Neue Rheinische Zeitung. Nr. 41. Köln, 11. Juli 1848.[Deutschland] * Köln, 10. Juli. Gestern wurde in einer großen Volksversammlung auf dem Gürzenich folgende Adresse an die Vereinbarungsversammlung einstimmig beschlossen: Hohe Versammlung! Das Ministerium Auerswald-Hansemann hat die Anerkennung der Revolution ausgesprochen und sich das Ministerium der That genannt. Das Land mußte also erwarten, daß das Ministerium endlich Hand an's Werk legen werde, die Revolution zur Vollendung zu bringen und die Errungenschaften derselben so rasch als möglich zu befestigen. Allein wie bitter sehen wir überall unsere Erwartung getäuscht, wo die Thätigkeit dieses Ministeriums sich zeigt! Zahlreiche Verhaftungen in Berlin, Köln, Düsseldorf und andern Städten folgen der Anerkennung der Revolution auf dem Fuße und kaum läßt sich bezweifeln, daß der Zweck dieser Verhaftungen kein anderer ist, als die gegenwärtige politische Bewegung zu hemmen, die Freiheit der Rede und Presse zu beschränken, und namentlich die demokratischen Bestrebungen gewaltsam zu unterdrücken. Das Kriegsministerium befolgt nicht allein die Tendenz des frühern; es versagt nicht allein dem Militärstände die Ausübung des Versammlungs- und Petitionsrechtes, sondern es geht sogar viel weiter: Militär-Personen, welche an demokratischen Gesellschaften Theil genommen, werden gegen ihren Willen versetzt und verhaftet, so der Bombardier Funk und der Feldwebel Nesemann bei der 8. Art.-Brigade. Die hohe Versammlung selbst hat über die Mißhandlung der Schleswig-Holsteiner Freischärler in Spandau ihren Abscheu ausgesprochen. Eine gleiche Mißhandlung hat eine Schaar Freischärler in Neuwied erlitten, Entwaffnung und Verhaftung ohne allen Grund! Auf der einen Seite wird eine Zwangsanleihe ausgeschrieben und auf der andern werden durch die fortwährenden Dislokationen der Truppen ungeheure Summen verwendet. Rodbertus sieht sich genöthigt aus dem Ministerium zu treten, weil das Ministerium die Souveränität der Nationalversammlung zu Frankfurt nicht anerkennen will. Hansemann beabsichtigt für das Geschwornengericht den Census als den Maßstab der politischen Mündigkeit wieder einzuführen! So die innere Politik; die auswärtige ist eine rein passive. Das Ministerium der That ist rath- und thatlos. Bekannt ist seine entschiedene Weigerung, die gegen die Polen befolgte Politik einer gründlichen Untersuchung unterwerfen zu lassen. Die hohe Versammlung hat gegen das Ministerium votirt; das Ministerium ist geblieben. Ebenso bekannt sind die vielfachen kleinern Niederlagen welche das Ministerium in der parlamentarischen Debatte erlitten hat; es scheint ihm aber mehr an seiner Existenz gelegen zu sein, als an den thatsächlichen Durchführung der Revolution. Das Land muß glauben, daß die Anerkennung der Revolution und der Name Ministerium der That nichts als ein eitles Wortgepränge sein soll, um hinter der Phrase die contrerevolutionäre Praxis zu verstecken. Die Unterzeichneten Bürger Köln's tragen demnach dahin an, die hohe Versammlung wolle erklären, daß das Ministerium Auerswald-Hansemann das Vertrauen des Landes nicht besitze. 103 Berlin, 8. Juli. Seit gestern herrscht wieder große Aufregung in der ganzen Stadt. Die gestern Morgens angekündigte Ankunft zweier Bataillone Infanterie und einer Eskadron Garde-Dragoner erregte sowohl in der Bürgerwehr als unter dem Volke die stärkste Unzufriedenheit. Die Bürgerwehr war entrüstet über die Verletzung des Prinzips, daß nämlich nie Truppen nach Berlin gezogen werden sollten, ohne Einwilligung der Bürgerwehr und des Magistrats. Der Magistrat hat diesmal eigenmächtig gehandelt und der Kriegsminister hielt es für überflüßig vor dem Einmarsch der Truppen dem Kommando der Bürgerwehr davon Anzeige zu machen. In Folge dessen versammelten sich Bürger und Volk gestern Mittag im Frankfurter Bahnhof um bei Ankunft des Militärs, demselben den Einmarsch in die Stadt zu verwehren. Es gelang aber noch die Massen zu beruhigen, so daß die Soldaten nach der in der Münzstraße belegenen Kaserne gelangen konnten. In derselben entstand aber gestern Abend ein neuer Streit zwischen ihnen und einigen hundert Landwehrmännern, die schon seit drei Wochen da einquartirt waren und nun durch die hinzugekommenen Soldaten in ihrer Bequemlichkeit gestört wurden. Große Volkshaufen hatten sich vor der Kaserne versammelt und verlangten die sofortige Entfernung der Soldaten. Die Stimmung war sehr aufgeregt, die Erstürmung der Kaserne wurde in Vorschlag gebracht. Da ließ der Kommandant der Bürgerwehr mehrere Bataillone anrücken um die Massen zu zerstreuen. Trotz mehrfacher Aufforderungen verließ aber Niemand den Platz. Gegen 11 Uhr Abends schritt die Bürgerwehr endlich mit Gewalt ein, zersprengte die Haufen und nahm siebzehn Personen gefangen, die nach der Stadtvoigtei abgeführt und der Erregung von Aufruhr angeklagt werden. Es sollen sich einige gebildete Personen, aber von unbekannten Namen unter den Gefangenen befinden. Blut ist bei dieser Gelegenheit nicht geflossen, da der Kommandont die Anwendung der Waffengewalt wohlweislich streng verboten hatte. Für heute Abend hegt man neue Befürchtungen, da Sonnabend hier der günstigste Tag für einen Auflauf angesehen wird, weil Sonnabend Abend die vielen Tausend Arbeiter, die außer der Stadt beschäftigt sind, alle zur Stadt kommen und leicht aufgeregt werden können. Heute Abend findet auch eine große Volksversammlung vor den Zelten statt, die vom demokratischen Klub veranstaltet ist, wo hauptsächlich die Frankfurter Angelegenheit über die Wahl des unverantwortlichen Reichsverwesers, aber auch das Einrücken des Militärs, zur Sprache kommen soll. Von den demokratischen Klubs ist eine Adresse an die radikal-demokratische Partei der deutschen Nationalversammlung in Frankfurt, als Antwort auf deren bekannte Ansprache beschlossen. Diese Adresse fordert die Abgeordneten dieser Partei auf, ferner bei ihren Ansichten zu verharren und sich, da sie in der Nationalversammlung überstimmt werden, als besondere Versammlung zu konstituiren, indem nur sie allein im Sinne des souveränen deutschen Volkes handeln. Diese Adresse wird hier mit vielen Tausend Unterschriften versehen werden und das demokratische Central-Comite für ganz Deutschland, das sich dieser Tage hier konstituirte, wird diese Adresse an alle deutsche demokratische Vereine einsenden, damit eine große Masse des deutschen Volkes, seine Meinung bestimmt zu erkennen giebt. Die Wahl der zwei hiesigen Mitglieder hatte vielfachen Streit im demok. Klub hervorgerufen, indem die eine Partei, an deren Spitze der Präsident des Klubs Schramm, durch direkte Wahl sämmtlicher Mitglieder aller demokratischen Klubs die Mitglieder des Central-Comites wählen lassen wollte, während die andere Partei, unterstützt von den kleinern Klubs auf indirekte Wahlen durch Wahlmänner bestand. Obgleich der letzte Wahlmodus, um eine Einigung mit den kleinen Klubs herbeizuführen, endlich vom demokratischen auch angenommen wurde, veranlaßte dieser, über acht Tage geführte Streit doch den Austritt vieler Mitglieder aus dem demokratischen Klub, welche wahrscheinlich einen neuen bilden, oder sich dem Volksklub, dessen Präsident Professor Benary ist, anschließen werden. In Potsdam sollen die unruhigen Bewegungen unter den Soldaten immer mehr überhand nehmen. Die Soldaten wollen sich ihre freie Meinungsäußerung durchaus nicht nehmen lassen. Auch [Deutschland] * Köln, 10. Juli. Gestern wurde in einer großen Volksversammlung auf dem Gürzenich folgende Adresse an die Vereinbarungsversammlung einstimmig beschlossen: Hohe Versammlung! Das Ministerium Auerswald-Hansemann hat die Anerkennung der Revolution ausgesprochen und sich das Ministerium der That genannt. Das Land mußte also erwarten, daß das Ministerium endlich Hand an's Werk legen werde, die Revolution zur Vollendung zu bringen und die Errungenschaften derselben so rasch als möglich zu befestigen. Allein wie bitter sehen wir überall unsere Erwartung getäuscht, wo die Thätigkeit dieses Ministeriums sich zeigt! Zahlreiche Verhaftungen in Berlin, Köln, Düsseldorf und andern Städten folgen der Anerkennung der Revolution auf dem Fuße und kaum läßt sich bezweifeln, daß der Zweck dieser Verhaftungen kein anderer ist, als die gegenwärtige politische Bewegung zu hemmen, die Freiheit der Rede und Presse zu beschränken, und namentlich die demokratischen Bestrebungen gewaltsam zu unterdrücken. Das Kriegsministerium befolgt nicht allein die Tendenz des frühern; es versagt nicht allein dem Militärstände die Ausübung des Versammlungs- und Petitionsrechtes, sondern es geht sogar viel weiter: Militär-Personen, welche an demokratischen Gesellschaften Theil genommen, werden gegen ihren Willen versetzt und verhaftet, so der Bombardier Funk und der Feldwebel Nesemann bei der 8. Art.-Brigade. Die hohe Versammlung selbst hat über die Mißhandlung der Schleswig-Holsteiner Freischärler in Spandau ihren Abscheu ausgesprochen. Eine gleiche Mißhandlung hat eine Schaar Freischärler in Neuwied erlitten, Entwaffnung und Verhaftung ohne allen Grund! Auf der einen Seite wird eine Zwangsanleihe ausgeschrieben und auf der andern werden durch die fortwährenden Dislokationen der Truppen ungeheure Summen verwendet. Rodbertus sieht sich genöthigt aus dem Ministerium zu treten, weil das Ministerium die Souveränität der Nationalversammlung zu Frankfurt nicht anerkennen will. Hansemann beabsichtigt für das Geschwornengericht den Census als den Maßstab der politischen Mündigkeit wieder einzuführen! So die innere Politik; die auswärtige ist eine rein passive. Das Ministerium der That ist rath- und thatlos. Bekannt ist seine entschiedene Weigerung, die gegen die Polen befolgte Politik einer gründlichen Untersuchung unterwerfen zu lassen. Die hohe Versammlung hat gegen das Ministerium votirt; das Ministerium ist geblieben. Ebenso bekannt sind die vielfachen kleinern Niederlagen welche das Ministerium in der parlamentarischen Debatte erlitten hat; es scheint ihm aber mehr an seiner Existenz gelegen zu sein, als an den thatsächlichen Durchführung der Revolution. Das Land muß glauben, daß die Anerkennung der Revolution und der Name Ministerium der That nichts als ein eitles Wortgepränge sein soll, um hinter der Phrase die contrerevolutionäre Praxis zu verstecken. Die Unterzeichneten Bürger Köln's tragen demnach dahin an, die hohe Versammlung wolle erklären, daß das Ministerium Auerswald-Hansemann das Vertrauen des Landes nicht besitze. 103 Berlin, 8. Juli. Seit gestern herrscht wieder große Aufregung in der ganzen Stadt. Die gestern Morgens angekündigte Ankunft zweier Bataillone Infanterie und einer Eskadron Garde-Dragoner erregte sowohl in der Bürgerwehr als unter dem Volke die stärkste Unzufriedenheit. Die Bürgerwehr war entrüstet über die Verletzung des Prinzips, daß nämlich nie Truppen nach Berlin gezogen werden sollten, ohne Einwilligung der Bürgerwehr und des Magistrats. Der Magistrat hat diesmal eigenmächtig gehandelt und der Kriegsminister hielt es für überflüßig vor dem Einmarsch der Truppen dem Kommando der Bürgerwehr davon Anzeige zu machen. In Folge dessen versammelten sich Bürger und Volk gestern Mittag im Frankfurter Bahnhof um bei Ankunft des Militärs, demselben den Einmarsch in die Stadt zu verwehren. Es gelang aber noch die Massen zu beruhigen, so daß die Soldaten nach der in der Münzstraße belegenen Kaserne gelangen konnten. In derselben entstand aber gestern Abend ein neuer Streit zwischen ihnen und einigen hundert Landwehrmännern, die schon seit drei Wochen da einquartirt waren und nun durch die hinzugekommenen Soldaten in ihrer Bequemlichkeit gestört wurden. Große Volkshaufen hatten sich vor der Kaserne versammelt und verlangten die sofortige Entfernung der Soldaten. Die Stimmung war sehr aufgeregt, die Erstürmung der Kaserne wurde in Vorschlag gebracht. Da ließ der Kommandant der Bürgerwehr mehrere Bataillone anrücken um die Massen zu zerstreuen. Trotz mehrfacher Aufforderungen verließ aber Niemand den Platz. Gegen 11 Uhr Abends schritt die Bürgerwehr endlich mit Gewalt ein, zersprengte die Haufen und nahm siebzehn Personen gefangen, die nach der Stadtvoigtei abgeführt und der Erregung von Aufruhr angeklagt werden. Es sollen sich einige gebildete Personen, aber von unbekannten Namen unter den Gefangenen befinden. Blut ist bei dieser Gelegenheit nicht geflossen, da der Kommandont die Anwendung der Waffengewalt wohlweislich streng verboten hatte. Für heute Abend hegt man neue Befürchtungen, da Sonnabend hier der günstigste Tag für einen Auflauf angesehen wird, weil Sonnabend Abend die vielen Tausend Arbeiter, die außer der Stadt beschäftigt sind, alle zur Stadt kommen und leicht aufgeregt werden können. Heute Abend findet auch eine große Volksversammlung vor den Zelten statt, die vom demokratischen Klub veranstaltet ist, wo hauptsächlich die Frankfurter Angelegenheit über die Wahl des unverantwortlichen Reichsverwesers, aber auch das Einrücken des Militärs, zur Sprache kommen soll. Von den demokratischen Klubs ist eine Adresse an die radikal-demokratische Partei der deutschen Nationalversammlung in Frankfurt, als Antwort auf deren bekannte Ansprache beschlossen. Diese Adresse fordert die Abgeordneten dieser Partei auf, ferner bei ihren Ansichten zu verharren und sich, da sie in der Nationalversammlung überstimmt werden, als besondere Versammlung zu konstituiren, indem nur sie allein im Sinne des souveränen deutschen Volkes handeln. Diese Adresse wird hier mit vielen Tausend Unterschriften versehen werden und das demokratische Central-Comité für ganz Deutschland, das sich dieser Tage hier konstituirte, wird diese Adresse an alle deutsche demokratische Vereine einsenden, damit eine große Masse des deutschen Volkes, seine Meinung bestimmt zu erkennen giebt. Die Wahl der zwei hiesigen Mitglieder hatte vielfachen Streit im demok. Klub hervorgerufen, indem die eine Partei, an deren Spitze der Präsident des Klubs Schramm, durch direkte Wahl sämmtlicher Mitglieder aller demokratischen Klubs die Mitglieder des Central-Comites wählen lassen wollte, während die andere Partei, unterstützt von den kleinern Klubs auf indirekte Wahlen durch Wahlmänner bestand. Obgleich der letzte Wahlmodus, um eine Einigung mit den kleinen Klubs herbeizuführen, endlich vom demokratischen auch angenommen wurde, veranlaßte dieser, über acht Tage geführte Streit doch den Austritt vieler Mitglieder aus dem demokratischen Klub, welche wahrscheinlich einen neuen bilden, oder sich dem Volksklub, dessen Präsident Professor Benary ist, anschließen werden. In Potsdam sollen die unruhigen Bewegungen unter den Soldaten immer mehr überhand nehmen. Die Soldaten wollen sich ihre freie Meinungsäußerung durchaus nicht nehmen lassen. 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Zahlreiche Verhaftungen in Berlin, Köln, Düsseldorf und andern Städten folgen der Anerkennung der Revolution auf dem Fuße und kaum läßt sich bezweifeln, daß der Zweck dieser Verhaftungen kein anderer ist, als die gegenwärtige politische Bewegung zu hemmen, die Freiheit der Rede und Presse zu beschränken, und namentlich die demokratischen Bestrebungen gewaltsam zu unterdrücken. Das Kriegsministerium befolgt nicht allein die Tendenz des frühern; es versagt nicht allein dem Militärstände die Ausübung des Versammlungs- und Petitionsrechtes, sondern es geht sogar viel weiter: Militär-Personen, welche an demokratischen Gesellschaften Theil genommen, werden gegen ihren Willen versetzt und verhaftet, so der Bombardier Funk und der Feldwebel Nesemann bei der 8. Art.-Brigade. Die hohe Versammlung selbst hat über die Mißhandlung der Schleswig-Holsteiner Freischärler in Spandau ihren Abscheu ausgesprochen. Eine gleiche Mißhandlung hat eine Schaar Freischärler in Neuwied erlitten, Entwaffnung und Verhaftung ohne allen Grund! Auf der einen Seite wird eine Zwangsanleihe ausgeschrieben und auf der andern werden durch die fortwährenden Dislokationen der Truppen ungeheure Summen verwendet. Rodbertus sieht sich genöthigt aus dem Ministerium zu treten, weil das Ministerium die Souveränität der Nationalversammlung zu Frankfurt nicht anerkennen will. Hansemann beabsichtigt für das Geschwornengericht den Census als den Maßstab der politischen Mündigkeit wieder einzuführen! So die innere Politik; die auswärtige ist eine rein passive. Das Ministerium der That ist rath- und thatlos. Bekannt ist seine entschiedene Weigerung, die gegen die Polen befolgte Politik einer gründlichen Untersuchung unterwerfen zu lassen. Die hohe Versammlung hat gegen das Ministerium votirt; das Ministerium ist geblieben. Ebenso bekannt sind die vielfachen kleinern Niederlagen welche das Ministerium in der parlamentarischen Debatte erlitten hat; es scheint ihm aber mehr an seiner Existenz gelegen zu sein, als an den thatsächlichen Durchführung der Revolution.</p> <p>Das Land muß glauben, daß die Anerkennung der Revolution und der Name Ministerium der That nichts als ein eitles Wortgepränge sein soll, um hinter der Phrase die contrerevolutionäre Praxis zu verstecken.</p> <p>Die Unterzeichneten Bürger Köln's tragen demnach dahin an, die hohe Versammlung wolle erklären, daß das Ministerium Auerswald-Hansemann das Vertrauen des Landes nicht besitze.</p> </div> <div xml:id="ar041_006" type="jArticle"> <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 8. Juli.</head> <p>Seit gestern herrscht wieder große Aufregung in der ganzen Stadt. Die gestern Morgens angekündigte Ankunft zweier Bataillone Infanterie und einer Eskadron Garde-Dragoner erregte sowohl in der Bürgerwehr als unter dem Volke die stärkste Unzufriedenheit. Die Bürgerwehr war entrüstet über die Verletzung des Prinzips, daß nämlich nie Truppen nach Berlin gezogen werden sollten, ohne Einwilligung der Bürgerwehr und des Magistrats. Der Magistrat hat diesmal eigenmächtig gehandelt und der Kriegsminister hielt es für überflüßig vor dem Einmarsch der Truppen dem Kommando der Bürgerwehr davon Anzeige zu machen. In Folge dessen versammelten sich Bürger und Volk gestern Mittag im Frankfurter Bahnhof um bei Ankunft des Militärs, demselben den Einmarsch in die Stadt zu verwehren. Es gelang aber noch die Massen zu beruhigen, so daß die Soldaten nach der in der Münzstraße belegenen Kaserne gelangen konnten. In derselben entstand aber gestern Abend ein neuer Streit zwischen ihnen und einigen hundert Landwehrmännern, die schon seit drei Wochen da einquartirt waren und nun durch die hinzugekommenen Soldaten in ihrer Bequemlichkeit gestört wurden. Große Volkshaufen hatten sich vor der Kaserne versammelt und verlangten die sofortige Entfernung der Soldaten. Die Stimmung war sehr aufgeregt, die Erstürmung der Kaserne wurde in Vorschlag gebracht. Da ließ der Kommandant der Bürgerwehr mehrere Bataillone anrücken um die Massen zu zerstreuen. Trotz mehrfacher Aufforderungen verließ aber Niemand den Platz. Gegen 11 Uhr Abends schritt die Bürgerwehr endlich mit Gewalt ein, zersprengte die Haufen und nahm <hi rendition="#g">siebzehn</hi> Personen gefangen, die nach der Stadtvoigtei abgeführt und der Erregung von Aufruhr angeklagt werden. Es sollen sich einige gebildete Personen, aber von unbekannten Namen unter den Gefangenen befinden. Blut ist bei dieser Gelegenheit nicht geflossen, da der Kommandont die Anwendung der Waffengewalt wohlweislich streng verboten hatte. Für heute Abend hegt man neue Befürchtungen, da Sonnabend hier der günstigste Tag für einen Auflauf angesehen wird, weil Sonnabend Abend die vielen Tausend Arbeiter, die außer der Stadt beschäftigt sind, alle zur Stadt kommen und leicht aufgeregt werden können.</p> <p>Heute Abend findet auch eine große Volksversammlung vor den Zelten statt, die vom demokratischen Klub veranstaltet ist, wo hauptsächlich die Frankfurter Angelegenheit über die Wahl des unverantwortlichen Reichsverwesers, aber auch das Einrücken des Militärs, zur Sprache kommen soll. Von den demokratischen Klubs ist eine Adresse an die radikal-demokratische Partei der deutschen Nationalversammlung in Frankfurt, als Antwort auf deren bekannte Ansprache beschlossen. Diese Adresse fordert die Abgeordneten dieser Partei auf, ferner bei ihren Ansichten zu verharren und sich, da sie in der Nationalversammlung überstimmt werden, als besondere Versammlung zu konstituiren, indem nur sie allein im Sinne des souveränen deutschen Volkes handeln. Diese Adresse wird hier mit vielen Tausend Unterschriften versehen werden und das demokratische Central-Comité für ganz Deutschland, das sich dieser Tage hier konstituirte, wird diese Adresse an alle deutsche demokratische Vereine einsenden, damit eine große Masse des deutschen Volkes, seine Meinung bestimmt zu erkennen giebt.</p> <p>Die Wahl der zwei hiesigen Mitglieder hatte vielfachen Streit im demok. Klub hervorgerufen, indem die eine Partei, an deren Spitze der Präsident des Klubs <hi rendition="#g">Schramm,</hi> durch <hi rendition="#g">direkte</hi> Wahl sämmtlicher Mitglieder aller demokratischen Klubs die Mitglieder des Central-Comites wählen lassen wollte, während die andere Partei, unterstützt von den kleinern Klubs auf indirekte Wahlen durch Wahlmänner bestand. Obgleich der letzte Wahlmodus, um eine Einigung mit den kleinen Klubs herbeizuführen, endlich vom demokratischen auch angenommen wurde, veranlaßte dieser, über acht Tage geführte Streit doch den Austritt vieler Mitglieder aus dem demokratischen Klub, welche wahrscheinlich einen neuen bilden, oder sich dem Volksklub, dessen Präsident Professor Benary ist, anschließen werden.</p> <p>In Potsdam sollen die unruhigen Bewegungen unter den Soldaten immer mehr überhand nehmen. Die Soldaten wollen sich ihre freie Meinungsäußerung durchaus nicht nehmen lassen. Auch </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0202/0002]
[Deutschland] * Köln, 10. Juli. Gestern wurde in einer großen Volksversammlung auf dem Gürzenich folgende Adresse an die Vereinbarungsversammlung einstimmig beschlossen:
Hohe Versammlung!
Das Ministerium Auerswald-Hansemann hat die Anerkennung der Revolution ausgesprochen und sich das Ministerium der That genannt. Das Land mußte also erwarten, daß das Ministerium endlich Hand an's Werk legen werde, die Revolution zur Vollendung zu bringen und die Errungenschaften derselben so rasch als möglich zu befestigen. Allein wie bitter sehen wir überall unsere Erwartung getäuscht, wo die Thätigkeit dieses Ministeriums sich zeigt! Zahlreiche Verhaftungen in Berlin, Köln, Düsseldorf und andern Städten folgen der Anerkennung der Revolution auf dem Fuße und kaum läßt sich bezweifeln, daß der Zweck dieser Verhaftungen kein anderer ist, als die gegenwärtige politische Bewegung zu hemmen, die Freiheit der Rede und Presse zu beschränken, und namentlich die demokratischen Bestrebungen gewaltsam zu unterdrücken. Das Kriegsministerium befolgt nicht allein die Tendenz des frühern; es versagt nicht allein dem Militärstände die Ausübung des Versammlungs- und Petitionsrechtes, sondern es geht sogar viel weiter: Militär-Personen, welche an demokratischen Gesellschaften Theil genommen, werden gegen ihren Willen versetzt und verhaftet, so der Bombardier Funk und der Feldwebel Nesemann bei der 8. Art.-Brigade. Die hohe Versammlung selbst hat über die Mißhandlung der Schleswig-Holsteiner Freischärler in Spandau ihren Abscheu ausgesprochen. Eine gleiche Mißhandlung hat eine Schaar Freischärler in Neuwied erlitten, Entwaffnung und Verhaftung ohne allen Grund! Auf der einen Seite wird eine Zwangsanleihe ausgeschrieben und auf der andern werden durch die fortwährenden Dislokationen der Truppen ungeheure Summen verwendet. Rodbertus sieht sich genöthigt aus dem Ministerium zu treten, weil das Ministerium die Souveränität der Nationalversammlung zu Frankfurt nicht anerkennen will. Hansemann beabsichtigt für das Geschwornengericht den Census als den Maßstab der politischen Mündigkeit wieder einzuführen! So die innere Politik; die auswärtige ist eine rein passive. Das Ministerium der That ist rath- und thatlos. Bekannt ist seine entschiedene Weigerung, die gegen die Polen befolgte Politik einer gründlichen Untersuchung unterwerfen zu lassen. Die hohe Versammlung hat gegen das Ministerium votirt; das Ministerium ist geblieben. Ebenso bekannt sind die vielfachen kleinern Niederlagen welche das Ministerium in der parlamentarischen Debatte erlitten hat; es scheint ihm aber mehr an seiner Existenz gelegen zu sein, als an den thatsächlichen Durchführung der Revolution.
Das Land muß glauben, daß die Anerkennung der Revolution und der Name Ministerium der That nichts als ein eitles Wortgepränge sein soll, um hinter der Phrase die contrerevolutionäre Praxis zu verstecken.
Die Unterzeichneten Bürger Köln's tragen demnach dahin an, die hohe Versammlung wolle erklären, daß das Ministerium Auerswald-Hansemann das Vertrauen des Landes nicht besitze.
103 Berlin, 8. Juli. Seit gestern herrscht wieder große Aufregung in der ganzen Stadt. Die gestern Morgens angekündigte Ankunft zweier Bataillone Infanterie und einer Eskadron Garde-Dragoner erregte sowohl in der Bürgerwehr als unter dem Volke die stärkste Unzufriedenheit. Die Bürgerwehr war entrüstet über die Verletzung des Prinzips, daß nämlich nie Truppen nach Berlin gezogen werden sollten, ohne Einwilligung der Bürgerwehr und des Magistrats. Der Magistrat hat diesmal eigenmächtig gehandelt und der Kriegsminister hielt es für überflüßig vor dem Einmarsch der Truppen dem Kommando der Bürgerwehr davon Anzeige zu machen. In Folge dessen versammelten sich Bürger und Volk gestern Mittag im Frankfurter Bahnhof um bei Ankunft des Militärs, demselben den Einmarsch in die Stadt zu verwehren. Es gelang aber noch die Massen zu beruhigen, so daß die Soldaten nach der in der Münzstraße belegenen Kaserne gelangen konnten. In derselben entstand aber gestern Abend ein neuer Streit zwischen ihnen und einigen hundert Landwehrmännern, die schon seit drei Wochen da einquartirt waren und nun durch die hinzugekommenen Soldaten in ihrer Bequemlichkeit gestört wurden. Große Volkshaufen hatten sich vor der Kaserne versammelt und verlangten die sofortige Entfernung der Soldaten. Die Stimmung war sehr aufgeregt, die Erstürmung der Kaserne wurde in Vorschlag gebracht. Da ließ der Kommandant der Bürgerwehr mehrere Bataillone anrücken um die Massen zu zerstreuen. Trotz mehrfacher Aufforderungen verließ aber Niemand den Platz. Gegen 11 Uhr Abends schritt die Bürgerwehr endlich mit Gewalt ein, zersprengte die Haufen und nahm siebzehn Personen gefangen, die nach der Stadtvoigtei abgeführt und der Erregung von Aufruhr angeklagt werden. Es sollen sich einige gebildete Personen, aber von unbekannten Namen unter den Gefangenen befinden. Blut ist bei dieser Gelegenheit nicht geflossen, da der Kommandont die Anwendung der Waffengewalt wohlweislich streng verboten hatte. Für heute Abend hegt man neue Befürchtungen, da Sonnabend hier der günstigste Tag für einen Auflauf angesehen wird, weil Sonnabend Abend die vielen Tausend Arbeiter, die außer der Stadt beschäftigt sind, alle zur Stadt kommen und leicht aufgeregt werden können.
Heute Abend findet auch eine große Volksversammlung vor den Zelten statt, die vom demokratischen Klub veranstaltet ist, wo hauptsächlich die Frankfurter Angelegenheit über die Wahl des unverantwortlichen Reichsverwesers, aber auch das Einrücken des Militärs, zur Sprache kommen soll. Von den demokratischen Klubs ist eine Adresse an die radikal-demokratische Partei der deutschen Nationalversammlung in Frankfurt, als Antwort auf deren bekannte Ansprache beschlossen. Diese Adresse fordert die Abgeordneten dieser Partei auf, ferner bei ihren Ansichten zu verharren und sich, da sie in der Nationalversammlung überstimmt werden, als besondere Versammlung zu konstituiren, indem nur sie allein im Sinne des souveränen deutschen Volkes handeln. Diese Adresse wird hier mit vielen Tausend Unterschriften versehen werden und das demokratische Central-Comité für ganz Deutschland, das sich dieser Tage hier konstituirte, wird diese Adresse an alle deutsche demokratische Vereine einsenden, damit eine große Masse des deutschen Volkes, seine Meinung bestimmt zu erkennen giebt.
Die Wahl der zwei hiesigen Mitglieder hatte vielfachen Streit im demok. Klub hervorgerufen, indem die eine Partei, an deren Spitze der Präsident des Klubs Schramm, durch direkte Wahl sämmtlicher Mitglieder aller demokratischen Klubs die Mitglieder des Central-Comites wählen lassen wollte, während die andere Partei, unterstützt von den kleinern Klubs auf indirekte Wahlen durch Wahlmänner bestand. Obgleich der letzte Wahlmodus, um eine Einigung mit den kleinen Klubs herbeizuführen, endlich vom demokratischen auch angenommen wurde, veranlaßte dieser, über acht Tage geführte Streit doch den Austritt vieler Mitglieder aus dem demokratischen Klub, welche wahrscheinlich einen neuen bilden, oder sich dem Volksklub, dessen Präsident Professor Benary ist, anschließen werden.
In Potsdam sollen die unruhigen Bewegungen unter den Soldaten immer mehr überhand nehmen. Die Soldaten wollen sich ihre freie Meinungsäußerung durchaus nicht nehmen lassen. Auch
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(2017-03-20T13:08:10Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
(2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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