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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 34. Köln, 4. Juli 1848.

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maschendienstes, Adams und Reichensperger nebst Consorten. Der "freie deutsche Rhein" wird unter dem Schutz solcher Männer keinen Einfall der Russen zu fürchten haben.

S Frankfurt, 1. Juli.

Ueber den Inhalt der heutigen Debatten schwiege ich lieber. Der alte E. M. Arndt gab redselige Mittheilungen aus seinem Leben und wäre ein liebenswürdiger alter Schwätzer gewesen, hätte er nicht auf der Rednerbühne der Paulskirche gestanden. Ueber die Wahl des Abg. für Thiengen geriethen einige Herrn in Hitze. Obgleich die überwiegende Mehrheit daselbst Fr. Hecker gewählt, will ihn die badische Regierung doch nicht über die Gränze zurückkehren lassen, beschuldigt sogar außer ihm die sämmtlichen Urwähler des Hochverraths. Einer nach dem andern betritt die Tribüne, man möge die Sache an den Legitimationsausschuß geben, eine Separat-Kommission mit der Untersuchung beauftragen, die Aktenstücke vorher drucken lassen, die Formalien gehörig ins Auge fassen etc. Der Fürst Lichnowski, der edle Ritter, erklärte, es sei viel zu viel "Ehre" für einen Hochverräther, wenn eine Separat-Kommission um ihn gewählt werde. Ein Sturm des Unwillens unterbrach seine Worte und rauschte von der Linken empor über die Gallerien. Das fürstliche Bewußtsein, mit den Händen in der Hose, schwieg großartig, nur als der Abg. Zitz entgegnete, Hecker sei kein Hochverräther, wie der Fürst Lichnowski behaupte, da er nur gegen Fürstenwillkühr, nicht gegen die Volkssouveränität in den Waffen gestanden habe, empörte sich der moderne Carabella und sandte dem Bürger Zitz seine - Karte. Durch den Berliner Abg. Nauwerk wurde der Streit von dem rechten Gesichtspunkte beleuchtet, die Entscheidung sei wichtig genug, um einer besondern Kommission übergeben zu werden, die Wahlfreiheit des deutschen Volkes dürfe nicht durch das Ermessen einer Separatregierung in Frage gestellt werden und übrigens sei auch durch eine faktische Revolution in ganz Deutschland der Begriff des Wortes "Hochverrath" faktisch ein anderer geworden. W. Jordan erklärte sich mit ihm einverstanden, Lichnowski sei voreilig gewesen. Hr. Lichtfreund Schwetschke benutzte die Gelegenheit, mit dem Herrn Fürsten übereinzustimmen, um vor allen Augen kräftiglichst die Rechte des Fürsten drücken zu können. Viele lächelten über diesen schwachen Versuch. - Die folgende Debatte über die slawische Frage wurde in bekannter Weise breitgetreten statt gelöst zu werden. Wir bemerken nur, daß Hr. Giskra, um ein großer Redner zu sein, nicht so vieler Worte bedurft hätte. Hartmann beantragte am Schluß, Ungarn möge wegen seiner Vorpostenstellung gegen Rußland der Exekutiv-Centralgewalt besonders empfohlen werden. Mag es. Diese Empfehlung wird Ungarn eben so wenig retten, wie das ganze Parlament Deutschland.

103 Berlin, 1. Juli.

Der demokratische Klub will folgende Petition, welche bereits mit vielen tausend Unterschriften versehen ist, an die Vereinbarer-Versammlung abgehen lassen.

Hohe Versammlung! Die Unterzeichneten, in Erwägung: daß trotz des 19. Märzes häufig, namentlich in neuerer Zeit, Verhaftungen vorgekommen sind, ohne daß gegen die Angeklagten eine bestimmte Anklage vorlag; in Erwägung, daß Staatsbürger sechs Wochen und länger in Haft gehalten wurden, ohne daß gegen sie eine bestimmte Anklage erhoben wurde: ersuchen Eine hohe Versammlung, dieselbe möge schleunigst eine provisorische Habeas-Corpus-Akte erlassen, des Inhalts, daß kein Staatsbürger anders verhaftet werden darf, als wenn eine bestimmte Anklage gegen ihn vorliegt.

In Folge des Beschlusses der Plenarversammlung vom 26. Juni, daß der Adreßentwurf an die Adreßkommission zurückzuweisen sei, sind dieser Kommission vom Staatsministerium verschiedene Erklärungen, namentlich in Betreff der äußern Politik, gegeben worden. Dessenungeachtet hat die Kommission einstimmig beschlossen, einer hohen Versammlung vorzuschlagen: "von der Berathung einer Adresse abzustehen." Die Umstände, unter denen gegenwärtig in dieselbe eingetreten werden würde, sind wesentlich verschieden von denen, unter welchen früher der Erlaß einer Adresse beliebt wurde. Das vorige Kabinet wollte die Erlassung einer Adresse, um das Urtheil der Versammlung über seine Verwaltung zu vernehmen; es wollte in der Adreßdebatte die Prinzipien entwickeln, von denen aus es die Geschäfte geleitet hatte. Für das gegenwärtige Ministerium liegt ein solches Bedürfniß nicht vor. Seine Verwaltung hat so eben erst begonnen, die Versammlung hat daher ein Vergangenes nicht zu beurtheilen.

Wie das neue Ministerium die Geschäfte leitet, das wird die Versammlung beurtheilen können aus den Vorlagen, die derselben in Aussicht gestellt sind. Auf die bloße Ankündigung derselben bei einer Adreßdebatte Rücksicht zu nehmen, scheint weder an und für sich thunlich noch nothwendig, wenn die Berathung der Vorlagen, selbst in kürzester Frist, bevorsteht, noch angemessen in Erwiderung auf eine Thronrede, welche von dem gegenwärtigen Ministerio nicht abgefaßt ist. - Diesen Gründen wird wohl auch die Mehrheit der Versammlung beistimmen; wie wird sich aber das Ministerium alsdann aus der Klemme herausziehen, da es doch durchaus auf einer Adreßdebatte bestand? Es wird schwerlich diesmal eine Kabinetsfrage daraus machen, das wäre zu gefährlich.

In der heutigen Sitzung nahm die Vereinbarungsversammlung den Antrag des Abgeordneten Windhorft fast einstimmig an, "daß diejenigen Abgeordnete, welche einen besoldeten Staatsdienst oder eine Beförderung auf eine höhere Stelle annehmen, sich einer Neuwahl unterwerfen müssen." - Der Antragsteller hatte seinen Antrag sehr gut motivirt und hob besonders hervor, daß die Versammlung namentlich dazu gewählt sei, um eine freie Verfassung zu entwerfen, daß die Wähler glauben, frcie Männer gewählt zu haben, welche aber durch die Annahme eines besoldeten Amtes oder einer Beförderung nicht mehr für frei und ungebunden anzusehen seien. Deshalb erfordere es die Nothwendigkeit, daß sich solche Abgeordnete einer Neuwahl unterwerfen, um zu sehen, ob sie das Vertrauen ihrer Wähler noch besitzen.

Vor dem Sitzungssaale der Versammlung, der Sing-Akademie, waren heute viele hundert Arbeiter versammelt, welche vorgestern von ihren Arbeiten entlassen worden und nun beschäftigungslos den Minister des Handels und der Arbeiten abwarteten, um Beschäftigung von ihm zu erbitten. Der Minister wurde darüber in heutiger Sitzung interpellirt und erklärte: Bei den Arbeiten zur Herstellung eines Kanals zwischen Berlin und Spandau, am Plötzensee, haben sich seit einigen Wochen viele Arbeiter, über die ursprünglich festgestellte Anzahl von 1600 bis 1800, hinzugedrängt. Die Arbeiten sind dort zweierlei. Erstens die Ausgrabung des Bettes zum Kanal, welche den Arbeitern in Akkord gegeben wird, wobei über 1400 beschäftigt sind, welche einen besondern Arbeiterverein gebildet und bisher 18, 20-24 Silbergroschen täglich verdient haben. - Zweitens bestehen die Arbeiten in Ausrodungen von Bäumen, wofür ein Tagelohn von 15 Silbergroschen gezahlt wurde. Diese Tagelohn-Arbeiter schritten aber langsam vorwärts, und die Arbeiter leisteten so wenig, daß man diesem Unfug steuern mußte, denn man kann die Gelder des Staats nicht auf solche Weise vergeuden. Es wurde daher beschlossen, diesen 1200 Tagelohn-Arbeitern ihre bisherigen Arbeiten zu kündigen, den Verheiratheten davon freizustellen, in den Verein der Akkordarbeiter einzutreten, die jungen und ledigen Arbeiter aber zu den Arbeiten nach der Ostbahn zu senden, da sie nicht alle am Kanalbau beschäftigt werden könnten. Noch bevor den Arbeitern dieser Beschluß publicirt wurde, mußten sie davon auf anderm Wege Nachricht erhalten haben. Da sie nun die Schuld ihrer Entlassung dem Aufseher zuschrieben, so mißhandelten sie denselben, und geriethen mit den Akkordarbeitern in Streit. - Das Staatsministerium kann übrigens nicht anerkennen, daß es verpflichtet sei, für alle Arbeitslosen in den großen Städten zu sorgen, indem dies vielmehr den Kommunalbehörden zusteht, da die Staatsgelder nicht allein für die Arbeiter in den Städten ausgegeben werden können.

Der Abgeordnete Rehnsch, dessen Wahl für ungültig wurde, ist in seinem Kreise Neu-Stettin, Regierungsbezirk Küstrin, zum zweiten Mal gewählt worden. Er gehört zur demokratischen Partei und deshalb wurde vom Wahlkommissarius, dem dortigen Landrath, gegen seine Wahl bedeutend agitirt. Dieser Landrath schlug sogar mit seinem, mit Eisen beschlagenen Stock auf Hrn. Rehnsch, welcher nun in heutiger Versammlung das ganze reaktionäre Verfahren des Landraths, den er auch des versuchten Todtschlags beschuldigt, mittheilte. Der Justiz-Minister verspricht die Untersuchung einzuleiten. Es ist derselbe Landrath, welcher in der von ihm geleiteten Schullehrer-Konferenz, die Aeßerung machte, daß es in der Berliner Versammlung eine anarchische Partei gäbe, die man mit Kartätschen niederschießen müsse.

Unter dem Vorsitz solcher Landräthe mußten sich die preußischen Volks-Schullehrer im ganzen Lande versammeln, um ihre Wünsche zu erkennen zu geben. Da nun heute der Antrag gestellt wurde, daß, da die Lehrer unter dem Vorsitz der Landräthe und geistlichen Schulinspektoren ihre Gesinnungen und Wünsche nicht frei aussprechen könnten, die Kreisversammlungen der Lehrer ohne alle Bevormundung nochmals stattfinden sollte, erklärte sich der neue Kultus-Minister Rodbertus dagegen und billigte die Anordnungen seines Vorgängers. Der Antrag fiel auch wirklich durch.

Man sieht hier jetzt täglich dem Friedensabschluß mit Dänemark entgegen. An eine Abschaffung des Sundzolls, dieses mittelalterlichen Ueberrestes des Raubstaatensystems, ist nicht zu denken. Unsere Ostseehäfen werden noch ferner unter diesem Drucke leiden müssen. Das starke Preußen muß dem kleinen Dänemark jährlich Millionen Tribut entrichten; dies Dänemark sperrt seit Monaten unsere Häfen und dabei thut das Ministerium nichts: es zieht sogar die Truppen von Jütland aus "strategischen" Rücksichten zurück. Die Folgen einer solchen Politik liegen auf der Hand.

Berlin, 2. Juli.

Die Sache wird gut. Kaum, daß Hr. Monecke verurtheilt ist, oder vielmehr noch vorher, wird schon ein Anderer unter ähnlicher Anschuldigung eingekerkert. Heute früh um 7 Uhr ist Hr. Fernbach früher Student in Heidelberg, wie wir hören, wegen des ihm zugeschriebenen republikanischen Katechismus, in seiner Wohnung verhaftet, 500 daselbst vorgefundene Exemplare dieser Flugschrift eingezogen, und er selbst nach der Stadtvogtei gebracht worden.

(B. Z. H.)
* Berlin, 1. Juli.

Die Polizei des Hrn. Bardeleben hat das öffentliche Feilhalten von Schnaps und Viktualien verboten, wie es heißt, um dadurch "Zusammenrottirungen" vor der Singakademie zu verhindern. Die s. g. Revolution ist demnach auf ihre wahre Bedeutung zurückgeführt; es ist offenbar, daß die "Zusammenrottungen" des Volks lediglich den Zweck hatten, auf offner Straße statt in dumpfigen Kellern Schnaps zu trinken, und die Einsicht der Polizei hat durch diese Maßregel alle bedenklichen "Menschenanhäufungen" für die Zukunft zerstreut. Den Bürgern, welche den Posten an der "Neuen Börse" beziehen, ist der Auftrag ertheilt, die menschenanhäufenden Marketenderinnen zu verjagen. Bereits haben hier und in Spandau wegen dieser Maßregel kolossale Prügeleien stattgefunden.

Berlin, 1. Juli.

Die Kommission zur Ausarbeitung des Verfassungsentwurfs hat in Betreff der Presse den Beschluß gefaßt, daß dieselbe künftig unter dem allgemeinen Gesetz, also Preßvergehen unter den gewöhnlichen strafrechtlichen Bestimmungen stehen sollten. Da dies aber eine besondere Berücksichtigung im Strafrecht nöthig macht, so soll bis zu der bevorstehenden Revision desselben ein transitorisches Preßgesetz erlassen werden. Mit der Ausarbeitung desselben ist der Abg. Geh. Finanzrath Hesse beauftragt, derselbe, der schon früher mit der Preßgesetzgebung viel beschäftigt war und ein bekanntes Werk darüber schrieb.

(Voss. Ztg.)

- Nachfolgenden Artikel hat die Redaktion der Vossischen Zeitung auch gegen Insertionsgebühren nicht annehmen wollen:

Die Gazeta Polska Nr. 76 enthält Folgendes: In dem, dem Hrn. Mosczenski gehörigen, im Wongrowiecer Kreise belegenen Dorfe Stempuchowo wurde das Wohnhaus des benannten Herrn dreimal geplündert, auf fliehende Menschen geschossen, Mehrere geprügelt, Alles, was irgend von Werth war, geraubt und endlich, da nichts mehr zu rauben war - Frauen geschändet. - So ergriff man ein 17jähriges, unschuldiges Mädchen, Marianna Sagodzinska, und während dieselbe von 4 Soldaten festgehalten wurde, befriedigten andere sieben an ihr der Reihe nach ihre thierische Lust! - Der hinzugekommene Offizier, welcher die Arme blutbefleckt sah, gab ihr, um sie zu beruhigen, einen Thaler (!), sie warf ihn natürlich dem Offizier in's Gesicht, die Welt verfluchend. - In Folge dieser mehr wie thierischen Behandlung ist das arme Opfer erkrankt. Zeugen des Vorfalls waren: der Wirth Joseph Galewicz und der Vogt Andreas Lipinski, die die Wahrheit des Erzählten eidlich bestätigen können. - Obigen Vorfall bestätigt außerdem noch ein anderer Brief, unter Namhaftmachung mehrerer Zeugen.

27 Breslau, 30. Juni.

Mehrere Soldaten des 10. Infant. Reg. hatten vor mehreren Wochen in der hiesigen Oderzeitung erklärt: Sie könnten Addressen, welche die Offiziere fertig in der Tasche auf den Appel brächten, nicht unterschreiben, wie andere Regimenter es thun, da ihnen ja das Versammlungsrecht entzogen sei. Sie wüßten ebenfalls was ihre Pflicht sei, sie wüßten aber auch, daß sie aus dem Volke stammen.

Auf diesen Artikel hin ließ der Lieut. Baron von Kottwitz die in Breslau befindlichen Soldaten des 10. Regiments darauf vereidigen, daß sie jene Erklärung nicht abgegeben hätten, sondern daß sie die Erklärung der andern Regimenter billigten. Dieses Faktum wurde dem Deputirten Nees v. Esenbeck zur Interpellation an den Kriegsminister mitgetheilt. Auf seine am 2. d. M. in sehr energischen Worten gestellte schriftliche Anfrage erhielt er am 22. d. M. vom Kriegsminister v. Schreckenstein folgendes Rescript:

"Daß auf Grund einer Requisition des Kommandeurs des 10. Infanterie Regiments, Obersten Kunkel v. Löwenstein, der untersuchungsführende Offizier des 11. Infanterie Regiments, Lieutn. Baron v. Kottwitz beauftragt worden ist, die in Breslau als kommandirt und krank zurückgebliebnen Mannschaften des Regiments darüber protokollarisch zu vernehmen,

ob der anliegende Zeitungsartikel wirklich von Soldaten des 10. Infanterie Regiments ausgegangen sei, und, wenn dieß der Fall gewesen, ob die Vorgesetzten darum gewußt haben.

Der v. Kottwitz hat sich indeß in Folge einer unrichtigen Auffassung des ihm ertheilten Auftrages nicht darauf beschränkt, die Antworten der Mannschaften auf jene Frage zu Protokoll zu nehmen, sondern die Vernommenen auch über ihre Zustimmung zu der Adresse des 11. Inf. Reg. befragt und dieselben sodann auf ihre Erklärungen vereidigt.

Diese Ueberschreitung des dem v. Kottwitz ertheilten Auftrages kann ich nur mißbilligen und habe deshalb das königl. General Kommando des 6. Armee Corps ersucht, bei der competenten Behörde die Bestrafung des v. Kottwitz zu veranlassen.

Ich selbst aber habe weder die Einleitung einer Untersuchung noch die disziplinarische Bestrafung dieses Offiziers anordnen können, weil dies nach den bestehenden Gesetzen nicht zu meinen Befugnissen gehört."

** Breslau, 29. Juni.

Binnen 4 Wochen sollen die unbeschäftigten Arbeiter aus unserer Stadt entfernt werden. Wohin? Das weiß man nicht. Ob und wie man sie etwa in der hiesigen oder in einer andern Provinz zu beschäftigen gedenkt; darüber verlautet eben so wenig. Wird die Maaßregel ausgeführt, so wird sie große Erbitterung und Aufregung zur Folge haben. Im demokratischen Klub giebt es jetzt lebhafte Debatten. Es handelt sich um ein Manifest an die slavischen Völkerstämme, in welchem die gleiche Berechtigung der deutschen wie der Slaven ausgesprochen werden soll. Die Demokraten beabsichtigen damit zu gleicher Zeit, den unaufhörlich von den Reaktionärs gegen die Czechen und Polen verbreiteten Lügen und Verleumdungen und der unablässigen Hetzerei entgegen zu treten. Die Beschlußnahme ist auf nächste Sitzung vertagt. Es ist erfreulich, wie zahlreich auch Damen an den Verhandlungen des Klubs die oft bis spät in die Nacht hinein dauern, mit gespannter Aufmerksamkeit Theil nehmen. In Oberschlesien macht die Demokratie unerwartete Fortschritte. Der konstitutionelle Central-Verein strengt sich vergeblich an, durch Austheilung von Kartoffeln Propaganda zu machen. Am 15. d. M. tritt ein Kongreß von Abgeordneten sämmtlicher Demokraten Schlesiens zusammen, um die Parthei fest zu organisiren.

* Königsberg, 27. Juni.

Der hiesige Arbeiterverein, der täglich an Zahl wächst, verhandelte gestern den Antrag: es möge sich der Verein bewaffnen und ein abgesondertes fliegendes Korps bilden. Die Beschlußnahme darüber wurde auf die nächste Sitzung vertagt. Es machten sich dann von allen Seiten Klagen laut, daß das königl. Haus so wenig zur freiwilligen Staatsanleihe beigesteuert. Das Land, meinte man, habe mit Recht erwarten dürfen, daß der hohe Patriotismus der königl. Prinzen einige Millionen baar und nächstdem ihr sämmtliches Silbergeschirr auf den Altar des Vaterlandes niederlegen würden. Auch wurde ein Antrag an Stadtverordnete und Magistrat auf Abschaffung der jetzt ganz unnützen und müßigen königlichen Polizei und Einrichtung einer rein städtischen beschlossen.

X Aus dem schlesischen Mittelgebirge, 28. Juni.

I den jüngsten Tagen hat der Oberpräsident der Provinz, Herr Pinder, eine Inspektionsreise durch unsere Gebirgskreise gemacht, wo in Wiese, Feld und Wald der Segen der Natur in reichster Fülle prangt, in den zahlreichen Weberhütten an den kargen Berglehnen aber der nachhaltige Fluch des alten Systems sich in der erschreckendsten Elendsfülle offenbart. Der Oberpräsident hat die leeren Webstühle, die reinlichen leeren Schüsseln, die nackten großen Kinder gesehen, denen ihr einziges Hemde gewaschen wurde. Er hat endlich die hohläugigen verhungerten Männer und Weiber dieses geistig und leiblich verkommenen Webergeschlechts selbst kennen gelernt, die vorzugsweise die Kreuzträger unserer verrotteten gewerblichen Zustände, die Sündenböcke des alten selbstsüchtigen Verwaltungssystems geworden sind, wobei kein anderes Prinzip als das der Steuererhebung mit eiserner Konsequenz und göttlicher Sorglosigkeit befolgt wurde. Pinder hat versichert, daß eine Kommission diese tiefgewurzelten Elendszustände zu untersuchen bereits beauftragt sei und die Seehandlung ausländische längst verlorene Absatzmärkte für die schlesischen Leinenwaaren wieder zu gewinnen suchen werde, wie es bei dem Ministerio Hansemann und Patow durch eine Weberdeputation vor einigen Wochen beantragt worden. Die längst versprochene Hülfe wird "in Aussicht gestellt." In den Fabrikdörfern am Eulengebirge ist die Hungerpest ausgebrochen.

19 Mannheim, 28. Juni.

Ueber die Behandlung der verhafteten Freischärler in dem Zellengefängniß zu Bruchsal vernimmt man fortwährend die lautesten Klagen. Die Gefangenen liegen in kleinen, dumpfigen Zellen, deren Athmosphäre in der nachtheiligsten Weise auf ihre Gesundheit wirkt; bereits zählt man eine Menge Kranke, darunter besonders an der Brust Leidende. Zu freier Bewegung vergönnt man ihnen alle 1 oder 2 Tage zehn Minuten lang im Hofe spazieren zu gehen. Die Kost ist über alle Maßen dürftig zugemessen, und mitunter so ekelhaft, daß selbst die Hungrigsten dieselbe nicht berühren. Hr. v. Bornstedt, den man für den Fall einer nochmaligen öffentlichen Erklärung über seine Behandlung mit Entziehung von Schreibmaterialien und Einsperrung in eine dunkle Strafzelle (Cachot) bedrohte, veröffentlicht in der hiesigen Abendzeitung weitere Beschwerden, und klagt namentlich, daß die Gefangenen, die kein Geld besitzen, nicht einmal ein Reinigungsbad erhalten, was doch in allen "wohlorganisirten Gefängnissen" gleich beim Eintritt geschehe. Alles Geld, welches für die Gefangenen ankömmt, bleibt bei der Verwaltung deponirt, und es währt oft 3 bis 4 Tage, bis sie Auszahlungen für die nothwendigsten Bedürfnisse erhalten. Beim Spaziergang ist es den Gefangenen streng untersagt, sich miteinander zu unterhalten; Besuche werden nur ausnahmsweise und höchst spärlich zugelassen, dagegen aber erlaubt die Gefängnißverwaltung einer Menge von Beamten, Offizieren, Fähndrichs u. s. w. mit Weibern und Kindern den Einlaß, um die Gefangenen beim Spaziergang gleich einer interessanten Menagerie zu besichtigen, und ihre Glossen dazu zu machen. - Unter den Gefangenen selbst befinden sich zahlreiche Familienväter, Geschäftsleute, Bauern, Arbeiter, Advokaten, deren Verhältnisse durch die lange Haft gänzlich ruinirt werden, und die man trotz aller Reklamationen weder verhört noch in Freiheit setzt. Wo ist nun die Versicherung des Ministers Bekk geblieben, der in der Mitte des vorigen Monats in der Kammer erklärte, daß alle die, welche nicht Anführer oder besonders gravirt seien, alsbald aus der Untersuchungshaft entlassen werden sollten? Aber die christlich-germanische Staatspolizei kann kein besseres Mittel zur Vernichtung der "Mißliebigen" und "Rebellen" finden, als dieselben in die Käfige der Gerechtigkeit zu sperren, bis ihre Körperkräfte gebrochen und ihre Familien an den Bettelstab gebracht sind!

Ulm, 28. Juni.

Unsere heutige "Schnellpost" berichtet: - Herr Schiffterling hatte auf gestern Abend in die Wirthschaft "zum Schiff" eine Versammlung ausgeschrieben, in welcher im Beisein des Polizei-Kommissärs und Oberamtsaktuars die Gründung eines demokratischen Vereins in größter Ruhe und Ordnung besprochen wurde. Die Versammlung war kaum beendet und man wollte eben zu der Unterzeichnung schreiten, als eine Anzahl Cavalleristen, (wie man sagt Unteroffiziere), in den Saal stürzte und ohne alle Veranlassung mit scharfer Waffe über die Anwesenden herfiel. Die wehrlosen Bürger mußten aus den Fenstern flüchten, aber auch außerhalb des Gebäudes wurden sie wieder überfallen und Viele mehr oder weniger bedeutend verwundet. Der Bäcker Haag, Sohn, welchem durch einen Hieb der Schädel zerhauen wurde, liegt ohne Hoffnung darnieder. Die blinde Wuth, mit welcher die wilde Horde in dem Saal gehaust und unter den Anwesenden gemetzelt, steht beinahe ohne Beispiel da.

* Dresden, 28. Juni.

Heute begann in der 2. Kammer die Berathung des Wahlgesetzes. Der Kommissionsantrag stellt den Satz auf: "ohne Einkammersystem keine wahre Volksvertretung.

* Kassel, 30. Juni.

In der Kammer stellte gestern Hr. Bredemeier die Frage, ob der seit der Revolution verschwundene Staatsrath Scheffer seine Entlassung erhalten habe oder sein Gehalt fortbeziehe. Der Landtagskommissar erwiederte, daß er von einer Entlassung Scheffer's "nichts wisse"; und daß Scheffer seinen Gehalt fortwährend erhalte. Einige Mitglieder wollten wissen, ob Hr. Scheffer, der bekanntlich in Betten versteckt aus Kassel entfloh, mit oder ohne Urlaub sich entfernt habe, und verlangten, daß im letztern Fall die Gehaltsauszahlung aufhöre; Herr Henkel aber bat die Versammlung den Gegenstand mit Stillschweigen zu übergehen, und die Kammer sprach sich für die Bemerkung Pfeiffers aus: "Man möge in Gottes Namen Hrn. Scheffer seinen Gehalt im Ausland verzehren lassen." - In der heutigen Sitzung diskutirte die Kammer die Frage wegen Verfolgung der Civilansprüche des Staats gegen den früheren Finanzministers Motz, wobei vornehmlich das mit Rothschild negocirte Lotterieanlehen zur Sprache kam. Der Ausschuß hatte die Ansicht ausgesprochen, daß eine kriminalrechtliche Verfolgung durch das Amnestiegesetz abgeschnitten sei und der Civilrechtsweg ohne Erfolg sein würde, weshalb man diese "traurige Geschichte" der Vergessenheit anheim geben solle. Die Versammlung beschloß jedoch auf den Antrag Lederers, den Rechtsausschuß mit einer Begutachtung zu beauftragen.

Hamburg, 28. Juni.

Als ich am letzten Sonntag, 25. J [#], per Eisenbahn von Hannover nach Harburg fuhr, traf ich im Waggon mit einem reisenden Handwerker zusammen, dessen Na-

maschendienstes, Adams und Reichensperger nebst Consorten. Der „freie deutsche Rhein“ wird unter dem Schutz solcher Männer keinen Einfall der Russen zu fürchten haben.

S Frankfurt, 1. Juli.

Ueber den Inhalt der heutigen Debatten schwiege ich lieber. Der alte E. M. Arndt gab redselige Mittheilungen aus seinem Leben und wäre ein liebenswürdiger alter Schwätzer gewesen, hätte er nicht auf der Rednerbühne der Paulskirche gestanden. Ueber die Wahl des Abg. für Thiengen geriethen einige Herrn in Hitze. Obgleich die überwiegende Mehrheit daselbst Fr. Hecker gewählt, will ihn die badische Regierung doch nicht über die Gränze zurückkehren lassen, beschuldigt sogar außer ihm die sämmtlichen Urwähler des Hochverraths. Einer nach dem andern betritt die Tribüne, man möge die Sache an den Legitimationsausschuß geben, eine Separat-Kommission mit der Untersuchung beauftragen, die Aktenstücke vorher drucken lassen, die Formalien gehörig ins Auge fassen etc. Der Fürst Lichnowski, der edle Ritter, erklärte, es sei viel zu viel „Ehre“ für einen Hochverräther, wenn eine Separat-Kommission um ihn gewählt werde. Ein Sturm des Unwillens unterbrach seine Worte und rauschte von der Linken empor über die Gallerien. Das fürstliche Bewußtsein, mit den Händen in der Hose, schwieg großartig, nur als der Abg. Zitz entgegnete, Hecker sei kein Hochverräther, wie der Fürst Lichnowski behaupte, da er nur gegen Fürstenwillkühr, nicht gegen die Volkssouveränität in den Waffen gestanden habe, empörte sich der moderne Carabella und sandte dem Bürger Zitz seine ‒ Karte. Durch den Berliner Abg. Nauwerk wurde der Streit von dem rechten Gesichtspunkte beleuchtet, die Entscheidung sei wichtig genug, um einer besondern Kommission übergeben zu werden, die Wahlfreiheit des deutschen Volkes dürfe nicht durch das Ermessen einer Separatregierung in Frage gestellt werden und übrigens sei auch durch eine faktische Revolution in ganz Deutschland der Begriff des Wortes „Hochverrath“ faktisch ein anderer geworden. W. Jordan erklärte sich mit ihm einverstanden, Lichnowski sei voreilig gewesen. Hr. Lichtfreund Schwetschke benutzte die Gelegenheit, mit dem Herrn Fürsten übereinzustimmen, um vor allen Augen kräftiglichst die Rechte des Fürsten drücken zu können. Viele lächelten über diesen schwachen Versuch. ‒ Die folgende Debatte über die slawische Frage wurde in bekannter Weise breitgetreten statt gelöst zu werden. Wir bemerken nur, daß Hr. Giskra, um ein großer Redner zu sein, nicht so vieler Worte bedurft hätte. Hartmann beantragte am Schluß, Ungarn möge wegen seiner Vorpostenstellung gegen Rußland der Exekutiv-Centralgewalt besonders empfohlen werden. Mag es. Diese Empfehlung wird Ungarn eben so wenig retten, wie das ganze Parlament Deutschland.

103 Berlin, 1. Juli.

Der demokratische Klub will folgende Petition, welche bereits mit vielen tausend Unterschriften versehen ist, an die Vereinbarer-Versammlung abgehen lassen.

Hohe Versammlung! Die Unterzeichneten, in Erwägung: daß trotz des 19. Märzes häufig, namentlich in neuerer Zeit, Verhaftungen vorgekommen sind, ohne daß gegen die Angeklagten eine bestimmte Anklage vorlag; in Erwägung, daß Staatsbürger sechs Wochen und länger in Haft gehalten wurden, ohne daß gegen sie eine bestimmte Anklage erhoben wurde: ersuchen Eine hohe Versammlung, dieselbe möge schleunigst eine provisorische Habeas-Corpus-Akte erlassen, des Inhalts, daß kein Staatsbürger anders verhaftet werden darf, als wenn eine bestimmte Anklage gegen ihn vorliegt.

In Folge des Beschlusses der Plenarversammlung vom 26. Juni, daß der Adreßentwurf an die Adreßkommission zurückzuweisen sei, sind dieser Kommission vom Staatsministerium verschiedene Erklärungen, namentlich in Betreff der äußern Politik, gegeben worden. Dessenungeachtet hat die Kommission einstimmig beschlossen, einer hohen Versammlung vorzuschlagen: „von der Berathung einer Adresse abzustehen.“ Die Umstände, unter denen gegenwärtig in dieselbe eingetreten werden würde, sind wesentlich verschieden von denen, unter welchen früher der Erlaß einer Adresse beliebt wurde. Das vorige Kabinet wollte die Erlassung einer Adresse, um das Urtheil der Versammlung über seine Verwaltung zu vernehmen; es wollte in der Adreßdebatte die Prinzipien entwickeln, von denen aus es die Geschäfte geleitet hatte. Für das gegenwärtige Ministerium liegt ein solches Bedürfniß nicht vor. Seine Verwaltung hat so eben erst begonnen, die Versammlung hat daher ein Vergangenes nicht zu beurtheilen.

Wie das neue Ministerium die Geschäfte leitet, das wird die Versammlung beurtheilen können aus den Vorlagen, die derselben in Aussicht gestellt sind. Auf die bloße Ankündigung derselben bei einer Adreßdebatte Rücksicht zu nehmen, scheint weder an und für sich thunlich noch nothwendig, wenn die Berathung der Vorlagen, selbst in kürzester Frist, bevorsteht, noch angemessen in Erwiderung auf eine Thronrede, welche von dem gegenwärtigen Ministerio nicht abgefaßt ist. ‒ Diesen Gründen wird wohl auch die Mehrheit der Versammlung beistimmen; wie wird sich aber das Ministerium alsdann aus der Klemme herausziehen, da es doch durchaus auf einer Adreßdebatte bestand? Es wird schwerlich diesmal eine Kabinetsfrage daraus machen, das wäre zu gefährlich.

In der heutigen Sitzung nahm die Vereinbarungsversammlung den Antrag des Abgeordneten Windhorft fast einstimmig an, „daß diejenigen Abgeordnete, welche einen besoldeten Staatsdienst oder eine Beförderung auf eine höhere Stelle annehmen, sich einer Neuwahl unterwerfen müssen.“ ‒ Der Antragsteller hatte seinen Antrag sehr gut motivirt und hob besonders hervor, daß die Versammlung namentlich dazu gewählt sei, um eine freie Verfassung zu entwerfen, daß die Wähler glauben, frcie Männer gewählt zu haben, welche aber durch die Annahme eines besoldeten Amtes oder einer Beförderung nicht mehr für frei und ungebunden anzusehen seien. Deshalb erfordere es die Nothwendigkeit, daß sich solche Abgeordnete einer Neuwahl unterwerfen, um zu sehen, ob sie das Vertrauen ihrer Wähler noch besitzen.

Vor dem Sitzungssaale der Versammlung, der Sing-Akademie, waren heute viele hundert Arbeiter versammelt, welche vorgestern von ihren Arbeiten entlassen worden und nun beschäftigungslos den Minister des Handels und der Arbeiten abwarteten, um Beschäftigung von ihm zu erbitten. Der Minister wurde darüber in heutiger Sitzung interpellirt und erklärte: Bei den Arbeiten zur Herstellung eines Kanals zwischen Berlin und Spandau, am Plötzensee, haben sich seit einigen Wochen viele Arbeiter, über die ursprünglich festgestellte Anzahl von 1600 bis 1800, hinzugedrängt. Die Arbeiten sind dort zweierlei. Erstens die Ausgrabung des Bettes zum Kanal, welche den Arbeitern in Akkord gegeben wird, wobei über 1400 beschäftigt sind, welche einen besondern Arbeiterverein gebildet und bisher 18, 20-24 Silbergroschen täglich verdient haben. ‒ Zweitens bestehen die Arbeiten in Ausrodungen von Bäumen, wofür ein Tagelohn von 15 Silbergroschen gezahlt wurde. Diese Tagelohn-Arbeiter schritten aber langsam vorwärts, und die Arbeiter leisteten so wenig, daß man diesem Unfug steuern mußte, denn man kann die Gelder des Staats nicht auf solche Weise vergeuden. Es wurde daher beschlossen, diesen 1200 Tagelohn-Arbeitern ihre bisherigen Arbeiten zu kündigen, den Verheiratheten davon freizustellen, in den Verein der Akkordarbeiter einzutreten, die jungen und ledigen Arbeiter aber zu den Arbeiten nach der Ostbahn zu senden, da sie nicht alle am Kanalbau beschäftigt werden könnten. Noch bevor den Arbeitern dieser Beschluß publicirt wurde, mußten sie davon auf anderm Wege Nachricht erhalten haben. Da sie nun die Schuld ihrer Entlassung dem Aufseher zuschrieben, so mißhandelten sie denselben, und geriethen mit den Akkordarbeitern in Streit. ‒ Das Staatsministerium kann übrigens nicht anerkennen, daß es verpflichtet sei, für alle Arbeitslosen in den großen Städten zu sorgen, indem dies vielmehr den Kommunalbehörden zusteht, da die Staatsgelder nicht allein für die Arbeiter in den Städten ausgegeben werden können.

Der Abgeordnete Rehnsch, dessen Wahl für ungültig wurde, ist in seinem Kreise Neu-Stettin, Regierungsbezirk Küstrin, zum zweiten Mal gewählt worden. Er gehört zur demokratischen Partei und deshalb wurde vom Wahlkommissarius, dem dortigen Landrath, gegen seine Wahl bedeutend agitirt. Dieser Landrath schlug sogar mit seinem, mit Eisen beschlagenen Stock auf Hrn. Rehnsch, welcher nun in heutiger Versammlung das ganze reaktionäre Verfahren des Landraths, den er auch des versuchten Todtschlags beschuldigt, mittheilte. Der Justiz-Minister verspricht die Untersuchung einzuleiten. Es ist derselbe Landrath, welcher in der von ihm geleiteten Schullehrer-Konferenz, die Aeßerung machte, daß es in der Berliner Versammlung eine anarchische Partei gäbe, die man mit Kartätschen niederschießen müsse.

Unter dem Vorsitz solcher Landräthe mußten sich die preußischen Volks-Schullehrer im ganzen Lande versammeln, um ihre Wünsche zu erkennen zu geben. Da nun heute der Antrag gestellt wurde, daß, da die Lehrer unter dem Vorsitz der Landräthe und geistlichen Schulinspektoren ihre Gesinnungen und Wünsche nicht frei aussprechen könnten, die Kreisversammlungen der Lehrer ohne alle Bevormundung nochmals stattfinden sollte, erklärte sich der neue Kultus-Minister Rodbertus dagegen und billigte die Anordnungen seines Vorgängers. Der Antrag fiel auch wirklich durch.

Man sieht hier jetzt täglich dem Friedensabschluß mit Dänemark entgegen. An eine Abschaffung des Sundzolls, dieses mittelalterlichen Ueberrestes des Raubstaatensystems, ist nicht zu denken. Unsere Ostseehäfen werden noch ferner unter diesem Drucke leiden müssen. Das starke Preußen muß dem kleinen Dänemark jährlich Millionen Tribut entrichten; dies Dänemark sperrt seit Monaten unsere Häfen und dabei thut das Ministerium nichts: es zieht sogar die Truppen von Jütland aus „strategischen“ Rücksichten zurück. Die Folgen einer solchen Politik liegen auf der Hand.

Berlin, 2. Juli.

Die Sache wird gut. Kaum, daß Hr. Monecke verurtheilt ist, oder vielmehr noch vorher, wird schon ein Anderer unter ähnlicher Anschuldigung eingekerkert. Heute früh um 7 Uhr ist Hr. Fernbach früher Student in Heidelberg, wie wir hören, wegen des ihm zugeschriebenen republikanischen Katechismus, in seiner Wohnung verhaftet, 500 daselbst vorgefundene Exemplare dieser Flugschrift eingezogen, und er selbst nach der Stadtvogtei gebracht worden.

(B. Z. H.)
* Berlin, 1. Juli.

Die Polizei des Hrn. Bardeleben hat das öffentliche Feilhalten von Schnaps und Viktualien verboten, wie es heißt, um dadurch „Zusammenrottirungen“ vor der Singakademie zu verhindern. Die s. g. Revolution ist demnach auf ihre wahre Bedeutung zurückgeführt; es ist offenbar, daß die „Zusammenrottungen“ des Volks lediglich den Zweck hatten, auf offner Straße statt in dumpfigen Kellern Schnaps zu trinken, und die Einsicht der Polizei hat durch diese Maßregel alle bedenklichen „Menschenanhäufungen“ für die Zukunft zerstreut. Den Bürgern, welche den Posten an der „Neuen Börse“ beziehen, ist der Auftrag ertheilt, die menschenanhäufenden Marketenderinnen zu verjagen. Bereits haben hier und in Spandau wegen dieser Maßregel kolossale Prügeleien stattgefunden.

Berlin, 1. Juli.

Die Kommission zur Ausarbeitung des Verfassungsentwurfs hat in Betreff der Presse den Beschluß gefaßt, daß dieselbe künftig unter dem allgemeinen Gesetz, also Preßvergehen unter den gewöhnlichen strafrechtlichen Bestimmungen stehen sollten. Da dies aber eine besondere Berücksichtigung im Strafrecht nöthig macht, so soll bis zu der bevorstehenden Revision desselben ein transitorisches Preßgesetz erlassen werden. Mit der Ausarbeitung desselben ist der Abg. Geh. Finanzrath Hesse beauftragt, derselbe, der schon früher mit der Preßgesetzgebung viel beschäftigt war und ein bekanntes Werk darüber schrieb.

(Voss. Ztg.)

‒ Nachfolgenden Artikel hat die Redaktion der Vossischen Zeitung auch gegen Insertionsgebühren nicht annehmen wollen:

Die Gazeta Polska Nr. 76 enthält Folgendes: In dem, dem Hrn. Mosczenski gehörigen, im Wongrowiecer Kreise belegenen Dorfe Stempuchowo wurde das Wohnhaus des benannten Herrn dreimal geplündert, auf fliehende Menschen geschossen, Mehrere geprügelt, Alles, was irgend von Werth war, geraubt und endlich, da nichts mehr zu rauben war ‒ Frauen geschändet. ‒ So ergriff man ein 17jähriges, unschuldiges Mädchen, Marianna Sagodzinska, und während dieselbe von 4 Soldaten festgehalten wurde, befriedigten andere sieben an ihr der Reihe nach ihre thierische Lust! ‒ Der hinzugekommene Offizier, welcher die Arme blutbefleckt sah, gab ihr, um sie zu beruhigen, einen Thaler (!), sie warf ihn natürlich dem Offizier in's Gesicht, die Welt verfluchend. ‒ In Folge dieser mehr wie thierischen Behandlung ist das arme Opfer erkrankt. Zeugen des Vorfalls waren: der Wirth Joseph Galewicz und der Vogt Andreas Lipinski, die die Wahrheit des Erzählten eidlich bestätigen können. ‒ Obigen Vorfall bestätigt außerdem noch ein anderer Brief, unter Namhaftmachung mehrerer Zeugen.

27 Breslau, 30. Juni.

Mehrere Soldaten des 10. Infant. Reg. hatten vor mehreren Wochen in der hiesigen Oderzeitung erklärt: Sie könnten Addressen, welche die Offiziere fertig in der Tasche auf den Appel brächten, nicht unterschreiben, wie andere Regimenter es thun, da ihnen ja das Versammlungsrecht entzogen sei. Sie wüßten ebenfalls was ihre Pflicht sei, sie wüßten aber auch, daß sie aus dem Volke stammen.

Auf diesen Artikel hin ließ der Lieut. Baron von Kottwitz die in Breslau befindlichen Soldaten des 10. Regiments darauf vereidigen, daß sie jene Erklärung nicht abgegeben hätten, sondern daß sie die Erklärung der andern Regimenter billigten. Dieses Faktum wurde dem Deputirten Nees v. Esenbeck zur Interpellation an den Kriegsminister mitgetheilt. Auf seine am 2. d. M. in sehr energischen Worten gestellte schriftliche Anfrage erhielt er am 22. d. M. vom Kriegsminister v. Schreckenstein folgendes Rescript:

„Daß auf Grund einer Requisition des Kommandeurs des 10. Infanterie Regiments, Obersten Kunkel v. Löwenstein, der untersuchungsführende Offizier des 11. Infanterie Regiments, Lieutn. Baron v. Kottwitz beauftragt worden ist, die in Breslau als kommandirt und krank zurückgebliebnen Mannschaften des Regiments darüber protokollarisch zu vernehmen,

ob der anliegende Zeitungsartikel wirklich von Soldaten des 10. Infanterie Regiments ausgegangen sei, und, wenn dieß der Fall gewesen, ob die Vorgesetzten darum gewußt haben.

Der v. Kottwitz hat sich indeß in Folge einer unrichtigen Auffassung des ihm ertheilten Auftrages nicht darauf beschränkt, die Antworten der Mannschaften auf jene Frage zu Protokoll zu nehmen, sondern die Vernommenen auch über ihre Zustimmung zu der Adresse des 11. Inf. Reg. befragt und dieselben sodann auf ihre Erklärungen vereidigt.

Diese Ueberschreitung des dem v. Kottwitz ertheilten Auftrages kann ich nur mißbilligen und habe deshalb das königl. General Kommando des 6. Armee Corps ersucht, bei der competenten Behörde die Bestrafung des v. Kottwitz zu veranlassen.

Ich selbst aber habe weder die Einleitung einer Untersuchung noch die disziplinarische Bestrafung dieses Offiziers anordnen können, weil dies nach den bestehenden Gesetzen nicht zu meinen Befugnissen gehört.“

** Breslau, 29. Juni.

Binnen 4 Wochen sollen die unbeschäftigten Arbeiter aus unserer Stadt entfernt werden. Wohin? Das weiß man nicht. Ob und wie man sie etwa in der hiesigen oder in einer andern Provinz zu beschäftigen gedenkt; darüber verlautet eben so wenig. Wird die Maaßregel ausgeführt, so wird sie große Erbitterung und Aufregung zur Folge haben. Im demokratischen Klub giebt es jetzt lebhafte Debatten. Es handelt sich um ein Manifest an die slavischen Völkerstämme, in welchem die gleiche Berechtigung der deutschen wie der Slaven ausgesprochen werden soll. Die Demokraten beabsichtigen damit zu gleicher Zeit, den unaufhörlich von den Reaktionärs gegen die Czechen und Polen verbreiteten Lügen und Verleumdungen und der unablässigen Hetzerei entgegen zu treten. Die Beschlußnahme ist auf nächste Sitzung vertagt. Es ist erfreulich, wie zahlreich auch Damen an den Verhandlungen des Klubs die oft bis spät in die Nacht hinein dauern, mit gespannter Aufmerksamkeit Theil nehmen. In Oberschlesien macht die Demokratie unerwartete Fortschritte. Der konstitutionelle Central-Verein strengt sich vergeblich an, durch Austheilung von Kartoffeln Propaganda zu machen. Am 15. d. M. tritt ein Kongreß von Abgeordneten sämmtlicher Demokraten Schlesiens zusammen, um die Parthei fest zu organisiren.

* Königsberg, 27. Juni.

Der hiesige Arbeiterverein, der täglich an Zahl wächst, verhandelte gestern den Antrag: es möge sich der Verein bewaffnen und ein abgesondertes fliegendes Korps bilden. Die Beschlußnahme darüber wurde auf die nächste Sitzung vertagt. Es machten sich dann von allen Seiten Klagen laut, daß das königl. Haus so wenig zur freiwilligen Staatsanleihe beigesteuert. Das Land, meinte man, habe mit Recht erwarten dürfen, daß der hohe Patriotismus der königl. Prinzen einige Millionen baar und nächstdem ihr sämmtliches Silbergeschirr auf den Altar des Vaterlandes niederlegen würden. Auch wurde ein Antrag an Stadtverordnete und Magistrat auf Abschaffung der jetzt ganz unnützen und müßigen königlichen Polizei und Einrichtung einer rein städtischen beschlossen.

X Aus dem schlesischen Mittelgebirge, 28. Juni.

I den jüngsten Tagen hat der Oberpräsident der Provinz, Herr Pinder, eine Inspektionsreise durch unsere Gebirgskreise gemacht, wo in Wiese, Feld und Wald der Segen der Natur in reichster Fülle prangt, in den zahlreichen Weberhütten an den kargen Berglehnen aber der nachhaltige Fluch des alten Systems sich in der erschreckendsten Elendsfülle offenbart. Der Oberpräsident hat die leeren Webstühle, die reinlichen leeren Schüsseln, die nackten großen Kinder gesehen, denen ihr einziges Hemde gewaschen wurde. Er hat endlich die hohläugigen verhungerten Männer und Weiber dieses geistig und leiblich verkommenen Webergeschlechts selbst kennen gelernt, die vorzugsweise die Kreuzträger unserer verrotteten gewerblichen Zustände, die Sündenböcke des alten selbstsüchtigen Verwaltungssystems geworden sind, wobei kein anderes Prinzip als das der Steuererhebung mit eiserner Konsequenz und göttlicher Sorglosigkeit befolgt wurde. Pinder hat versichert, daß eine Kommission diese tiefgewurzelten Elendszustände zu untersuchen bereits beauftragt sei und die Seehandlung ausländische längst verlorene Absatzmärkte für die schlesischen Leinenwaaren wieder zu gewinnen suchen werde, wie es bei dem Ministerio Hansemann und Patow durch eine Weberdeputation vor einigen Wochen beantragt worden. Die längst versprochene Hülfe wird „in Aussicht gestellt.“ In den Fabrikdörfern am Eulengebirge ist die Hungerpest ausgebrochen.

19 Mannheim, 28. Juni.

Ueber die Behandlung der verhafteten Freischärler in dem Zellengefängniß zu Bruchsal vernimmt man fortwährend die lautesten Klagen. Die Gefangenen liegen in kleinen, dumpfigen Zellen, deren Athmosphäre in der nachtheiligsten Weise auf ihre Gesundheit wirkt; bereits zählt man eine Menge Kranke, darunter besonders an der Brust Leidende. Zu freier Bewegung vergönnt man ihnen alle 1 oder 2 Tage zehn Minuten lang im Hofe spazieren zu gehen. Die Kost ist über alle Maßen dürftig zugemessen, und mitunter so ekelhaft, daß selbst die Hungrigsten dieselbe nicht berühren. Hr. v. Bornstedt, den man für den Fall einer nochmaligen öffentlichen Erklärung über seine Behandlung mit Entziehung von Schreibmaterialien und Einsperrung in eine dunkle Strafzelle (Cachot) bedrohte, veröffentlicht in der hiesigen Abendzeitung weitere Beschwerden, und klagt namentlich, daß die Gefangenen, die kein Geld besitzen, nicht einmal ein Reinigungsbad erhalten, was doch in allen „wohlorganisirten Gefängnissen“ gleich beim Eintritt geschehe. Alles Geld, welches für die Gefangenen ankömmt, bleibt bei der Verwaltung deponirt, und es währt oft 3 bis 4 Tage, bis sie Auszahlungen für die nothwendigsten Bedürfnisse erhalten. Beim Spaziergang ist es den Gefangenen streng untersagt, sich miteinander zu unterhalten; Besuche werden nur ausnahmsweise und höchst spärlich zugelassen, dagegen aber erlaubt die Gefängnißverwaltung einer Menge von Beamten, Offizieren, Fähndrichs u. s. w. mit Weibern und Kindern den Einlaß, um die Gefangenen beim Spaziergang gleich einer interessanten Menagerie zu besichtigen, und ihre Glossen dazu zu machen. ‒ Unter den Gefangenen selbst befinden sich zahlreiche Familienväter, Geschäftsleute, Bauern, Arbeiter, Advokaten, deren Verhältnisse durch die lange Haft gänzlich ruinirt werden, und die man trotz aller Reklamationen weder verhört noch in Freiheit setzt. Wo ist nun die Versicherung des Ministers Bekk geblieben, der in der Mitte des vorigen Monats in der Kammer erklärte, daß alle die, welche nicht Anführer oder besonders gravirt seien, alsbald aus der Untersuchungshaft entlassen werden sollten? Aber die christlich-germanische Staatspolizei kann kein besseres Mittel zur Vernichtung der „Mißliebigen“ und „Rebellen“ finden, als dieselben in die Käfige der Gerechtigkeit zu sperren, bis ihre Körperkräfte gebrochen und ihre Familien an den Bettelstab gebracht sind!

Ulm, 28. Juni.

Unsere heutige „Schnellpost“ berichtet: ‒ Herr Schiffterling hatte auf gestern Abend in die Wirthschaft „zum Schiff“ eine Versammlung ausgeschrieben, in welcher im Beisein des Polizei-Kommissärs und Oberamtsaktuars die Gründung eines demokratischen Vereins in größter Ruhe und Ordnung besprochen wurde. Die Versammlung war kaum beendet und man wollte eben zu der Unterzeichnung schreiten, als eine Anzahl Cavalleristen, (wie man sagt Unteroffiziere), in den Saal stürzte und ohne alle Veranlassung mit scharfer Waffe über die Anwesenden herfiel. Die wehrlosen Bürger mußten aus den Fenstern flüchten, aber auch außerhalb des Gebäudes wurden sie wieder überfallen und Viele mehr oder weniger bedeutend verwundet. Der Bäcker Haag, Sohn, welchem durch einen Hieb der Schädel zerhauen wurde, liegt ohne Hoffnung darnieder. Die blinde Wuth, mit welcher die wilde Horde in dem Saal gehaust und unter den Anwesenden gemetzelt, steht beinahe ohne Beispiel da.

* Dresden, 28. Juni.

Heute begann in der 2. Kammer die Berathung des Wahlgesetzes. Der Kommissionsantrag stellt den Satz auf: „ohne Einkammersystem keine wahre Volksvertretung.

* Kassel, 30. Juni.

In der Kammer stellte gestern Hr. Bredemeier die Frage, ob der seit der Revolution verschwundene Staatsrath Scheffer seine Entlassung erhalten habe oder sein Gehalt fortbeziehe. Der Landtagskommissar erwiederte, daß er von einer Entlassung Scheffer's „nichts wisse“; und daß Scheffer seinen Gehalt fortwährend erhalte. Einige Mitglieder wollten wissen, ob Hr. Scheffer, der bekanntlich in Betten versteckt aus Kassel entfloh, mit oder ohne Urlaub sich entfernt habe, und verlangten, daß im letztern Fall die Gehaltsauszahlung aufhöre; Herr Henkel aber bat die Versammlung den Gegenstand mit Stillschweigen zu übergehen, und die Kammer sprach sich für die Bemerkung Pfeiffers aus: „Man möge in Gottes Namen Hrn. Scheffer seinen Gehalt im Ausland verzehren lassen.“ ‒ In der heutigen Sitzung diskutirte die Kammer die Frage wegen Verfolgung der Civilansprüche des Staats gegen den früheren Finanzministers Motz, wobei vornehmlich das mit Rothschild negocirte Lotterieanlehen zur Sprache kam. Der Ausschuß hatte die Ansicht ausgesprochen, daß eine kriminalrechtliche Verfolgung durch das Amnestiegesetz abgeschnitten sei und der Civilrechtsweg ohne Erfolg sein würde, weshalb man diese „traurige Geschichte“ der Vergessenheit anheim geben solle. Die Versammlung beschloß jedoch auf den Antrag Lederers, den Rechtsausschuß mit einer Begutachtung zu beauftragen.

Hamburg, 28. Juni.

Als ich am letzten Sonntag, 25. J [#], per Eisenbahn von Hannover nach Harburg fuhr, traf ich im Waggon mit einem reisenden Handwerker zusammen, dessen Na-

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          <p><pb facs="#f0002" n="0168"/>
maschendienstes, Adams                         und <hi rendition="#g">Reichensperger</hi> nebst Consorten. Der &#x201E;freie                         deutsche Rhein&#x201C; wird unter dem Schutz solcher Männer keinen Einfall der                         Russen zu fürchten haben.</p>
        </div>
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          <head><bibl><author>S</author></bibl> Frankfurt, 1. Juli.</head>
          <p>Ueber den Inhalt der heutigen Debatten schwiege ich lieber. Der <hi rendition="#g">alte</hi> E. M. Arndt gab redselige Mittheilungen aus                         seinem Leben und wäre ein liebenswürdiger alter Schwätzer gewesen, hätte er                         nicht auf der Rednerbühne der Paulskirche gestanden. Ueber die Wahl des Abg.                         für Thiengen geriethen einige Herrn in Hitze. Obgleich die überwiegende                         Mehrheit daselbst Fr. Hecker gewählt, will ihn die badische Regierung doch                         nicht über die Gränze zurückkehren lassen, beschuldigt sogar außer ihm die                         sämmtlichen Urwähler des Hochverraths. Einer nach dem andern betritt die                         Tribüne, man möge die Sache an den Legitimationsausschuß geben, eine                         Separat-Kommission mit der Untersuchung beauftragen, die Aktenstücke vorher                         drucken lassen, die Formalien gehörig ins Auge fassen etc. Der Fürst <hi rendition="#g">Lichnowski,</hi> der edle Ritter, erklärte, es sei viel                         zu viel &#x201E;Ehre&#x201C; für einen Hochverräther, wenn eine Separat-Kommission um ihn                         gewählt werde. Ein Sturm des Unwillens unterbrach seine Worte und rauschte                         von der Linken empor über die Gallerien. Das fürstliche Bewußtsein, mit den                         Händen in der Hose, schwieg großartig, nur als der Abg. <hi rendition="#g">Zitz</hi> entgegnete, <hi rendition="#g">Hecker</hi> sei kein                         Hochverräther, wie der <hi rendition="#g">Fürst</hi> Lichnowski behaupte, da                         er nur gegen <hi rendition="#g">Fürsten</hi>willkühr, nicht gegen die                         Volkssouveränität in den Waffen gestanden habe, empörte sich der moderne <hi rendition="#g">Carabella</hi> und sandte dem Bürger Zitz seine &#x2012; Karte.                         Durch den <hi rendition="#g">Berliner</hi> Abg. Nauwerk wurde der Streit von                         dem rechten Gesichtspunkte beleuchtet, die Entscheidung sei wichtig genug,                         um einer besondern Kommission übergeben zu werden, die Wahlfreiheit des                         deutschen Volkes dürfe nicht durch das Ermessen einer Separatregierung in                         Frage gestellt werden und übrigens sei auch durch eine <hi rendition="#g">faktische</hi> Revolution in ganz Deutschland der Begriff des Wortes                         &#x201E;Hochverrath&#x201C; faktisch ein anderer geworden. W. Jordan erklärte sich mit ihm                         einverstanden, Lichnowski sei voreilig gewesen. Hr. Lichtfreund Schwetschke                         benutzte die Gelegenheit, mit dem Herrn Fürsten übereinzustimmen, um vor                         allen Augen kräftiglichst die Rechte des Fürsten drücken zu können. Viele                         lächelten über diesen schwachen Versuch. &#x2012; Die folgende Debatte über die                         slawische Frage wurde in bekannter Weise breitgetreten statt gelöst zu                         werden. Wir bemerken nur, daß Hr. Giskra, um ein großer Redner zu sein,                         nicht so vieler Worte bedurft hätte. Hartmann beantragte am Schluß, Ungarn                         möge wegen seiner Vorpostenstellung gegen Rußland der Exekutiv-Centralgewalt                         besonders empfohlen werden. Mag es. Diese Empfehlung wird Ungarn eben so                         wenig retten, wie das ganze Parlament Deutschland.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar034_005" type="jArticle">
          <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 1. Juli.</head>
          <p>Der demokratische Klub will folgende Petition, welche bereits mit vielen                         tausend Unterschriften versehen ist, an die Vereinbarer-Versammlung abgehen                         lassen.</p>
          <p>Hohe Versammlung! Die Unterzeichneten, in Erwägung: daß trotz des 19. Märzes                         häufig, namentlich in neuerer Zeit, Verhaftungen vorgekommen sind, ohne daß                         gegen die Angeklagten eine <hi rendition="#g">bestimmte</hi> Anklage vorlag;                         in Erwägung, daß Staatsbürger sechs Wochen und länger in Haft gehalten                         wurden, ohne daß gegen sie eine bestimmte Anklage erhoben wurde: ersuchen                         Eine hohe Versammlung, dieselbe möge schleunigst eine provisorische                         Habeas-Corpus-Akte erlassen, des Inhalts, daß kein Staatsbürger anders                         verhaftet werden darf, als wenn eine <hi rendition="#g">bestimmte</hi> Anklage gegen ihn vorliegt.</p>
          <p>In Folge des Beschlusses der Plenarversammlung vom 26. Juni, daß der                         Adreßentwurf an die Adreßkommission zurückzuweisen sei, sind dieser                         Kommission vom Staatsministerium verschiedene Erklärungen, namentlich in                         Betreff der äußern Politik, gegeben worden. Dessenungeachtet hat die                         Kommission einstimmig beschlossen, einer hohen Versammlung vorzuschlagen:                             &#x201E;<hi rendition="#g">von der Berathung einer Adresse abzustehen.</hi>&#x201C;                         Die Umstände, unter denen gegenwärtig in dieselbe eingetreten werden würde,                         sind wesentlich verschieden von denen, unter welchen früher der Erlaß einer                         Adresse beliebt wurde. Das vorige Kabinet wollte die Erlassung einer                         Adresse, um das Urtheil der Versammlung über seine Verwaltung zu vernehmen;                         es wollte in der Adreßdebatte die Prinzipien entwickeln, von denen aus es                         die Geschäfte geleitet hatte. Für das gegenwärtige Ministerium liegt ein                         solches Bedürfniß nicht vor. Seine Verwaltung hat so eben erst begonnen, die                         Versammlung hat daher ein Vergangenes nicht zu beurtheilen.</p>
          <p>Wie das neue Ministerium die Geschäfte leitet, das wird die Versammlung                         beurtheilen können aus den Vorlagen, die derselben in Aussicht gestellt                         sind. Auf die bloße Ankündigung derselben bei einer Adreßdebatte Rücksicht                         zu nehmen, scheint weder an und für sich thunlich noch nothwendig, wenn die                         Berathung der Vorlagen, selbst in kürzester Frist, bevorsteht, noch                         angemessen in Erwiderung auf eine Thronrede, welche von dem gegenwärtigen                         Ministerio nicht abgefaßt ist. &#x2012; Diesen Gründen wird wohl auch die Mehrheit                         der Versammlung beistimmen; wie wird sich aber das Ministerium alsdann aus                         der Klemme herausziehen, da es doch durchaus auf einer Adreßdebatte bestand?                         Es wird schwerlich diesmal eine Kabinetsfrage daraus machen, das wäre zu                         gefährlich.</p>
          <p>In der heutigen Sitzung nahm die Vereinbarungsversammlung den Antrag des <hi rendition="#g">Abgeordneten Windhorft</hi> fast einstimmig an, &#x201E;daß                         diejenigen Abgeordnete, welche einen besoldeten Staatsdienst oder eine                         Beförderung auf eine höhere Stelle annehmen, sich einer Neuwahl unterwerfen                         müssen.&#x201C; &#x2012; Der Antragsteller hatte seinen Antrag sehr gut motivirt und hob                         besonders hervor, daß die Versammlung namentlich dazu gewählt sei, um eine <hi rendition="#g">freie</hi> Verfassung zu entwerfen, daß die Wähler                         glauben, frcie Männer gewählt zu haben, welche aber durch die Annahme eines                         besoldeten Amtes oder einer Beförderung nicht mehr für frei und ungebunden                         anzusehen seien. Deshalb erfordere es die Nothwendigkeit, daß sich solche                         Abgeordnete einer Neuwahl unterwerfen, um zu sehen, ob sie das Vertrauen                         ihrer Wähler noch besitzen.</p>
          <p>Vor dem Sitzungssaale der Versammlung, der Sing-Akademie, waren heute viele                         hundert Arbeiter versammelt, welche vorgestern von ihren Arbeiten entlassen                         worden und nun beschäftigungslos den Minister des Handels und der Arbeiten                         abwarteten, um Beschäftigung von ihm zu erbitten. Der Minister wurde darüber                         in heutiger Sitzung interpellirt und erklärte: Bei den Arbeiten zur                         Herstellung eines Kanals zwischen Berlin und Spandau, am Plötzensee, haben                         sich seit einigen Wochen viele Arbeiter, über die ursprünglich festgestellte                         Anzahl von 1600 bis 1800, hinzugedrängt. Die Arbeiten sind dort zweierlei.                         Erstens die Ausgrabung des Bettes zum Kanal, welche den Arbeitern in Akkord                         gegeben wird, wobei über 1400 beschäftigt sind, welche einen besondern                         Arbeiterverein gebildet und bisher 18, 20-24 Silbergroschen täglich verdient                         haben. &#x2012; Zweitens bestehen die Arbeiten in Ausrodungen von Bäumen, wofür ein                         Tagelohn von 15 Silbergroschen gezahlt wurde. Diese Tagelohn-Arbeiter                         schritten aber langsam vorwärts, und die Arbeiter leisteten so wenig, daß                         man diesem Unfug steuern mußte, denn man kann die Gelder des Staats nicht                         auf solche Weise vergeuden. Es wurde daher beschlossen, diesen 1200                         Tagelohn-Arbeitern ihre bisherigen Arbeiten zu kündigen, den Verheiratheten                         davon freizustellen, in den Verein der Akkordarbeiter einzutreten, die                         jungen und ledigen Arbeiter aber zu den Arbeiten nach der Ostbahn zu senden,                         da sie nicht alle am Kanalbau beschäftigt werden könnten. Noch bevor den                         Arbeitern dieser Beschluß publicirt wurde, mußten sie davon auf anderm Wege                         Nachricht erhalten haben. Da sie nun die Schuld ihrer Entlassung dem                         Aufseher zuschrieben, so mißhandelten sie denselben, und geriethen mit den                         Akkordarbeitern in Streit. &#x2012; Das Staatsministerium kann übrigens nicht                         anerkennen, daß es verpflichtet sei, für alle Arbeitslosen in den großen                         Städten zu sorgen, indem dies vielmehr den Kommunalbehörden zusteht, da die                         Staatsgelder nicht allein für die Arbeiter in den Städten ausgegeben werden                         können.</p>
          <p>Der Abgeordnete <hi rendition="#g">Rehnsch,</hi> dessen Wahl für ungültig                         wurde, ist in seinem Kreise Neu-Stettin, Regierungsbezirk Küstrin, zum                         zweiten Mal gewählt worden. Er gehört zur demokratischen Partei und deshalb                         wurde vom Wahlkommissarius, dem dortigen Landrath, gegen seine Wahl                         bedeutend agitirt. Dieser Landrath schlug sogar mit seinem, mit Eisen                         beschlagenen Stock auf Hrn. Rehnsch, welcher nun in heutiger Versammlung das                         ganze <hi rendition="#g">reaktionäre</hi> Verfahren des Landraths, den er                         auch des versuchten Todtschlags beschuldigt, mittheilte. Der Justiz-Minister                         verspricht die Untersuchung einzuleiten. Es ist derselbe Landrath, welcher                         in der von ihm geleiteten Schullehrer-Konferenz, die Aeßerung machte, daß es                         in der Berliner Versammlung eine anarchische Partei gäbe, die man mit                         Kartätschen niederschießen müsse.</p>
          <p>Unter dem Vorsitz solcher Landräthe mußten sich die preußischen                         Volks-Schullehrer im ganzen Lande versammeln, um ihre Wünsche zu erkennen zu                         geben. Da nun heute der Antrag gestellt wurde, daß, da die Lehrer unter dem                         Vorsitz der Landräthe und geistlichen Schulinspektoren ihre Gesinnungen und                         Wünsche nicht frei aussprechen könnten, die Kreisversammlungen der Lehrer                         ohne alle Bevormundung nochmals stattfinden sollte, erklärte sich der neue                         Kultus-Minister <hi rendition="#g">Rodbertus</hi> dagegen und billigte die                         Anordnungen seines Vorgängers. Der Antrag fiel auch wirklich durch.</p>
          <p>Man sieht hier jetzt täglich dem Friedensabschluß mit Dänemark entgegen. An                         eine Abschaffung des Sundzolls, dieses mittelalterlichen Ueberrestes des                         Raubstaatensystems, ist nicht zu denken. Unsere Ostseehäfen werden noch                         ferner unter diesem Drucke leiden müssen. Das starke Preußen muß dem kleinen                         Dänemark jährlich Millionen Tribut entrichten; dies Dänemark sperrt seit                         Monaten unsere Häfen und dabei thut das Ministerium nichts: es zieht sogar                         die Truppen von Jütland aus &#x201E;strategischen&#x201C; Rücksichten zurück. Die Folgen                         einer solchen Politik liegen auf der Hand.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar034_006" type="jArticle">
          <head> Berlin, 2. Juli.</head>
          <p>Die Sache wird gut. Kaum, daß Hr. <hi rendition="#g">Monecke</hi> verurtheilt                         ist, oder vielmehr noch vorher, wird schon ein Anderer unter ähnlicher                         Anschuldigung eingekerkert. Heute früh um 7 Uhr ist Hr. <hi rendition="#g">Fernbach</hi> früher Student in Heidelberg, wie wir hören, wegen des                         ihm zugeschriebenen republikanischen Katechismus, in seiner Wohnung                         verhaftet, 500 daselbst vorgefundene Exemplare dieser Flugschrift                         eingezogen, und er selbst nach der Stadtvogtei gebracht worden.</p>
          <bibl>(B. Z. H.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar034_007" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 1. Juli.</head>
          <p>Die Polizei des Hrn. Bardeleben hat das öffentliche Feilhalten von Schnaps                         und Viktualien verboten, wie es heißt, um dadurch &#x201E;Zusammenrottirungen&#x201C; vor                         der Singakademie zu verhindern. Die s. g. Revolution ist demnach auf ihre                         wahre Bedeutung zurückgeführt; es ist offenbar, daß die &#x201E;Zusammenrottungen&#x201C;                         des Volks lediglich den Zweck hatten, auf offner Straße statt in dumpfigen                         Kellern Schnaps zu trinken, und die Einsicht der Polizei hat durch diese                         Maßregel alle bedenklichen &#x201E;Menschenanhäufungen&#x201C; für die Zukunft zerstreut.                         Den Bürgern, welche den Posten an der &#x201E;Neuen Börse&#x201C; beziehen, ist der                         Auftrag ertheilt, die menschenanhäufenden Marketenderinnen zu verjagen.                         Bereits haben hier und in Spandau wegen dieser Maßregel kolossale Prügeleien                         stattgefunden.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar034_008" type="jArticle">
          <head> Berlin, 1. Juli.</head>
          <p>Die Kommission zur Ausarbeitung des Verfassungsentwurfs hat in Betreff der                         Presse den Beschluß gefaßt, daß dieselbe künftig unter dem allgemeinen                         Gesetz, also Preßvergehen unter den gewöhnlichen strafrechtlichen                         Bestimmungen stehen sollten. Da dies aber eine besondere Berücksichtigung im                         Strafrecht nöthig macht, so soll bis zu der bevorstehenden Revision                         desselben ein transitorisches Preßgesetz erlassen werden. Mit der                         Ausarbeitung desselben ist der Abg. Geh. Finanzrath Hesse beauftragt,                         derselbe, der schon früher mit der Preßgesetzgebung viel beschäftigt war und                         ein bekanntes Werk darüber schrieb.</p>
          <bibl>(Voss. Ztg.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar034_009" type="jArticle">
          <p>&#x2012; Nachfolgenden Artikel hat die Redaktion der Vossischen Zeitung auch gegen                         Insertionsgebühren nicht annehmen wollen:</p>
          <p>Die Gazeta Polska Nr. 76 enthält Folgendes: In dem, dem Hrn. Mosczenski                         gehörigen, im Wongrowiecer Kreise belegenen Dorfe Stempuchowo wurde das                         Wohnhaus des benannten Herrn dreimal geplündert, auf fliehende Menschen                         geschossen, Mehrere geprügelt, Alles, was irgend von Werth war, geraubt und                         endlich, da nichts mehr zu rauben war &#x2012; Frauen geschändet. &#x2012; So ergriff man                         ein 17jähriges, unschuldiges Mädchen, Marianna Sagodzinska, und während                         dieselbe von 4 Soldaten festgehalten wurde, befriedigten andere sieben an                         ihr der Reihe nach ihre thierische Lust! &#x2012; Der hinzugekommene Offizier,                         welcher die Arme blutbefleckt sah, gab ihr, um sie zu beruhigen, einen                         Thaler (!), sie warf ihn natürlich dem Offizier in's Gesicht, die Welt                         verfluchend. &#x2012; In Folge dieser mehr wie thierischen Behandlung ist das arme                         Opfer erkrankt. Zeugen des Vorfalls waren: der Wirth Joseph Galewicz und der                         Vogt Andreas Lipinski, die die Wahrheit des Erzählten eidlich bestätigen                         können. &#x2012; Obigen Vorfall bestätigt außerdem noch ein anderer Brief, unter                         Namhaftmachung mehrerer Zeugen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar034_010" type="jArticle">
          <head><bibl><author>27</author></bibl> Breslau, 30. Juni.</head>
          <p>Mehrere Soldaten des 10. Infant. Reg. hatten vor mehreren Wochen in der                         hiesigen Oderzeitung erklärt: Sie könnten Addressen, welche die Offiziere                         fertig in der Tasche auf den Appel brächten, nicht unterschreiben, wie                         andere Regimenter es thun, da ihnen ja das Versammlungsrecht entzogen sei.                         Sie wüßten ebenfalls was ihre Pflicht sei, sie wüßten aber auch, daß sie aus                         dem Volke stammen.</p>
          <p>Auf diesen Artikel hin ließ der Lieut. Baron von Kottwitz die in Breslau                         befindlichen Soldaten des 10. Regiments darauf vereidigen, daß sie jene                         Erklärung nicht abgegeben hätten, sondern daß sie die Erklärung der andern                         Regimenter billigten. Dieses Faktum wurde dem Deputirten Nees v. Esenbeck                         zur Interpellation an den Kriegsminister mitgetheilt. Auf seine am 2. d. M.                         in sehr energischen Worten gestellte schriftliche Anfrage erhielt er am 22.                         d. M. vom Kriegsminister v. Schreckenstein folgendes Rescript:</p>
          <p>&#x201E;Daß auf Grund einer Requisition des Kommandeurs des 10. Infanterie                         Regiments, Obersten Kunkel v. Löwenstein, der untersuchungsführende Offizier                         des 11. Infanterie Regiments, Lieutn. Baron v. Kottwitz beauftragt worden                         ist, die in Breslau als kommandirt und krank zurückgebliebnen Mannschaften                         des Regiments darüber protokollarisch zu vernehmen,</p>
          <p rendition="#et">ob der anliegende Zeitungsartikel wirklich von Soldaten des                         10. Infanterie Regiments ausgegangen sei, und, wenn dieß der Fall gewesen,                         ob die Vorgesetzten darum gewußt haben.</p>
          <p>Der v. Kottwitz hat sich indeß in Folge einer unrichtigen Auffassung des ihm                         ertheilten Auftrages nicht darauf beschränkt, die Antworten der Mannschaften                         auf jene Frage zu Protokoll zu nehmen, sondern die Vernommenen auch über                         ihre Zustimmung zu der Adresse des 11. Inf. Reg. befragt und dieselben                         sodann auf ihre Erklärungen vereidigt.</p>
          <p>Diese Ueberschreitung des dem v. Kottwitz ertheilten Auftrages kann ich nur                         mißbilligen und habe deshalb das königl. General Kommando des 6. Armee Corps <hi rendition="#g">ersucht,</hi> bei der competenten Behörde die                         Bestrafung des v. Kottwitz zu veranlassen.</p>
          <p>Ich selbst aber habe weder die Einleitung einer Untersuchung noch die                         disziplinarische Bestrafung dieses Offiziers anordnen können, weil dies nach                         den bestehenden Gesetzen nicht zu meinen Befugnissen gehört.&#x201C;</p>
        </div>
        <div xml:id="ar034_011" type="jArticle">
          <head><bibl><author>**</author></bibl> Breslau, 29. Juni.</head>
          <p>Binnen 4 Wochen sollen die unbeschäftigten Arbeiter aus unserer Stadt                         entfernt werden. Wohin? Das weiß man nicht. Ob und wie man sie etwa in der                         hiesigen oder in einer andern Provinz zu beschäftigen gedenkt; darüber                         verlautet eben so wenig. Wird die Maaßregel ausgeführt, so wird sie große                         Erbitterung und Aufregung zur Folge haben. Im demokratischen Klub giebt es                         jetzt lebhafte Debatten. Es handelt sich um ein Manifest an die slavischen                         Völkerstämme, in welchem die gleiche Berechtigung der deutschen wie der                         Slaven ausgesprochen werden soll. Die Demokraten beabsichtigen damit zu                         gleicher Zeit, den unaufhörlich von den Reaktionärs gegen die Czechen und                         Polen verbreiteten Lügen und Verleumdungen und der unablässigen Hetzerei                         entgegen zu treten. Die Beschlußnahme ist auf nächste Sitzung vertagt. Es                         ist erfreulich, wie zahlreich auch Damen an den Verhandlungen des Klubs die                         oft bis spät in die Nacht hinein dauern, mit gespannter Aufmerksamkeit Theil                         nehmen. In Oberschlesien macht die Demokratie unerwartete Fortschritte. Der                         konstitutionelle Central-Verein strengt sich vergeblich an, durch                         Austheilung von Kartoffeln Propaganda zu machen. Am 15. d. M. tritt ein                         Kongreß von Abgeordneten sämmtlicher Demokraten Schlesiens zusammen, um die                         Parthei fest zu organisiren.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar034_012" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Königsberg, 27. Juni.</head>
          <p>Der hiesige Arbeiterverein, der täglich an Zahl wächst, verhandelte gestern                         den Antrag: es möge sich der Verein bewaffnen und ein abgesondertes                         fliegendes Korps bilden. Die Beschlußnahme darüber wurde auf die nächste                         Sitzung vertagt. Es machten sich dann von allen Seiten Klagen laut, daß das                         königl. Haus so wenig zur freiwilligen Staatsanleihe beigesteuert. Das Land,                         meinte man, habe mit Recht erwarten dürfen, daß der hohe Patriotismus der                         königl. Prinzen einige Millionen baar und nächstdem ihr sämmtliches                         Silbergeschirr auf den Altar des Vaterlandes niederlegen würden. Auch wurde                         ein Antrag an Stadtverordnete und Magistrat auf Abschaffung der jetzt ganz                         unnützen und müßigen <hi rendition="#g">königlichen</hi> Polizei und                         Einrichtung einer rein <hi rendition="#g">städtischen</hi> beschlossen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar034_013" type="jArticle">
          <head><bibl><author>X</author></bibl> Aus dem schlesischen Mittelgebirge,                         28. Juni.</head>
          <p>I den jüngsten Tagen hat der Oberpräsident der Provinz, Herr Pinder, eine                         Inspektionsreise durch unsere Gebirgskreise gemacht, wo in Wiese, Feld und                         Wald der Segen der Natur in reichster Fülle prangt, in den zahlreichen                         Weberhütten an den kargen Berglehnen aber der nachhaltige Fluch des alten                         Systems sich in der erschreckendsten Elendsfülle offenbart. Der                         Oberpräsident hat die leeren Webstühle, die reinlichen leeren Schüsseln, die                         nackten großen Kinder gesehen, denen ihr <hi rendition="#g">einziges</hi> Hemde gewaschen wurde. Er hat endlich die hohläugigen verhungerten Männer                         und Weiber dieses geistig und leiblich verkommenen Webergeschlechts selbst                         kennen gelernt, die vorzugsweise die Kreuzträger unserer verrotteten                         gewerblichen Zustände, die Sündenböcke des alten selbstsüchtigen                         Verwaltungssystems geworden sind, wobei kein anderes Prinzip als das der                         Steuererhebung mit eiserner Konsequenz und göttlicher Sorglosigkeit befolgt                         wurde. Pinder hat versichert, daß eine Kommission diese tiefgewurzelten                         Elendszustände zu untersuchen bereits beauftragt sei und die Seehandlung                         ausländische längst verlorene Absatzmärkte für die schlesischen Leinenwaaren                         wieder zu gewinnen suchen werde, wie es bei dem Ministerio Hansemann und                         Patow durch eine Weberdeputation vor einigen Wochen beantragt worden. Die                         längst versprochene Hülfe wird &#x201E;in Aussicht gestellt.&#x201C; In den Fabrikdörfern                         am Eulengebirge ist die Hungerpest ausgebrochen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar034_014" type="jArticle">
          <head><bibl><author>19</author></bibl> Mannheim, 28. Juni.</head>
          <p>Ueber die Behandlung der verhafteten Freischärler in dem Zellengefängniß zu                         Bruchsal vernimmt man fortwährend die lautesten Klagen. Die Gefangenen                         liegen in kleinen, dumpfigen Zellen, deren Athmosphäre in der                         nachtheiligsten Weise auf ihre Gesundheit wirkt; bereits zählt man eine                         Menge Kranke, darunter besonders an der Brust Leidende. Zu freier Bewegung                         vergönnt man ihnen alle 1 oder 2 Tage zehn Minuten lang im Hofe spazieren zu                         gehen. Die Kost ist über alle Maßen dürftig zugemessen, und mitunter so                         ekelhaft, daß selbst die Hungrigsten dieselbe nicht berühren. Hr. v.                         Bornstedt, den man für den Fall einer nochmaligen öffentlichen Erklärung                         über seine Behandlung mit Entziehung von Schreibmaterialien und Einsperrung                         in eine dunkle Strafzelle (Cachot) bedrohte, veröffentlicht in der hiesigen                         Abendzeitung weitere Beschwerden, und klagt namentlich, daß die Gefangenen,                         die kein Geld besitzen, nicht einmal ein Reinigungsbad erhalten, was doch in                         allen &#x201E;wohlorganisirten Gefängnissen&#x201C; gleich beim Eintritt geschehe. Alles                         Geld, welches für die Gefangenen ankömmt, bleibt bei der Verwaltung                         deponirt, und es währt oft 3 bis 4 Tage, bis sie Auszahlungen für die                         nothwendigsten Bedürfnisse erhalten. Beim Spaziergang ist es den Gefangenen                         streng untersagt, sich miteinander zu unterhalten; Besuche werden nur                         ausnahmsweise und höchst spärlich zugelassen, dagegen aber erlaubt die                         Gefängnißverwaltung einer Menge von Beamten, Offizieren, Fähndrichs u. s. w.                         mit Weibern und Kindern den Einlaß, um die Gefangenen beim Spaziergang                         gleich einer interessanten Menagerie zu besichtigen, und ihre Glossen dazu                         zu machen. &#x2012; Unter den Gefangenen selbst befinden sich zahlreiche                         Familienväter, Geschäftsleute, Bauern, Arbeiter, Advokaten, deren                         Verhältnisse durch die lange Haft gänzlich ruinirt werden, und die man trotz                         aller Reklamationen weder verhört noch in Freiheit setzt. Wo ist nun die                         Versicherung des Ministers Bekk geblieben, der in der Mitte des vorigen                         Monats in der Kammer erklärte, daß alle die, welche nicht Anführer oder                         besonders gravirt seien, alsbald aus der Untersuchungshaft entlassen werden                         sollten? Aber die christlich-germanische Staatspolizei kann kein besseres                         Mittel zur Vernichtung der &#x201E;Mißliebigen&#x201C; und &#x201E;Rebellen&#x201C; finden, als                         dieselben in die Käfige der Gerechtigkeit zu sperren, bis ihre Körperkräfte                         gebrochen und ihre Familien an den Bettelstab gebracht sind!</p>
        </div>
        <div xml:id="ar034_015" type="jArticle">
          <head> Ulm, 28. Juni.</head>
          <p>Unsere heutige &#x201E;Schnellpost&#x201C; berichtet: &#x2012; Herr Schiffterling hatte auf                         gestern Abend in die Wirthschaft &#x201E;zum Schiff&#x201C; eine Versammlung                         ausgeschrieben, in welcher im Beisein des Polizei-Kommissärs und                         Oberamtsaktuars die Gründung eines demokratischen Vereins in größter Ruhe                         und Ordnung besprochen wurde. Die Versammlung war kaum beendet und man                         wollte eben zu der Unterzeichnung schreiten, als eine Anzahl Cavalleristen,                         (wie man sagt Unteroffiziere), in den Saal stürzte und ohne alle                         Veranlassung mit scharfer Waffe über die Anwesenden herfiel. Die wehrlosen                         Bürger mußten aus den Fenstern flüchten, aber auch außerhalb des Gebäudes                         wurden sie wieder überfallen und Viele mehr oder weniger bedeutend                         verwundet. Der Bäcker Haag, Sohn, welchem durch einen Hieb der Schädel                         zerhauen wurde, liegt ohne Hoffnung darnieder. Die blinde Wuth, mit welcher                         die wilde Horde in dem Saal gehaust und unter den Anwesenden gemetzelt,                         steht beinahe ohne Beispiel da.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar034_016" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Dresden, 28. Juni.</head>
          <p>Heute begann in der 2. Kammer die Berathung des Wahlgesetzes. Der                         Kommissionsantrag stellt den Satz auf: <hi rendition="#g">&#x201E;ohne                             Einkammersystem keine wahre Volksvertretung.</hi></p>
        </div>
        <div xml:id="ar034_017" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Kassel, 30. Juni.</head>
          <p>In der Kammer stellte gestern Hr. Bredemeier die Frage, ob der seit der                         Revolution verschwundene Staatsrath Scheffer seine Entlassung erhalten habe                         oder sein Gehalt fortbeziehe. Der Landtagskommissar erwiederte, daß er von                         einer Entlassung Scheffer's &#x201E;nichts wisse&#x201C;; und daß Scheffer seinen Gehalt                         fortwährend erhalte. Einige Mitglieder wollten wissen, ob Hr. Scheffer, der                         bekanntlich in Betten versteckt aus Kassel entfloh, mit oder ohne Urlaub                         sich entfernt habe, und verlangten, daß im letztern Fall die                         Gehaltsauszahlung aufhöre; Herr Henkel aber bat die Versammlung den                         Gegenstand mit Stillschweigen zu übergehen, und die Kammer sprach sich für                         die Bemerkung Pfeiffers aus: &#x201E;Man möge in Gottes Namen Hrn. Scheffer seinen                         Gehalt im Ausland verzehren lassen.&#x201C; &#x2012; In der heutigen Sitzung diskutirte                         die Kammer die Frage wegen Verfolgung der Civilansprüche des Staats gegen                         den früheren Finanzministers Motz, wobei vornehmlich das mit Rothschild                         negocirte Lotterieanlehen zur Sprache kam. Der Ausschuß hatte die Ansicht                         ausgesprochen, daß eine kriminalrechtliche Verfolgung durch das                         Amnestiegesetz abgeschnitten sei und der Civilrechtsweg ohne Erfolg sein                         würde, weshalb man diese &#x201E;traurige Geschichte&#x201C; der Vergessenheit anheim                         geben solle. Die Versammlung beschloß jedoch auf den Antrag Lederers, den                         Rechtsausschuß mit einer Begutachtung zu beauftragen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar034_018" type="jArticle">
          <head>Hamburg, 28. Juni.</head>
          <p>Als ich am letzten Sonntag, 25. J [#], per Eisenbahn von Hannover nach                         Harburg fuhr, traf ich im Waggon mit einem reisenden Handwerker zusammen,                         dessen Na-
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0168/0002] maschendienstes, Adams und Reichensperger nebst Consorten. Der „freie deutsche Rhein“ wird unter dem Schutz solcher Männer keinen Einfall der Russen zu fürchten haben. S Frankfurt, 1. Juli. Ueber den Inhalt der heutigen Debatten schwiege ich lieber. Der alte E. M. Arndt gab redselige Mittheilungen aus seinem Leben und wäre ein liebenswürdiger alter Schwätzer gewesen, hätte er nicht auf der Rednerbühne der Paulskirche gestanden. Ueber die Wahl des Abg. für Thiengen geriethen einige Herrn in Hitze. Obgleich die überwiegende Mehrheit daselbst Fr. Hecker gewählt, will ihn die badische Regierung doch nicht über die Gränze zurückkehren lassen, beschuldigt sogar außer ihm die sämmtlichen Urwähler des Hochverraths. Einer nach dem andern betritt die Tribüne, man möge die Sache an den Legitimationsausschuß geben, eine Separat-Kommission mit der Untersuchung beauftragen, die Aktenstücke vorher drucken lassen, die Formalien gehörig ins Auge fassen etc. Der Fürst Lichnowski, der edle Ritter, erklärte, es sei viel zu viel „Ehre“ für einen Hochverräther, wenn eine Separat-Kommission um ihn gewählt werde. Ein Sturm des Unwillens unterbrach seine Worte und rauschte von der Linken empor über die Gallerien. Das fürstliche Bewußtsein, mit den Händen in der Hose, schwieg großartig, nur als der Abg. Zitz entgegnete, Hecker sei kein Hochverräther, wie der Fürst Lichnowski behaupte, da er nur gegen Fürstenwillkühr, nicht gegen die Volkssouveränität in den Waffen gestanden habe, empörte sich der moderne Carabella und sandte dem Bürger Zitz seine ‒ Karte. Durch den Berliner Abg. Nauwerk wurde der Streit von dem rechten Gesichtspunkte beleuchtet, die Entscheidung sei wichtig genug, um einer besondern Kommission übergeben zu werden, die Wahlfreiheit des deutschen Volkes dürfe nicht durch das Ermessen einer Separatregierung in Frage gestellt werden und übrigens sei auch durch eine faktische Revolution in ganz Deutschland der Begriff des Wortes „Hochverrath“ faktisch ein anderer geworden. W. Jordan erklärte sich mit ihm einverstanden, Lichnowski sei voreilig gewesen. Hr. Lichtfreund Schwetschke benutzte die Gelegenheit, mit dem Herrn Fürsten übereinzustimmen, um vor allen Augen kräftiglichst die Rechte des Fürsten drücken zu können. Viele lächelten über diesen schwachen Versuch. ‒ Die folgende Debatte über die slawische Frage wurde in bekannter Weise breitgetreten statt gelöst zu werden. Wir bemerken nur, daß Hr. Giskra, um ein großer Redner zu sein, nicht so vieler Worte bedurft hätte. Hartmann beantragte am Schluß, Ungarn möge wegen seiner Vorpostenstellung gegen Rußland der Exekutiv-Centralgewalt besonders empfohlen werden. Mag es. Diese Empfehlung wird Ungarn eben so wenig retten, wie das ganze Parlament Deutschland. 103 Berlin, 1. Juli. Der demokratische Klub will folgende Petition, welche bereits mit vielen tausend Unterschriften versehen ist, an die Vereinbarer-Versammlung abgehen lassen. Hohe Versammlung! Die Unterzeichneten, in Erwägung: daß trotz des 19. Märzes häufig, namentlich in neuerer Zeit, Verhaftungen vorgekommen sind, ohne daß gegen die Angeklagten eine bestimmte Anklage vorlag; in Erwägung, daß Staatsbürger sechs Wochen und länger in Haft gehalten wurden, ohne daß gegen sie eine bestimmte Anklage erhoben wurde: ersuchen Eine hohe Versammlung, dieselbe möge schleunigst eine provisorische Habeas-Corpus-Akte erlassen, des Inhalts, daß kein Staatsbürger anders verhaftet werden darf, als wenn eine bestimmte Anklage gegen ihn vorliegt. In Folge des Beschlusses der Plenarversammlung vom 26. Juni, daß der Adreßentwurf an die Adreßkommission zurückzuweisen sei, sind dieser Kommission vom Staatsministerium verschiedene Erklärungen, namentlich in Betreff der äußern Politik, gegeben worden. Dessenungeachtet hat die Kommission einstimmig beschlossen, einer hohen Versammlung vorzuschlagen: „von der Berathung einer Adresse abzustehen.“ Die Umstände, unter denen gegenwärtig in dieselbe eingetreten werden würde, sind wesentlich verschieden von denen, unter welchen früher der Erlaß einer Adresse beliebt wurde. Das vorige Kabinet wollte die Erlassung einer Adresse, um das Urtheil der Versammlung über seine Verwaltung zu vernehmen; es wollte in der Adreßdebatte die Prinzipien entwickeln, von denen aus es die Geschäfte geleitet hatte. Für das gegenwärtige Ministerium liegt ein solches Bedürfniß nicht vor. Seine Verwaltung hat so eben erst begonnen, die Versammlung hat daher ein Vergangenes nicht zu beurtheilen. Wie das neue Ministerium die Geschäfte leitet, das wird die Versammlung beurtheilen können aus den Vorlagen, die derselben in Aussicht gestellt sind. Auf die bloße Ankündigung derselben bei einer Adreßdebatte Rücksicht zu nehmen, scheint weder an und für sich thunlich noch nothwendig, wenn die Berathung der Vorlagen, selbst in kürzester Frist, bevorsteht, noch angemessen in Erwiderung auf eine Thronrede, welche von dem gegenwärtigen Ministerio nicht abgefaßt ist. ‒ Diesen Gründen wird wohl auch die Mehrheit der Versammlung beistimmen; wie wird sich aber das Ministerium alsdann aus der Klemme herausziehen, da es doch durchaus auf einer Adreßdebatte bestand? Es wird schwerlich diesmal eine Kabinetsfrage daraus machen, das wäre zu gefährlich. In der heutigen Sitzung nahm die Vereinbarungsversammlung den Antrag des Abgeordneten Windhorft fast einstimmig an, „daß diejenigen Abgeordnete, welche einen besoldeten Staatsdienst oder eine Beförderung auf eine höhere Stelle annehmen, sich einer Neuwahl unterwerfen müssen.“ ‒ Der Antragsteller hatte seinen Antrag sehr gut motivirt und hob besonders hervor, daß die Versammlung namentlich dazu gewählt sei, um eine freie Verfassung zu entwerfen, daß die Wähler glauben, frcie Männer gewählt zu haben, welche aber durch die Annahme eines besoldeten Amtes oder einer Beförderung nicht mehr für frei und ungebunden anzusehen seien. Deshalb erfordere es die Nothwendigkeit, daß sich solche Abgeordnete einer Neuwahl unterwerfen, um zu sehen, ob sie das Vertrauen ihrer Wähler noch besitzen. Vor dem Sitzungssaale der Versammlung, der Sing-Akademie, waren heute viele hundert Arbeiter versammelt, welche vorgestern von ihren Arbeiten entlassen worden und nun beschäftigungslos den Minister des Handels und der Arbeiten abwarteten, um Beschäftigung von ihm zu erbitten. Der Minister wurde darüber in heutiger Sitzung interpellirt und erklärte: Bei den Arbeiten zur Herstellung eines Kanals zwischen Berlin und Spandau, am Plötzensee, haben sich seit einigen Wochen viele Arbeiter, über die ursprünglich festgestellte Anzahl von 1600 bis 1800, hinzugedrängt. Die Arbeiten sind dort zweierlei. Erstens die Ausgrabung des Bettes zum Kanal, welche den Arbeitern in Akkord gegeben wird, wobei über 1400 beschäftigt sind, welche einen besondern Arbeiterverein gebildet und bisher 18, 20-24 Silbergroschen täglich verdient haben. ‒ Zweitens bestehen die Arbeiten in Ausrodungen von Bäumen, wofür ein Tagelohn von 15 Silbergroschen gezahlt wurde. Diese Tagelohn-Arbeiter schritten aber langsam vorwärts, und die Arbeiter leisteten so wenig, daß man diesem Unfug steuern mußte, denn man kann die Gelder des Staats nicht auf solche Weise vergeuden. Es wurde daher beschlossen, diesen 1200 Tagelohn-Arbeitern ihre bisherigen Arbeiten zu kündigen, den Verheiratheten davon freizustellen, in den Verein der Akkordarbeiter einzutreten, die jungen und ledigen Arbeiter aber zu den Arbeiten nach der Ostbahn zu senden, da sie nicht alle am Kanalbau beschäftigt werden könnten. Noch bevor den Arbeitern dieser Beschluß publicirt wurde, mußten sie davon auf anderm Wege Nachricht erhalten haben. Da sie nun die Schuld ihrer Entlassung dem Aufseher zuschrieben, so mißhandelten sie denselben, und geriethen mit den Akkordarbeitern in Streit. ‒ Das Staatsministerium kann übrigens nicht anerkennen, daß es verpflichtet sei, für alle Arbeitslosen in den großen Städten zu sorgen, indem dies vielmehr den Kommunalbehörden zusteht, da die Staatsgelder nicht allein für die Arbeiter in den Städten ausgegeben werden können. Der Abgeordnete Rehnsch, dessen Wahl für ungültig wurde, ist in seinem Kreise Neu-Stettin, Regierungsbezirk Küstrin, zum zweiten Mal gewählt worden. Er gehört zur demokratischen Partei und deshalb wurde vom Wahlkommissarius, dem dortigen Landrath, gegen seine Wahl bedeutend agitirt. Dieser Landrath schlug sogar mit seinem, mit Eisen beschlagenen Stock auf Hrn. Rehnsch, welcher nun in heutiger Versammlung das ganze reaktionäre Verfahren des Landraths, den er auch des versuchten Todtschlags beschuldigt, mittheilte. Der Justiz-Minister verspricht die Untersuchung einzuleiten. Es ist derselbe Landrath, welcher in der von ihm geleiteten Schullehrer-Konferenz, die Aeßerung machte, daß es in der Berliner Versammlung eine anarchische Partei gäbe, die man mit Kartätschen niederschießen müsse. Unter dem Vorsitz solcher Landräthe mußten sich die preußischen Volks-Schullehrer im ganzen Lande versammeln, um ihre Wünsche zu erkennen zu geben. Da nun heute der Antrag gestellt wurde, daß, da die Lehrer unter dem Vorsitz der Landräthe und geistlichen Schulinspektoren ihre Gesinnungen und Wünsche nicht frei aussprechen könnten, die Kreisversammlungen der Lehrer ohne alle Bevormundung nochmals stattfinden sollte, erklärte sich der neue Kultus-Minister Rodbertus dagegen und billigte die Anordnungen seines Vorgängers. Der Antrag fiel auch wirklich durch. Man sieht hier jetzt täglich dem Friedensabschluß mit Dänemark entgegen. An eine Abschaffung des Sundzolls, dieses mittelalterlichen Ueberrestes des Raubstaatensystems, ist nicht zu denken. Unsere Ostseehäfen werden noch ferner unter diesem Drucke leiden müssen. Das starke Preußen muß dem kleinen Dänemark jährlich Millionen Tribut entrichten; dies Dänemark sperrt seit Monaten unsere Häfen und dabei thut das Ministerium nichts: es zieht sogar die Truppen von Jütland aus „strategischen“ Rücksichten zurück. Die Folgen einer solchen Politik liegen auf der Hand. Berlin, 2. Juli. Die Sache wird gut. Kaum, daß Hr. Monecke verurtheilt ist, oder vielmehr noch vorher, wird schon ein Anderer unter ähnlicher Anschuldigung eingekerkert. Heute früh um 7 Uhr ist Hr. Fernbach früher Student in Heidelberg, wie wir hören, wegen des ihm zugeschriebenen republikanischen Katechismus, in seiner Wohnung verhaftet, 500 daselbst vorgefundene Exemplare dieser Flugschrift eingezogen, und er selbst nach der Stadtvogtei gebracht worden. (B. Z. H.) * Berlin, 1. Juli. Die Polizei des Hrn. Bardeleben hat das öffentliche Feilhalten von Schnaps und Viktualien verboten, wie es heißt, um dadurch „Zusammenrottirungen“ vor der Singakademie zu verhindern. Die s. g. Revolution ist demnach auf ihre wahre Bedeutung zurückgeführt; es ist offenbar, daß die „Zusammenrottungen“ des Volks lediglich den Zweck hatten, auf offner Straße statt in dumpfigen Kellern Schnaps zu trinken, und die Einsicht der Polizei hat durch diese Maßregel alle bedenklichen „Menschenanhäufungen“ für die Zukunft zerstreut. Den Bürgern, welche den Posten an der „Neuen Börse“ beziehen, ist der Auftrag ertheilt, die menschenanhäufenden Marketenderinnen zu verjagen. Bereits haben hier und in Spandau wegen dieser Maßregel kolossale Prügeleien stattgefunden. Berlin, 1. Juli. Die Kommission zur Ausarbeitung des Verfassungsentwurfs hat in Betreff der Presse den Beschluß gefaßt, daß dieselbe künftig unter dem allgemeinen Gesetz, also Preßvergehen unter den gewöhnlichen strafrechtlichen Bestimmungen stehen sollten. Da dies aber eine besondere Berücksichtigung im Strafrecht nöthig macht, so soll bis zu der bevorstehenden Revision desselben ein transitorisches Preßgesetz erlassen werden. Mit der Ausarbeitung desselben ist der Abg. Geh. Finanzrath Hesse beauftragt, derselbe, der schon früher mit der Preßgesetzgebung viel beschäftigt war und ein bekanntes Werk darüber schrieb. (Voss. Ztg.) ‒ Nachfolgenden Artikel hat die Redaktion der Vossischen Zeitung auch gegen Insertionsgebühren nicht annehmen wollen: Die Gazeta Polska Nr. 76 enthält Folgendes: In dem, dem Hrn. Mosczenski gehörigen, im Wongrowiecer Kreise belegenen Dorfe Stempuchowo wurde das Wohnhaus des benannten Herrn dreimal geplündert, auf fliehende Menschen geschossen, Mehrere geprügelt, Alles, was irgend von Werth war, geraubt und endlich, da nichts mehr zu rauben war ‒ Frauen geschändet. ‒ So ergriff man ein 17jähriges, unschuldiges Mädchen, Marianna Sagodzinska, und während dieselbe von 4 Soldaten festgehalten wurde, befriedigten andere sieben an ihr der Reihe nach ihre thierische Lust! ‒ Der hinzugekommene Offizier, welcher die Arme blutbefleckt sah, gab ihr, um sie zu beruhigen, einen Thaler (!), sie warf ihn natürlich dem Offizier in's Gesicht, die Welt verfluchend. ‒ In Folge dieser mehr wie thierischen Behandlung ist das arme Opfer erkrankt. Zeugen des Vorfalls waren: der Wirth Joseph Galewicz und der Vogt Andreas Lipinski, die die Wahrheit des Erzählten eidlich bestätigen können. ‒ Obigen Vorfall bestätigt außerdem noch ein anderer Brief, unter Namhaftmachung mehrerer Zeugen. 27 Breslau, 30. Juni. Mehrere Soldaten des 10. Infant. Reg. hatten vor mehreren Wochen in der hiesigen Oderzeitung erklärt: Sie könnten Addressen, welche die Offiziere fertig in der Tasche auf den Appel brächten, nicht unterschreiben, wie andere Regimenter es thun, da ihnen ja das Versammlungsrecht entzogen sei. Sie wüßten ebenfalls was ihre Pflicht sei, sie wüßten aber auch, daß sie aus dem Volke stammen. Auf diesen Artikel hin ließ der Lieut. Baron von Kottwitz die in Breslau befindlichen Soldaten des 10. Regiments darauf vereidigen, daß sie jene Erklärung nicht abgegeben hätten, sondern daß sie die Erklärung der andern Regimenter billigten. Dieses Faktum wurde dem Deputirten Nees v. Esenbeck zur Interpellation an den Kriegsminister mitgetheilt. Auf seine am 2. d. M. in sehr energischen Worten gestellte schriftliche Anfrage erhielt er am 22. d. M. vom Kriegsminister v. Schreckenstein folgendes Rescript: „Daß auf Grund einer Requisition des Kommandeurs des 10. Infanterie Regiments, Obersten Kunkel v. Löwenstein, der untersuchungsführende Offizier des 11. Infanterie Regiments, Lieutn. Baron v. Kottwitz beauftragt worden ist, die in Breslau als kommandirt und krank zurückgebliebnen Mannschaften des Regiments darüber protokollarisch zu vernehmen, ob der anliegende Zeitungsartikel wirklich von Soldaten des 10. Infanterie Regiments ausgegangen sei, und, wenn dieß der Fall gewesen, ob die Vorgesetzten darum gewußt haben. Der v. Kottwitz hat sich indeß in Folge einer unrichtigen Auffassung des ihm ertheilten Auftrages nicht darauf beschränkt, die Antworten der Mannschaften auf jene Frage zu Protokoll zu nehmen, sondern die Vernommenen auch über ihre Zustimmung zu der Adresse des 11. Inf. Reg. befragt und dieselben sodann auf ihre Erklärungen vereidigt. Diese Ueberschreitung des dem v. Kottwitz ertheilten Auftrages kann ich nur mißbilligen und habe deshalb das königl. General Kommando des 6. Armee Corps ersucht, bei der competenten Behörde die Bestrafung des v. Kottwitz zu veranlassen. Ich selbst aber habe weder die Einleitung einer Untersuchung noch die disziplinarische Bestrafung dieses Offiziers anordnen können, weil dies nach den bestehenden Gesetzen nicht zu meinen Befugnissen gehört.“ ** Breslau, 29. Juni. Binnen 4 Wochen sollen die unbeschäftigten Arbeiter aus unserer Stadt entfernt werden. Wohin? Das weiß man nicht. Ob und wie man sie etwa in der hiesigen oder in einer andern Provinz zu beschäftigen gedenkt; darüber verlautet eben so wenig. Wird die Maaßregel ausgeführt, so wird sie große Erbitterung und Aufregung zur Folge haben. Im demokratischen Klub giebt es jetzt lebhafte Debatten. Es handelt sich um ein Manifest an die slavischen Völkerstämme, in welchem die gleiche Berechtigung der deutschen wie der Slaven ausgesprochen werden soll. Die Demokraten beabsichtigen damit zu gleicher Zeit, den unaufhörlich von den Reaktionärs gegen die Czechen und Polen verbreiteten Lügen und Verleumdungen und der unablässigen Hetzerei entgegen zu treten. Die Beschlußnahme ist auf nächste Sitzung vertagt. Es ist erfreulich, wie zahlreich auch Damen an den Verhandlungen des Klubs die oft bis spät in die Nacht hinein dauern, mit gespannter Aufmerksamkeit Theil nehmen. In Oberschlesien macht die Demokratie unerwartete Fortschritte. Der konstitutionelle Central-Verein strengt sich vergeblich an, durch Austheilung von Kartoffeln Propaganda zu machen. Am 15. d. M. tritt ein Kongreß von Abgeordneten sämmtlicher Demokraten Schlesiens zusammen, um die Parthei fest zu organisiren. * Königsberg, 27. Juni. Der hiesige Arbeiterverein, der täglich an Zahl wächst, verhandelte gestern den Antrag: es möge sich der Verein bewaffnen und ein abgesondertes fliegendes Korps bilden. Die Beschlußnahme darüber wurde auf die nächste Sitzung vertagt. Es machten sich dann von allen Seiten Klagen laut, daß das königl. Haus so wenig zur freiwilligen Staatsanleihe beigesteuert. Das Land, meinte man, habe mit Recht erwarten dürfen, daß der hohe Patriotismus der königl. Prinzen einige Millionen baar und nächstdem ihr sämmtliches Silbergeschirr auf den Altar des Vaterlandes niederlegen würden. Auch wurde ein Antrag an Stadtverordnete und Magistrat auf Abschaffung der jetzt ganz unnützen und müßigen königlichen Polizei und Einrichtung einer rein städtischen beschlossen. X Aus dem schlesischen Mittelgebirge, 28. Juni. I den jüngsten Tagen hat der Oberpräsident der Provinz, Herr Pinder, eine Inspektionsreise durch unsere Gebirgskreise gemacht, wo in Wiese, Feld und Wald der Segen der Natur in reichster Fülle prangt, in den zahlreichen Weberhütten an den kargen Berglehnen aber der nachhaltige Fluch des alten Systems sich in der erschreckendsten Elendsfülle offenbart. Der Oberpräsident hat die leeren Webstühle, die reinlichen leeren Schüsseln, die nackten großen Kinder gesehen, denen ihr einziges Hemde gewaschen wurde. Er hat endlich die hohläugigen verhungerten Männer und Weiber dieses geistig und leiblich verkommenen Webergeschlechts selbst kennen gelernt, die vorzugsweise die Kreuzträger unserer verrotteten gewerblichen Zustände, die Sündenböcke des alten selbstsüchtigen Verwaltungssystems geworden sind, wobei kein anderes Prinzip als das der Steuererhebung mit eiserner Konsequenz und göttlicher Sorglosigkeit befolgt wurde. Pinder hat versichert, daß eine Kommission diese tiefgewurzelten Elendszustände zu untersuchen bereits beauftragt sei und die Seehandlung ausländische längst verlorene Absatzmärkte für die schlesischen Leinenwaaren wieder zu gewinnen suchen werde, wie es bei dem Ministerio Hansemann und Patow durch eine Weberdeputation vor einigen Wochen beantragt worden. Die längst versprochene Hülfe wird „in Aussicht gestellt.“ In den Fabrikdörfern am Eulengebirge ist die Hungerpest ausgebrochen. 19 Mannheim, 28. Juni. Ueber die Behandlung der verhafteten Freischärler in dem Zellengefängniß zu Bruchsal vernimmt man fortwährend die lautesten Klagen. Die Gefangenen liegen in kleinen, dumpfigen Zellen, deren Athmosphäre in der nachtheiligsten Weise auf ihre Gesundheit wirkt; bereits zählt man eine Menge Kranke, darunter besonders an der Brust Leidende. Zu freier Bewegung vergönnt man ihnen alle 1 oder 2 Tage zehn Minuten lang im Hofe spazieren zu gehen. Die Kost ist über alle Maßen dürftig zugemessen, und mitunter so ekelhaft, daß selbst die Hungrigsten dieselbe nicht berühren. Hr. v. Bornstedt, den man für den Fall einer nochmaligen öffentlichen Erklärung über seine Behandlung mit Entziehung von Schreibmaterialien und Einsperrung in eine dunkle Strafzelle (Cachot) bedrohte, veröffentlicht in der hiesigen Abendzeitung weitere Beschwerden, und klagt namentlich, daß die Gefangenen, die kein Geld besitzen, nicht einmal ein Reinigungsbad erhalten, was doch in allen „wohlorganisirten Gefängnissen“ gleich beim Eintritt geschehe. Alles Geld, welches für die Gefangenen ankömmt, bleibt bei der Verwaltung deponirt, und es währt oft 3 bis 4 Tage, bis sie Auszahlungen für die nothwendigsten Bedürfnisse erhalten. Beim Spaziergang ist es den Gefangenen streng untersagt, sich miteinander zu unterhalten; Besuche werden nur ausnahmsweise und höchst spärlich zugelassen, dagegen aber erlaubt die Gefängnißverwaltung einer Menge von Beamten, Offizieren, Fähndrichs u. s. w. mit Weibern und Kindern den Einlaß, um die Gefangenen beim Spaziergang gleich einer interessanten Menagerie zu besichtigen, und ihre Glossen dazu zu machen. ‒ Unter den Gefangenen selbst befinden sich zahlreiche Familienväter, Geschäftsleute, Bauern, Arbeiter, Advokaten, deren Verhältnisse durch die lange Haft gänzlich ruinirt werden, und die man trotz aller Reklamationen weder verhört noch in Freiheit setzt. Wo ist nun die Versicherung des Ministers Bekk geblieben, der in der Mitte des vorigen Monats in der Kammer erklärte, daß alle die, welche nicht Anführer oder besonders gravirt seien, alsbald aus der Untersuchungshaft entlassen werden sollten? Aber die christlich-germanische Staatspolizei kann kein besseres Mittel zur Vernichtung der „Mißliebigen“ und „Rebellen“ finden, als dieselben in die Käfige der Gerechtigkeit zu sperren, bis ihre Körperkräfte gebrochen und ihre Familien an den Bettelstab gebracht sind! Ulm, 28. Juni. Unsere heutige „Schnellpost“ berichtet: ‒ Herr Schiffterling hatte auf gestern Abend in die Wirthschaft „zum Schiff“ eine Versammlung ausgeschrieben, in welcher im Beisein des Polizei-Kommissärs und Oberamtsaktuars die Gründung eines demokratischen Vereins in größter Ruhe und Ordnung besprochen wurde. Die Versammlung war kaum beendet und man wollte eben zu der Unterzeichnung schreiten, als eine Anzahl Cavalleristen, (wie man sagt Unteroffiziere), in den Saal stürzte und ohne alle Veranlassung mit scharfer Waffe über die Anwesenden herfiel. Die wehrlosen Bürger mußten aus den Fenstern flüchten, aber auch außerhalb des Gebäudes wurden sie wieder überfallen und Viele mehr oder weniger bedeutend verwundet. Der Bäcker Haag, Sohn, welchem durch einen Hieb der Schädel zerhauen wurde, liegt ohne Hoffnung darnieder. Die blinde Wuth, mit welcher die wilde Horde in dem Saal gehaust und unter den Anwesenden gemetzelt, steht beinahe ohne Beispiel da. * Dresden, 28. Juni. Heute begann in der 2. Kammer die Berathung des Wahlgesetzes. Der Kommissionsantrag stellt den Satz auf: „ohne Einkammersystem keine wahre Volksvertretung. * Kassel, 30. Juni. In der Kammer stellte gestern Hr. Bredemeier die Frage, ob der seit der Revolution verschwundene Staatsrath Scheffer seine Entlassung erhalten habe oder sein Gehalt fortbeziehe. Der Landtagskommissar erwiederte, daß er von einer Entlassung Scheffer's „nichts wisse“; und daß Scheffer seinen Gehalt fortwährend erhalte. Einige Mitglieder wollten wissen, ob Hr. Scheffer, der bekanntlich in Betten versteckt aus Kassel entfloh, mit oder ohne Urlaub sich entfernt habe, und verlangten, daß im letztern Fall die Gehaltsauszahlung aufhöre; Herr Henkel aber bat die Versammlung den Gegenstand mit Stillschweigen zu übergehen, und die Kammer sprach sich für die Bemerkung Pfeiffers aus: „Man möge in Gottes Namen Hrn. Scheffer seinen Gehalt im Ausland verzehren lassen.“ ‒ In der heutigen Sitzung diskutirte die Kammer die Frage wegen Verfolgung der Civilansprüche des Staats gegen den früheren Finanzministers Motz, wobei vornehmlich das mit Rothschild negocirte Lotterieanlehen zur Sprache kam. Der Ausschuß hatte die Ansicht ausgesprochen, daß eine kriminalrechtliche Verfolgung durch das Amnestiegesetz abgeschnitten sei und der Civilrechtsweg ohne Erfolg sein würde, weshalb man diese „traurige Geschichte“ der Vergessenheit anheim geben solle. Die Versammlung beschloß jedoch auf den Antrag Lederers, den Rechtsausschuß mit einer Begutachtung zu beauftragen. Hamburg, 28. Juni. Als ich am letzten Sonntag, 25. J [#], per Eisenbahn von Hannover nach Harburg fuhr, traf ich im Waggon mit einem reisenden Handwerker zusammen, dessen Na-

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Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 34. Köln, 4. Juli 1848, S. 0168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz034_1848/2>, abgerufen am 19.04.2024.