit, daß 7 bis 8000 Insurgenten sich in den Wald von Vincennes geflüchtet haben, wo sie mit einem ungemeinen Eifer und Energie verfolgt werden Es ist wahrscheinlich, daß in Folge der getroffenen Maßregeln man nicht zögern wird, sie wie Wild einzufangen.</p> <p>‒ Man liest im Peuple Constituant von <hi rendition="#g">Lamennais:</hi> „Die Schlacht ist aus, das Faubourg St. Antoine hat kapitulirt und verlangt, daß der General Cavaignac die Kapitulation selbst unterzeichne.</p> <p>„Der Kampf war riesenhaft; von beiden Seiten gleicher Muth, gleiche heroische Wunder! und über diesen Heroismus kann das Vaterland nur weinen. Was könnte nicht Alles eine Regierung mit einem solchen Volke machen, wenn in dieser Regierung die Seele des Volkes athmete!</p> <p>Der Belagerungszustand dauert fort, und mit ihm die Aufhebung aller Gesetze. Man begreift also, daß man sich lediglich am bloßen <hi rendition="#g">Erzählen</hi> halten muß. Es ist zu hoffen, daß die Presse bald wieder zu ihren Rechten kommen und der Gedanke aufhören wird, vom fremden, eigenmächtigen Willen abzuhängen.</p> <p>‒ Man liest in demselben Journale:</p> <p>Strenge Geschichtsschreiber, werden wir mäßig sein mit unserm Lobe auf die Sieger; die Besiegten sind ihre Brüder, deren Muth immerhin geachtet und sichergestellt werden muß vor den <hi rendition="#g">schmählichsten Verläumdungen,</hi> in dem Falle selbst, wo sie eine gerechte Strafe verdient hätten. Auf beiden Seiten hat der Tod schrecklich gemäht, und der Parteigeist ist erloschen vor Gott: Lebende, thut ein Gleiches.</p> <p>‒ Der Korrespondent des „London Telegraph“ behauptet, daß 500 Insurgenten, die sich im Clos St. Lazare ergaben, Sonntag Abend und 400 andere Montag früh erschossen wurden.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Deutschland.</head> <div xml:id="ar030_009" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 29. Juni.</head> <p>Gestern fand hier ein unbedeutender Krawall vor dem Hause des Hrn. Camphausen Statt.</p> </div> <div xml:id="ar030_010" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 27. Juni.</head> <p>Seit dem 25. heißt die Versammlung der „Vereinbarer“ „National-Versammlung“. Siehe Erlaß, de dato Sanssouci 25. Juni, unter Minister Nro. 2, Hansemann kontrasignirt.</p> <p>‒ <hi rendition="#g">Sitzung der Vereinb.-Versammlung</hi> vom 27. Juni. ‒ Vizepräsident Waldeck führt das Präsidium. ‒ Das Protokoll wird verlesen und Temme vermißt in demselben, daß das Ministerium aus der nochmaligen Verweisung des Adreßentwurfs in die Kommission eine Kabinetsfrage gemacht habe. Es ist das ein Ereigniß, welches die wichtigsten Folgen haben kann. Wenn diese Folgen eintreten und das Land will mit Gewißheit von dem Ursprung derselben unterrichtet sein, so können wir nicht einmal durch das geführte Protokoll, den richtigen Thatbestand nachweisen. Der Sekretär Schneider bemerkt, daß man schon früher in einem ähnlichen Falle bei der Adreßfrage bestimmt habe, daß es im Protokoll nicht aufzunehmen sei, ob das Ministerium eine Kabinetsfrage aufgeworfen habe oder nicht. Nachdem noch Ritz und Riedel gesprochen haben, entscheidet sich die Versammlung für die Nichterwähnung. ‒ Wencelius hat den Antrag eingereicht, die Einberufung des Abgeordneten Valdenaire aus Trier zu veranlassen, oder dessen Angelegenheit nach Maßgabe des Gesetzes wegen Unverletzlichkeit der Abgeordneten vor der hohen Versammlung zur Entscheidung zu bringen. Der Antrag wird in die Abtheilungen verwiesen, nachdem er große Unterstützung gefunden hatte. ‒ Auf Loës Antrag beschließt man, sofort zur Präsidentenwahl überzugehen. Nachdem sich die Versammlung zuerst gegen den Antrag ausgesprochen, daß zur Konstatirung der Zahl der Abstimmenden der Namensaufruf stattfinden solle, beschließt sie jedoch, nachdem eine wirklich anarchische Scene vorgefallen war, indem der Abgeordnete Moritz sich eigenmächtig das Wort genommen hatte, fest an der Geschäftsordnung zu halten und den Namensaufruf bei Abgabe der Stimmzettel stattfinden zu lassen. ‒ Die Versammlung, die sehr unruhig geworden war, beruhigt sich endlich und man übergiebt nach namentlichem die Aufruf Stimmzettel.</p> <p>Das Scrutinium ergiebt folgendes Resultat: <hi rendition="#g">Grabow mit 238 Stimmen wird als Präsident proklamirt.</hi> Nächst ihm hatten die meisten Stimmen: <hi rendition="#g">Waldeck 110. Kirchmann 25. Riedel 2. Uhlich 2. Camphausen 1. Philipps 1. v. Unruh 1. Rosch 1. Funke 1. Fretzdorff 1.</hi> Die Zahl der Abstimmenden war demnach 383. Absolute Majorität: 192. Hierauf richtete Grabow einige Worte des Dankes an die Versammlung: „er werde das Vertrauen, welches er in keiner Weise verdient habe, durch Unpartheilichkeit sich zu erwerben suchen.“ ‒ Grabow ist der Kandidat der ministeriellen Majorität und gehört dem linken Centrum an. Waldeck und Kirchmann erhielten ihre Stimmen von der Linken. ‒ Nachdem um 3 Uhr die Stimmzettel für die zu wählenden Vicepräsidenten abgegeben, wurde die Sitzung bis 5 Uhr vertagt; während dieser Zeit wurden jedoch die Stimmzettel von den Sekretären geordnet; um 5 Uhr wurde folgendes Resultat proklamirt: Zahl der Abstimmenden 369. Absolute Majorität: 185. Es erhielten Stimmen: Kirchmann 223, Rosch 206, Jonas, geh. Revisionsrath 203, Waldeck 163, Philipps 145, Joh. Jacoby 104, Bauer 84, Baumstark 63 und mehrere Andere. Da nur die Abgeordneten Kirchmann Rosch und geh. Revisionsrath Jonas die absolute Majorität hatten, so muß wegen den vierten Vice-Präsident nochmals abgestimmt werden. Dem Geschäftsreglement nach kamen Waldeck und Philipps auf die engere Wahl. Die gewählten Vicepräsidenten dankten der Versammlung für das ihnen geschenkte Vertrauen. Hierauf werden die Stimmzettel für den vierten Vicepräsidenten und für die acht Sekretäre zugleich eingesammelt und das Sekretariat bleibt zusammen, um noch heute Abend das Skrutinium zu vollenden, damit beim Beginn der morgenden Sitzung das Resultat verlesen werden kann.</p> </div> <div xml:id="ar030_011" type="jArticle"> <head>Königsberg, 23. Juni.</head> <p>In einem Briefe aus Riga berichtet man uns, unter Angabe frappanter Einzelnheiten, über bedeutende Excesse, die in Petersburg vorgefallen wären. Es gelang der Behörde, sie in kurzer Zeit zu unterdrücken, doch sollen „einige hundert“ Personen dabei umgekommen sein. Da wir nicht wissen, wiefern der Bericht Glauben verdient, enthalten wir uns der Mittheilung der Details.</p> <bibl>(Königsb. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar030_012" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> München, 24. Juni.</head> <p>Die Regierung hat in ihren großen Geldklemme die Bureaukratie, das Heer und den Klerus mit einer freiwilligen Zwangsanleihe belegt.</p> </div> <div xml:id="ar030_013" type="jArticle"> <head>Prag, 21. Juni.</head> <p>Die Augsb. A. Ztg. berichtet von hier, daß auch in <hi rendition="#g">Brünn</hi> ein Aufruhr bewältigt worden. General Graf Schlick soll dort der rettende Engel gewesen sein. Viele Prager Studenten wurden gefangen oder getödtet. Natürlich verfehlt die Ausburger nicht zu bemerken, daß der ganze Aufstand von der hiesigen Parthei organisirt und geleitet gewesen; sie fügt hinzu, daß auch in Olenitz Prager Emissäre gefangen genommen worden.</p> </div> <div xml:id="ar030_014" type="jArticle"> <head>Wien, 23. Juni.</head> <p>Sicherem Vernehmen nach wird die Truppenzahl in der Umgegend von Wien bedeutend verstärkt. Ein Jägerbataillon und ein Cavallerieregiment sind vorläufig in der Gegen von Pötzleinsdorf cantonnirt und andere Truppen sollen noch nachfolgen. Die Wahlen haben auch bei uns Umtriebe aller Art in Bewegung gesetzt. Ueber das Resultat derselben läßt sich vorläufig nichts bestimmtes sagen.</p> <bibl>(A. A. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar030_015" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Frankfurt.</head> <p>Sitzung der Nationalversammlung vom 27. Juni. Fortsetzung der Berathung über die provisorische Centralgewalt.</p> <p>Nach Verwerfung des Art. 2 Lit. d. (s. d. gestr. Nr. der Neuen Rhein. Ztg.) wird Art. 3: „Die Errichtung des Verfassungswerkes bleibt von der Wirksamkeit der Centralgewalt ausgeschlossen“ durch einfache Abstimmung angenommen.</p> <p>Art. 4. „Ueber Krieg und Frieden, und über Verträge mit auswärtigen Mächten beschließt die Centralgewalt im Einverständniß mit der Nationalversammlung.“ Einfache Abstimmung durch Aufstehen und Sitzenbleiben. Der Präsident verkündigt, daß die Majorität den Artikel angenommen habe; aber die Ritter der Rechten behaupten, die Frage schlecht verstanden zu haben und nach heftigen Debatten wird in einer neuen Abstimmung durch Namensaufruf der Artikel nochmals, und zwar mit 408 gegen 143 Stimmen angenommen.</p> <p>Art. 5. „Die provisorische Centralgewalt wird einem Präsidenten übertragen.“ Abstimmung durch Namensaufruf: der Artikel wird von der Majorität (der ganzen Rechten, und mehr als zwei Drittheilen der Centren) mit 355 gegen 171 Stimmen <hi rendition="#g">verworfen;</hi> dagegen der zweite Antrag: die Uebertragung an einen „<hi rendition="#g">Reichsverweser</hi>“ angenommen.</p> <p>Art. 6. „Derselbe wird von der Nationalversammlung gewählt.“ Mit 403 gegen 135 Stimmen angenommen. (Stürmischer Beifall der Galerien.) Der edle Würth giebt eine Erklärung der Rechten zu Protokoll, daß sie dem Beschluß blos unter der Voraussetzung beigestimmt habe, daß die einzelnen Regierungen ihre Genehmigung gäben. Schluß der Sitzung.</p> <p>Sitzung vom 28. Juni.</p> <p>Fortsetzung der Berathung über die provisorische Centralgewalt.</p> <p>Art. 9. „Der Reichsverweser übt seine Gewalt durch von ihm ernannte, der Nationalversammlung verantwortliche Minister aus. Alle Anordnungen desselben bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung wenigstens eines verantwortlichen Ministers.“ Fast einstimmig angenommen.</p> <p>Der Art. 10 („wegen Verbrechen, in und außer dem Amte begangen, ist der Reichsverweser der Anklage durch die Nationalversammlung und der gerichtlichen Bestrafung unterworfen,“) fällt aus, da die Linke aus Höflichkeit freiwillig darauf verzichtet hat. Dafür wird nun</p> <p>Art. 11. „Der Reichsverweser ist unverantwortlich“, mit 373 gegen 175 angenommen. (Große Unruhe auf den Galerien.)</p> <p>Art. 12 fällt aus.</p> <p>Die ferneren Art. 12, 13, 14, 15 und 16 über die Stellung der verantwortlichen Minister und des straflosen Reichsverwesers zu der Versammlung, werden durch einfache Abstimmung angenommen.</p> <p>Art. 18. „Mit dem Eintritt der Wirksamkeit der provisorischen Centralgewalt hört das Bestehen des Bundestags auf.“ Abstimmung durch Namensaufruf: Der Art. wird mit 510 gegen 35 Stimmen (worunter Welcker) <hi rendition="#g">angenommen.</hi></p> <p>Art. 19 (jetzt 14) und Art 20 (jetzt 15) welche bestimmen, daß die Centralgewalt so viel als thunlich sich mit den Einzelregierungen in Einklang zu setzen habe, und daß ihre Thätigkeit mit Vollendung des Verfassungswerkes aufhöre, werden in einfacher Abstimmung angenommen.</p> <p>Es wird sodann der ganze Entwurf zur Abstimmung gebracht, und das Gesetz mit 45„ Stimmen (der ganzen Rechten und beiden Centren) gegen 100 angenommen. Herr v. Radowitz gibt eine Erklärung der Rechten zu Protokoll, daß sie dem Beschluß nur unter Zustimmung der Regierungen beigetreten. Die Linke dagegen läßt durch den Abgeordneten Jordan die Erklärung verlesen und zu Protokoll nehmen: Sie hätten gegen das ganze Gesetz gestimmt, in der festen Ueberzeugung, daß die Aufstellung eines unverantwortlichen Reichsverwesers mit dem so oft ausgesprochenen Grundsatz der Volkssouveränität unvereinbar und nur geeignet sei, <hi rendition="#g">die Revolution zu verlängern.</hi></p> <p>Die nächste Sitzung wird auf morgen 12 Uhr bestimmt, und die „Wahl des Reichsverwesers“ auf die Tagesordnung gestellt.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Großbritannien.</head> <div xml:id="ar030_016" type="jArticle"> <head>London, 27. Juni.</head> <p>Im Oberhause machte Earl Grey gestern eine Motion in Betreff einiger, die Westindischen Kolonieen angehenden Papiere. ‒ Im Unterhause kam derselbe Gegenstand zur Sprache indem Hr. Hawes sich gegen die Beschuldigung Lord George Beutincks, dieselben zurückgehalten zu haben, vertheidigte. Nachdem dieser Gegenstand geledigt war ging man zu der vertagten Debatte der Zuckergesetze über, an der Hr. G. Thompson, Bernal und Sir James Graham Theil nahmen indem letzterer die Propositionen des Gouvernements kräftig in Schutz nahm. Die weitere Diskussion wurde denn auf Donnerstag verschoben.‒ Wie man hört, hat Sir Robert Peel eine längere Rede wegen der Zuckergesetze vorbereitet, in der er seine bisherige Handlungsweise zu vertheidigen gedenkt. Wie bei jeder größern Debatte wird er erst gegen den Schluß damit herausrücken. ‒</p> <p>‒ Die Nachricht, daß die Pariser Insurrektion ihr Ende erreicht habe, brachte einen günstigen Eindruck in der City hervor.</p> <p>‒ Konsols, 3 Uhr. 83 1/2 à 3/4.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Holland.</head> <div xml:id="ar030_017" type="jArticle"> <head><bibl><author>40</author></bibl>Amsterdam, 27. Juni.</head> <p>Das komische Land Holland befindet sich noch immer in seiner Althergebrachten Ruhe. Wir essen noch dieselben großen Käse wie vor der Revolution, wir trinken unsern verfälschten Bordeaux noch aus denselben ehrwürdigen Flaschen wie damals. Unsre Waisenkinder sind noch immer halb schwarz und halb roth gekleidet, unsre Truppen tragen noch immer blaue Hosen zur Hebung der Indigo-Kolonien; unsre Fischweiber schreien noch gerade wie früher, unsre irdnen Pfeifen dampfen und duften so lieblich wie jemals und die holländisch Nation ist noch immer „die moralste Natie.“ Bei uns kein Kampf und kein Sieg, bei uns keine Barrikaden und Kartätschen, bei uns weder Marseilläse noch Shrapnells, bei uns weder Na- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0145/0003]
scenen, deren Zeuge Herr Payer (Deputirter) war während der 12 Stunden, wo die Insurgenten ihn gefangen hielten, erzählt er Thatsachen, die beweisen, daß die große Mehrzahl der Kämpfer Arbeiter waren, in Verzweiflung gestürzt durch das Elend, das sie seit 4 Monaten erdrückte. Sie antworteten denen, welche sie fragten, warum sie sich schlügen: Besser an einer Kugel sterben, als am Hunger. Als man ihnen zu trinken anbot, wollte keiner Wein nehmen, ohne ihn vorher mit Wasser vermischt zu haben. Sie schlugen sich und starben, ohne einen Schrei auszustoßen.
(la Réforme.) ‒ Seit heute früh beginnt die Vertheilung der Unterstützungsgelder an die Bedürftigsten. Man entsinnt sich daß die Nationalversammlung von gestern 3,000,000 Franken dafür votirte. Die Noth ist fürchterlich.
‒ Im Laufe der vorigen Nacht wurden etwa 2000 Gefangene in Omnibuswagen, unter starkem Kavalleriegeleit, aus den Stadtgefängnissen in die Kasematten von Vincennes und der übrigen Außenwerke geschafft.
‒ Noch läßt sich die Zahl der Gefallenen, Verwundeten, Ersäuften, Verbrannten, Massakrirten, kurz aller Verlorenen nicht genau bestimmen. Man schätzte sie gestern Abend auf 10 bis 11,000. Außer den Spitälern sind mehrere Kirchen und Privatgebäude der Pflege der Verwundeten gewidmet. Die Frauenwelt sitzt vor den Hausthüren und zupft Charpie. Wehmüthiger Anblick!
‒ Der Erzbischof von Paris ist gestorben. Die Kugel, die ihn hinter den Barrikaden erreichte, hatte das Rückenmark verletzt und jede Rettung war unmöglich.
‒ Die Gesammtzahl der gefangenen Insurgenten wird von Einigen auf 4 bis 5000 geschätzt.
‒ Der zur Untersuchung der Ereignisse des 23., 24., 25. und 26. Juni dekretirte Ausschuß besteht aus meist der Majorität angehörenden Gliedern. Odilon-Barrot ist Präsident, Woirhaye Vicepräsident, Waldeck-Rousseau und Landrin Sekretäre.
‒ Die Journale: 1. La Presse, 2. La Révolution, 3. L'assemblée nationale, 4. La Vraie République, 5. L'Organisation du travail, 6. Le Napoléon républicain, 7. L'aimable faubourien ou le Journal de la Canaille, 8. Le Lampion, 9. La Liberté, 10) Le Père Duchène und 11. le Pilori sind bis auf Weiteres unterdrückt und ihre Pressen versiegelt. Auch der Proudhonsche Représentant du peuple ist nicht erschienen. Indessen kommt das wohl nur daher, daß er in derselben Offizin mit „La Presse“ gedruckt wurde. Ein Verbot ist gegen ihn nicht erlassen.
‒ Lalanne, der neue Direktor der Nationalwerkstätten (Schwager des Staatsbautenministers Trèlat) ist als der Begünstigung der Insurrektion verdächtig arretirt worden.
‒ Deflotte, der bekannte Marine-Offizier und Mitredakteur der Democratie pacifique ist ebenfalls verhaftet.
‒ Emil de Girardin, Redakteur der Presse, sitzt in der Conciergerie im strengsten Verhaft. Selbst seine Frau, die bekannte Delphine Gay, darf nicht ihm mit korrespondiren.
‒ Um Mitternacht fand noch eine lebhafte Füsillade in der Nähe der Tuilerien und des Palais National statt. Der Père la Chaise ist noch von den Insurgenten besetzt. Heute war keine Börse.
‒ Proklamation Cavaignac's. An die Bürgerwehr und Armee. Bürger, Soldaten! Die geheiligte Sache der Republik hat triumphirt. Eure Hingebung, Euer unerschütterlicher Muth haben sträfliche Pläne vereitelt, verhängnißvolle Irrthümer gerichtet. Im Namen des Vaterlandes, im Namen der ganzen Menschheit seid bedankt für Eure Anstrengungen, seid gesegnet für diesen nothwendigen Triumph. Diesen Morgen noch war die Aufregung des Kampfs legitim, unvermeidlich. Jetzt aber seid eben so groß in der Ruhe als Ihr es so eben im Kampfe gewesen. In Paris sehe ich Sieger, Besiegte; möge mein Name verflucht bleiben, wenn ich einwilligte, dort Opfer zu sehen. Die Gerechtigkeit wird ihren Lauf haben; möge sie handeln. Das ist Euer Gedanke, das ist der meinige. Bereit, wieder in den Rang eines einfachen Bürgers zurückzukehren, nehme ich in Eure Mitte das bürgerliche Bewußtsein zurück, in diesen Tagen schwerer Prüfungen die Freiheit nur insoweit beschränkt zu haben, als das Heil der Republik dies selbst verlangte, und demjenigen ein Beispiel geliefert zu haben, der einmal berufen sein könnte, seinerseits ebenso ernste Pflichten zu erfüllen. Paris, 26. Juni Abends 1848. (gez.) E. Cavaignac.
‒ Der General-Prokurator der Republik beim Appellhof von Paris hat an den Polizeipräfekten Trouvé-Chauvel drei Depeschen gerichtet, alle drei vom 24. Juni, worin er auf frühere Gesetze zurückgeht, deren Ausübung bisher wohl vernachläßigt worden, die aber nicht aufgehört hätten in Kraft zu sein. In der ersten Depesche verweist er auf das Gesetz vom 10. Dezember 1830, Art. 1. „Keine Schrift, sei es Hand- oder Druckschrift, Stich oder Lithographie, welche politische Nachrichten enthält oder von politischen Gegenständen handelt, darf auf Straßen, Plätzen oder andern öffentlichen Orten angeschlagen werden. Ausgenommen von dieser Bestimmung sind die Erlasse der öffentlichen Gewalt.“ Die zweite Depesche bringt den Art. 1 des Ges. v. 16. Febr. 1834 in Erinnerung: „Niemand darf auch nur temporär das Geschäft eines öffentlichen Ausrufers, Verkäufers oder Vertheilers von Schriften, Zeichnungen oder Darstellungen in Druck, Lithographie, Autographie, Holzschnitt, Stich oder Manuscript ausüben, ohne obrigkeitliche Erlaubniß. Diese Erlaubniß kann zurückgenommen werden. Die vorstehenden Bestimmungen sind auf die Straßensänger anwendbar. Beide Gesetze sollen jetzt wieder pünktlich in Vollzug gesetzt werden und der Polizeipräfekt wird aufgefordert, alle Uebertretungen derselben Behufs der gerichtlichen Verfolgung genau konstatiren zu lassen.“ ‒ Die dritte Depesche lautet im Wesentlichen: „Die Gesetzgebung über die Presse und Journale, deren Ausübung um der Freiheit willen hat vernachlässigt werden können, die den Bürgern in jüngster Zeit zu den allgemeinen Wahlen gelassen war, hat nicht aufgehört in Kraft zu sein. Wollen Sie den Druckern der Stadt Paris und des zur Polizeipräfektur gehörigen Gebietes bekannt machen, daß ich die Vollziehung aller Bestimmungen dieser Gesetze der öffentlichen Ordnung genau überwachen werde. Ich fordere Sie auf, eine wirksame Aufsicht über die Druckereien ausüben zu lassen.“ Die Drucker werden dann hingewiesen auf das Gesetz v. 24. Oktober 1814, welches ihr Gewerbe im Allgemeinen betrifft, auf die Vorschriften übee Affischen, Stempel und Farbe des Papiers; dann rücksichtlich der periodischen Presse auf das Gesetz vom 18. Juli 1828 über die Geranten der Zeitungen. Endlich wird ihnen die Pflicht eingeschärft, zumal in schwierigen Zeiten, von dem Inhalt dessen, was sie drucken, Kenntniß zu nehmen und keine Schriften zu drucken, die Aufreizungen zu Verbrechen oder Vergehen, zum Ungehorsam gegen die Gesetze oder sonst irgend welcher Uebertretung enthalten. Den Zuwiderhandelnden wird mit dem Gesetze v. 17. Mai 1819 und allen andern gedroht, die Repressivvorschriften enthalten.
‒ Man schätzt die Stärke der verschiedenen Truppenabtheilungen aus den Departements, die sich heute im Laufe des Tages zur Nationalversammlung begeben haben, um sich zu ihrer Disposition zu stellen, auf mehr als 10,000 Mann. 2000 Mann Nationalgarde sind allein von Orleans und Tours gekommen. Viele darunter waren nicht einmal bewaffnet.
‒ Folgender Aufruf war Sonntag im Faubourg St. Antoine von den Insurgenten angeschlagen:
„Zu den Waffen! Wir wollen die demokratische und sociale Republik! Wir wollen die Souverainität des Volkes! Alle Bürger der Republik dürfen und können nichts Anderes wollen. Um diese Republik zu vertheidigen, bedarf es des Zusammenwirkens Aller. Die zahlreichen Demokraten, welche diese Nothwendigkeit begriffen haben, stehen schon seit zwei Tagen auf der Straße.
Diese heilige Sache hat schon viele Opfer gekostet; wir sind alle entschlossen, diese edeln Märtyrer zu rächen oder zu sterben.
Auf Bürger! daß kein einziger von uns diesem Aufruf nicht entspreche!
Indem wir die Republik vertheidigen, vertheidigen wir das Eigenthum.
Wenn eine blinde Widerspenstigkeit Euch gleichgültig ließe gegen all das vergossene Blut, so werden wir Alle sterben unter dem Brandschutt des Faubourg St. Antoine.
Denket an eure Weiber, an eure Kinder und ihr werdet zu uns kommen!“
7Paris, 27. Juni. Man sagt, daß so eben Ordre abgegangen ist, eine Fregatte und zwei Corvetten auszurüsten, um die gefangenen Insurgenten zu deportiren.
‒ Man liest oben im Journal „Le peuple constituant“ vom 26. und 27. Juni: „Wir offenherzige Republikaner, die nicht so glücklich sind, als die Herrn vom Constitutionel, den Débats u. s. w., wir haben gestern nicht erscheinen können, da die neue Gewalt unsre Pressen unter Siegel gestellt hat. Wir versuchen heute, eine Schuldigkeit gegen unsere Abonnenten zu erfüllen, wir stehen aber nicht für morgen.
‒ Die Freilassung Girardin's unter Stellung einer Kaution ist verweigert worden.
‒ Die Boulevards zwischen der Porte St. Denis bis zur Bastille hin (begriffen in der Abtheilung Lamoriciére) bilden in diesem Augenblicke noch ein wahres Lager von zwei Stunden Ausdehnung. Die Pferde der Cavalerie, der Curassiere, Ulanen und Dragoner stehen angebunden. Zu beiden Seiten der Straße liegt Stroh hingestreut, worauf die Soldaten ausruhen. Allenthalben sind Schenken errichtet.
‒ Keine einzige Schlacht unter Napoleon hat so viele Generale geraubt, als die Begebenheiten der vier letzten Tage.
‒ Die Börse war einige Augenblicke lang geöffnet. Geschäfte wurden keine gemacht. Die Börse soll so lange geschlossen bleiben, als der Belagerungszustand dauert.
‒ Man hat die Gewißheit, daß 7 bis 8000 Insurgenten sich in den Wald von Vincennes geflüchtet haben, wo sie mit einem ungemeinen Eifer und Energie verfolgt werden Es ist wahrscheinlich, daß in Folge der getroffenen Maßregeln man nicht zögern wird, sie wie Wild einzufangen.
‒ Man liest im Peuple Constituant von Lamennais: „Die Schlacht ist aus, das Faubourg St. Antoine hat kapitulirt und verlangt, daß der General Cavaignac die Kapitulation selbst unterzeichne.
„Der Kampf war riesenhaft; von beiden Seiten gleicher Muth, gleiche heroische Wunder! und über diesen Heroismus kann das Vaterland nur weinen. Was könnte nicht Alles eine Regierung mit einem solchen Volke machen, wenn in dieser Regierung die Seele des Volkes athmete!
Der Belagerungszustand dauert fort, und mit ihm die Aufhebung aller Gesetze. Man begreift also, daß man sich lediglich am bloßen Erzählen halten muß. Es ist zu hoffen, daß die Presse bald wieder zu ihren Rechten kommen und der Gedanke aufhören wird, vom fremden, eigenmächtigen Willen abzuhängen.
‒ Man liest in demselben Journale:
Strenge Geschichtsschreiber, werden wir mäßig sein mit unserm Lobe auf die Sieger; die Besiegten sind ihre Brüder, deren Muth immerhin geachtet und sichergestellt werden muß vor den schmählichsten Verläumdungen, in dem Falle selbst, wo sie eine gerechte Strafe verdient hätten. Auf beiden Seiten hat der Tod schrecklich gemäht, und der Parteigeist ist erloschen vor Gott: Lebende, thut ein Gleiches.
‒ Der Korrespondent des „London Telegraph“ behauptet, daß 500 Insurgenten, die sich im Clos St. Lazare ergaben, Sonntag Abend und 400 andere Montag früh erschossen wurden.
Deutschland. * Köln, 29. Juni. Gestern fand hier ein unbedeutender Krawall vor dem Hause des Hrn. Camphausen Statt.
* Berlin, 27. Juni. Seit dem 25. heißt die Versammlung der „Vereinbarer“ „National-Versammlung“. Siehe Erlaß, de dato Sanssouci 25. Juni, unter Minister Nro. 2, Hansemann kontrasignirt.
‒ Sitzung der Vereinb.-Versammlung vom 27. Juni. ‒ Vizepräsident Waldeck führt das Präsidium. ‒ Das Protokoll wird verlesen und Temme vermißt in demselben, daß das Ministerium aus der nochmaligen Verweisung des Adreßentwurfs in die Kommission eine Kabinetsfrage gemacht habe. Es ist das ein Ereigniß, welches die wichtigsten Folgen haben kann. Wenn diese Folgen eintreten und das Land will mit Gewißheit von dem Ursprung derselben unterrichtet sein, so können wir nicht einmal durch das geführte Protokoll, den richtigen Thatbestand nachweisen. Der Sekretär Schneider bemerkt, daß man schon früher in einem ähnlichen Falle bei der Adreßfrage bestimmt habe, daß es im Protokoll nicht aufzunehmen sei, ob das Ministerium eine Kabinetsfrage aufgeworfen habe oder nicht. Nachdem noch Ritz und Riedel gesprochen haben, entscheidet sich die Versammlung für die Nichterwähnung. ‒ Wencelius hat den Antrag eingereicht, die Einberufung des Abgeordneten Valdenaire aus Trier zu veranlassen, oder dessen Angelegenheit nach Maßgabe des Gesetzes wegen Unverletzlichkeit der Abgeordneten vor der hohen Versammlung zur Entscheidung zu bringen. Der Antrag wird in die Abtheilungen verwiesen, nachdem er große Unterstützung gefunden hatte. ‒ Auf Loës Antrag beschließt man, sofort zur Präsidentenwahl überzugehen. Nachdem sich die Versammlung zuerst gegen den Antrag ausgesprochen, daß zur Konstatirung der Zahl der Abstimmenden der Namensaufruf stattfinden solle, beschließt sie jedoch, nachdem eine wirklich anarchische Scene vorgefallen war, indem der Abgeordnete Moritz sich eigenmächtig das Wort genommen hatte, fest an der Geschäftsordnung zu halten und den Namensaufruf bei Abgabe der Stimmzettel stattfinden zu lassen. ‒ Die Versammlung, die sehr unruhig geworden war, beruhigt sich endlich und man übergiebt nach namentlichem die Aufruf Stimmzettel.
Das Scrutinium ergiebt folgendes Resultat: Grabow mit 238 Stimmen wird als Präsident proklamirt. Nächst ihm hatten die meisten Stimmen: Waldeck 110. Kirchmann 25. Riedel 2. Uhlich 2. Camphausen 1. Philipps 1. v. Unruh 1. Rosch 1. Funke 1. Fretzdorff 1. Die Zahl der Abstimmenden war demnach 383. Absolute Majorität: 192. Hierauf richtete Grabow einige Worte des Dankes an die Versammlung: „er werde das Vertrauen, welches er in keiner Weise verdient habe, durch Unpartheilichkeit sich zu erwerben suchen.“ ‒ Grabow ist der Kandidat der ministeriellen Majorität und gehört dem linken Centrum an. Waldeck und Kirchmann erhielten ihre Stimmen von der Linken. ‒ Nachdem um 3 Uhr die Stimmzettel für die zu wählenden Vicepräsidenten abgegeben, wurde die Sitzung bis 5 Uhr vertagt; während dieser Zeit wurden jedoch die Stimmzettel von den Sekretären geordnet; um 5 Uhr wurde folgendes Resultat proklamirt: Zahl der Abstimmenden 369. Absolute Majorität: 185. Es erhielten Stimmen: Kirchmann 223, Rosch 206, Jonas, geh. Revisionsrath 203, Waldeck 163, Philipps 145, Joh. Jacoby 104, Bauer 84, Baumstark 63 und mehrere Andere. Da nur die Abgeordneten Kirchmann Rosch und geh. Revisionsrath Jonas die absolute Majorität hatten, so muß wegen den vierten Vice-Präsident nochmals abgestimmt werden. Dem Geschäftsreglement nach kamen Waldeck und Philipps auf die engere Wahl. Die gewählten Vicepräsidenten dankten der Versammlung für das ihnen geschenkte Vertrauen. Hierauf werden die Stimmzettel für den vierten Vicepräsidenten und für die acht Sekretäre zugleich eingesammelt und das Sekretariat bleibt zusammen, um noch heute Abend das Skrutinium zu vollenden, damit beim Beginn der morgenden Sitzung das Resultat verlesen werden kann.
Königsberg, 23. Juni. In einem Briefe aus Riga berichtet man uns, unter Angabe frappanter Einzelnheiten, über bedeutende Excesse, die in Petersburg vorgefallen wären. Es gelang der Behörde, sie in kurzer Zeit zu unterdrücken, doch sollen „einige hundert“ Personen dabei umgekommen sein. Da wir nicht wissen, wiefern der Bericht Glauben verdient, enthalten wir uns der Mittheilung der Details.
(Königsb. Z.) * München, 24. Juni. Die Regierung hat in ihren großen Geldklemme die Bureaukratie, das Heer und den Klerus mit einer freiwilligen Zwangsanleihe belegt.
Prag, 21. Juni. Die Augsb. A. Ztg. berichtet von hier, daß auch in Brünn ein Aufruhr bewältigt worden. General Graf Schlick soll dort der rettende Engel gewesen sein. Viele Prager Studenten wurden gefangen oder getödtet. Natürlich verfehlt die Ausburger nicht zu bemerken, daß der ganze Aufstand von der hiesigen Parthei organisirt und geleitet gewesen; sie fügt hinzu, daß auch in Olenitz Prager Emissäre gefangen genommen worden.
Wien, 23. Juni. Sicherem Vernehmen nach wird die Truppenzahl in der Umgegend von Wien bedeutend verstärkt. Ein Jägerbataillon und ein Cavallerieregiment sind vorläufig in der Gegen von Pötzleinsdorf cantonnirt und andere Truppen sollen noch nachfolgen. Die Wahlen haben auch bei uns Umtriebe aller Art in Bewegung gesetzt. Ueber das Resultat derselben läßt sich vorläufig nichts bestimmtes sagen.
(A. A. Z.) * Frankfurt. Sitzung der Nationalversammlung vom 27. Juni. Fortsetzung der Berathung über die provisorische Centralgewalt.
Nach Verwerfung des Art. 2 Lit. d. (s. d. gestr. Nr. der Neuen Rhein. Ztg.) wird Art. 3: „Die Errichtung des Verfassungswerkes bleibt von der Wirksamkeit der Centralgewalt ausgeschlossen“ durch einfache Abstimmung angenommen.
Art. 4. „Ueber Krieg und Frieden, und über Verträge mit auswärtigen Mächten beschließt die Centralgewalt im Einverständniß mit der Nationalversammlung.“ Einfache Abstimmung durch Aufstehen und Sitzenbleiben. Der Präsident verkündigt, daß die Majorität den Artikel angenommen habe; aber die Ritter der Rechten behaupten, die Frage schlecht verstanden zu haben und nach heftigen Debatten wird in einer neuen Abstimmung durch Namensaufruf der Artikel nochmals, und zwar mit 408 gegen 143 Stimmen angenommen.
Art. 5. „Die provisorische Centralgewalt wird einem Präsidenten übertragen.“ Abstimmung durch Namensaufruf: der Artikel wird von der Majorität (der ganzen Rechten, und mehr als zwei Drittheilen der Centren) mit 355 gegen 171 Stimmen verworfen; dagegen der zweite Antrag: die Uebertragung an einen „Reichsverweser“ angenommen.
Art. 6. „Derselbe wird von der Nationalversammlung gewählt.“ Mit 403 gegen 135 Stimmen angenommen. (Stürmischer Beifall der Galerien.) Der edle Würth giebt eine Erklärung der Rechten zu Protokoll, daß sie dem Beschluß blos unter der Voraussetzung beigestimmt habe, daß die einzelnen Regierungen ihre Genehmigung gäben. Schluß der Sitzung.
Sitzung vom 28. Juni.
Fortsetzung der Berathung über die provisorische Centralgewalt.
Art. 9. „Der Reichsverweser übt seine Gewalt durch von ihm ernannte, der Nationalversammlung verantwortliche Minister aus. Alle Anordnungen desselben bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung wenigstens eines verantwortlichen Ministers.“ Fast einstimmig angenommen.
Der Art. 10 („wegen Verbrechen, in und außer dem Amte begangen, ist der Reichsverweser der Anklage durch die Nationalversammlung und der gerichtlichen Bestrafung unterworfen,“) fällt aus, da die Linke aus Höflichkeit freiwillig darauf verzichtet hat. Dafür wird nun
Art. 11. „Der Reichsverweser ist unverantwortlich“, mit 373 gegen 175 angenommen. (Große Unruhe auf den Galerien.)
Art. 12 fällt aus.
Die ferneren Art. 12, 13, 14, 15 und 16 über die Stellung der verantwortlichen Minister und des straflosen Reichsverwesers zu der Versammlung, werden durch einfache Abstimmung angenommen.
Art. 18. „Mit dem Eintritt der Wirksamkeit der provisorischen Centralgewalt hört das Bestehen des Bundestags auf.“ Abstimmung durch Namensaufruf: Der Art. wird mit 510 gegen 35 Stimmen (worunter Welcker) angenommen.
Art. 19 (jetzt 14) und Art 20 (jetzt 15) welche bestimmen, daß die Centralgewalt so viel als thunlich sich mit den Einzelregierungen in Einklang zu setzen habe, und daß ihre Thätigkeit mit Vollendung des Verfassungswerkes aufhöre, werden in einfacher Abstimmung angenommen.
Es wird sodann der ganze Entwurf zur Abstimmung gebracht, und das Gesetz mit 45„ Stimmen (der ganzen Rechten und beiden Centren) gegen 100 angenommen. Herr v. Radowitz gibt eine Erklärung der Rechten zu Protokoll, daß sie dem Beschluß nur unter Zustimmung der Regierungen beigetreten. Die Linke dagegen läßt durch den Abgeordneten Jordan die Erklärung verlesen und zu Protokoll nehmen: Sie hätten gegen das ganze Gesetz gestimmt, in der festen Ueberzeugung, daß die Aufstellung eines unverantwortlichen Reichsverwesers mit dem so oft ausgesprochenen Grundsatz der Volkssouveränität unvereinbar und nur geeignet sei, die Revolution zu verlängern.
Die nächste Sitzung wird auf morgen 12 Uhr bestimmt, und die „Wahl des Reichsverwesers“ auf die Tagesordnung gestellt.
Großbritannien. London, 27. Juni. Im Oberhause machte Earl Grey gestern eine Motion in Betreff einiger, die Westindischen Kolonieen angehenden Papiere. ‒ Im Unterhause kam derselbe Gegenstand zur Sprache indem Hr. Hawes sich gegen die Beschuldigung Lord George Beutincks, dieselben zurückgehalten zu haben, vertheidigte. Nachdem dieser Gegenstand geledigt war ging man zu der vertagten Debatte der Zuckergesetze über, an der Hr. G. Thompson, Bernal und Sir James Graham Theil nahmen indem letzterer die Propositionen des Gouvernements kräftig in Schutz nahm. Die weitere Diskussion wurde denn auf Donnerstag verschoben.‒ Wie man hört, hat Sir Robert Peel eine längere Rede wegen der Zuckergesetze vorbereitet, in der er seine bisherige Handlungsweise zu vertheidigen gedenkt. Wie bei jeder größern Debatte wird er erst gegen den Schluß damit herausrücken. ‒
‒ Die Nachricht, daß die Pariser Insurrektion ihr Ende erreicht habe, brachte einen günstigen Eindruck in der City hervor.
‒ Konsols, 3 Uhr. 83 1/2 à 3/4.
Holland. 40Amsterdam, 27. Juni. Das komische Land Holland befindet sich noch immer in seiner Althergebrachten Ruhe. Wir essen noch dieselben großen Käse wie vor der Revolution, wir trinken unsern verfälschten Bordeaux noch aus denselben ehrwürdigen Flaschen wie damals. Unsre Waisenkinder sind noch immer halb schwarz und halb roth gekleidet, unsre Truppen tragen noch immer blaue Hosen zur Hebung der Indigo-Kolonien; unsre Fischweiber schreien noch gerade wie früher, unsre irdnen Pfeifen dampfen und duften so lieblich wie jemals und die holländisch Nation ist noch immer „die moralste Natie.“ Bei uns kein Kampf und kein Sieg, bei uns keine Barrikaden und Kartätschen, bei uns weder Marseilläse noch Shrapnells, bei uns weder Na-
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(2017-03-20T13:08:10Z)
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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