Neue Rheinische Zeitung. Nr. 34. Köln, 4. Juli 1848.men ich vorläufig verschweige und der mir allen Ernstes erzählte daß ihm das Wandern in die Schweiz verboten sei. Ich glaubte anfänglich, einen Menschen vor mir zu haben, der von dem Sturm der Revolution nichts verspürt und in Gedanken noch auf dem alten Rechtsboden stehe. Als ich ihm dies jedoch zu verstehen gab, holte er sein Wanderbuch hervor, und, wie groß war mein Erstaunen, da ich in demselben Folgendes las: Im Auftrage Königl. Hochlöbl. Regierung hier ausgefertigt. Dem Inhaber ist das Auswandern nach der Schweiz und der Aufenthalt in derselben bei Vermeidung einer Gefängnißstrafe bis zu 6 Wochen, oder einer Geldbuße bis zu 50 Thlrn. untersagt. Magdeburg, den 23. Juni 1848. Ich wollte meinen Augen nicht trauen und war genöthigt, um mich von der Wirklichkeit zu überzeugen, das Ding noch einmal zu lesen; darauf schrieb ich es buchstäblich ab, und doch vermochte ich noch nicht, es zu glauben und ich sah mir noch ein paar Mal das Datum genau an; aber es half nichts, es blieb dabei: diese Verfügung war ganz neu gebacken, vom 23. Juni, im ersten Jahre der Freiheit, und hatte somit für den Träger volle Gültigkeit. Die Entwaffnung der aus Holstein rückkehrenden Freischärler, die Preßprozesse, die Beschränkung des Wanderrechtes - o, der edeln Früchte unserer Revolution! o, der herrlichen Freiheit, die ihr uns erkämpft habt, ihr Begrabenen im Friedrichshaine! Nun, wir haben ja verantwortliche Minister. Nur Schade, daß wir kein Volk haben, das sie zur Verantwortung zu ziehen versteht. Wie heißt es in der Schrift? "Wir haben euch gepfiffen und ihr wolltet nicht tanzen!" (B. Z.-H.)Von der Schlei, 28. Juni. Die Bundeskontingente des 10. Armeekorps ziehen seit der vorigen Woche nach dem Norden durch unsere Stadt. Mecklenburger meherer Waffengattungen, Braunschweiger mit dem Liede Schleswig-Holstein meerumschlungen, zogen in Schleswig ein und verließen es eben so wieder. Am Sonntag Abend traf plötzlich Marschordre an das hier seit 4 Wochen garnisonirende dritte schleswig-holsteinische Linienbataillon ein, das uns am Montag Morgen verließ. Am Nachmittage begrüßten uns sofort die Hanseaten, die, nachdem sie mehrere Wochen in Rendsburg gelegen, den lebendigen Wunsch geäußert haben sollen, an dem bevorstehenden Kampfe mit Theil zu nehmen. Heute trifft die Division des Generals Bonin in Apenrade ein, das von den Freischaaren nach Hadersleben hin überall aufs Vortrefflichste barrikadirt ist. Wir können also jetzt mit Gewißheit den ernsten kriegerischen Ereignissen in den nächsten Tagen entgegensehen, da die Dänen hinter Hadersleben mit einer bedeutenden Truppenmacht (17,000 Mann sagt man) feste Position eingenommen haben sollen. (Brm. Ztg.)Kiel, 1. Juli. Wir schweben hier zwischen Krieg und Frieden Gerüchte über beides durchkreuzen sich und wenn man auch mit Gewißheit annehmen darf, daß nach langer, langer Waffenruhe die deutsche Armee endlich vorzurücken anfängt, so fragt es sich doch noch sehr, ob sie diesseits der Königsau noch Feinde treffen und, wo nicht, dieselbe überschreiten wird. Auch die Gerüchte von einer Ministerialveränderung in Kopenhagen lassen eine vorläufige Anknüpfung von Unterhandlungen vermuthen, wenn auch die Persönlichkeit Algreen Ussing's, der an Orla Lehmann's Stelle getreten sein soll, uns noch nicht viel Nachgiebigkeit von dänischer Seite in Aussicht stellt. Das scheint aber gewiß zu sein, daß wenigstens das Herzogthum Lauenburg an dem etwa noch zu hoffenden Ruhm deutscher Waffen keinen Theil haben wird, da das lauenburgische Kontingent den Gehorsam verweigert und nach Rendsburg remittirt ist. Ein zuverlässiges Schreiben aus Apenrade vom 30. Juni meldet Folgendes: Bei Hadersleben hat eine Rencontre zwischen dem v. d. Tann'schen Corps und dänischen Truppen stattgehabt, worin Letztere geschlagen worden sind. Das v. d. Tann'sche Corps ist am 30. Morgens in Hadersleben eingerückt, die Dänen sind auf dem Marsch nach Fünen. (B. H.)Wien. Das k. k. Hauptzollamt hat eine geheime Korrespondenz zwischen dem Fürsten Metternich in London und einer Reihe hiesiger Aristokraten entdeckt, welche durch Hrn. Herz, Associe des Bankhauses Arnstein und Eskeles, vermittelt ward. Das Hauptzollamt faßte die Sache lediglich als eine Beeinträchtigung des Postgefälls auf und folgte die mit Beschlag belegten Briefe nach Erlegung der Strafgelder unbedenklich aus. Prag, 26. Juni. Ruhig ist es jetzt überall in der Stadt; aber sie ist menschenleer, denn außer dem Adel, der vor dem blutigen Drama floh, sind viele reiche oder bemittelte Familien während und nach demselben geflohen; Gewerbe und Handel stocken. - Auf dem Flachlande soll die Bewegung hier und da außerordentlich sein; in Jungbunzlau ist das Standrecht proklamirt worden und alle Kreischefs haben den Auftrag erhalten, dasselbe bei den geringsten Anlässen in ihren Kreisen zu publiziren. So eben langt aus Schlan die Nachricht ein, daß es dort zu Aufständen gekommen. (F. O. Z)Innsbruck, 26. Juni. Unser Gouverneur hat die Tiroler Akademiker, die von der Wiener Hochschule zur Vertheidigung ihres gefährdeten Vaterlandes herbeieilten, und mit rühmlichen Zeugnissen über ihre bewiesene Tapferkeit und sittliche Haltung nunmehr nach Hause kehrten, durch Präsidialerlaß unter Polizeiaufsicht gestellt. Es werden ihnen darin wühlerische Ideen Schuld gegeben, und außer den politischen Behörden auch die Seelsorger zu ihrer Ueberwachung aufgefordert. "Wühlerisch" ist ein vom Grafen Brandis öfters beliebter Ausdruck, was dessen Verständniß namhaft erleichtert. So warnte er jüngst unsern schüchternen Tiroler Boten aus Anlaß eines sehr mäßig gehaltenen Aufsatzes über unsern neuen Congreß vor der Aufnahme ähnlicher "wühlerischer Artikel," und befahl der Redaktion dagegen eine Erwiederung in reaktionärer Tendenz aufzunehmen. "Wühlerisch" scheint daher dem Herrn Grafen namentlich das zu sein, was dem Fortschritt, d. i. der Entwickelung des konstitutionellen Systems huldigt, gemäßigt hingegen allenfalls die vom katholischkonstitutionellen Verein, dem auch er angehört, ausgegangene Petition gegen Glaubens- und Kultusfreiheit, wodurch man das Volk gegen die Regierung aufhetzt. Sie sehen Graf Brandis gouvernirt uns noch im besten Geiste Sedlnitzky's, der jeden freisinnigen Menschen als gefährlich überwachen ließ, und das Wohl des Staates durch ein Heer von Auflaurern geborgen hielt, wozu sein würdiger Nachfolger aus besonderer Vorliebe den Klerus erkor. Wenn die Verantwortlichkeit der Beamten im konstitutionellen Oestreich nicht blos leerer Schall ist, dürfte sich der Sicherheitsausschuß in Wien veranlaßt finden, den Gouverneur von Tirol über ein solches Vergehen gegen die Akademiker der Wiener Hochschule zur Rede zu setzen. Von der galizischen Grenze, 24. Juni. Soeben fangen die Abgeordneten zum wiener Reichstag aus der Bukowina und den fernsten Kreisen Galiziens nach Wien durchzureisen an; es sind dies zumeist Bauern in der Kleidung, wie wir solche gewöhnlich an den Ochsentreibern sehen. Ein runder Strohhut mit einem schwarzen Band, ein leinenes Hemd und derlei Hose und über den Rücken eine Gunia, das ist ein brauner grobwollener Ueberwurf. Wie man auf dem Reichstage mit diesen Abgeordneten, die blos polnisch und dazu noch in verschiedenen schwer zu verstehenden Dialecten sprechen, auskommen wird, weiß der Himmel. Doch auch in Schlesien sind die Wahlen nicht sehr entsprechend ausgefallen; die Wähler, zumeist Bauern, da die Städte zu wenig volkreich sind, um eigne Abgeordnete zu wählen, äußerten ganz unumwunden, von Beamten, Adeligen, ja selbst von Städtern nichts wissen zu wollen, und waren überhaupt voll des größten Mißtrauens. Das sind die fürchterlichen Nachwehen der frühern Bedrückungen, der systematisch betriebenen Verknechtung. Von Unterschriften, Protokollen, Patenten wollen die Landleute nichts wissen. (D. A. Z.)Aus Mähren. Zum Präsidenten des mährischen Landtags, der in Brünn seine Sitzungen hält, ist der Magistratsrath Streit, ein noch junger Mann, der nicht allein der slawischen Landessprache und des Deutschen vollkommen mächtig ist, sondern auch eine genaue Kenntniß der Rechts- und politischen Verhältnisse des Landes besitzt, Eigenschaften, welche die Stellung eines mährischen Landtagspräsidenten durchaus erheischt. Außerdem ist Streit slawischer Patriot, und hat am 14. April, als über die Antwort auf die Petition der Prager, betreffend einen vereinigten Landtag Böhmens und Mährens, debattirt wurde, mit dem Grafen Taroucca auf das Ersprießliche einer solchen Vereinigung hingewiesen. Der Landtag soll aus 300 Mitgliedern bestehen, doch fehlen noch mehrere Mitglieder, da an manchen Orten die Wahlen nicht zu Stande kamen, weil man über Hals und Kopf das Wahlgeschäft vornahm. Es befinden sich gegen 80 slawische Landleute unter den Mitgliedern des Landtages. Diese erklärten sich gleich bei Eröffnung des Landtages, gegen das pedantische Formwesen und unnütze Zeitverlieren. Die Robotfrage wird verhandelt. Da giebt es einen harten Kampf zwischen Gutsherrn und Bauern. Letztere wollen Aufhebung der Robot ohne jegliche Entschädigung, die Gutsherrn hingegen wollrn, daß man ihnen eine mäßige Entschädigung gebe. Die Bauern verlangen, daß die Robot mit Anfang Juli aufhöre. Auch auf der Tribüne befanden sich viele Landleute, die den Verhandlungen über die Robot mit vieler Aufmerksamkeit zuhörten. Da die Landleute, des Deutschen unkundig, in ihrer slawischen Muttersprache reden und ihnen auch die deutschen Reden nicht verständlich sind, so nimmt das Verdollmetschen, zumal, da kein tüchtiger Translateur angestellt ist, viel Zeit weg. Im Allgemeinen wird eben so viel Deutsch als Slawisch auf dem Landtage gesprochen. (A. O.-Z).Französische Republik.
Paris, 30. Juni. Daß so viele Bürgerbataillone von außen her nach Paris zusammenströmten, hat hauptsächlich ein Erlaß des Chefs der Vollziehungsgewalt bewirkt, der folgenden Inhalts war: "25. Juni 41/2 Uhr. Die Sache der Ordnung und der Republik triumphirt. Die Ankunft zahlreicher Nationalgarden aus den Departements ist von einem ungeheuren Einfluß gewesen. Der Zuzug in Paris darf in keiner Weise eingehalten werden." - So langten denn jetzt noch ohne Unterlaß zahlreiche Abtheilungen Nationalgarden aus allen Theilen von Frankreich an. Man giebt die Zahl derselben, denen heute auf Befehl des Präsidenten der National-Versammlung Rationen ausgetheilt wurden, auf 91,000 an. - Die Opferstöcke, die in fast allen Hauptstraßen für die Verwundeten und die Familien der Gefallenen - aus der Nationalgarde - aufgestellt sind, liefern keinen Ertrag; man schreibt dies der übeln Lage aller Börsen und der Abwesenheit der Reichen zu. (!) - Ein schweres Unglück ist gestern auf dem Konkordiaplatz vorgefallen. Hr. Lemansois-Duprey, Sekretär bei der Quästur der N-.V., kehrte gegen Mitternacht zum Pallast der Gesetzgeber zurück, als auf dem Konkordiaplatz ein Dragoner auf Posten, der auf seinen Zuruf keine Antwort vernahm, seine Waffe auf Lemansois abfeuerte; er ist gefährlich am Schenkel verwundet. - Nach der Einnahme der Barrikade an der Estrapade, wo ein Bataillon Linie und die Nationalgarde so viel Menschen verloren haben, ist Gornet, der ehemalige Maire, Arzt und Freund von Barbes, durch dessen Einfluß er einige Tage lang nach der Februarrevolution an der Spitze der Verwaltung stand, militärisch hingerichtet worden. Gornet hatte die 12. Legion errichtet, ihre Bewaffnung und ihre Wahlen geleitet und war hierin von Bocquet, der seit dem 15. Mai in Vincennes gefangen sitzt, unterstützt worden. - Thore, der Hauptredakteur der "Vraie Republique", ist in Verhaft genommen worden. - Fünf Maßregeln, die bereits in Vollzug gesetzt worden, sind von dem Klub der Thiersparthei ausgegangen. Es versteht sich, daß sie durchaus im Sinne der "Ordnung" sind. 1. Anwesenheit einer Militärmacht von wenigstens 60,000 Mann in Paris mit 100 Kanonen. 2. Unnachsichtliche Entwaffnung jedes Nationalgardisten, der in den letzten Tagen nicht zur Vertheidigung des Landes beigetragen hat. 3. Unverzügliche Auflösung der Nationalwerkstätten. 4. Schließung aller Klubs bis die Konstitution das Associationsrecht geregelt hat. 5. Zeitweilige Beschränkung der Preßfreiheit. - Einzelne Züge schildern die Stimmung der Geister unter den Siegern. Nationalgardisten der 2. Legion hatten beschlossen, heute einen Besuch in den Bureaux der "Demokratie pacifique" zu machen, eines Journals, dessen Redaktion ihnen nicht gefällt. Die Redakteure der Demokratie mußten beim General Cavaignac Hülfe nachsuchen, der ihnen ein Piquet Soldaten zu ihrem Schutze sandte. - Gemäß Dekret des Chefs der vollziehenden Gewalt, welches die Insurrektion von 23-27. Juni an die Militärgerichtsbarkeit verweist, hat der Kommandant der ersten Division den Kommandanten Courtois d'Hurbal, Berichterstatter beim ersten Kriegsgericht von Paris, beauftragt, unmittelbar zur Instruktion gegen alle Beschuldigte zu schreiten, deren Zahl sich auf nahe an 6000 beläuft. Der Berichterstatter hat das Verhör begonnen mit den Gefangenen, die in den Kellern der Tuilerien und dem Souterrain, welches sich bis zum Konkordiaplatz hinzieht, eingesperrt sind. Ungefähr 1000 Gefangene befanden sich in den Kellern; es war dringend sich zunächst mit ihnen zu beschäftigen; denn man hatte zu fürchten daß der Typhes unter ihnen ausbreche und sich in die obern Räume verbreite welche die Nationalgarde einnimmt. Derselbe Tagesbefehl, der den Berichterstatter ernennt, hat zu Substituten desselben die Eskadronschefs vom Generalsstab Bourguignoe, Constantin und Tissenil bestimmt. Ebenso sind ihm 3 Substitute vom Kapitainsgarde beigegeben. Von Civilrichtern sind mit der Instruktion, die gemeinschaftlich mit der Militärbehörde geführt wird, Broussais und Berriat-Saint-Prix beauftragt. Beigegeben ist diesen Beiden der Substitut des Prokurators der Republik, Isambert. Heute um fünf Uhr waren nur noch ungefähr hundert Gefangne in den Kellern. Sobald ein Hundert derselben von den Berichterstattern und Instruktionsrichtern vernommen war, wurden sie, die Hände auf den Rücken gebunden, einer starken Abtheilung Infantrie und Kavallerie übergeben, die zur Hälfte aus Linie, zur Hälfte aus Nationalgarde bestand. Die Eskorte, der eine Avantgarde mit dem Karabiner in der Hand voraufzog, brachte die Gefangnen in die Militärschule auf dem Marsfeld, wo sie einstweilen verbleiben, bis die Justiz über jeden Einzelen nähere Untersuchung angestellt hat. - In Lyon liegen 20,000 Arbeiter auf dem Pflaster. Um tnun einen ähnlichen fürchterlichen Zusammenstoß zwischen Arbeiterthum und Bürgerthum, wie er in Paris statt fand, zu verhüten, wird heute die Nationalversammlung in aller Eile 6,000,000 Fr. votiren, welche jene brodlose Arbeiterarmee an der von Lyon nach Paris führenden Eisenbahn beschäftigen soll. Deslongrais will diesen neuen Kredit zwar bekämpfen, weil er es für unlogisch hält, sich für irgend eine Linie früher zu interessiren, als die große Frage der Expropriation entschieden ist. - Der Moniteur brachte gestern die langen Zolltabellen über Ein- und Ausfuhr. Daraus ergibt sich, daß der Verlust der Staatskassen nicht so groß ist, als es die ernsten Ereignisse während der ersten fünf Monate voraussetzen ließen. Während der Monate Januar, Februar, März, April und Mai 1848 betrug die Einnahme 32,260,220 Fr., während sie in der gleichen Periode von 1847 allerdings 54,776,512 Fr. und 1846 sogar 62,064,171 Fr. erreichte. * Paris. Wir finden in der "Ere nouvelle" folgende interessante Nachweisungen über die Schilderhebung der Thierspartei. Im 11. Bureau erhob sich ein lebhafter Streit zwischen Herrn Thiers und Herrn Martin von Straßburg über den für die Untersuchungskommission zu ernennenden Kommissär, der die Ursachen und Urheber der Insurrektion vom 23. Juni zu erforschen und dabei bis zum 15. Mai zurückzugehn hat. Man ließ den Namen des Herrn Bauchard circuliren, den Namen eines gemäßigten Republikaners, dessen Republikanismus ein älteres Dasein hat als die Februarrevolution. Er sollte eben ernannt werden ohne weitere Diskussion, als Thiers und einige seiner Freunde hereintraten. Herr Thiers sagte mit lauter Stimme in seiner Gruppe, aber in der Weise der Conversation, man verfahre nicht in dem Sinne von Frankreich. Diese Worte, die auf die schon halb beschlossene Ernennung sich bezogen, denn die Mehrzahl der Mitglieder hatte gestimmt, wurden von verschiedenen Repräsentanten aufgenommen. Thiers sprach von Kommunismus. Man antwortete ihm, man sei auf der Spur schuldiger Umtriebe, worin man die Hand von Prätendenten und ihrer Freunde erblicke. Martin von Straßburg nahm das Wort und verlangte die Eröffnung der Diskussion, damit laut gesagt werden könne, was so eben ganz leise an seiner Seite gemurmelt worden. Thiers antwortete, er habe nicht die Gewohnheit, seine Ansichten zu verbergen und trotz der Arroganz gewisser Parteien, werde er die ganze Wahrheit dem Lande sagen. Es ist dieß das erstemal, daß er das Wort im Bureau ergriff. Bauchard wurde trotzdem zum Kommissär ernannt. Er hatte 31 Stimmen, Thiers 4, Nachet 4 und Dufaure 4. Der von dem General Baragnay-d'Hilliers in der Straße Poitiers präsidirte Klub, aus ungefähr 250 Mitgliedern der Nationalversammlung bestehend, vertritt die Partei Thiers und Barrot. Wir haben gestern unsern Lesern gesagt, daß die Stimmen, die Dufaure gegen Marie bei der Präsidentenwahl erhalten, der erste Versuch der Thierspartei ist, ihre Kräfte gegen die Partei des National zu messen. Diese Partei selbst hat das Votum verstanden, wie wir es verstanden haben. Das Ministerium hat sich bei den "dynastischen" Herrn nach dem Sinn dieser feindseligen Demonstration erkundigt, und diese Herrn, für die offenbar die Februarrevolution gemacht worden ist, - das Ministerium Thiers Barrot, dem man am 24. Februar zu spät zurief, kömmt im Juni nur etwas zu früh, - diese Herrn erklärten, die Ernennung Carnots zum Minister schiene ihnen unschicklich, gegen sie gemünzt u. s. w., sicherten übrigens huldvoll dem Minister des Innern, Senard, ihre Unterstützung zu, so weit er einen ihnen wohlgefälligen Wandel führe. Kurz nach der Februarrevolution hatte Thiers wie einst Reinecke erklärt, er wolle sich ins Kloster zurückziehen, ein beschauliches Leben führen, dem eitlen Weltwesen entsagen und - Geschichten schreiben. Lyon, 30. Juni. Die große Angelegenheit, die seit mehreren Tagen Lyon beschäftigte, war die Entwaffnung von Croix Rousse. Es handelte sich darum die Kanonen dort wegzunehmen, deren die Arbeiter sich bemächtigt hatten. - Die Kanonen wurden ohne Widerstand von Seiten der Arbeiter dem Militär ausgeliefert. Uebrigens waren für den Fall einer Weigerung die größten Vorkehrungen getroffen. Mehr als 30 000 Mann umgaben Croix-Rousse. Die Zugänge zu allen Brücken waren von Kavalerie besetzt, während die Nationalgarde in den Stadtkasernen aufgestellt war. Es handelt sich jetzt noch darum die Gewehre wieder aus den Händen der Arbeiter zu nehmen, die nicht Nationalgardisten sind. Diese Entwaffnung wird indeß mehr Schwierigkeiten darbieten als die eben erfolgte. (Siehe den Verfolg in der Beilage.) Großbritannien.
London, 1. Juli.
In der gestrigen Sitzung der Gemeinden ging das Haus in's Comite über die Zuckerzölle. Herr Bright ergriff das Wort. Der große Freihandelsquäcker stimmte seinen wehmüthigsten Ton an, um das Interesse der armen, gedrückten englischen Arbeiter gegenüber dem Interesse der Kolonien geltend zu machen. Das Parlament habe den Pflanzern 20 Mill. für die Sklaven-Emancipation und 30 Mill. durch elfjährigen Zollschutz gegeben. Und jetzt wolle man noch 2-3 Mill. jährlich aus der Tasche des Verhungernden Volks ziehen, zur Bereicherung der Pflanzer? Das Ministerium solle sich in Acht nehmen. Gerade an dieser Zollschutzfrage sei Lord J. Russel's Kabinet 1841, Sir R. Peel's Kabinet 1846 zu Grunde gegangen, und letzte Nacht habe das Ministerium ebenfalls schon mit dem Tode gerungen, kaum noch erhalten durch 15, in andren Hauptfragen sonst abweichende Stimmen. Er kritisirte Lord J. Russell's gestrige Rede sehr scharf und schlug vor, an den bestehenden Zuckerzöllen Nichts zu ändern. Herr H. Berkelay und Herr Tollemache wimmerten dagegen im angeblichen Interesse der emancipirten Sklaven; Herr Berkelay vergaß übrigens nicht zu bemerken, daß er außerdem persönlich dabei betheiligt sei. (Es versteht sich übrigens von selbst, daß es sich weder um Sklaven noch um Proletarier handelt, sondern blos um englische Fabrikanten und westindische Grundbesitzer. Ob Erstere durch Herabdrückung der Preise aller Lebensmittel und namentlich des in England zu einem Hauptkonsumtionsartikel der arbeitenden Klasse gewordenen Zuckers, in den Stand gesetzt werden sollen, auch den Lohn ihrer Arbeiter zu drücken, oder ob die westindischen Grundbesitzer durch erhöhte Zuckerpreise in den Stand gesetzt werden, hohe Grundrenten zu beziehen, das ist Alles, worum es sich handelt. Arbeiter und Sklaven sind blos sentimentale Arabesken.) Sir Ch. Wood, Schatzkanzler, antwortete Herrn Bright in sehr langweiliger Weise und brachte sehr schlau, zu Gunsten des ministeriellen Vorschlags, einige Details über sein revidirtes Budget vor, wonach 1 1/2 Million von den 2 Millionen Defizit gedeckt werden. Nach Hrn. Cardwell und Hrn. Wilson für, sprach Lord Nugent gegen den ministeriellen Vorschlag. Er erklärte ihn für schwach, treulos und gottlos, sprach von früheren Verpflichtungen gegen die westindischen Grundbesitzer und vom verfluchten Sklavenhandel, erklärte sich aber auch gegen Herrn Brights Vorschlag. Herr Brights Vorschlag wurde dann von 302 gegen 36 Stimmen verworfen. - Die Times hat die mit dem Dampfboot Lion von Hamburg und Hull angekommene Nachricht, daß der Friede zwischen Deutschland und Dänemark so gut wie abgeschlossen sei (a settleck thing). 3 proz. Stocks um 4 Uhr 837/8 a 841/8 für Rechnung. men ich vorläufig verschweige und der mir allen Ernstes erzählte daß ihm das Wandern in die Schweiz verboten sei. Ich glaubte anfänglich, einen Menschen vor mir zu haben, der von dem Sturm der Revolution nichts verspürt und in Gedanken noch auf dem alten Rechtsboden stehe. Als ich ihm dies jedoch zu verstehen gab, holte er sein Wanderbuch hervor, und, wie groß war mein Erstaunen, da ich in demselben Folgendes las: Im Auftrage Königl. Hochlöbl. Regierung hier ausgefertigt. Dem Inhaber ist das Auswandern nach der Schweiz und der Aufenthalt in derselben bei Vermeidung einer Gefängnißstrafe bis zu 6 Wochen, oder einer Geldbuße bis zu 50 Thlrn. untersagt. Magdeburg, den 23. Juni 1848. Ich wollte meinen Augen nicht trauen und war genöthigt, um mich von der Wirklichkeit zu überzeugen, das Ding noch einmal zu lesen; darauf schrieb ich es buchstäblich ab, und doch vermochte ich noch nicht, es zu glauben und ich sah mir noch ein paar Mal das Datum genau an; aber es half nichts, es blieb dabei: diese Verfügung war ganz neu gebacken, vom 23. Juni, im ersten Jahre der Freiheit, und hatte somit für den Träger volle Gültigkeit. Die Entwaffnung der aus Holstein rückkehrenden Freischärler, die Preßprozesse, die Beschränkung des Wanderrechtes ‒ o, der edeln Früchte unserer Revolution! o, der herrlichen Freiheit, die ihr uns erkämpft habt, ihr Begrabenen im Friedrichshaine! Nun, wir haben ja verantwortliche Minister. Nur Schade, daß wir kein Volk haben, das sie zur Verantwortung zu ziehen versteht. Wie heißt es in der Schrift? „Wir haben euch gepfiffen und ihr wolltet nicht tanzen!“ (B. Z.-H.)Von der Schlei, 28. Juni. Die Bundeskontingente des 10. Armeekorps ziehen seit der vorigen Woche nach dem Norden durch unsere Stadt. Mecklenburger meherer Waffengattungen, Braunschweiger mit dem Liede Schleswig-Holstein meerumschlungen, zogen in Schleswig ein und verließen es eben so wieder. Am Sonntag Abend traf plötzlich Marschordre an das hier seit 4 Wochen garnisonirende dritte schleswig-holsteinische Linienbataillon ein, das uns am Montag Morgen verließ. Am Nachmittage begrüßten uns sofort die Hanseaten, die, nachdem sie mehrere Wochen in Rendsburg gelegen, den lebendigen Wunsch geäußert haben sollen, an dem bevorstehenden Kampfe mit Theil zu nehmen. Heute trifft die Division des Generals Bonin in Apenrade ein, das von den Freischaaren nach Hadersleben hin überall aufs Vortrefflichste barrikadirt ist. Wir können also jetzt mit Gewißheit den ernsten kriegerischen Ereignissen in den nächsten Tagen entgegensehen, da die Dänen hinter Hadersleben mit einer bedeutenden Truppenmacht (17,000 Mann sagt man) feste Position eingenommen haben sollen. (Brm. Ztg.)Kiel, 1. Juli. Wir schweben hier zwischen Krieg und Frieden Gerüchte über beides durchkreuzen sich und wenn man auch mit Gewißheit annehmen darf, daß nach langer, langer Waffenruhe die deutsche Armee endlich vorzurücken anfängt, so fragt es sich doch noch sehr, ob sie diesseits der Königsau noch Feinde treffen und, wo nicht, dieselbe überschreiten wird. Auch die Gerüchte von einer Ministerialveränderung in Kopenhagen lassen eine vorläufige Anknüpfung von Unterhandlungen vermuthen, wenn auch die Persönlichkeit Algreen Ussing's, der an Orla Lehmann's Stelle getreten sein soll, uns noch nicht viel Nachgiebigkeit von dänischer Seite in Aussicht stellt. Das scheint aber gewiß zu sein, daß wenigstens das Herzogthum Lauenburg an dem etwa noch zu hoffenden Ruhm deutscher Waffen keinen Theil haben wird, da das lauenburgische Kontingent den Gehorsam verweigert und nach Rendsburg remittirt ist. Ein zuverlässiges Schreiben aus Apenrade vom 30. Juni meldet Folgendes: Bei Hadersleben hat eine Rencontre zwischen dem v. d. Tann'schen Corps und dänischen Truppen stattgehabt, worin Letztere geschlagen worden sind. Das v. d. Tann'sche Corps ist am 30. Morgens in Hadersleben eingerückt, die Dänen sind auf dem Marsch nach Fünen. (B. H.)Wien. Das k. k. Hauptzollamt hat eine geheime Korrespondenz zwischen dem Fürsten Metternich in London und einer Reihe hiesiger Aristokraten entdeckt, welche durch Hrn. Herz, Associé des Bankhauses Arnstein und Eskeles, vermittelt ward. Das Hauptzollamt faßte die Sache lediglich als eine Beeinträchtigung des Postgefälls auf und folgte die mit Beschlag belegten Briefe nach Erlegung der Strafgelder unbedenklich aus. Prag, 26. Juni. Ruhig ist es jetzt überall in der Stadt; aber sie ist menschenleer, denn außer dem Adel, der vor dem blutigen Drama floh, sind viele reiche oder bemittelte Familien während und nach demselben geflohen; Gewerbe und Handel stocken. ‒ Auf dem Flachlande soll die Bewegung hier und da außerordentlich sein; in Jungbunzlau ist das Standrecht proklamirt worden und alle Kreischefs haben den Auftrag erhalten, dasselbe bei den geringsten Anlässen in ihren Kreisen zu publiziren. So eben langt aus Schlan die Nachricht ein, daß es dort zu Aufständen gekommen. (F. O. Z)Innsbruck, 26. Juni. Unser Gouverneur hat die Tiroler Akademiker, die von der Wiener Hochschule zur Vertheidigung ihres gefährdeten Vaterlandes herbeieilten, und mit rühmlichen Zeugnissen über ihre bewiesene Tapferkeit und sittliche Haltung nunmehr nach Hause kehrten, durch Präsidialerlaß unter Polizeiaufsicht gestellt. Es werden ihnen darin wühlerische Ideen Schuld gegeben, und außer den politischen Behörden auch die Seelsorger zu ihrer Ueberwachung aufgefordert. „Wühlerisch“ ist ein vom Grafen Brandis öfters beliebter Ausdruck, was dessen Verständniß namhaft erleichtert. So warnte er jüngst unsern schüchternen Tiroler Boten aus Anlaß eines sehr mäßig gehaltenen Aufsatzes über unsern neuen Congreß vor der Aufnahme ähnlicher „wühlerischer Artikel,“ und befahl der Redaktion dagegen eine Erwiederung in reaktionärer Tendenz aufzunehmen. „Wühlerisch“ scheint daher dem Herrn Grafen namentlich das zu sein, was dem Fortschritt, d. i. der Entwickelung des konstitutionellen Systems huldigt, gemäßigt hingegen allenfalls die vom katholischkonstitutionellen Verein, dem auch er angehört, ausgegangene Petition gegen Glaubens- und Kultusfreiheit, wodurch man das Volk gegen die Regierung aufhetzt. Sie sehen Graf Brandis gouvernirt uns noch im besten Geiste Sedlnitzky's, der jeden freisinnigen Menschen als gefährlich überwachen ließ, und das Wohl des Staates durch ein Heer von Auflaurern geborgen hielt, wozu sein würdiger Nachfolger aus besonderer Vorliebe den Klerus erkor. Wenn die Verantwortlichkeit der Beamten im konstitutionellen Oestreich nicht blos leerer Schall ist, dürfte sich der Sicherheitsausschuß in Wien veranlaßt finden, den Gouverneur von Tirol über ein solches Vergehen gegen die Akademiker der Wiener Hochschule zur Rede zu setzen. Von der galizischen Grenze, 24. Juni. Soeben fangen die Abgeordneten zum wiener Reichstag aus der Bukowina und den fernsten Kreisen Galiziens nach Wien durchzureisen an; es sind dies zumeist Bauern in der Kleidung, wie wir solche gewöhnlich an den Ochsentreibern sehen. Ein runder Strohhut mit einem schwarzen Band, ein leinenes Hemd und derlei Hose und über den Rücken eine Gunia, das ist ein brauner grobwollener Ueberwurf. Wie man auf dem Reichstage mit diesen Abgeordneten, die blos polnisch und dazu noch in verschiedenen schwer zu verstehenden Dialecten sprechen, auskommen wird, weiß der Himmel. Doch auch in Schlesien sind die Wahlen nicht sehr entsprechend ausgefallen; die Wähler, zumeist Bauern, da die Städte zu wenig volkreich sind, um eigne Abgeordnete zu wählen, äußerten ganz unumwunden, von Beamten, Adeligen, ja selbst von Städtern nichts wissen zu wollen, und waren überhaupt voll des größten Mißtrauens. Das sind die fürchterlichen Nachwehen der frühern Bedrückungen, der systematisch betriebenen Verknechtung. Von Unterschriften, Protokollen, Patenten wollen die Landleute nichts wissen. (D. A. Z.)Aus Mähren. Zum Präsidenten des mährischen Landtags, der in Brünn seine Sitzungen hält, ist der Magistratsrath Streit, ein noch junger Mann, der nicht allein der slawischen Landessprache und des Deutschen vollkommen mächtig ist, sondern auch eine genaue Kenntniß der Rechts- und politischen Verhältnisse des Landes besitzt, Eigenschaften, welche die Stellung eines mährischen Landtagspräsidenten durchaus erheischt. Außerdem ist Streit slawischer Patriot, und hat am 14. April, als über die Antwort auf die Petition der Prager, betreffend einen vereinigten Landtag Böhmens und Mährens, debattirt wurde, mit dem Grafen Taroucca auf das Ersprießliche einer solchen Vereinigung hingewiesen. Der Landtag soll aus 300 Mitgliedern bestehen, doch fehlen noch mehrere Mitglieder, da an manchen Orten die Wahlen nicht zu Stande kamen, weil man über Hals und Kopf das Wahlgeschäft vornahm. Es befinden sich gegen 80 slawische Landleute unter den Mitgliedern des Landtages. Diese erklärten sich gleich bei Eröffnung des Landtages, gegen das pedantische Formwesen und unnütze Zeitverlieren. Die Robotfrage wird verhandelt. Da giebt es einen harten Kampf zwischen Gutsherrn und Bauern. Letztere wollen Aufhebung der Robot ohne jegliche Entschädigung, die Gutsherrn hingegen wollrn, daß man ihnen eine mäßige Entschädigung gebe. Die Bauern verlangen, daß die Robot mit Anfang Juli aufhöre. Auch auf der Tribüne befanden sich viele Landleute, die den Verhandlungen über die Robot mit vieler Aufmerksamkeit zuhörten. Da die Landleute, des Deutschen unkundig, in ihrer slawischen Muttersprache reden und ihnen auch die deutschen Reden nicht verständlich sind, so nimmt das Verdollmetschen, zumal, da kein tüchtiger Translateur angestellt ist, viel Zeit weg. Im Allgemeinen wird eben so viel Deutsch als Slawisch auf dem Landtage gesprochen. (A. O.-Z).Französische Republik.
Paris, 30. Juni. Daß so viele Bürgerbataillone von außen her nach Paris zusammenströmten, hat hauptsächlich ein Erlaß des Chefs der Vollziehungsgewalt bewirkt, der folgenden Inhalts war: „25. Juni 41/2 Uhr. Die Sache der Ordnung und der Republik triumphirt. Die Ankunft zahlreicher Nationalgarden aus den Departements ist von einem ungeheuren Einfluß gewesen. Der Zuzug in Paris darf in keiner Weise eingehalten werden.“ ‒ So langten denn jetzt noch ohne Unterlaß zahlreiche Abtheilungen Nationalgarden aus allen Theilen von Frankreich an. Man giebt die Zahl derselben, denen heute auf Befehl des Präsidenten der National-Versammlung Rationen ausgetheilt wurden, auf 91,000 an. ‒ Die Opferstöcke, die in fast allen Hauptstraßen für die Verwundeten und die Familien der Gefallenen ‒ aus der Nationalgarde ‒ aufgestellt sind, liefern keinen Ertrag; man schreibt dies der übeln Lage aller Börsen und der Abwesenheit der Reichen zu. (!) ‒ Ein schweres Unglück ist gestern auf dem Konkordiaplatz vorgefallen. Hr. Lemansois-Duprey, Sekretär bei der Quästur der N-.V., kehrte gegen Mitternacht zum Pallast der Gesetzgeber zurück, als auf dem Konkordiaplatz ein Dragoner auf Posten, der auf seinen Zuruf keine Antwort vernahm, seine Waffe auf Lemansois abfeuerte; er ist gefährlich am Schenkel verwundet. ‒ Nach der Einnahme der Barrikade an der Estrapade, wo ein Bataillon Linie und die Nationalgarde so viel Menschen verloren haben, ist Gornet, der ehemalige Maire, Arzt und Freund von Barbes, durch dessen Einfluß er einige Tage lang nach der Februarrevolution an der Spitze der Verwaltung stand, militärisch hingerichtet worden. Gornet hatte die 12. Legion errichtet, ihre Bewaffnung und ihre Wahlen geleitet und war hierin von Bocquet, der seit dem 15. Mai in Vincennes gefangen sitzt, unterstützt worden. ‒ Thoré, der Hauptredakteur der „Vraie Republique“, ist in Verhaft genommen worden. ‒ Fünf Maßregeln, die bereits in Vollzug gesetzt worden, sind von dem Klub der Thiersparthei ausgegangen. Es versteht sich, daß sie durchaus im Sinne der „Ordnung“ sind. 1. Anwesenheit einer Militärmacht von wenigstens 60,000 Mann in Paris mit 100 Kanonen. 2. Unnachsichtliche Entwaffnung jedes Nationalgardisten, der in den letzten Tagen nicht zur Vertheidigung des Landes beigetragen hat. 3. Unverzügliche Auflösung der Nationalwerkstätten. 4. Schließung aller Klubs bis die Konstitution das Associationsrecht geregelt hat. 5. Zeitweilige Beschränkung der Preßfreiheit. ‒ Einzelne Züge schildern die Stimmung der Geister unter den Siegern. Nationalgardisten der 2. Legion hatten beschlossen, heute einen Besuch in den Bureaux der „Demokratie pacifique“ zu machen, eines Journals, dessen Redaktion ihnen nicht gefällt. Die Redakteure der Demokratie mußten beim General Cavaignac Hülfe nachsuchen, der ihnen ein Piquet Soldaten zu ihrem Schutze sandte. ‒ Gemäß Dekret des Chefs der vollziehenden Gewalt, welches die Insurrektion von 23-27. Juni an die Militärgerichtsbarkeit verweist, hat der Kommandant der ersten Division den Kommandanten Courtois d'Hurbal, Berichterstatter beim ersten Kriegsgericht von Paris, beauftragt, unmittelbar zur Instruktion gegen alle Beschuldigte zu schreiten, deren Zahl sich auf nahe an 6000 beläuft. Der Berichterstatter hat das Verhör begonnen mit den Gefangenen, die in den Kellern der Tuilerien und dem Souterrain, welches sich bis zum Konkordiaplatz hinzieht, eingesperrt sind. Ungefähr 1000 Gefangene befanden sich in den Kellern; es war dringend sich zunächst mit ihnen zu beschäftigen; denn man hatte zu fürchten daß der Typhes unter ihnen ausbreche und sich in die obern Räume verbreite welche die Nationalgarde einnimmt. Derselbe Tagesbefehl, der den Berichterstatter ernennt, hat zu Substituten desselben die Eskadronschefs vom Generalsstab Bourguignoe, Constantin und Tissenil bestimmt. Ebenso sind ihm 3 Substitute vom Kapitainsgarde beigegeben. Von Civilrichtern sind mit der Instruktion, die gemeinschaftlich mit der Militärbehörde geführt wird, Broussais und Berriat-Saint-Prix beauftragt. Beigegeben ist diesen Beiden der Substitut des Prokurators der Republik, Isambert. Heute um fünf Uhr waren nur noch ungefähr hundert Gefangne in den Kellern. Sobald ein Hundert derselben von den Berichterstattern und Instruktionsrichtern vernommen war, wurden sie, die Hände auf den Rücken gebunden, einer starken Abtheilung Infantrie und Kavallerie übergeben, die zur Hälfte aus Linie, zur Hälfte aus Nationalgarde bestand. Die Eskorte, der eine Avantgarde mit dem Karabiner in der Hand voraufzog, brachte die Gefangnen in die Militärschule auf dem Marsfeld, wo sie einstweilen verbleiben, bis die Justiz über jeden Einzelen nähere Untersuchung angestellt hat. ‒ In Lyon liegen 20,000 Arbeiter auf dem Pflaster. Um tnun einen ähnlichen fürchterlichen Zusammenstoß zwischen Arbeiterthum und Bürgerthum, wie er in Paris statt fand, zu verhüten, wird heute die Nationalversammlung in aller Eile 6,000,000 Fr. votiren, welche jene brodlose Arbeiterarmee an der von Lyon nach Paris führenden Eisenbahn beschäftigen soll. Deslongrais will diesen neuen Kredit zwar bekämpfen, weil er es für unlogisch hält, sich für irgend eine Linie früher zu interessiren, als die große Frage der Expropriation entschieden ist. ‒ Der Moniteur brachte gestern die langen Zolltabellen über Ein- und Ausfuhr. Daraus ergibt sich, daß der Verlust der Staatskassen nicht so groß ist, als es die ernsten Ereignisse während der ersten fünf Monate voraussetzen ließen. Während der Monate Januar, Februar, März, April und Mai 1848 betrug die Einnahme 32,260,220 Fr., während sie in der gleichen Periode von 1847 allerdings 54,776,512 Fr. und 1846 sogar 62,064,171 Fr. erreichte. * Paris. Wir finden in der „Ere nouvelle“ folgende interessante Nachweisungen über die Schilderhebung der Thierspartei. Im 11. Bureau erhob sich ein lebhafter Streit zwischen Herrn Thiers und Herrn Martin von Straßburg über den für die Untersuchungskommission zu ernennenden Kommissär, der die Ursachen und Urheber der Insurrektion vom 23. Juni zu erforschen und dabei bis zum 15. Mai zurückzugehn hat. Man ließ den Namen des Herrn Bauchard circuliren, den Namen eines gemäßigten Republikaners, dessen Republikanismus ein älteres Dasein hat als die Februarrevolution. Er sollte eben ernannt werden ohne weitere Diskussion, als Thiers und einige seiner Freunde hereintraten. Herr Thiers sagte mit lauter Stimme in seiner Gruppe, aber in der Weise der Conversation, man verfahre nicht in dem Sinne von Frankreich. Diese Worte, die auf die schon halb beschlossene Ernennung sich bezogen, denn die Mehrzahl der Mitglieder hatte gestimmt, wurden von verschiedenen Repräsentanten aufgenommen. Thiers sprach von Kommunismus. Man antwortete ihm, man sei auf der Spur schuldiger Umtriebe, worin man die Hand von Prätendenten und ihrer Freunde erblicke. Martin von Straßburg nahm das Wort und verlangte die Eröffnung der Diskussion, damit laut gesagt werden könne, was so eben ganz leise an seiner Seite gemurmelt worden. Thiers antwortete, er habe nicht die Gewohnheit, seine Ansichten zu verbergen und trotz der Arroganz gewisser Parteien, werde er die ganze Wahrheit dem Lande sagen. Es ist dieß das erstemal, daß er das Wort im Bureau ergriff. Bauchard wurde trotzdem zum Kommissär ernannt. Er hatte 31 Stimmen, Thiers 4, Nachet 4 und Dufaure 4. Der von dem General Baragnay-d'Hilliers in der Straße Poitiers präsidirte Klub, aus ungefähr 250 Mitgliedern der Nationalversammlung bestehend, vertritt die Partei Thiers und Barrot. Wir haben gestern unsern Lesern gesagt, daß die Stimmen, die Dufaure gegen Marie bei der Präsidentenwahl erhalten, der erste Versuch der Thierspartei ist, ihre Kräfte gegen die Partei des National zu messen. Diese Partei selbst hat das Votum verstanden, wie wir es verstanden haben. Das Ministerium hat sich bei den „dynastischen“ Herrn nach dem Sinn dieser feindseligen Demonstration erkundigt, und diese Herrn, für die offenbar die Februarrevolution gemacht worden ist, ‒ das Ministerium Thiers Barrot, dem man am 24. Februar zu spät zurief, kömmt im Juni nur etwas zu früh, ‒ diese Herrn erklärten, die Ernennung Carnots zum Minister schiene ihnen unschicklich, gegen sie gemünzt u. s. w., sicherten übrigens huldvoll dem Minister des Innern, Senard, ihre Unterstützung zu, so weit er einen ihnen wohlgefälligen Wandel führe. Kurz nach der Februarrevolution hatte Thiers wie einst Reinecke erklärt, er wolle sich ins Kloster zurückziehen, ein beschauliches Leben führen, dem eitlen Weltwesen entsagen und ‒ Geschichten schreiben. Lyon, 30. Juni. Die große Angelegenheit, die seit mehreren Tagen Lyon beschäftigte, war die Entwaffnung von Croix Rousse. Es handelte sich darum die Kanonen dort wegzunehmen, deren die Arbeiter sich bemächtigt hatten. ‒ Die Kanonen wurden ohne Widerstand von Seiten der Arbeiter dem Militär ausgeliefert. Uebrigens waren für den Fall einer Weigerung die größten Vorkehrungen getroffen. Mehr als 30 000 Mann umgaben Croix-Rousse. Die Zugänge zu allen Brücken waren von Kavalerie besetzt, während die Nationalgarde in den Stadtkasernen aufgestellt war. Es handelt sich jetzt noch darum die Gewehre wieder aus den Händen der Arbeiter zu nehmen, die nicht Nationalgardisten sind. Diese Entwaffnung wird indeß mehr Schwierigkeiten darbieten als die eben erfolgte. (Siehe den Verfolg in der Beilage.) Großbritannien.
London, 1. Juli.
In der gestrigen Sitzung der Gemeinden ging das Haus in's Comité über die Zuckerzölle. Herr Bright ergriff das Wort. Der große Freihandelsquäcker stimmte seinen wehmüthigsten Ton an, um das Interesse der armen, gedrückten englischen Arbeiter gegenüber dem Interesse der Kolonien geltend zu machen. Das Parlament habe den Pflanzern 20 Mill. für die Sklaven-Emancipation und 30 Mill. durch elfjährigen Zollschutz gegeben. Und jetzt wolle man noch 2-3 Mill. jährlich aus der Tasche des Verhungernden Volks ziehen, zur Bereicherung der Pflanzer? Das Ministerium solle sich in Acht nehmen. Gerade an dieser Zollschutzfrage sei Lord J. Russel's Kabinet 1841, Sir R. Peel's Kabinet 1846 zu Grunde gegangen, und letzte Nacht habe das Ministerium ebenfalls schon mit dem Tode gerungen, kaum noch erhalten durch 15, in andren Hauptfragen sonst abweichende Stimmen. Er kritisirte Lord J. Russell's gestrige Rede sehr scharf und schlug vor, an den bestehenden Zuckerzöllen Nichts zu ändern. Herr H. Berkelay und Herr Tollemache wimmerten dagegen im angeblichen Interesse der emancipirten Sklaven; Herr Berkelay vergaß übrigens nicht zu bemerken, daß er außerdem persönlich dabei betheiligt sei. (Es versteht sich übrigens von selbst, daß es sich weder um Sklaven noch um Proletarier handelt, sondern blos um englische Fabrikanten und westindische Grundbesitzer. Ob Erstere durch Herabdrückung der Preise aller Lebensmittel und namentlich des in England zu einem Hauptkonsumtionsartikel der arbeitenden Klasse gewordenen Zuckers, in den Stand gesetzt werden sollen, auch den Lohn ihrer Arbeiter zu drücken, oder ob die westindischen Grundbesitzer durch erhöhte Zuckerpreise in den Stand gesetzt werden, hohe Grundrenten zu beziehen, das ist Alles, worum es sich handelt. Arbeiter und Sklaven sind blos sentimentale Arabesken.) Sir Ch. Wood, Schatzkanzler, antwortete Herrn Bright in sehr langweiliger Weise und brachte sehr schlau, zu Gunsten des ministeriellen Vorschlags, einige Details über sein revidirtes Budget vor, wonach 1 1/2 Million von den 2 Millionen Defizit gedeckt werden. Nach Hrn. Cardwell und Hrn. Wilson für, sprach Lord Nugent gegen den ministeriellen Vorschlag. Er erklärte ihn für schwach, treulos und gottlos, sprach von früheren Verpflichtungen gegen die westindischen Grundbesitzer und vom verfluchten Sklavenhandel, erklärte sich aber auch gegen Herrn Brights Vorschlag. Herr Brights Vorschlag wurde dann von 302 gegen 36 Stimmen verworfen. ‒ Die Times hat die mit dem Dampfboot Lion von Hamburg und Hull angekommene Nachricht, daß der Friede zwischen Deutschland und Dänemark so gut wie abgeschlossen sei (a settleck thing). 3 proz. Stocks um 4 Uhr 837/8 à 841/8 für Rechnung. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar034_018" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0003" n="0169"/> men ich vorläufig verschweige und der mir allen Ernstes erzählte daß ihm das Wandern in die Schweiz verboten sei. Ich glaubte anfänglich, einen Menschen vor mir zu haben, der von dem Sturm der Revolution nichts verspürt und in Gedanken noch auf dem alten Rechtsboden stehe. Als ich ihm dies jedoch zu verstehen gab, holte er sein Wanderbuch hervor, und, wie groß war mein Erstaunen, da ich in demselben Folgendes las:</p> <p rendition="#et">Im Auftrage Königl. Hochlöbl. Regierung hier ausgefertigt. Dem Inhaber ist das Auswandern nach der Schweiz und der Aufenthalt in derselben bei Vermeidung einer Gefängnißstrafe bis zu 6 Wochen, oder einer Geldbuße bis zu 50 Thlrn. untersagt. Magdeburg, den 23. Juni 1848.<lb/><hi rendition="#g">Bodelschwingh.</hi></p> <p>Ich wollte meinen Augen nicht trauen und war genöthigt, um mich von der Wirklichkeit zu überzeugen, das Ding noch einmal zu lesen; darauf schrieb ich es buchstäblich ab, und doch vermochte ich noch nicht, es zu glauben und ich sah mir noch ein paar Mal das Datum genau an; aber es half nichts, es blieb dabei: diese Verfügung war ganz neu gebacken, vom 23. Juni, im ersten Jahre der Freiheit, und hatte somit für den Träger volle Gültigkeit.</p> <p>Die Entwaffnung der aus Holstein rückkehrenden Freischärler, die Preßprozesse, die Beschränkung des Wanderrechtes ‒ o, der edeln Früchte unserer Revolution! o, der herrlichen Freiheit, die ihr uns erkämpft habt, ihr Begrabenen im Friedrichshaine! Nun, wir haben ja verantwortliche Minister. Nur Schade, daß wir kein Volk haben, das sie zur Verantwortung zu ziehen versteht. Wie heißt es in der Schrift? „Wir haben euch gepfiffen und ihr wolltet nicht tanzen!“</p> <bibl>(B. Z.-H.)</bibl> </div> <div xml:id="ar034_019" type="jArticle"> <head>Von der Schlei, 28. Juni.</head> <p>Die Bundeskontingente des 10. Armeekorps ziehen seit der vorigen Woche nach dem Norden durch unsere Stadt. Mecklenburger meherer Waffengattungen, Braunschweiger mit dem Liede Schleswig-Holstein meerumschlungen, zogen in Schleswig ein und verließen es eben so wieder. Am Sonntag Abend traf plötzlich Marschordre an das hier seit 4 Wochen garnisonirende dritte schleswig-holsteinische Linienbataillon ein, das uns am Montag Morgen verließ. Am Nachmittage begrüßten uns sofort die Hanseaten, die, nachdem sie mehrere Wochen in Rendsburg gelegen, den lebendigen Wunsch geäußert haben sollen, an dem bevorstehenden Kampfe mit Theil zu nehmen. Heute trifft die Division des Generals Bonin in Apenrade ein, das von den Freischaaren nach Hadersleben hin überall aufs Vortrefflichste barrikadirt ist. Wir können also jetzt mit Gewißheit den ernsten kriegerischen Ereignissen in den nächsten Tagen entgegensehen, da die Dänen hinter Hadersleben mit einer bedeutenden Truppenmacht (17,000 Mann sagt man) feste Position eingenommen haben sollen.</p> <bibl>(Brm. Ztg.)</bibl> </div> <div xml:id="ar034_020" type="jArticle"> <head> Kiel, 1. Juli.</head> <p>Wir schweben hier zwischen Krieg und Frieden Gerüchte über beides durchkreuzen sich und wenn man auch mit Gewißheit annehmen darf, daß nach langer, langer Waffenruhe die deutsche Armee endlich vorzurücken anfängt, so fragt es sich doch noch sehr, ob sie diesseits der Königsau noch Feinde treffen und, wo nicht, dieselbe überschreiten wird. Auch die Gerüchte von einer Ministerialveränderung in Kopenhagen lassen eine vorläufige Anknüpfung von Unterhandlungen vermuthen, wenn auch die Persönlichkeit Algreen Ussing's, der an Orla Lehmann's Stelle getreten sein soll, uns noch nicht viel Nachgiebigkeit von dänischer Seite in Aussicht stellt. Das scheint aber gewiß zu sein, daß wenigstens das Herzogthum Lauenburg an dem etwa noch zu hoffenden Ruhm deutscher Waffen keinen Theil haben wird, da das lauenburgische Kontingent den Gehorsam verweigert und nach Rendsburg remittirt ist.</p> <p>Ein zuverlässiges Schreiben aus <hi rendition="#g">Apenrade</hi> vom 30. <hi rendition="#g">Juni</hi> meldet Folgendes: Bei Hadersleben hat eine Rencontre zwischen dem v. d. Tann'schen Corps und dänischen Truppen stattgehabt, worin Letztere geschlagen worden sind. Das v. d. Tann'sche Corps ist am 30. Morgens in Hadersleben eingerückt, die Dänen sind auf dem Marsch nach Fünen.</p> <bibl>(B. H.)</bibl> </div> <div xml:id="ar034_021" type="jArticle"> <head>Wien.</head> <p>Das k. k. Hauptzollamt hat eine geheime Korrespondenz zwischen dem Fürsten Metternich in London und einer Reihe hiesiger Aristokraten entdeckt, welche durch Hrn. Herz, Associé des Bankhauses Arnstein und Eskeles, vermittelt ward. Das Hauptzollamt faßte die Sache lediglich als eine Beeinträchtigung des Postgefälls auf und folgte die mit Beschlag belegten Briefe nach Erlegung der Strafgelder unbedenklich aus.</p> </div> <div xml:id="ar034_022" type="jArticle"> <head>Prag, 26. Juni.</head> <p>Ruhig ist es jetzt überall in der Stadt; aber sie ist menschenleer, denn außer dem Adel, der vor dem blutigen Drama floh, sind viele reiche oder bemittelte Familien während und nach demselben geflohen; Gewerbe und Handel stocken. ‒ Auf dem Flachlande soll die Bewegung hier und da außerordentlich sein; in Jungbunzlau ist das Standrecht proklamirt worden und alle Kreischefs haben den Auftrag erhalten, dasselbe bei den geringsten Anlässen in ihren Kreisen zu publiziren. So eben langt aus Schlan die Nachricht ein, daß es dort zu Aufständen gekommen.</p> <bibl>(F. O. Z)</bibl> </div> <div xml:id="ar034_023" type="jArticle"> <head>Innsbruck, 26. Juni.</head> <p>Unser Gouverneur hat die Tiroler Akademiker, die von der Wiener Hochschule zur Vertheidigung ihres gefährdeten Vaterlandes herbeieilten, und mit rühmlichen Zeugnissen über ihre bewiesene Tapferkeit und sittliche Haltung nunmehr nach Hause kehrten, durch Präsidialerlaß unter Polizeiaufsicht gestellt. Es werden ihnen darin wühlerische Ideen Schuld gegeben, und außer den politischen Behörden auch die Seelsorger zu ihrer Ueberwachung aufgefordert. „Wühlerisch“ ist ein vom Grafen Brandis öfters beliebter Ausdruck, was dessen Verständniß namhaft erleichtert. So warnte er jüngst unsern schüchternen Tiroler Boten aus Anlaß eines sehr mäßig gehaltenen Aufsatzes über unsern neuen Congreß vor der Aufnahme ähnlicher „wühlerischer Artikel,“ und befahl der Redaktion dagegen eine Erwiederung in reaktionärer Tendenz aufzunehmen. „Wühlerisch“ scheint daher dem Herrn Grafen namentlich das zu sein, was dem Fortschritt, d. i. der Entwickelung des konstitutionellen Systems huldigt, gemäßigt hingegen allenfalls die vom katholischkonstitutionellen Verein, dem auch er angehört, ausgegangene Petition gegen Glaubens- und Kultusfreiheit, wodurch man das Volk gegen die Regierung aufhetzt. Sie sehen Graf Brandis gouvernirt uns noch im besten Geiste Sedlnitzky's, der jeden freisinnigen Menschen als gefährlich überwachen ließ, und das Wohl des Staates durch ein Heer von Auflaurern geborgen hielt, wozu sein würdiger Nachfolger aus besonderer Vorliebe den Klerus erkor. Wenn die Verantwortlichkeit der Beamten im konstitutionellen Oestreich nicht blos leerer Schall ist, dürfte sich der Sicherheitsausschuß in Wien veranlaßt finden, den Gouverneur von Tirol über ein solches Vergehen gegen die Akademiker der Wiener Hochschule zur Rede zu setzen.</p> </div> <div xml:id="ar034_024" type="jArticle"> <head>Von der galizischen Grenze, 24. Juni.</head> <p>Soeben fangen die Abgeordneten zum wiener Reichstag aus der Bukowina und den fernsten Kreisen Galiziens nach Wien durchzureisen an; es sind dies zumeist Bauern in der Kleidung, wie wir solche gewöhnlich an den Ochsentreibern sehen. Ein runder Strohhut mit einem schwarzen Band, ein leinenes Hemd und derlei Hose und über den Rücken eine Gunia, das ist ein brauner grobwollener Ueberwurf. Wie man auf dem Reichstage mit diesen Abgeordneten, die blos polnisch und dazu noch in verschiedenen schwer zu verstehenden Dialecten sprechen, auskommen wird, weiß der Himmel. Doch auch in Schlesien sind die Wahlen nicht sehr entsprechend ausgefallen; die Wähler, zumeist Bauern, da die Städte zu wenig volkreich sind, um eigne Abgeordnete zu wählen, äußerten ganz unumwunden, von Beamten, Adeligen, ja selbst von Städtern nichts wissen zu wollen, und waren überhaupt voll des größten Mißtrauens. Das sind die fürchterlichen Nachwehen der frühern Bedrückungen, der systematisch betriebenen Verknechtung. Von Unterschriften, Protokollen, Patenten wollen die Landleute nichts wissen.</p> <bibl>(D. A. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar034_025" type="jArticle"> <head>Aus Mähren.</head> <p>Zum Präsidenten des mährischen Landtags, der in Brünn seine Sitzungen hält, ist der Magistratsrath Streit, ein noch junger Mann, der nicht allein der slawischen Landessprache und des Deutschen vollkommen mächtig ist, sondern auch eine genaue Kenntniß der Rechts- und politischen Verhältnisse des Landes besitzt, Eigenschaften, welche die Stellung eines mährischen Landtagspräsidenten durchaus erheischt. Außerdem ist Streit slawischer Patriot, und hat am 14. April, als über die Antwort auf die Petition der Prager, betreffend einen vereinigten Landtag Böhmens und Mährens, debattirt wurde, mit dem Grafen Taroucca auf das Ersprießliche einer solchen Vereinigung hingewiesen. Der Landtag soll aus 300 Mitgliedern bestehen, doch fehlen noch mehrere Mitglieder, da an manchen Orten die Wahlen nicht zu Stande kamen, weil man über Hals und Kopf das Wahlgeschäft vornahm. Es befinden sich gegen 80 slawische Landleute unter den Mitgliedern des Landtages. Diese erklärten sich gleich bei Eröffnung des Landtages, gegen das pedantische Formwesen und unnütze Zeitverlieren. Die Robotfrage wird verhandelt. Da giebt es einen harten Kampf zwischen Gutsherrn und Bauern. Letztere wollen Aufhebung der Robot ohne jegliche Entschädigung, die Gutsherrn hingegen wollrn, daß man ihnen eine mäßige Entschädigung gebe. Die Bauern verlangen, daß die Robot mit Anfang Juli aufhöre. Auch auf der Tribüne befanden sich viele Landleute, die den Verhandlungen über die Robot mit vieler Aufmerksamkeit zuhörten. Da die Landleute, des Deutschen unkundig, in ihrer slawischen Muttersprache reden und ihnen auch die deutschen Reden nicht verständlich sind, so nimmt das Verdollmetschen, zumal, da kein tüchtiger Translateur angestellt ist, viel Zeit weg. Im Allgemeinen wird eben so viel Deutsch als Slawisch auf dem Landtage gesprochen.</p> <bibl>(A. O.-Z).</bibl> </div> </div> <div n="1"> <head>Französische Republik.</head> <div xml:id="ar034_026" type="jArticle"> <head>Paris, 30. Juni.</head> <p>Daß so viele Bürgerbataillone von außen her nach Paris zusammenströmten, hat hauptsächlich ein Erlaß des Chefs der Vollziehungsgewalt bewirkt, der folgenden Inhalts war: „25. Juni 41/2 Uhr. Die Sache der Ordnung und der Republik triumphirt. Die Ankunft zahlreicher Nationalgarden aus den Departements ist von einem ungeheuren Einfluß gewesen. Der Zuzug in Paris darf in keiner Weise eingehalten werden.“ ‒ So langten denn jetzt noch ohne Unterlaß zahlreiche Abtheilungen Nationalgarden aus allen Theilen von Frankreich an. Man giebt die Zahl derselben, denen heute auf Befehl des Präsidenten der National-Versammlung Rationen ausgetheilt wurden, auf 91,000 an.</p> <p>‒ Die Opferstöcke, die in fast allen Hauptstraßen für die Verwundeten und die Familien der Gefallenen ‒ aus der Nationalgarde ‒ aufgestellt sind, liefern <hi rendition="#g">keinen Ertrag;</hi> man schreibt dies der übeln Lage aller Börsen und der Abwesenheit der Reichen zu. (!)</p> <p>‒ Ein schweres Unglück ist gestern auf dem Konkordiaplatz vorgefallen. Hr. Lemansois-Duprey, Sekretär bei der Quästur der N-.V., kehrte gegen Mitternacht zum Pallast der Gesetzgeber zurück, als auf dem Konkordiaplatz ein Dragoner auf Posten, der auf seinen Zuruf keine Antwort vernahm, seine Waffe auf Lemansois abfeuerte; er ist gefährlich am Schenkel verwundet.</p> <p>‒ Nach der Einnahme der Barrikade an der Estrapade, wo ein Bataillon Linie und die Nationalgarde so viel Menschen verloren haben, ist Gornet, der ehemalige Maire, Arzt und Freund von Barbes, durch dessen Einfluß er einige Tage lang nach der Februarrevolution an der Spitze der Verwaltung stand, militärisch hingerichtet worden. Gornet hatte die 12. Legion errichtet, ihre Bewaffnung und ihre Wahlen geleitet und war hierin von Bocquet, der seit dem 15. Mai in Vincennes gefangen sitzt, unterstützt worden.</p> <p>‒ Thoré, der Hauptredakteur der „Vraie Republique“, ist in Verhaft genommen worden.</p> <p>‒ Fünf Maßregeln, die bereits in Vollzug gesetzt worden, sind von dem Klub der Thiersparthei ausgegangen. Es versteht sich, daß sie durchaus im Sinne der „Ordnung“ sind. 1. Anwesenheit einer Militärmacht von wenigstens 60,000 Mann in Paris mit 100 Kanonen. 2. Unnachsichtliche Entwaffnung jedes Nationalgardisten, der in den letzten Tagen nicht zur Vertheidigung des Landes beigetragen hat. 3. Unverzügliche Auflösung der Nationalwerkstätten. 4. Schließung aller Klubs bis die Konstitution das Associationsrecht geregelt hat. 5. Zeitweilige Beschränkung der Preßfreiheit.</p> <p>‒ Einzelne Züge schildern die Stimmung der Geister unter den Siegern. Nationalgardisten der 2. Legion hatten beschlossen, heute einen Besuch in den Bureaux der „Demokratie pacifique“ zu machen, eines Journals, dessen Redaktion ihnen nicht gefällt. Die Redakteure der Demokratie mußten beim General Cavaignac Hülfe nachsuchen, der ihnen ein Piquet Soldaten zu ihrem Schutze sandte.</p> <p>‒ Gemäß Dekret des Chefs der vollziehenden Gewalt, welches die Insurrektion von 23-27. Juni an die Militärgerichtsbarkeit verweist, hat der Kommandant der ersten Division den Kommandanten Courtois d'Hurbal, Berichterstatter beim ersten Kriegsgericht von Paris, beauftragt, unmittelbar zur Instruktion gegen alle Beschuldigte zu schreiten, deren Zahl sich auf nahe an 6000 beläuft. Der Berichterstatter hat das Verhör begonnen mit den Gefangenen, die in den Kellern der Tuilerien und dem Souterrain, welches sich bis zum Konkordiaplatz hinzieht, eingesperrt sind. Ungefähr 1000 Gefangene befanden sich in den Kellern; es war dringend sich zunächst mit ihnen zu beschäftigen; denn man hatte zu fürchten <hi rendition="#g">daß der Typhes unter ihnen ausbreche und sich in die obern Räume verbreite welche die Nationalgarde einnimmt.</hi> Derselbe Tagesbefehl, der den Berichterstatter ernennt, hat zu Substituten desselben die Eskadronschefs vom Generalsstab Bourguignoe, Constantin und Tissenil bestimmt. Ebenso sind ihm 3 Substitute vom Kapitainsgarde beigegeben. Von Civilrichtern sind mit der Instruktion, die gemeinschaftlich mit der Militärbehörde geführt wird, Broussais und Berriat-Saint-Prix beauftragt. Beigegeben ist diesen Beiden der Substitut des Prokurators der Republik, Isambert.</p> <p>Heute um fünf Uhr waren nur noch ungefähr hundert Gefangne in den Kellern. Sobald ein Hundert derselben von den Berichterstattern und Instruktionsrichtern vernommen war, wurden sie, die Hände auf den Rücken gebunden, einer starken Abtheilung Infantrie und Kavallerie übergeben, die zur Hälfte aus Linie, zur Hälfte aus Nationalgarde bestand. Die Eskorte, der eine Avantgarde mit dem Karabiner in der Hand voraufzog, brachte die Gefangnen in die Militärschule auf dem Marsfeld, wo sie einstweilen verbleiben, bis die Justiz über jeden Einzelen nähere Untersuchung angestellt hat.</p> <p>‒ In Lyon liegen 20,000 Arbeiter auf dem Pflaster. Um tnun einen ähnlichen fürchterlichen Zusammenstoß zwischen Arbeiterthum und Bürgerthum, wie er in Paris statt fand, zu verhüten, wird heute die Nationalversammlung in aller Eile 6,000,000 Fr. votiren, welche jene brodlose Arbeiterarmee an der von Lyon nach Paris führenden Eisenbahn beschäftigen soll. Deslongrais will diesen neuen Kredit zwar bekämpfen, weil er es für unlogisch hält, sich für irgend eine Linie früher zu interessiren, als die große Frage der Expropriation entschieden ist.</p> <p>‒ Der Moniteur brachte gestern die langen Zolltabellen über Ein- und Ausfuhr. Daraus ergibt sich, daß der Verlust der Staatskassen nicht so groß ist, als es die ernsten Ereignisse während der ersten fünf Monate voraussetzen ließen. Während der Monate Januar, Februar, März, April und Mai 1848 betrug die Einnahme 32,260,220 Fr., während sie in der gleichen Periode von 1847 allerdings 54,776,512 Fr. und 1846 sogar 62,064,171 Fr. erreichte.</p> </div> <div xml:id="ar034_027" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Paris.</head> <p>Wir finden in der <hi rendition="#g">„Ere nouvelle“</hi> folgende interessante Nachweisungen über die Schilderhebung der Thierspartei. Im 11. Bureau erhob sich ein lebhafter Streit zwischen Herrn Thiers und Herrn Martin von Straßburg über den für die Untersuchungskommission zu ernennenden Kommissär, der die Ursachen und Urheber der Insurrektion vom 23. Juni zu erforschen und dabei bis zum 15. Mai zurückzugehn hat. Man ließ den Namen des Herrn Bauchard circuliren, den Namen eines gemäßigten Republikaners, dessen Republikanismus ein älteres Dasein hat als die Februarrevolution. Er sollte eben ernannt werden ohne weitere Diskussion, als Thiers und einige seiner Freunde hereintraten. Herr Thiers sagte mit lauter Stimme in seiner Gruppe, aber in der Weise der Conversation, man verfahre nicht in dem Sinne von Frankreich. Diese Worte, die auf die schon halb beschlossene Ernennung sich bezogen, denn die Mehrzahl der Mitglieder hatte gestimmt, wurden von verschiedenen Repräsentanten aufgenommen. Thiers sprach von Kommunismus. Man antwortete ihm, man sei auf der Spur schuldiger Umtriebe, worin man die Hand von Prätendenten und ihrer Freunde erblicke. Martin von Straßburg nahm das Wort und verlangte die Eröffnung der Diskussion, damit laut gesagt werden könne, was so eben ganz leise an seiner Seite gemurmelt worden. Thiers antwortete, er habe nicht die Gewohnheit, seine Ansichten zu verbergen und trotz der <hi rendition="#g">Arroganz</hi> gewisser Parteien, werde er die ganze Wahrheit dem Lande sagen. Es ist dieß das erstemal, daß er das Wort im Bureau ergriff. Bauchard wurde trotzdem zum Kommissär ernannt. Er hatte 31 Stimmen, Thiers 4, Nachet 4 und Dufaure 4.</p> <p>Der von dem General Baragnay-d'Hilliers in der Straße Poitiers präsidirte Klub, aus ungefähr 250 Mitgliedern der Nationalversammlung bestehend, vertritt die Partei Thiers und Barrot. Wir haben gestern unsern Lesern gesagt, daß die Stimmen, die Dufaure gegen Marie bei der Präsidentenwahl erhalten, der erste Versuch der Thierspartei ist, ihre Kräfte gegen die Partei des National zu messen. Diese Partei selbst hat das Votum verstanden, wie wir es verstanden haben. Das Ministerium hat sich bei den „dynastischen“ Herrn nach dem Sinn dieser feindseligen Demonstration erkundigt, und diese Herrn, für die offenbar die Februarrevolution gemacht worden ist, ‒ das Ministerium Thiers Barrot, dem man am 24. Februar <hi rendition="#g">zu spät</hi> zurief, kömmt im Juni nur etwas zu früh, ‒ diese Herrn erklärten, die Ernennung Carnots zum Minister schiene ihnen unschicklich, gegen sie gemünzt u. s. w., sicherten übrigens huldvoll dem Minister des Innern, <hi rendition="#g">Senard,</hi> ihre Unterstützung zu, so weit er einen ihnen wohlgefälligen Wandel führe. Kurz nach der Februarrevolution hatte Thiers wie einst Reinecke erklärt, er wolle sich ins Kloster zurückziehen, ein beschauliches Leben führen, dem eitlen Weltwesen entsagen und ‒ Geschichten schreiben.</p> </div> <div xml:id="ar034_028" type="jArticle"> <head>Lyon, 30. Juni.</head> <p>Die große Angelegenheit, die seit mehreren Tagen Lyon beschäftigte, war die Entwaffnung von Croix Rousse. Es handelte sich darum die Kanonen dort wegzunehmen, deren die Arbeiter sich bemächtigt hatten. ‒ Die Kanonen wurden ohne Widerstand von Seiten der Arbeiter dem Militär ausgeliefert. Uebrigens waren für den Fall einer Weigerung die größten Vorkehrungen getroffen. Mehr als 30 000 Mann umgaben Croix-Rousse. Die Zugänge zu allen Brücken waren von Kavalerie besetzt, während die Nationalgarde in den Stadtkasernen aufgestellt war. Es handelt sich jetzt noch darum die Gewehre wieder aus den Händen der Arbeiter zu nehmen, die nicht Nationalgardisten sind. Diese Entwaffnung wird indeß mehr Schwierigkeiten darbieten als die eben erfolgte.</p> <p> <ref type="link"> <hi rendition="#b">(Siehe den Verfolg in der Beilage.)</hi> </ref> </p> </div> </div> <div n="1"> <head>Großbritannien.</head> <div xml:id="ar034_029" type="jArticle"> <head>London, 1. Juli.</head> <p>In der gestrigen Sitzung der <hi rendition="#g">Gemeinden</hi> ging das Haus in's Comité über die Zuckerzölle. Herr <hi rendition="#g">Bright</hi> ergriff das Wort. Der große Freihandelsquäcker stimmte seinen wehmüthigsten Ton an, um das Interesse der armen, gedrückten englischen Arbeiter gegenüber dem Interesse der Kolonien geltend zu machen. Das Parlament habe den Pflanzern 20 Mill. für die Sklaven-Emancipation und 30 Mill. durch elfjährigen Zollschutz gegeben. Und jetzt wolle man noch 2-3 Mill. jährlich aus der Tasche des Verhungernden Volks ziehen, zur Bereicherung der Pflanzer? Das Ministerium solle sich in Acht nehmen. Gerade an dieser Zollschutzfrage sei Lord J. Russel's Kabinet 1841, Sir R. Peel's Kabinet 1846 zu Grunde gegangen, und letzte Nacht habe das Ministerium ebenfalls schon mit dem Tode gerungen, kaum noch erhalten durch 15, in andren Hauptfragen sonst abweichende Stimmen. Er kritisirte Lord J. Russell's gestrige Rede sehr scharf und schlug vor, an den bestehenden Zuckerzöllen Nichts zu ändern.</p> <p>Herr H. <hi rendition="#g">Berkelay</hi> und Herr <hi rendition="#g">Tollemache</hi> wimmerten dagegen im angeblichen Interesse der emancipirten Sklaven; Herr Berkelay vergaß übrigens nicht zu bemerken, daß er außerdem persönlich dabei betheiligt sei.</p> <p>(Es versteht sich übrigens von selbst, daß es sich weder um Sklaven noch um Proletarier handelt, sondern blos um englische Fabrikanten und westindische Grundbesitzer. Ob Erstere durch Herabdrückung der Preise aller Lebensmittel und namentlich des in England zu einem Hauptkonsumtionsartikel der arbeitenden Klasse gewordenen Zuckers, in den Stand gesetzt werden sollen, auch den <hi rendition="#g">Lohn</hi> ihrer Arbeiter zu drücken, oder ob die westindischen Grundbesitzer durch erhöhte Zuckerpreise in den Stand gesetzt werden, hohe Grundrenten zu beziehen, das ist Alles, worum es sich handelt. Arbeiter und Sklaven sind blos sentimentale Arabesken.)</p> <p>Sir Ch. <hi rendition="#g">Wood,</hi> Schatzkanzler, antwortete Herrn Bright in sehr langweiliger Weise und brachte sehr schlau, zu Gunsten des ministeriellen Vorschlags, einige Details über sein revidirtes Budget vor, wonach 1 1/2 Million von den 2 Millionen Defizit gedeckt werden.</p> <p>Nach Hrn. <hi rendition="#g">Cardwell</hi> und Hrn. <hi rendition="#g">Wilson</hi> für, sprach Lord <hi rendition="#g">Nugent</hi> gegen den ministeriellen Vorschlag. Er erklärte ihn für schwach, treulos und gottlos, sprach von früheren Verpflichtungen gegen die westindischen Grundbesitzer und vom verfluchten Sklavenhandel, erklärte sich aber auch gegen Herrn Brights Vorschlag.</p> <p>Herr Brights Vorschlag wurde dann von 302 gegen 36 Stimmen verworfen.</p> <p>‒ Die Times hat die mit dem Dampfboot <hi rendition="#g">Lion</hi> von Hamburg und Hull angekommene Nachricht, daß der Friede zwischen Deutschland und Dänemark so gut wie abgeschlossen sei (a settleck thing).</p> <p>3 proz. Stocks um 4 Uhr 837/8 à 841/8 für Rechnung.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0169/0003]
men ich vorläufig verschweige und der mir allen Ernstes erzählte daß ihm das Wandern in die Schweiz verboten sei. Ich glaubte anfänglich, einen Menschen vor mir zu haben, der von dem Sturm der Revolution nichts verspürt und in Gedanken noch auf dem alten Rechtsboden stehe. Als ich ihm dies jedoch zu verstehen gab, holte er sein Wanderbuch hervor, und, wie groß war mein Erstaunen, da ich in demselben Folgendes las:
Im Auftrage Königl. Hochlöbl. Regierung hier ausgefertigt. Dem Inhaber ist das Auswandern nach der Schweiz und der Aufenthalt in derselben bei Vermeidung einer Gefängnißstrafe bis zu 6 Wochen, oder einer Geldbuße bis zu 50 Thlrn. untersagt. Magdeburg, den 23. Juni 1848.
Bodelschwingh.
Ich wollte meinen Augen nicht trauen und war genöthigt, um mich von der Wirklichkeit zu überzeugen, das Ding noch einmal zu lesen; darauf schrieb ich es buchstäblich ab, und doch vermochte ich noch nicht, es zu glauben und ich sah mir noch ein paar Mal das Datum genau an; aber es half nichts, es blieb dabei: diese Verfügung war ganz neu gebacken, vom 23. Juni, im ersten Jahre der Freiheit, und hatte somit für den Träger volle Gültigkeit.
Die Entwaffnung der aus Holstein rückkehrenden Freischärler, die Preßprozesse, die Beschränkung des Wanderrechtes ‒ o, der edeln Früchte unserer Revolution! o, der herrlichen Freiheit, die ihr uns erkämpft habt, ihr Begrabenen im Friedrichshaine! Nun, wir haben ja verantwortliche Minister. Nur Schade, daß wir kein Volk haben, das sie zur Verantwortung zu ziehen versteht. Wie heißt es in der Schrift? „Wir haben euch gepfiffen und ihr wolltet nicht tanzen!“
(B. Z.-H.) Von der Schlei, 28. Juni. Die Bundeskontingente des 10. Armeekorps ziehen seit der vorigen Woche nach dem Norden durch unsere Stadt. Mecklenburger meherer Waffengattungen, Braunschweiger mit dem Liede Schleswig-Holstein meerumschlungen, zogen in Schleswig ein und verließen es eben so wieder. Am Sonntag Abend traf plötzlich Marschordre an das hier seit 4 Wochen garnisonirende dritte schleswig-holsteinische Linienbataillon ein, das uns am Montag Morgen verließ. Am Nachmittage begrüßten uns sofort die Hanseaten, die, nachdem sie mehrere Wochen in Rendsburg gelegen, den lebendigen Wunsch geäußert haben sollen, an dem bevorstehenden Kampfe mit Theil zu nehmen. Heute trifft die Division des Generals Bonin in Apenrade ein, das von den Freischaaren nach Hadersleben hin überall aufs Vortrefflichste barrikadirt ist. Wir können also jetzt mit Gewißheit den ernsten kriegerischen Ereignissen in den nächsten Tagen entgegensehen, da die Dänen hinter Hadersleben mit einer bedeutenden Truppenmacht (17,000 Mann sagt man) feste Position eingenommen haben sollen.
(Brm. Ztg.) Kiel, 1. Juli. Wir schweben hier zwischen Krieg und Frieden Gerüchte über beides durchkreuzen sich und wenn man auch mit Gewißheit annehmen darf, daß nach langer, langer Waffenruhe die deutsche Armee endlich vorzurücken anfängt, so fragt es sich doch noch sehr, ob sie diesseits der Königsau noch Feinde treffen und, wo nicht, dieselbe überschreiten wird. Auch die Gerüchte von einer Ministerialveränderung in Kopenhagen lassen eine vorläufige Anknüpfung von Unterhandlungen vermuthen, wenn auch die Persönlichkeit Algreen Ussing's, der an Orla Lehmann's Stelle getreten sein soll, uns noch nicht viel Nachgiebigkeit von dänischer Seite in Aussicht stellt. Das scheint aber gewiß zu sein, daß wenigstens das Herzogthum Lauenburg an dem etwa noch zu hoffenden Ruhm deutscher Waffen keinen Theil haben wird, da das lauenburgische Kontingent den Gehorsam verweigert und nach Rendsburg remittirt ist.
Ein zuverlässiges Schreiben aus Apenrade vom 30. Juni meldet Folgendes: Bei Hadersleben hat eine Rencontre zwischen dem v. d. Tann'schen Corps und dänischen Truppen stattgehabt, worin Letztere geschlagen worden sind. Das v. d. Tann'sche Corps ist am 30. Morgens in Hadersleben eingerückt, die Dänen sind auf dem Marsch nach Fünen.
(B. H.) Wien. Das k. k. Hauptzollamt hat eine geheime Korrespondenz zwischen dem Fürsten Metternich in London und einer Reihe hiesiger Aristokraten entdeckt, welche durch Hrn. Herz, Associé des Bankhauses Arnstein und Eskeles, vermittelt ward. Das Hauptzollamt faßte die Sache lediglich als eine Beeinträchtigung des Postgefälls auf und folgte die mit Beschlag belegten Briefe nach Erlegung der Strafgelder unbedenklich aus.
Prag, 26. Juni. Ruhig ist es jetzt überall in der Stadt; aber sie ist menschenleer, denn außer dem Adel, der vor dem blutigen Drama floh, sind viele reiche oder bemittelte Familien während und nach demselben geflohen; Gewerbe und Handel stocken. ‒ Auf dem Flachlande soll die Bewegung hier und da außerordentlich sein; in Jungbunzlau ist das Standrecht proklamirt worden und alle Kreischefs haben den Auftrag erhalten, dasselbe bei den geringsten Anlässen in ihren Kreisen zu publiziren. So eben langt aus Schlan die Nachricht ein, daß es dort zu Aufständen gekommen.
(F. O. Z) Innsbruck, 26. Juni. Unser Gouverneur hat die Tiroler Akademiker, die von der Wiener Hochschule zur Vertheidigung ihres gefährdeten Vaterlandes herbeieilten, und mit rühmlichen Zeugnissen über ihre bewiesene Tapferkeit und sittliche Haltung nunmehr nach Hause kehrten, durch Präsidialerlaß unter Polizeiaufsicht gestellt. Es werden ihnen darin wühlerische Ideen Schuld gegeben, und außer den politischen Behörden auch die Seelsorger zu ihrer Ueberwachung aufgefordert. „Wühlerisch“ ist ein vom Grafen Brandis öfters beliebter Ausdruck, was dessen Verständniß namhaft erleichtert. So warnte er jüngst unsern schüchternen Tiroler Boten aus Anlaß eines sehr mäßig gehaltenen Aufsatzes über unsern neuen Congreß vor der Aufnahme ähnlicher „wühlerischer Artikel,“ und befahl der Redaktion dagegen eine Erwiederung in reaktionärer Tendenz aufzunehmen. „Wühlerisch“ scheint daher dem Herrn Grafen namentlich das zu sein, was dem Fortschritt, d. i. der Entwickelung des konstitutionellen Systems huldigt, gemäßigt hingegen allenfalls die vom katholischkonstitutionellen Verein, dem auch er angehört, ausgegangene Petition gegen Glaubens- und Kultusfreiheit, wodurch man das Volk gegen die Regierung aufhetzt. Sie sehen Graf Brandis gouvernirt uns noch im besten Geiste Sedlnitzky's, der jeden freisinnigen Menschen als gefährlich überwachen ließ, und das Wohl des Staates durch ein Heer von Auflaurern geborgen hielt, wozu sein würdiger Nachfolger aus besonderer Vorliebe den Klerus erkor. Wenn die Verantwortlichkeit der Beamten im konstitutionellen Oestreich nicht blos leerer Schall ist, dürfte sich der Sicherheitsausschuß in Wien veranlaßt finden, den Gouverneur von Tirol über ein solches Vergehen gegen die Akademiker der Wiener Hochschule zur Rede zu setzen.
Von der galizischen Grenze, 24. Juni. Soeben fangen die Abgeordneten zum wiener Reichstag aus der Bukowina und den fernsten Kreisen Galiziens nach Wien durchzureisen an; es sind dies zumeist Bauern in der Kleidung, wie wir solche gewöhnlich an den Ochsentreibern sehen. Ein runder Strohhut mit einem schwarzen Band, ein leinenes Hemd und derlei Hose und über den Rücken eine Gunia, das ist ein brauner grobwollener Ueberwurf. Wie man auf dem Reichstage mit diesen Abgeordneten, die blos polnisch und dazu noch in verschiedenen schwer zu verstehenden Dialecten sprechen, auskommen wird, weiß der Himmel. Doch auch in Schlesien sind die Wahlen nicht sehr entsprechend ausgefallen; die Wähler, zumeist Bauern, da die Städte zu wenig volkreich sind, um eigne Abgeordnete zu wählen, äußerten ganz unumwunden, von Beamten, Adeligen, ja selbst von Städtern nichts wissen zu wollen, und waren überhaupt voll des größten Mißtrauens. Das sind die fürchterlichen Nachwehen der frühern Bedrückungen, der systematisch betriebenen Verknechtung. Von Unterschriften, Protokollen, Patenten wollen die Landleute nichts wissen.
(D. A. Z.) Aus Mähren. Zum Präsidenten des mährischen Landtags, der in Brünn seine Sitzungen hält, ist der Magistratsrath Streit, ein noch junger Mann, der nicht allein der slawischen Landessprache und des Deutschen vollkommen mächtig ist, sondern auch eine genaue Kenntniß der Rechts- und politischen Verhältnisse des Landes besitzt, Eigenschaften, welche die Stellung eines mährischen Landtagspräsidenten durchaus erheischt. Außerdem ist Streit slawischer Patriot, und hat am 14. April, als über die Antwort auf die Petition der Prager, betreffend einen vereinigten Landtag Böhmens und Mährens, debattirt wurde, mit dem Grafen Taroucca auf das Ersprießliche einer solchen Vereinigung hingewiesen. Der Landtag soll aus 300 Mitgliedern bestehen, doch fehlen noch mehrere Mitglieder, da an manchen Orten die Wahlen nicht zu Stande kamen, weil man über Hals und Kopf das Wahlgeschäft vornahm. Es befinden sich gegen 80 slawische Landleute unter den Mitgliedern des Landtages. Diese erklärten sich gleich bei Eröffnung des Landtages, gegen das pedantische Formwesen und unnütze Zeitverlieren. Die Robotfrage wird verhandelt. Da giebt es einen harten Kampf zwischen Gutsherrn und Bauern. Letztere wollen Aufhebung der Robot ohne jegliche Entschädigung, die Gutsherrn hingegen wollrn, daß man ihnen eine mäßige Entschädigung gebe. Die Bauern verlangen, daß die Robot mit Anfang Juli aufhöre. Auch auf der Tribüne befanden sich viele Landleute, die den Verhandlungen über die Robot mit vieler Aufmerksamkeit zuhörten. Da die Landleute, des Deutschen unkundig, in ihrer slawischen Muttersprache reden und ihnen auch die deutschen Reden nicht verständlich sind, so nimmt das Verdollmetschen, zumal, da kein tüchtiger Translateur angestellt ist, viel Zeit weg. Im Allgemeinen wird eben so viel Deutsch als Slawisch auf dem Landtage gesprochen.
(A. O.-Z). Französische Republik. Paris, 30. Juni. Daß so viele Bürgerbataillone von außen her nach Paris zusammenströmten, hat hauptsächlich ein Erlaß des Chefs der Vollziehungsgewalt bewirkt, der folgenden Inhalts war: „25. Juni 41/2 Uhr. Die Sache der Ordnung und der Republik triumphirt. Die Ankunft zahlreicher Nationalgarden aus den Departements ist von einem ungeheuren Einfluß gewesen. Der Zuzug in Paris darf in keiner Weise eingehalten werden.“ ‒ So langten denn jetzt noch ohne Unterlaß zahlreiche Abtheilungen Nationalgarden aus allen Theilen von Frankreich an. Man giebt die Zahl derselben, denen heute auf Befehl des Präsidenten der National-Versammlung Rationen ausgetheilt wurden, auf 91,000 an.
‒ Die Opferstöcke, die in fast allen Hauptstraßen für die Verwundeten und die Familien der Gefallenen ‒ aus der Nationalgarde ‒ aufgestellt sind, liefern keinen Ertrag; man schreibt dies der übeln Lage aller Börsen und der Abwesenheit der Reichen zu. (!)
‒ Ein schweres Unglück ist gestern auf dem Konkordiaplatz vorgefallen. Hr. Lemansois-Duprey, Sekretär bei der Quästur der N-.V., kehrte gegen Mitternacht zum Pallast der Gesetzgeber zurück, als auf dem Konkordiaplatz ein Dragoner auf Posten, der auf seinen Zuruf keine Antwort vernahm, seine Waffe auf Lemansois abfeuerte; er ist gefährlich am Schenkel verwundet.
‒ Nach der Einnahme der Barrikade an der Estrapade, wo ein Bataillon Linie und die Nationalgarde so viel Menschen verloren haben, ist Gornet, der ehemalige Maire, Arzt und Freund von Barbes, durch dessen Einfluß er einige Tage lang nach der Februarrevolution an der Spitze der Verwaltung stand, militärisch hingerichtet worden. Gornet hatte die 12. Legion errichtet, ihre Bewaffnung und ihre Wahlen geleitet und war hierin von Bocquet, der seit dem 15. Mai in Vincennes gefangen sitzt, unterstützt worden.
‒ Thoré, der Hauptredakteur der „Vraie Republique“, ist in Verhaft genommen worden.
‒ Fünf Maßregeln, die bereits in Vollzug gesetzt worden, sind von dem Klub der Thiersparthei ausgegangen. Es versteht sich, daß sie durchaus im Sinne der „Ordnung“ sind. 1. Anwesenheit einer Militärmacht von wenigstens 60,000 Mann in Paris mit 100 Kanonen. 2. Unnachsichtliche Entwaffnung jedes Nationalgardisten, der in den letzten Tagen nicht zur Vertheidigung des Landes beigetragen hat. 3. Unverzügliche Auflösung der Nationalwerkstätten. 4. Schließung aller Klubs bis die Konstitution das Associationsrecht geregelt hat. 5. Zeitweilige Beschränkung der Preßfreiheit.
‒ Einzelne Züge schildern die Stimmung der Geister unter den Siegern. Nationalgardisten der 2. Legion hatten beschlossen, heute einen Besuch in den Bureaux der „Demokratie pacifique“ zu machen, eines Journals, dessen Redaktion ihnen nicht gefällt. Die Redakteure der Demokratie mußten beim General Cavaignac Hülfe nachsuchen, der ihnen ein Piquet Soldaten zu ihrem Schutze sandte.
‒ Gemäß Dekret des Chefs der vollziehenden Gewalt, welches die Insurrektion von 23-27. Juni an die Militärgerichtsbarkeit verweist, hat der Kommandant der ersten Division den Kommandanten Courtois d'Hurbal, Berichterstatter beim ersten Kriegsgericht von Paris, beauftragt, unmittelbar zur Instruktion gegen alle Beschuldigte zu schreiten, deren Zahl sich auf nahe an 6000 beläuft. Der Berichterstatter hat das Verhör begonnen mit den Gefangenen, die in den Kellern der Tuilerien und dem Souterrain, welches sich bis zum Konkordiaplatz hinzieht, eingesperrt sind. Ungefähr 1000 Gefangene befanden sich in den Kellern; es war dringend sich zunächst mit ihnen zu beschäftigen; denn man hatte zu fürchten daß der Typhes unter ihnen ausbreche und sich in die obern Räume verbreite welche die Nationalgarde einnimmt. Derselbe Tagesbefehl, der den Berichterstatter ernennt, hat zu Substituten desselben die Eskadronschefs vom Generalsstab Bourguignoe, Constantin und Tissenil bestimmt. Ebenso sind ihm 3 Substitute vom Kapitainsgarde beigegeben. Von Civilrichtern sind mit der Instruktion, die gemeinschaftlich mit der Militärbehörde geführt wird, Broussais und Berriat-Saint-Prix beauftragt. Beigegeben ist diesen Beiden der Substitut des Prokurators der Republik, Isambert.
Heute um fünf Uhr waren nur noch ungefähr hundert Gefangne in den Kellern. Sobald ein Hundert derselben von den Berichterstattern und Instruktionsrichtern vernommen war, wurden sie, die Hände auf den Rücken gebunden, einer starken Abtheilung Infantrie und Kavallerie übergeben, die zur Hälfte aus Linie, zur Hälfte aus Nationalgarde bestand. Die Eskorte, der eine Avantgarde mit dem Karabiner in der Hand voraufzog, brachte die Gefangnen in die Militärschule auf dem Marsfeld, wo sie einstweilen verbleiben, bis die Justiz über jeden Einzelen nähere Untersuchung angestellt hat.
‒ In Lyon liegen 20,000 Arbeiter auf dem Pflaster. Um tnun einen ähnlichen fürchterlichen Zusammenstoß zwischen Arbeiterthum und Bürgerthum, wie er in Paris statt fand, zu verhüten, wird heute die Nationalversammlung in aller Eile 6,000,000 Fr. votiren, welche jene brodlose Arbeiterarmee an der von Lyon nach Paris führenden Eisenbahn beschäftigen soll. Deslongrais will diesen neuen Kredit zwar bekämpfen, weil er es für unlogisch hält, sich für irgend eine Linie früher zu interessiren, als die große Frage der Expropriation entschieden ist.
‒ Der Moniteur brachte gestern die langen Zolltabellen über Ein- und Ausfuhr. Daraus ergibt sich, daß der Verlust der Staatskassen nicht so groß ist, als es die ernsten Ereignisse während der ersten fünf Monate voraussetzen ließen. Während der Monate Januar, Februar, März, April und Mai 1848 betrug die Einnahme 32,260,220 Fr., während sie in der gleichen Periode von 1847 allerdings 54,776,512 Fr. und 1846 sogar 62,064,171 Fr. erreichte.
* Paris. Wir finden in der „Ere nouvelle“ folgende interessante Nachweisungen über die Schilderhebung der Thierspartei. Im 11. Bureau erhob sich ein lebhafter Streit zwischen Herrn Thiers und Herrn Martin von Straßburg über den für die Untersuchungskommission zu ernennenden Kommissär, der die Ursachen und Urheber der Insurrektion vom 23. Juni zu erforschen und dabei bis zum 15. Mai zurückzugehn hat. Man ließ den Namen des Herrn Bauchard circuliren, den Namen eines gemäßigten Republikaners, dessen Republikanismus ein älteres Dasein hat als die Februarrevolution. Er sollte eben ernannt werden ohne weitere Diskussion, als Thiers und einige seiner Freunde hereintraten. Herr Thiers sagte mit lauter Stimme in seiner Gruppe, aber in der Weise der Conversation, man verfahre nicht in dem Sinne von Frankreich. Diese Worte, die auf die schon halb beschlossene Ernennung sich bezogen, denn die Mehrzahl der Mitglieder hatte gestimmt, wurden von verschiedenen Repräsentanten aufgenommen. Thiers sprach von Kommunismus. Man antwortete ihm, man sei auf der Spur schuldiger Umtriebe, worin man die Hand von Prätendenten und ihrer Freunde erblicke. Martin von Straßburg nahm das Wort und verlangte die Eröffnung der Diskussion, damit laut gesagt werden könne, was so eben ganz leise an seiner Seite gemurmelt worden. Thiers antwortete, er habe nicht die Gewohnheit, seine Ansichten zu verbergen und trotz der Arroganz gewisser Parteien, werde er die ganze Wahrheit dem Lande sagen. Es ist dieß das erstemal, daß er das Wort im Bureau ergriff. Bauchard wurde trotzdem zum Kommissär ernannt. Er hatte 31 Stimmen, Thiers 4, Nachet 4 und Dufaure 4.
Der von dem General Baragnay-d'Hilliers in der Straße Poitiers präsidirte Klub, aus ungefähr 250 Mitgliedern der Nationalversammlung bestehend, vertritt die Partei Thiers und Barrot. Wir haben gestern unsern Lesern gesagt, daß die Stimmen, die Dufaure gegen Marie bei der Präsidentenwahl erhalten, der erste Versuch der Thierspartei ist, ihre Kräfte gegen die Partei des National zu messen. Diese Partei selbst hat das Votum verstanden, wie wir es verstanden haben. Das Ministerium hat sich bei den „dynastischen“ Herrn nach dem Sinn dieser feindseligen Demonstration erkundigt, und diese Herrn, für die offenbar die Februarrevolution gemacht worden ist, ‒ das Ministerium Thiers Barrot, dem man am 24. Februar zu spät zurief, kömmt im Juni nur etwas zu früh, ‒ diese Herrn erklärten, die Ernennung Carnots zum Minister schiene ihnen unschicklich, gegen sie gemünzt u. s. w., sicherten übrigens huldvoll dem Minister des Innern, Senard, ihre Unterstützung zu, so weit er einen ihnen wohlgefälligen Wandel führe. Kurz nach der Februarrevolution hatte Thiers wie einst Reinecke erklärt, er wolle sich ins Kloster zurückziehen, ein beschauliches Leben führen, dem eitlen Weltwesen entsagen und ‒ Geschichten schreiben.
Lyon, 30. Juni. Die große Angelegenheit, die seit mehreren Tagen Lyon beschäftigte, war die Entwaffnung von Croix Rousse. Es handelte sich darum die Kanonen dort wegzunehmen, deren die Arbeiter sich bemächtigt hatten. ‒ Die Kanonen wurden ohne Widerstand von Seiten der Arbeiter dem Militär ausgeliefert. Uebrigens waren für den Fall einer Weigerung die größten Vorkehrungen getroffen. Mehr als 30 000 Mann umgaben Croix-Rousse. Die Zugänge zu allen Brücken waren von Kavalerie besetzt, während die Nationalgarde in den Stadtkasernen aufgestellt war. Es handelt sich jetzt noch darum die Gewehre wieder aus den Händen der Arbeiter zu nehmen, die nicht Nationalgardisten sind. Diese Entwaffnung wird indeß mehr Schwierigkeiten darbieten als die eben erfolgte.
(Siehe den Verfolg in der Beilage.)
Großbritannien. London, 1. Juli. In der gestrigen Sitzung der Gemeinden ging das Haus in's Comité über die Zuckerzölle. Herr Bright ergriff das Wort. Der große Freihandelsquäcker stimmte seinen wehmüthigsten Ton an, um das Interesse der armen, gedrückten englischen Arbeiter gegenüber dem Interesse der Kolonien geltend zu machen. Das Parlament habe den Pflanzern 20 Mill. für die Sklaven-Emancipation und 30 Mill. durch elfjährigen Zollschutz gegeben. Und jetzt wolle man noch 2-3 Mill. jährlich aus der Tasche des Verhungernden Volks ziehen, zur Bereicherung der Pflanzer? Das Ministerium solle sich in Acht nehmen. Gerade an dieser Zollschutzfrage sei Lord J. Russel's Kabinet 1841, Sir R. Peel's Kabinet 1846 zu Grunde gegangen, und letzte Nacht habe das Ministerium ebenfalls schon mit dem Tode gerungen, kaum noch erhalten durch 15, in andren Hauptfragen sonst abweichende Stimmen. Er kritisirte Lord J. Russell's gestrige Rede sehr scharf und schlug vor, an den bestehenden Zuckerzöllen Nichts zu ändern.
Herr H. Berkelay und Herr Tollemache wimmerten dagegen im angeblichen Interesse der emancipirten Sklaven; Herr Berkelay vergaß übrigens nicht zu bemerken, daß er außerdem persönlich dabei betheiligt sei.
(Es versteht sich übrigens von selbst, daß es sich weder um Sklaven noch um Proletarier handelt, sondern blos um englische Fabrikanten und westindische Grundbesitzer. Ob Erstere durch Herabdrückung der Preise aller Lebensmittel und namentlich des in England zu einem Hauptkonsumtionsartikel der arbeitenden Klasse gewordenen Zuckers, in den Stand gesetzt werden sollen, auch den Lohn ihrer Arbeiter zu drücken, oder ob die westindischen Grundbesitzer durch erhöhte Zuckerpreise in den Stand gesetzt werden, hohe Grundrenten zu beziehen, das ist Alles, worum es sich handelt. Arbeiter und Sklaven sind blos sentimentale Arabesken.)
Sir Ch. Wood, Schatzkanzler, antwortete Herrn Bright in sehr langweiliger Weise und brachte sehr schlau, zu Gunsten des ministeriellen Vorschlags, einige Details über sein revidirtes Budget vor, wonach 1 1/2 Million von den 2 Millionen Defizit gedeckt werden.
Nach Hrn. Cardwell und Hrn. Wilson für, sprach Lord Nugent gegen den ministeriellen Vorschlag. Er erklärte ihn für schwach, treulos und gottlos, sprach von früheren Verpflichtungen gegen die westindischen Grundbesitzer und vom verfluchten Sklavenhandel, erklärte sich aber auch gegen Herrn Brights Vorschlag.
Herr Brights Vorschlag wurde dann von 302 gegen 36 Stimmen verworfen.
‒ Die Times hat die mit dem Dampfboot Lion von Hamburg und Hull angekommene Nachricht, daß der Friede zwischen Deutschland und Dänemark so gut wie abgeschlossen sei (a settleck thing).
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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