Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Neue Rheinische Zeitung. Nr. 34. Köln, 4. Juli 1848.

Bild:
<< vorherige Seite
letzte Seite
London, 30. Juni.

George Julian Harney, der Redakteur des Northern Star, des Organs der englischen Chartisten, schickt der "Neuen rheinischen Zeitung" folgenden Bericht, den wir uns beeilen, unsern Lesern mitzutheilen.

"Da den Lesern der "Neuen Rheinischen Zeitung" eine kurze Schilderung des gegenwärtigen Standes der englischen Volksbewegung vielleicht nicht unwillkommen ist, so will ich Ihnen die Umrisse der jüngsten Ereignisse geben, - Umrisse freilich nur, denn vielfache Beschäftigungen machen es mir unmöglich, auf Einzelheiten einzugehen. Es wird nicht nöthig sein, Ihren Lesern noch zu erzählen, wer die Chartisten sind und was der Chartismus ist. Um indeß meine Darstellung desto verständlicher zu machen, will ich dem Bericht der Tagesereignisse eine Schilderung der Vergangenheit vorhergehen zu lassen.

Die Chartisten sind die Nachfolger der Radikal-Reformer, diezuerst unter aristokratischem und später unter dem Einfluß der Mittelklasse, von der Zeit des amerikanischen Krieges, bis zum Jahre 1830 jene große Agitation für eine radikale Reform des Parlamentes, aufrecht zu erhalten wußten.

Damals, nämlich im Jahre 1780, publizirten die Reformer unter der unmittelbaren Leitung von Charles James Fox, Richard Brinsley, Sheridan und anderer Häupter der Whigs, einen Plan allgemeiner Volkswahl, der von dem Geiste der heutigen Volks-Charte nicht im geringsten verschieden ist. Leute wie der Herzog von Richmond und Earl Stanhope, waren damals Vertheidiger des Systems der Charte. Selbst der später so tyrannische Pitt gehörte zu den feurigsten Radikalen. Wie er später ein Tory wurde, an dem selbst Georg III. keinen Fehler zu finden wußte, so war er in seiner Jugend ein Demokrat, dem selbst ein Horne Tooke das vollste Vertrauen schenkte.

Alle diese Aristokraten und ministeriellen Kandidaten zogen sich aber erschreckt zurück, als plötzlich die französische Revolution ausbrach und von den Reformern von 1780 war Major Cartwright, "der treu unter den Treulosen erfunden", fast der einzige, der nach wie vor der alte blieb. Pitt wurde damals Premier von England. Die Aristokratie und die Mittelklasse war für ihn und getrost hätte er sofort den Krieg gegen die junge französische Republik beginnen können, wenn nicht, trotz des Desertirens fast aller Führer, eine ziemlich kompakte demokratische Partei zurückgeblieben wäre, welche mit großer Sympathie für die französische Bewegung, die Reform Agitation fortgesetzt hätte. Um sich den Rücken frei zu halten, mußte dieser ein Ende gemacht werden und kühn streckte Pitt seine Faust nach den Leitern jener Klubs und jener korrespondirenden Gesellschaften aus, welche die Demokraten aller Orte des Landes bisher in ununterbrochenem Verkehr hielten. Die infame Deportation Muir's, Palmer's, Gerald's, Skirving's und Margarot's, welche Mitglieder des in Edinbourgh gehaltenen britischen Konvent's waren und der Triumpf Hardy's, Thelwal's und mancher Anderer über den Renegaten Pitt, alles ist einem Jeden bekannt, der sich mit der neuern Geschichte Englands nur in etwa befaßte. Ein Parlaments-Akt machte dann sämmtlichen politischen Verbindungen ein Ende und die Aufhebung der Habeas-Corpus-Akte trug nicht wenig dazu bei, die ohnehin noch nicht recht unter die Masse der Arbeiter gedrungene Reform-Agitation in ihrem Entstehen zu erdrücken.

Der lange Krieg gegen Napoleon, der den Engländern die Herrschaft zur See und das Monopol für den Absatz britischer Fabrikate auf allen asiatischen und amerikanischen Märkten sicherte und eine kolossale Entwicklung der industriellen Thätigkeit Englands nach sich zog, lenkte außerdem die Gemüther von der innern Politik des Landes ab, so daß ein mehrjähriges Darniederliegen der revolutionären Partei unausbleiblich war.

Der Frieden änderte indeß Alles. Das Monopol des englischen Handels fiel und Zehntausende außer Beschäftigung geworfener hungernder Arbeiter, vereinigten sich mit nicht weniger drohenden Massen verabschiedeter Soldaten und Matrosen:"The broken tools whom tyrants cast away." (Zerbrochne Werkzeuge, fortgeworfen von Tyrannen) und erhuben den Schrei der Reform.

Burdett und Hunt, erstrer als Leiter der radikalen Mittelklasse, letztrer als Haupt der proletarischen Phalanx, wurden jetzt die Führer der neuen Bewegung.

William Cobbett, der zu gleicher Zeit auftrat und als Redner und Schriftsteller den ungetheiltesten Enthusiasmus des Volkes hervorrief, kann eigentlich nicht als Parteichef betrachtet werden. Dieser wunderbare Mann, auf den die Engländer, trotz aller seiner Fehler, wohl Ursache haben, stolz zu sein, hatte nicht die Eigenschaften eines jederzeit wirksamen Demagogen; sein ungemeiner Egoismus ließ ihn auch nie mit irgend einem andern populären Manne sechs Monate lang übereinstimmen.

Was nun die Arbeiter angeht, so übten sie, obgleich sie die Masse der radikalen Partei ausmachten, doch noch nicht den Einfluß aus, mit dem sie später in der Chartisten-Bewegung so charakteristisch hervortreten. Selbst die Leiter der "ultra physical force men", jener Leute welche ihre Zwecke durch physische Gewalt durchzusetzen sich nicht scheuten, gehörten in jener Zeit nicht in die Reihe der Arbeiter. Thistlewood war Soldat; seine Freunde, die beiden Watsons stammten aus der Mittelklasse.

Die nach dem Frieden auf's Neue begonnene Agitation, welche von Burdett und Hunt geleitet und von dem alten Cartwright und Cobbet unterstützt wurde, sollte indeß nicht lange dauern. Die aristokratische Mittelklasse sah sich in zu großer Gefahr, als daß sie sich nicht gern mit dem Gouvernement vereinigt hätte, um einem aus der Entwicklung der Industrie hervorgegangenen Proletariate und den momentan damit verbündeten Kleinbürgern kühn die Stirn zu bieten. Auf dem sogenannten Petersfeld in Manchester sollte sie ihre Sporen verdienen.

Hunt hatte eine Versammlung angekündigt. Sechszigtausend Menschen, Männer, Weiber und Kinder kamen auf dem engen, von Häusern umgebenen Raume zusammen, um den Rednern der radikalen Partei zuzuhören, und eine Adresse an den Regenten zu votiren, in der man die, namentlich der schlechten Volksvertretung entsprungene Noth der Massen auseinander zu setzen beabsichtigte. Hunt besteigt die Tribüne, kaum hat er einige Worte gesprochen, da entsteht von dem einen Zugang des Platzes her, ein wildes Getöse, ein Trupp reitende Yeomanry, die aus der aristokratischen Bourgeoisie gebildete Stadt-Soldateska, sprengt mit verhängten Zügeln in die wehrlose Menge, die Säbel schwingend und rechts und links Alles niedermetzelnd, bis der Platz von Lebenden gereinigt. Das Volk nannte dieses Gemetzel auf dem Petersfelde, das Peterloo-Massakre, als Anspielung auf die kurz vorhergegangene Schlacht von Waterloo.

Die schrecklichste Wuth bemächtigte sich der Menge nach diesem Ereignisse und wenn das Gouvernement bisher mit der hohen Mittelklasse Hand in Hand gegangen war, so mußte es jetzt erst recht zu energischen Maßregeln greifen um die Agitation der Reformer auf's Neue zu unterdrücken. Männer wie Sidmouth, Canning und Castlereagh, welchen letztern Byron in seinem Don Juan "den Halspulsader abschneidenden Castlereagh" oder "die Blut- und Spautze-Spritze" nannte, liehen natürlich ihre Hände zu Allem, was die Brutalität der Mittelklasse forderte; vergebens zuckte Thistlewood den Dolch auf die Lords in Horrowby Haus - ehe sein Kopf auf dem Schaffote fiel, erklärte er, das Massakre auf dem Petersfelde habe rächen zu wollen.

Eine wahre Schreckenszeit begann jetzt für die Reform-Partei. Sir Francis Burdett hatte genug zu thun, um sich die Hände frei zu halten; Cobbett flüchtete nach Amerika, Hunt, in Untersuchungen verwickelt, konnte sich nur von Zeit zu Zeit sehen lassen. Fast während zwei Jahren blieb die Habeas-Corpus-Akte aufgehoben; gehetztem Wilde gleich, jagten die Leiter der Reformer von einem Orte zum andern und wenn ihre Agitation auch nie ganz aufhörte, so hatten sie doch viel von ihrem Einfluß auf eine Bevölkerung verloren, die durch den Verrath der Mittelklasse hoffnungslos in ihrem Elende zu vergehen schien.

Da kam die Revolution von 1830 und erschütterte Europa bis in seinen letzten Winkel.

(Schluß des ersten Artikels folgt.)

* Dublin, 28 Juni.

Die sterblichen Ueberreste Tom Steele's wurden gestern auf dem Dämpfer Cornwall hierher gebracht und in der "Versöhnungshalle" niedergelegt. Sie bleiben dort so lange, bis die Vorbereitungen zu einem feierlichen Begräbniß getroffen sind. Tom Steele starb im Elend; mit der Hälfte des Geldes, das man jetzt für den Todten verwenden wird, hätte der Lebende seine Tage sorgenlos beschließen können.

Donaufürstenthümer.
Bukarest, 15. Juni.

Wir befinden uns hier in einer erwartungsvollen Lage, die nichts Gutes zu verheißen scheint. Rußlands Bestreben enthüllt sich mehr und mehr dahin, das Land völlig von der türkischen Oberherrschaft loszuziehen und sich zinsbar zu machen. Vorläufig sucht man den Fürsten und die Nation dahin zu bewegen, daß wegen der Dringlichkeit der politischen Zustände eine russische Besatzung herbeigerufen werde. Eine derartige in Umlauf gesetzte Bittschrift zählt auch bereits zahlreiche Unterschriften. Inzwischen zögert und mißtraut Bibesko und sucht dieser Gefahr durch Errichtung eines freiwilligen Corps im Lande vorzubeugen. Auch die Bojaren zeigen sich wenig geneigt, den Einflüsterungen des russischen Generals Duchamel Gehör zu geben. Die beabsichtigte Zusammenberufung der Stände macht leider die immer mehr überhand nehmende Cholera unmöglich. Man weiß in unserer Stadt die Zahl der Todten und Erkrankten nicht mehr. Viele Menschen sterben auf den Straßen während der Behandlung der Aerzte. Auch in Braila wüthet die Krankheit neuerdings stärker. - In Jassy scheinen wichtige Ereignisse vorgegangen zu sein oder sich vorzubereiten. Die moldauischen Zeitungen sind mehrere Tage hier ausgeblieben, und der russische Konsul hat sich eiligst nach jener Hauptstadt verfügt. Die Privatnachrichten widersprechen sich zum Theil. Es heißt, der Fürst Sturdza habe sich nach Rußland geflüchtet oder auf die Regierung Verzicht geleistet, nachdem ihn der hohe Klerus in den Bann gesetzt. Gewiß ist, daß derselbe vor 14 Jahren nicht mehr als 12,000 Dukaten jährliches Einkommen hatte, während dasselbe durch Wucher und Erpressungen aller Art nun auf 200,000 Dukaten gestiegen ist. An unseren südlichen Ufern der Donau bereitet sich eine ernste Zukunft vor; möge dies von Deutschland und namentlich Oesterreich nicht unbeachtet bleiben.

(A. O. Z.)
Afrika.
Algier, 20. Juni.

Achmet-Bey, der ehemalige Beherrscher von Konstantine, der stete Feind Frankreichs, hat sich unterworfen. Die "Afrique Francaise" berichtet über dies für Algerien wichtige Ereigniß wie folgt: Die Kolonne des Obersten Canrobert, welche das schwierige, in den kalten, regnerischen Tagen vom Ende Mai doppelt mühselige Geschäft hatte, in den Gebirgen der Aures, diesem äußersten Theile von Algerien, die Steuern zu erheben, erfuhr, nachdem sie die Landschaft nach allen Richtungen durchzogen hatte, daß der alte Achmet-Bey sich in die Berge an der Gränze der Wüste zurückgezogen habe, daß er dort die Bevölkerung zum Aufstand zu bewegen suche und beständig mit Konstantine unserer Besitzung feindliche Verbindungen unterhalte. Oberst Canrobert, obgleich mehrere Tagemärsche von dem muthmaßlichen Aufenthalt des Ex-Bey entfernt, beschloß einen Handstreich auszuführen, um sich unseres unermüdlichen Feindes zu bemächtigen. Er trennte seine Kolonne, ließ den einen Theil mit dem Gepäck, den Lebensmitteln und Feldlazarethen in einem Thale des Oued-Abdi zurück und rückte mit dem andern, der aus Kavallerie und nur 400 Mann auserlesener Infanterie bestand, am 4. Juni in Eilmärschen, unter den größten Schwierigkeiten, mit Uebersteigung von Felsen und Bergen, die noch von Schnee bedeckt waren, auf sein Ziel los. Am 3. Morgens, nachdem die ganze Nacht marschirt worden, erschien, während die Kolonne am Oued-el-Abied einen Augenblick Rast machte, ein Abgesandter Achmets bei dem Obersten, um ihn zu benachrichtigen, daß der Bey, der wisse daß er im Rücken von unserm Goum abgeschnitten sei und unsrer Kolonne nicht mehr entgehen könne, bereit sei sich Frankreich zu unterwerfen und nach Europa zu gehen, um dort in Frieden zu leben. Zu spät. - Unser Goum setzte seinen Marsch fort und nahm ihn mit seinem Zelt, Waffen und Bagage gefangen. Dies geschah im Dorfe Kebech, im Augenblick der Ankunft der französischen Kolonne. Von dort führte ihn die Kolonne mit sich, die am 7. in Biskara eintraf, nachdem sie von neuem und fast gleichzeitig Kälte und Hitze im höchsten Grade ausgestanden hatte. Die eingebornen Plänkler haben mehrere Menschen verloren, aber unsre Infanterie hat keinen Verlust zu beklagen und vollzählig, obwohl mehr oder minder erkrankt, Biskara erreicht. Hier wurde mehrere Tage Rast gemacht, und am 15. sollte der Oberst in Bathea, dem augenblicklichen Hauptquartier eintreffen. Biskara liegt mitten in der Wüste; es ist eine ungeheure Palmenoase, die Zahl der Palmbäume soll sich auf mehr als hunderttausend belaufen, sie werden mittelst Kanälen, die besonders zu diesem Zwecke angelegt sind, vollständig bewässert.

Hohes Staatsministerium!

Einem hohen Staatsministerium bin ich nothgedrungen, Folgendes ehrerbietigst vorzutragen:

In meiner Abwesenheit am 22. Mai a. c. erschien der Lieutenant Petersdorf mit einer Abtheilung der 3. Kompagnie 14. Linien-Infanterie-Regiments und der Gensd'arm Waschmannsdorf aus Gollancz, und hielten bei mir wegen Waffen Haussuchung ab, wobei dieselben meine letzte Waffe, ein Jagdgewehr, in Beschlag genommen: hierbei hat sich der etc. Petersdorf anständig und dem Zwecke gemäß, benommen. Ich war nun gewiß, daß der Art Haussuchung bei mir nicht mehr stattfinden würde, hatte mich hierin aber getäuscht. Denn am 27. desselben Monats Morgens 5 Uhr - wo ich nur grade mit einem Schlafrocke bekleidet war - traf der Premier-Lieutenant Liebach mit der 11. Kompagnie 14. Landw.-Reg. und der Lieutenant Schmidt mit einem Zuge des 4. Ulanen-Reg., wobei sich noch der Gensd'arm Schulz befand, aus Chodziesen hier ein. Außerdem hatte sich diesem Zuge noch mit angeschlossen, der Kommunalbote des königlichen Distriktskommissarius aus Margonin, Namens Klatt, welche Letztere sich bei der zweiten Haussuchung als Häscher besonders auszeichneten.

Bei ihrem Erscheinen eröffnete ich denselben, daß bei mir bereits wegen Waffen eine Haussuchung stattgefunden habe, und versicherte auf meine Ehre, daß ich keine Waffe mehr besitze, überhaupt bei keinem Aufstande betheiligt gewesen und stets mich ruhig verhalten hätte. Ganz besonders hob ich noch hervor, daß in dieser Gegend keine Konflikte vorgekommen wären. Hr. etc. Liebach begnügte sich aber damit nicht, sondern beauftragte den etc. S., eine strenge Hausvisitation vorzunehmen, die dann auch mit allen Chikanen und Grausamkeiten ausgeführt wurde.

Ein Keller, worin verpfändeter Spiritus unter Steuer-Verschluß lagerte, und wozu ich die vom Ober-Steuer-Kontrolleur versiegelten und bezeichneten Schlüssel dem etc. S. vorlegte, wurde, da man hierauf nicht reflektirte, durch gewaltsame Erbrechung der Thüre mittelst Aexte geöffnet, indem die qu. Schlüssel (so gab man jetzt vor) verschwunden sein sollten. Vielleicht hat Jemand gedacht, daß die mit 5 Siegeln bezeichneten Schlüssel ein Päckchen Geld seien.

Die Haussuchung blieb bei der größten Strenge bei mir, mit Ausnahme einiger Kupferhütchen und zweier alten Epaulett, erfolglos. Die vorgenannten Epaulett's sind nicht mein Eigenthum, sondern gehören meinem jüngern Bruder Ignatz an, welcher die Revolution von 1830 mitgemacht und später von Sr. Majestät dem Könige begnadigt worden ist.

Bei meinem Gärtner Derszikowski wurde eine Doppelflinte vorgefunden, von der ich aber nichts wußte, und wovon der eine Lauf mit Schrot Nr. 9 geladen war, bei meinem Schreiber Bokin wurden zwei Rehposten gefunden, - dieses nun war das Ergebniß der so streng geführten Haussuchung.

Der etc. Liebach war ins Dorf gegangen - und zwar absichtlich - damit die Soldateska ihre Grausamkeiten an mir ungestörter ausüben konnte. Insbesondere zeichnete sich hierbei der Ulan v. Natzmer aus. - Ich wurde ergriffen und vom Hausflur in den Keller hinabgestürzt, hierauf auf eine empörende Weise maltraitirt und beschimpft; ja ich wurde mit Säbeln, Ladestöcken, Kolben und einigen Stichen mit dem Bajonette, wovon heute noch mein Schlafrock die Spuren an sich trägt, und endlich mit dem Kantschu gemißhandelt, daß dadurch mein Leben der größten Gefahr ausgesetzt wurde, welches das hierbei liegende ärztliche Attest bekundet.

Während dieser Mißhandlung ließ etc. L. in hiesiger Schule mehrere meiner Komorniken und auch meinen eigenen Sohn Sigismund gegen mich vernehmen, welche durch Kolbenstöße, 25 Kantschu-, resp. Säbel- und Ladestockhiebe zur verlangten Aussage gezwungen wurden und endlich ein Protokoll, welches vom Feldwebel Herzel in deutscher Sprache aufgenommen und ihnen somit unverständlich war, unterschreiben resp. unterkreuzen mußten.

Der Zufall fügte es, daß mein Schwager v. Goslinowski nebst Frau und Sohn gerade zu dieser Zeit bei mir zum Besuche waren, desgleichen auch der Brenner Grzybowski, welcher bei mir ein Unterkommen suchte, - auch diese wurden sämmtlich arretirt.

Nachdem dies geschehen, wurden alle meine Hofleute im Hause gemißhandelt, ich und meine Frau aus den Armen der weinenden und schreienden Kinder gerissen und als Verhaftete zum Transport nach Margonin designirt. Der Feldwebel H. erlaubte mir und meiner Frau nicht einmal ein Fuhrwerk zu benutzen, sondern wir sollten zu Fuße gehen, stieß mich noch einigemale mit seinem Gewehrgefäße in den Rücken und bediente sich des wahrlich nicht humanen Ausdrucks: "Du verfluchter polnischer Hund, warte nur, die Soldaten werden Dich schon lehren!"

Ich war also genöthigt, meinen Schwager und Schicksalsgefährten v. G. zu bitten, mich und meine Frau auf sein Kabriolet aufzunehmen, wogegen das Militär meiner sämmtlichen Wagen und Pferde auf dem Gute sich bediente, um ihre Reise nach M. zu beschleunigen, wohin auch ich, meine Frau, mein Schwager nebst Frau und Sohn, so wie auch der Brenner G. transportirt wurden.

Tags darauf wurden wir nach Chodziesen gebracht. Obgleich hier am letztgenannten Orte der Stellvertreter des Landraths, Kreissecretair Vierch, der Ober-Steuer-Controlleur von Neuen und der Kaufmann und Bürger Stahl, so wie mehrere Andere sich dringend für uns verwendeten, so wurden wir dennoch nicht entlassen, sondern am andern Tage mit noch zwei andern Arrestanten und einem Wagen voll Waffen durch 2 Unteroffiziere und 5 M. Gemeine wieder nach Wongrowiec geführt.

Der pfiffigen und schlauen Berechnung des etc. L. zu Folge wäre ich beinahe in W. abermals vom Militär gemißhandelt worden, indem dieses präsumirte, daß ich der rechte Anführer der Insurgenten sein müßte.

In W. angekommen wurde ich vor den Obristen von Chevalerie geführt, und darauf mittelst Zwangspasses entlassen. Dieser achtbare Mann schien sich über meine erlittene Mißhandlung und Arretirung tief zu kränken, und fühlte gewiß sogleich die traurigen Folgen, wodurch immer mehr und mehr die Ehre und Zuverlässigkeit des preußischen Militärs in Frage gestellt wird.

Ich bin nicht Soldat gewesen, habe mich auch bei allen Unruhen und Wirren ruhig verhalten; war in Erfüllung meiner staatsbürgerlichen Pflichten immer pünktlich, treu und gewissenhaft, habe auch in der letzten Zeit nur nach Ruhe und Ordnung in meinen Gütern gestrebt, was mir das königl. Landrathsamt in C., wie auch der Ober-Steuer-Kontrolleur v. N. daselbst, so wie auch der Steuer-Kontrolleur Schreck aus M. bezeugen können.

Dieserhalb glaube ich keine Veranlassung zu einer solchen entehrenden Behandlung gegeben zu haben, und wage also an Ein hohes Staatsministerium nachstehende Fragen allerunterthänigst zu richten:

1) Wer hat die genannten Offiziere veranlaßt und ermächtigt, bei mir Hausrevision abzuhalten?
2) Warum bin ich und meine Leute durch die Soldaten so gräßlich gemißhandelt worden?
3) Weshalb wurde ich und meine Frau arretirt und vier Tage lang herumgeschleppt?
4) Weshalb wurden wir nicht in der Kreisstadt C, wo doch unsere Unschuld erwiesen, entlassen, sondern erst wieder nach W. transportirt?
5) Ist es jetzt erlaubt, daß die Soldaten jeden ruhigen Bürger mit Säbeln, Kolben, Ladestöcken, Bayonetten maltraitiren und mit dem Kantschu schlagen können?
6) Ist ein solches Verfahren wohl geeignet, um das Vertrauen der Polen gegen die Deutschen und die Liebe gegen die preußische Regierung zu erwecken und zu befestigen? und
7) Welche Satisfaktion steht mir jetzt zu Gebote und welche wird für die gehabte Mißhandlung mir gewährt werden?

Ein Hohes Staatsministerium will, daß überall Gerechtigkeit gehandhabt und jeder Staatsbürger geschützt werde, dieserhalb wage ich Hochdasselbe ehrerbietigst anzugehen, eine schleunige und strenge Untersuchung gegen den etc. Liebach, Schmidt und Consorten einleiten lassen zu wollen.

Damit aber meine Nachbaren Kenntniß meiner ergriffenen Schritte zur Wiedererlangung meiner tief gekränkten Ehre erhalten, so werde ich diesen meinen Vortrag in die öffentlichen Blätter aufnehmen lassen.

Mit tiefster Ehrerbietung Eines etc. etc. etc. ergebenster.

Jaktorowo, Kreis Chodziesen, Reg.-Bezirk Bromberg, den 22. Juni 1848.

Der Herr Gutspächter von Seredynski aus Jaktorowo ist von mir heute ärztlich untersucht worden und habe ich gefunden, daß die ganze Fläche des Rückens auf beiden Schulterblättern mit zolldicken blutigen Sugillationen bedeckt ist, eben so ein großer Theil der äußern Fläche der Oberarme. Es sind diese bedeutenden Verletzungen offenbar durch heftige andauernde Mißhandlungen mittelst harter aber stumpfer Instrumente hervorgebracht worden. Es befindet sich außerdem eine bereits verharschte Stichwunde an dem obern Theil des hintern Randes des linken Schulterblattes, welche indessen nicht in die Tiefe zu gehen scheint. Eine fieberhafte Reaktion des Organismus auf die vorhandenen Verletzungen ist bis jetzt nicht eingetreten, und ist dies wahrscheinlich nur der robusten Konstitution des Verletzten zuzuschreiben. - Dies Vorstehende bescheinige meinem besten Wissen gemäß.

Wongrowiec, den 29. Mai 1848.

(L. S.)

gez. Dr. Gall.

(Hierzu eine Beilage.)

Der Gerant, Korff.
Druck von W. Clouth, St. Agatha Nro. 12.

London, 30. Juni.

George Julian Harney, der Redakteur des Northern Star, des Organs der englischen Chartisten, schickt der „Neuen rheinischen Zeitung“ folgenden Bericht, den wir uns beeilen, unsern Lesern mitzutheilen.

„Da den Lesern der „Neuen Rheinischen Zeitung“ eine kurze Schilderung des gegenwärtigen Standes der englischen Volksbewegung vielleicht nicht unwillkommen ist, so will ich Ihnen die Umrisse der jüngsten Ereignisse geben, ‒ Umrisse freilich nur, denn vielfache Beschäftigungen machen es mir unmöglich, auf Einzelheiten einzugehen. Es wird nicht nöthig sein, Ihren Lesern noch zu erzählen, wer die Chartisten sind und was der Chartismus ist. Um indeß meine Darstellung desto verständlicher zu machen, will ich dem Bericht der Tagesereignisse eine Schilderung der Vergangenheit vorhergehen zu lassen.

Die Chartisten sind die Nachfolger der Radikal-Reformer, diezuerst unter aristokratischem und später unter dem Einfluß der Mittelklasse, von der Zeit des amerikanischen Krieges, bis zum Jahre 1830 jene große Agitation für eine radikale Reform des Parlamentes, aufrecht zu erhalten wußten.

Damals, nämlich im Jahre 1780, publizirten die Reformer unter der unmittelbaren Leitung von Charles James Fox, Richard Brinsley, Sheridan und anderer Häupter der Whigs, einen Plan allgemeiner Volkswahl, der von dem Geiste der heutigen Volks-Charte nicht im geringsten verschieden ist. Leute wie der Herzog von Richmond und Earl Stanhope, waren damals Vertheidiger des Systems der Charte. Selbst der später so tyrannische Pitt gehörte zu den feurigsten Radikalen. Wie er später ein Tory wurde, an dem selbst Georg III. keinen Fehler zu finden wußte, so war er in seiner Jugend ein Demokrat, dem selbst ein Horne Tooke das vollste Vertrauen schenkte.

Alle diese Aristokraten und ministeriellen Kandidaten zogen sich aber erschreckt zurück, als plötzlich die französische Revolution ausbrach und von den Reformern von 1780 war Major Cartwright, „der treu unter den Treulosen erfunden“, fast der einzige, der nach wie vor der alte blieb. Pitt wurde damals Premier von England. Die Aristokratie und die Mittelklasse war für ihn und getrost hätte er sofort den Krieg gegen die junge französische Republik beginnen können, wenn nicht, trotz des Desertirens fast aller Führer, eine ziemlich kompakte demokratische Partei zurückgeblieben wäre, welche mit großer Sympathie für die französische Bewegung, die Reform Agitation fortgesetzt hätte. Um sich den Rücken frei zu halten, mußte dieser ein Ende gemacht werden und kühn streckte Pitt seine Faust nach den Leitern jener Klubs und jener korrespondirenden Gesellschaften aus, welche die Demokraten aller Orte des Landes bisher in ununterbrochenem Verkehr hielten. Die infame Deportation Muir's, Palmer's, Gerald's, Skirving's und Margarot's, welche Mitglieder des in Edinbourgh gehaltenen britischen Konvent's waren und der Triumpf Hardy's, Thelwal's und mancher Anderer über den Renegaten Pitt, alles ist einem Jeden bekannt, der sich mit der neuern Geschichte Englands nur in etwa befaßte. Ein Parlaments-Akt machte dann sämmtlichen politischen Verbindungen ein Ende und die Aufhebung der Habeas-Corpus-Akte trug nicht wenig dazu bei, die ohnehin noch nicht recht unter die Masse der Arbeiter gedrungene Reform-Agitation in ihrem Entstehen zu erdrücken.

Der lange Krieg gegen Napoleon, der den Engländern die Herrschaft zur See und das Monopol für den Absatz britischer Fabrikate auf allen asiatischen und amerikanischen Märkten sicherte und eine kolossale Entwicklung der industriellen Thätigkeit Englands nach sich zog, lenkte außerdem die Gemüther von der innern Politik des Landes ab, so daß ein mehrjähriges Darniederliegen der revolutionären Partei unausbleiblich war.

Der Frieden änderte indeß Alles. Das Monopol des englischen Handels fiel und Zehntausende außer Beschäftigung geworfener hungernder Arbeiter, vereinigten sich mit nicht weniger drohenden Massen verabschiedeter Soldaten und Matrosen:„The broken tools whom tyrants cast away.“ (Zerbrochne Werkzeuge, fortgeworfen von Tyrannen) und erhuben den Schrei der Reform.

Burdett und Hunt, erstrer als Leiter der radikalen Mittelklasse, letztrer als Haupt der proletarischen Phalanx, wurden jetzt die Führer der neuen Bewegung.

William Cobbett, der zu gleicher Zeit auftrat und als Redner und Schriftsteller den ungetheiltesten Enthusiasmus des Volkes hervorrief, kann eigentlich nicht als Parteichef betrachtet werden. Dieser wunderbare Mann, auf den die Engländer, trotz aller seiner Fehler, wohl Ursache haben, stolz zu sein, hatte nicht die Eigenschaften eines jederzeit wirksamen Demagogen; sein ungemeiner Egoismus ließ ihn auch nie mit irgend einem andern populären Manne sechs Monate lang übereinstimmen.

Was nun die Arbeiter angeht, so übten sie, obgleich sie die Masse der radikalen Partei ausmachten, doch noch nicht den Einfluß aus, mit dem sie später in der Chartisten-Bewegung so charakteristisch hervortreten. Selbst die Leiter der „ultra physical force men“, jener Leute welche ihre Zwecke durch physische Gewalt durchzusetzen sich nicht scheuten, gehörten in jener Zeit nicht in die Reihe der Arbeiter. Thistlewood war Soldat; seine Freunde, die beiden Watsons stammten aus der Mittelklasse.

Die nach dem Frieden auf's Neue begonnene Agitation, welche von Burdett und Hunt geleitet und von dem alten Cartwright und Cobbet unterstützt wurde, sollte indeß nicht lange dauern. Die aristokratische Mittelklasse sah sich in zu großer Gefahr, als daß sie sich nicht gern mit dem Gouvernement vereinigt hätte, um einem aus der Entwicklung der Industrie hervorgegangenen Proletariate und den momentan damit verbündeten Kleinbürgern kühn die Stirn zu bieten. Auf dem sogenannten Petersfeld in Manchester sollte sie ihre Sporen verdienen.

Hunt hatte eine Versammlung angekündigt. Sechszigtausend Menschen, Männer, Weiber und Kinder kamen auf dem engen, von Häusern umgebenen Raume zusammen, um den Rednern der radikalen Partei zuzuhören, und eine Adresse an den Regenten zu votiren, in der man die, namentlich der schlechten Volksvertretung entsprungene Noth der Massen auseinander zu setzen beabsichtigte. Hunt besteigt die Tribüne, kaum hat er einige Worte gesprochen, da entsteht von dem einen Zugang des Platzes her, ein wildes Getöse, ein Trupp reitende Yeomanry, die aus der aristokratischen Bourgeoisie gebildete Stadt-Soldateska, sprengt mit verhängten Zügeln in die wehrlose Menge, die Säbel schwingend und rechts und links Alles niedermetzelnd, bis der Platz von Lebenden gereinigt. Das Volk nannte dieses Gemetzel auf dem Petersfelde, das Peterloo-Massakre, als Anspielung auf die kurz vorhergegangene Schlacht von Waterloo.

Die schrecklichste Wuth bemächtigte sich der Menge nach diesem Ereignisse und wenn das Gouvernement bisher mit der hohen Mittelklasse Hand in Hand gegangen war, so mußte es jetzt erst recht zu energischen Maßregeln greifen um die Agitation der Reformer auf's Neue zu unterdrücken. Männer wie Sidmouth, Canning und Castlereagh, welchen letztern Byron in seinem Don Juan „den Halspulsader abschneidenden Castlereagh“ oder „die Blut- und Spautze-Spritze“ nannte, liehen natürlich ihre Hände zu Allem, was die Brutalität der Mittelklasse forderte; vergebens zuckte Thistlewood den Dolch auf die Lords in Horrowby Haus ‒ ehe sein Kopf auf dem Schaffote fiel, erklärte er, das Massakre auf dem Petersfelde habe rächen zu wollen.

Eine wahre Schreckenszeit begann jetzt für die Reform-Partei. Sir Francis Burdett hatte genug zu thun, um sich die Hände frei zu halten; Cobbett flüchtete nach Amerika, Hunt, in Untersuchungen verwickelt, konnte sich nur von Zeit zu Zeit sehen lassen. Fast während zwei Jahren blieb die Habeas-Corpus-Akte aufgehoben; gehetztem Wilde gleich, jagten die Leiter der Reformer von einem Orte zum andern und wenn ihre Agitation auch nie ganz aufhörte, so hatten sie doch viel von ihrem Einfluß auf eine Bevölkerung verloren, die durch den Verrath der Mittelklasse hoffnungslos in ihrem Elende zu vergehen schien.

Da kam die Revolution von 1830 und erschütterte Europa bis in seinen letzten Winkel.

(Schluß des ersten Artikels folgt.)

* Dublin, 28 Juni.

Die sterblichen Ueberreste Tom Steele's wurden gestern auf dem Dämpfer Cornwall hierher gebracht und in der „Versöhnungshalle“ niedergelegt. Sie bleiben dort so lange, bis die Vorbereitungen zu einem feierlichen Begräbniß getroffen sind. Tom Steele starb im Elend; mit der Hälfte des Geldes, das man jetzt für den Todten verwenden wird, hätte der Lebende seine Tage sorgenlos beschließen können.

Donaufürstenthümer.
Bukarest, 15. Juni.

Wir befinden uns hier in einer erwartungsvollen Lage, die nichts Gutes zu verheißen scheint. Rußlands Bestreben enthüllt sich mehr und mehr dahin, das Land völlig von der türkischen Oberherrschaft loszuziehen und sich zinsbar zu machen. Vorläufig sucht man den Fürsten und die Nation dahin zu bewegen, daß wegen der Dringlichkeit der politischen Zustände eine russische Besatzung herbeigerufen werde. Eine derartige in Umlauf gesetzte Bittschrift zählt auch bereits zahlreiche Unterschriften. Inzwischen zögert und mißtraut Bibesko und sucht dieser Gefahr durch Errichtung eines freiwilligen Corps im Lande vorzubeugen. Auch die Bojaren zeigen sich wenig geneigt, den Einflüsterungen des russischen Generals Duchamel Gehör zu geben. Die beabsichtigte Zusammenberufung der Stände macht leider die immer mehr überhand nehmende Cholera unmöglich. Man weiß in unserer Stadt die Zahl der Todten und Erkrankten nicht mehr. Viele Menschen sterben auf den Straßen während der Behandlung der Aerzte. Auch in Braila wüthet die Krankheit neuerdings stärker. ‒ In Jassy scheinen wichtige Ereignisse vorgegangen zu sein oder sich vorzubereiten. Die moldauischen Zeitungen sind mehrere Tage hier ausgeblieben, und der russische Konsul hat sich eiligst nach jener Hauptstadt verfügt. Die Privatnachrichten widersprechen sich zum Theil. Es heißt, der Fürst Sturdza habe sich nach Rußland geflüchtet oder auf die Regierung Verzicht geleistet, nachdem ihn der hohe Klerus in den Bann gesetzt. Gewiß ist, daß derselbe vor 14 Jahren nicht mehr als 12,000 Dukaten jährliches Einkommen hatte, während dasselbe durch Wucher und Erpressungen aller Art nun auf 200,000 Dukaten gestiegen ist. An unseren südlichen Ufern der Donau bereitet sich eine ernste Zukunft vor; möge dies von Deutschland und namentlich Oesterreich nicht unbeachtet bleiben.

(A. O. Z.)
Afrika.
Algier, 20. Juni.

Achmet-Bey, der ehemalige Beherrscher von Konstantine, der stete Feind Frankreichs, hat sich unterworfen. Die „Afrique Francaise“ berichtet über dies für Algerien wichtige Ereigniß wie folgt: Die Kolonne des Obersten Canrobert, welche das schwierige, in den kalten, regnerischen Tagen vom Ende Mai doppelt mühselige Geschäft hatte, in den Gebirgen der Aurés, diesem äußersten Theile von Algerien, die Steuern zu erheben, erfuhr, nachdem sie die Landschaft nach allen Richtungen durchzogen hatte, daß der alte Achmet-Bey sich in die Berge an der Gränze der Wüste zurückgezogen habe, daß er dort die Bevölkerung zum Aufstand zu bewegen suche und beständig mit Konstantine unserer Besitzung feindliche Verbindungen unterhalte. Oberst Canrobert, obgleich mehrere Tagemärsche von dem muthmaßlichen Aufenthalt des Ex-Bey entfernt, beschloß einen Handstreich auszuführen, um sich unseres unermüdlichen Feindes zu bemächtigen. Er trennte seine Kolonne, ließ den einen Theil mit dem Gepäck, den Lebensmitteln und Feldlazarethen in einem Thale des Oued-Abdi zurück und rückte mit dem andern, der aus Kavallerie und nur 400 Mann auserlesener Infanterie bestand, am 4. Juni in Eilmärschen, unter den größten Schwierigkeiten, mit Uebersteigung von Felsen und Bergen, die noch von Schnee bedeckt waren, auf sein Ziel los. Am 3. Morgens, nachdem die ganze Nacht marschirt worden, erschien, während die Kolonne am Oued-el-Abied einen Augenblick Rast machte, ein Abgesandter Achmets bei dem Obersten, um ihn zu benachrichtigen, daß der Bey, der wisse daß er im Rücken von unserm Goum abgeschnitten sei und unsrer Kolonne nicht mehr entgehen könne, bereit sei sich Frankreich zu unterwerfen und nach Europa zu gehen, um dort in Frieden zu leben. Zu spät. ‒ Unser Goum setzte seinen Marsch fort und nahm ihn mit seinem Zelt, Waffen und Bagage gefangen. Dies geschah im Dorfe Kebech, im Augenblick der Ankunft der französischen Kolonne. Von dort führte ihn die Kolonne mit sich, die am 7. in Biskara eintraf, nachdem sie von neuem und fast gleichzeitig Kälte und Hitze im höchsten Grade ausgestanden hatte. Die eingebornen Plänkler haben mehrere Menschen verloren, aber unsre Infanterie hat keinen Verlust zu beklagen und vollzählig, obwohl mehr oder minder erkrankt, Biskara erreicht. Hier wurde mehrere Tage Rast gemacht, und am 15. sollte der Oberst in Bathea, dem augenblicklichen Hauptquartier eintreffen. Biskara liegt mitten in der Wüste; es ist eine ungeheure Palmenoase, die Zahl der Palmbäume soll sich auf mehr als hunderttausend belaufen, sie werden mittelst Kanälen, die besonders zu diesem Zwecke angelegt sind, vollständig bewässert.

Hohes Staatsministerium!

Einem hohen Staatsministerium bin ich nothgedrungen, Folgendes ehrerbietigst vorzutragen:

In meiner Abwesenheit am 22. Mai a. c. erschien der Lieutenant Petersdorf mit einer Abtheilung der 3. Kompagnie 14. Linien-Infanterie-Regiments und der Gensd'arm Waschmannsdorf aus Gollancz, und hielten bei mir wegen Waffen Haussuchung ab, wobei dieselben meine letzte Waffe, ein Jagdgewehr, in Beschlag genommen: hierbei hat sich der etc. Petersdorf anständig und dem Zwecke gemäß, benommen. Ich war nun gewiß, daß der Art Haussuchung bei mir nicht mehr stattfinden würde, hatte mich hierin aber getäuscht. Denn am 27. desselben Monats Morgens 5 Uhr ‒ wo ich nur grade mit einem Schlafrocke bekleidet war ‒ traf der Premier-Lieutenant Liebach mit der 11. Kompagnie 14. Landw.-Reg. und der Lieutenant Schmidt mit einem Zuge des 4. Ulanen-Reg., wobei sich noch der Gensd'arm Schulz befand, aus Chodziesen hier ein. Außerdem hatte sich diesem Zuge noch mit angeschlossen, der Kommunalbote des königlichen Distriktskommissarius aus Margonin, Namens Klatt, welche Letztere sich bei der zweiten Haussuchung als Häscher besonders auszeichneten.

Bei ihrem Erscheinen eröffnete ich denselben, daß bei mir bereits wegen Waffen eine Haussuchung stattgefunden habe, und versicherte auf meine Ehre, daß ich keine Waffe mehr besitze, überhaupt bei keinem Aufstande betheiligt gewesen und stets mich ruhig verhalten hätte. Ganz besonders hob ich noch hervor, daß in dieser Gegend keine Konflikte vorgekommen wären. Hr. etc. Liebach begnügte sich aber damit nicht, sondern beauftragte den etc. S., eine strenge Hausvisitation vorzunehmen, die dann auch mit allen Chikanen und Grausamkeiten ausgeführt wurde.

Ein Keller, worin verpfändeter Spiritus unter Steuer-Verschluß lagerte, und wozu ich die vom Ober-Steuer-Kontrolleur versiegelten und bezeichneten Schlüssel dem etc. S. vorlegte, wurde, da man hierauf nicht reflektirte, durch gewaltsame Erbrechung der Thüre mittelst Aexte geöffnet, indem die qu. Schlüssel (so gab man jetzt vor) verschwunden sein sollten. Vielleicht hat Jemand gedacht, daß die mit 5 Siegeln bezeichneten Schlüssel ein Päckchen Geld seien.

Die Haussuchung blieb bei der größten Strenge bei mir, mit Ausnahme einiger Kupferhütchen und zweier alten Epaulett, erfolglos. Die vorgenannten Epaulett's sind nicht mein Eigenthum, sondern gehören meinem jüngern Bruder Ignatz an, welcher die Revolution von 1830 mitgemacht und später von Sr. Majestät dem Könige begnadigt worden ist.

Bei meinem Gärtner Derszikowski wurde eine Doppelflinte vorgefunden, von der ich aber nichts wußte, und wovon der eine Lauf mit Schrot Nr. 9 geladen war, bei meinem Schreiber Bokin wurden zwei Rehposten gefunden, ‒ dieses nun war das Ergebniß der so streng geführten Haussuchung.

Der etc. Liebach war ins Dorf gegangen ‒ und zwar absichtlich ‒ damit die Soldateska ihre Grausamkeiten an mir ungestörter ausüben konnte. Insbesondere zeichnete sich hierbei der Ulan v. Natzmer aus. ‒ Ich wurde ergriffen und vom Hausflur in den Keller hinabgestürzt, hierauf auf eine empörende Weise maltraitirt und beschimpft; ja ich wurde mit Säbeln, Ladestöcken, Kolben und einigen Stichen mit dem Bajonette, wovon heute noch mein Schlafrock die Spuren an sich trägt, und endlich mit dem Kantschu gemißhandelt, daß dadurch mein Leben der größten Gefahr ausgesetzt wurde, welches das hierbei liegende ärztliche Attest bekundet.

Während dieser Mißhandlung ließ etc. L. in hiesiger Schule mehrere meiner Komorniken und auch meinen eigenen Sohn Sigismund gegen mich vernehmen, welche durch Kolbenstöße, 25 Kantschu-, resp. Säbel- und Ladestockhiebe zur verlangten Aussage gezwungen wurden und endlich ein Protokoll, welches vom Feldwebel Herzel in deutscher Sprache aufgenommen und ihnen somit unverständlich war, unterschreiben resp. unterkreuzen mußten.

Der Zufall fügte es, daß mein Schwager v. Goslinowski nebst Frau und Sohn gerade zu dieser Zeit bei mir zum Besuche waren, desgleichen auch der Brenner Grzybowski, welcher bei mir ein Unterkommen suchte, ‒ auch diese wurden sämmtlich arretirt.

Nachdem dies geschehen, wurden alle meine Hofleute im Hause gemißhandelt, ich und meine Frau aus den Armen der weinenden und schreienden Kinder gerissen und als Verhaftete zum Transport nach Margonin designirt. Der Feldwebel H. erlaubte mir und meiner Frau nicht einmal ein Fuhrwerk zu benutzen, sondern wir sollten zu Fuße gehen, stieß mich noch einigemale mit seinem Gewehrgefäße in den Rücken und bediente sich des wahrlich nicht humanen Ausdrucks: „Du verfluchter polnischer Hund, warte nur, die Soldaten werden Dich schon lehren!“

Ich war also genöthigt, meinen Schwager und Schicksalsgefährten v. G. zu bitten, mich und meine Frau auf sein Kabriolet aufzunehmen, wogegen das Militär meiner sämmtlichen Wagen und Pferde auf dem Gute sich bediente, um ihre Reise nach M. zu beschleunigen, wohin auch ich, meine Frau, mein Schwager nebst Frau und Sohn, so wie auch der Brenner G. transportirt wurden.

Tags darauf wurden wir nach Chodziesen gebracht. Obgleich hier am letztgenannten Orte der Stellvertreter des Landraths, Kreissecretair Vierch, der Ober-Steuer-Controlleur von Neuen und der Kaufmann und Bürger Stahl, so wie mehrere Andere sich dringend für uns verwendeten, so wurden wir dennoch nicht entlassen, sondern am andern Tage mit noch zwei andern Arrestanten und einem Wagen voll Waffen durch 2 Unteroffiziere und 5 M. Gemeine wieder nach Wongrowiec geführt.

Der pfiffigen und schlauen Berechnung des etc. L. zu Folge wäre ich beinahe in W. abermals vom Militär gemißhandelt worden, indem dieses präsumirte, daß ich der rechte Anführer der Insurgenten sein müßte.

In W. angekommen wurde ich vor den Obristen von Chevalerie geführt, und darauf mittelst Zwangspasses entlassen. Dieser achtbare Mann schien sich über meine erlittene Mißhandlung und Arretirung tief zu kränken, und fühlte gewiß sogleich die traurigen Folgen, wodurch immer mehr und mehr die Ehre und Zuverlässigkeit des preußischen Militärs in Frage gestellt wird.

Ich bin nicht Soldat gewesen, habe mich auch bei allen Unruhen und Wirren ruhig verhalten; war in Erfüllung meiner staatsbürgerlichen Pflichten immer pünktlich, treu und gewissenhaft, habe auch in der letzten Zeit nur nach Ruhe und Ordnung in meinen Gütern gestrebt, was mir das königl. Landrathsamt in C., wie auch der Ober-Steuer-Kontrolleur v. N. daselbst, so wie auch der Steuer-Kontrolleur Schreck aus M. bezeugen können.

Dieserhalb glaube ich keine Veranlassung zu einer solchen entehrenden Behandlung gegeben zu haben, und wage also an Ein hohes Staatsministerium nachstehende Fragen allerunterthänigst zu richten:

1) Wer hat die genannten Offiziere veranlaßt und ermächtigt, bei mir Hausrevision abzuhalten?
2) Warum bin ich und meine Leute durch die Soldaten so gräßlich gemißhandelt worden?
3) Weshalb wurde ich und meine Frau arretirt und vier Tage lang herumgeschleppt?
4) Weshalb wurden wir nicht in der Kreisstadt C, wo doch unsere Unschuld erwiesen, entlassen, sondern erst wieder nach W. transportirt?
5) Ist es jetzt erlaubt, daß die Soldaten jeden ruhigen Bürger mit Säbeln, Kolben, Ladestöcken, Bayonetten maltraitiren und mit dem Kantschu schlagen können?
6) Ist ein solches Verfahren wohl geeignet, um das Vertrauen der Polen gegen die Deutschen und die Liebe gegen die preußische Regierung zu erwecken und zu befestigen? und
7) Welche Satisfaktion steht mir jetzt zu Gebote und welche wird für die gehabte Mißhandlung mir gewährt werden?

Ein Hohes Staatsministerium will, daß überall Gerechtigkeit gehandhabt und jeder Staatsbürger geschützt werde, dieserhalb wage ich Hochdasselbe ehrerbietigst anzugehen, eine schleunige und strenge Untersuchung gegen den etc. Liebach, Schmidt und Consorten einleiten lassen zu wollen.

Damit aber meine Nachbaren Kenntniß meiner ergriffenen Schritte zur Wiedererlangung meiner tief gekränkten Ehre erhalten, so werde ich diesen meinen Vortrag in die öffentlichen Blätter aufnehmen lassen.

Mit tiefster Ehrerbietung Eines etc. etc. etc. ergebenster.

Jaktorowo, Kreis Chodziesen, Reg.-Bezirk Bromberg, den 22. Juni 1848.

Der Herr Gutspächter von Seredynski aus Jaktorowo ist von mir heute ärztlich untersucht worden und habe ich gefunden, daß die ganze Fläche des Rückens auf beiden Schulterblättern mit zolldicken blutigen Sugillationen bedeckt ist, eben so ein großer Theil der äußern Fläche der Oberarme. Es sind diese bedeutenden Verletzungen offenbar durch heftige andauernde Mißhandlungen mittelst harter aber stumpfer Instrumente hervorgebracht worden. Es befindet sich außerdem eine bereits verharschte Stichwunde an dem obern Theil des hintern Randes des linken Schulterblattes, welche indessen nicht in die Tiefe zu gehen scheint. Eine fieberhafte Reaktion des Organismus auf die vorhandenen Verletzungen ist bis jetzt nicht eingetreten, und ist dies wahrscheinlich nur der robusten Konstitution des Verletzten zuzuschreiben. ‒ Dies Vorstehende bescheinige meinem besten Wissen gemäß.

Wongrowiec, den 29. Mai 1848.

(L. S.)

gez. Dr. Gall.

(Hierzu eine Beilage.)

Der Gerant, Korff.
Druck von W. Clouth, St. Agatha Nro. 12.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0004" n="0170"/>
        <div xml:id="ar034_030" type="jArticle">
          <head>London, 30. Juni.</head>
          <p><hi rendition="#g">George Julian Harney,</hi> der Redakteur des <hi rendition="#g">Northern Star,</hi> des Organs der englischen Chartisten,                         schickt der &#x201E;Neuen rheinischen Zeitung&#x201C; folgenden Bericht, den wir uns                         beeilen, unsern Lesern mitzutheilen.</p>
          <p>&#x201E;Da den Lesern der <hi rendition="#g">&#x201E;Neuen Rheinischen Zeitung&#x201C;</hi> eine                         kurze Schilderung des gegenwärtigen Standes der englischen Volksbewegung                         vielleicht nicht unwillkommen ist, so will ich Ihnen die Umrisse der                         jüngsten Ereignisse geben, &#x2012; Umrisse freilich nur, denn vielfache                         Beschäftigungen machen es mir unmöglich, auf Einzelheiten einzugehen. Es                         wird nicht nöthig sein, Ihren Lesern noch zu erzählen, <hi rendition="#g">wer</hi> die Chartisten sind und <hi rendition="#g">was</hi> der                         Chartismus ist. Um indeß meine Darstellung desto verständlicher zu machen,                         will ich dem Bericht der Tagesereignisse eine Schilderung der Vergangenheit                         vorhergehen zu lassen.</p>
          <p>Die Chartisten sind die Nachfolger der Radikal-Reformer, diezuerst unter                         aristokratischem und später unter dem Einfluß der Mittelklasse, von der Zeit                         des amerikanischen Krieges, bis zum Jahre 1830 jene große Agitation für eine                         radikale Reform des Parlamentes, aufrecht zu erhalten wußten.</p>
          <p>Damals, nämlich im Jahre 1780, publizirten die Reformer unter der                         unmittelbaren Leitung von Charles James Fox, Richard Brinsley, Sheridan und                         anderer Häupter der Whigs, einen Plan allgemeiner Volkswahl, der von dem                         Geiste der heutigen Volks-Charte nicht im geringsten verschieden ist. Leute                         wie der Herzog von Richmond und Earl Stanhope, waren damals Vertheidiger des                         Systems der Charte. Selbst der später so tyrannische Pitt gehörte zu den                         feurigsten Radikalen. Wie er später ein Tory wurde, an dem selbst Georg III.                         keinen Fehler zu finden wußte, so war er in seiner Jugend ein Demokrat, dem                         selbst ein Horne Tooke das vollste Vertrauen schenkte.</p>
          <p>Alle diese Aristokraten und ministeriellen Kandidaten zogen sich aber                         erschreckt zurück, als plötzlich die französische Revolution ausbrach und                         von den Reformern von 1780 war Major Cartwright, &#x201E;der treu unter den                         Treulosen erfunden&#x201C;, fast der einzige, der nach wie vor der alte blieb. Pitt                         wurde damals Premier von England. Die Aristokratie und die Mittelklasse war                         für ihn und getrost hätte er sofort den Krieg gegen die junge französische                         Republik beginnen können, wenn nicht, trotz des Desertirens fast aller                         Führer, eine ziemlich kompakte demokratische Partei zurückgeblieben wäre,                         welche mit großer Sympathie für die französische Bewegung, die Reform                         Agitation fortgesetzt hätte. Um sich den Rücken frei zu halten, mußte dieser                         ein Ende gemacht werden und kühn streckte Pitt seine Faust nach den Leitern                         jener Klubs und jener korrespondirenden Gesellschaften aus, welche die                         Demokraten aller Orte des Landes bisher in ununterbrochenem Verkehr hielten.                         Die infame Deportation Muir's, Palmer's, Gerald's, Skirving's und                         Margarot's, welche Mitglieder des in Edinbourgh gehaltenen britischen                         Konvent's waren und der Triumpf Hardy's, Thelwal's und mancher Anderer über                         den Renegaten Pitt, alles ist einem Jeden bekannt, der sich mit der neuern                         Geschichte Englands nur in etwa befaßte. Ein Parlaments-Akt machte dann                         sämmtlichen politischen Verbindungen ein Ende und die Aufhebung der                         Habeas-Corpus-Akte trug nicht wenig dazu bei, die ohnehin noch nicht recht                         unter die Masse der Arbeiter gedrungene Reform-Agitation in ihrem Entstehen                         zu erdrücken.</p>
          <p>Der lange Krieg gegen Napoleon, der den Engländern die Herrschaft zur See und                         das Monopol für den Absatz britischer Fabrikate auf allen asiatischen und                         amerikanischen Märkten sicherte und eine kolossale Entwicklung der                         industriellen Thätigkeit Englands nach sich zog, lenkte außerdem die                         Gemüther von der innern Politik des Landes ab, so daß ein mehrjähriges                         Darniederliegen der revolutionären Partei unausbleiblich war.</p>
          <p>Der Frieden änderte indeß Alles. Das Monopol des englischen Handels fiel und                         Zehntausende außer Beschäftigung geworfener hungernder Arbeiter, vereinigten                         sich mit nicht weniger drohenden Massen verabschiedeter Soldaten und                             Matrosen:<hi rendition="#et">&#x201E;The broken tools whom tyrants cast away.&#x201C;                             (Zerbrochne Werkzeuge, fortgeworfen von Tyrannen)</hi> und erhuben den                         Schrei der Reform.</p>
          <p>Burdett und Hunt, erstrer als Leiter der radikalen Mittelklasse, letztrer als                         Haupt der proletarischen Phalanx, wurden jetzt die Führer der neuen                         Bewegung.</p>
          <p>William Cobbett, der zu gleicher Zeit auftrat und als Redner und                         Schriftsteller den ungetheiltesten Enthusiasmus des Volkes hervorrief, kann                         eigentlich nicht als Parteichef betrachtet werden. Dieser wunderbare Mann,                         auf den die Engländer, trotz aller seiner Fehler, wohl Ursache haben, stolz                         zu sein, hatte nicht die Eigenschaften eines jederzeit wirksamen Demagogen;                         sein ungemeiner Egoismus ließ ihn auch nie mit irgend einem andern populären                         Manne sechs Monate lang übereinstimmen.</p>
          <p>Was nun die Arbeiter angeht, so übten sie, obgleich sie die Masse der                         radikalen Partei ausmachten, doch noch nicht den Einfluß aus, mit dem sie                         später in der Chartisten-Bewegung so charakteristisch hervortreten. Selbst                         die Leiter der &#x201E;ultra physical force men&#x201C;, jener Leute welche ihre Zwecke                         durch physische Gewalt durchzusetzen sich nicht scheuten, gehörten in jener                         Zeit nicht in die Reihe der Arbeiter. Thistlewood war Soldat; seine Freunde,                         die beiden Watsons stammten aus der Mittelklasse.</p>
          <p>Die nach dem Frieden auf's Neue begonnene Agitation, welche von Burdett und                         Hunt geleitet und von dem alten Cartwright und Cobbet unterstützt wurde,                         sollte indeß nicht lange dauern. Die aristokratische Mittelklasse sah sich                         in zu großer Gefahr, als daß sie sich nicht gern mit dem Gouvernement                         vereinigt hätte, um einem aus der Entwicklung der Industrie hervorgegangenen                         Proletariate und den momentan damit verbündeten Kleinbürgern kühn die Stirn                         zu bieten. Auf dem sogenannten Petersfeld in Manchester sollte sie ihre                         Sporen verdienen.</p>
          <p>Hunt hatte eine Versammlung angekündigt. Sechszigtausend Menschen, Männer,                         Weiber und Kinder kamen auf dem engen, von Häusern umgebenen Raume zusammen,                         um den Rednern der radikalen Partei zuzuhören, und eine Adresse an den                         Regenten zu votiren, in der man die, namentlich der schlechten                         Volksvertretung entsprungene Noth der Massen auseinander zu setzen                         beabsichtigte. Hunt besteigt die Tribüne, kaum hat er einige Worte                         gesprochen, da entsteht von dem einen Zugang des Platzes her, ein wildes                         Getöse, ein Trupp reitende Yeomanry, die aus der aristokratischen                         Bourgeoisie gebildete Stadt-Soldateska, sprengt mit verhängten Zügeln in die                         wehrlose Menge, die Säbel schwingend und rechts und links Alles                         niedermetzelnd, bis der Platz von Lebenden gereinigt. Das Volk nannte dieses                         Gemetzel auf dem Petersfelde, das Peterloo-Massakre, als Anspielung auf die                         kurz vorhergegangene Schlacht von Waterloo.</p>
          <p>Die schrecklichste Wuth bemächtigte sich der Menge nach diesem Ereignisse und                         wenn das Gouvernement bisher mit der hohen Mittelklasse Hand in Hand                         gegangen war, so mußte es jetzt erst recht zu energischen Maßregeln greifen                         um die Agitation der Reformer auf's Neue zu unterdrücken. Männer wie                         Sidmouth, Canning und Castlereagh, welchen letztern Byron in seinem Don Juan                         &#x201E;den Halspulsader abschneidenden Castlereagh&#x201C; oder &#x201E;die Blut- und                         Spautze-Spritze&#x201C; nannte, liehen natürlich ihre Hände zu Allem, was die                         Brutalität der Mittelklasse forderte; vergebens zuckte Thistlewood den Dolch                         auf die Lords in Horrowby Haus &#x2012; ehe sein Kopf auf dem Schaffote fiel,                         erklärte er, das Massakre auf dem Petersfelde habe rächen zu wollen.</p>
          <p>Eine wahre Schreckenszeit begann jetzt für die Reform-Partei. Sir Francis                         Burdett hatte genug zu thun, um sich die Hände frei zu halten; Cobbett                         flüchtete nach Amerika, Hunt, in Untersuchungen verwickelt, konnte sich nur                         von Zeit zu Zeit sehen lassen. Fast während zwei Jahren blieb die                         Habeas-Corpus-Akte aufgehoben; gehetztem Wilde gleich, jagten die Leiter der                         Reformer von einem Orte zum andern und wenn ihre Agitation auch nie ganz                         aufhörte, so hatten sie doch viel von ihrem Einfluß auf eine Bevölkerung                         verloren, die durch den Verrath der Mittelklasse hoffnungslos in ihrem                         Elende zu vergehen schien.</p>
          <p>Da kam die Revolution von 1830 und erschütterte Europa bis in seinen letzten                         Winkel.</p>
          <p>
            <ref type="link">(Schluß des ersten Artikels folgt.)</ref>
          </p>
        </div>
        <div xml:id="ar034_031" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Dublin, 28 Juni.</head>
          <p>Die sterblichen Ueberreste <hi rendition="#g">Tom Steele's</hi> wurden                         gestern auf dem Dämpfer Cornwall hierher gebracht und in der                         &#x201E;Versöhnungshalle&#x201C; niedergelegt. Sie bleiben dort so lange, bis die                         Vorbereitungen zu einem feierlichen Begräbniß getroffen sind. Tom Steele                         starb im Elend; mit der Hälfte des Geldes, das man jetzt für den Todten                         verwenden wird, hätte der Lebende seine Tage sorgenlos beschließen                         können.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Donaufürstenthümer.</head>
        <div xml:id="ar034_032" type="jArticle">
          <head>Bukarest, 15. Juni.</head>
          <p>Wir befinden uns hier in einer erwartungsvollen Lage, die nichts Gutes zu                         verheißen scheint. Rußlands Bestreben enthüllt sich mehr und mehr dahin, das                         Land völlig von der türkischen Oberherrschaft loszuziehen und sich zinsbar                         zu machen. Vorläufig sucht man den Fürsten und die Nation dahin zu bewegen,                         daß wegen der Dringlichkeit der politischen Zustände eine russische                         Besatzung herbeigerufen werde. Eine derartige in Umlauf gesetzte Bittschrift                         zählt auch bereits zahlreiche Unterschriften. Inzwischen zögert und mißtraut                         Bibesko und sucht dieser Gefahr durch Errichtung eines freiwilligen Corps im                         Lande vorzubeugen. Auch die Bojaren zeigen sich wenig geneigt, den                         Einflüsterungen des russischen Generals Duchamel Gehör zu geben. Die                         beabsichtigte Zusammenberufung der Stände macht leider die immer mehr                         überhand nehmende Cholera unmöglich. Man weiß in unserer Stadt die Zahl der                         Todten und Erkrankten nicht mehr. Viele Menschen sterben auf den Straßen                         während der Behandlung der Aerzte. Auch in Braila wüthet die Krankheit                         neuerdings stärker. &#x2012; In Jassy scheinen wichtige Ereignisse vorgegangen zu                         sein oder sich vorzubereiten. Die moldauischen Zeitungen sind mehrere Tage                         hier ausgeblieben, und der russische Konsul hat sich eiligst nach jener                         Hauptstadt verfügt. Die Privatnachrichten widersprechen sich zum Theil. Es                         heißt, der Fürst Sturdza habe sich nach Rußland geflüchtet oder auf die                         Regierung Verzicht geleistet, nachdem ihn der hohe Klerus in den Bann                         gesetzt. Gewiß ist, daß derselbe vor 14 Jahren nicht mehr als 12,000 Dukaten                         jährliches Einkommen hatte, während dasselbe durch Wucher und Erpressungen                         aller Art nun auf 200,000 Dukaten gestiegen ist. An unseren südlichen Ufern                         der Donau bereitet sich eine ernste Zukunft vor; möge dies von Deutschland                         und namentlich Oesterreich nicht unbeachtet bleiben.</p>
          <bibl>(A. O. Z.)</bibl>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Afrika.</head>
        <div xml:id="ar034_033" type="jArticle">
          <head>Algier, 20. Juni.</head>
          <p>Achmet-Bey, der ehemalige Beherrscher von Konstantine, der stete Feind                         Frankreichs, hat sich unterworfen. Die &#x201E;Afrique Francaise&#x201C; berichtet über                         dies für Algerien wichtige Ereigniß wie folgt: Die Kolonne des Obersten                         Canrobert, welche das schwierige, in den kalten, regnerischen Tagen vom Ende                         Mai doppelt mühselige Geschäft hatte, in den Gebirgen der Aurés, diesem                         äußersten Theile von Algerien, die Steuern zu erheben, erfuhr, nachdem sie                         die Landschaft nach allen Richtungen durchzogen hatte, daß der alte                         Achmet-Bey sich in die Berge an der Gränze der Wüste zurückgezogen habe, daß                         er dort die Bevölkerung zum Aufstand zu bewegen suche und beständig mit                         Konstantine unserer Besitzung feindliche Verbindungen unterhalte. Oberst                         Canrobert, obgleich mehrere Tagemärsche von dem muthmaßlichen Aufenthalt des                         Ex-Bey entfernt, beschloß einen Handstreich auszuführen, um sich unseres                         unermüdlichen Feindes zu bemächtigen. Er trennte seine Kolonne, ließ den                         einen Theil mit dem Gepäck, den Lebensmitteln und Feldlazarethen in einem                         Thale des Oued-Abdi zurück und rückte mit dem andern, der aus Kavallerie und                         nur 400 Mann auserlesener Infanterie bestand, am 4. Juni in Eilmärschen,                         unter den größten Schwierigkeiten, mit Uebersteigung von Felsen und Bergen,                         die noch von Schnee bedeckt waren, auf sein Ziel los. Am 3. Morgens, nachdem                         die ganze Nacht marschirt worden, erschien, während die Kolonne am                         Oued-el-Abied einen Augenblick Rast machte, ein Abgesandter Achmets bei dem                         Obersten, um ihn zu benachrichtigen, daß der Bey, der wisse daß er im Rücken                         von unserm Goum abgeschnitten sei und unsrer Kolonne nicht mehr entgehen                         könne, bereit sei sich Frankreich zu unterwerfen und nach Europa zu gehen,                         um dort in Frieden zu leben. Zu spät. &#x2012; Unser Goum setzte seinen Marsch fort                         und nahm ihn mit seinem Zelt, Waffen und Bagage gefangen. Dies geschah im                         Dorfe Kebech, im Augenblick der Ankunft der französischen Kolonne. Von dort                         führte ihn die Kolonne mit sich, die am 7. in Biskara eintraf, nachdem sie                         von neuem und fast gleichzeitig Kälte und Hitze im höchsten Grade                         ausgestanden hatte. Die eingebornen Plänkler haben mehrere Menschen                         verloren, aber unsre Infanterie hat keinen Verlust zu beklagen und                         vollzählig, obwohl mehr oder minder erkrankt, Biskara erreicht. Hier wurde                         mehrere Tage Rast gemacht, und am 15. sollte der Oberst in Bathea, dem                         augenblicklichen Hauptquartier eintreffen. Biskara liegt mitten in der                         Wüste; es ist eine ungeheure Palmenoase, die Zahl der Palmbäume soll sich                         auf mehr als hunderttausend belaufen, sie werden mittelst Kanälen, die                         besonders zu diesem Zwecke angelegt sind, vollständig bewässert.</p>
        </div>
      </div>
      <div type="jReadersLetters" n="1">
        <div xml:id="ar034_034" type="jArticle">
          <p>Hohes Staatsministerium!</p>
          <p>Einem hohen Staatsministerium bin ich nothgedrungen, Folgendes ehrerbietigst                         vorzutragen:</p>
          <p>In meiner Abwesenheit am 22. Mai a. c. erschien der Lieutenant Petersdorf mit                         einer Abtheilung der 3. Kompagnie 14. Linien-Infanterie-Regiments und der                         Gensd'arm Waschmannsdorf aus Gollancz, und hielten bei mir wegen Waffen                         Haussuchung ab, wobei dieselben meine letzte Waffe, ein Jagdgewehr, in                         Beschlag genommen: hierbei hat sich der etc. Petersdorf anständig und dem                         Zwecke gemäß, benommen. Ich war nun gewiß, daß der Art Haussuchung bei mir                         nicht mehr stattfinden würde, hatte mich hierin aber getäuscht. Denn am 27.                         desselben Monats Morgens 5 Uhr &#x2012; wo ich nur grade mit einem Schlafrocke                         bekleidet war &#x2012; traf der Premier-Lieutenant Liebach mit der 11. Kompagnie                         14. Landw.-Reg. und der Lieutenant Schmidt mit einem Zuge des 4.                         Ulanen-Reg., wobei sich noch der Gensd'arm Schulz befand, aus Chodziesen                         hier ein. Außerdem hatte sich diesem Zuge noch mit angeschlossen, der                         Kommunalbote des königlichen Distriktskommissarius aus Margonin, Namens                         Klatt, welche Letztere sich bei der zweiten Haussuchung als Häscher                         besonders auszeichneten.</p>
          <p>Bei ihrem Erscheinen eröffnete ich denselben, daß bei mir bereits wegen                         Waffen eine Haussuchung stattgefunden habe, und versicherte auf meine Ehre,                         daß ich keine Waffe mehr besitze, überhaupt bei keinem Aufstande betheiligt                         gewesen und stets mich ruhig verhalten hätte. Ganz besonders hob ich noch                         hervor, daß in dieser Gegend keine Konflikte vorgekommen wären. Hr. etc.                         Liebach begnügte sich aber damit nicht, sondern beauftragte den etc. S.,                         eine strenge Hausvisitation vorzunehmen, die dann auch mit allen Chikanen                         und Grausamkeiten ausgeführt wurde.</p>
          <p>Ein Keller, worin verpfändeter Spiritus unter Steuer-Verschluß lagerte, und                         wozu ich die vom Ober-Steuer-Kontrolleur versiegelten und bezeichneten                         Schlüssel dem etc. S. vorlegte, wurde, da man hierauf nicht reflektirte,                         durch gewaltsame Erbrechung der Thüre mittelst Aexte geöffnet, indem die qu.                         Schlüssel (so gab man jetzt vor) verschwunden sein sollten. Vielleicht hat                         Jemand gedacht, daß die mit 5 Siegeln bezeichneten Schlüssel ein Päckchen                         Geld seien.</p>
          <p>Die Haussuchung blieb bei der größten Strenge bei mir, mit Ausnahme einiger                         Kupferhütchen und zweier alten Epaulett, erfolglos. Die vorgenannten                         Epaulett's sind nicht mein Eigenthum, sondern gehören meinem jüngern Bruder                         Ignatz an, welcher die Revolution von 1830 mitgemacht und später von Sr.                         Majestät dem Könige begnadigt worden ist.</p>
          <p>Bei meinem Gärtner Derszikowski wurde eine Doppelflinte vorgefunden, von der                         ich aber nichts wußte, und wovon der eine Lauf mit Schrot Nr. 9 geladen war,                         bei meinem Schreiber Bokin wurden zwei Rehposten gefunden, &#x2012; dieses nun war                         das Ergebniß der so streng geführten Haussuchung.</p>
          <p>Der etc. Liebach war ins Dorf gegangen &#x2012; und zwar absichtlich &#x2012; damit die                         Soldateska ihre Grausamkeiten an mir ungestörter ausüben konnte.                         Insbesondere zeichnete sich hierbei der Ulan v. Natzmer aus. &#x2012; Ich wurde                         ergriffen und vom Hausflur in den Keller hinabgestürzt, hierauf auf eine                         empörende Weise maltraitirt und beschimpft; ja ich wurde mit Säbeln,                         Ladestöcken, Kolben und einigen Stichen mit dem Bajonette, wovon heute noch                         mein Schlafrock die Spuren an sich trägt, und endlich mit dem Kantschu                         gemißhandelt, daß dadurch mein Leben der größten Gefahr ausgesetzt wurde,                         welches das hierbei liegende ärztliche Attest bekundet.</p>
          <p>Während dieser Mißhandlung ließ etc. L. in hiesiger Schule mehrere meiner                         Komorniken und auch meinen eigenen Sohn Sigismund gegen mich vernehmen,                         welche durch Kolbenstöße, 25 Kantschu-, resp. Säbel- und Ladestockhiebe zur                         verlangten Aussage gezwungen wurden und endlich ein Protokoll, welches vom                         Feldwebel Herzel in deutscher Sprache aufgenommen und ihnen somit                         unverständlich war, unterschreiben resp. unterkreuzen mußten.</p>
          <p>Der Zufall fügte es, daß mein Schwager v. Goslinowski nebst Frau und Sohn                         gerade zu dieser Zeit bei mir zum Besuche waren, desgleichen auch der                         Brenner Grzybowski, welcher bei mir ein Unterkommen suchte, &#x2012; auch diese                         wurden sämmtlich arretirt.</p>
          <p>Nachdem dies geschehen, wurden alle meine Hofleute im Hause gemißhandelt, ich                         und meine Frau aus den Armen der weinenden und schreienden Kinder gerissen                         und als Verhaftete zum Transport nach Margonin designirt. Der Feldwebel H.                         erlaubte mir und meiner Frau nicht einmal ein Fuhrwerk zu benutzen, sondern                         wir sollten zu Fuße gehen, stieß mich noch einigemale mit seinem                         Gewehrgefäße in den Rücken und bediente sich des wahrlich nicht humanen                         Ausdrucks: &#x201E;Du verfluchter polnischer Hund, warte nur, die Soldaten werden                         Dich schon lehren!&#x201C;</p>
          <p>Ich war also genöthigt, meinen Schwager und Schicksalsgefährten v. G. zu                         bitten, mich und meine Frau auf sein Kabriolet aufzunehmen, wogegen das                         Militär meiner sämmtlichen Wagen und Pferde auf dem Gute sich bediente, um                         ihre Reise nach M. zu beschleunigen, wohin auch ich, meine Frau, mein                         Schwager nebst Frau und Sohn, so wie auch der Brenner G. transportirt                         wurden.</p>
          <p>Tags darauf wurden wir nach Chodziesen gebracht. Obgleich hier am                         letztgenannten Orte der Stellvertreter des Landraths, Kreissecretair Vierch,                         der Ober-Steuer-Controlleur von Neuen und der Kaufmann und Bürger Stahl, so                         wie mehrere Andere sich dringend für uns verwendeten, so wurden wir dennoch                         nicht entlassen, sondern am andern Tage mit noch zwei andern Arrestanten und                         einem Wagen voll Waffen durch 2 Unteroffiziere und 5 M. Gemeine wieder nach                         Wongrowiec geführt.</p>
          <p>Der pfiffigen und schlauen Berechnung des etc. L. zu Folge wäre ich beinahe                         in W. abermals vom Militär gemißhandelt worden, indem dieses präsumirte, daß                         ich der rechte Anführer der Insurgenten sein müßte.</p>
          <p>In W. angekommen wurde ich vor den Obristen von Chevalerie geführt, und                         darauf mittelst Zwangspasses entlassen. Dieser achtbare Mann schien sich                         über meine erlittene Mißhandlung und Arretirung tief zu kränken, und fühlte                         gewiß sogleich die traurigen Folgen, wodurch immer mehr und mehr die Ehre                         und Zuverlässigkeit des preußischen Militärs in Frage gestellt wird.</p>
          <p>Ich bin nicht Soldat gewesen, habe mich auch bei allen Unruhen und Wirren                         ruhig verhalten; war in Erfüllung meiner staatsbürgerlichen Pflichten immer                         pünktlich, treu und gewissenhaft, habe auch in der letzten Zeit nur nach                         Ruhe und Ordnung in meinen Gütern gestrebt, was mir das königl. Landrathsamt                         in C., wie auch der Ober-Steuer-Kontrolleur v. N. daselbst, so wie auch der                         Steuer-Kontrolleur Schreck aus M. bezeugen können.</p>
          <p>Dieserhalb glaube ich keine Veranlassung zu einer solchen entehrenden                         Behandlung gegeben zu haben, und wage also an Ein hohes Staatsministerium                         nachstehende Fragen allerunterthänigst zu richten:</p>
          <p rendition="#et">1) Wer hat die genannten Offiziere veranlaßt und ermächtigt,                         bei mir Hausrevision abzuhalten?<lb/>
2) Warum bin ich und meine Leute durch                         die Soldaten so gräßlich gemißhandelt worden?<lb/>
3) Weshalb wurde ich und                         meine Frau arretirt und vier Tage lang herumgeschleppt?<lb/>
4) Weshalb                         wurden wir nicht in der Kreisstadt C, wo doch unsere Unschuld erwiesen,                         entlassen, sondern erst wieder nach W. transportirt?<lb/>
5) Ist es jetzt                         erlaubt, daß die Soldaten jeden ruhigen Bürger mit Säbeln, Kolben,                         Ladestöcken, Bayonetten maltraitiren und mit dem Kantschu schlagen                         können?<lb/>
6) Ist ein solches Verfahren wohl geeignet, um das Vertrauen                         der Polen gegen die Deutschen und die Liebe gegen die preußische Regierung                         zu erwecken und zu befestigen? und<lb/>
7) Welche Satisfaktion steht mir                         jetzt zu Gebote und welche wird für die gehabte Mißhandlung mir gewährt                         werden?</p>
          <p>Ein Hohes Staatsministerium will, daß überall Gerechtigkeit gehandhabt und                         jeder Staatsbürger geschützt werde, dieserhalb wage ich Hochdasselbe                         ehrerbietigst anzugehen, eine schleunige und strenge Untersuchung gegen den                         etc. Liebach, Schmidt und Consorten einleiten lassen zu wollen.</p>
          <p>Damit aber meine Nachbaren Kenntniß meiner ergriffenen Schritte zur                         Wiedererlangung meiner tief gekränkten Ehre erhalten, so werde ich diesen                         meinen Vortrag in die öffentlichen Blätter aufnehmen lassen.</p>
          <p>Mit tiefster Ehrerbietung Eines etc. etc. etc. ergebenster.</p>
          <p>Jaktorowo, Kreis Chodziesen, Reg.-Bezirk Bromberg, den 22. Juni 1848.</p>
          <p>Der Herr Gutspächter von Seredynski aus Jaktorowo ist von mir heute ärztlich                         untersucht worden und habe ich gefunden, daß die ganze Fläche des Rückens                         auf beiden Schulterblättern mit zolldicken blutigen Sugillationen bedeckt                         ist, eben so ein großer Theil der äußern Fläche der Oberarme. Es sind diese                         bedeutenden Verletzungen offenbar durch heftige andauernde Mißhandlungen                         mittelst harter aber stumpfer Instrumente hervorgebracht worden. Es befindet                         sich außerdem eine bereits verharschte Stichwunde an dem obern Theil des                         hintern Randes des linken Schulterblattes, welche indessen nicht in die                         Tiefe zu gehen scheint. Eine fieberhafte Reaktion des Organismus auf die                         vorhandenen Verletzungen ist bis jetzt nicht eingetreten, und ist dies                         wahrscheinlich nur der robusten Konstitution des Verletzten zuzuschreiben. &#x2012;                         Dies Vorstehende bescheinige meinem besten Wissen gemäß.</p>
          <p>Wongrowiec, den 29. Mai 1848.</p>
          <bibl>(L. S.)</bibl>
          <p>gez. Dr. <hi rendition="#g">Gall.</hi></p>
          <p>
            <ref type="link"> <hi rendition="#b">(Hierzu eine Beilage.)</hi> </ref>
          </p>
        </div>
      </div>
      <div type="imprint">
        <p>Der Gerant, <hi rendition="#g">Korff.</hi><lb/>
Druck von W. <hi rendition="#g">Clouth,</hi> St. Agatha Nro. 12.</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0170/0004] London, 30. Juni. George Julian Harney, der Redakteur des Northern Star, des Organs der englischen Chartisten, schickt der „Neuen rheinischen Zeitung“ folgenden Bericht, den wir uns beeilen, unsern Lesern mitzutheilen. „Da den Lesern der „Neuen Rheinischen Zeitung“ eine kurze Schilderung des gegenwärtigen Standes der englischen Volksbewegung vielleicht nicht unwillkommen ist, so will ich Ihnen die Umrisse der jüngsten Ereignisse geben, ‒ Umrisse freilich nur, denn vielfache Beschäftigungen machen es mir unmöglich, auf Einzelheiten einzugehen. Es wird nicht nöthig sein, Ihren Lesern noch zu erzählen, wer die Chartisten sind und was der Chartismus ist. Um indeß meine Darstellung desto verständlicher zu machen, will ich dem Bericht der Tagesereignisse eine Schilderung der Vergangenheit vorhergehen zu lassen. Die Chartisten sind die Nachfolger der Radikal-Reformer, diezuerst unter aristokratischem und später unter dem Einfluß der Mittelklasse, von der Zeit des amerikanischen Krieges, bis zum Jahre 1830 jene große Agitation für eine radikale Reform des Parlamentes, aufrecht zu erhalten wußten. Damals, nämlich im Jahre 1780, publizirten die Reformer unter der unmittelbaren Leitung von Charles James Fox, Richard Brinsley, Sheridan und anderer Häupter der Whigs, einen Plan allgemeiner Volkswahl, der von dem Geiste der heutigen Volks-Charte nicht im geringsten verschieden ist. Leute wie der Herzog von Richmond und Earl Stanhope, waren damals Vertheidiger des Systems der Charte. Selbst der später so tyrannische Pitt gehörte zu den feurigsten Radikalen. Wie er später ein Tory wurde, an dem selbst Georg III. keinen Fehler zu finden wußte, so war er in seiner Jugend ein Demokrat, dem selbst ein Horne Tooke das vollste Vertrauen schenkte. Alle diese Aristokraten und ministeriellen Kandidaten zogen sich aber erschreckt zurück, als plötzlich die französische Revolution ausbrach und von den Reformern von 1780 war Major Cartwright, „der treu unter den Treulosen erfunden“, fast der einzige, der nach wie vor der alte blieb. Pitt wurde damals Premier von England. Die Aristokratie und die Mittelklasse war für ihn und getrost hätte er sofort den Krieg gegen die junge französische Republik beginnen können, wenn nicht, trotz des Desertirens fast aller Führer, eine ziemlich kompakte demokratische Partei zurückgeblieben wäre, welche mit großer Sympathie für die französische Bewegung, die Reform Agitation fortgesetzt hätte. Um sich den Rücken frei zu halten, mußte dieser ein Ende gemacht werden und kühn streckte Pitt seine Faust nach den Leitern jener Klubs und jener korrespondirenden Gesellschaften aus, welche die Demokraten aller Orte des Landes bisher in ununterbrochenem Verkehr hielten. Die infame Deportation Muir's, Palmer's, Gerald's, Skirving's und Margarot's, welche Mitglieder des in Edinbourgh gehaltenen britischen Konvent's waren und der Triumpf Hardy's, Thelwal's und mancher Anderer über den Renegaten Pitt, alles ist einem Jeden bekannt, der sich mit der neuern Geschichte Englands nur in etwa befaßte. Ein Parlaments-Akt machte dann sämmtlichen politischen Verbindungen ein Ende und die Aufhebung der Habeas-Corpus-Akte trug nicht wenig dazu bei, die ohnehin noch nicht recht unter die Masse der Arbeiter gedrungene Reform-Agitation in ihrem Entstehen zu erdrücken. Der lange Krieg gegen Napoleon, der den Engländern die Herrschaft zur See und das Monopol für den Absatz britischer Fabrikate auf allen asiatischen und amerikanischen Märkten sicherte und eine kolossale Entwicklung der industriellen Thätigkeit Englands nach sich zog, lenkte außerdem die Gemüther von der innern Politik des Landes ab, so daß ein mehrjähriges Darniederliegen der revolutionären Partei unausbleiblich war. Der Frieden änderte indeß Alles. Das Monopol des englischen Handels fiel und Zehntausende außer Beschäftigung geworfener hungernder Arbeiter, vereinigten sich mit nicht weniger drohenden Massen verabschiedeter Soldaten und Matrosen:„The broken tools whom tyrants cast away.“ (Zerbrochne Werkzeuge, fortgeworfen von Tyrannen) und erhuben den Schrei der Reform. Burdett und Hunt, erstrer als Leiter der radikalen Mittelklasse, letztrer als Haupt der proletarischen Phalanx, wurden jetzt die Führer der neuen Bewegung. William Cobbett, der zu gleicher Zeit auftrat und als Redner und Schriftsteller den ungetheiltesten Enthusiasmus des Volkes hervorrief, kann eigentlich nicht als Parteichef betrachtet werden. Dieser wunderbare Mann, auf den die Engländer, trotz aller seiner Fehler, wohl Ursache haben, stolz zu sein, hatte nicht die Eigenschaften eines jederzeit wirksamen Demagogen; sein ungemeiner Egoismus ließ ihn auch nie mit irgend einem andern populären Manne sechs Monate lang übereinstimmen. Was nun die Arbeiter angeht, so übten sie, obgleich sie die Masse der radikalen Partei ausmachten, doch noch nicht den Einfluß aus, mit dem sie später in der Chartisten-Bewegung so charakteristisch hervortreten. Selbst die Leiter der „ultra physical force men“, jener Leute welche ihre Zwecke durch physische Gewalt durchzusetzen sich nicht scheuten, gehörten in jener Zeit nicht in die Reihe der Arbeiter. Thistlewood war Soldat; seine Freunde, die beiden Watsons stammten aus der Mittelklasse. Die nach dem Frieden auf's Neue begonnene Agitation, welche von Burdett und Hunt geleitet und von dem alten Cartwright und Cobbet unterstützt wurde, sollte indeß nicht lange dauern. Die aristokratische Mittelklasse sah sich in zu großer Gefahr, als daß sie sich nicht gern mit dem Gouvernement vereinigt hätte, um einem aus der Entwicklung der Industrie hervorgegangenen Proletariate und den momentan damit verbündeten Kleinbürgern kühn die Stirn zu bieten. Auf dem sogenannten Petersfeld in Manchester sollte sie ihre Sporen verdienen. Hunt hatte eine Versammlung angekündigt. Sechszigtausend Menschen, Männer, Weiber und Kinder kamen auf dem engen, von Häusern umgebenen Raume zusammen, um den Rednern der radikalen Partei zuzuhören, und eine Adresse an den Regenten zu votiren, in der man die, namentlich der schlechten Volksvertretung entsprungene Noth der Massen auseinander zu setzen beabsichtigte. Hunt besteigt die Tribüne, kaum hat er einige Worte gesprochen, da entsteht von dem einen Zugang des Platzes her, ein wildes Getöse, ein Trupp reitende Yeomanry, die aus der aristokratischen Bourgeoisie gebildete Stadt-Soldateska, sprengt mit verhängten Zügeln in die wehrlose Menge, die Säbel schwingend und rechts und links Alles niedermetzelnd, bis der Platz von Lebenden gereinigt. Das Volk nannte dieses Gemetzel auf dem Petersfelde, das Peterloo-Massakre, als Anspielung auf die kurz vorhergegangene Schlacht von Waterloo. Die schrecklichste Wuth bemächtigte sich der Menge nach diesem Ereignisse und wenn das Gouvernement bisher mit der hohen Mittelklasse Hand in Hand gegangen war, so mußte es jetzt erst recht zu energischen Maßregeln greifen um die Agitation der Reformer auf's Neue zu unterdrücken. Männer wie Sidmouth, Canning und Castlereagh, welchen letztern Byron in seinem Don Juan „den Halspulsader abschneidenden Castlereagh“ oder „die Blut- und Spautze-Spritze“ nannte, liehen natürlich ihre Hände zu Allem, was die Brutalität der Mittelklasse forderte; vergebens zuckte Thistlewood den Dolch auf die Lords in Horrowby Haus ‒ ehe sein Kopf auf dem Schaffote fiel, erklärte er, das Massakre auf dem Petersfelde habe rächen zu wollen. Eine wahre Schreckenszeit begann jetzt für die Reform-Partei. Sir Francis Burdett hatte genug zu thun, um sich die Hände frei zu halten; Cobbett flüchtete nach Amerika, Hunt, in Untersuchungen verwickelt, konnte sich nur von Zeit zu Zeit sehen lassen. Fast während zwei Jahren blieb die Habeas-Corpus-Akte aufgehoben; gehetztem Wilde gleich, jagten die Leiter der Reformer von einem Orte zum andern und wenn ihre Agitation auch nie ganz aufhörte, so hatten sie doch viel von ihrem Einfluß auf eine Bevölkerung verloren, die durch den Verrath der Mittelklasse hoffnungslos in ihrem Elende zu vergehen schien. Da kam die Revolution von 1830 und erschütterte Europa bis in seinen letzten Winkel. (Schluß des ersten Artikels folgt.) * Dublin, 28 Juni. Die sterblichen Ueberreste Tom Steele's wurden gestern auf dem Dämpfer Cornwall hierher gebracht und in der „Versöhnungshalle“ niedergelegt. Sie bleiben dort so lange, bis die Vorbereitungen zu einem feierlichen Begräbniß getroffen sind. Tom Steele starb im Elend; mit der Hälfte des Geldes, das man jetzt für den Todten verwenden wird, hätte der Lebende seine Tage sorgenlos beschließen können. Donaufürstenthümer. Bukarest, 15. Juni. Wir befinden uns hier in einer erwartungsvollen Lage, die nichts Gutes zu verheißen scheint. Rußlands Bestreben enthüllt sich mehr und mehr dahin, das Land völlig von der türkischen Oberherrschaft loszuziehen und sich zinsbar zu machen. Vorläufig sucht man den Fürsten und die Nation dahin zu bewegen, daß wegen der Dringlichkeit der politischen Zustände eine russische Besatzung herbeigerufen werde. Eine derartige in Umlauf gesetzte Bittschrift zählt auch bereits zahlreiche Unterschriften. Inzwischen zögert und mißtraut Bibesko und sucht dieser Gefahr durch Errichtung eines freiwilligen Corps im Lande vorzubeugen. Auch die Bojaren zeigen sich wenig geneigt, den Einflüsterungen des russischen Generals Duchamel Gehör zu geben. Die beabsichtigte Zusammenberufung der Stände macht leider die immer mehr überhand nehmende Cholera unmöglich. Man weiß in unserer Stadt die Zahl der Todten und Erkrankten nicht mehr. Viele Menschen sterben auf den Straßen während der Behandlung der Aerzte. Auch in Braila wüthet die Krankheit neuerdings stärker. ‒ In Jassy scheinen wichtige Ereignisse vorgegangen zu sein oder sich vorzubereiten. Die moldauischen Zeitungen sind mehrere Tage hier ausgeblieben, und der russische Konsul hat sich eiligst nach jener Hauptstadt verfügt. Die Privatnachrichten widersprechen sich zum Theil. Es heißt, der Fürst Sturdza habe sich nach Rußland geflüchtet oder auf die Regierung Verzicht geleistet, nachdem ihn der hohe Klerus in den Bann gesetzt. Gewiß ist, daß derselbe vor 14 Jahren nicht mehr als 12,000 Dukaten jährliches Einkommen hatte, während dasselbe durch Wucher und Erpressungen aller Art nun auf 200,000 Dukaten gestiegen ist. An unseren südlichen Ufern der Donau bereitet sich eine ernste Zukunft vor; möge dies von Deutschland und namentlich Oesterreich nicht unbeachtet bleiben. (A. O. Z.) Afrika. Algier, 20. Juni. Achmet-Bey, der ehemalige Beherrscher von Konstantine, der stete Feind Frankreichs, hat sich unterworfen. Die „Afrique Francaise“ berichtet über dies für Algerien wichtige Ereigniß wie folgt: Die Kolonne des Obersten Canrobert, welche das schwierige, in den kalten, regnerischen Tagen vom Ende Mai doppelt mühselige Geschäft hatte, in den Gebirgen der Aurés, diesem äußersten Theile von Algerien, die Steuern zu erheben, erfuhr, nachdem sie die Landschaft nach allen Richtungen durchzogen hatte, daß der alte Achmet-Bey sich in die Berge an der Gränze der Wüste zurückgezogen habe, daß er dort die Bevölkerung zum Aufstand zu bewegen suche und beständig mit Konstantine unserer Besitzung feindliche Verbindungen unterhalte. Oberst Canrobert, obgleich mehrere Tagemärsche von dem muthmaßlichen Aufenthalt des Ex-Bey entfernt, beschloß einen Handstreich auszuführen, um sich unseres unermüdlichen Feindes zu bemächtigen. Er trennte seine Kolonne, ließ den einen Theil mit dem Gepäck, den Lebensmitteln und Feldlazarethen in einem Thale des Oued-Abdi zurück und rückte mit dem andern, der aus Kavallerie und nur 400 Mann auserlesener Infanterie bestand, am 4. Juni in Eilmärschen, unter den größten Schwierigkeiten, mit Uebersteigung von Felsen und Bergen, die noch von Schnee bedeckt waren, auf sein Ziel los. Am 3. Morgens, nachdem die ganze Nacht marschirt worden, erschien, während die Kolonne am Oued-el-Abied einen Augenblick Rast machte, ein Abgesandter Achmets bei dem Obersten, um ihn zu benachrichtigen, daß der Bey, der wisse daß er im Rücken von unserm Goum abgeschnitten sei und unsrer Kolonne nicht mehr entgehen könne, bereit sei sich Frankreich zu unterwerfen und nach Europa zu gehen, um dort in Frieden zu leben. Zu spät. ‒ Unser Goum setzte seinen Marsch fort und nahm ihn mit seinem Zelt, Waffen und Bagage gefangen. Dies geschah im Dorfe Kebech, im Augenblick der Ankunft der französischen Kolonne. Von dort führte ihn die Kolonne mit sich, die am 7. in Biskara eintraf, nachdem sie von neuem und fast gleichzeitig Kälte und Hitze im höchsten Grade ausgestanden hatte. Die eingebornen Plänkler haben mehrere Menschen verloren, aber unsre Infanterie hat keinen Verlust zu beklagen und vollzählig, obwohl mehr oder minder erkrankt, Biskara erreicht. Hier wurde mehrere Tage Rast gemacht, und am 15. sollte der Oberst in Bathea, dem augenblicklichen Hauptquartier eintreffen. Biskara liegt mitten in der Wüste; es ist eine ungeheure Palmenoase, die Zahl der Palmbäume soll sich auf mehr als hunderttausend belaufen, sie werden mittelst Kanälen, die besonders zu diesem Zwecke angelegt sind, vollständig bewässert. Hohes Staatsministerium! Einem hohen Staatsministerium bin ich nothgedrungen, Folgendes ehrerbietigst vorzutragen: In meiner Abwesenheit am 22. Mai a. c. erschien der Lieutenant Petersdorf mit einer Abtheilung der 3. Kompagnie 14. Linien-Infanterie-Regiments und der Gensd'arm Waschmannsdorf aus Gollancz, und hielten bei mir wegen Waffen Haussuchung ab, wobei dieselben meine letzte Waffe, ein Jagdgewehr, in Beschlag genommen: hierbei hat sich der etc. Petersdorf anständig und dem Zwecke gemäß, benommen. Ich war nun gewiß, daß der Art Haussuchung bei mir nicht mehr stattfinden würde, hatte mich hierin aber getäuscht. Denn am 27. desselben Monats Morgens 5 Uhr ‒ wo ich nur grade mit einem Schlafrocke bekleidet war ‒ traf der Premier-Lieutenant Liebach mit der 11. Kompagnie 14. Landw.-Reg. und der Lieutenant Schmidt mit einem Zuge des 4. Ulanen-Reg., wobei sich noch der Gensd'arm Schulz befand, aus Chodziesen hier ein. Außerdem hatte sich diesem Zuge noch mit angeschlossen, der Kommunalbote des königlichen Distriktskommissarius aus Margonin, Namens Klatt, welche Letztere sich bei der zweiten Haussuchung als Häscher besonders auszeichneten. Bei ihrem Erscheinen eröffnete ich denselben, daß bei mir bereits wegen Waffen eine Haussuchung stattgefunden habe, und versicherte auf meine Ehre, daß ich keine Waffe mehr besitze, überhaupt bei keinem Aufstande betheiligt gewesen und stets mich ruhig verhalten hätte. Ganz besonders hob ich noch hervor, daß in dieser Gegend keine Konflikte vorgekommen wären. Hr. etc. Liebach begnügte sich aber damit nicht, sondern beauftragte den etc. S., eine strenge Hausvisitation vorzunehmen, die dann auch mit allen Chikanen und Grausamkeiten ausgeführt wurde. Ein Keller, worin verpfändeter Spiritus unter Steuer-Verschluß lagerte, und wozu ich die vom Ober-Steuer-Kontrolleur versiegelten und bezeichneten Schlüssel dem etc. S. vorlegte, wurde, da man hierauf nicht reflektirte, durch gewaltsame Erbrechung der Thüre mittelst Aexte geöffnet, indem die qu. Schlüssel (so gab man jetzt vor) verschwunden sein sollten. Vielleicht hat Jemand gedacht, daß die mit 5 Siegeln bezeichneten Schlüssel ein Päckchen Geld seien. Die Haussuchung blieb bei der größten Strenge bei mir, mit Ausnahme einiger Kupferhütchen und zweier alten Epaulett, erfolglos. Die vorgenannten Epaulett's sind nicht mein Eigenthum, sondern gehören meinem jüngern Bruder Ignatz an, welcher die Revolution von 1830 mitgemacht und später von Sr. Majestät dem Könige begnadigt worden ist. Bei meinem Gärtner Derszikowski wurde eine Doppelflinte vorgefunden, von der ich aber nichts wußte, und wovon der eine Lauf mit Schrot Nr. 9 geladen war, bei meinem Schreiber Bokin wurden zwei Rehposten gefunden, ‒ dieses nun war das Ergebniß der so streng geführten Haussuchung. Der etc. Liebach war ins Dorf gegangen ‒ und zwar absichtlich ‒ damit die Soldateska ihre Grausamkeiten an mir ungestörter ausüben konnte. Insbesondere zeichnete sich hierbei der Ulan v. Natzmer aus. ‒ Ich wurde ergriffen und vom Hausflur in den Keller hinabgestürzt, hierauf auf eine empörende Weise maltraitirt und beschimpft; ja ich wurde mit Säbeln, Ladestöcken, Kolben und einigen Stichen mit dem Bajonette, wovon heute noch mein Schlafrock die Spuren an sich trägt, und endlich mit dem Kantschu gemißhandelt, daß dadurch mein Leben der größten Gefahr ausgesetzt wurde, welches das hierbei liegende ärztliche Attest bekundet. Während dieser Mißhandlung ließ etc. L. in hiesiger Schule mehrere meiner Komorniken und auch meinen eigenen Sohn Sigismund gegen mich vernehmen, welche durch Kolbenstöße, 25 Kantschu-, resp. Säbel- und Ladestockhiebe zur verlangten Aussage gezwungen wurden und endlich ein Protokoll, welches vom Feldwebel Herzel in deutscher Sprache aufgenommen und ihnen somit unverständlich war, unterschreiben resp. unterkreuzen mußten. Der Zufall fügte es, daß mein Schwager v. Goslinowski nebst Frau und Sohn gerade zu dieser Zeit bei mir zum Besuche waren, desgleichen auch der Brenner Grzybowski, welcher bei mir ein Unterkommen suchte, ‒ auch diese wurden sämmtlich arretirt. Nachdem dies geschehen, wurden alle meine Hofleute im Hause gemißhandelt, ich und meine Frau aus den Armen der weinenden und schreienden Kinder gerissen und als Verhaftete zum Transport nach Margonin designirt. Der Feldwebel H. erlaubte mir und meiner Frau nicht einmal ein Fuhrwerk zu benutzen, sondern wir sollten zu Fuße gehen, stieß mich noch einigemale mit seinem Gewehrgefäße in den Rücken und bediente sich des wahrlich nicht humanen Ausdrucks: „Du verfluchter polnischer Hund, warte nur, die Soldaten werden Dich schon lehren!“ Ich war also genöthigt, meinen Schwager und Schicksalsgefährten v. G. zu bitten, mich und meine Frau auf sein Kabriolet aufzunehmen, wogegen das Militär meiner sämmtlichen Wagen und Pferde auf dem Gute sich bediente, um ihre Reise nach M. zu beschleunigen, wohin auch ich, meine Frau, mein Schwager nebst Frau und Sohn, so wie auch der Brenner G. transportirt wurden. Tags darauf wurden wir nach Chodziesen gebracht. Obgleich hier am letztgenannten Orte der Stellvertreter des Landraths, Kreissecretair Vierch, der Ober-Steuer-Controlleur von Neuen und der Kaufmann und Bürger Stahl, so wie mehrere Andere sich dringend für uns verwendeten, so wurden wir dennoch nicht entlassen, sondern am andern Tage mit noch zwei andern Arrestanten und einem Wagen voll Waffen durch 2 Unteroffiziere und 5 M. Gemeine wieder nach Wongrowiec geführt. Der pfiffigen und schlauen Berechnung des etc. L. zu Folge wäre ich beinahe in W. abermals vom Militär gemißhandelt worden, indem dieses präsumirte, daß ich der rechte Anführer der Insurgenten sein müßte. In W. angekommen wurde ich vor den Obristen von Chevalerie geführt, und darauf mittelst Zwangspasses entlassen. Dieser achtbare Mann schien sich über meine erlittene Mißhandlung und Arretirung tief zu kränken, und fühlte gewiß sogleich die traurigen Folgen, wodurch immer mehr und mehr die Ehre und Zuverlässigkeit des preußischen Militärs in Frage gestellt wird. Ich bin nicht Soldat gewesen, habe mich auch bei allen Unruhen und Wirren ruhig verhalten; war in Erfüllung meiner staatsbürgerlichen Pflichten immer pünktlich, treu und gewissenhaft, habe auch in der letzten Zeit nur nach Ruhe und Ordnung in meinen Gütern gestrebt, was mir das königl. Landrathsamt in C., wie auch der Ober-Steuer-Kontrolleur v. N. daselbst, so wie auch der Steuer-Kontrolleur Schreck aus M. bezeugen können. Dieserhalb glaube ich keine Veranlassung zu einer solchen entehrenden Behandlung gegeben zu haben, und wage also an Ein hohes Staatsministerium nachstehende Fragen allerunterthänigst zu richten: 1) Wer hat die genannten Offiziere veranlaßt und ermächtigt, bei mir Hausrevision abzuhalten? 2) Warum bin ich und meine Leute durch die Soldaten so gräßlich gemißhandelt worden? 3) Weshalb wurde ich und meine Frau arretirt und vier Tage lang herumgeschleppt? 4) Weshalb wurden wir nicht in der Kreisstadt C, wo doch unsere Unschuld erwiesen, entlassen, sondern erst wieder nach W. transportirt? 5) Ist es jetzt erlaubt, daß die Soldaten jeden ruhigen Bürger mit Säbeln, Kolben, Ladestöcken, Bayonetten maltraitiren und mit dem Kantschu schlagen können? 6) Ist ein solches Verfahren wohl geeignet, um das Vertrauen der Polen gegen die Deutschen und die Liebe gegen die preußische Regierung zu erwecken und zu befestigen? und 7) Welche Satisfaktion steht mir jetzt zu Gebote und welche wird für die gehabte Mißhandlung mir gewährt werden? Ein Hohes Staatsministerium will, daß überall Gerechtigkeit gehandhabt und jeder Staatsbürger geschützt werde, dieserhalb wage ich Hochdasselbe ehrerbietigst anzugehen, eine schleunige und strenge Untersuchung gegen den etc. Liebach, Schmidt und Consorten einleiten lassen zu wollen. Damit aber meine Nachbaren Kenntniß meiner ergriffenen Schritte zur Wiedererlangung meiner tief gekränkten Ehre erhalten, so werde ich diesen meinen Vortrag in die öffentlichen Blätter aufnehmen lassen. Mit tiefster Ehrerbietung Eines etc. etc. etc. ergebenster. Jaktorowo, Kreis Chodziesen, Reg.-Bezirk Bromberg, den 22. Juni 1848. Der Herr Gutspächter von Seredynski aus Jaktorowo ist von mir heute ärztlich untersucht worden und habe ich gefunden, daß die ganze Fläche des Rückens auf beiden Schulterblättern mit zolldicken blutigen Sugillationen bedeckt ist, eben so ein großer Theil der äußern Fläche der Oberarme. Es sind diese bedeutenden Verletzungen offenbar durch heftige andauernde Mißhandlungen mittelst harter aber stumpfer Instrumente hervorgebracht worden. Es befindet sich außerdem eine bereits verharschte Stichwunde an dem obern Theil des hintern Randes des linken Schulterblattes, welche indessen nicht in die Tiefe zu gehen scheint. Eine fieberhafte Reaktion des Organismus auf die vorhandenen Verletzungen ist bis jetzt nicht eingetreten, und ist dies wahrscheinlich nur der robusten Konstitution des Verletzten zuzuschreiben. ‒ Dies Vorstehende bescheinige meinem besten Wissen gemäß. Wongrowiec, den 29. Mai 1848. (L. S.) gez. Dr. Gall. (Hierzu eine Beilage.) Der Gerant, Korff. Druck von W. Clouth, St. Agatha Nro. 12.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz034_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz034_1848/4
Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 34. Köln, 4. Juli 1848, S. 0170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz034_1848/4>, abgerufen am 23.11.2024.