Neue Rheinische Zeitung. Nr. 50. Köln, 20. Juli 1848.17 Prag, 14. Juli.
Wenn die böhmischen Wahlen überhaupt ein bedeutendes Gewicht in die Wagschaale des östreichischen Reichstags werfen, so werden unsere Prager Deputirten gewiß einen bedeutenden Einfluß auf die übrigen böhmischen Deputirten haben. Dr. Riegerwird gewiß unter den czechischen Deputirten am meisten hervorragen; er ist der beste Redner unter unsern Abgeordneten. Dr. Strobach ist der populärste Mann in Prag; sein Charakter ist ehrenvoll in jeder Hinsicht, aber er hat weder Energie noch Rednertalent. Palazky wird nicht einen so leichten Stand haben. Der sogenannte "Deutschenfresser" hat die Gewohnheit, seine Ansichten schroff und hart hinzustellen; er ist kein Redner, eine rein doctrinäre Natur, und es sollte mich wundern, wenn er nicht Anlaß zu Scandalen gäbe. Borrosch, der vierte Deputirte Prags, hat einen scharfen Verstand, eine klare Darstellung und einen besondern Takt, die Schwächen seiner Gegner ausfindig zu machen, ermüdet aber durch die Länge seiner Vorträge und die Trockenheit seiner Beweisführung. Was das Glaubensbekenntniß dieser vier Männer anbelangt, so kann man wohl annehmen, daß Palazky und Borrosch mehr zu den Konservativen, Rieger und Strobach mehr zu den Liberalen sich neigen werden. Von den übrigen Wahlbezirken sind bis jetzt 60 Deputirte bekannt, unter denen sich aber noch kein nationalökonomisches Talent befindet. - Der Belagerungszustand unserer Stadt ist wiederum um etwas gemildert, die Thore werden nämlich jetzt erst um 10 Uhr geschlossen; die Kanonen und der größere Theil der Truppen in den Straßen ist ebenfalls verschwunden und wir fühlen das Drückende nur in der Willkührherrschaft, welche die Presse umklammert hält und in den Beschränkungen, welche der Großhandel durch die Nichtacceptation aller Papiers auf Prag, erfahren muß. - Die Erklärung der 67 Bürger, welche den Belagerungszustand zu verlängern nachsuchten, hat, wie Sie denken können, eine allgemeine Indignation hervorgebracht und ich bin gewiß, daß das Militär von der in der letzten Zeit besonders ungünstigen Witterung auch mürbe genug gemacht worden ist. - Der Redakteur Hawljcek ist gestern seiner Haft entlassen, dagegen der Dr.Fritsch heute eingezogen worden. Polen.
Lemberg, 11. Juli.
Aus Russisch-Polen kommen täglich junge Leute über die Gränze, die mit Rücklassung ihrer Habe von dort entfliehen, wo auf alle junge Männer ohne Standesunterschied und ohne nachzusehen, ob sie körperlich geeignet, förmlich Jagd gemacht wird, um sie unter das Militär einzureihen. Eine solche Flucht ist wegen der strengen Grenzbewachung mit Lebensgefahr verbunden. Aller Bedrohung, aller Absperrung ungeachtet hat sich die Kunde von den Vorgängen im westlichen Europa doch nach Russisch-Polen den Weg gebahnt. (D. A. Z.)* Krakau, 11. Juli.
In dieser Nacht lieferte man aus Podgorze 9 unserer Brüder an Rußland aus. Sie standen unter dem Schutze Oesterreichs, unter dem vom Minister Pillersdorf jedem in Oesterreich Eintretenden zugesicherten Schutze! Das ist die Verwirklichung dieses Schutzes! In Preußen liefert man freundschaftlichst aus, in Oesterreich ebenfalls: nun das ist immer neuer Kiet, um die heilige Allianz festzusammen zu halten. Ungarn.
* Agram, 10. Juli.
Die Landtagsverhandlungen haben in den letzten Sitzungen schneller als in den vorigen zu Resultaten geführt. Nachdem eine bedeutende Majorität sich für die Abänderung des Verwaltungssystems entschieden hatte, wurde das an den Ausschuß wiederholt gewiesene Operat der Gränzcommission in einer einzigen Sitzung erledigt und mit geringen Amendements angenommen. Die Gränze wird sich mit diesen wesentlichen Erleichterungen nach welchen sie Jahrelang vergebens geseufzt, zufriedenstellen und ein Mehres erst dann verlangen, wenn dies zu gewähren die Zeitumstände erlauben werden. Das den Gränzer besonders drückende Oberlehnsrecht des Staates wurde abgeschafft, und jener zum freien Eigenthümer seines Bodens gemacht; die Theilung des Hausgrundes, die bisher nicht zugelassen wurde, wird ihm nunmehr gestattet werden, und eine Beschränkung in dieser Hinsicht wurde blos rücksichtlich des Stammgutes gemacht, das nicht weniger als 3 und nicht mehr als 16 Joch Erde betragen darf. Letzteres darf auch nicht veräußert werden, damit das Gränzhaus für die Erhaltung eines, und nach Maßgabe des Stammguts mehrer Gränzsoldaten stets einen stabilen Fond habe. Die Weiden und Waldungen wurden dem Gränzer theilweise restituirt und in Bezug auf die Eichelung in ärarischen Wäldern große Erleichterungen eingeführt. Auch die Beschwerden hinsichtlich der Aerarialrobot haben eine günstige Erledigung gefunden. Die Militärverwaltung wurde von der Civiladministration gänzlich getrennt, das Theresianum für Criminalverbrechen der nicht enrolirten Gränzer außer Anwendung gesetzt, und für die Justizverwaltung das östreichische bürgerliche und Strafgesetzbuch als Provisorium bestimmt, bis der Landtag einen für das Provinziale und die Gränze gleichmäßigen Civil- und Kriminalcoder ausarbeiten wird. Dies sind im Wesentlichen die vorzüglichern Bestimmungen des angenommenen Kommissionsoperates, welches bald im Druck erscheinen wird. Der Bericht des Urbarialausschusses veranlaßte wieder eine längere Diskussion, während welcher man sich hauptsächlich darüber nicht einigen konnte, welche von den verschiedenen Anträgen, die beinahe jedes Kammermitglied stellte, als Anhaltspunkte der Berathung festgehalten werden sollen. Die Aufhebung der Robot, des Zehnten und der übrigen Urbarialabgaben, die gleich nach dem Schlusse der ungarischen Reichstage von den Jurisdiktionen in Folge eigener Municipalbeschlüsse, - zu welchen sich die Komitate und Städte durch die zu befürchtenden Bauernaufstände genöthigt sahen, - publicirt wurde, ward ohne die geringste Einsprache gutgeheißen und nur der Antrag des Ausschusses auf Entschädigung der Grundherrn rief eine kleine Debatte hervor. Der weitere Antrag des Urbarialausschusses, demzufolge die sogenannten Regalrechte der Dominien, als das Recht des Weinschankes, der Fleischausschrotung, der Fischerei u.s.w. abgeschaft werden sollten, wurde von einer kleinen Partei hartnäckig bekämpft, während sich die entschiedene Mehrheit zu Gunsten des Antrages aussprach. Das Jagd- und Fischereirecht wurde gänzlich abgeschaft, Jedem gestattet auf seinem Boden zu jagen, und in den Flüssen, so weit sie an seinen Grund gränzen, Fischfang zu treiben. In der gestrigen Sitzung wurde der Bericht des Ausschusses verlesen, dem die Feststellung der Bedingungen aufgetragen wurde, unter welchen diese Königreiche im Verbande mit Ungarn zu bleiben gewollt sind. Es wurde der Beschluß gefaßt, daß man nicht blos als kroatische Nation, sondern als Nation der drei vereinigten Königreiche und der serbischen Wojwodschaft, deren Vertreter bei der Pacifikation zugegen sein müssen, traktire; daß man die eigene nationale Selbstständigkeit und Unabhängigkeit vom Lande Ungarn sowohl in legislativer als administrativer Hinsicht festzuhalten gesonnen sei, dabei aber in allen gemeinstaatlichen Angelegenheiten für die ganze Monarchie mit Einschluß Ungarns eine Centralregierung verlange, und endlich, daß in Ungarn die Gleichberechtigung aller Nationalitäten ausgesprochen und gewährleistet werde. - Nachmittags wurde die Schlußsitzung des gegenwärtigen Landtags gehalten, und das Protokoll verlesen. Donaufürstenthümer.
Bucharest, 29. Juni.
Der Staatsschatz, in welchem sich nach den Büchern 3 1/2 Millionen Piaster hätten befinden sollen, enthielt Nichts, als einen leeren Raum. (Das Nämliche passirt ja auch in gewissen Staaten Deutschlands.) - Von der Protestation des russischen Consuls erfahre ich, sie sei sehr kurz gewesen und habe sich auf die Erklärung beschränkt, die eingeführten 22 Paragraphen der neuen Constitution seien als nicht zu Recht bestehend und das "Reglement organique" als noch ferner in voller Kraft zu betrachten. Gestern hat sich ein demokratischer Klub gebildet, in der Absicht, die Regierung mit Rath zu unterstützen, und über deren Gang zu wachen. Alexander Golesco, Bruder der beiden Minister und Sekretär der provisorischen Regierung, unbezweifelt einer der besten Köpfe des Landes, nahm Theil an der Versammlung und wurde zum Vicepräsidenten erwählt; Architekt Melik, ein Armenier der seine Studien in Paris gemacht, zu einem der Sekretäre. Nachrichten von Jbraila berichten, daß die in jenem Hafen sich befindenden Matrosen griechischer Kauffahrteifahrer sogleich Partei für's Volk gegen die dortige Polizei ergriffen haben, was den Ausschlag gab. Eingezogene Erkundigungen lassen hoffen, daß Frankreich und England die Walachen nicht in Stich lassen werden. (A. A. Z.)Französische Republik.
17 Paris, 17. Juli.
Paris wird von mehreren Standlagern umgeben; im Norden an der Chapelle St. Denis, im Osten auf der vom alten Soult für die Festung "Canonville" (Kanonenstadt) bestimmten Ebene St. Maur sind bereits zwei fertig. Im Faubourg St. Antoine zeigen sich wieder Keime von Zusammenschaarungen des Abends, allein ohne Mühe treibt eine Patrouille sie fort. Dies genügt jedoch schon um die Bourgeoisie wieder in Angstschweiß zu jagen. Das große Lager bei Versailles wird auch in Eile organisirt. Aber in den Faubourgs cirkuliren autographirte Zeitungen, gegen die kein Lager Macht hat; auf einem Stück einer solchen las ich buchstäblich: ...Geduld und Rache ist unsere Parole, ihr Proletarier; wir sind besiegt aber nicht ausgelöscht; wir sind verwundet, gebrandmarkt, gekettet, im Hungerjoch, geknebelt, verhöhnt, aber wir leben noch. Brüder, Schwestern! jetzt beschwören unsre Feinde, wir Kinder des sozialen Elends hätten uns mit Galerensträflingen verbunden und nach einer Hausplünderung im westlichen Stadttheil getrachtet; das ist eine Lüge mehr, sie sind an's Lügen gewöhnt, diese Herren von der Rente und von Erziehung. Gewiß, hätten nach unserm Siege einige hungrige Thoren geplündert, wir hätten ihnen bald das Lebenslicht ausgeblasen. Der Schurke der Schurken aber, der reiche Staatsplünderer Adolphe Thiers und seine reichen Großwürdenträger Barrot, Dupin, Hauranne, Lasteyrie u. s. w. haben neulich in den Kammercomite's, worin sie fast sämmtlich Präsidenten und Sekretäre sind, gejubelt und gemurmelt: jetzt sind wir die Meister. Die Partei des National wird von ihnen bei Seite geschoben, und der Pascha Marrast trennt sich vom National um zum Schurkenkönig Thiers zu beten; Marrast wäre im Stande nach einem Ministerpräsidium unter der Regentschaft zu jagen. Brüder! ach das alles ist Moder und Pest; wenn manche unter uns davon angesteckt wären, was Wunder? Ist nicht das Beispiel der Hochgestellten und Schwerbesoldeten, der Feingelehrten und Wohlbegüterten gar mächtig? warum soll das arme Volk nicht nachahmen was die reichen Messieurs ihm vormachen? Unter den Reichen giebt es gewiß neunzig Prozent Tagediebe, unter uns Armen höchstens zehn Prozent; und trotz unsres Fleißes geben jene uns eine nichtswürdige Arbeit die kaum ein Vieh oder Maschine thäte, und einen nichtswürdigen Tagelohn; trotz unsres Fleißes werden unsere Mädchen prostituirt um dadurch den reichen Damen als Blitzableiter zu dienen. Aber nicht die Reichen allein sind unsere Feinde; die Mittelleute sind es noch mehr. Wartet nur, die unerbittliche Faust der Gewerbstockung, der Geldkrisis rückt auch auf sie los, und ehe das Jahr zu Ende, werden manche Boutiquierfamilien das Kreuz schlagen und hinabstürzen in die schwarzen Reihen des Proletariats, das sie jetzt noch verleumden. Geduld, Brüder! Geduld " ... Mehr konnte ich nicht von der Zeitung habhaft werden. - Ein Brief an Lamartine von E. Barrault wird als Flugblatt verkauft; es heißt in ihm: "Dichter, Sie sind schuldig. In der provisorischen Regierung haben Sie drei edle Thaten vollbracht, aber das waren wahrlich keine Regierungsmaßregeln, weder die Abschaffung der Blutfahne, noch des Blutgerüstes, noch die Friedensproklamation. Die Hauptsache ließen Sie weg, obschon die Bourgeoisie gänzlich vom Donner betroffen, und das Arbeitervolk ganz wie ein gutmüthiger Knabe Ihnen völlig freien Spielraum, in jener frühesten Zeit Ihrer zweimonatlichen Dictatur, gestattet hätte. Sie mußten Dichter, als ein moderner Turgot die ersten Schritte wagen zum Umsturz die Finanzdespotie, wie er den Umsturz der Bodenaristokratie angebahnt hat. Bei Gott, er hätte nicht zwei Monate müßig da oben gesessen wie Sie, Dichter. Was war also zu thun? Das Volk mußte in Reih und Glied gestellt werden, nicht als Soldat des Krieges sondern als Soldat der Arbeit; dazu boten die Eisenbahnen treffliche Mittel; auf die sanfteste Weise wurden danach auch Kanäle, Bergwerke, Waldungen, Nationalgut, auf dem das Ouvrierheer sein heiliges Arbeitsrecht ausüben konnte. Statt dessen was thaten Sie, Dichter? wahr, Sie erkannten seit Jahren die Nächstenliebe solle eine soziale Institution werden; Sie allein von allen Kammerrednern der Juliepoche. Mir deucht, Sie meinten, der Staat solle den Allmosenkasten aufstellen den bisher die Kirche an der Thür aufgepflanzt hatte. Weiter ging Ihre Dichterphantasie nicht; für die erhabne, kühne, allumfassende Zukunft des Menschengeschlechts, nach Emanzipation des Proletariats, hatten Sie keinen Sinn; Sie blieben ein Christ, ein Edelmann. Freilich, Sie ließen in ferner Zukunft jeden Bauer, jeden Arbeitsmann sich in einen kleinen Seigneur verwandeln, nach der Devise: Jeder für sich und jeder bei sich.Allein, für jede Person ein Grundstück abmessen, wäre doch lästig (vielleicht unmöglich) und ich ziehe vor, einen Jeglichen Theil an den Früchten des Bodens nehmen zu lassen, die durch associirte Arme und Köpfe leicht ins Kolossale gesteigert werden. Genug, Hr. Lamartine, Sie sind nicht fähig gewesen zwischen L. Blanc dem Typus des Socialdemokraten, und Marrast dem Typus des Bourgeoisrepublikaners, zu wählen, noch einen dritten Pfau zu wandeln. Geschwankt haben Sie, gedichtet, und darum heißen Sie, ungerechterweise, heute ein Verräther, ein Wortbrüchiger." - Barrault war Redakteur des "Tocsin des Travailleurs." - Karrikaturen erscheinen wenige; die Junitage haben den Scherz fürs Erste niedergeschmettert. Eine ist jedoch erschienen und zwar die erste zu Gunsten der Socialreform: ein dickköpfiger bartloser Zwerg, im Profil dem Hrn. Thiers gleichend, taumelt in vollster Rüstung mit zwei Paar Pistolen, zwei Säbeln, zwei Flinten und eine Handkanone nach sich ziehend auf einen Riesen in dem Barbes unverkennbar ist; der Zwerg schreit: "Nieder die Kommunisten, diese Hunde sagen: man solle sich nicht besaufen, auf der Erde sei Platz für jeden, jeder solle arbeiten lernen und arbeitsam sein, und solche Infamieen mehr;" der Riese lächelt und blickt auf den Kleinen nieder. *Paris, 17. Juli.
A la bonne heure. Heute tritt das Journal des Debats klar auf! Es handelt sich von Finanzangelegenheiten, und in diesem Thema ist Bertin kompetent; denn er vertritt die Interessen des Hrn. Rothschild und Compagnie. Täglich dekretirt man neue Ausgaben, und täglich schafft man neue Steuern ab. Steuer abschaffen ist ein sehr löbliches Gefühl. Gefühl haben ist eine schöne Sache; aber hat man denn gar ein Gefühl für den öffentlichen Schatz, der täglich minder wird? Die Salzsteuer drückte auf die Armen; "für republikanische Herzen war das ein bittrer Schmerz." Gleich ging man hin, und schaffte die Salzsteuer ab. Die Sklaverei entehrte in den Augen der republikanischen Staatsmänner unsere französischen Kolonien: und man löschte diesen Schandfleck der französischen Ehre aus. Das ist alles recht schön, großmüthig, ja römisch sogar: aber wohin soll das führen, die Schatzkammer bleibt leer. Die Arbeiter im Gefängnisse thun den andern Arbeitern Abbruch; gleich geht man hin und schafft die Arbeiten im Gefängnisse ab, nährt die Gefangenen auf Staatskosten, alles das vermindert den Staatsschatz. Das Journal des Debats geht so alle Finanzmaßregeln der Republik nach der Reihe durch, und zeigt ihre Ohnmacht, den Schatz zu füllen. Wenn es so fort geht, so kommt man unfehlbar zu den Assignaten. Früher war das ganz anders, meinen die Debats. Wenn man zwar auch unvorsichtig mit den Finanzen umging, so hatte man doch immer die Nothhülfe der Anleihe. Aber jetzt, wo könnte man bloß z. B. bloß 200 Millionen auftreiben? Hr. Rothschild würde also bis jetzt sich noch nicht für 200 Millionen verbürgen. "Die Nachwehen der Verwaltung eines Garnier Pages und Konsorten machten sich zu sehr fühlbar." Vielleicht später. "Man habe bereits einen sehr guten Anfang gemacht durch die strenge Handhabung der Ordnung. Wie man sieht, liegen die Februartage sehr ferne, wo Rothschild zu den Herren der provisorischen Regierung gekommen, und sie flehentlich bat, seinen Kredit zu benutzen. Das Anbieten seines Kredits bedeutete aber damals weiter nichts als das flehentliche Bitten um das Fortbestehenlassen seines eigenen Kredits. - Die schrecklichen Juniereignisse haben dem Hrn. Lamartine seine Illusionen nicht benommen. Im Comite der auswärtigen Angelegenheiten, wo er seine Politik dem Hern. Mauguin gegenüber vertheidigt, sagt er, nicht er, sondern die Providenz sei der "Minister des Aeußern gewesen; so trefflich hätte sich alles gestaltet." - Nationalversammlung v. 17. Juli.Präsident Marie. Lherbetteinterpellirt den Minister des Auswärtigen wegen des Einmarsches der Russen in die Donauprovinzen: Vor einigen Tagen sprachen die Journale davon als einer sichern Thatsache. Seitdem ist ihr widersprochen worden. Ich frage daher, ob der Einmarsch der Russen eine Thatsache ist, und im Fall der Bestätigung, was der Minister des Auswärtigen sowohl den eindringenden Russen als der Pforte gegenüber zu thun gedenkt, welche den Einfall mit ihrem Mantel bedeckt? Ich verlange von dem Minister keine absolute Erklärung, ich begreife die Verhältnisse, welche ihm einen Rückhalt auferlegen. Bastide,Minister des Auswärtigen, beschränkt sich darauf zu erwiedern, daß der Einmarsch der Russen in die Moldau noch sehr zweifelhaft sei. In jedem Fall könne die Nationalversammlung versichert sein, daß die Regierung nichts versäumen werde, um wie bisher, die Interessen Frankreichs zu wahren. Fortsetzung der Debatte über den Dekretentwurf zur Ermächtigung alter Militärs zur Annahme mehrer Aemter. General Lamoriciere erklärt, daß er sich mit dem Finanzminister besprochen habe und daß sie sofort einen Dekretentwurf über die Wiedereinstellung vorlegen wollen. Der Entwurf wird verlesen und der Minister fragt, ob er ihn näher entwickeln solle? (Nein! Nein! In die Ausschüsse verwiesen!) General Qudinotglaubt, daß es nöthig ist, den Entwurf dem Kriegsausschuß zu überweisen. (Unterstützt.) Lamoriciere hat nichts gegen die Verweisung, wünscht aber schnelle Erledigung. Die Verweisung in die Bureaux wird angenommen. Victor Hugohat das Wort zur Berichterstattung über den Theatergesetzentwurf. Die Theater ernähren in Paris mehr als 10,000 Familien und setzen jährlich eine Summe von 30-40 Millionen in Umlauf. (Bewegung.) Die verlangte Unterstützungssumme von 680,000 Fr. solle nur für die Zukunft nützen, nicht aber die Fehler der Vergangenheit decken. Dejars findet es befremdend, daß die Einkünfte der Provinzen dazu dienen sollen, die Vergnügungen der Hauptstadt zu erhalten. Felix Pyat sagt, daß die vorige Regierung mit den Theatern gleich einem Epicier verfahren sei. (Unterbrechung.) Paris ohne Theater sei ein "großes Carpentras." Nach Abstimmung über die einzelnen Paragraphen wird das ganze Gesetz angenommen. Sodann wird der verlangte Kredit von 200.000 Fr. zur Aufmunterung der Künste und Wissenschaften ohne Diskussion angenommen. Zuletzt beschließt die Versammlung, daß die Statue des Erzbischofs von Paris nicht im Pantheon, sondern in Notre-Dame aufgestellt werden soll und bewilligt zu diesem Zweck nach einer lebhaften Debatte die Summe von 50,000 Fr. Rußland
St. Petersburg, 11. Juli.
Zum 8. Juli waren in St. Petersburg 3970 Cholerakranke in Behandlung verblieben; im Verlaufe dieses Tages kamen hinzu 853, es genasen 172 und starben 574 (darunter in den Wohnungen 328). Zum 9. Verblieben in Behandlung 3897 Kranke. - In Moskau hat die Epidemie nach dem 19. Juni den höchsten Grad ihrer Intensität erreicht und sich in der ganzen Woche in bedeutender Höhe erhalten, während jedoch die Zahl der Erkrankungen allmälig abnahm. Im Gouvernement St. Petersburg hat sich die Epidemie mit großer Schnelligkeit ausgebreitet und greift noch fortwährend rasch um sich. Außer Neu Ladoga und Schlüsselburg sind auch die Kreise St. Petersburg und Zarskoje-Selo heimgesucht. In Kronstadt zeigte sich die Cholera am 23. Juni: von 4 Erkrankten starben hier 2. Am 26. kam ein Choleraanfall in Oranienbaum vor. Ueber den Gang der Epidemie in der Hauptstadt St. Petersburg selbst giebt die hiesige Polizeizeitung täglich Nachricht. Der erste Cholerafall wurde hier am 16. Juni bemerkt, wo ein aus Neu-Ladoga zu Wasser hier angekommener Diakonus erkrankte, der jedoch genas. Am 17. und 18. kamen keine Erkrankungen vor, aber am 19. erkrankten mehrere Personen, und von diesem Tage an nahm die Krankheit einen epidemischen Charakter an. In den ersten zwei bis drei Tagen wurden fast ausschließlich nur Bewohner des Liteinaja- und des Roschdestwenskaja- Stadttheils und der benachbarten Gegenden auf dem linken Newa-Ufer davon befallen und meistens Schiffsarbeiter auf den Barken. Sodann verbreitete sie sich mit ungewöhnlicher Schnelligkeit über alle Stadttheile und erreichte in kurzer Zeit als Epidemie einen hohen Grad der Intensität. Im Ochtaschen und im Petersburgischen Stadttheile brach sie später als in den übrigen Stadttheilen aus. In Bettacht der Schnelligkeit ihrer Verbreitung und gestützt auf die Erfahrungen, die man beim früheren Erscheinen der Cholera gemacht hat, giebt man der Hoffnung Raum, daß sie auch rasch wieder abnehmen und überhaupt nicht lange dauern werde. Seit dem Ausbruche der Cholera bis zum 1. Juli in St. Petersburg überhaupt 3474 Personen daran erkrankt und 1682 gestorben. (Pr. St. A.)17 Prag, 14. Juli.
Wenn die böhmischen Wahlen überhaupt ein bedeutendes Gewicht in die Wagschaale des östreichischen Reichstags werfen, so werden unsere Prager Deputirten gewiß einen bedeutenden Einfluß auf die übrigen böhmischen Deputirten haben. Dr. Riegerwird gewiß unter den czechischen Deputirten am meisten hervorragen; er ist der beste Redner unter unsern Abgeordneten. Dr. Strobach ist der populärste Mann in Prag; sein Charakter ist ehrenvoll in jeder Hinsicht, aber er hat weder Energie noch Rednertalent. Palazky wird nicht einen so leichten Stand haben. Der sogenannte „Deutschenfresser“ hat die Gewohnheit, seine Ansichten schroff und hart hinzustellen; er ist kein Redner, eine rein doctrinäre Natur, und es sollte mich wundern, wenn er nicht Anlaß zu Scandalen gäbe. Borrosch, der vierte Deputirte Prags, hat einen scharfen Verstand, eine klare Darstellung und einen besondern Takt, die Schwächen seiner Gegner ausfindig zu machen, ermüdet aber durch die Länge seiner Vorträge und die Trockenheit seiner Beweisführung. Was das Glaubensbekenntniß dieser vier Männer anbelangt, so kann man wohl annehmen, daß Palazky und Borrosch mehr zu den Konservativen, Rieger und Strobach mehr zu den Liberalen sich neigen werden. Von den übrigen Wahlbezirken sind bis jetzt 60 Deputirte bekannt, unter denen sich aber noch kein nationalökonomisches Talent befindet. ‒ Der Belagerungszustand unserer Stadt ist wiederum um etwas gemildert, die Thore werden nämlich jetzt erst um 10 Uhr geschlossen; die Kanonen und der größere Theil der Truppen in den Straßen ist ebenfalls verschwunden und wir fühlen das Drückende nur in der Willkührherrschaft, welche die Presse umklammert hält und in den Beschränkungen, welche der Großhandel durch die Nichtacceptation aller Papiers auf Prag, erfahren muß. ‒ Die Erklärung der 67 Bürger, welche den Belagerungszustand zu verlängern nachsuchten, hat, wie Sie denken können, eine allgemeine Indignation hervorgebracht und ich bin gewiß, daß das Militär von der in der letzten Zeit besonders ungünstigen Witterung auch mürbe genug gemacht worden ist. ‒ Der Redakteur Hawljcek ist gestern seiner Haft entlassen, dagegen der Dr.Fritsch heute eingezogen worden. Polen.
Lemberg, 11. Juli.
Aus Russisch-Polen kommen täglich junge Leute über die Gränze, die mit Rücklassung ihrer Habe von dort entfliehen, wo auf alle junge Männer ohne Standesunterschied und ohne nachzusehen, ob sie körperlich geeignet, förmlich Jagd gemacht wird, um sie unter das Militär einzureihen. Eine solche Flucht ist wegen der strengen Grenzbewachung mit Lebensgefahr verbunden. Aller Bedrohung, aller Absperrung ungeachtet hat sich die Kunde von den Vorgängen im westlichen Europa doch nach Russisch-Polen den Weg gebahnt. (D. A. Z.)* Krakau, 11. Juli.
In dieser Nacht lieferte man aus Podgorze 9 unserer Brüder an Rußland aus. Sie standen unter dem Schutze Oesterreichs, unter dem vom Minister Pillersdorf jedem in Oesterreich Eintretenden zugesicherten Schutze! Das ist die Verwirklichung dieses Schutzes! In Preußen liefert man freundschaftlichst aus, in Oesterreich ebenfalls: nun das ist immer neuer Kiet, um die heilige Allianz festzusammen zu halten. Ungarn.
* Agram, 10. Juli.
Die Landtagsverhandlungen haben in den letzten Sitzungen schneller als in den vorigen zu Resultaten geführt. Nachdem eine bedeutende Majorität sich für die Abänderung des Verwaltungssystems entschieden hatte, wurde das an den Ausschuß wiederholt gewiesene Operat der Gränzcommission in einer einzigen Sitzung erledigt und mit geringen Amendements angenommen. Die Gränze wird sich mit diesen wesentlichen Erleichterungen nach welchen sie Jahrelang vergebens geseufzt, zufriedenstellen und ein Mehres erst dann verlangen, wenn dies zu gewähren die Zeitumstände erlauben werden. Das den Gränzer besonders drückende Oberlehnsrecht des Staates wurde abgeschafft, und jener zum freien Eigenthümer seines Bodens gemacht; die Theilung des Hausgrundes, die bisher nicht zugelassen wurde, wird ihm nunmehr gestattet werden, und eine Beschränkung in dieser Hinsicht wurde blos rücksichtlich des Stammgutes gemacht, das nicht weniger als 3 und nicht mehr als 16 Joch Erde betragen darf. Letzteres darf auch nicht veräußert werden, damit das Gränzhaus für die Erhaltung eines, und nach Maßgabe des Stammguts mehrer Gränzsoldaten stets einen stabilen Fond habe. Die Weiden und Waldungen wurden dem Gränzer theilweise restituirt und in Bezug auf die Eichelung in ärarischen Wäldern große Erleichterungen eingeführt. Auch die Beschwerden hinsichtlich der Aerarialrobot haben eine günstige Erledigung gefunden. Die Militärverwaltung wurde von der Civiladministration gänzlich getrennt, das Theresianum für Criminalverbrechen der nicht enrolirten Gränzer außer Anwendung gesetzt, und für die Justizverwaltung das östreichische bürgerliche und Strafgesetzbuch als Provisorium bestimmt, bis der Landtag einen für das Provinziale und die Gränze gleichmäßigen Civil- und Kriminalcoder ausarbeiten wird. Dies sind im Wesentlichen die vorzüglichern Bestimmungen des angenommenen Kommissionsoperates, welches bald im Druck erscheinen wird. Der Bericht des Urbarialausschusses veranlaßte wieder eine längere Diskussion, während welcher man sich hauptsächlich darüber nicht einigen konnte, welche von den verschiedenen Anträgen, die beinahe jedes Kammermitglied stellte, als Anhaltspunkte der Berathung festgehalten werden sollen. Die Aufhebung der Robot, des Zehnten und der übrigen Urbarialabgaben, die gleich nach dem Schlusse der ungarischen Reichstage von den Jurisdiktionen in Folge eigener Municipalbeschlüsse, ‒ zu welchen sich die Komitate und Städte durch die zu befürchtenden Bauernaufstände genöthigt sahen, ‒ publicirt wurde, ward ohne die geringste Einsprache gutgeheißen und nur der Antrag des Ausschusses auf Entschädigung der Grundherrn rief eine kleine Debatte hervor. Der weitere Antrag des Urbarialausschusses, demzufolge die sogenannten Regalrechte der Dominien, als das Recht des Weinschankes, der Fleischausschrotung, der Fischerei u.s.w. abgeschaft werden sollten, wurde von einer kleinen Partei hartnäckig bekämpft, während sich die entschiedene Mehrheit zu Gunsten des Antrages aussprach. Das Jagd- und Fischereirecht wurde gänzlich abgeschaft, Jedem gestattet auf seinem Boden zu jagen, und in den Flüssen, so weit sie an seinen Grund gränzen, Fischfang zu treiben. In der gestrigen Sitzung wurde der Bericht des Ausschusses verlesen, dem die Feststellung der Bedingungen aufgetragen wurde, unter welchen diese Königreiche im Verbande mit Ungarn zu bleiben gewollt sind. Es wurde der Beschluß gefaßt, daß man nicht blos als kroatische Nation, sondern als Nation der drei vereinigten Königreiche und der serbischen Wojwodschaft, deren Vertreter bei der Pacifikation zugegen sein müssen, traktire; daß man die eigene nationale Selbstständigkeit und Unabhängigkeit vom Lande Ungarn sowohl in legislativer als administrativer Hinsicht festzuhalten gesonnen sei, dabei aber in allen gemeinstaatlichen Angelegenheiten für die ganze Monarchie mit Einschluß Ungarns eine Centralregierung verlange, und endlich, daß in Ungarn die Gleichberechtigung aller Nationalitäten ausgesprochen und gewährleistet werde. ‒ Nachmittags wurde die Schlußsitzung des gegenwärtigen Landtags gehalten, und das Protokoll verlesen. Donaufürstenthümer.
Bucharest, 29. Juni.
Der Staatsschatz, in welchem sich nach den Büchern 3 1/2 Millionen Piaster hätten befinden sollen, enthielt Nichts, als einen leeren Raum. (Das Nämliche passirt ja auch in gewissen Staaten Deutschlands.) ‒ Von der Protestation des russischen Consuls erfahre ich, sie sei sehr kurz gewesen und habe sich auf die Erklärung beschränkt, die eingeführten 22 Paragraphen der neuen Constitution seien als nicht zu Recht bestehend und das „Reglement organique“ als noch ferner in voller Kraft zu betrachten. Gestern hat sich ein demokratischer Klub gebildet, in der Absicht, die Regierung mit Rath zu unterstützen, und über deren Gang zu wachen. Alexander Golesco, Bruder der beiden Minister und Sekretär der provisorischen Regierung, unbezweifelt einer der besten Köpfe des Landes, nahm Theil an der Versammlung und wurde zum Vicepräsidenten erwählt; Architekt Melik, ein Armenier der seine Studien in Paris gemacht, zu einem der Sekretäre. Nachrichten von Jbraila berichten, daß die in jenem Hafen sich befindenden Matrosen griechischer Kauffahrteifahrer sogleich Partei für's Volk gegen die dortige Polizei ergriffen haben, was den Ausschlag gab. Eingezogene Erkundigungen lassen hoffen, daß Frankreich und England die Walachen nicht in Stich lassen werden. (A. A. Z.)Französische Republik.
17 Paris, 17. Juli.
Paris wird von mehreren Standlagern umgeben; im Norden an der Chapelle St. Denis, im Osten auf der vom alten Soult für die Festung „Canonville“ (Kanonenstadt) bestimmten Ebene St. Maur sind bereits zwei fertig. Im Faubourg St. Antoine zeigen sich wieder Keime von Zusammenschaarungen des Abends, allein ohne Mühe treibt eine Patrouille sie fort. Dies genügt jedoch schon um die Bourgeoisie wieder in Angstschweiß zu jagen. Das große Lager bei Versailles wird auch in Eile organisirt. Aber in den Faubourgs cirkuliren autographirte Zeitungen, gegen die kein Lager Macht hat; auf einem Stück einer solchen las ich buchstäblich: …Geduld und Rache ist unsere Parole, ihr Proletarier; wir sind besiegt aber nicht ausgelöscht; wir sind verwundet, gebrandmarkt, gekettet, im Hungerjoch, geknebelt, verhöhnt, aber wir leben noch. Brüder, Schwestern! jetzt beschwören unsre Feinde, wir Kinder des sozialen Elends hätten uns mit Galerensträflingen verbunden und nach einer Hausplünderung im westlichen Stadttheil getrachtet; das ist eine Lüge mehr, sie sind an's Lügen gewöhnt, diese Herren von der Rente und von Erziehung. Gewiß, hätten nach unserm Siege einige hungrige Thoren geplündert, wir hätten ihnen bald das Lebenslicht ausgeblasen. Der Schurke der Schurken aber, der reiche Staatsplünderer Adolphe Thiers und seine reichen Großwürdenträger Barrot, Dupin, Hauranne, Lasteyrie u. s. w. haben neulich in den Kammercomité's, worin sie fast sämmtlich Präsidenten und Sekretäre sind, gejubelt und gemurmelt: jetzt sind wir die Meister. Die Partei des National wird von ihnen bei Seite geschoben, und der Pascha Marrast trennt sich vom National um zum Schurkenkönig Thiers zu beten; Marrast wäre im Stande nach einem Ministerpräsidium unter der Regentschaft zu jagen. Brüder! ach das alles ist Moder und Pest; wenn manche unter uns davon angesteckt wären, was Wunder? Ist nicht das Beispiel der Hochgestellten und Schwerbesoldeten, der Feingelehrten und Wohlbegüterten gar mächtig? warum soll das arme Volk nicht nachahmen was die reichen Messieurs ihm vormachen? Unter den Reichen giebt es gewiß neunzig Prozent Tagediebe, unter uns Armen höchstens zehn Prozent; und trotz unsres Fleißes geben jene uns eine nichtswürdige Arbeit die kaum ein Vieh oder Maschine thäte, und einen nichtswürdigen Tagelohn; trotz unsres Fleißes werden unsere Mädchen prostituirt um dadurch den reichen Damen als Blitzableiter zu dienen. Aber nicht die Reichen allein sind unsere Feinde; die Mittelleute sind es noch mehr. Wartet nur, die unerbittliche Faust der Gewerbstockung, der Geldkrisis rückt auch auf sie los, und ehe das Jahr zu Ende, werden manche Boutiquierfamilien das Kreuz schlagen und hinabstürzen in die schwarzen Reihen des Proletariats, das sie jetzt noch verleumden. Geduld, Brüder! Geduld “ … Mehr konnte ich nicht von der Zeitung habhaft werden. ‒ Ein Brief an Lamartine von E. Barrault wird als Flugblatt verkauft; es heißt in ihm: „Dichter, Sie sind schuldig. In der provisorischen Regierung haben Sie drei edle Thaten vollbracht, aber das waren wahrlich keine Regierungsmaßregeln, weder die Abschaffung der Blutfahne, noch des Blutgerüstes, noch die Friedensproklamation. Die Hauptsache ließen Sie weg, obschon die Bourgeoisie gänzlich vom Donner betroffen, und das Arbeitervolk ganz wie ein gutmüthiger Knabe Ihnen völlig freien Spielraum, in jener frühesten Zeit Ihrer zweimonatlichen Dictatur, gestattet hätte. Sie mußten Dichter, als ein moderner Turgot die ersten Schritte wagen zum Umsturz die Finanzdespotie, wie er den Umsturz der Bodenaristokratie angebahnt hat. Bei Gott, er hätte nicht zwei Monate müßig da oben gesessen wie Sie, Dichter. Was war also zu thun? Das Volk mußte in Reih und Glied gestellt werden, nicht als Soldat des Krieges sondern als Soldat der Arbeit; dazu boten die Eisenbahnen treffliche Mittel; auf die sanfteste Weise wurden danach auch Kanäle, Bergwerke, Waldungen, Nationalgut, auf dem das Ouvrierheer sein heiliges Arbeitsrecht ausüben konnte. Statt dessen was thaten Sie, Dichter? wahr, Sie erkannten seit Jahren die Nächstenliebe solle eine soziale Institution werden; Sie allein von allen Kammerrednern der Juliepoche. Mir deucht, Sie meinten, der Staat solle den Allmosenkasten aufstellen den bisher die Kirche an der Thür aufgepflanzt hatte. Weiter ging Ihre Dichterphantasie nicht; für die erhabne, kühne, allumfassende Zukunft des Menschengeschlechts, nach Emanzipation des Proletariats, hatten Sie keinen Sinn; Sie blieben ein Christ, ein Edelmann. Freilich, Sie ließen in ferner Zukunft jeden Bauer, jeden Arbeitsmann sich in einen kleinen Seigneur verwandeln, nach der Devise: Jeder für sich und jeder bei sich.Allein, für jede Person ein Grundstück abmessen, wäre doch lästig (vielleicht unmöglich) und ich ziehe vor, einen Jeglichen Theil an den Früchten des Bodens nehmen zu lassen, die durch associirte Arme und Köpfe leicht ins Kolossale gesteigert werden. Genug, Hr. Lamartine, Sie sind nicht fähig gewesen zwischen L. Blanc dem Typus des Socialdemokraten, und Marrast dem Typus des Bourgeoisrepublikaners, zu wählen, noch einen dritten Pfau zu wandeln. Geschwankt haben Sie, gedichtet, und darum heißen Sie, ungerechterweise, heute ein Verräther, ein Wortbrüchiger.“ ‒ Barrault war Redakteur des „Tocsin des Travailleurs.“ ‒ Karrikaturen erscheinen wenige; die Junitage haben den Scherz fürs Erste niedergeschmettert. Eine ist jedoch erschienen und zwar die erste zu Gunsten der Socialreform: ein dickköpfiger bartloser Zwerg, im Profil dem Hrn. Thiers gleichend, taumelt in vollster Rüstung mit zwei Paar Pistolen, zwei Säbeln, zwei Flinten und eine Handkanone nach sich ziehend auf einen Riesen in dem Barbès unverkennbar ist; der Zwerg schreit: „Nieder die Kommunisten, diese Hunde sagen: man solle sich nicht besaufen, auf der Erde sei Platz für jeden, jeder solle arbeiten lernen und arbeitsam sein, und solche Infamieen mehr;“ der Riese lächelt und blickt auf den Kleinen nieder. *Paris, 17. Juli.
A la bonne heure. Heute tritt das Journal des Debats klar auf! Es handelt sich von Finanzangelegenheiten, und in diesem Thema ist Bertin kompetent; denn er vertritt die Interessen des Hrn. Rothschild und Compagnie. Täglich dekretirt man neue Ausgaben, und täglich schafft man neue Steuern ab. Steuer abschaffen ist ein sehr löbliches Gefühl. Gefühl haben ist eine schöne Sache; aber hat man denn gar ein Gefühl für den öffentlichen Schatz, der täglich minder wird? Die Salzsteuer drückte auf die Armen; „für republikanische Herzen war das ein bittrer Schmerz.“ Gleich ging man hin, und schaffte die Salzsteuer ab. Die Sklaverei entehrte in den Augen der republikanischen Staatsmänner unsere französischen Kolonien: und man löschte diesen Schandfleck der französischen Ehre aus. Das ist alles recht schön, großmüthig, ja römisch sogar: aber wohin soll das führen, die Schatzkammer bleibt leer. Die Arbeiter im Gefängnisse thun den andern Arbeitern Abbruch; gleich geht man hin und schafft die Arbeiten im Gefängnisse ab, nährt die Gefangenen auf Staatskosten, alles das vermindert den Staatsschatz. Das Journal des Debats geht so alle Finanzmaßregeln der Republik nach der Reihe durch, und zeigt ihre Ohnmacht, den Schatz zu füllen. Wenn es so fort geht, so kommt man unfehlbar zu den Assignaten. Früher war das ganz anders, meinen die Debats. Wenn man zwar auch unvorsichtig mit den Finanzen umging, so hatte man doch immer die Nothhülfe der Anleihe. Aber jetzt, wo könnte man bloß z. B. bloß 200 Millionen auftreiben? Hr. Rothschild würde also bis jetzt sich noch nicht für 200 Millionen verbürgen. „Die Nachwehen der Verwaltung eines Garnier Pagés und Konsorten machten sich zu sehr fühlbar.“ Vielleicht später. „Man habe bereits einen sehr guten Anfang gemacht durch die strenge Handhabung der Ordnung. Wie man sieht, liegen die Februartage sehr ferne, wo Rothschild zu den Herren der provisorischen Regierung gekommen, und sie flehentlich bat, seinen Kredit zu benutzen. Das Anbieten seines Kredits bedeutete aber damals weiter nichts als das flehentliche Bitten um das Fortbestehenlassen seines eigenen Kredits. ‒ Die schrecklichen Juniereignisse haben dem Hrn. Lamartine seine Illusionen nicht benommen. Im Comité der auswärtigen Angelegenheiten, wo er seine Politik dem Hern. Mauguin gegenüber vertheidigt, sagt er, nicht er, sondern die Providenz sei der „Minister des Aeußern gewesen; so trefflich hätte sich alles gestaltet.“ ‒ Nationalversammlung v. 17. Juli.Präsident Marie. Lherbetteinterpellirt den Minister des Auswärtigen wegen des Einmarsches der Russen in die Donauprovinzen: Vor einigen Tagen sprachen die Journale davon als einer sichern Thatsache. Seitdem ist ihr widersprochen worden. Ich frage daher, ob der Einmarsch der Russen eine Thatsache ist, und im Fall der Bestätigung, was der Minister des Auswärtigen sowohl den eindringenden Russen als der Pforte gegenüber zu thun gedenkt, welche den Einfall mit ihrem Mantel bedeckt? Ich verlange von dem Minister keine absolute Erklärung, ich begreife die Verhältnisse, welche ihm einen Rückhalt auferlegen. Bastide,Minister des Auswärtigen, beschränkt sich darauf zu erwiedern, daß der Einmarsch der Russen in die Moldau noch sehr zweifelhaft sei. In jedem Fall könne die Nationalversammlung versichert sein, daß die Regierung nichts versäumen werde, um wie bisher, die Interessen Frankreichs zu wahren. Fortsetzung der Debatte über den Dekretentwurf zur Ermächtigung alter Militärs zur Annahme mehrer Aemter. General Lamoriciére erklärt, daß er sich mit dem Finanzminister besprochen habe und daß sie sofort einen Dekretentwurf über die Wiedereinstellung vorlegen wollen. Der Entwurf wird verlesen und der Minister fragt, ob er ihn näher entwickeln solle? (Nein! Nein! In die Ausschüsse verwiesen!) General Qudinotglaubt, daß es nöthig ist, den Entwurf dem Kriegsausschuß zu überweisen. (Unterstützt.) Lamoriciére hat nichts gegen die Verweisung, wünscht aber schnelle Erledigung. Die Verweisung in die Bureaux wird angenommen. Victor Hugohat das Wort zur Berichterstattung über den Theatergesetzentwurf. Die Theater ernähren in Paris mehr als 10,000 Familien und setzen jährlich eine Summe von 30-40 Millionen in Umlauf. (Bewegung.) Die verlangte Unterstützungssumme von 680,000 Fr. solle nur für die Zukunft nützen, nicht aber die Fehler der Vergangenheit decken. Dejars findet es befremdend, daß die Einkünfte der Provinzen dazu dienen sollen, die Vergnügungen der Hauptstadt zu erhalten. Felix Pyat sagt, daß die vorige Regierung mit den Theatern gleich einem Epicier verfahren sei. (Unterbrechung.) Paris ohne Theater sei ein „großes Carpentras.“ Nach Abstimmung über die einzelnen Paragraphen wird das ganze Gesetz angenommen. Sodann wird der verlangte Kredit von 200.000 Fr. zur Aufmunterung der Künste und Wissenschaften ohne Diskussion angenommen. Zuletzt beschließt die Versammlung, daß die Statue des Erzbischofs von Paris nicht im Pantheon, sondern in Notre-Dame aufgestellt werden soll und bewilligt zu diesem Zweck nach einer lebhaften Debatte die Summe von 50,000 Fr. Rußland
St. Petersburg, 11. Juli.
Zum 8. Juli waren in St. Petersburg 3970 Cholerakranke in Behandlung verblieben; im Verlaufe dieses Tages kamen hinzu 853, es genasen 172 und starben 574 (darunter in den Wohnungen 328). Zum 9. Verblieben in Behandlung 3897 Kranke. ‒ In Moskau hat die Epidemie nach dem 19. Juni den höchsten Grad ihrer Intensität erreicht und sich in der ganzen Woche in bedeutender Höhe erhalten, während jedoch die Zahl der Erkrankungen allmälig abnahm. Im Gouvernement St. Petersburg hat sich die Epidemie mit großer Schnelligkeit ausgebreitet und greift noch fortwährend rasch um sich. Außer Neu Ladoga und Schlüsselburg sind auch die Kreise St. Petersburg und Zarskoje-Selo heimgesucht. In Kronstadt zeigte sich die Cholera am 23. Juni: von 4 Erkrankten starben hier 2. Am 26. kam ein Choleraanfall in Oranienbaum vor. Ueber den Gang der Epidemie in der Hauptstadt St. Petersburg selbst giebt die hiesige Polizeizeitung täglich Nachricht. Der erste Cholerafall wurde hier am 16. Juni bemerkt, wo ein aus Neu-Ladoga zu Wasser hier angekommener Diakonus erkrankte, der jedoch genas. Am 17. und 18. kamen keine Erkrankungen vor, aber am 19. erkrankten mehrere Personen, und von diesem Tage an nahm die Krankheit einen epidemischen Charakter an. In den ersten zwei bis drei Tagen wurden fast ausschließlich nur Bewohner des Liteinaja- und des Roschdestwenskaja- Stadttheils und der benachbarten Gegenden auf dem linken Newa-Ufer davon befallen und meistens Schiffsarbeiter auf den Barken. Sodann verbreitete sie sich mit ungewöhnlicher Schnelligkeit über alle Stadttheile und erreichte in kurzer Zeit als Epidemie einen hohen Grad der Intensität. Im Ochtaschen und im Petersburgischen Stadttheile brach sie später als in den übrigen Stadttheilen aus. In Bettacht der Schnelligkeit ihrer Verbreitung und gestützt auf die Erfahrungen, die man beim früheren Erscheinen der Cholera gemacht hat, giebt man der Hoffnung Raum, daß sie auch rasch wieder abnehmen und überhaupt nicht lange dauern werde. Seit dem Ausbruche der Cholera bis zum 1. Juli in St. Petersburg überhaupt 3474 Personen daran erkrankt und 1682 gestorben. (Pr. St. A.)<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0003" n="0249"/> <div xml:id="ar050_023" type="jArticle"> <head><bibl><author>17</author></bibl> Prag, 14. Juli.</head> <p>Wenn die böhmischen Wahlen überhaupt ein bedeutendes Gewicht in die Wagschaale des östreichischen Reichstags werfen, so werden unsere Prager Deputirten gewiß einen bedeutenden Einfluß auf die übrigen böhmischen Deputirten haben. Dr. <hi rendition="#g">Rieger</hi>wird gewiß unter den czechischen Deputirten am meisten hervorragen; er ist der beste Redner unter unsern Abgeordneten. Dr. <hi rendition="#g">Strobach</hi> ist der populärste Mann in Prag; sein Charakter ist ehrenvoll in jeder Hinsicht, aber er hat weder Energie noch Rednertalent. Palazky wird nicht einen so leichten Stand haben. Der sogenannte „Deutschenfresser“ hat die Gewohnheit, seine Ansichten schroff und hart hinzustellen; er ist kein Redner, eine rein doctrinäre Natur, und es sollte mich wundern, wenn er nicht Anlaß zu Scandalen gäbe. Borrosch, der vierte Deputirte Prags, hat einen scharfen Verstand, eine klare Darstellung und einen besondern Takt, die Schwächen seiner Gegner ausfindig zu machen, ermüdet aber durch die Länge seiner Vorträge und die Trockenheit seiner Beweisführung. Was das Glaubensbekenntniß dieser vier Männer anbelangt, so kann man wohl annehmen, daß Palazky und Borrosch mehr zu den Konservativen, Rieger und Strobach mehr zu den Liberalen sich neigen werden. Von den übrigen Wahlbezirken sind bis jetzt 60 Deputirte bekannt, unter denen sich aber noch kein nationalökonomisches Talent befindet. ‒ Der Belagerungszustand unserer Stadt ist wiederum um etwas gemildert, die Thore werden nämlich jetzt erst um 10 Uhr geschlossen; die Kanonen und der größere Theil der Truppen in den Straßen ist ebenfalls verschwunden und wir fühlen das Drückende nur in der Willkührherrschaft, welche die Presse umklammert hält und in den Beschränkungen, welche der Großhandel durch die Nichtacceptation aller Papiers auf Prag, erfahren muß. ‒ Die Erklärung der 67 Bürger, welche den Belagerungszustand zu verlängern nachsuchten, hat, wie Sie denken können, eine allgemeine Indignation hervorgebracht und ich bin gewiß, daß das Militär von der in der letzten Zeit besonders ungünstigen Witterung auch mürbe genug gemacht worden ist. ‒ Der Redakteur Hawljcek ist gestern seiner Haft entlassen, dagegen der Dr.Fritsch heute eingezogen worden.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Polen.</head> <div xml:id="ar050_024" type="jArticle"> <head>Lemberg, 11. Juli.</head> <p>Aus Russisch-Polen kommen täglich junge Leute über die Gränze, die mit Rücklassung ihrer Habe von dort entfliehen, wo auf alle junge Männer ohne Standesunterschied und ohne nachzusehen, ob sie körperlich geeignet, förmlich Jagd gemacht wird, um sie unter das Militär einzureihen. Eine solche Flucht ist wegen der strengen Grenzbewachung mit Lebensgefahr verbunden. Aller Bedrohung, aller Absperrung ungeachtet hat sich die Kunde von den Vorgängen im westlichen Europa doch nach Russisch-Polen den Weg gebahnt.</p> <bibl>(D. A. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar050_025" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Krakau, 11. Juli.</head> <p>In dieser Nacht lieferte man aus Podgorze 9 unserer Brüder an Rußland aus. Sie standen unter dem Schutze Oesterreichs, unter dem vom Minister Pillersdorf jedem in Oesterreich Eintretenden zugesicherten Schutze! Das ist die Verwirklichung dieses Schutzes! In Preußen liefert man freundschaftlichst aus, in Oesterreich ebenfalls: nun das ist immer neuer Kiet, um die heilige Allianz festzusammen zu halten.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Ungarn.</head> <div xml:id="ar050_026" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Agram, 10. Juli.</head> <p>Die Landtagsverhandlungen haben in den letzten Sitzungen schneller als in den vorigen zu Resultaten geführt. Nachdem eine bedeutende Majorität sich für die Abänderung des Verwaltungssystems entschieden hatte, wurde das an den Ausschuß wiederholt gewiesene Operat der Gränzcommission in einer einzigen Sitzung erledigt und mit geringen Amendements angenommen. Die Gränze wird sich mit diesen wesentlichen Erleichterungen nach welchen sie Jahrelang vergebens geseufzt, zufriedenstellen und ein Mehres erst dann verlangen, wenn dies zu gewähren die Zeitumstände erlauben werden. Das den Gränzer besonders drückende Oberlehnsrecht des Staates wurde abgeschafft, und jener zum freien Eigenthümer seines Bodens gemacht; die Theilung des Hausgrundes, die bisher nicht zugelassen wurde, wird ihm nunmehr gestattet werden, und eine Beschränkung in dieser Hinsicht wurde blos rücksichtlich des Stammgutes gemacht, das nicht weniger als 3 und nicht mehr als 16 Joch Erde betragen darf. Letzteres darf auch nicht veräußert werden, damit das Gränzhaus für die Erhaltung eines, und nach Maßgabe des Stammguts mehrer Gränzsoldaten stets einen stabilen Fond habe. Die Weiden und Waldungen wurden dem Gränzer theilweise restituirt und in Bezug auf die Eichelung in ärarischen Wäldern große Erleichterungen eingeführt. Auch die Beschwerden hinsichtlich der Aerarialrobot haben eine günstige Erledigung gefunden. Die Militärverwaltung wurde von der Civiladministration gänzlich getrennt, das Theresianum für Criminalverbrechen der nicht enrolirten Gränzer außer Anwendung gesetzt, und für die Justizverwaltung das östreichische bürgerliche und Strafgesetzbuch als Provisorium bestimmt, bis der Landtag einen für das Provinziale und die Gränze gleichmäßigen Civil- und Kriminalcoder ausarbeiten wird. Dies sind im Wesentlichen die vorzüglichern Bestimmungen des angenommenen Kommissionsoperates, welches bald im Druck erscheinen wird. Der Bericht des Urbarialausschusses veranlaßte wieder eine längere Diskussion, während welcher man sich hauptsächlich darüber nicht einigen konnte, welche von den verschiedenen Anträgen, die beinahe jedes Kammermitglied stellte, als Anhaltspunkte der Berathung festgehalten werden sollen. Die Aufhebung der Robot, des Zehnten und der übrigen Urbarialabgaben, die gleich nach dem Schlusse der ungarischen Reichstage von den Jurisdiktionen in Folge eigener Municipalbeschlüsse, ‒ zu welchen sich die Komitate und Städte durch die zu befürchtenden Bauernaufstände genöthigt sahen, ‒ publicirt wurde, ward ohne die geringste Einsprache gutgeheißen und nur der Antrag des Ausschusses auf Entschädigung der Grundherrn rief eine kleine Debatte hervor. Der weitere Antrag des Urbarialausschusses, demzufolge die sogenannten Regalrechte der Dominien, als das Recht des Weinschankes, der Fleischausschrotung, der Fischerei u.s.w. abgeschaft werden sollten, wurde von einer kleinen Partei hartnäckig bekämpft, während sich die entschiedene Mehrheit zu Gunsten des Antrages aussprach. Das Jagd- und Fischereirecht wurde gänzlich abgeschaft, Jedem gestattet auf seinem Boden zu jagen, und in den Flüssen, so weit sie an seinen Grund gränzen, Fischfang zu treiben. In der gestrigen Sitzung wurde der Bericht des Ausschusses verlesen, dem die Feststellung der Bedingungen aufgetragen wurde, unter welchen diese Königreiche im Verbande mit Ungarn zu bleiben gewollt sind. Es wurde der Beschluß gefaßt, daß man nicht blos als kroatische Nation, sondern als Nation der drei vereinigten Königreiche und der serbischen Wojwodschaft, deren Vertreter bei der Pacifikation zugegen sein müssen, traktire; daß man die eigene nationale Selbstständigkeit und Unabhängigkeit vom Lande Ungarn sowohl in legislativer als administrativer Hinsicht festzuhalten gesonnen sei, dabei aber in allen gemeinstaatlichen Angelegenheiten für die ganze Monarchie mit Einschluß Ungarns eine Centralregierung verlange, und endlich, daß in Ungarn die Gleichberechtigung aller Nationalitäten ausgesprochen und gewährleistet werde. ‒ Nachmittags wurde die Schlußsitzung des gegenwärtigen Landtags gehalten, und das Protokoll verlesen.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Donaufürstenthümer.</head> <div xml:id="ar050_027" type="jArticle"> <head>Bucharest, 29. Juni.</head> <p>Der Staatsschatz, in welchem sich nach den Büchern 3 1/2 Millionen Piaster hätten befinden sollen, enthielt Nichts, als einen leeren Raum. (Das Nämliche passirt ja auch in gewissen Staaten Deutschlands.)</p> <p>‒ Von der Protestation des russischen Consuls erfahre ich, sie sei sehr kurz gewesen und habe sich auf die Erklärung beschränkt, die eingeführten 22 Paragraphen der neuen Constitution seien als nicht zu Recht bestehend und das „Reglement organique“ als noch ferner in voller Kraft zu betrachten. Gestern hat sich ein demokratischer Klub gebildet, in der Absicht, die Regierung mit Rath zu unterstützen, und über deren Gang zu wachen. Alexander Golesco, Bruder der beiden Minister und Sekretär der provisorischen Regierung, unbezweifelt einer der besten Köpfe des Landes, nahm Theil an der Versammlung und wurde zum Vicepräsidenten erwählt; Architekt Melik, ein Armenier der seine Studien in Paris gemacht, zu einem der Sekretäre. Nachrichten von Jbraila berichten, daß die in jenem Hafen sich befindenden Matrosen griechischer Kauffahrteifahrer sogleich Partei für's Volk gegen die dortige Polizei ergriffen haben, was den Ausschlag gab. Eingezogene Erkundigungen lassen hoffen, daß Frankreich und England die Walachen nicht in Stich lassen werden.</p> <bibl>(A. A. Z.)</bibl> </div> </div> <div n="1"> <head>Französische Republik.</head> <div xml:id="ar050_028" type="jArticle"> <head><bibl><author>17</author></bibl> Paris, 17. Juli.</head> <p>Paris wird von mehreren Standlagern umgeben; im Norden an der Chapelle St. Denis, im Osten auf der vom alten Soult für die Festung „Canonville“ (Kanonenstadt) bestimmten Ebene St. Maur sind bereits zwei fertig. Im Faubourg St. Antoine zeigen sich wieder Keime von Zusammenschaarungen des Abends, allein ohne Mühe treibt eine Patrouille sie fort. Dies genügt jedoch schon um die Bourgeoisie wieder in Angstschweiß zu jagen. Das große Lager bei Versailles wird auch in Eile organisirt. Aber in den Faubourgs cirkuliren autographirte Zeitungen, gegen die kein Lager Macht hat; auf einem Stück einer solchen las ich buchstäblich: …Geduld und Rache ist unsere Parole, ihr Proletarier; wir sind besiegt aber nicht ausgelöscht; wir sind verwundet, gebrandmarkt, gekettet, im Hungerjoch, geknebelt, verhöhnt, aber wir leben noch. Brüder, Schwestern! jetzt beschwören unsre Feinde, wir Kinder des sozialen Elends hätten uns mit Galerensträflingen verbunden und nach einer Hausplünderung im westlichen Stadttheil getrachtet; das ist eine Lüge mehr, sie sind an's Lügen gewöhnt, diese Herren von der Rente und von Erziehung. Gewiß, hätten nach unserm Siege einige hungrige Thoren geplündert, wir hätten ihnen bald das Lebenslicht ausgeblasen. Der Schurke der Schurken aber, der reiche Staatsplünderer Adolphe Thiers und seine reichen Großwürdenträger Barrot, Dupin, Hauranne, Lasteyrie u. s. w. haben neulich in den Kammercomité's, worin sie fast sämmtlich Präsidenten und Sekretäre sind, gejubelt und gemurmelt: jetzt sind wir die Meister. Die Partei des National wird von ihnen bei Seite geschoben, und der Pascha Marrast trennt sich vom National um zum Schurkenkönig Thiers zu beten; Marrast wäre im Stande nach einem Ministerpräsidium unter der Regentschaft zu jagen. <hi rendition="#g">Brüder! ach das alles ist Moder und Pest;</hi> wenn manche unter uns davon angesteckt wären, was Wunder? Ist nicht das Beispiel der Hochgestellten und Schwerbesoldeten, der Feingelehrten und Wohlbegüterten gar mächtig? warum soll das arme Volk nicht nachahmen was die reichen Messieurs ihm vormachen? Unter den Reichen giebt es gewiß neunzig Prozent Tagediebe, unter uns Armen höchstens zehn Prozent; und trotz unsres Fleißes geben jene uns eine nichtswürdige Arbeit die kaum ein Vieh oder Maschine thäte, und einen nichtswürdigen Tagelohn; trotz unsres Fleißes werden unsere Mädchen prostituirt um dadurch den reichen Damen als Blitzableiter zu dienen. Aber nicht die Reichen allein sind unsere Feinde; die Mittelleute sind es noch mehr. Wartet nur, die unerbittliche Faust der Gewerbstockung, der Geldkrisis rückt auch auf sie los, und ehe das Jahr zu Ende, werden manche Boutiquierfamilien das Kreuz schlagen und hinabstürzen in die schwarzen Reihen des Proletariats, das sie jetzt noch verleumden. Geduld, Brüder! Geduld “ … Mehr konnte ich nicht von der Zeitung habhaft werden. ‒ Ein Brief an Lamartine von E. Barrault wird als Flugblatt verkauft; es heißt in ihm: „Dichter, Sie sind schuldig. In der provisorischen Regierung haben Sie drei edle Thaten vollbracht, aber das waren wahrlich keine Regierungsmaßregeln, weder die Abschaffung der Blutfahne, noch des Blutgerüstes, noch die Friedensproklamation. Die Hauptsache ließen Sie weg, obschon die Bourgeoisie gänzlich vom Donner betroffen, und das Arbeitervolk ganz wie ein gutmüthiger Knabe Ihnen völlig freien Spielraum, in jener frühesten Zeit Ihrer zweimonatlichen Dictatur, gestattet hätte. Sie mußten Dichter, als ein moderner Turgot die ersten Schritte wagen zum Umsturz die Finanzdespotie, wie er den Umsturz der Bodenaristokratie angebahnt hat. Bei Gott, er hätte nicht zwei Monate müßig da oben gesessen wie Sie, Dichter. Was war also zu thun? Das Volk mußte in Reih und Glied gestellt werden, nicht als Soldat des Krieges sondern als Soldat der Arbeit; dazu boten die Eisenbahnen treffliche Mittel; auf die sanfteste Weise wurden danach auch Kanäle, Bergwerke, Waldungen, Nationalgut, auf dem das Ouvrierheer sein heiliges Arbeitsrecht ausüben konnte. Statt dessen was thaten Sie, Dichter? wahr, Sie erkannten seit Jahren die <hi rendition="#g">Nächstenliebe</hi> solle eine <hi rendition="#g">soziale Institution</hi> werden; Sie allein von allen Kammerrednern der Juliepoche. Mir deucht, Sie meinten, der <hi rendition="#g">Staat</hi> solle den <hi rendition="#g">Allmosenkasten</hi> aufstellen den bisher die <hi rendition="#g">Kirche</hi> an der Thür aufgepflanzt hatte. Weiter ging Ihre Dichterphantasie nicht; für die erhabne, kühne, allumfassende Zukunft des Menschengeschlechts, nach Emanzipation des Proletariats, hatten Sie keinen Sinn; Sie blieben ein Christ, ein Edelmann. Freilich, Sie ließen in ferner Zukunft jeden Bauer, jeden Arbeitsmann sich in einen kleinen Seigneur verwandeln, nach der Devise: <hi rendition="#g">Jeder für sich und jeder bei sich.</hi>Allein, für jede Person ein Grundstück abmessen, wäre doch lästig (vielleicht unmöglich) und ich ziehe vor, einen Jeglichen Theil an den Früchten des Bodens nehmen zu lassen, die durch associirte Arme und Köpfe leicht ins Kolossale gesteigert werden. Genug, Hr. Lamartine, Sie sind nicht fähig gewesen zwischen L. Blanc dem Typus des Socialdemokraten, und Marrast dem Typus des Bourgeoisrepublikaners, zu wählen, noch einen dritten Pfau zu wandeln. Geschwankt haben Sie, gedichtet, und darum heißen Sie, ungerechterweise, heute ein Verräther, ein Wortbrüchiger.“ ‒ Barrault war Redakteur des „Tocsin des Travailleurs.“ ‒ Karrikaturen erscheinen wenige; die Junitage haben den Scherz fürs Erste niedergeschmettert. Eine ist jedoch erschienen und zwar die erste zu Gunsten der Socialreform: ein dickköpfiger bartloser Zwerg, im Profil dem Hrn. Thiers gleichend, taumelt in vollster Rüstung mit zwei Paar Pistolen, zwei Säbeln, zwei Flinten und eine Handkanone nach sich ziehend auf einen Riesen in dem Barbès unverkennbar ist; der Zwerg schreit: „Nieder die Kommunisten, diese Hunde sagen: man solle sich nicht besaufen, auf der Erde sei Platz für jeden, jeder solle arbeiten lernen und arbeitsam sein, und solche Infamieen mehr;“ der Riese lächelt und blickt auf den Kleinen nieder.</p> </div> <div xml:id="ar050_029" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl>Paris, 17. Juli.</head> <p>A la bonne heure. Heute tritt das Journal des Debats klar auf! Es handelt sich von Finanzangelegenheiten, und in diesem Thema ist Bertin kompetent; denn er vertritt die Interessen des Hrn. Rothschild und Compagnie. Täglich dekretirt man neue Ausgaben, und täglich schafft man neue Steuern ab. Steuer abschaffen ist ein sehr löbliches Gefühl.</p> <p>Gefühl haben ist eine schöne Sache; aber hat man denn gar ein Gefühl für den öffentlichen Schatz, der täglich minder wird? Die Salzsteuer drückte auf die Armen; „für republikanische Herzen war das ein bittrer Schmerz.“ Gleich ging man hin, und schaffte die Salzsteuer ab. Die Sklaverei entehrte in den Augen der republikanischen Staatsmänner unsere französischen Kolonien: und man löschte diesen Schandfleck der französischen Ehre aus. Das ist alles recht schön, großmüthig, ja römisch sogar: aber wohin soll das führen, die Schatzkammer bleibt leer. Die Arbeiter im Gefängnisse thun den andern Arbeitern Abbruch; gleich geht man hin und schafft die Arbeiten im Gefängnisse ab, nährt die Gefangenen auf Staatskosten, alles das vermindert den Staatsschatz.</p> <p>Das Journal des Debats geht so alle Finanzmaßregeln der Republik nach der Reihe durch, und zeigt ihre Ohnmacht, den Schatz zu füllen. Wenn es so fort geht, so kommt man unfehlbar zu den Assignaten.</p> <p>Früher war das ganz anders, meinen die Debats. Wenn man zwar auch unvorsichtig mit den Finanzen umging, so hatte man doch immer die Nothhülfe der Anleihe. Aber jetzt, wo könnte man bloß z. B. bloß 200 Millionen auftreiben? Hr. Rothschild würde also bis jetzt sich noch nicht für 200 Millionen verbürgen. „Die Nachwehen der Verwaltung eines Garnier Pagés und Konsorten machten sich zu sehr fühlbar.“ Vielleicht später. „Man habe bereits einen sehr guten Anfang gemacht durch die strenge Handhabung der Ordnung. Wie man sieht, liegen die Februartage sehr ferne, wo Rothschild zu den Herren der provisorischen Regierung gekommen, und sie flehentlich bat, seinen Kredit zu benutzen. Das Anbieten seines Kredits bedeutete aber damals weiter nichts als das flehentliche Bitten um das Fortbestehenlassen seines eigenen Kredits.</p> <p>‒ Die schrecklichen Juniereignisse haben dem Hrn. Lamartine seine Illusionen nicht benommen. Im Comité der auswärtigen Angelegenheiten, wo er seine Politik dem Hern. Mauguin gegenüber vertheidigt, sagt er, nicht er, sondern die Providenz sei der „Minister des Aeußern gewesen; so trefflich hätte sich alles gestaltet.“</p> <p>‒ <hi rendition="#g">Nationalversammlung v. 17. Juli.</hi>Präsident Marie. <hi rendition="#g">Lherbette</hi>interpellirt den Minister des Auswärtigen wegen des Einmarsches der Russen in die Donauprovinzen: Vor einigen Tagen sprachen die Journale davon als einer sichern Thatsache. Seitdem ist ihr widersprochen worden. Ich frage daher, ob der Einmarsch der Russen eine Thatsache ist, und im Fall der Bestätigung, was der Minister des Auswärtigen sowohl den eindringenden Russen als der Pforte gegenüber zu thun gedenkt, welche den Einfall mit ihrem Mantel bedeckt? Ich verlange von dem Minister keine absolute Erklärung, ich begreife die Verhältnisse, welche ihm einen Rückhalt auferlegen.</p> <p><hi rendition="#g">Bastide,</hi>Minister des Auswärtigen, beschränkt sich darauf zu erwiedern, daß der Einmarsch der Russen in die Moldau noch sehr zweifelhaft sei. In jedem Fall könne die Nationalversammlung versichert sein, daß die Regierung nichts versäumen werde, um wie bisher, die Interessen Frankreichs zu wahren.</p> <p>Fortsetzung der Debatte über den Dekretentwurf zur Ermächtigung alter Militärs zur Annahme mehrer Aemter.</p> <p>General <hi rendition="#g">Lamoriciére</hi> erklärt, daß er sich mit dem Finanzminister besprochen habe und daß sie sofort einen Dekretentwurf über die Wiedereinstellung vorlegen wollen.</p> <p>Der Entwurf wird verlesen und der Minister fragt, ob er ihn näher entwickeln solle? (Nein! Nein! In die Ausschüsse verwiesen!)</p> <p>General <hi rendition="#g">Qudinot</hi>glaubt, daß es nöthig ist, den Entwurf dem Kriegsausschuß zu überweisen. (Unterstützt.)</p> <p>Lamoriciére hat nichts gegen die Verweisung, wünscht aber schnelle Erledigung.</p> <p>Die Verweisung in die Bureaux wird angenommen.</p> <p><hi rendition="#g">Victor Hugo</hi>hat das Wort zur Berichterstattung über den Theatergesetzentwurf. Die Theater ernähren in Paris mehr als 10,000 Familien und setzen jährlich eine Summe von 30-40 Millionen in Umlauf. (Bewegung.) Die verlangte Unterstützungssumme von 680,000 Fr. solle nur für die Zukunft nützen, nicht aber die Fehler der Vergangenheit decken.</p> <p><hi rendition="#g">Dejars</hi> findet es befremdend, daß die Einkünfte der Provinzen dazu dienen sollen, die Vergnügungen der Hauptstadt zu erhalten.</p> <p><hi rendition="#g">Felix Pyat</hi> sagt, daß die vorige Regierung mit den Theatern gleich einem Epicier verfahren sei. (Unterbrechung.) Paris ohne Theater sei ein „großes Carpentras.“</p> <p>Nach Abstimmung über die einzelnen Paragraphen wird das ganze Gesetz angenommen.</p> <p>Sodann wird der verlangte Kredit von 200.000 Fr. zur Aufmunterung der Künste und Wissenschaften ohne Diskussion angenommen.</p> <p>Zuletzt beschließt die Versammlung, daß die Statue des Erzbischofs von Paris nicht im Pantheon, sondern in Notre-Dame aufgestellt werden soll und bewilligt zu diesem Zweck nach einer lebhaften Debatte die Summe von 50,000 Fr.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Rußland</head> <div xml:id="ar050_030" type="jArticle"> <head>St. Petersburg, 11. Juli.</head> <p>Zum 8. Juli waren in St. Petersburg 3970 Cholerakranke in Behandlung verblieben; im Verlaufe dieses Tages kamen hinzu 853, es genasen 172 und starben 574 (darunter in den Wohnungen 328). Zum 9. Verblieben in Behandlung 3897 Kranke.</p> <p>‒ In Moskau hat die Epidemie nach dem 19. Juni den höchsten Grad ihrer Intensität erreicht und sich in der ganzen Woche in bedeutender Höhe erhalten, während jedoch die Zahl der Erkrankungen allmälig abnahm.</p> <p>Im Gouvernement St. Petersburg hat sich die Epidemie mit großer Schnelligkeit ausgebreitet und greift noch fortwährend rasch um sich. Außer Neu Ladoga und Schlüsselburg sind auch die Kreise St. Petersburg und Zarskoje-Selo heimgesucht. In Kronstadt zeigte sich die Cholera am 23. Juni: von 4 Erkrankten starben hier 2. Am 26. kam ein Choleraanfall in Oranienbaum vor. Ueber den Gang der Epidemie in der Hauptstadt St. Petersburg selbst giebt die hiesige Polizeizeitung täglich Nachricht. Der erste Cholerafall wurde hier am 16. Juni bemerkt, wo ein aus Neu-Ladoga zu Wasser hier angekommener Diakonus erkrankte, der jedoch genas. Am 17. und 18. kamen keine Erkrankungen vor, aber am 19. erkrankten mehrere Personen, und von diesem Tage an nahm die Krankheit einen epidemischen Charakter an. In den ersten zwei bis drei Tagen wurden fast ausschließlich nur Bewohner des Liteinaja- und des Roschdestwenskaja- Stadttheils und der benachbarten Gegenden auf dem linken Newa-Ufer davon befallen und meistens Schiffsarbeiter auf den Barken. Sodann verbreitete sie sich mit ungewöhnlicher Schnelligkeit über alle Stadttheile und erreichte in kurzer Zeit als Epidemie einen hohen Grad der Intensität. Im Ochtaschen und im Petersburgischen Stadttheile brach sie später als in den übrigen Stadttheilen aus. In Bettacht der Schnelligkeit ihrer Verbreitung und gestützt auf die Erfahrungen, die man beim früheren Erscheinen der Cholera gemacht hat, giebt man der Hoffnung Raum, daß sie auch rasch wieder abnehmen und überhaupt nicht lange dauern werde. Seit dem Ausbruche der Cholera bis zum 1. Juli in St. Petersburg überhaupt 3474 Personen daran erkrankt und 1682 gestorben.</p> <bibl>(Pr. St. A.)</bibl> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0249/0003]
17 Prag, 14. Juli.Wenn die böhmischen Wahlen überhaupt ein bedeutendes Gewicht in die Wagschaale des östreichischen Reichstags werfen, so werden unsere Prager Deputirten gewiß einen bedeutenden Einfluß auf die übrigen böhmischen Deputirten haben. Dr. Riegerwird gewiß unter den czechischen Deputirten am meisten hervorragen; er ist der beste Redner unter unsern Abgeordneten. Dr. Strobach ist der populärste Mann in Prag; sein Charakter ist ehrenvoll in jeder Hinsicht, aber er hat weder Energie noch Rednertalent. Palazky wird nicht einen so leichten Stand haben. Der sogenannte „Deutschenfresser“ hat die Gewohnheit, seine Ansichten schroff und hart hinzustellen; er ist kein Redner, eine rein doctrinäre Natur, und es sollte mich wundern, wenn er nicht Anlaß zu Scandalen gäbe. Borrosch, der vierte Deputirte Prags, hat einen scharfen Verstand, eine klare Darstellung und einen besondern Takt, die Schwächen seiner Gegner ausfindig zu machen, ermüdet aber durch die Länge seiner Vorträge und die Trockenheit seiner Beweisführung. Was das Glaubensbekenntniß dieser vier Männer anbelangt, so kann man wohl annehmen, daß Palazky und Borrosch mehr zu den Konservativen, Rieger und Strobach mehr zu den Liberalen sich neigen werden. Von den übrigen Wahlbezirken sind bis jetzt 60 Deputirte bekannt, unter denen sich aber noch kein nationalökonomisches Talent befindet. ‒ Der Belagerungszustand unserer Stadt ist wiederum um etwas gemildert, die Thore werden nämlich jetzt erst um 10 Uhr geschlossen; die Kanonen und der größere Theil der Truppen in den Straßen ist ebenfalls verschwunden und wir fühlen das Drückende nur in der Willkührherrschaft, welche die Presse umklammert hält und in den Beschränkungen, welche der Großhandel durch die Nichtacceptation aller Papiers auf Prag, erfahren muß. ‒ Die Erklärung der 67 Bürger, welche den Belagerungszustand zu verlängern nachsuchten, hat, wie Sie denken können, eine allgemeine Indignation hervorgebracht und ich bin gewiß, daß das Militär von der in der letzten Zeit besonders ungünstigen Witterung auch mürbe genug gemacht worden ist. ‒ Der Redakteur Hawljcek ist gestern seiner Haft entlassen, dagegen der Dr.Fritsch heute eingezogen worden.
Polen. Lemberg, 11. Juli.Aus Russisch-Polen kommen täglich junge Leute über die Gränze, die mit Rücklassung ihrer Habe von dort entfliehen, wo auf alle junge Männer ohne Standesunterschied und ohne nachzusehen, ob sie körperlich geeignet, förmlich Jagd gemacht wird, um sie unter das Militär einzureihen. Eine solche Flucht ist wegen der strengen Grenzbewachung mit Lebensgefahr verbunden. Aller Bedrohung, aller Absperrung ungeachtet hat sich die Kunde von den Vorgängen im westlichen Europa doch nach Russisch-Polen den Weg gebahnt.
(D. A. Z.) * Krakau, 11. Juli.In dieser Nacht lieferte man aus Podgorze 9 unserer Brüder an Rußland aus. Sie standen unter dem Schutze Oesterreichs, unter dem vom Minister Pillersdorf jedem in Oesterreich Eintretenden zugesicherten Schutze! Das ist die Verwirklichung dieses Schutzes! In Preußen liefert man freundschaftlichst aus, in Oesterreich ebenfalls: nun das ist immer neuer Kiet, um die heilige Allianz festzusammen zu halten.
Ungarn. * Agram, 10. Juli.Die Landtagsverhandlungen haben in den letzten Sitzungen schneller als in den vorigen zu Resultaten geführt. Nachdem eine bedeutende Majorität sich für die Abänderung des Verwaltungssystems entschieden hatte, wurde das an den Ausschuß wiederholt gewiesene Operat der Gränzcommission in einer einzigen Sitzung erledigt und mit geringen Amendements angenommen. Die Gränze wird sich mit diesen wesentlichen Erleichterungen nach welchen sie Jahrelang vergebens geseufzt, zufriedenstellen und ein Mehres erst dann verlangen, wenn dies zu gewähren die Zeitumstände erlauben werden. Das den Gränzer besonders drückende Oberlehnsrecht des Staates wurde abgeschafft, und jener zum freien Eigenthümer seines Bodens gemacht; die Theilung des Hausgrundes, die bisher nicht zugelassen wurde, wird ihm nunmehr gestattet werden, und eine Beschränkung in dieser Hinsicht wurde blos rücksichtlich des Stammgutes gemacht, das nicht weniger als 3 und nicht mehr als 16 Joch Erde betragen darf. Letzteres darf auch nicht veräußert werden, damit das Gränzhaus für die Erhaltung eines, und nach Maßgabe des Stammguts mehrer Gränzsoldaten stets einen stabilen Fond habe. Die Weiden und Waldungen wurden dem Gränzer theilweise restituirt und in Bezug auf die Eichelung in ärarischen Wäldern große Erleichterungen eingeführt. Auch die Beschwerden hinsichtlich der Aerarialrobot haben eine günstige Erledigung gefunden. Die Militärverwaltung wurde von der Civiladministration gänzlich getrennt, das Theresianum für Criminalverbrechen der nicht enrolirten Gränzer außer Anwendung gesetzt, und für die Justizverwaltung das östreichische bürgerliche und Strafgesetzbuch als Provisorium bestimmt, bis der Landtag einen für das Provinziale und die Gränze gleichmäßigen Civil- und Kriminalcoder ausarbeiten wird. Dies sind im Wesentlichen die vorzüglichern Bestimmungen des angenommenen Kommissionsoperates, welches bald im Druck erscheinen wird. Der Bericht des Urbarialausschusses veranlaßte wieder eine längere Diskussion, während welcher man sich hauptsächlich darüber nicht einigen konnte, welche von den verschiedenen Anträgen, die beinahe jedes Kammermitglied stellte, als Anhaltspunkte der Berathung festgehalten werden sollen. Die Aufhebung der Robot, des Zehnten und der übrigen Urbarialabgaben, die gleich nach dem Schlusse der ungarischen Reichstage von den Jurisdiktionen in Folge eigener Municipalbeschlüsse, ‒ zu welchen sich die Komitate und Städte durch die zu befürchtenden Bauernaufstände genöthigt sahen, ‒ publicirt wurde, ward ohne die geringste Einsprache gutgeheißen und nur der Antrag des Ausschusses auf Entschädigung der Grundherrn rief eine kleine Debatte hervor. Der weitere Antrag des Urbarialausschusses, demzufolge die sogenannten Regalrechte der Dominien, als das Recht des Weinschankes, der Fleischausschrotung, der Fischerei u.s.w. abgeschaft werden sollten, wurde von einer kleinen Partei hartnäckig bekämpft, während sich die entschiedene Mehrheit zu Gunsten des Antrages aussprach. Das Jagd- und Fischereirecht wurde gänzlich abgeschaft, Jedem gestattet auf seinem Boden zu jagen, und in den Flüssen, so weit sie an seinen Grund gränzen, Fischfang zu treiben. In der gestrigen Sitzung wurde der Bericht des Ausschusses verlesen, dem die Feststellung der Bedingungen aufgetragen wurde, unter welchen diese Königreiche im Verbande mit Ungarn zu bleiben gewollt sind. Es wurde der Beschluß gefaßt, daß man nicht blos als kroatische Nation, sondern als Nation der drei vereinigten Königreiche und der serbischen Wojwodschaft, deren Vertreter bei der Pacifikation zugegen sein müssen, traktire; daß man die eigene nationale Selbstständigkeit und Unabhängigkeit vom Lande Ungarn sowohl in legislativer als administrativer Hinsicht festzuhalten gesonnen sei, dabei aber in allen gemeinstaatlichen Angelegenheiten für die ganze Monarchie mit Einschluß Ungarns eine Centralregierung verlange, und endlich, daß in Ungarn die Gleichberechtigung aller Nationalitäten ausgesprochen und gewährleistet werde. ‒ Nachmittags wurde die Schlußsitzung des gegenwärtigen Landtags gehalten, und das Protokoll verlesen.
Donaufürstenthümer. Bucharest, 29. Juni.Der Staatsschatz, in welchem sich nach den Büchern 3 1/2 Millionen Piaster hätten befinden sollen, enthielt Nichts, als einen leeren Raum. (Das Nämliche passirt ja auch in gewissen Staaten Deutschlands.)
‒ Von der Protestation des russischen Consuls erfahre ich, sie sei sehr kurz gewesen und habe sich auf die Erklärung beschränkt, die eingeführten 22 Paragraphen der neuen Constitution seien als nicht zu Recht bestehend und das „Reglement organique“ als noch ferner in voller Kraft zu betrachten. Gestern hat sich ein demokratischer Klub gebildet, in der Absicht, die Regierung mit Rath zu unterstützen, und über deren Gang zu wachen. Alexander Golesco, Bruder der beiden Minister und Sekretär der provisorischen Regierung, unbezweifelt einer der besten Köpfe des Landes, nahm Theil an der Versammlung und wurde zum Vicepräsidenten erwählt; Architekt Melik, ein Armenier der seine Studien in Paris gemacht, zu einem der Sekretäre. Nachrichten von Jbraila berichten, daß die in jenem Hafen sich befindenden Matrosen griechischer Kauffahrteifahrer sogleich Partei für's Volk gegen die dortige Polizei ergriffen haben, was den Ausschlag gab. Eingezogene Erkundigungen lassen hoffen, daß Frankreich und England die Walachen nicht in Stich lassen werden.
(A. A. Z.) Französische Republik. 17 Paris, 17. Juli.Paris wird von mehreren Standlagern umgeben; im Norden an der Chapelle St. Denis, im Osten auf der vom alten Soult für die Festung „Canonville“ (Kanonenstadt) bestimmten Ebene St. Maur sind bereits zwei fertig. Im Faubourg St. Antoine zeigen sich wieder Keime von Zusammenschaarungen des Abends, allein ohne Mühe treibt eine Patrouille sie fort. Dies genügt jedoch schon um die Bourgeoisie wieder in Angstschweiß zu jagen. Das große Lager bei Versailles wird auch in Eile organisirt. Aber in den Faubourgs cirkuliren autographirte Zeitungen, gegen die kein Lager Macht hat; auf einem Stück einer solchen las ich buchstäblich: …Geduld und Rache ist unsere Parole, ihr Proletarier; wir sind besiegt aber nicht ausgelöscht; wir sind verwundet, gebrandmarkt, gekettet, im Hungerjoch, geknebelt, verhöhnt, aber wir leben noch. Brüder, Schwestern! jetzt beschwören unsre Feinde, wir Kinder des sozialen Elends hätten uns mit Galerensträflingen verbunden und nach einer Hausplünderung im westlichen Stadttheil getrachtet; das ist eine Lüge mehr, sie sind an's Lügen gewöhnt, diese Herren von der Rente und von Erziehung. Gewiß, hätten nach unserm Siege einige hungrige Thoren geplündert, wir hätten ihnen bald das Lebenslicht ausgeblasen. Der Schurke der Schurken aber, der reiche Staatsplünderer Adolphe Thiers und seine reichen Großwürdenträger Barrot, Dupin, Hauranne, Lasteyrie u. s. w. haben neulich in den Kammercomité's, worin sie fast sämmtlich Präsidenten und Sekretäre sind, gejubelt und gemurmelt: jetzt sind wir die Meister. Die Partei des National wird von ihnen bei Seite geschoben, und der Pascha Marrast trennt sich vom National um zum Schurkenkönig Thiers zu beten; Marrast wäre im Stande nach einem Ministerpräsidium unter der Regentschaft zu jagen. Brüder! ach das alles ist Moder und Pest; wenn manche unter uns davon angesteckt wären, was Wunder? Ist nicht das Beispiel der Hochgestellten und Schwerbesoldeten, der Feingelehrten und Wohlbegüterten gar mächtig? warum soll das arme Volk nicht nachahmen was die reichen Messieurs ihm vormachen? Unter den Reichen giebt es gewiß neunzig Prozent Tagediebe, unter uns Armen höchstens zehn Prozent; und trotz unsres Fleißes geben jene uns eine nichtswürdige Arbeit die kaum ein Vieh oder Maschine thäte, und einen nichtswürdigen Tagelohn; trotz unsres Fleißes werden unsere Mädchen prostituirt um dadurch den reichen Damen als Blitzableiter zu dienen. Aber nicht die Reichen allein sind unsere Feinde; die Mittelleute sind es noch mehr. Wartet nur, die unerbittliche Faust der Gewerbstockung, der Geldkrisis rückt auch auf sie los, und ehe das Jahr zu Ende, werden manche Boutiquierfamilien das Kreuz schlagen und hinabstürzen in die schwarzen Reihen des Proletariats, das sie jetzt noch verleumden. Geduld, Brüder! Geduld “ … Mehr konnte ich nicht von der Zeitung habhaft werden. ‒ Ein Brief an Lamartine von E. Barrault wird als Flugblatt verkauft; es heißt in ihm: „Dichter, Sie sind schuldig. In der provisorischen Regierung haben Sie drei edle Thaten vollbracht, aber das waren wahrlich keine Regierungsmaßregeln, weder die Abschaffung der Blutfahne, noch des Blutgerüstes, noch die Friedensproklamation. Die Hauptsache ließen Sie weg, obschon die Bourgeoisie gänzlich vom Donner betroffen, und das Arbeitervolk ganz wie ein gutmüthiger Knabe Ihnen völlig freien Spielraum, in jener frühesten Zeit Ihrer zweimonatlichen Dictatur, gestattet hätte. Sie mußten Dichter, als ein moderner Turgot die ersten Schritte wagen zum Umsturz die Finanzdespotie, wie er den Umsturz der Bodenaristokratie angebahnt hat. Bei Gott, er hätte nicht zwei Monate müßig da oben gesessen wie Sie, Dichter. Was war also zu thun? Das Volk mußte in Reih und Glied gestellt werden, nicht als Soldat des Krieges sondern als Soldat der Arbeit; dazu boten die Eisenbahnen treffliche Mittel; auf die sanfteste Weise wurden danach auch Kanäle, Bergwerke, Waldungen, Nationalgut, auf dem das Ouvrierheer sein heiliges Arbeitsrecht ausüben konnte. Statt dessen was thaten Sie, Dichter? wahr, Sie erkannten seit Jahren die Nächstenliebe solle eine soziale Institution werden; Sie allein von allen Kammerrednern der Juliepoche. Mir deucht, Sie meinten, der Staat solle den Allmosenkasten aufstellen den bisher die Kirche an der Thür aufgepflanzt hatte. Weiter ging Ihre Dichterphantasie nicht; für die erhabne, kühne, allumfassende Zukunft des Menschengeschlechts, nach Emanzipation des Proletariats, hatten Sie keinen Sinn; Sie blieben ein Christ, ein Edelmann. Freilich, Sie ließen in ferner Zukunft jeden Bauer, jeden Arbeitsmann sich in einen kleinen Seigneur verwandeln, nach der Devise: Jeder für sich und jeder bei sich.Allein, für jede Person ein Grundstück abmessen, wäre doch lästig (vielleicht unmöglich) und ich ziehe vor, einen Jeglichen Theil an den Früchten des Bodens nehmen zu lassen, die durch associirte Arme und Köpfe leicht ins Kolossale gesteigert werden. Genug, Hr. Lamartine, Sie sind nicht fähig gewesen zwischen L. Blanc dem Typus des Socialdemokraten, und Marrast dem Typus des Bourgeoisrepublikaners, zu wählen, noch einen dritten Pfau zu wandeln. Geschwankt haben Sie, gedichtet, und darum heißen Sie, ungerechterweise, heute ein Verräther, ein Wortbrüchiger.“ ‒ Barrault war Redakteur des „Tocsin des Travailleurs.“ ‒ Karrikaturen erscheinen wenige; die Junitage haben den Scherz fürs Erste niedergeschmettert. Eine ist jedoch erschienen und zwar die erste zu Gunsten der Socialreform: ein dickköpfiger bartloser Zwerg, im Profil dem Hrn. Thiers gleichend, taumelt in vollster Rüstung mit zwei Paar Pistolen, zwei Säbeln, zwei Flinten und eine Handkanone nach sich ziehend auf einen Riesen in dem Barbès unverkennbar ist; der Zwerg schreit: „Nieder die Kommunisten, diese Hunde sagen: man solle sich nicht besaufen, auf der Erde sei Platz für jeden, jeder solle arbeiten lernen und arbeitsam sein, und solche Infamieen mehr;“ der Riese lächelt und blickt auf den Kleinen nieder.
*Paris, 17. Juli.A la bonne heure. Heute tritt das Journal des Debats klar auf! Es handelt sich von Finanzangelegenheiten, und in diesem Thema ist Bertin kompetent; denn er vertritt die Interessen des Hrn. Rothschild und Compagnie. Täglich dekretirt man neue Ausgaben, und täglich schafft man neue Steuern ab. Steuer abschaffen ist ein sehr löbliches Gefühl.
Gefühl haben ist eine schöne Sache; aber hat man denn gar ein Gefühl für den öffentlichen Schatz, der täglich minder wird? Die Salzsteuer drückte auf die Armen; „für republikanische Herzen war das ein bittrer Schmerz.“ Gleich ging man hin, und schaffte die Salzsteuer ab. Die Sklaverei entehrte in den Augen der republikanischen Staatsmänner unsere französischen Kolonien: und man löschte diesen Schandfleck der französischen Ehre aus. Das ist alles recht schön, großmüthig, ja römisch sogar: aber wohin soll das führen, die Schatzkammer bleibt leer. Die Arbeiter im Gefängnisse thun den andern Arbeitern Abbruch; gleich geht man hin und schafft die Arbeiten im Gefängnisse ab, nährt die Gefangenen auf Staatskosten, alles das vermindert den Staatsschatz.
Das Journal des Debats geht so alle Finanzmaßregeln der Republik nach der Reihe durch, und zeigt ihre Ohnmacht, den Schatz zu füllen. Wenn es so fort geht, so kommt man unfehlbar zu den Assignaten.
Früher war das ganz anders, meinen die Debats. Wenn man zwar auch unvorsichtig mit den Finanzen umging, so hatte man doch immer die Nothhülfe der Anleihe. Aber jetzt, wo könnte man bloß z. B. bloß 200 Millionen auftreiben? Hr. Rothschild würde also bis jetzt sich noch nicht für 200 Millionen verbürgen. „Die Nachwehen der Verwaltung eines Garnier Pagés und Konsorten machten sich zu sehr fühlbar.“ Vielleicht später. „Man habe bereits einen sehr guten Anfang gemacht durch die strenge Handhabung der Ordnung. Wie man sieht, liegen die Februartage sehr ferne, wo Rothschild zu den Herren der provisorischen Regierung gekommen, und sie flehentlich bat, seinen Kredit zu benutzen. Das Anbieten seines Kredits bedeutete aber damals weiter nichts als das flehentliche Bitten um das Fortbestehenlassen seines eigenen Kredits.
‒ Die schrecklichen Juniereignisse haben dem Hrn. Lamartine seine Illusionen nicht benommen. Im Comité der auswärtigen Angelegenheiten, wo er seine Politik dem Hern. Mauguin gegenüber vertheidigt, sagt er, nicht er, sondern die Providenz sei der „Minister des Aeußern gewesen; so trefflich hätte sich alles gestaltet.“
‒ Nationalversammlung v. 17. Juli.Präsident Marie. Lherbetteinterpellirt den Minister des Auswärtigen wegen des Einmarsches der Russen in die Donauprovinzen: Vor einigen Tagen sprachen die Journale davon als einer sichern Thatsache. Seitdem ist ihr widersprochen worden. Ich frage daher, ob der Einmarsch der Russen eine Thatsache ist, und im Fall der Bestätigung, was der Minister des Auswärtigen sowohl den eindringenden Russen als der Pforte gegenüber zu thun gedenkt, welche den Einfall mit ihrem Mantel bedeckt? Ich verlange von dem Minister keine absolute Erklärung, ich begreife die Verhältnisse, welche ihm einen Rückhalt auferlegen.
Bastide,Minister des Auswärtigen, beschränkt sich darauf zu erwiedern, daß der Einmarsch der Russen in die Moldau noch sehr zweifelhaft sei. In jedem Fall könne die Nationalversammlung versichert sein, daß die Regierung nichts versäumen werde, um wie bisher, die Interessen Frankreichs zu wahren.
Fortsetzung der Debatte über den Dekretentwurf zur Ermächtigung alter Militärs zur Annahme mehrer Aemter.
General Lamoriciére erklärt, daß er sich mit dem Finanzminister besprochen habe und daß sie sofort einen Dekretentwurf über die Wiedereinstellung vorlegen wollen.
Der Entwurf wird verlesen und der Minister fragt, ob er ihn näher entwickeln solle? (Nein! Nein! In die Ausschüsse verwiesen!)
General Qudinotglaubt, daß es nöthig ist, den Entwurf dem Kriegsausschuß zu überweisen. (Unterstützt.)
Lamoriciére hat nichts gegen die Verweisung, wünscht aber schnelle Erledigung.
Die Verweisung in die Bureaux wird angenommen.
Victor Hugohat das Wort zur Berichterstattung über den Theatergesetzentwurf. Die Theater ernähren in Paris mehr als 10,000 Familien und setzen jährlich eine Summe von 30-40 Millionen in Umlauf. (Bewegung.) Die verlangte Unterstützungssumme von 680,000 Fr. solle nur für die Zukunft nützen, nicht aber die Fehler der Vergangenheit decken.
Dejars findet es befremdend, daß die Einkünfte der Provinzen dazu dienen sollen, die Vergnügungen der Hauptstadt zu erhalten.
Felix Pyat sagt, daß die vorige Regierung mit den Theatern gleich einem Epicier verfahren sei. (Unterbrechung.) Paris ohne Theater sei ein „großes Carpentras.“
Nach Abstimmung über die einzelnen Paragraphen wird das ganze Gesetz angenommen.
Sodann wird der verlangte Kredit von 200.000 Fr. zur Aufmunterung der Künste und Wissenschaften ohne Diskussion angenommen.
Zuletzt beschließt die Versammlung, daß die Statue des Erzbischofs von Paris nicht im Pantheon, sondern in Notre-Dame aufgestellt werden soll und bewilligt zu diesem Zweck nach einer lebhaften Debatte die Summe von 50,000 Fr.
Rußland St. Petersburg, 11. Juli.Zum 8. Juli waren in St. Petersburg 3970 Cholerakranke in Behandlung verblieben; im Verlaufe dieses Tages kamen hinzu 853, es genasen 172 und starben 574 (darunter in den Wohnungen 328). Zum 9. Verblieben in Behandlung 3897 Kranke.
‒ In Moskau hat die Epidemie nach dem 19. Juni den höchsten Grad ihrer Intensität erreicht und sich in der ganzen Woche in bedeutender Höhe erhalten, während jedoch die Zahl der Erkrankungen allmälig abnahm.
Im Gouvernement St. Petersburg hat sich die Epidemie mit großer Schnelligkeit ausgebreitet und greift noch fortwährend rasch um sich. Außer Neu Ladoga und Schlüsselburg sind auch die Kreise St. Petersburg und Zarskoje-Selo heimgesucht. In Kronstadt zeigte sich die Cholera am 23. Juni: von 4 Erkrankten starben hier 2. Am 26. kam ein Choleraanfall in Oranienbaum vor. Ueber den Gang der Epidemie in der Hauptstadt St. Petersburg selbst giebt die hiesige Polizeizeitung täglich Nachricht. Der erste Cholerafall wurde hier am 16. Juni bemerkt, wo ein aus Neu-Ladoga zu Wasser hier angekommener Diakonus erkrankte, der jedoch genas. Am 17. und 18. kamen keine Erkrankungen vor, aber am 19. erkrankten mehrere Personen, und von diesem Tage an nahm die Krankheit einen epidemischen Charakter an. In den ersten zwei bis drei Tagen wurden fast ausschließlich nur Bewohner des Liteinaja- und des Roschdestwenskaja- Stadttheils und der benachbarten Gegenden auf dem linken Newa-Ufer davon befallen und meistens Schiffsarbeiter auf den Barken. Sodann verbreitete sie sich mit ungewöhnlicher Schnelligkeit über alle Stadttheile und erreichte in kurzer Zeit als Epidemie einen hohen Grad der Intensität. Im Ochtaschen und im Petersburgischen Stadttheile brach sie später als in den übrigen Stadttheilen aus. In Bettacht der Schnelligkeit ihrer Verbreitung und gestützt auf die Erfahrungen, die man beim früheren Erscheinen der Cholera gemacht hat, giebt man der Hoffnung Raum, daß sie auch rasch wieder abnehmen und überhaupt nicht lange dauern werde. Seit dem Ausbruche der Cholera bis zum 1. Juli in St. Petersburg überhaupt 3474 Personen daran erkrankt und 1682 gestorben.
(Pr. St. A.)
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