Neue Rheinische Zeitung. Nr. 41. Köln, 11. Juli 1848.Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No. 41. Köln, Dienstag 11. Juli 1848.Die "Neue Rheinische Zeitung" erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an. Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr G. A. Alexander, Nr. 28, Brandgasse in Straßburg, und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die HH. J. J. Ewer & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich. Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung. Deutschland.
* Köln, 10. Juli. Gestern sind eilf Setzer unserer Zeitung und Herr Clouth als Zeugen vorgeladen worden, Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. ** Köln, 9. Juli. Welch ein dringend nothwendiger Akt der Gerechtigkeit gegen die Polen, die Ernennung einer Untersuchungs-Kommission mit unbedingter Vollmacht ist, geht aus dem Bericht hervor, den wir seit drei Tagen angefangen haben, nach authentischen Aktenstücken zu geben. Die altpreußischen Beamten, schon von vorn herein in einer feindlichen Stellung gegen die Polen, sahen sich durch die Reorganisations-Verheißungen in ihrer Existenz bedroht. Der kleinste Akt der Gerechtigkeit gegen die Polen brachte ihnen Gefahr. Daher die fanatische Wuth, womit sie, unterstützt von der losgelassenen Soldateska, über die Polen herfielen, die Konventionen brachen, die harmlosesten Leute mißhandelten, die größten Schändlichkeiten durchgehen ließen oder sanktionirten, nur um die Polen zu einem Kampfe zu zwingen, in dem ihre Erdrückung durch die kolossalste Uebermacht gewiß war. Das Ministerium Camphausen, nicht nur schwach, rathlos, schlecht berichtet, sondern sogar absichtlich, aus Prinzip unthätig, ließ Alles gehen, wie es ging. Die schauderhaftesten Barbareien geschahen, und Herr Camphausen rührte sich nicht. Welche Berichte liegen jetzt vor über den posen'schen Bürgerkrieg? Hier die partheiischen, interessirten Berichte der Urheber des Kriegs, der Beamten, der Offiziere, und die auf Beide gestützten Data, die das Ministerium geben kann. Das Ministerium ist ebenfalls selbst Partei, so lange Herr Hansemann darin sitzt. Diese Aktenstücke sind parteiisch, aber sie sind offiziell. Dort die von den Polen gesammelten Thatsachen, ihre Klagschriften ans Ministerium, namentlich die Briefe des Erzbischofs Przyluski an die Minister. Diese Aktenstücke haben meist keinen offiziellen Charakter, ihre Verfasser erbieten sich aber zum Beweise der Wahrheit. Die beiden Klassen von Berichten widersprechen einander total, und die Kommission soll untersuchen, welche Seite Recht hat. Sie kann - wenige Ausnahmsfälle abgerechnet - dies nur dadurch thun, daß sie sich an Ort und Stelle begibt und durch Zeugenverhör wenigstens die wichtigsten Punkte ins Klare bringt. Wird ihr dies untersagt, so ist ihre ganze Thätigkeit illusorisch, so mag sie eine gewisse historisch-philologische Kritik üben, den einen oder den andern Bericht für glaubwürdiger erklären, aber entscheiden kann sie nicht. Die ganze Bedeutung der Kommission hängt also von der Befugniß ab, Zeugen zu verhören, und daher der Eifer sämmtlicher Polenfresser in der Versammlung, sie durch allerlei tiefsinnige und spitzfindige Gründe zu beseitigen, daher der Staatsstreich am Schluß der Sitzung. Der Abg. Bloem sagte in der Debatte des 4.: "Heißt es Wahrheit erforschen, wenn man, wie einige Amendements wollen, aus den Regierungsvorlagen die Wahrheit schöpfen will? Wahrlich mit Nichten! Woraus sind die Regierungsvorlagen entstanden? Aus den Berichten der Beamten größtentheils. Woraus sind die Beamten hervorgegangen? Aus dem alten System. Sind diese Beamten verschwunden, hat man aus neuer, volksthümlicher Wahl neue Landräthe eingesetzt? Keineswegs. Werden wir von den Beamten über die wahre Stimmung unterrichtet? Die alten Beamten berichten noch heute wie früher. Es ist also klar, die bloße Einsicht der Ministerialakten wird uns zu Nichts führen." Der Abg. Richter geht noch weiter. Er sieht in dem Benehmen der Posener Beamten nur die äußerste, aber nothwendige Folge der Beibehaltung des alten Verwaltungssystems und der alten Beamten überhaupt. Aehnliche Konflikte zwischen der Amtspflicht und dem Interesse der alten Beamten können alle Tage auch in andern Provinzen vorkommen. "Wir haben seit der Revolution ein anderes Ministerium und sogar ein zweites erhalten; aber das Ministerium ist ja nur die Seele, es hat überall gleichmäßig zu organisiren. Dagegen in den Provinzen ist überall die alte Organisation der Verwaltung dieselbe geblieben. Wollen Sie ein anderes Bild haben? Man gießt nicht den neuen Wein in alte verrottete Schläuche. Auf diese Art haben wir im Großherzogthum die furchtbarsten Klagen. Sollten wir nicht schon deßwegen eine Kommission niedersetzen, daß man sehe, wie sehr es nöthig ist, in andern Provinzen eben so gut wie in Posen, die alte Organisation durch eine neue zu ersetzen, die für Zeit und Umstände paßt?" Der Abg. Richter hat Recht. Nach einer Revolution ist eine Erneuerung sämmtlicher Civil- und Militärbeamten, sowie eines Theils der gerichtlichen, und besonders der Parquet's, die erste Nothwendigkeit. Sonst scheitern die besten Maßregeln der Centralgewalt an der Widerhaarigkeit der Subalternen. Die Schwäche der französischen provisorischen Regierung, die Schwäche des Ministeriums Camphausen haben in dieser Beziehung bittere Früchte getragen. In Preußen aber, wo eine seit vierzig Jahren vollständig organisirte büreaukratische Hierarchie in der Verwaltung und im Militär mit absoluter Gewalt geherrscht hat, in Preußen, wo gerade diese Büreaukratie der Hauptfeind war, den man am 19. März besiegt hatte, hier war die vollständige Erneuerung der Civil- und Militärbeamten noch unendlich dringender. Aber das Ministerium der Vermittlung hatte natürlich nicht den Beruf, revolutionäre Nothwendigkeiten durchzuführen. Es hatte eingestandnermaßen den Beruf, gar nichts zu thun, und ließ daher seinen alten Gegnern, den Büreaukraten, einstweilen die wirkliche Macht in den Händen. Es "vermittelte" die alte Büreaukratie mit den neuen Zuständen; dafür "vermittelte" die Büreaukratie ihm den Posen'schen Bürgerkrieg und die Verantwortlichkeit für Grausamkeiten, wie sie seit dem 30jährigen Kriege nicht mehr vorgekommen waren. Das Ministerium Hansemann, Erbe des Ministeriums Camphausen, hatte sämmtliche Aktiva und Passiva seines Erblassers übernehmen müssen, also nicht nur die Majorität in der Kammer, sondern auch die Posen'schen Ereignisse und die Posen'schen Beamten. Das Ministerium war also direkt interessirt, die Untersuchung durch die Kommission so illusorisch wie möglich zu machen. Die Redner der ministeriellen Majorität und namentlich die Juristen, wandten ihren ganzen Vorrath von Kasuistik und Spitzfindigkeit an, um einen tiefsinnigen, prinzipiellen Grund zu entdecken, weßhalb die Kommission keine Zeugen verhören dürfe. Es würde zu weit führen, wollten wir uns hier auf die Bewunderung der Jurisprudenz eines Reichensperger u. s. w. einlassen. Wir müssen uns darauf beschränken, die gründliche Erörterung des Herrn Ministers Kühlwetter an's Tageslicht hervorzuziehen. Hr. Kühlwetter, die materielle Frage gänzlich bei Seite lassend, beginnt mit der Erklärung wie äußerst angenehm es dem Ministerium sein werde, wenn solche Kommissionen ihm in Erfüllung seiner schweren Aufgabe durch Aufklärungen etc. zur Hand gingen. Ja, hätte Hr. Reuter nicht den glücklichen Einfall gehabt, eine solche Kommission vorzuschlagen, so würde Hr. Kühlwetter unbedingt selbst darauf gedrungen haben. Man möge der Kommission nur recht weitläuftige Aufträge geben (damit sie nie fertig werde), er sei damit einverstanden, daß eine ängstliche Abwägung durchaus nicht erforderlich sei. Sie möge die ganze Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Provinz Posen in den Bereich ihrer Wirksamkeit ziehen; sofern es sich nur um Aufklärungen handle, werde das Ministerium die Kompetenz der Kommission nicht ängstlich prüfen. Freilich könne man zu weit gehen, doch überlasse er es der Weisheit der Kommission, ob sie z. B. auch die Frage wegen Absetzung der posenschen Beamten in ihren Bereich ziehen wolle. Soweit die einleitenden Konzessionen des Herrn Ministers, die mit einigen biedermännischen Deklamationen verbrämt, sich mehrerer lebhaften Bravos zu erfreuen hatten. Jetzt folgen die Aber. "Wenn aber bemerkt worden ist, daß die Berichte über Posen unmöglich ein richtiges Licht verbreiten könnten, weil es nur Beamte seien und zwar Beamte aus der alten Zeit, halte ich es für meine Pflicht, einen ehrenwerthen Stand in Schutz zu nehmen. Ist es wahr, daß einzelne Beamte ihrer Pflicht nicht getreu gewesen sind, so ahnde man dies an den einzelnen Pflichtvergessenen, aber der Stand der Beamten darf niemals herabgewürdigt werden, weil einzelne Glieder desselben ihre Pflicht verletzt haben." Wie kühn Hr. Kühlwetter auftritt! Allerdings haben einzelne Pflichtverletzungen stattgefunden, aber im Ganzen haben die Beamten ihre Pflicht in ehrenwerther Weise gethan. Und in der That, die Masse der posenschen Beamten hat ihre "Pflicht" gethan, ihre "Pflicht gegen ihren Diensteid", gegen das ganze altpreußische System der Büreaukratie, gegen ihr eignes, mit dieser Pflicht zusammenfallendes Interesse. Sie haben ihre Pflicht erfüllt, indem ihnen jedes Mittel gut war, um den 19. März in Posen zu vernichten. Und gerade deßwegen, Hr. Kühlwetter, ist es Ihre "Pflicht", diese Beamten in Masse abzusetzen! Aber Herr Kühlwetter spricht von der, durch die vorrevolutionären Gesetze bestimmten Pflicht, da wo es sich von einer ganz andern Pflicht handelt, die nach jeder Revolution eintritt, und die darin besteht, die veränderten Verhältnisse richtig aufzufassen und ihre Entwicklung zu befördern. Und den Beamten zumuthen, sie sollen den büreaukratischen Standpunkt mit dem konstitutionellen vertauschen, sie sollen sich eben so gut wie die neuen Minister auf den Boden der Revolution stellen, das heißt nach Hrn. Kühlwetter einen ehrenwerthen Stand herabwürdigen! Auch den Vorwurf, es seien Parteihäupter begünstigt und Verbrechen ungestraft geblieben, weist Hr. Kühlwetter in dieser Allgemeinheit zurück. Man soll einzelne Fälle angeben. Behauptet Hr. Kühlwetter etwa alles Ernstes, auch nur ein kleiner Theil der Brutalitäten und Grausamkeiten sei bestraft worden, die die preußische Soldateska verübt, die die Beamten zugelassen und unterstützt, denen die Deutschpolen und Juden Beifall zugejubelt haben? Herr Kühlwetter sagt, er habe bisher das kolossale Material noch nicht von allen Seiten prüfen können. In der That, er scheint es höchstens nach einer Seite hin geprüft zu haben. Jetzt aber kommt Herr Kühlwetter zu der "schwierigsten und bedenklichsten Frage", nämlich der: in welchen Formen die Kommission verhandeln solle. Herr Kühlwetter hätte diese Frage gründlicher diskutirt gewünscht, denn "es liegt in dieser Frage, wie mit Recht bemerkt worden, eine Prinzipienfrage, die Frage des droit d'enquete." Herr Kühlwetter beglückt uns nun mit einer längeren Entwicklung über die Theilung der Gewalten im Staat, die gewiß manches Neue für die oberschlesischen und pommerschen Bauern in der Versammlung enthielt. Es macht einen merkwürdigen Eindruck, im Jahre des Heils 1848 einen preußischen Minister, und noch dazu einen "Minister der That", auf der Tribüne mit feierlichem Ernst den Montesquieu auslegen zu hören. Die Theilung der Gewalten, die Herr Kühlwetter und andre große Staatsphilosophen als ein heiliges und unverletzliches Prinzip mit der tiefsten Ehrfurcht betrachten, ist im Grunde nichts anders als die profane industrielle Theilung der Arbeit, zur Vereinfachung und Kontrolle angewandt auf den Staatsmechanismus. Sie wird, wie alle andern heiligen, ewigen und unverletzlichen Prinzipien, nur soweit angewandt, als sie gerade den bestehenden Verhältnissen zusagt. So laufen in der konstitutionellen Monarchie z. B. die gesetzgebende und vollziehende Gewalt in der Person des Fürsten durcheinander; ferner in den Kammern die gesetzgebende Gewalt mit der Kontrolle über die vollziehende u. s. w. Diese unentbehrlichen Beschränkungen der Theilung der Arbeit im Staat drücken nun Staatsweise von der Force eines "Ministers der That" folgendermaßen aus: "Die gesetzgebende Gewalt, soweit dieselbe durch die Volksrepräsentation ausgeübt wird, hat ihre eignen Organe; die vollziehende Gewalt hat ihre eignen Organe, und nicht minder die richterliche Gewalt. Es ist daher (!) nicht zulässig, daß die eine Gewalt direkt die Organe der andern Gewalt in Anspruch nehme, es sei denn, daß es ihr durch ein besonderes Gesetz übertragen werde." Die Abweichung von der Theilung der Gewalten ist nicht zulässig, "es sei denn, daß sie durch ein besondres Gesetz" vorgeschrieben sei! Und umgekehrt, die Anwendung der vorgeschriebenen Theilung der Gewalten ist ebenfalls nicht zulässig, "es sei denn, daß sie durch besondere Gesetze" "vorgeschrieben" sei! Welcher Tiefsinn! Welche Aufschlüsse! Von dem Fall einer Revolution, wo die Theilung der Gewalten ohne "ein besonderes Gesetz" aufhört, spricht Herr Kühlwetter gar nicht. Herr Kühlwetter ergeht sich nun in eine Erörterung darüber, daß die Vollmacht für die Kommission, Zeugen eidlich zu vernehmen, Beamte zu requiriren u. s. w., kurz mit eignen Augen zu sehen, ein Eingriff in die Theilung der Gewalten sei und durch ein besonderes Gesetz festgestellt werden müsse. Als Beispiel wird die belgische Konstitution beigebracht, deren Artikel_40 das droit d'enquete den Kammern ausdrücklich giebt. Aber, Herr Kühlwetter, besteht denn in Preußen gesetzlich und thatsächlich eine Theilung der Gewalten in dem Sinn, in welchem Sie das Wort verstehen, in konstitutionellem Sinn? Ist die existirende Theilung der Gewalten nicht die beschränkte, zugestutzte, die der absoluten, der bureaukratischen Monarchie entspricht? Wie kann man also konstitutionelle Phrasen auf sie anwenden, ehe sie konstitutionell reformirt ist? Wie können die Preußen einen Art. 40 der Konstitution haben, so lange diese Konstitution selbst noch gar nicht existirt? Resümiren wir. Nach Hrn. Kühlwetter ist die Ernennung einer Kommission mit unbeschränkter Vollmacht ein Eingriff in die konstitutionelle Theilung der Gewalten. Die konstitutionelle Theilung der Gewalten besteht in Preußen noch gar nicht; man kann also auch keinen Eingriff in sie thun. Aber sie soll eingeführt werden, und während des revolutionären Provisoriums, in dem wir leben, muß sie, nach der Ansicht des Hrn. Kühlwetter, als schon bestehend vorausgesetzt werden. Hätte Herr Kühlwetter Recht, so müßten doch wahrlich auch die konstitutionellen Ausnahmen als bestehend vorausgesetzt werden! Und zu diesen konstitutionellen Ausnahmen gehört ja gerade das Untersuchungsrecht der gesetzgebenden Körper! Aber Herr Kühlwetter hat keineswegs Recht. Im Gegentheil: das revolutionäre Provisorium besteht gerade darin, daß die Theilung der Gewalten provisorisch aufgehoben ist, daß die gesetzgebende Behörde die Exekutivgewalt oder die Exekutivbehörde die gesetzgebende Gewalt momentan an sich reißt. Ob die revolutionäre Diktatur (sie ist eine Diktatur, mag sie noch so schlaff geübt werden) sich in den Händen der Krone oder einer Versammlung oder Beider zusammen befindet, ist ganz gleichgültig. Will Herr Kühlwetter Beispiele aller drei Fälle, die französische Geschichte seit 1789 liefert die Menge. Das Provisorium, an das Herr Kühlwetter appellirt, beweist gerade gegen ihn. Es gibt der Versammlung noch ganz andere Attribute, als das bloße Untersuchungsrecht - es gibt ihr sogar das Recht, sich nöthigenfalls in einen Gerichtshof zu verwandeln und ohne Gesetze zu verurtheilen! Hätte Herr Kühlwetter diese Konsequenzen vorausgesehen, er wäre vielleicht etwas vorsichtiger mit der "Anerkennung der Revolution" umgegangen. Aber er beruhige sich: Deutschland, die fromme Kinderstube, und die Herren Vereinbarer mögen sitzen so lange sie wollen, sie werden nie ein "langes Parlament" werden.Ist keine römische Mördergrube, Wenn wir übrigens den Amtsdoktrinär des Ministeriums der That mit seinem Vorgänger in der Doktrin, Hrn. Camphausen, vergleichen, so finden wir doch einen bedeutenden Abstand. Herr Camphausen besaß jedenfalls unendlich mehr Originalität; er streifte an Guizot, aber Herr Kühlwetter erreicht nicht einmal den winzigen Lord John Russell. Wir haben die staatsphilosophische Fülle der Kühlwetter'schen Rede genugsam bewundert. Betrachten wir jetzt den Zweck, den eigentlichen praktischen Grund dieser bemoosten Weisheit, dieser ganzen Montesquieu'schen Theilungstheorie. Herr Kühlwetter kommt nämlich jetzt zu den Konsequenzen seiner Theorie. Das Ministerium ist ausnahmsweise geneigt, die Behörden anzuweisen, dasjenige auszuführen, was die Kommission für nöthig findet. Nur dagegen muß es sich erklären, daß Aufträge an die Behörden direkt von der Kommission ausgehen. D. h. die Kommission, ohne direkte Verbindung mit den Behörden, ohne Macht über sie, kann sie nicht zwingen, ihr andere Auskunft zu schaffen, als die die Behörden zu geben für gut finden. Und dazu noch der schleppende Geschäftsgang, der endlose Instanzenzug! Ein hübsches Mittel, unter dem Vorwande der Theilung der Gewalten die Kommission illusorisch zu machen! "Es kann die Absicht nicht sein, der Kommission die ganze Aufgabe zu übertragen, welche die Regierung hat, als ob Jemand daran dächte, der Kommission das Recht zum Regieren zu geben!" "Die Regierung würde neben der Kommission zu ermitteln fortfahren müssen, welche Ursachen der Entzweiung in Posen zu Grunde gelegen (eben daß sie schon so lange "ermittelt" und noch nichts ausgemittelt hat, ist Grund genug sie jetzt ganz außer Frage zu lassen) und dadurch daß auf doppeltem Weg dieser Zweck verfolgt wird, dürfte Zeit und Mühe oft unnütz verwendet und dürften Kollisionen kaum zu vermeiden sein." Nach den bisherigen Antecedentien würde die Kommission gewiß sehr viel "Zeit und Mühe unnütz verwenden", wenn sie sich auf Hrn. Kühlwetters Vorschlag mit dem langwierigen Instanzenzuge einließ. Die Kollisionen sind auf diesem Wege ebenfalls viel leichter, als wenn die Kommission direkt mit den Behörden verkehrt und sofort Mißverständnisse aufklären, büreaukratische Trotzgelüste niederschlagen kann. "Es scheint daher (!) in der Natur der Sache zu liegen, daß die Kommission im Einverständniß mit dem Ministerium und unter steter Mitwirkung desselben den Zweck zu erreichen suche." Immer besser! Eine Kommission die das Ministerium kontrolliren soll, im Einverständniß mit ihm und unter seiner steten Mitwirkung! Hr. Kühlwetter genirt sich nicht, merken zu lassen, wie er es für wünschenswerth hält, daß die Kommission unter seiner Kontrolle, nicht er unter der ihrigen stehe. "Wollte dagegen die Kommission eine isolirte Stellung einnehmen, so müßte die Frage entstehen, ob da die Kommission die Verantwortlichkeit übernehmen will und kann, welche dem Ministerium obliegt. Mit eben so viel Wahrheit als Geist ist bereits die Bemerkung gemacht worden, daß die Unverletztlichkeit der Deputirten mit dieser Verantwortlichkeit nicht vereinbarlich ist." Es handelt sich nicht um Verwaltung, sondern bloß um Feststellung von Thatsachen. Die Kommission soll die Vollmacht erhalten, die dazu nöthigen Mittel anzuwenden. Das ist Alles. Daß sie sowohl wegen nachlässiger, wie wegen übertriebener Anwendung dieser Mittel der Versammlung verantwortlich ist, versteht sich von selbst. Die ganze Sache hat mit ministerieller Verantwortlichkeit und Deputirten-Unverantwortlichkeit eben so wenig zu thun wie mit "Wahrheit" und "Geist". Genug, Herr Kühlwetter legte diese Vorschläge zur Lösung der Kollision, unter dem Vorwand der Theilung der Gewalten den Vereinbarern ans Herz, ohne indeß einen bestimmten Vorschlag zu machen. Das Ministerium der That fühlt sich auf unsicherm Boden. Wir können auf die weitere Diskussion nicht eingehen. Die Abstimmungen sind bekannt: die Niederlage der Regierung bei der namentlichen Abstimmung, der Staatsstreich der Rechten, die eine bereits verworfene Frage nachträglich noch annahm. Wir haben dies Alles schon gegeben. Wir fügen nur hinzu, daß unter den Rheinländern, die gegen die unbedingte Vollmacht der Kommission stimmten, uns folgende Namen auffallen: Arntz Dr. Jur., Bauerband, Frencken, Lensing, v. Loe, Reichensperger II., Simons, und der letzte aber nicht der geringste, unser Oberprokurator Zweiffel. Russisches Militär. (Fortsetzung.) Ganz anders ist es freilich mit der Garde. Wenn man sie zuerst bei einer Revue sieht, da flößt sie fast Respekt ein; bekam man auch anderorts weit schönere Regimenter zu Gesichte, so kann man doch nicht leugnen, daß man selten so gut aussehende Truppen in solcher Masse beieinander fand. Die kaiserliche Garde, die immer die Marotte der russischen Souveräne und namentlich die des Kaisers Nicolaus und seines Bruders Michael war, besteht aus 41,000 Mann Infanterie, aus Artillerie und aus 15,000 Mann Kavallerie; nimmt man noch die Regimenter der jungen Garde und der Grenadiere hinzu, so mag sie zusammen an 120,000 Mann stark sein. Die Garden, die Elite der Armee, haben alle wenigstens 5 Fuß 11 Zoll. Beim ersten Anblick ist man frappirt von ihrem düstern Aeußern und von der außerordentlichen Aehnlichkeit der verschiedenen Individuen. Unter diesen Tausenden von Menschen findet man kaum einen einzigen Mann, der nicht für den Bruder seines Nachbars gelten könnte; es ist, als ob sie laut einem Ukas alle nach demselben Modell fabrizirt worden wären; die Präzision, die Gleichheit ihrer Haltung und ihres Anzuges machen den einen Soldaten zum Bilde des andern; der Grund dieser scheinbaren Aehnlichkeit liegt theilweise in dem wirklich traurig und finstern Aussehn sämmtlicher Personen so wie namentlich in dem gleichen Schnitt der Bärte, die nach einem Befehl des Kaisers der eine wie der andere kohlschwarz gefärbt werden. Unter den Waffen haben die Soldaten der Garde etwas sehr Imposantes. Von hoher Statur, militärischer Haltung, geschmackvoll gekleidet, in eine Uniform, die kunstreich zugeschnitten und die man jedem Manne eigens anpaßte, wären sie würdig, aus den Händen eines benachbarten Monarchen hervorgegangen zu sein, von dem der Kaiser Alexander einst sagte, daß das Schicksal, indem es ihm eine Krone gab, einen bewunderungswürdigen Schneidermeister verdorben habe. Nichts destoweniger liegt etwas burleskes in der Art und Weise, wie man die Tournüre der Soldaten zu vervollkommnen suchte; die Hosen schnüren dergestalt den Leib zu, daß der Magen, namentlich bei Leuten, die eine enorme Quantität Schwarzbrod verzehren, in der ungraziösesten Weise zum Vorschein kommt. Nach der Revue, wenn der Soldat die Waffen niederlegte, ist es wahrhaft zum Erstaunen, zu welch' einer miserablen Kreatur er hinabschwindet, wie sehr er mager ist, engbrüstig und ungelenk, wie die Kraft der Muskeln und die Elasticität der Glieder diesem großen, an den Leib eines früh aufgeschossenen Schülers erinnernden Körper fehlen, wie wenig er von dem gesunden Aussehen, von jenen athletischen Formen, und jenen martialischen Proportionen z. B. unsrer (der englischen) Garden hat. Mit einem Worte, wenn man diese ganze scheinbar prächtige Armee, - denn die in Petersburg liegende Garde macht allein eine Armee aus, - mit Aufmerksamkeit betrachtet, so überzeugt man sich bald davon, daß sie weniger deswirklichen Nutzens als der Parade wegen gebildet wurde. Bei der Parade bietet die kaiserliche Garde indeß wirklich einen sehr schönen Anblick. Die Infanterie-Regimenter mit der scharlachrothen Brust der Uniformen, und den hohen, schweren Czakos, die, von einer langen, schwarzen Feder überweht, einen jeden Soldat um eine halbe Manneslänge größer erscheinen lassen, marschiren mit einem untadelhaften ensemble, wenn ihre unabsehbaren Kolonnen vorüber wallen. Dann die Grenadiere der Garde, in weißen Uniformen und golden und schwarzen Kürassen; dann die reitende Garde, die "Gatschina", in blau und weiß gekleidet, ebenfalls in Kürassen und auf dem Haupt einen Helm; die Garde-Dragoner, die Lanciers und die Husaren mit ihren rothen Uniformen und grauen Pferden; endlich die Kosacken-Regimenter, in Blau- und Scharlachkleidern, mit ihren langen Lanzen, deren bemalte Schäfte sich gleich Purpurwäldern über ihre Reihen erheben. - Die Kavallerie-Regimenter haben alle mehr als zwölfhundert Mann, und jedes Regiment besteigt nur Pferde derselben Farbe, schwarz, braun, grau oder nußfarben. Nach ihnen kommt die Artillerie. Die Pontonniers folgen in kompakter Masse. Die Munitionswägen tragen die kaiserliche, die hellgrüne Farbe. Die Pferde dieses Theils der Garde sind vollkommen für ihren Dienst dressirt. Das Defile schließt mit den vier Eskadronen des mahomedanischen Regiments, bestehend aus Cirkassiern, Kurden, Türken und andern um die kaukasischen Alpen wohnenden Stämmen, aus Exilirten, Avantüriers aller Länder, aus Renegaten und Geißeln. Die Kostüme jeder Eskadron variiren, alle sind indeß im höchsten Grade malerisch. Eine derselben trägt die einfache, baumwollene persische Mütze; die and're den niedrigen, einem Turban gleichenden Hut des Kaukasus. Als Waffen tragen sie den Pallasch, die lange Flinte, den Yataghan, Bogen und Pfeile. (Forts. folgt.) X Köln, 9. Juli. Man hat kürzlich in verschiedenen Zeitungen von großartigen Werbungen für Hecker berichtet, welche in Mainz, Trier u. s. w. stattgefunden haben sollten. Man ist soweit gegangen, zu behaupten, dies sei selbst in Köln geschehen. Wir haben uns angelegen sein lassen, dieser letzteren Behauptung auf den Grund zu gehen und folgendes ist das Resultat unserer Erkundigungen: Die von dem Herrn Staatsprokurator Hecker verfolgten vier Arbeiter sollen zu Dr. Friedrich Hecker in Muttenz gegangen sein, wenigstens Mainz bereits glücklich passirt haben. Wie man aber diese unbedeutende und zufällige Geschichte in Werbungen Heckers des Prokurators für Hecker den Freischärler, oder wie man sich auch ausdrückt, in Werbungen von und für Hecker verwandeln konnte, bleibt jedem Wohlgesinnten unbegreiflich. Hr. Hecker (der Staatsprokurator) ist übrigens mit Hrn. Hecker (dem Republikaner) weder verwandt noch verschwägert. Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No. 41. Köln, Dienstag 11. Juli 1848.Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an. Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr G. A. Alexander, Nr. 28, Brandgasse in Straßburg, und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die HH. J. J. Ewer & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich. Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung. Deutschland.
* Köln, 10. Juli. Gestern sind eilf Setzer unserer Zeitung und Herr Clouth als Zeugen vorgeladen worden, Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. ** Köln, 9. Juli. Welch ein dringend nothwendiger Akt der Gerechtigkeit gegen die Polen, die Ernennung einer Untersuchungs-Kommission mit unbedingter Vollmacht ist, geht aus dem Bericht hervor, den wir seit drei Tagen angefangen haben, nach authentischen Aktenstücken zu geben. Die altpreußischen Beamten, schon von vorn herein in einer feindlichen Stellung gegen die Polen, sahen sich durch die Reorganisations-Verheißungen in ihrer Existenz bedroht. Der kleinste Akt der Gerechtigkeit gegen die Polen brachte ihnen Gefahr. Daher die fanatische Wuth, womit sie, unterstützt von der losgelassenen Soldateska, über die Polen herfielen, die Konventionen brachen, die harmlosesten Leute mißhandelten, die größten Schändlichkeiten durchgehen ließen oder sanktionirten, nur um die Polen zu einem Kampfe zu zwingen, in dem ihre Erdrückung durch die kolossalste Uebermacht gewiß war. Das Ministerium Camphausen, nicht nur schwach, rathlos, schlecht berichtet, sondern sogar absichtlich, aus Prinzip unthätig, ließ Alles gehen, wie es ging. Die schauderhaftesten Barbareien geschahen, und Herr Camphausen rührte sich nicht. Welche Berichte liegen jetzt vor über den posen'schen Bürgerkrieg? Hier die partheiischen, interessirten Berichte der Urheber des Kriegs, der Beamten, der Offiziere, und die auf Beide gestützten Data, die das Ministerium geben kann. Das Ministerium ist ebenfalls selbst Partei, so lange Herr Hansemann darin sitzt. Diese Aktenstücke sind parteiisch, aber sie sind offiziell. Dort die von den Polen gesammelten Thatsachen, ihre Klagschriften ans Ministerium, namentlich die Briefe des Erzbischofs Przyluski an die Minister. Diese Aktenstücke haben meist keinen offiziellen Charakter, ihre Verfasser erbieten sich aber zum Beweise der Wahrheit. Die beiden Klassen von Berichten widersprechen einander total, und die Kommission soll untersuchen, welche Seite Recht hat. Sie kann – wenige Ausnahmsfälle abgerechnet – dies nur dadurch thun, daß sie sich an Ort und Stelle begibt und durch Zeugenverhör wenigstens die wichtigsten Punkte ins Klare bringt. Wird ihr dies untersagt, so ist ihre ganze Thätigkeit illusorisch, so mag sie eine gewisse historisch-philologische Kritik üben, den einen oder den andern Bericht für glaubwürdiger erklären, aber entscheiden kann sie nicht. Die ganze Bedeutung der Kommission hängt also von der Befugniß ab, Zeugen zu verhören, und daher der Eifer sämmtlicher Polenfresser in der Versammlung, sie durch allerlei tiefsinnige und spitzfindige Gründe zu beseitigen, daher der Staatsstreich am Schluß der Sitzung. Der Abg. Bloem sagte in der Debatte des 4.: „Heißt es Wahrheit erforschen, wenn man, wie einige Amendements wollen, aus den Regierungsvorlagen die Wahrheit schöpfen will? Wahrlich mit Nichten! Woraus sind die Regierungsvorlagen entstanden? Aus den Berichten der Beamten größtentheils. Woraus sind die Beamten hervorgegangen? Aus dem alten System. Sind diese Beamten verschwunden, hat man aus neuer, volksthümlicher Wahl neue Landräthe eingesetzt? Keineswegs. Werden wir von den Beamten über die wahre Stimmung unterrichtet? Die alten Beamten berichten noch heute wie früher. Es ist also klar, die bloße Einsicht der Ministerialakten wird uns zu Nichts führen.“ Der Abg. Richter geht noch weiter. Er sieht in dem Benehmen der Posener Beamten nur die äußerste, aber nothwendige Folge der Beibehaltung des alten Verwaltungssystems und der alten Beamten überhaupt. Aehnliche Konflikte zwischen der Amtspflicht und dem Interesse der alten Beamten können alle Tage auch in andern Provinzen vorkommen. „Wir haben seit der Revolution ein anderes Ministerium und sogar ein zweites erhalten; aber das Ministerium ist ja nur die Seele, es hat überall gleichmäßig zu organisiren. Dagegen in den Provinzen ist überall die alte Organisation der Verwaltung dieselbe geblieben. Wollen Sie ein anderes Bild haben? Man gießt nicht den neuen Wein in alte verrottete Schläuche. Auf diese Art haben wir im Großherzogthum die furchtbarsten Klagen. Sollten wir nicht schon deßwegen eine Kommission niedersetzen, daß man sehe, wie sehr es nöthig ist, in andern Provinzen eben so gut wie in Posen, die alte Organisation durch eine neue zu ersetzen, die für Zeit und Umstände paßt?“ Der Abg. Richter hat Recht. Nach einer Revolution ist eine Erneuerung sämmtlicher Civil- und Militärbeamten, sowie eines Theils der gerichtlichen, und besonders der Parquet's, die erste Nothwendigkeit. Sonst scheitern die besten Maßregeln der Centralgewalt an der Widerhaarigkeit der Subalternen. Die Schwäche der französischen provisorischen Regierung, die Schwäche des Ministeriums Camphausen haben in dieser Beziehung bittere Früchte getragen. In Preußen aber, wo eine seit vierzig Jahren vollständig organisirte büreaukratische Hierarchie in der Verwaltung und im Militär mit absoluter Gewalt geherrscht hat, in Preußen, wo gerade diese Büreaukratie der Hauptfeind war, den man am 19. März besiegt hatte, hier war die vollständige Erneuerung der Civil- und Militärbeamten noch unendlich dringender. Aber das Ministerium der Vermittlung hatte natürlich nicht den Beruf, revolutionäre Nothwendigkeiten durchzuführen. Es hatte eingestandnermaßen den Beruf, gar nichts zu thun, und ließ daher seinen alten Gegnern, den Büreaukraten, einstweilen die wirkliche Macht in den Händen. Es „vermittelte“ die alte Büreaukratie mit den neuen Zuständen; dafür „vermittelte“ die Büreaukratie ihm den Posen'schen Bürgerkrieg und die Verantwortlichkeit für Grausamkeiten, wie sie seit dem 30jährigen Kriege nicht mehr vorgekommen waren. Das Ministerium Hansemann, Erbe des Ministeriums Camphausen, hatte sämmtliche Aktiva und Passiva seines Erblassers übernehmen müssen, also nicht nur die Majorität in der Kammer, sondern auch die Posen'schen Ereignisse und die Posen'schen Beamten. Das Ministerium war also direkt interessirt, die Untersuchung durch die Kommission so illusorisch wie möglich zu machen. Die Redner der ministeriellen Majorität und namentlich die Juristen, wandten ihren ganzen Vorrath von Kasuistik und Spitzfindigkeit an, um einen tiefsinnigen, prinzipiellen Grund zu entdecken, weßhalb die Kommission keine Zeugen verhören dürfe. Es würde zu weit führen, wollten wir uns hier auf die Bewunderung der Jurisprudenz eines Reichensperger u. s. w. einlassen. Wir müssen uns darauf beschränken, die gründliche Erörterung des Herrn Ministers Kühlwetter an's Tageslicht hervorzuziehen. Hr. Kühlwetter, die materielle Frage gänzlich bei Seite lassend, beginnt mit der Erklärung wie äußerst angenehm es dem Ministerium sein werde, wenn solche Kommissionen ihm in Erfüllung seiner schweren Aufgabe durch Aufklärungen etc. zur Hand gingen. Ja, hätte Hr. Reuter nicht den glücklichen Einfall gehabt, eine solche Kommission vorzuschlagen, so würde Hr. Kühlwetter unbedingt selbst darauf gedrungen haben. Man möge der Kommission nur recht weitläuftige Aufträge geben (damit sie nie fertig werde), er sei damit einverstanden, daß eine ängstliche Abwägung durchaus nicht erforderlich sei. Sie möge die ganze Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Provinz Posen in den Bereich ihrer Wirksamkeit ziehen; sofern es sich nur um Aufklärungen handle, werde das Ministerium die Kompetenz der Kommission nicht ängstlich prüfen. Freilich könne man zu weit gehen, doch überlasse er es der Weisheit der Kommission, ob sie z. B. auch die Frage wegen Absetzung der posenschen Beamten in ihren Bereich ziehen wolle. Soweit die einleitenden Konzessionen des Herrn Ministers, die mit einigen biedermännischen Deklamationen verbrämt, sich mehrerer lebhaften Bravos zu erfreuen hatten. Jetzt folgen die Aber. „Wenn aber bemerkt worden ist, daß die Berichte über Posen unmöglich ein richtiges Licht verbreiten könnten, weil es nur Beamte seien und zwar Beamte aus der alten Zeit, halte ich es für meine Pflicht, einen ehrenwerthen Stand in Schutz zu nehmen. Ist es wahr, daß einzelne Beamte ihrer Pflicht nicht getreu gewesen sind, so ahnde man dies an den einzelnen Pflichtvergessenen, aber der Stand der Beamten darf niemals herabgewürdigt werden, weil einzelne Glieder desselben ihre Pflicht verletzt haben.“ Wie kühn Hr. Kühlwetter auftritt! Allerdings haben einzelne Pflichtverletzungen stattgefunden, aber im Ganzen haben die Beamten ihre Pflicht in ehrenwerther Weise gethan. Und in der That, die Masse der posenschen Beamten hat ihre „Pflicht“ gethan, ihre „Pflicht gegen ihren Diensteid“, gegen das ganze altpreußische System der Büreaukratie, gegen ihr eignes, mit dieser Pflicht zusammenfallendes Interesse. Sie haben ihre Pflicht erfüllt, indem ihnen jedes Mittel gut war, um den 19. März in Posen zu vernichten. Und gerade deßwegen, Hr. Kühlwetter, ist es Ihre „Pflicht“, diese Beamten in Masse abzusetzen! Aber Herr Kühlwetter spricht von der, durch die vorrevolutionären Gesetze bestimmten Pflicht, da wo es sich von einer ganz andern Pflicht handelt, die nach jeder Revolution eintritt, und die darin besteht, die veränderten Verhältnisse richtig aufzufassen und ihre Entwicklung zu befördern. Und den Beamten zumuthen, sie sollen den büreaukratischen Standpunkt mit dem konstitutionellen vertauschen, sie sollen sich eben so gut wie die neuen Minister auf den Boden der Revolution stellen, das heißt nach Hrn. Kühlwetter einen ehrenwerthen Stand herabwürdigen! Auch den Vorwurf, es seien Parteihäupter begünstigt und Verbrechen ungestraft geblieben, weist Hr. Kühlwetter in dieser Allgemeinheit zurück. Man soll einzelne Fälle angeben. Behauptet Hr. Kühlwetter etwa alles Ernstes, auch nur ein kleiner Theil der Brutalitäten und Grausamkeiten sei bestraft worden, die die preußische Soldateska verübt, die die Beamten zugelassen und unterstützt, denen die Deutschpolen und Juden Beifall zugejubelt haben? Herr Kühlwetter sagt, er habe bisher das kolossale Material noch nicht von allen Seiten prüfen können. In der That, er scheint es höchstens nach einer Seite hin geprüft zu haben. Jetzt aber kommt Herr Kühlwetter zu der „schwierigsten und bedenklichsten Frage“, nämlich der: in welchen Formen die Kommission verhandeln solle. Herr Kühlwetter hätte diese Frage gründlicher diskutirt gewünscht, denn „es liegt in dieser Frage, wie mit Recht bemerkt worden, eine Prinzipienfrage, die Frage des droit d'enquête.“ Herr Kühlwetter beglückt uns nun mit einer längeren Entwicklung über die Theilung der Gewalten im Staat, die gewiß manches Neue für die oberschlesischen und pommerschen Bauern in der Versammlung enthielt. Es macht einen merkwürdigen Eindruck, im Jahre des Heils 1848 einen preußischen Minister, und noch dazu einen „Minister der That“, auf der Tribüne mit feierlichem Ernst den Montesquieu auslegen zu hören. Die Theilung der Gewalten, die Herr Kühlwetter und andre große Staatsphilosophen als ein heiliges und unverletzliches Prinzip mit der tiefsten Ehrfurcht betrachten, ist im Grunde nichts anders als die profane industrielle Theilung der Arbeit, zur Vereinfachung und Kontrolle angewandt auf den Staatsmechanismus. Sie wird, wie alle andern heiligen, ewigen und unverletzlichen Prinzipien, nur soweit angewandt, als sie gerade den bestehenden Verhältnissen zusagt. So laufen in der konstitutionellen Monarchie z. B. die gesetzgebende und vollziehende Gewalt in der Person des Fürsten durcheinander; ferner in den Kammern die gesetzgebende Gewalt mit der Kontrolle über die vollziehende u. s. w. Diese unentbehrlichen Beschränkungen der Theilung der Arbeit im Staat drücken nun Staatsweise von der Force eines „Ministers der That“ folgendermaßen aus: „Die gesetzgebende Gewalt, soweit dieselbe durch die Volksrepräsentation ausgeübt wird, hat ihre eignen Organe; die vollziehende Gewalt hat ihre eignen Organe, und nicht minder die richterliche Gewalt. Es ist daher (!) nicht zulässig, daß die eine Gewalt direkt die Organe der andern Gewalt in Anspruch nehme, es sei denn, daß es ihr durch ein besonderes Gesetz übertragen werde.“ Die Abweichung von der Theilung der Gewalten ist nicht zulässig, „es sei denn, daß sie durch ein besondres Gesetz“ vorgeschrieben sei! Und umgekehrt, die Anwendung der vorgeschriebenen Theilung der Gewalten ist ebenfalls nicht zulässig, „es sei denn, daß sie durch besondere Gesetze“ „vorgeschrieben“ sei! Welcher Tiefsinn! Welche Aufschlüsse! Von dem Fall einer Revolution, wo die Theilung der Gewalten ohne „ein besonderes Gesetz“ aufhört, spricht Herr Kühlwetter gar nicht. Herr Kühlwetter ergeht sich nun in eine Erörterung darüber, daß die Vollmacht für die Kommission, Zeugen eidlich zu vernehmen, Beamte zu requiriren u. s. w., kurz mit eignen Augen zu sehen, ein Eingriff in die Theilung der Gewalten sei und durch ein besonderes Gesetz festgestellt werden müsse. Als Beispiel wird die belgische Konstitution beigebracht, deren Artikel_40 das droit d'enquête den Kammern ausdrücklich giebt. Aber, Herr Kühlwetter, besteht denn in Preußen gesetzlich und thatsächlich eine Theilung der Gewalten in dem Sinn, in welchem Sie das Wort verstehen, in konstitutionellem Sinn? Ist die existirende Theilung der Gewalten nicht die beschränkte, zugestutzte, die der absoluten, der bureaukratischen Monarchie entspricht? Wie kann man also konstitutionelle Phrasen auf sie anwenden, ehe sie konstitutionell reformirt ist? Wie können die Preußen einen Art. 40 der Konstitution haben, so lange diese Konstitution selbst noch gar nicht existirt? Resümiren wir. Nach Hrn. Kühlwetter ist die Ernennung einer Kommission mit unbeschränkter Vollmacht ein Eingriff in die konstitutionelle Theilung der Gewalten. Die konstitutionelle Theilung der Gewalten besteht in Preußen noch gar nicht; man kann also auch keinen Eingriff in sie thun. Aber sie soll eingeführt werden, und während des revolutionären Provisoriums, in dem wir leben, muß sie, nach der Ansicht des Hrn. Kühlwetter, als schon bestehend vorausgesetzt werden. Hätte Herr Kühlwetter Recht, so müßten doch wahrlich auch die konstitutionellen Ausnahmen als bestehend vorausgesetzt werden! Und zu diesen konstitutionellen Ausnahmen gehört ja gerade das Untersuchungsrecht der gesetzgebenden Körper! Aber Herr Kühlwetter hat keineswegs Recht. Im Gegentheil: das revolutionäre Provisorium besteht gerade darin, daß die Theilung der Gewalten provisorisch aufgehoben ist, daß die gesetzgebende Behörde die Exekutivgewalt oder die Exekutivbehörde die gesetzgebende Gewalt momentan an sich reißt. Ob die revolutionäre Diktatur (sie ist eine Diktatur, mag sie noch so schlaff geübt werden) sich in den Händen der Krone oder einer Versammlung oder Beider zusammen befindet, ist ganz gleichgültig. Will Herr Kühlwetter Beispiele aller drei Fälle, die französische Geschichte seit 1789 liefert die Menge. Das Provisorium, an das Herr Kühlwetter appellirt, beweist gerade gegen ihn. Es gibt der Versammlung noch ganz andere Attribute, als das bloße Untersuchungsrecht – es gibt ihr sogar das Recht, sich nöthigenfalls in einen Gerichtshof zu verwandeln und ohne Gesetze zu verurtheilen! Hätte Herr Kühlwetter diese Konsequenzen vorausgesehen, er wäre vielleicht etwas vorsichtiger mit der „Anerkennung der Revolution“ umgegangen. Aber er beruhige sich: Deutschland, die fromme Kinderstube, und die Herren Vereinbarer mögen sitzen so lange sie wollen, sie werden nie ein „langes Parlament“ werden.Ist keine römische Mördergrube, Wenn wir übrigens den Amtsdoktrinär des Ministeriums der That mit seinem Vorgänger in der Doktrin, Hrn. Camphausen, vergleichen, so finden wir doch einen bedeutenden Abstand. Herr Camphausen besaß jedenfalls unendlich mehr Originalität; er streifte an Guizot, aber Herr Kühlwetter erreicht nicht einmal den winzigen Lord John Russell. Wir haben die staatsphilosophische Fülle der Kühlwetter'schen Rede genugsam bewundert. Betrachten wir jetzt den Zweck, den eigentlichen praktischen Grund dieser bemoosten Weisheit, dieser ganzen Montesquieu'schen Theilungstheorie. Herr Kühlwetter kommt nämlich jetzt zu den Konsequenzen seiner Theorie. Das Ministerium ist ausnahmsweise geneigt, die Behörden anzuweisen, dasjenige auszuführen, was die Kommission für nöthig findet. Nur dagegen muß es sich erklären, daß Aufträge an die Behörden direkt von der Kommission ausgehen. D. h. die Kommission, ohne direkte Verbindung mit den Behörden, ohne Macht über sie, kann sie nicht zwingen, ihr andere Auskunft zu schaffen, als die die Behörden zu geben für gut finden. Und dazu noch der schleppende Geschäftsgang, der endlose Instanzenzug! Ein hübsches Mittel, unter dem Vorwande der Theilung der Gewalten die Kommission illusorisch zu machen! „Es kann die Absicht nicht sein, der Kommission die ganze Aufgabe zu übertragen, welche die Regierung hat, als ob Jemand daran dächte, der Kommission das Recht zum Regieren zu geben!“ „Die Regierung würde neben der Kommission zu ermitteln fortfahren müssen, welche Ursachen der Entzweiung in Posen zu Grunde gelegen (eben daß sie schon so lange „ermittelt“ und noch nichts ausgemittelt hat, ist Grund genug sie jetzt ganz außer Frage zu lassen) und dadurch daß auf doppeltem Weg dieser Zweck verfolgt wird, dürfte Zeit und Mühe oft unnütz verwendet und dürften Kollisionen kaum zu vermeiden sein.“ Nach den bisherigen Antecedentien würde die Kommission gewiß sehr viel „Zeit und Mühe unnütz verwenden“, wenn sie sich auf Hrn. Kühlwetters Vorschlag mit dem langwierigen Instanzenzuge einließ. Die Kollisionen sind auf diesem Wege ebenfalls viel leichter, als wenn die Kommission direkt mit den Behörden verkehrt und sofort Mißverständnisse aufklären, büreaukratische Trotzgelüste niederschlagen kann. „Es scheint daher (!) in der Natur der Sache zu liegen, daß die Kommission im Einverständniß mit dem Ministerium und unter steter Mitwirkung desselben den Zweck zu erreichen suche.“ Immer besser! Eine Kommission die das Ministerium kontrolliren soll, im Einverständniß mit ihm und unter seiner steten Mitwirkung! Hr. Kühlwetter genirt sich nicht, merken zu lassen, wie er es für wünschenswerth hält, daß die Kommission unter seiner Kontrolle, nicht er unter der ihrigen stehe. „Wollte dagegen die Kommission eine isolirte Stellung einnehmen, so müßte die Frage entstehen, ob da die Kommission die Verantwortlichkeit übernehmen will und kann, welche dem Ministerium obliegt. Mit eben so viel Wahrheit als Geist ist bereits die Bemerkung gemacht worden, daß die Unverletztlichkeit der Deputirten mit dieser Verantwortlichkeit nicht vereinbarlich ist.“ Es handelt sich nicht um Verwaltung, sondern bloß um Feststellung von Thatsachen. Die Kommission soll die Vollmacht erhalten, die dazu nöthigen Mittel anzuwenden. Das ist Alles. Daß sie sowohl wegen nachlässiger, wie wegen übertriebener Anwendung dieser Mittel der Versammlung verantwortlich ist, versteht sich von selbst. Die ganze Sache hat mit ministerieller Verantwortlichkeit und Deputirten-Unverantwortlichkeit eben so wenig zu thun wie mit „Wahrheit“ und „Geist“. Genug, Herr Kühlwetter legte diese Vorschläge zur Lösung der Kollision, unter dem Vorwand der Theilung der Gewalten den Vereinbarern ans Herz, ohne indeß einen bestimmten Vorschlag zu machen. Das Ministerium der That fühlt sich auf unsicherm Boden. Wir können auf die weitere Diskussion nicht eingehen. Die Abstimmungen sind bekannt: die Niederlage der Regierung bei der namentlichen Abstimmung, der Staatsstreich der Rechten, die eine bereits verworfene Frage nachträglich noch annahm. Wir haben dies Alles schon gegeben. Wir fügen nur hinzu, daß unter den Rheinländern, die gegen die unbedingte Vollmacht der Kommission stimmten, uns folgende Namen auffallen: Arntz Dr. Jur., Bauerband, Frencken, Lensing, v. Loe, Reichensperger II., Simons, und der letzte aber nicht der geringste, unser Oberprokurator Zweiffel. Russisches Militär. (Fortsetzung.) Ganz anders ist es freilich mit der Garde. Wenn man sie zuerst bei einer Revue sieht, da flößt sie fast Respekt ein; bekam man auch anderorts weit schönere Regimenter zu Gesichte, so kann man doch nicht leugnen, daß man selten so gut aussehende Truppen in solcher Masse beieinander fand. Die kaiserliche Garde, die immer die Marotte der russischen Souveräne und namentlich die des Kaisers Nicolaus und seines Bruders Michael war, besteht aus 41,000 Mann Infanterie, aus Artillerie und aus 15,000 Mann Kavallerie; nimmt man noch die Regimenter der jungen Garde und der Grenadiere hinzu, so mag sie zusammen an 120,000 Mann stark sein. Die Garden, die Elite der Armee, haben alle wenigstens 5 Fuß 11 Zoll. Beim ersten Anblick ist man frappirt von ihrem düstern Aeußern und von der außerordentlichen Aehnlichkeit der verschiedenen Individuen. Unter diesen Tausenden von Menschen findet man kaum einen einzigen Mann, der nicht für den Bruder seines Nachbars gelten könnte; es ist, als ob sie laut einem Ukas alle nach demselben Modell fabrizirt worden wären; die Präzision, die Gleichheit ihrer Haltung und ihres Anzuges machen den einen Soldaten zum Bilde des andern; der Grund dieser scheinbaren Aehnlichkeit liegt theilweise in dem wirklich traurig und finstern Aussehn sämmtlicher Personen so wie namentlich in dem gleichen Schnitt der Bärte, die nach einem Befehl des Kaisers der eine wie der andere kohlschwarz gefärbt werden. Unter den Waffen haben die Soldaten der Garde etwas sehr Imposantes. Von hoher Statur, militärischer Haltung, geschmackvoll gekleidet, in eine Uniform, die kunstreich zugeschnitten und die man jedem Manne eigens anpaßte, wären sie würdig, aus den Händen eines benachbarten Monarchen hervorgegangen zu sein, von dem der Kaiser Alexander einst sagte, daß das Schicksal, indem es ihm eine Krone gab, einen bewunderungswürdigen Schneidermeister verdorben habe. Nichts destoweniger liegt etwas burleskes in der Art und Weise, wie man die Tournüre der Soldaten zu vervollkommnen suchte; die Hosen schnüren dergestalt den Leib zu, daß der Magen, namentlich bei Leuten, die eine enorme Quantität Schwarzbrod verzehren, in der ungraziösesten Weise zum Vorschein kommt. Nach der Revue, wenn der Soldat die Waffen niederlegte, ist es wahrhaft zum Erstaunen, zu welch' einer miserablen Kreatur er hinabschwindet, wie sehr er mager ist, engbrüstig und ungelenk, wie die Kraft der Muskeln und die Elasticität der Glieder diesem großen, an den Leib eines früh aufgeschossenen Schülers erinnernden Körper fehlen, wie wenig er von dem gesunden Aussehen, von jenen athletischen Formen, und jenen martialischen Proportionen z. B. unsrer (der englischen) Garden hat. Mit einem Worte, wenn man diese ganze scheinbar prächtige Armee, ‒ denn die in Petersburg liegende Garde macht allein eine Armee aus, ‒ mit Aufmerksamkeit betrachtet, so überzeugt man sich bald davon, daß sie weniger deswirklichen Nutzens als der Parade wegen gebildet wurde. Bei der Parade bietet die kaiserliche Garde indeß wirklich einen sehr schönen Anblick. Die Infanterie-Regimenter mit der scharlachrothen Brust der Uniformen, und den hohen, schweren Czakos, die, von einer langen, schwarzen Feder überweht, einen jeden Soldat um eine halbe Manneslänge größer erscheinen lassen, marschiren mit einem untadelhaften ensemble, wenn ihre unabsehbaren Kolonnen vorüber wallen. Dann die Grenadiere der Garde, in weißen Uniformen und golden und schwarzen Kürassen; dann die reitende Garde, die „Gatschina“, in blau und weiß gekleidet, ebenfalls in Kürassen und auf dem Haupt einen Helm; die Garde-Dragoner, die Lanciers und die Husaren mit ihren rothen Uniformen und grauen Pferden; endlich die Kosacken-Regimenter, in Blau- und Scharlachkleidern, mit ihren langen Lanzen, deren bemalte Schäfte sich gleich Purpurwäldern über ihre Reihen erheben. ‒ Die Kavallerie-Regimenter haben alle mehr als zwölfhundert Mann, und jedes Regiment besteigt nur Pferde derselben Farbe, schwarz, braun, grau oder nußfarben. Nach ihnen kommt die Artillerie. Die Pontonniers folgen in kompakter Masse. Die Munitionswägen tragen die kaiserliche, die hellgrüne Farbe. Die Pferde dieses Theils der Garde sind vollkommen für ihren Dienst dressirt. Das Défilé schließt mit den vier Eskadronen des mahomedanischen Regiments, bestehend aus Cirkassiern, Kurden, Türken und andern um die kaukasischen Alpen wohnenden Stämmen, aus Exilirten, Avantüriers aller Länder, aus Renegaten und Geißeln. Die Kostüme jeder Eskadron variiren, alle sind indeß im höchsten Grade malerisch. Eine derselben trägt die einfache, baumwollene persische Mütze; die and're den niedrigen, einem Turban gleichenden Hut des Kaukasus. Als Waffen tragen sie den Pallasch, die lange Flinte, den Yataghan, Bogen und Pfeile. (Forts. folgt.) X Köln, 9. Juli. Man hat kürzlich in verschiedenen Zeitungen von großartigen Werbungen für Hecker berichtet, welche in Mainz, Trier u. s. w. stattgefunden haben sollten. Man ist soweit gegangen, zu behaupten, dies sei selbst in Köln geschehen. Wir haben uns angelegen sein lassen, dieser letzteren Behauptung auf den Grund zu gehen und folgendes ist das Resultat unserer Erkundigungen: Die von dem Herrn Staatsprokurator Hecker verfolgten vier Arbeiter sollen zu Dr. Friedrich Hecker in Muttenz gegangen sein, wenigstens Mainz bereits glücklich passirt haben. Wie man aber diese unbedeutende und zufällige Geschichte in Werbungen Heckers des Prokurators für Hecker den Freischärler, oder wie man sich auch ausdrückt, in Werbungen von und für Hecker verwandeln konnte, bleibt jedem Wohlgesinnten unbegreiflich. Hr. Hecker (der Staatsprokurator) ist übrigens mit Hrn. Hecker (dem Republikaner) weder verwandt noch verschwägert. <TEI> <text> <pb facs="#f0001" n="0201"/> <front> <titlePage type="heading"> <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung.</titlePart> <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart> <docImprint> <docDate>No. 41. Köln, Dienstag 11. Juli 1848.</docDate> </docImprint> </titlePage> </front> <body> <div type="jExpedition"> <p>Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an.</p> <p>Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr G. A. <hi rendition="#g">Alexander,</hi> Nr. 28, Brandgasse in <hi rendition="#g">Straßburg,</hi> und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die HH. <hi rendition="#g">J. J. Ewer &</hi> Comp. 72, Newgate Street in London. 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Juli.</head> <p>Gestern sind <hi rendition="#g">eilf</hi> Setzer unserer Zeitung und Herr Clouth als Zeugen vorgeladen worden,</p> <gap reason="copyright"/> </div> <div xml:id="ar041_002" type="jArticle"> <head><bibl><author>**</author></bibl><hi rendition="#b">Köln</hi>, 9. Juli.</head><lb/> <p>Welch ein dringend nothwendiger Akt der Gerechtigkeit gegen die Polen, die Ernennung einer Untersuchungs-Kommission mit unbedingter Vollmacht ist, geht aus dem Bericht hervor, den wir seit drei Tagen angefangen haben, nach authentischen Aktenstücken zu geben.</p> <p>Die altpreußischen Beamten, schon von vorn herein in einer feindlichen Stellung gegen die Polen, sahen sich durch die Reorganisations-Verheißungen in ihrer Existenz bedroht. Der kleinste Akt der Gerechtigkeit gegen die Polen brachte <choice><sic>ihner</sic><corr>ihnen</corr></choice> Gefahr. Daher die fanatische Wuth, womit sie, unterstützt von der losgelassenen Soldateska, über die Polen herfielen, die Konventionen brachen, die harmlosesten Leute mißhandelten, die größten Schändlichkeiten durchgehen ließen oder sanktionirten, nur um die Polen zu einem Kampfe zu zwingen, in dem ihre Erdrückung durch die kolossalste Uebermacht gewiß war.</p> <p>Das Ministerium Camphausen, nicht nur schwach, rathlos, schlecht berichtet, sondern sogar <hi rendition="#g">absichtlich,</hi> aus Prinzip unthätig, ließ Alles gehen, wie es ging. Die schauderhaftesten Barbareien geschahen, und Herr Camphausen rührte sich nicht.</p> <p>Welche Berichte liegen jetzt vor über den posen'schen Bürgerkrieg?</p> <p>Hier die partheiischen, interessirten Berichte der Urheber des Kriegs, der Beamten, der Offiziere, und die auf Beide gestützten Data, die das Ministerium geben kann. Das Ministerium ist ebenfalls <hi rendition="#g">selbst</hi> Partei, so lange Herr Hansemann darin sitzt. Diese Aktenstücke sind parteiisch, aber sie sind <hi rendition="#g">offiziell</hi>.</p> <p>Dort die von den Polen gesammelten Thatsachen, ihre Klagschriften ans Ministerium, namentlich die Briefe des Erzbischofs Przyluski an die Minister. Diese Aktenstücke haben meist keinen offiziellen Charakter, ihre Verfasser erbieten sich aber zum Beweise der Wahrheit.</p> <p>Die beiden Klassen von Berichten widersprechen einander total, und die Kommission soll untersuchen, welche Seite Recht hat.</p> <p>Sie kann – wenige Ausnahmsfälle abgerechnet – dies nur dadurch thun, daß sie sich an Ort und Stelle begibt und durch Zeugenverhör wenigstens die wichtigsten Punkte ins Klare bringt. Wird ihr dies untersagt, so ist ihre ganze Thätigkeit illusorisch, so mag sie eine gewisse historisch-philologische Kritik üben, den einen oder den andern Bericht für glaubwürdiger erklären, aber entscheiden kann sie nicht.</p> <p>Die ganze Bedeutung der Kommission hängt also von der Befugniß ab, Zeugen zu verhören, und daher der Eifer sämmtlicher Polenfresser in der Versammlung, sie durch allerlei tiefsinnige und spitzfindige Gründe zu beseitigen, daher der Staatsstreich am Schluß der Sitzung.</p> <p>Der Abg. <hi rendition="#g">Bloem</hi> sagte in der Debatte des 4.: „Heißt es Wahrheit erforschen, wenn man, wie einige Amendements wollen, aus den Regierungsvorlagen die Wahrheit schöpfen will? Wahrlich mit Nichten! Woraus sind die Regierungsvorlagen entstanden? Aus den Berichten der Beamten größtentheils. Woraus sind die Beamten hervorgegangen? Aus dem alten System. Sind diese Beamten verschwunden, hat man aus neuer, volksthümlicher Wahl neue Landräthe eingesetzt? Keineswegs. Werden wir von den Beamten über die wahre Stimmung unterrichtet? Die alten Beamten berichten noch heute wie früher. Es ist also klar, die bloße Einsicht der Ministerialakten wird uns zu Nichts führen.“</p> <p>Der Abg. <hi rendition="#g">Richter</hi> geht noch weiter. Er sieht in dem Benehmen der Posener Beamten nur die äußerste, aber nothwendige Folge der Beibehaltung des alten Verwaltungssystems und der alten Beamten überhaupt. Aehnliche Konflikte zwischen der Amtspflicht und dem Interesse der alten Beamten können alle Tage auch in andern Provinzen vorkommen. „Wir haben seit der Revolution ein anderes Ministerium und sogar ein zweites erhalten; aber das Ministerium ist ja nur die Seele, es hat überall gleichmäßig zu organisiren. Dagegen in den Provinzen ist überall die alte Organisation der Verwaltung dieselbe geblieben. Wollen Sie ein anderes Bild haben? Man gießt nicht den neuen Wein in alte verrottete Schläuche. Auf diese Art haben wir im Großherzogthum die furchtbarsten Klagen. Sollten wir nicht schon <hi rendition="#g">deßwegen</hi> eine Kommission niedersetzen, daß man sehe, wie sehr es nöthig ist, in andern Provinzen eben so gut wie in Posen, die alte Organisation durch eine neue zu ersetzen, die für Zeit und Umstände paßt?“</p> <p>Der Abg. <hi rendition="#g">Richter</hi> hat Recht. Nach einer Revolution ist eine Erneuerung sämmtlicher Civil- und Militärbeamten, sowie eines Theils der gerichtlichen, und besonders der <hi rendition="#g">Parquet's,</hi> die erste Nothwendigkeit. Sonst scheitern die besten Maßregeln der Centralgewalt an der Widerhaarigkeit der Subalternen. Die Schwäche der französischen provisorischen Regierung, die Schwäche des Ministeriums Camphausen haben in dieser Beziehung bittere Früchte getragen.</p> <p>In Preußen aber, wo eine seit vierzig Jahren vollständig organisirte büreaukratische Hierarchie in der Verwaltung und im Militär mit absoluter Gewalt geherrscht hat, in Preußen, wo gerade diese Büreaukratie der Hauptfeind war, den man am 19. März besiegt hatte, hier war die vollständige Erneuerung der Civil- und Militärbeamten noch unendlich dringender. Aber das Ministerium der Vermittlung hatte natürlich nicht den Beruf, revolutionäre Nothwendigkeiten durchzuführen. Es hatte eingestandnermaßen den Beruf, gar nichts zu thun, und ließ daher seinen alten Gegnern, den Büreaukraten, einstweilen die wirkliche Macht in den Händen. Es „vermittelte“ die alte Büreaukratie mit den neuen Zuständen; dafür „vermittelte“ die Büreaukratie ihm den Posen'schen Bürgerkrieg und die Verantwortlichkeit für Grausamkeiten, wie sie seit dem 30jährigen Kriege nicht mehr vorgekommen waren.</p> <p>Das Ministerium Hansemann, Erbe des Ministeriums Camphausen, hatte sämmtliche Aktiva und Passiva seines Erblassers übernehmen müssen, also nicht nur die Majorität in der Kammer, sondern auch die Posen'schen Ereignisse und die Posen'schen Beamten. Das Ministerium war also direkt interessirt, die Untersuchung durch die Kommission so illusorisch wie möglich zu machen. Die Redner der ministeriellen Majorität und namentlich die Juristen, wandten ihren ganzen Vorrath von Kasuistik und Spitzfindigkeit an, um einen tiefsinnigen, prinzipiellen Grund zu entdecken, weßhalb die Kommission keine Zeugen verhören dürfe. Es würde zu weit führen, wollten wir uns hier auf die Bewunderung der Jurisprudenz eines Reichensperger u. s. w. einlassen. Wir müssen uns darauf beschränken, die gründliche Erörterung des Herrn Ministers <hi rendition="#g">Kühlwetter</hi> an's Tageslicht hervorzuziehen.</p> <p>Hr. <hi rendition="#g">Kühlwetter,</hi> die materielle Frage gänzlich bei Seite lassend, beginnt mit der Erklärung wie äußerst angenehm es dem Ministerium sein werde, wenn solche Kommissionen ihm in Erfüllung seiner schweren Aufgabe durch Aufklärungen etc. zur Hand gingen. Ja, hätte Hr. Reuter nicht den glücklichen Einfall gehabt, eine solche Kommission vorzuschlagen, so würde Hr. Kühlwetter unbedingt selbst darauf gedrungen haben. Man möge der Kommission nur recht weitläuftige Aufträge geben (damit sie nie fertig werde), er sei damit einverstanden, daß eine ängstliche Abwägung durchaus nicht erforderlich sei. Sie möge die ganze Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Provinz Posen in den Bereich ihrer Wirksamkeit ziehen; sofern es sich nur um Aufklärungen handle, werde das Ministerium die Kompetenz der Kommission nicht ängstlich prüfen. Freilich könne man zu weit gehen, doch überlasse er es der Weisheit der Kommission, ob sie z. B. auch die Frage wegen Absetzung der posenschen Beamten in ihren Bereich ziehen wolle.</p> <p>Soweit die einleitenden Konzessionen des Herrn Ministers, die mit einigen biedermännischen Deklamationen verbrämt, sich mehrerer lebhaften Bravos zu erfreuen hatten. Jetzt folgen die <hi rendition="#g">Aber</hi>.</p> <p>„Wenn <hi rendition="#g">aber</hi> bemerkt worden ist, daß die Berichte über Posen unmöglich ein richtiges Licht verbreiten könnten, weil es nur <hi rendition="#g">Beamte</hi> seien und zwar Beamte aus der alten Zeit, halte ich es für meine Pflicht, einen ehrenwerthen Stand in Schutz zu nehmen. Ist es wahr, daß einzelne Beamte ihrer Pflicht nicht getreu gewesen sind, so ahnde man dies an den einzelnen Pflichtvergessenen, aber der <hi rendition="#g">Stand</hi> der Beamten darf niemals herabgewürdigt werden, weil einzelne Glieder desselben ihre Pflicht verletzt haben.“</p> <p>Wie kühn Hr. Kühlwetter auftritt! Allerdings haben einzelne Pflichtverletzungen stattgefunden, aber im Ganzen haben die Beamten ihre Pflicht in ehrenwerther Weise gethan.</p> <p>Und in der That, die Masse der posenschen Beamten <hi rendition="#g">hat</hi> ihre „Pflicht“ gethan, ihre „Pflicht gegen ihren Diensteid“, gegen das ganze altpreußische System der Büreaukratie, gegen ihr eignes, mit dieser Pflicht zusammenfallendes Interesse. Sie haben ihre Pflicht erfüllt, indem ihnen jedes Mittel gut war, um den 19. März in Posen zu vernichten. Und gerade deßwegen, Hr. Kühlwetter, ist es Ihre „Pflicht“, diese Beamten in Masse abzusetzen!</p> <p>Aber Herr Kühlwetter spricht von der, durch die vorrevolutionären Gesetze bestimmten Pflicht, da wo es sich von einer ganz andern Pflicht handelt, die nach jeder Revolution eintritt, und die darin besteht, die veränderten Verhältnisse richtig aufzufassen und ihre Entwicklung zu befördern. Und den Beamten zumuthen, sie sollen den büreaukratischen Standpunkt mit dem konstitutionellen vertauschen, sie sollen sich eben so gut wie die neuen Minister auf den Boden der Revolution stellen, das heißt nach Hrn. Kühlwetter einen ehrenwerthen Stand herabwürdigen!</p> <p>Auch den Vorwurf, es seien Parteihäupter begünstigt und Verbrechen ungestraft geblieben, weist Hr. Kühlwetter in dieser Allgemeinheit zurück. Man soll einzelne Fälle angeben.</p> <p>Behauptet Hr. Kühlwetter etwa alles Ernstes, auch nur ein kleiner Theil der Brutalitäten und Grausamkeiten sei bestraft worden, die die preußische Soldateska verübt, die die Beamten zugelassen und unterstützt, denen die Deutschpolen und Juden Beifall zugejubelt haben? Herr Kühlwetter sagt, er habe bisher das kolossale Material noch nicht von allen Seiten prüfen können. In der That, er scheint es höchstens nach einer Seite hin geprüft zu haben.</p> <p>Jetzt aber kommt Herr Kühlwetter zu der „schwierigsten und bedenklichsten Frage“, nämlich der: in welchen <hi rendition="#g">Formen</hi> die Kommission verhandeln solle. Herr Kühlwetter hätte diese Frage gründlicher diskutirt gewünscht, denn „es liegt in dieser Frage, wie mit Recht bemerkt worden, eine Prinzipienfrage, die Frage des droit d'enquête.“</p> <p>Herr Kühlwetter beglückt uns nun mit einer längeren Entwicklung über die Theilung der Gewalten im Staat, die gewiß manches Neue für die oberschlesischen und pommerschen Bauern in der Versammlung enthielt. Es macht einen merkwürdigen Eindruck, im Jahre des Heils 1848 einen preußischen Minister, und noch dazu einen „Minister der That“, auf der Tribüne mit feierlichem Ernst den Montesquieu auslegen zu hören.</p> <p>Die Theilung der Gewalten, die Herr Kühlwetter und andre große Staatsphilosophen als ein heiliges und unverletzliches Prinzip mit der tiefsten Ehrfurcht betrachten, ist im Grunde nichts anders als die profane industrielle Theilung der Arbeit, zur Vereinfachung und Kontrolle angewandt auf den Staatsmechanismus. Sie wird, wie alle andern heiligen, ewigen und unverletzlichen Prinzipien, nur soweit angewandt, als sie gerade den bestehenden Verhältnissen zusagt. So laufen in der konstitutionellen Monarchie z. B. die gesetzgebende und vollziehende Gewalt in der Person des Fürsten durcheinander; ferner in den Kammern die gesetzgebende Gewalt mit der Kontrolle über die vollziehende u. s. w. Diese unentbehrlichen Beschränkungen der Theilung der Arbeit im Staat drücken nun Staatsweise von der Force eines „Ministers der That“ folgendermaßen aus:</p> <p>„Die gesetzgebende Gewalt, soweit dieselbe durch die Volksrepräsentation ausgeübt wird, hat ihre eignen Organe; die vollziehende Gewalt hat ihre eignen Organe, und nicht minder die richterliche Gewalt. Es ist <hi rendition="#g">daher</hi> (!) nicht zulässig, daß die eine Gewalt direkt die Organe der andern Gewalt in Anspruch nehme, es sei denn, daß es ihr <hi rendition="#g">durch ein besonderes Gesetz</hi> übertragen werde.“</p> <p>Die Abweichung von der Theilung der Gewalten ist nicht zulässig, „es sei denn, daß sie durch ein besondres Gesetz“ vorgeschrieben sei! Und umgekehrt, die Anwendung der vorgeschriebenen Theilung der Gewalten ist ebenfalls nicht zulässig, „es sei denn, daß sie durch besondere Gesetze“ <choice><sic>vorgeschrieben</sic><corr>„vorgeschrieben“</corr></choice> sei! Welcher Tiefsinn! Welche Aufschlüsse!</p> <p>Von dem Fall einer Revolution, wo die Theilung der Gewalten ohne „ein besonderes Gesetz“ aufhört, spricht Herr Kühlwetter gar nicht.</p> <p>Herr Kühlwetter ergeht sich nun in eine Erörterung darüber, daß die Vollmacht für die Kommission, Zeugen eidlich zu vernehmen, Beamte zu requiriren u. s. w., kurz mit <hi rendition="#g">eignen Augen</hi> zu sehen, ein Eingriff in die Theilung der Gewalten sei und durch ein besonderes Gesetz festgestellt werden müsse. Als Beispiel wird die belgische Konstitution beigebracht, deren Artikel_40 das droit d'enquête den Kammern ausdrücklich giebt.</p> <p>Aber, Herr Kühlwetter, besteht denn in Preußen gesetzlich und thatsächlich eine Theilung der Gewalten in dem Sinn, in welchem Sie das Wort verstehen, in konstitutionellem Sinn? Ist die existirende Theilung der Gewalten nicht die beschränkte, zugestutzte, die der <hi rendition="#g">absoluten,</hi> der bureaukratischen Monarchie entspricht? Wie kann man also konstitutionelle Phrasen auf sie anwenden, ehe sie konstitutionell reformirt ist? Wie können die Preußen einen Art. 40 der Konstitution haben, so lange diese Konstitution selbst noch gar nicht existirt?</p> <p>Resümiren wir. Nach Hrn. Kühlwetter ist die Ernennung einer Kommission mit unbeschränkter Vollmacht ein Eingriff in die konstitutionelle Theilung der Gewalten. Die konstitutionelle Theilung der Gewalten besteht in Preußen noch gar nicht; man kann also auch keinen Eingriff in sie thun.</p> <p>Aber sie soll eingeführt werden, und während des revolutionären Provisoriums, in dem wir leben, muß sie, nach der Ansicht des Hrn. Kühlwetter, als <hi rendition="#g">schon bestehend</hi> vorausgesetzt werden. Hätte Herr Kühlwetter Recht, so müßten doch wahrlich auch die konstitutionellen <hi rendition="#g">Ausnahmen</hi> als bestehend vorausgesetzt werden! Und zu diesen konstitutionellen Ausnahmen gehört ja gerade das Untersuchungsrecht der gesetzgebenden Körper!</p> <p>Aber Herr Kühlwetter hat keineswegs Recht. Im Gegentheil: das revolutionäre Provisorium besteht gerade darin, daß die Theilung der Gewalten provisorisch <hi rendition="#g">aufgehoben</hi> ist, daß die gesetzgebende Behörde die Exekutivgewalt oder die Exekutivbehörde die gesetzgebende Gewalt momentan an sich reißt. Ob die revolutionäre Diktatur (sie ist eine Diktatur, mag sie noch so schlaff geübt werden) sich in den Händen der Krone oder einer Versammlung oder Beider zusammen befindet, ist ganz gleichgültig. Will Herr Kühlwetter Beispiele aller drei Fälle, die französische Geschichte seit 1789 liefert die Menge.</p> <p>Das Provisorium, an das Herr Kühlwetter appellirt, beweist gerade gegen ihn. Es gibt der Versammlung noch ganz andere Attribute, als das bloße Untersuchungsrecht – es gibt ihr sogar das Recht, sich nöthigenfalls in einen <hi rendition="#g">Gerichtshof</hi> zu verwandeln und ohne Gesetze zu verurtheilen!</p> <p>Hätte Herr Kühlwetter diese Konsequenzen vorausgesehen, er wäre vielleicht etwas vorsichtiger mit der „Anerkennung der Revolution“ umgegangen. Aber er beruhige sich:<lb/><lg type="poem"><l>Deutschland, die fromme Kinderstube,</l><lb/><l>Ist keine römische Mördergrube,</l><lb/></lg> und die Herren Vereinbarer mögen sitzen so lange sie wollen, sie werden nie ein „langes Parlament“ werden.</p> <p>Wenn wir übrigens den Amtsdoktrinär des Ministeriums der That mit seinem Vorgänger in der Doktrin, Hrn. Camphausen, vergleichen, so finden wir doch einen bedeutenden Abstand. Herr <choice><sic>Cemphausen</sic><corr>Camphausen</corr></choice> besaß jedenfalls unendlich mehr Originalität; er streifte an Guizot, aber Herr Kühlwetter erreicht nicht einmal den winzigen Lord John Russell.</p> <p>Wir haben die staatsphilosophische Fülle der Kühlwetter'schen Rede genugsam bewundert. Betrachten wir jetzt den Zweck, den eigentlichen praktischen Grund dieser bemoosten Weisheit, dieser ganzen Montesquieu'schen Theilungstheorie.</p> <p>Herr Kühlwetter kommt nämlich jetzt zu den Konsequenzen seiner Theorie. Das Ministerium ist ausnahmsweise geneigt, die Behörden anzuweisen, dasjenige auszuführen, was die Kommission für nöthig findet. Nur dagegen muß es sich erklären, daß Aufträge an die Behörden direkt von der Kommission ausgehen.</p> <p>D. h. die Kommission, ohne direkte Verbindung mit den Behörden, ohne Macht über sie, kann sie nicht zwingen, ihr andere Auskunft zu schaffen, als die die Behörden zu geben für gut finden. Und dazu noch der schleppende Geschäftsgang, der endlose Instanzenzug! Ein hübsches Mittel, unter dem Vorwande der Theilung der Gewalten die Kommission illusorisch zu machen!</p> <p>„Es kann die Absicht nicht sein, der Kommission die ganze Aufgabe zu übertragen, welche die Regierung hat, als ob Jemand daran dächte, der Kommission das Recht zum <hi rendition="#g">Regieren</hi> zu geben!“</p> <p>„Die Regierung würde <hi rendition="#g">neben</hi> der Kommission zu ermitteln fortfahren müssen, welche Ursachen der Entzweiung in Posen zu Grunde gelegen (eben daß sie schon so lange „ermittelt“ und noch nichts <hi rendition="#g">aus</hi>gemittelt hat, ist Grund genug sie jetzt ganz außer Frage zu lassen) und dadurch daß auf doppeltem Weg dieser Zweck verfolgt wird, dürfte Zeit und Mühe oft unnütz verwendet und dürften Kollisionen kaum zu vermeiden sein.“</p> <p>Nach den bisherigen Antecedentien würde die Kommission gewiß sehr viel „Zeit und Mühe unnütz verwenden“, wenn sie sich auf Hrn. Kühlwetters Vorschlag mit dem langwierigen Instanzenzuge einließ. Die Kollisionen sind auf diesem Wege ebenfalls viel leichter, als wenn die Kommission direkt mit den Behörden verkehrt und sofort Mißverständnisse aufklären, büreaukratische Trotzgelüste niederschlagen kann.</p> <p>„Es scheint <hi rendition="#g">daher</hi> (!) in der Natur der Sache zu liegen, daß die Kommission im <hi rendition="#g">Einverständniß</hi> mit dem Ministerium und unter <hi rendition="#g">steter Mitwirkung</hi> desselben den Zweck zu erreichen suche.“</p> <p>Immer besser! Eine Kommission die das Ministerium kontrolliren soll, im Einverständniß mit ihm und unter seiner steten Mitwirkung! Hr. Kühlwetter genirt sich nicht, merken zu lassen, wie er es für wünschenswerth hält, daß die Kommission unter seiner Kontrolle, nicht er unter der ihrigen stehe.</p> <p>„Wollte dagegen die Kommission eine isolirte Stellung einnehmen, so müßte die Frage entstehen, ob da die Kommission die Verantwortlichkeit übernehmen will und kann, welche dem Ministerium obliegt. Mit eben so viel Wahrheit als Geist ist bereits die Bemerkung gemacht worden, daß die Unverletztlichkeit der Deputirten mit dieser Verantwortlichkeit nicht vereinbarlich ist.“</p> <p>Es handelt sich nicht um Verwaltung, sondern bloß um Feststellung von Thatsachen. Die Kommission soll die Vollmacht erhalten, die dazu nöthigen Mittel anzuwenden. Das ist Alles. Daß sie sowohl wegen nachlässiger, wie wegen übertriebener Anwendung dieser Mittel der Versammlung verantwortlich ist, versteht sich von selbst.</p> <p>Die ganze Sache hat mit ministerieller Verantwortlichkeit und Deputirten-Unverantwortlichkeit eben so wenig <choice><sic>thun </sic><corr>zu thun</corr></choice> wie mit „Wahrheit“ und „Geist“.</p> <p>Genug, Herr Kühlwetter legte diese Vorschläge zur Lösung der Kollision, unter dem Vorwand der Theilung der Gewalten den Vereinbarern ans Herz, ohne indeß einen bestimmten Vorschlag zu machen. Das Ministerium der That fühlt sich auf unsicherm Boden.</p> <p>Wir können auf die weitere Diskussion nicht eingehen. Die Abstimmungen sind bekannt: die Niederlage der Regierung bei der namentlichen Abstimmung, der Staatsstreich der Rechten, die eine bereits verworfene Frage nachträglich noch annahm. Wir haben dies Alles schon gegeben. Wir fügen nur hinzu, daß unter den Rheinländern, die <hi rendition="#g">gegen</hi> die unbedingte Vollmacht der Kommission stimmten, uns folgende Namen auffallen:</p> <p>Arntz Dr. Jur., Bauerband, Frencken, Lensing, v. Loe, Reichensperger II., Simons, und der letzte aber nicht der geringste, unser Oberprokurator <hi rendition="#g">Zweiffel</hi>.</p> </div> </div> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="ar041_003" type="jArticle"> <head>Russisches Militär.</head> <p> <ref type="link">(Fortsetzung.)</ref> </p> <p>Ganz anders ist es freilich mit der Garde. Wenn man sie zuerst bei einer Revue sieht, da flößt sie fast Respekt ein; bekam man auch anderorts weit schönere Regimenter zu Gesichte, so kann man doch nicht leugnen, daß man selten so gut aussehende Truppen in solcher Masse beieinander fand.</p> <p>Die kaiserliche Garde, die immer die Marotte der russischen Souveräne und namentlich die des Kaisers Nicolaus und seines Bruders Michael war, besteht aus 41,000 Mann Infanterie, aus Artillerie und aus 15,000 Mann Kavallerie; nimmt man noch die Regimenter der jungen Garde und der Grenadiere hinzu, so mag sie zusammen an 120,000 Mann stark sein. Die Garden, die Elite der Armee, haben alle wenigstens 5 Fuß 11 Zoll. Beim ersten Anblick ist man frappirt von ihrem düstern Aeußern und von der außerordentlichen Aehnlichkeit der verschiedenen Individuen. Unter diesen Tausenden von Menschen findet man kaum einen einzigen Mann, der nicht für den Bruder seines Nachbars gelten könnte; es ist, als ob sie laut einem Ukas alle nach demselben Modell fabrizirt worden wären; die Präzision, die Gleichheit ihrer Haltung und ihres Anzuges machen den einen Soldaten zum Bilde des andern; der Grund dieser scheinbaren Aehnlichkeit liegt theilweise in dem wirklich traurig und finstern Aussehn sämmtlicher Personen so wie namentlich in dem gleichen Schnitt der Bärte, die nach einem Befehl des Kaisers der eine wie der andere kohlschwarz gefärbt werden.</p> <p>Unter den Waffen haben die Soldaten der Garde etwas sehr Imposantes. Von hoher Statur, militärischer Haltung, geschmackvoll gekleidet, in eine Uniform, die kunstreich zugeschnitten und die man jedem Manne eigens anpaßte, wären sie würdig, aus den Händen eines benachbarten Monarchen hervorgegangen zu sein, von dem der Kaiser Alexander einst sagte, daß das Schicksal, indem es ihm eine Krone gab, einen bewunderungswürdigen Schneidermeister verdorben habe. Nichts destoweniger liegt etwas burleskes in der Art und Weise, wie man die Tournüre der Soldaten zu vervollkommnen suchte; die Hosen schnüren dergestalt den Leib zu, daß der Magen, namentlich bei Leuten, die eine enorme Quantität Schwarzbrod verzehren, in der ungraziösesten Weise zum Vorschein kommt.</p> <p>Nach der Revue, wenn der Soldat die Waffen niederlegte, ist es wahrhaft zum Erstaunen, zu welch' einer miserablen Kreatur er hinabschwindet, wie sehr er mager ist, engbrüstig und ungelenk, wie die Kraft der Muskeln und die Elasticität der Glieder diesem großen, an den Leib eines früh aufgeschossenen Schülers erinnernden Körper fehlen, wie wenig er von dem gesunden Aussehen, von jenen athletischen Formen, und jenen martialischen Proportionen z. B. unsrer (der englischen) Garden hat. Mit einem Worte, wenn man diese ganze scheinbar prächtige Armee, ‒ denn die in Petersburg liegende Garde macht allein eine Armee aus, ‒ mit Aufmerksamkeit betrachtet, so überzeugt man sich bald davon, daß sie weniger deswirklichen Nutzens als der Parade wegen gebildet wurde. Bei der Parade bietet die kaiserliche Garde indeß wirklich einen sehr schönen Anblick. Die Infanterie-Regimenter mit der scharlachrothen Brust der Uniformen, und den hohen, schweren Czakos, die, von einer langen, schwarzen Feder überweht, einen jeden Soldat um eine halbe Manneslänge größer erscheinen lassen, marschiren mit einem untadelhaften ensemble, wenn ihre unabsehbaren Kolonnen vorüber wallen. Dann die Grenadiere der Garde, in weißen Uniformen und golden und schwarzen Kürassen; dann die reitende Garde, die „Gatschina“, in blau und weiß gekleidet, ebenfalls in Kürassen und auf dem Haupt einen Helm; die Garde-Dragoner, die Lanciers und die Husaren mit ihren rothen Uniformen und grauen Pferden; endlich die Kosacken-Regimenter, in Blau- und Scharlachkleidern, mit ihren langen Lanzen, deren bemalte Schäfte sich gleich Purpurwäldern über ihre Reihen erheben. ‒ Die Kavallerie-Regimenter haben alle mehr als zwölfhundert Mann, und jedes Regiment besteigt nur Pferde derselben Farbe, schwarz, braun, grau oder nußfarben.</p> <p>Nach ihnen kommt die Artillerie. Die Pontonniers folgen in kompakter Masse. Die Munitionswägen tragen die kaiserliche, die hellgrüne Farbe. Die Pferde dieses Theils der Garde sind vollkommen für ihren Dienst dressirt. Das Défilé schließt mit den vier Eskadronen des mahomedanischen Regiments, bestehend aus Cirkassiern, Kurden, Türken und andern um die kaukasischen Alpen wohnenden Stämmen, aus Exilirten, Avantüriers aller Länder, aus Renegaten und Geißeln. Die Kostüme jeder Eskadron variiren, alle sind indeß im höchsten Grade malerisch. Eine derselben trägt die einfache, baumwollene persische Mütze; die and're den niedrigen, einem Turban gleichenden Hut des Kaukasus. Als Waffen tragen sie den Pallasch, die lange Flinte, den Yataghan, Bogen und Pfeile.</p> <p> <ref type="link">(Forts. folgt.)</ref> </p> </div> <div xml:id="ar041_004" type="jArticle"> <head><bibl><author>X</author></bibl> Köln, 9. Juli.</head> <p>Man hat kürzlich in verschiedenen Zeitungen von großartigen Werbungen für Hecker berichtet, welche in Mainz, Trier u. s. w. stattgefunden haben sollten. Man ist soweit gegangen, zu behaupten, dies sei selbst in Köln geschehen. Wir haben uns angelegen sein lassen, dieser letzteren Behauptung auf den Grund zu gehen und folgendes ist das Resultat unserer Erkundigungen:</p> <p>Die von dem Herrn Staatsprokurator <hi rendition="#g">Hecker</hi> verfolgten vier Arbeiter sollen zu Dr. Friedrich <hi rendition="#g">Hecker</hi> in Muttenz gegangen sein, wenigstens Mainz bereits glücklich passirt haben. Wie man aber diese unbedeutende und zufällige Geschichte in Werbungen <hi rendition="#g">Heckers</hi> des Prokurators für <hi rendition="#g">Hecker</hi> den Freischärler, oder wie man sich auch ausdrückt, in Werbungen von und für <hi rendition="#g">Hecker</hi> verwandeln konnte, bleibt jedem Wohlgesinnten unbegreiflich.</p> <p>Hr. Hecker (der Staatsprokurator) ist übrigens mit Hrn. Hecker (dem Republikaner) weder verwandt noch verschwägert.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0201/0001]
Neue Rheinische Zeitung.Organ der Demokratie.No. 41. Köln, Dienstag 11. Juli 1848. Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an.
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Deutschland. * Köln, 10. Juli. Gestern sind eilf Setzer unserer Zeitung und Herr Clouth als Zeugen vorgeladen worden,
_ ** Köln, 9. Juli.
Welch ein dringend nothwendiger Akt der Gerechtigkeit gegen die Polen, die Ernennung einer Untersuchungs-Kommission mit unbedingter Vollmacht ist, geht aus dem Bericht hervor, den wir seit drei Tagen angefangen haben, nach authentischen Aktenstücken zu geben.
Die altpreußischen Beamten, schon von vorn herein in einer feindlichen Stellung gegen die Polen, sahen sich durch die Reorganisations-Verheißungen in ihrer Existenz bedroht. Der kleinste Akt der Gerechtigkeit gegen die Polen brachte ihnen Gefahr. Daher die fanatische Wuth, womit sie, unterstützt von der losgelassenen Soldateska, über die Polen herfielen, die Konventionen brachen, die harmlosesten Leute mißhandelten, die größten Schändlichkeiten durchgehen ließen oder sanktionirten, nur um die Polen zu einem Kampfe zu zwingen, in dem ihre Erdrückung durch die kolossalste Uebermacht gewiß war.
Das Ministerium Camphausen, nicht nur schwach, rathlos, schlecht berichtet, sondern sogar absichtlich, aus Prinzip unthätig, ließ Alles gehen, wie es ging. Die schauderhaftesten Barbareien geschahen, und Herr Camphausen rührte sich nicht.
Welche Berichte liegen jetzt vor über den posen'schen Bürgerkrieg?
Hier die partheiischen, interessirten Berichte der Urheber des Kriegs, der Beamten, der Offiziere, und die auf Beide gestützten Data, die das Ministerium geben kann. Das Ministerium ist ebenfalls selbst Partei, so lange Herr Hansemann darin sitzt. Diese Aktenstücke sind parteiisch, aber sie sind offiziell.
Dort die von den Polen gesammelten Thatsachen, ihre Klagschriften ans Ministerium, namentlich die Briefe des Erzbischofs Przyluski an die Minister. Diese Aktenstücke haben meist keinen offiziellen Charakter, ihre Verfasser erbieten sich aber zum Beweise der Wahrheit.
Die beiden Klassen von Berichten widersprechen einander total, und die Kommission soll untersuchen, welche Seite Recht hat.
Sie kann – wenige Ausnahmsfälle abgerechnet – dies nur dadurch thun, daß sie sich an Ort und Stelle begibt und durch Zeugenverhör wenigstens die wichtigsten Punkte ins Klare bringt. Wird ihr dies untersagt, so ist ihre ganze Thätigkeit illusorisch, so mag sie eine gewisse historisch-philologische Kritik üben, den einen oder den andern Bericht für glaubwürdiger erklären, aber entscheiden kann sie nicht.
Die ganze Bedeutung der Kommission hängt also von der Befugniß ab, Zeugen zu verhören, und daher der Eifer sämmtlicher Polenfresser in der Versammlung, sie durch allerlei tiefsinnige und spitzfindige Gründe zu beseitigen, daher der Staatsstreich am Schluß der Sitzung.
Der Abg. Bloem sagte in der Debatte des 4.: „Heißt es Wahrheit erforschen, wenn man, wie einige Amendements wollen, aus den Regierungsvorlagen die Wahrheit schöpfen will? Wahrlich mit Nichten! Woraus sind die Regierungsvorlagen entstanden? Aus den Berichten der Beamten größtentheils. Woraus sind die Beamten hervorgegangen? Aus dem alten System. Sind diese Beamten verschwunden, hat man aus neuer, volksthümlicher Wahl neue Landräthe eingesetzt? Keineswegs. Werden wir von den Beamten über die wahre Stimmung unterrichtet? Die alten Beamten berichten noch heute wie früher. Es ist also klar, die bloße Einsicht der Ministerialakten wird uns zu Nichts führen.“
Der Abg. Richter geht noch weiter. Er sieht in dem Benehmen der Posener Beamten nur die äußerste, aber nothwendige Folge der Beibehaltung des alten Verwaltungssystems und der alten Beamten überhaupt. Aehnliche Konflikte zwischen der Amtspflicht und dem Interesse der alten Beamten können alle Tage auch in andern Provinzen vorkommen. „Wir haben seit der Revolution ein anderes Ministerium und sogar ein zweites erhalten; aber das Ministerium ist ja nur die Seele, es hat überall gleichmäßig zu organisiren. Dagegen in den Provinzen ist überall die alte Organisation der Verwaltung dieselbe geblieben. Wollen Sie ein anderes Bild haben? Man gießt nicht den neuen Wein in alte verrottete Schläuche. Auf diese Art haben wir im Großherzogthum die furchtbarsten Klagen. Sollten wir nicht schon deßwegen eine Kommission niedersetzen, daß man sehe, wie sehr es nöthig ist, in andern Provinzen eben so gut wie in Posen, die alte Organisation durch eine neue zu ersetzen, die für Zeit und Umstände paßt?“
Der Abg. Richter hat Recht. Nach einer Revolution ist eine Erneuerung sämmtlicher Civil- und Militärbeamten, sowie eines Theils der gerichtlichen, und besonders der Parquet's, die erste Nothwendigkeit. Sonst scheitern die besten Maßregeln der Centralgewalt an der Widerhaarigkeit der Subalternen. Die Schwäche der französischen provisorischen Regierung, die Schwäche des Ministeriums Camphausen haben in dieser Beziehung bittere Früchte getragen.
In Preußen aber, wo eine seit vierzig Jahren vollständig organisirte büreaukratische Hierarchie in der Verwaltung und im Militär mit absoluter Gewalt geherrscht hat, in Preußen, wo gerade diese Büreaukratie der Hauptfeind war, den man am 19. März besiegt hatte, hier war die vollständige Erneuerung der Civil- und Militärbeamten noch unendlich dringender. Aber das Ministerium der Vermittlung hatte natürlich nicht den Beruf, revolutionäre Nothwendigkeiten durchzuführen. Es hatte eingestandnermaßen den Beruf, gar nichts zu thun, und ließ daher seinen alten Gegnern, den Büreaukraten, einstweilen die wirkliche Macht in den Händen. Es „vermittelte“ die alte Büreaukratie mit den neuen Zuständen; dafür „vermittelte“ die Büreaukratie ihm den Posen'schen Bürgerkrieg und die Verantwortlichkeit für Grausamkeiten, wie sie seit dem 30jährigen Kriege nicht mehr vorgekommen waren.
Das Ministerium Hansemann, Erbe des Ministeriums Camphausen, hatte sämmtliche Aktiva und Passiva seines Erblassers übernehmen müssen, also nicht nur die Majorität in der Kammer, sondern auch die Posen'schen Ereignisse und die Posen'schen Beamten. Das Ministerium war also direkt interessirt, die Untersuchung durch die Kommission so illusorisch wie möglich zu machen. Die Redner der ministeriellen Majorität und namentlich die Juristen, wandten ihren ganzen Vorrath von Kasuistik und Spitzfindigkeit an, um einen tiefsinnigen, prinzipiellen Grund zu entdecken, weßhalb die Kommission keine Zeugen verhören dürfe. Es würde zu weit führen, wollten wir uns hier auf die Bewunderung der Jurisprudenz eines Reichensperger u. s. w. einlassen. Wir müssen uns darauf beschränken, die gründliche Erörterung des Herrn Ministers Kühlwetter an's Tageslicht hervorzuziehen.
Hr. Kühlwetter, die materielle Frage gänzlich bei Seite lassend, beginnt mit der Erklärung wie äußerst angenehm es dem Ministerium sein werde, wenn solche Kommissionen ihm in Erfüllung seiner schweren Aufgabe durch Aufklärungen etc. zur Hand gingen. Ja, hätte Hr. Reuter nicht den glücklichen Einfall gehabt, eine solche Kommission vorzuschlagen, so würde Hr. Kühlwetter unbedingt selbst darauf gedrungen haben. Man möge der Kommission nur recht weitläuftige Aufträge geben (damit sie nie fertig werde), er sei damit einverstanden, daß eine ängstliche Abwägung durchaus nicht erforderlich sei. Sie möge die ganze Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Provinz Posen in den Bereich ihrer Wirksamkeit ziehen; sofern es sich nur um Aufklärungen handle, werde das Ministerium die Kompetenz der Kommission nicht ängstlich prüfen. Freilich könne man zu weit gehen, doch überlasse er es der Weisheit der Kommission, ob sie z. B. auch die Frage wegen Absetzung der posenschen Beamten in ihren Bereich ziehen wolle.
Soweit die einleitenden Konzessionen des Herrn Ministers, die mit einigen biedermännischen Deklamationen verbrämt, sich mehrerer lebhaften Bravos zu erfreuen hatten. Jetzt folgen die Aber.
„Wenn aber bemerkt worden ist, daß die Berichte über Posen unmöglich ein richtiges Licht verbreiten könnten, weil es nur Beamte seien und zwar Beamte aus der alten Zeit, halte ich es für meine Pflicht, einen ehrenwerthen Stand in Schutz zu nehmen. Ist es wahr, daß einzelne Beamte ihrer Pflicht nicht getreu gewesen sind, so ahnde man dies an den einzelnen Pflichtvergessenen, aber der Stand der Beamten darf niemals herabgewürdigt werden, weil einzelne Glieder desselben ihre Pflicht verletzt haben.“
Wie kühn Hr. Kühlwetter auftritt! Allerdings haben einzelne Pflichtverletzungen stattgefunden, aber im Ganzen haben die Beamten ihre Pflicht in ehrenwerther Weise gethan.
Und in der That, die Masse der posenschen Beamten hat ihre „Pflicht“ gethan, ihre „Pflicht gegen ihren Diensteid“, gegen das ganze altpreußische System der Büreaukratie, gegen ihr eignes, mit dieser Pflicht zusammenfallendes Interesse. Sie haben ihre Pflicht erfüllt, indem ihnen jedes Mittel gut war, um den 19. März in Posen zu vernichten. Und gerade deßwegen, Hr. Kühlwetter, ist es Ihre „Pflicht“, diese Beamten in Masse abzusetzen!
Aber Herr Kühlwetter spricht von der, durch die vorrevolutionären Gesetze bestimmten Pflicht, da wo es sich von einer ganz andern Pflicht handelt, die nach jeder Revolution eintritt, und die darin besteht, die veränderten Verhältnisse richtig aufzufassen und ihre Entwicklung zu befördern. Und den Beamten zumuthen, sie sollen den büreaukratischen Standpunkt mit dem konstitutionellen vertauschen, sie sollen sich eben so gut wie die neuen Minister auf den Boden der Revolution stellen, das heißt nach Hrn. Kühlwetter einen ehrenwerthen Stand herabwürdigen!
Auch den Vorwurf, es seien Parteihäupter begünstigt und Verbrechen ungestraft geblieben, weist Hr. Kühlwetter in dieser Allgemeinheit zurück. Man soll einzelne Fälle angeben.
Behauptet Hr. Kühlwetter etwa alles Ernstes, auch nur ein kleiner Theil der Brutalitäten und Grausamkeiten sei bestraft worden, die die preußische Soldateska verübt, die die Beamten zugelassen und unterstützt, denen die Deutschpolen und Juden Beifall zugejubelt haben? Herr Kühlwetter sagt, er habe bisher das kolossale Material noch nicht von allen Seiten prüfen können. In der That, er scheint es höchstens nach einer Seite hin geprüft zu haben.
Jetzt aber kommt Herr Kühlwetter zu der „schwierigsten und bedenklichsten Frage“, nämlich der: in welchen Formen die Kommission verhandeln solle. Herr Kühlwetter hätte diese Frage gründlicher diskutirt gewünscht, denn „es liegt in dieser Frage, wie mit Recht bemerkt worden, eine Prinzipienfrage, die Frage des droit d'enquête.“
Herr Kühlwetter beglückt uns nun mit einer längeren Entwicklung über die Theilung der Gewalten im Staat, die gewiß manches Neue für die oberschlesischen und pommerschen Bauern in der Versammlung enthielt. Es macht einen merkwürdigen Eindruck, im Jahre des Heils 1848 einen preußischen Minister, und noch dazu einen „Minister der That“, auf der Tribüne mit feierlichem Ernst den Montesquieu auslegen zu hören.
Die Theilung der Gewalten, die Herr Kühlwetter und andre große Staatsphilosophen als ein heiliges und unverletzliches Prinzip mit der tiefsten Ehrfurcht betrachten, ist im Grunde nichts anders als die profane industrielle Theilung der Arbeit, zur Vereinfachung und Kontrolle angewandt auf den Staatsmechanismus. Sie wird, wie alle andern heiligen, ewigen und unverletzlichen Prinzipien, nur soweit angewandt, als sie gerade den bestehenden Verhältnissen zusagt. So laufen in der konstitutionellen Monarchie z. B. die gesetzgebende und vollziehende Gewalt in der Person des Fürsten durcheinander; ferner in den Kammern die gesetzgebende Gewalt mit der Kontrolle über die vollziehende u. s. w. Diese unentbehrlichen Beschränkungen der Theilung der Arbeit im Staat drücken nun Staatsweise von der Force eines „Ministers der That“ folgendermaßen aus:
„Die gesetzgebende Gewalt, soweit dieselbe durch die Volksrepräsentation ausgeübt wird, hat ihre eignen Organe; die vollziehende Gewalt hat ihre eignen Organe, und nicht minder die richterliche Gewalt. Es ist daher (!) nicht zulässig, daß die eine Gewalt direkt die Organe der andern Gewalt in Anspruch nehme, es sei denn, daß es ihr durch ein besonderes Gesetz übertragen werde.“
Die Abweichung von der Theilung der Gewalten ist nicht zulässig, „es sei denn, daß sie durch ein besondres Gesetz“ vorgeschrieben sei! Und umgekehrt, die Anwendung der vorgeschriebenen Theilung der Gewalten ist ebenfalls nicht zulässig, „es sei denn, daß sie durch besondere Gesetze“ „vorgeschrieben“ sei! Welcher Tiefsinn! Welche Aufschlüsse!
Von dem Fall einer Revolution, wo die Theilung der Gewalten ohne „ein besonderes Gesetz“ aufhört, spricht Herr Kühlwetter gar nicht.
Herr Kühlwetter ergeht sich nun in eine Erörterung darüber, daß die Vollmacht für die Kommission, Zeugen eidlich zu vernehmen, Beamte zu requiriren u. s. w., kurz mit eignen Augen zu sehen, ein Eingriff in die Theilung der Gewalten sei und durch ein besonderes Gesetz festgestellt werden müsse. Als Beispiel wird die belgische Konstitution beigebracht, deren Artikel_40 das droit d'enquête den Kammern ausdrücklich giebt.
Aber, Herr Kühlwetter, besteht denn in Preußen gesetzlich und thatsächlich eine Theilung der Gewalten in dem Sinn, in welchem Sie das Wort verstehen, in konstitutionellem Sinn? Ist die existirende Theilung der Gewalten nicht die beschränkte, zugestutzte, die der absoluten, der bureaukratischen Monarchie entspricht? Wie kann man also konstitutionelle Phrasen auf sie anwenden, ehe sie konstitutionell reformirt ist? Wie können die Preußen einen Art. 40 der Konstitution haben, so lange diese Konstitution selbst noch gar nicht existirt?
Resümiren wir. Nach Hrn. Kühlwetter ist die Ernennung einer Kommission mit unbeschränkter Vollmacht ein Eingriff in die konstitutionelle Theilung der Gewalten. Die konstitutionelle Theilung der Gewalten besteht in Preußen noch gar nicht; man kann also auch keinen Eingriff in sie thun.
Aber sie soll eingeführt werden, und während des revolutionären Provisoriums, in dem wir leben, muß sie, nach der Ansicht des Hrn. Kühlwetter, als schon bestehend vorausgesetzt werden. Hätte Herr Kühlwetter Recht, so müßten doch wahrlich auch die konstitutionellen Ausnahmen als bestehend vorausgesetzt werden! Und zu diesen konstitutionellen Ausnahmen gehört ja gerade das Untersuchungsrecht der gesetzgebenden Körper!
Aber Herr Kühlwetter hat keineswegs Recht. Im Gegentheil: das revolutionäre Provisorium besteht gerade darin, daß die Theilung der Gewalten provisorisch aufgehoben ist, daß die gesetzgebende Behörde die Exekutivgewalt oder die Exekutivbehörde die gesetzgebende Gewalt momentan an sich reißt. Ob die revolutionäre Diktatur (sie ist eine Diktatur, mag sie noch so schlaff geübt werden) sich in den Händen der Krone oder einer Versammlung oder Beider zusammen befindet, ist ganz gleichgültig. Will Herr Kühlwetter Beispiele aller drei Fälle, die französische Geschichte seit 1789 liefert die Menge.
Das Provisorium, an das Herr Kühlwetter appellirt, beweist gerade gegen ihn. Es gibt der Versammlung noch ganz andere Attribute, als das bloße Untersuchungsrecht – es gibt ihr sogar das Recht, sich nöthigenfalls in einen Gerichtshof zu verwandeln und ohne Gesetze zu verurtheilen!
Hätte Herr Kühlwetter diese Konsequenzen vorausgesehen, er wäre vielleicht etwas vorsichtiger mit der „Anerkennung der Revolution“ umgegangen. Aber er beruhige sich:
Deutschland, die fromme Kinderstube,
Ist keine römische Mördergrube,
und die Herren Vereinbarer mögen sitzen so lange sie wollen, sie werden nie ein „langes Parlament“ werden.
Wenn wir übrigens den Amtsdoktrinär des Ministeriums der That mit seinem Vorgänger in der Doktrin, Hrn. Camphausen, vergleichen, so finden wir doch einen bedeutenden Abstand. Herr Camphausen besaß jedenfalls unendlich mehr Originalität; er streifte an Guizot, aber Herr Kühlwetter erreicht nicht einmal den winzigen Lord John Russell.
Wir haben die staatsphilosophische Fülle der Kühlwetter'schen Rede genugsam bewundert. Betrachten wir jetzt den Zweck, den eigentlichen praktischen Grund dieser bemoosten Weisheit, dieser ganzen Montesquieu'schen Theilungstheorie.
Herr Kühlwetter kommt nämlich jetzt zu den Konsequenzen seiner Theorie. Das Ministerium ist ausnahmsweise geneigt, die Behörden anzuweisen, dasjenige auszuführen, was die Kommission für nöthig findet. Nur dagegen muß es sich erklären, daß Aufträge an die Behörden direkt von der Kommission ausgehen.
D. h. die Kommission, ohne direkte Verbindung mit den Behörden, ohne Macht über sie, kann sie nicht zwingen, ihr andere Auskunft zu schaffen, als die die Behörden zu geben für gut finden. Und dazu noch der schleppende Geschäftsgang, der endlose Instanzenzug! Ein hübsches Mittel, unter dem Vorwande der Theilung der Gewalten die Kommission illusorisch zu machen!
„Es kann die Absicht nicht sein, der Kommission die ganze Aufgabe zu übertragen, welche die Regierung hat, als ob Jemand daran dächte, der Kommission das Recht zum Regieren zu geben!“
„Die Regierung würde neben der Kommission zu ermitteln fortfahren müssen, welche Ursachen der Entzweiung in Posen zu Grunde gelegen (eben daß sie schon so lange „ermittelt“ und noch nichts ausgemittelt hat, ist Grund genug sie jetzt ganz außer Frage zu lassen) und dadurch daß auf doppeltem Weg dieser Zweck verfolgt wird, dürfte Zeit und Mühe oft unnütz verwendet und dürften Kollisionen kaum zu vermeiden sein.“
Nach den bisherigen Antecedentien würde die Kommission gewiß sehr viel „Zeit und Mühe unnütz verwenden“, wenn sie sich auf Hrn. Kühlwetters Vorschlag mit dem langwierigen Instanzenzuge einließ. Die Kollisionen sind auf diesem Wege ebenfalls viel leichter, als wenn die Kommission direkt mit den Behörden verkehrt und sofort Mißverständnisse aufklären, büreaukratische Trotzgelüste niederschlagen kann.
„Es scheint daher (!) in der Natur der Sache zu liegen, daß die Kommission im Einverständniß mit dem Ministerium und unter steter Mitwirkung desselben den Zweck zu erreichen suche.“
Immer besser! Eine Kommission die das Ministerium kontrolliren soll, im Einverständniß mit ihm und unter seiner steten Mitwirkung! Hr. Kühlwetter genirt sich nicht, merken zu lassen, wie er es für wünschenswerth hält, daß die Kommission unter seiner Kontrolle, nicht er unter der ihrigen stehe.
„Wollte dagegen die Kommission eine isolirte Stellung einnehmen, so müßte die Frage entstehen, ob da die Kommission die Verantwortlichkeit übernehmen will und kann, welche dem Ministerium obliegt. Mit eben so viel Wahrheit als Geist ist bereits die Bemerkung gemacht worden, daß die Unverletztlichkeit der Deputirten mit dieser Verantwortlichkeit nicht vereinbarlich ist.“
Es handelt sich nicht um Verwaltung, sondern bloß um Feststellung von Thatsachen. Die Kommission soll die Vollmacht erhalten, die dazu nöthigen Mittel anzuwenden. Das ist Alles. Daß sie sowohl wegen nachlässiger, wie wegen übertriebener Anwendung dieser Mittel der Versammlung verantwortlich ist, versteht sich von selbst.
Die ganze Sache hat mit ministerieller Verantwortlichkeit und Deputirten-Unverantwortlichkeit eben so wenig zu thun wie mit „Wahrheit“ und „Geist“.
Genug, Herr Kühlwetter legte diese Vorschläge zur Lösung der Kollision, unter dem Vorwand der Theilung der Gewalten den Vereinbarern ans Herz, ohne indeß einen bestimmten Vorschlag zu machen. Das Ministerium der That fühlt sich auf unsicherm Boden.
Wir können auf die weitere Diskussion nicht eingehen. Die Abstimmungen sind bekannt: die Niederlage der Regierung bei der namentlichen Abstimmung, der Staatsstreich der Rechten, die eine bereits verworfene Frage nachträglich noch annahm. Wir haben dies Alles schon gegeben. Wir fügen nur hinzu, daß unter den Rheinländern, die gegen die unbedingte Vollmacht der Kommission stimmten, uns folgende Namen auffallen:
Arntz Dr. Jur., Bauerband, Frencken, Lensing, v. Loe, Reichensperger II., Simons, und der letzte aber nicht der geringste, unser Oberprokurator Zweiffel.
Russisches Militär. (Fortsetzung.)
Ganz anders ist es freilich mit der Garde. Wenn man sie zuerst bei einer Revue sieht, da flößt sie fast Respekt ein; bekam man auch anderorts weit schönere Regimenter zu Gesichte, so kann man doch nicht leugnen, daß man selten so gut aussehende Truppen in solcher Masse beieinander fand.
Die kaiserliche Garde, die immer die Marotte der russischen Souveräne und namentlich die des Kaisers Nicolaus und seines Bruders Michael war, besteht aus 41,000 Mann Infanterie, aus Artillerie und aus 15,000 Mann Kavallerie; nimmt man noch die Regimenter der jungen Garde und der Grenadiere hinzu, so mag sie zusammen an 120,000 Mann stark sein. Die Garden, die Elite der Armee, haben alle wenigstens 5 Fuß 11 Zoll. Beim ersten Anblick ist man frappirt von ihrem düstern Aeußern und von der außerordentlichen Aehnlichkeit der verschiedenen Individuen. Unter diesen Tausenden von Menschen findet man kaum einen einzigen Mann, der nicht für den Bruder seines Nachbars gelten könnte; es ist, als ob sie laut einem Ukas alle nach demselben Modell fabrizirt worden wären; die Präzision, die Gleichheit ihrer Haltung und ihres Anzuges machen den einen Soldaten zum Bilde des andern; der Grund dieser scheinbaren Aehnlichkeit liegt theilweise in dem wirklich traurig und finstern Aussehn sämmtlicher Personen so wie namentlich in dem gleichen Schnitt der Bärte, die nach einem Befehl des Kaisers der eine wie der andere kohlschwarz gefärbt werden.
Unter den Waffen haben die Soldaten der Garde etwas sehr Imposantes. Von hoher Statur, militärischer Haltung, geschmackvoll gekleidet, in eine Uniform, die kunstreich zugeschnitten und die man jedem Manne eigens anpaßte, wären sie würdig, aus den Händen eines benachbarten Monarchen hervorgegangen zu sein, von dem der Kaiser Alexander einst sagte, daß das Schicksal, indem es ihm eine Krone gab, einen bewunderungswürdigen Schneidermeister verdorben habe. Nichts destoweniger liegt etwas burleskes in der Art und Weise, wie man die Tournüre der Soldaten zu vervollkommnen suchte; die Hosen schnüren dergestalt den Leib zu, daß der Magen, namentlich bei Leuten, die eine enorme Quantität Schwarzbrod verzehren, in der ungraziösesten Weise zum Vorschein kommt.
Nach der Revue, wenn der Soldat die Waffen niederlegte, ist es wahrhaft zum Erstaunen, zu welch' einer miserablen Kreatur er hinabschwindet, wie sehr er mager ist, engbrüstig und ungelenk, wie die Kraft der Muskeln und die Elasticität der Glieder diesem großen, an den Leib eines früh aufgeschossenen Schülers erinnernden Körper fehlen, wie wenig er von dem gesunden Aussehen, von jenen athletischen Formen, und jenen martialischen Proportionen z. B. unsrer (der englischen) Garden hat. Mit einem Worte, wenn man diese ganze scheinbar prächtige Armee, ‒ denn die in Petersburg liegende Garde macht allein eine Armee aus, ‒ mit Aufmerksamkeit betrachtet, so überzeugt man sich bald davon, daß sie weniger deswirklichen Nutzens als der Parade wegen gebildet wurde. Bei der Parade bietet die kaiserliche Garde indeß wirklich einen sehr schönen Anblick. Die Infanterie-Regimenter mit der scharlachrothen Brust der Uniformen, und den hohen, schweren Czakos, die, von einer langen, schwarzen Feder überweht, einen jeden Soldat um eine halbe Manneslänge größer erscheinen lassen, marschiren mit einem untadelhaften ensemble, wenn ihre unabsehbaren Kolonnen vorüber wallen. Dann die Grenadiere der Garde, in weißen Uniformen und golden und schwarzen Kürassen; dann die reitende Garde, die „Gatschina“, in blau und weiß gekleidet, ebenfalls in Kürassen und auf dem Haupt einen Helm; die Garde-Dragoner, die Lanciers und die Husaren mit ihren rothen Uniformen und grauen Pferden; endlich die Kosacken-Regimenter, in Blau- und Scharlachkleidern, mit ihren langen Lanzen, deren bemalte Schäfte sich gleich Purpurwäldern über ihre Reihen erheben. ‒ Die Kavallerie-Regimenter haben alle mehr als zwölfhundert Mann, und jedes Regiment besteigt nur Pferde derselben Farbe, schwarz, braun, grau oder nußfarben.
Nach ihnen kommt die Artillerie. Die Pontonniers folgen in kompakter Masse. Die Munitionswägen tragen die kaiserliche, die hellgrüne Farbe. Die Pferde dieses Theils der Garde sind vollkommen für ihren Dienst dressirt. Das Défilé schließt mit den vier Eskadronen des mahomedanischen Regiments, bestehend aus Cirkassiern, Kurden, Türken und andern um die kaukasischen Alpen wohnenden Stämmen, aus Exilirten, Avantüriers aller Länder, aus Renegaten und Geißeln. Die Kostüme jeder Eskadron variiren, alle sind indeß im höchsten Grade malerisch. Eine derselben trägt die einfache, baumwollene persische Mütze; die and're den niedrigen, einem Turban gleichenden Hut des Kaukasus. Als Waffen tragen sie den Pallasch, die lange Flinte, den Yataghan, Bogen und Pfeile.
(Forts. folgt.)
X Köln, 9. Juli. Man hat kürzlich in verschiedenen Zeitungen von großartigen Werbungen für Hecker berichtet, welche in Mainz, Trier u. s. w. stattgefunden haben sollten. Man ist soweit gegangen, zu behaupten, dies sei selbst in Köln geschehen. Wir haben uns angelegen sein lassen, dieser letzteren Behauptung auf den Grund zu gehen und folgendes ist das Resultat unserer Erkundigungen:
Die von dem Herrn Staatsprokurator Hecker verfolgten vier Arbeiter sollen zu Dr. Friedrich Hecker in Muttenz gegangen sein, wenigstens Mainz bereits glücklich passirt haben. Wie man aber diese unbedeutende und zufällige Geschichte in Werbungen Heckers des Prokurators für Hecker den Freischärler, oder wie man sich auch ausdrückt, in Werbungen von und für Hecker verwandeln konnte, bleibt jedem Wohlgesinnten unbegreiflich.
Hr. Hecker (der Staatsprokurator) ist übrigens mit Hrn. Hecker (dem Republikaner) weder verwandt noch verschwägert.
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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