Neue Rheinische Zeitung. Nr. 53. Köln, 23. Juli 1848.[Spaltenumbruch]
[Deutschland] Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. * Köln, 22. Juli.
Heute Morgen war der Redakteur en chef der Neuen Rheinischen Zeitung, Karl Marx, abermals vor den Instruktionsrichter geladen, um wegen des inkriminirten Artikels über die Verhaftung des Hrn. Anneke verhört zu werden. Der Gerant der Zeitung, H. Korff, war diesmal nicht mit geladen. * Köln, 22. Juli.
Die Briefe und Abendblätter aus Berlin sind gestern Abend nicht hier angekommen. Bloß einige Morgenblätter sind eingetroffen. Wie wir erfahren, hat der Bahnzug von Hannover keine Reisende aus Berlin mitgebracht, und soll der direkte Zug von Berlin überhaupt in Hannover ausgeblieben sein. Wir hören ferner, daß der elektrische Telegraph gemeldet hat, auf der Eisenbahn sei kein Unglück vorgefallen. * Berlin, 20. Juli:
Die früher auf den Vorschlag von Elsner, Hein und Reichenbach wegen Veränderung des Sitzungssaales niedergesetzte Kommission stellt jetzt einstimmig folgende Anträge: 1)den gegenwärtigen Saal beizubehalten, 2)die Verbesserung der Luft und die Verminderung der Hitze durch Aufstellung zweier Erhaustoren auf dem Boden des Hauses herbeizuführen, 3)den Cäciliensaal in seinem ganzen Umfange zu Zuhörerplätzen einrichten zu lassen, vorbehaltlich der Beschränkung dieser Maßregel, wenn die Akustik leiden sollte, 4)die stenographischen Berichte, getrennt vom Staatsanzeiger, zu den Selbstkosten zu verkaufen und portofrei im Inlande zu befördern. -Gegen 36 Bezirksvereine haben in Bezug auf die Erklärung der Stadtverordneten-Versammlung über die Bürgerwehr an den Magistrat eine Gegenerklärung erlassen, die sehr entschieden lautet und mit dem saubern Bürgerwehrgesetz-Entwurf allerdings in keinerlei Harmonie steht. * Erfurt, 18. Juli.
Die Erfurter Zeitung Nr. 145 enthält eine schlimme Beschuldigung gegen die beiden Berliner Staatsanwälte und Kammermitglieder, v. Kirchmann und Temme, so schlimm, daß, wenn die Beschuldigungen begründetwären, es fraglich sein würde, ob die beiden Beschuldigten im Amte bleiben könnten. Es knüpft die Erfurter Zeitung an das Gerücht, daß die Herren Staatsanwälte auf einige Zeit von ihren Obliegenheiten suspendirt seien, die Behauptung, die genannten Herren hätten, soviel bekannt, diejenigen Mitglieder der Berliner Bürgerwehr, welche bei der Plünderung des Zeughauses von ihren Waffen gegen die Plünderer Gebrauch gemacht haben, zur Untersuchung ziehen wollen. Man ist hier der Meinung, daß dieser Zeitungsartikel aus derjenigen Partei hervorgegangen sei, welche hier aus einigen Mitgliedern der Regierung und des Offizierkorps zusammengesetzt ist. Die Beschuldigten stehen in der Kammer mehr oder weniger bei der Linken. Die Aufregung unter den politischen Parteien wächst bis zur Erbitterung von Tag zu Tag. Jena, 19. Juli.
Gestern Mittag wurden hier die Sitzungen eines Corpskongresses der deutschen Universitäten geschlossen, der am 15. Juli seine Sitzungen begonnen hatte. Das Ergebniß war ein herrlicher "Comment", der nun wohl das deutsche Studentenleben zum Gipfel erheben wird. Er geht vom Grundprincip des "unbedingten Duellzwanges" aus und sucht die Korps wieder an die Spitze der Universitäten zu stellen. Uebrigens sollen, wie ich höre, die Ergebnisse dieses Kongresses, der von etwa zehn Universitäten beschickt war, in der "Studentenzeitung", veröffentlicht werden. Dieses Blatt, das in Göttingen als Organ für alle Parteien erscheint, ist trotzdem, das im "Vorparlamente" zu Eisenach die radicale Partei erklärte, daß eine Studentenzeitung unzeitgemäß, und studentische Sachen viel zu langweilig seyen, dennoch ins Leben getreten. (F.D.P.A.Z.)Gießen, 17. Juli.
Gestern ist eine zu Garbenteich abgehaltene Volksversammlung Veranlassung zu blutigen Auftritten geworden. Als die Großenlindner durch Leihgestern ziehen, da öffnet sich ein Thor, es fällt ein Schuß auf die hessische Fahne und nun stürzt eine Rotte aus Leihgestern auf die Großenlindner zu, um ihnen die hessische Fahne zu entreißen, mit Waffen aller Art. Bald ist der Kampf allgemein, die Großenlindner ohne Waffen natürlich im Nachtheile. Es sind sehr schwere Verwundungen vorgefallen, ein Schuß mit Schrot, Hiebe in den Kopf mit Aexten etc. Bald ertönte die Sturmglocke in mehreren Dörfern, aber die Ankommenden, namentlich die Preußen, konnten nicht einschreiten, weil sie die streitenden Parteien nicht kannten. Der Fanatismus in Leihgestern war so groß, daß Weiber fortwährend Steine zutrugen. Abends 11 Uhr noch ging der Landrichter mit Aerzten eilig nach dem Schauplatz des Kampfes. * Frankfurt, 20. Juli.
National-Versammlung. Nach Verlesung des Protokolls macht der Präsident Gagern der Versammlung folgende Mittheilung: M. H.! Die Schaffung einer Centralgewalt würde die deutsche Nation verpflichten, ihrem Inhaber ein festes Einkommen zu verschaffen; ich bin aber autorisirt zu erklären, daß der Reichsverweser ein solches Einkommen abgelehnt hat. (Großer Jubel). Schwerin: Die Versammlung hat den Entschluß des Reichsverwesers, die Lasten des Volks nicht zu vermehren, mit großer Befriedigung vernommen; der Ehre des Volks wird es aber angemessen sein; diese Höflichkeit zu erwiedern und dem Reichsverweser eine Wohnung anzuweisen. Der Redner beantragt, die Sorge hierfür dem Präsidium zu überweisen. Eisenmann: Wenn die National-Versammlung für ihre eignen Lokalitäten und Kanzleibedürfnisse monatlich 25,0000 fl. ausgebe, so wäre es gewiß passend, auch für den Reichsverweser einige 1000 fl. dranzuwenden. Die Versammlung nimmt den Antrag einstimmig an. Tagesordnung: Berathung über §. 4. des Art. 1. der Grundrechte:"die Strafe des bürgerlichen Todes soll nicht stattfinden." Wulffen aus Passau beantragt als Amendement:"Vermögenskonfiskation und bürgerlicher Tod, als Verbrechensstrafe, sind unstatthaft." Behr von Bamberg stimmt für Zulässigkeit des bürgerlichen Todes, der jedoch nicht auf "schuldlose" Angehörige des Bestraften ausgedehnt werden solle. Michelsen und Fuchs von Breslau sprechen aus "juristischen Bedenken" für Streichung des ganzen Paragraphen; andere Redner dagegen. Berathung über §. 5: "Die Auswanderungsfreiheit ist von Staatswegen unbeschränkt; Abzugsgelder dürfen nicht erhoben werden." Ein Minoritätsgutachten des Verfassungsausschusses beantragt als Zusatz: "Die Auswanderung selbst steht unter dem Schutze des Staates."Antrag des volkswirthschaftlichen Ausschusses: "Jeder Deutsche hat das Recht der Auswanderung, hat bei Ausübung dieses Rechts keine Abzugsgelder zu zahlen und hört auch im Auslande nicht auf, deutscher Bürger zu sein; kein deutscher Bürger kann jedoch Bürger eines andern Staates sein." Nach kurzer Diskussion, wobei Bogel aus Dillingen die Hoffnung ausspricht, daß der frühere Spottname: "Deutscher Reichsbürger" künftig in der ganzen Welt die Achtung des alten Römernamens genießen werde, schreitet die Versammlung zur Abstimmung über die §§. 1 - 3. Art. 1. §. 1. wird in folgender Fassung angenommen: "Jeder Deutsche hat das deutsche Reichsbürgerrecht. Die ihm kraft dessen zustehenden Rechte kann er in jedem deutschen Lande ausüben. Ueber das Recht zur deutschen Reichsversammlung zu wählen, verfügt das Reichswahlgesetz." Die Abstimmung über die weitern §§. des ersten Artikels wird ausgesetzt. Ueber die Frage der morgigen Tagesordnung entstehen heftige Debatten. Der Bericht des völkerrechtlichen Ausschusses über die Posener Frage ist als dringend empfohlen; die Bevollmächtigten der Polen aber haben bei dem Präsidenten am Aussetzung der Verhandlung für Einen Tag gebeten, da sie eine neue Denkschrift zum Druck und zur Vertheilung gegeben. Der Präsident stellt anheim, ob der Bericht Mydenbrugk's über die internationalen Verhältnisse Deutschlands zuerst auf die Tagesordnung kommen soll. Lichnowsky und der alte Arndt halten eine Eingabe von "Privatpersonen" für keinen Grund zur Vertagung der Posener Frage. Reh, Rösler Janiezewski aus Posen sprechen für den Aufschub, damit im Interesse der Gerechtigkeit der nicht vertretene Theil noch gehört werden könne. Nach längern Debatten macht endlich Schmitt aus Schlesien darauf aufmerksam, daß nach der Geschäftsordnung der Präsident die Tagesordnung zu bestimmen habe. Der Präsident bestimmt den Bericht Mydenbrugks und die Posener Frage für die morgige Sitzung. Aus Rheinhessen, 18. Juli.
Der ehemalige Gerichtspräsident C. Mohr aus Ingelheim, Abgeordnete des Wahlbezirks Worms bei dem deutschen Parlamente und einer der kürzlich freiwillig resignirten großh. hess. Landtagsdeputirten, ist "wegen Aufwiegelung" von der großh. hess. Regierung in Anklagezustand versetzt worden. Die gerichtlichen Verhandlungen sind bereits durch den Untersuchungsrichter Uhler von Mainz eingeleitet und mehrere Zeugenaussagen niedergelegt. Eine persönliche Verhaftung des Ineriminirten kann, seiner Eigenschaft als Parlamentsmitglied wegen, bekanntlich nur durch den Ausspruch des Parlaments selbst befolgen. (Rh. U. M.-Z.)** Darmstadt, 17. Juli.
Gestern hat der Minister des Innern, Eigenbrodt, die Seele des Ministeriums Zimmermann um seine Entlassung gebeten, und dieselbe erhalten. Ueber die Gründe, welche ihn zu diesem Schritt bewogen, verlautet bis jetzt zwar noch nichts, es ist aber höchst wahrscheinlich, daß der Unwille und die Aufregung, welche das "Manifest, die Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung betreffend" im ganzen Lande hervorgerufen hat, daran Schuld sind. An die Stelle Eigenbrodt's tritt der Staatsrath Jaup, welcher zugleich das Präsidium des Ministeriums übernimmt. Ob wir uns bei diesem Wechsel der Personen besonders verbessern, möchte ich bezweifeln; Jaup gehört mit zur Klasse der politischen Dulder, zu den liberalen Beamten von ehedem, welche jetzt mit den alten Reaktionären in der Unterdrückung der Freiheit wetteifern. Er wurde früher von der Regierung wegen seiner Opposition pensionirt, dann wurde dem Pensionär der Urlaub verweigert, um als Abgeordneter in die zweite Kammer zu treten. Man macht mit seiner Ernennung also der öffentlichen Meinung einige Konzessionen, ohne in der Wirklichkeit etwas nachzugeben. Uebrigens ist bei uns das kühnere oder leisere Auftreten der Reaktion durchaus abhängig von ihren Erfolgen in den größeren Staaten, die Person des Ministers daher viel gleichgültiger als dort. In Heidelberg verbietet man den demokratischen Studentenverein auf Grund eines Paragraphen der Wiener Konferenzbeschlüsse, die längst alle Gültigkeit verloren haben; in Stuttgart schließt man den demokratischen Klub ohne Weiteres, und im Odenwalde versucht man mit Hülfe des Militärs die republikanischen Sympathien auszurotten. In Michelstadt und Umgegend sind bereits zahlreiche Verhaftungen vorgenommen. Doch was noch schlimmer als das ist, man läßt durch das Militär noch die letzten Vorräthe der armen Leute aufzehren, man bestraft sie dafür, daß sie keine Steuern mehr entrichten können, man befürchtet, daß der Hunger nicht früh genug seine Opfer fordern möchte. Am nächsten Sonntage soll die schon länger angekündigte große Volksversammlung in der Nähe von Darmstadt abgehalten werden. Es heißt, man wolle aus Furcht vor dieser Versammlung die hiesige Garnison, die bereits aus 4000 Mann besteht, noch mit einem Regiment Baiern verstärken. Uebrigens sollen die im badischen Oberlande stationirt gewesenen Baiern von dem republikanischen Geiste mehr angesteckt sein, als der Regierung lieb ist, und darin ein Hauptmotiv zu ihrem Rückzuge mit gelegen haben. * Karlsruhe, 19. Juli.
Die Deutschen haben "Revolution" gemacht; so glauben sie; daß sie bloß "Revolution" gespielt, das werden sie vielleicht gelegentlich einmal begreifen. Wir Deutschen hatten angeblich auch freies "Assoziationsrecht erobert; wir besaßen es so ziemlich 3 Monat 10 Tage 6 Stunden. An die Stelle des "freien" Assoziationsrechtes ist jetzt das "gesetzliche" getreten."Gesetzlich" heißt es, sobald ein mittelst des "freien" Assoziationsrechtes gegründeter Verein nur solche Statuten besitzt, solche Verhandlungen führt, solche Anträge stellt, welche z. B. Hr. Mathy, Hr. Welcker oder Hr. Hansemann, Schreckenstein, Pfuel, Camphausen und Konsorten selber stellen oder, wenn sie im Klub wären, stellen würden. Ein Verein, dessen Statuten von denen der Polizei, dessen Bestrebungen von denen der Gendarmerie und der hochlöblichen Säbelzensur abweichen, werden verboten, aufgelöst, mit Strafen bedroht etc. Das ist eine der Errungenschaften der großen Revolution des deutschen Volkes im Jahre des Heils 1848. Einen Beleg hierzu: Von Heidelberg erschien heute eine Deputation des Gemeinderaths und der Bürgerausschüsse, welche die Zurücknahme der Verfügung gegen den demokratischen Studentenverein nachsuchten. Die "bürgerfreundliche" Antwort des Staatsministeriums lautet: "Daß von der Entschließung vom 16. d. M. nicht abgegangen werden könne, indem, wenn auch die Meinungen der Einzelnen frei sich geltend machen können, doch nicht geduldet werden dürfe, daß durch die Kraft der Assoziation die verfassungsmäßig bestehende Staatsordnung untergraben werde. Wollen Studenten einen andern Verein gründen, so stehe ihnen, wie schon in der Verfügung vom 16.d. M. gesagt sei, Nichts im Wege, vorausgesetzt, daß derselbe nicht gleich dem aufgelösten Verein sich wieder die Aufgabe stelle, für die Einführung einer Republik Propaganda zu machen ". Moral: Als Einzelne sind wir in unsern Meinungen frei; wir dürfen in -s Kopfkissen hinein die demokratische Republik für die beste Staatsform erklären, in Wald und Feld republikanische Ansichten laut werden lassen und propagandiren; thun wir dies aber im Verein und in Gegenwart Mehrerer, so "darf das nicht geduldet werden";das ginge ja schnurstracks gegen die Ansichten und Geldbeutel und die annehmlichen Positionen der Hrn. Mathy, Welcker, Bassermann etc. Genug, man wird aufgelöst, verboten, eingesperrt etc. Alles "zur größern Ehre" des "freien" Assoziationsrechtes. 48 Aus Franken, 17. Juli.
Die reaktionäre Thätigkeit der bairischen Regierung nimmt mit jedem Tage zu. Sie beschränkt sich jetzt nicht mehr auf polizeiliche Ausweisungen, sie schreitet zu Verhaftungen, auch wenn sich nicht der Schein eines Grundes auffinden läßt. In Schwabach, einem durchaus republikanischen Städtchen, gab Hr. Sticht seit dem Mai ein demokratisches Volksblatt: Fränkische Volkszeitung heraus. Schon die erste Nummer dieses Blattes war von dem Landrichter in Schwabach, Hrn. v. Hartlieb einem im Denunziren ergrauten Beamten mit Beschlag belegt worden, und als bei den damals noch versammelten Ständen diese Beschlagnahme angeregt wurde, gab der Minister Thon-Dittmer die chevaleristische Aeußerung von sich: "In diesem Blatte ist von Winkelfürsten die Rede, die man 1815 zu mediatisiren vergessen habe. Preßfreiheit haben wir; aber versteht man die Preßfreiheit so?" worauf die ganze Kammer pflichtschuldigst erwiederte: Nein, nein! Hr. Sticht ließ sich durch diese Beschlagnahme nicht irre machen, sondern fuhr fort, sein Blatt im entschieden demokratischen Sinne zu halten. Außerdem war er Leiter des demokratischen Vereins in Schwabach. Plötzlich erfolgte vor einigen Tagen seine Verhaftung. Vergebens erbot sich sein Vater, ein angesehener Bürger Schwabachs, zur Stellung einer Kaution, welche, da es sich lediglich um Preßvergehen handeln kann, nach dem Gesetze angenommen werden mußte; es blieb beim Verhaft. Allein das Volk war damit nicht zufrieden, befreite den Gefangenen gewaltsam und warf die Fenster des Rathhauses gewaltsam ein. Der wider seinen Willen Befreite, welcher die Folgen des gewaltsamen Schrittes für seine Vaterstadt voraussah, trug augenblicklich darauf an, in ein Gefängniß nach Nürnberg gebracht zu werden. Man willfahrte ihm hierin, dennoch aber rückte, auf Requisition des Landrichters, Militär von Nürnberg nach Schwabach, obwohl die Ruhe vollkommen hergestellt war, und die auf dem Markt versammelte friedliche Volksmenge wurde, ohne den mindesten Grund, auf ein Zeichen des Edlen von Hardlieb von der Kavallerie angegriffen und 7 Personen mehr oder minder schwer verwundet. Nur die entschlossene Haltung der Schwabacher Bürgerwehr, welche nicht undeutlich einen Kampf mit "scharf geladenen Gewehren" in Aussicht stellte, vermochte die Truppen zum Abmarsch zu bewegen, ohne daß weiteres Blutvergießen Statt fand. Der Angriff der Reiterei erklärt man jetzt für ein "Mißverständniß." Von dem Schicksal des Verhafteten erfährt man nichts. - Charakteristisch ist auch das Benehmen der bairischen Behörde in Bamberg. Bekanntlich wurde in Nürnberg ein entschiedener Demokrat, Advokat Titus, in die Nationalversammlung gewählt. Er hatte sich jedoch verpflichtet, nicht eher für die Einführung der republikanischen Staatsform zu stimmen, als bis er von seinen Wählern hiezu speziell ermächtigt worden sei. Dieß konnte ihn aber natürlich nicht abhalten, in Frankfurt mit der äußersten Linke zu stimmen. Als die Abstimmungen über das Gesetz wegen der Centralgewalt bekannt wurden, ließ sofort die Polizei in Bamberg durch den Advokaten Schlesing ein Mißtrauensvotum gegen den Abgeordneten Titus entwerfen, dem man möglichst zahlreiche Unterschriften der Wahlmänner zu verschaffen suchen wollte. So wurde eines Tages ein Wahlmann auf das Landgericht Bamberg vorgeladen. Ein Assessor Degen empfing ihn mit der Frage: Sind Sie Republikaner, oder konstitutionell-monarchisch? Der verblüfte Wahlmann erwiederte: er sei ein Fortschrittsmann, über diese spezielle Frage wolle er sich jetzt nicht entscheiden. Hierauf setzte ihm der Hr. Assessor auseinander, daß Titus sein Mandat verletzt hätte, weil er auf der äußersten Linke bei lauter Republikanern sitze, und [Spaltenumbruch]
[Deutschland] Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. * Köln, 22. Juli.
Heute Morgen war der Redakteur en chef der Neuen Rheinischen Zeitung, Karl Marx, abermals vor den Instruktionsrichter geladen, um wegen des inkriminirten Artikels über die Verhaftung des Hrn. Anneke verhört zu werden. Der Gerant der Zeitung, H. Korff, war diesmal nicht mit geladen. * Köln, 22. Juli.
Die Briefe und Abendblätter aus Berlin sind gestern Abend nicht hier angekommen. Bloß einige Morgenblätter sind eingetroffen. Wie wir erfahren, hat der Bahnzug von Hannover keine Reisende aus Berlin mitgebracht, und soll der direkte Zug von Berlin überhaupt in Hannover ausgeblieben sein. Wir hören ferner, daß der elektrische Telegraph gemeldet hat, auf der Eisenbahn sei kein Unglück vorgefallen. * Berlin, 20. Juli:
Die früher auf den Vorschlag von Elsner, Hein und Reichenbach wegen Veränderung des Sitzungssaales niedergesetzte Kommission stellt jetzt einstimmig folgende Anträge: 1)den gegenwärtigen Saal beizubehalten, 2)die Verbesserung der Luft und die Verminderung der Hitze durch Aufstellung zweier Erhaustoren auf dem Boden des Hauses herbeizuführen, 3)den Cäciliensaal in seinem ganzen Umfange zu Zuhörerplätzen einrichten zu lassen, vorbehaltlich der Beschränkung dieser Maßregel, wenn die Akustik leiden sollte, 4)die stenographischen Berichte, getrennt vom Staatsanzeiger, zu den Selbstkosten zu verkaufen und portofrei im Inlande zu befördern. ‒Gegen 36 Bezirksvereine haben in Bezug auf die Erklärung der Stadtverordneten-Versammlung über die Bürgerwehr an den Magistrat eine Gegenerklärung erlassen, die sehr entschieden lautet und mit dem saubern Bürgerwehrgesetz-Entwurf allerdings in keinerlei Harmonie steht. * Erfurt, 18. Juli.
Die Erfurter Zeitung Nr. 145 enthält eine schlimme Beschuldigung gegen die beiden Berliner Staatsanwälte und Kammermitglieder, v. Kirchmann und Temme, so schlimm, daß, wenn die Beschuldigungen begründetwären, es fraglich sein würde, ob die beiden Beschuldigten im Amte bleiben könnten. Es knüpft die Erfurter Zeitung an das Gerücht, daß die Herren Staatsanwälte auf einige Zeit von ihren Obliegenheiten suspendirt seien, die Behauptung, die genannten Herren hätten, soviel bekannt, diejenigen Mitglieder der Berliner Bürgerwehr, welche bei der Plünderung des Zeughauses von ihren Waffen gegen die Plünderer Gebrauch gemacht haben, zur Untersuchung ziehen wollen. Man ist hier der Meinung, daß dieser Zeitungsartikel aus derjenigen Partei hervorgegangen sei, welche hier aus einigen Mitgliedern der Regierung und des Offizierkorps zusammengesetzt ist. Die Beschuldigten stehen in der Kammer mehr oder weniger bei der Linken. Die Aufregung unter den politischen Parteien wächst bis zur Erbitterung von Tag zu Tag. Jena, 19. Juli.
Gestern Mittag wurden hier die Sitzungen eines Corpskongresses der deutschen Universitäten geschlossen, der am 15. Juli seine Sitzungen begonnen hatte. Das Ergebniß war ein herrlicher „Comment“, der nun wohl das deutsche Studentenleben zum Gipfel erheben wird. Er geht vom Grundprincip des „unbedingten Duellzwanges“ aus und sucht die Korps wieder an die Spitze der Universitäten zu stellen. Uebrigens sollen, wie ich höre, die Ergebnisse dieses Kongresses, der von etwa zehn Universitäten beschickt war, in der „Studentenzeitung“, veröffentlicht werden. Dieses Blatt, das in Göttingen als Organ für alle Parteien erscheint, ist trotzdem, das im „Vorparlamente“ zu Eisenach die radicale Partei erklärte, daß eine Studentenzeitung unzeitgemäß, und studentische Sachen viel zu langweilig seyen, dennoch ins Leben getreten. (F.D.P.A.Z.)Gießen, 17. Juli.
Gestern ist eine zu Garbenteich abgehaltene Volksversammlung Veranlassung zu blutigen Auftritten geworden. Als die Großenlindner durch Leihgestern ziehen, da öffnet sich ein Thor, es fällt ein Schuß auf die hessische Fahne und nun stürzt eine Rotte aus Leihgestern auf die Großenlindner zu, um ihnen die hessische Fahne zu entreißen, mit Waffen aller Art. Bald ist der Kampf allgemein, die Großenlindner ohne Waffen natürlich im Nachtheile. Es sind sehr schwere Verwundungen vorgefallen, ein Schuß mit Schrot, Hiebe in den Kopf mit Aexten etc. Bald ertönte die Sturmglocke in mehreren Dörfern, aber die Ankommenden, namentlich die Preußen, konnten nicht einschreiten, weil sie die streitenden Parteien nicht kannten. Der Fanatismus in Leihgestern war so groß, daß Weiber fortwährend Steine zutrugen. Abends 11 Uhr noch ging der Landrichter mit Aerzten eilig nach dem Schauplatz des Kampfes. * Frankfurt, 20. Juli.
National-Versammlung. Nach Verlesung des Protokolls macht der Präsident Gagern der Versammlung folgende Mittheilung: M. H.! Die Schaffung einer Centralgewalt würde die deutsche Nation verpflichten, ihrem Inhaber ein festes Einkommen zu verschaffen; ich bin aber autorisirt zu erklären, daß der Reichsverweser ein solches Einkommen abgelehnt hat. (Großer Jubel). Schwerin: Die Versammlung hat den Entschluß des Reichsverwesers, die Lasten des Volks nicht zu vermehren, mit großer Befriedigung vernommen; der Ehre des Volks wird es aber angemessen sein; diese Höflichkeit zu erwiedern und dem Reichsverweser eine Wohnung anzuweisen. Der Redner beantragt, die Sorge hierfür dem Präsidium zu überweisen. Eisenmann: Wenn die National-Versammlung für ihre eignen Lokalitäten und Kanzleibedürfnisse monatlich 25,0000 fl. ausgebe, so wäre es gewiß passend, auch für den Reichsverweser einige 1000 fl. dranzuwenden. Die Versammlung nimmt den Antrag einstimmig an. Tagesordnung: Berathung über §. 4. des Art. 1. der Grundrechte:„die Strafe des bürgerlichen Todes soll nicht stattfinden.“ Wulffen aus Passau beantragt als Amendement:„Vermögenskonfiskation und bürgerlicher Tod, als Verbrechensstrafe, sind unstatthaft.“ Behr von Bamberg stimmt für Zulässigkeit des bürgerlichen Todes, der jedoch nicht auf „schuldlose“ Angehörige des Bestraften ausgedehnt werden solle. Michelsen und Fuchs von Breslau sprechen aus „juristischen Bedenken“ für Streichung des ganzen Paragraphen; andere Redner dagegen. Berathung über §. 5: „Die Auswanderungsfreiheit ist von Staatswegen unbeschränkt; Abzugsgelder dürfen nicht erhoben werden.“ Ein Minoritätsgutachten des Verfassungsausschusses beantragt als Zusatz: „Die Auswanderung selbst steht unter dem Schutze des Staates.“Antrag des volkswirthschaftlichen Ausschusses: „Jeder Deutsche hat das Recht der Auswanderung, hat bei Ausübung dieses Rechts keine Abzugsgelder zu zahlen und hört auch im Auslande nicht auf, deutscher Bürger zu sein; kein deutscher Bürger kann jedoch Bürger eines andern Staates sein.“ Nach kurzer Diskussion, wobei Bogel aus Dillingen die Hoffnung ausspricht, daß der frühere Spottname: „Deutscher Reichsbürger“ künftig in der ganzen Welt die Achtung des alten Römernamens genießen werde, schreitet die Versammlung zur Abstimmung über die §§. 1 - 3. Art. 1. §. 1. wird in folgender Fassung angenommen: „Jeder Deutsche hat das deutsche Reichsbürgerrecht. Die ihm kraft dessen zustehenden Rechte kann er in jedem deutschen Lande ausüben. Ueber das Recht zur deutschen Reichsversammlung zu wählen, verfügt das Reichswahlgesetz.“ Die Abstimmung über die weitern §§. des ersten Artikels wird ausgesetzt. Ueber die Frage der morgigen Tagesordnung entstehen heftige Debatten. Der Bericht des völkerrechtlichen Ausschusses über die Posener Frage ist als dringend empfohlen; die Bevollmächtigten der Polen aber haben bei dem Präsidenten am Aussetzung der Verhandlung für Einen Tag gebeten, da sie eine neue Denkschrift zum Druck und zur Vertheilung gegeben. Der Präsident stellt anheim, ob der Bericht Mydenbrugk's über die internationalen Verhältnisse Deutschlands zuerst auf die Tagesordnung kommen soll. Lichnowsky und der alte Arndt halten eine Eingabe von „Privatpersonen“ für keinen Grund zur Vertagung der Posener Frage. Reh, Rösler Janiezewski aus Posen sprechen für den Aufschub, damit im Interesse der Gerechtigkeit der nicht vertretene Theil noch gehört werden könne. Nach längern Debatten macht endlich Schmitt aus Schlesien darauf aufmerksam, daß nach der Geschäftsordnung der Präsident die Tagesordnung zu bestimmen habe. Der Präsident bestimmt den Bericht Mydenbrugks und die Posener Frage für die morgige Sitzung. Aus Rheinhessen, 18. Juli.
Der ehemalige Gerichtspräsident C. Mohr aus Ingelheim, Abgeordnete des Wahlbezirks Worms bei dem deutschen Parlamente und einer der kürzlich freiwillig resignirten großh. hess. Landtagsdeputirten, ist „wegen Aufwiegelung“ von der großh. hess. Regierung in Anklagezustand versetzt worden. Die gerichtlichen Verhandlungen sind bereits durch den Untersuchungsrichter Uhler von Mainz eingeleitet und mehrere Zeugenaussagen niedergelegt. Eine persönliche Verhaftung des Ineriminirten kann, seiner Eigenschaft als Parlamentsmitglied wegen, bekanntlich nur durch den Ausspruch des Parlaments selbst befolgen. (Rh. U. M.-Z.)** Darmstadt, 17. Juli.
Gestern hat der Minister des Innern, Eigenbrodt, die Seele des Ministeriums Zimmermann um seine Entlassung gebeten, und dieselbe erhalten. Ueber die Gründe, welche ihn zu diesem Schritt bewogen, verlautet bis jetzt zwar noch nichts, es ist aber höchst wahrscheinlich, daß der Unwille und die Aufregung, welche das „Manifest, die Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung betreffend“ im ganzen Lande hervorgerufen hat, daran Schuld sind. An die Stelle Eigenbrodt's tritt der Staatsrath Jaup, welcher zugleich das Präsidium des Ministeriums übernimmt. Ob wir uns bei diesem Wechsel der Personen besonders verbessern, möchte ich bezweifeln; Jaup gehört mit zur Klasse der politischen Dulder, zu den liberalen Beamten von ehedem, welche jetzt mit den alten Reaktionären in der Unterdrückung der Freiheit wetteifern. Er wurde früher von der Regierung wegen seiner Opposition pensionirt, dann wurde dem Pensionär der Urlaub verweigert, um als Abgeordneter in die zweite Kammer zu treten. Man macht mit seiner Ernennung also der öffentlichen Meinung einige Konzessionen, ohne in der Wirklichkeit etwas nachzugeben. Uebrigens ist bei uns das kühnere oder leisere Auftreten der Reaktion durchaus abhängig von ihren Erfolgen in den größeren Staaten, die Person des Ministers daher viel gleichgültiger als dort. In Heidelberg verbietet man den demokratischen Studentenverein auf Grund eines Paragraphen der Wiener Konferenzbeschlüsse, die längst alle Gültigkeit verloren haben; in Stuttgart schließt man den demokratischen Klub ohne Weiteres, und im Odenwalde versucht man mit Hülfe des Militärs die republikanischen Sympathien auszurotten. In Michelstadt und Umgegend sind bereits zahlreiche Verhaftungen vorgenommen. Doch was noch schlimmer als das ist, man läßt durch das Militär noch die letzten Vorräthe der armen Leute aufzehren, man bestraft sie dafür, daß sie keine Steuern mehr entrichten können, man befürchtet, daß der Hunger nicht früh genug seine Opfer fordern möchte. Am nächsten Sonntage soll die schon länger angekündigte große Volksversammlung in der Nähe von Darmstadt abgehalten werden. Es heißt, man wolle aus Furcht vor dieser Versammlung die hiesige Garnison, die bereits aus 4000 Mann besteht, noch mit einem Regiment Baiern verstärken. Uebrigens sollen die im badischen Oberlande stationirt gewesenen Baiern von dem republikanischen Geiste mehr angesteckt sein, als der Regierung lieb ist, und darin ein Hauptmotiv zu ihrem Rückzuge mit gelegen haben. * Karlsruhe, 19. Juli.
Die Deutschen haben „Revolution“ gemacht; so glauben sie; daß sie bloß „Revolution“ gespielt, das werden sie vielleicht gelegentlich einmal begreifen. Wir Deutschen hatten angeblich auch freies „Assoziationsrecht erobert; wir besaßen es so ziemlich 3 Monat 10 Tage 6 Stunden. An die Stelle des „freien“ Assoziationsrechtes ist jetzt das „gesetzliche“ getreten.„Gesetzlich“ heißt es, sobald ein mittelst des „freien“ Assoziationsrechtes gegründeter Verein nur solche Statuten besitzt, solche Verhandlungen führt, solche Anträge stellt, welche z. B. Hr. Mathy, Hr. Welcker oder Hr. Hansemann, Schreckenstein, Pfuel, Camphausen und Konsorten selber stellen oder, wenn sie im Klub wären, stellen würden. Ein Verein, dessen Statuten von denen der Polizei, dessen Bestrebungen von denen der Gendarmerie und der hochlöblichen Säbelzensur abweichen, werden verboten, aufgelöst, mit Strafen bedroht etc. Das ist eine der Errungenschaften der großen Revolution des deutschen Volkes im Jahre des Heils 1848. Einen Beleg hierzu: Von Heidelberg erschien heute eine Deputation des Gemeinderaths und der Bürgerausschüsse, welche die Zurücknahme der Verfügung gegen den demokratischen Studentenverein nachsuchten. Die „bürgerfreundliche“ Antwort des Staatsministeriums lautet: „Daß von der Entschließung vom 16. d. M. nicht abgegangen werden könne, indem, wenn auch die Meinungen der Einzelnen frei sich geltend machen können, doch nicht geduldet werden dürfe, daß durch die Kraft der Assoziation die verfassungsmäßig bestehende Staatsordnung untergraben werde. Wollen Studenten einen andern Verein gründen, so stehe ihnen, wie schon in der Verfügung vom 16.d. M. gesagt sei, Nichts im Wege, vorausgesetzt, daß derselbe nicht gleich dem aufgelösten Verein sich wieder die Aufgabe stelle, für die Einführung einer Republik Propaganda zu machen “. Moral: Als Einzelne sind wir in unsern Meinungen frei; wir dürfen in ‒s Kopfkissen hinein die demokratische Republik für die beste Staatsform erklären, in Wald und Feld republikanische Ansichten laut werden lassen und propagandiren; thun wir dies aber im Verein und in Gegenwart Mehrerer, so „darf das nicht geduldet werden“;das ginge ja schnurstracks gegen die Ansichten und Geldbeutel und die annehmlichen Positionen der Hrn. Mathy, Welcker, Bassermann etc. Genug, man wird aufgelöst, verboten, eingesperrt etc. Alles „zur größern Ehre“ des „freien“ Assoziationsrechtes. 48 Aus Franken, 17. Juli.
Die reaktionäre Thätigkeit der bairischen Regierung nimmt mit jedem Tage zu. Sie beschränkt sich jetzt nicht mehr auf polizeiliche Ausweisungen, sie schreitet zu Verhaftungen, auch wenn sich nicht der Schein eines Grundes auffinden läßt. In Schwabach, einem durchaus republikanischen Städtchen, gab Hr. Sticht seit dem Mai ein demokratisches Volksblatt: Fränkische Volkszeitung heraus. Schon die erste Nummer dieses Blattes war von dem Landrichter in Schwabach, Hrn. v. Hartlieb einem im Denunziren ergrauten Beamten mit Beschlag belegt worden, und als bei den damals noch versammelten Ständen diese Beschlagnahme angeregt wurde, gab der Minister Thon-Dittmer die chevaleristische Aeußerung von sich: „In diesem Blatte ist von Winkelfürsten die Rede, die man 1815 zu mediatisiren vergessen habe. Preßfreiheit haben wir; aber versteht man die Preßfreiheit so?“ worauf die ganze Kammer pflichtschuldigst erwiederte: Nein, nein! Hr. Sticht ließ sich durch diese Beschlagnahme nicht irre machen, sondern fuhr fort, sein Blatt im entschieden demokratischen Sinne zu halten. Außerdem war er Leiter des demokratischen Vereins in Schwabach. Plötzlich erfolgte vor einigen Tagen seine Verhaftung. Vergebens erbot sich sein Vater, ein angesehener Bürger Schwabachs, zur Stellung einer Kaution, welche, da es sich lediglich um Preßvergehen handeln kann, nach dem Gesetze angenommen werden mußte; es blieb beim Verhaft. Allein das Volk war damit nicht zufrieden, befreite den Gefangenen gewaltsam und warf die Fenster des Rathhauses gewaltsam ein. Der wider seinen Willen Befreite, welcher die Folgen des gewaltsamen Schrittes für seine Vaterstadt voraussah, trug augenblicklich darauf an, in ein Gefängniß nach Nürnberg gebracht zu werden. Man willfahrte ihm hierin, dennoch aber rückte, auf Requisition des Landrichters, Militär von Nürnberg nach Schwabach, obwohl die Ruhe vollkommen hergestellt war, und die auf dem Markt versammelte friedliche Volksmenge wurde, ohne den mindesten Grund, auf ein Zeichen des Edlen von Hardlieb von der Kavallerie angegriffen und 7 Personen mehr oder minder schwer verwundet. Nur die entschlossene Haltung der Schwabacher Bürgerwehr, welche nicht undeutlich einen Kampf mit „scharf geladenen Gewehren“ in Aussicht stellte, vermochte die Truppen zum Abmarsch zu bewegen, ohne daß weiteres Blutvergießen Statt fand. Der Angriff der Reiterei erklärt man jetzt für ein „Mißverständniß.“ Von dem Schicksal des Verhafteten erfährt man nichts. ‒ Charakteristisch ist auch das Benehmen der bairischen Behörde in Bamberg. Bekanntlich wurde in Nürnberg ein entschiedener Demokrat, Advokat Titus, in die Nationalversammlung gewählt. Er hatte sich jedoch verpflichtet, nicht eher für die Einführung der republikanischen Staatsform zu stimmen, als bis er von seinen Wählern hiezu speziell ermächtigt worden sei. Dieß konnte ihn aber natürlich nicht abhalten, in Frankfurt mit der äußersten Linke zu stimmen. Als die Abstimmungen über das Gesetz wegen der Centralgewalt bekannt wurden, ließ sofort die Polizei in Bamberg durch den Advokaten Schlesing ein Mißtrauensvotum gegen den Abgeordneten Titus entwerfen, dem man möglichst zahlreiche Unterschriften der Wahlmänner zu verschaffen suchen wollte. So wurde eines Tages ein Wahlmann auf das Landgericht Bamberg vorgeladen. Ein Assessor Degen empfing ihn mit der Frage: Sind Sie Republikaner, oder konstitutionell-monarchisch? Der verblüfte Wahlmann erwiederte: er sei ein Fortschrittsmann, über diese spezielle Frage wolle er sich jetzt nicht entscheiden. Hierauf setzte ihm der Hr. Assessor auseinander, daß Titus sein Mandat verletzt hätte, weil er auf der äußersten Linke bei lauter Republikanern sitze, und <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0002" n="0262"/> <cb n="1"/> <div n="1"> <head>[Deutschland]</head> <div xml:id="ar053_001b_c" type="jArticle"> <note type="editorial">Edition: <bibl>Friedrich Engels: Die Debatte über den Jacobyschen Antrag. In: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi> I/7. S. 341.</bibl></note> <gap reason="copyright"/> </div> <div xml:id="ar053_002" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 22. Juli.</head> <p>Heute Morgen war der Redakteur en chef der Neuen Rheinischen Zeitung, Karl Marx, abermals vor den Instruktionsrichter geladen, um wegen des inkriminirten Artikels über die Verhaftung des Hrn. Anneke verhört zu werden. Der Gerant der Zeitung, H. Korff, war diesmal nicht mit geladen.</p> </div> <div xml:id="ar053_003" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 22. Juli.</head> <p>Die Briefe und Abendblätter aus Berlin sind gestern Abend nicht hier angekommen. Bloß einige Morgenblätter sind eingetroffen. Wie wir erfahren, hat der Bahnzug von Hannover keine Reisende aus Berlin mitgebracht, und soll der direkte Zug von Berlin überhaupt in Hannover ausgeblieben sein. Wir hören ferner, daß der elektrische Telegraph gemeldet hat, auf der Eisenbahn sei kein Unglück vorgefallen.</p> </div> <div xml:id="ar053_004" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 20. Juli:</head> <p>Die früher auf den Vorschlag von Elsner, Hein und Reichenbach wegen Veränderung des Sitzungssaales niedergesetzte Kommission stellt jetzt einstimmig folgende Anträge: 1)den gegenwärtigen Saal beizubehalten, 2)die Verbesserung der Luft und die Verminderung der Hitze durch Aufstellung zweier Erhaustoren auf dem Boden des Hauses herbeizuführen, 3)den Cäciliensaal in seinem ganzen Umfange zu Zuhörerplätzen einrichten zu lassen, vorbehaltlich der Beschränkung dieser Maßregel, wenn die Akustik leiden sollte, 4)die stenographischen Berichte, getrennt vom Staatsanzeiger, zu den Selbstkosten zu verkaufen und portofrei im Inlande zu befördern.</p> <p>‒Gegen 36 Bezirksvereine haben in Bezug auf die Erklärung der Stadtverordneten-Versammlung über die Bürgerwehr an den Magistrat eine Gegenerklärung erlassen, die sehr entschieden lautet und mit dem saubern Bürgerwehrgesetz-Entwurf allerdings in keinerlei Harmonie steht.</p> </div> <div xml:id="ar053_005" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Erfurt, 18. Juli.</head> <p>Die Erfurter Zeitung Nr. 145 enthält eine schlimme Beschuldigung gegen die beiden Berliner Staatsanwälte und Kammermitglieder, v. Kirchmann und Temme, so schlimm, daß, wenn die Beschuldigungen <hi rendition="#g">begründet</hi>wären, es fraglich sein würde, ob die beiden Beschuldigten im Amte bleiben könnten. Es knüpft die Erfurter Zeitung an das Gerücht, daß die Herren Staatsanwälte auf einige Zeit von ihren Obliegenheiten <hi rendition="#g">suspendirt</hi> seien, die Behauptung, die genannten Herren hätten, soviel bekannt, diejenigen Mitglieder der Berliner Bürgerwehr, welche bei der Plünderung des Zeughauses von ihren Waffen gegen die Plünderer Gebrauch gemacht haben, zur Untersuchung ziehen wollen. Man ist hier der Meinung, daß dieser Zeitungsartikel aus derjenigen Partei hervorgegangen sei, welche hier aus einigen Mitgliedern der Regierung und des Offizierkorps zusammengesetzt ist. Die Beschuldigten stehen in der Kammer mehr oder weniger bei der <hi rendition="#g">Linken.</hi> Die Aufregung unter den politischen Parteien wächst bis zur Erbitterung von Tag zu Tag.</p> </div> <div xml:id="ar053_006" type="jArticle"> <head>Jena, 19. Juli.</head> <p>Gestern Mittag wurden hier die Sitzungen eines Corpskongresses der deutschen Universitäten geschlossen, der am 15. Juli seine Sitzungen begonnen hatte. Das Ergebniß war ein herrlicher „Comment“, der nun wohl das deutsche Studentenleben zum Gipfel erheben wird. Er geht vom Grundprincip des „unbedingten Duellzwanges“ aus und sucht die Korps wieder an die Spitze der Universitäten zu stellen. Uebrigens sollen, wie ich höre, die Ergebnisse dieses Kongresses, der von etwa zehn Universitäten beschickt war, in der „Studentenzeitung“, veröffentlicht werden. Dieses Blatt, das in Göttingen als Organ für alle Parteien erscheint, ist trotzdem, das im „Vorparlamente“ zu Eisenach die radicale Partei erklärte, daß eine Studentenzeitung unzeitgemäß, und studentische Sachen viel zu langweilig seyen, dennoch ins Leben getreten.</p> <bibl>(F.D.P.A.Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar053_007" type="jArticle"> <head>Gießen, 17. Juli.</head> <p>Gestern ist eine zu Garbenteich abgehaltene Volksversammlung Veranlassung zu blutigen Auftritten geworden. Als die Großenlindner durch Leihgestern ziehen, da öffnet sich ein Thor, es fällt ein Schuß auf die hessische Fahne und nun stürzt eine Rotte aus Leihgestern auf die Großenlindner zu, um ihnen die hessische Fahne zu entreißen, mit Waffen aller Art. Bald ist der Kampf allgemein, die Großenlindner ohne Waffen natürlich im Nachtheile. Es sind sehr schwere Verwundungen vorgefallen, ein Schuß mit Schrot, Hiebe in den Kopf mit Aexten etc. Bald ertönte die Sturmglocke in mehreren Dörfern, aber die Ankommenden, namentlich die Preußen, konnten nicht einschreiten, weil sie die streitenden Parteien nicht kannten. Der Fanatismus in Leihgestern war so groß, daß Weiber fortwährend Steine zutrugen. Abends 11 Uhr noch ging der Landrichter mit Aerzten eilig nach dem Schauplatz des Kampfes.</p> </div> <div xml:id="ar053_008" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Frankfurt, 20. Juli.</head> <p>National-Versammlung. Nach Verlesung des Protokolls macht der Präsident Gagern der Versammlung folgende Mittheilung: M. H.! Die Schaffung einer Centralgewalt würde die deutsche Nation verpflichten, ihrem <hi rendition="#g">Inhaber</hi> ein festes Einkommen zu verschaffen; ich bin aber autorisirt zu erklären, daß der Reichsverweser ein solches Einkommen abgelehnt hat. (Großer Jubel).</p> <p><hi rendition="#g">Schwerin:</hi> Die Versammlung hat den Entschluß des Reichsverwesers, die Lasten des Volks nicht zu vermehren, mit großer Befriedigung vernommen; der Ehre des Volks wird es aber angemessen sein; diese Höflichkeit zu erwiedern und dem Reichsverweser eine Wohnung anzuweisen. Der Redner beantragt, die Sorge hierfür dem Präsidium zu überweisen.</p> <p><hi rendition="#g">Eisenmann:</hi> Wenn die National-Versammlung für ihre eignen Lokalitäten und Kanzleibedürfnisse monatlich 25,0000 fl. ausgebe, so wäre es gewiß passend, auch für den Reichsverweser einige 1000 fl. dranzuwenden.</p> <p>Die Versammlung nimmt den Antrag <hi rendition="#g">einstimmig</hi> an.</p> <p>Tagesordnung: Berathung über §. 4. des Art. 1. der Grundrechte:„die Strafe des bürgerlichen Todes soll nicht stattfinden.“</p> <p><hi rendition="#g">Wulffen</hi> aus Passau beantragt als Amendement:„Vermögenskonfiskation und bürgerlicher Tod, als Verbrechensstrafe, sind unstatthaft.“</p> <p><hi rendition="#g">Behr</hi> von Bamberg stimmt für Zulässigkeit des bürgerlichen Todes, der jedoch nicht auf <hi rendition="#g">„schuldlose“</hi> Angehörige des Bestraften ausgedehnt werden solle. Michelsen und Fuchs von Breslau sprechen aus „juristischen Bedenken“ für Streichung des ganzen Paragraphen; andere Redner dagegen.</p> <p>Berathung über §. 5: „Die Auswanderungsfreiheit ist von Staatswegen unbeschränkt; Abzugsgelder dürfen nicht erhoben werden.“ Ein Minoritätsgutachten des Verfassungsausschusses beantragt als Zusatz: „Die Auswanderung selbst steht unter dem Schutze des Staates.“Antrag des volkswirthschaftlichen Ausschusses: „Jeder Deutsche hat das Recht der Auswanderung, hat bei Ausübung dieses Rechts keine Abzugsgelder zu zahlen und hört auch im Auslande nicht auf, deutscher Bürger zu sein; kein deutscher Bürger kann jedoch Bürger eines andern Staates sein.“</p> <p>Nach kurzer Diskussion, wobei Bogel aus Dillingen die Hoffnung ausspricht, daß der frühere Spottname: „Deutscher Reichsbürger“ künftig in der ganzen Welt die Achtung des alten Römernamens genießen werde, schreitet die Versammlung zur Abstimmung über die §§. 1 - 3.</p> <p>Art. 1. §. 1. wird in folgender Fassung angenommen: „Jeder Deutsche hat das deutsche Reichsbürgerrecht. Die ihm kraft dessen zustehenden Rechte kann er in jedem deutschen Lande ausüben. Ueber das Recht zur deutschen Reichsversammlung zu wählen, verfügt das Reichswahlgesetz.“</p> <p>Die Abstimmung über die weitern §§. des ersten Artikels wird ausgesetzt. Ueber die Frage der morgigen Tagesordnung entstehen heftige Debatten. Der Bericht des völkerrechtlichen Ausschusses über die Posener Frage ist als dringend empfohlen; die Bevollmächtigten der Polen aber haben bei dem Präsidenten am Aussetzung der Verhandlung für <hi rendition="#g">Einen</hi> Tag gebeten, da sie eine neue Denkschrift zum Druck und zur Vertheilung gegeben. Der Präsident stellt anheim, ob der Bericht Mydenbrugk's über die internationalen Verhältnisse Deutschlands zuerst auf die Tagesordnung kommen soll.</p> <p><hi rendition="#g">Lichnowsky</hi> und der alte Arndt halten eine Eingabe von „Privatpersonen“ für keinen Grund zur Vertagung der Posener Frage.</p> <p><hi rendition="#g">Reh, Rösler Janiezewski</hi> aus Posen sprechen für den Aufschub, damit im Interesse der Gerechtigkeit der nicht vertretene Theil noch gehört werden könne.</p> <p>Nach längern Debatten macht endlich Schmitt aus Schlesien darauf aufmerksam, daß nach der Geschäftsordnung der Präsident die Tagesordnung zu bestimmen habe. Der Präsident bestimmt den Bericht Mydenbrugks und die Posener Frage für die morgige Sitzung.</p> </div> <div xml:id="ar053_009" type="jArticle"> <head>Aus Rheinhessen, 18. Juli.</head> <p>Der ehemalige Gerichtspräsident C. Mohr aus Ingelheim, Abgeordnete des Wahlbezirks Worms bei dem deutschen Parlamente und einer der kürzlich freiwillig resignirten großh. hess. Landtagsdeputirten, ist „wegen Aufwiegelung“ von der großh. hess. Regierung in Anklagezustand versetzt worden. Die gerichtlichen Verhandlungen sind bereits durch den Untersuchungsrichter Uhler von Mainz eingeleitet und mehrere Zeugenaussagen niedergelegt. Eine persönliche Verhaftung des Ineriminirten kann, seiner Eigenschaft als Parlamentsmitglied wegen, bekanntlich nur durch den Ausspruch des Parlaments selbst befolgen.</p> <bibl>(Rh. U. M.-Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar053_010" type="jArticle"> <head><bibl><author>**</author></bibl> Darmstadt, 17. Juli.</head> <p>Gestern hat der Minister des Innern, Eigenbrodt, die Seele des Ministeriums Zimmermann um seine Entlassung gebeten, und dieselbe erhalten. Ueber die Gründe, welche ihn zu diesem Schritt bewogen, verlautet bis jetzt zwar noch nichts, es ist aber höchst wahrscheinlich, daß der Unwille und die Aufregung, welche das „Manifest, die Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung betreffend“ im ganzen Lande hervorgerufen hat, daran Schuld sind. An die Stelle Eigenbrodt's tritt der Staatsrath Jaup, welcher zugleich das Präsidium des Ministeriums übernimmt. Ob wir uns bei diesem Wechsel der Personen besonders verbessern, möchte ich bezweifeln; Jaup gehört mit zur Klasse der politischen Dulder, zu den liberalen Beamten von ehedem, welche jetzt mit den alten Reaktionären in der Unterdrückung der Freiheit wetteifern. Er wurde früher von der Regierung wegen seiner Opposition pensionirt, dann wurde dem Pensionär der Urlaub verweigert, um als Abgeordneter in die zweite Kammer zu treten. Man macht mit seiner Ernennung also der öffentlichen Meinung einige Konzessionen, ohne in der Wirklichkeit etwas nachzugeben. Uebrigens ist bei uns das kühnere oder leisere Auftreten der Reaktion durchaus abhängig von ihren Erfolgen in den größeren Staaten, die Person des Ministers daher viel gleichgültiger als dort. In Heidelberg verbietet man den demokratischen Studentenverein auf Grund eines Paragraphen der Wiener Konferenzbeschlüsse, die längst alle Gültigkeit verloren haben; in Stuttgart schließt man den demokratischen Klub ohne Weiteres, und im Odenwalde versucht man mit Hülfe des Militärs die republikanischen Sympathien auszurotten. In Michelstadt und Umgegend sind bereits zahlreiche Verhaftungen vorgenommen. Doch was noch schlimmer als das ist, man läßt durch das Militär noch die letzten Vorräthe der armen Leute aufzehren, man bestraft sie dafür, daß sie keine Steuern mehr entrichten können, man befürchtet, daß der Hunger nicht früh genug seine Opfer fordern möchte.</p> <p>Am nächsten Sonntage soll die schon länger angekündigte große Volksversammlung in der Nähe von Darmstadt abgehalten werden. Es heißt, man wolle aus Furcht vor dieser Versammlung die hiesige Garnison, die bereits aus 4000 Mann besteht, noch mit einem Regiment Baiern verstärken. Uebrigens sollen die im badischen Oberlande stationirt gewesenen Baiern von dem republikanischen Geiste mehr angesteckt sein, als der Regierung lieb ist, und darin ein Hauptmotiv zu ihrem Rückzuge mit gelegen haben.</p> </div> <div xml:id="ar053_011" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Karlsruhe, 19. Juli.</head> <p>Die Deutschen haben „Revolution“ gemacht; so glauben sie; daß sie bloß „Revolution“ gespielt, das werden sie vielleicht gelegentlich einmal begreifen. Wir Deutschen hatten angeblich auch freies „Assoziationsrecht erobert; wir besaßen es so ziemlich 3 Monat 10 Tage 6 Stunden. An die Stelle des „freien“ Assoziationsrechtes ist jetzt das „gesetzliche“ getreten.„Gesetzlich“ heißt es, sobald ein mittelst des „freien“ Assoziationsrechtes gegründeter Verein nur solche Statuten besitzt, solche Verhandlungen führt, solche Anträge stellt, welche z. B. Hr. Mathy, Hr. Welcker oder Hr. Hansemann, Schreckenstein, Pfuel, Camphausen und Konsorten selber stellen oder, wenn sie im Klub wären, stellen würden. Ein Verein, dessen Statuten von denen der Polizei, dessen Bestrebungen von denen der Gendarmerie und der hochlöblichen Säbelzensur abweichen, werden verboten, aufgelöst, mit Strafen bedroht etc. Das ist eine der Errungenschaften der großen Revolution des deutschen Volkes im Jahre des Heils 1848. Einen Beleg hierzu: Von Heidelberg erschien heute eine Deputation des Gemeinderaths und der Bürgerausschüsse, welche die Zurücknahme der Verfügung gegen den demokratischen Studentenverein nachsuchten. Die „bürgerfreundliche“ Antwort des Staatsministeriums lautet: „Daß von der Entschließung vom 16. d. M. nicht abgegangen werden könne, indem, wenn auch die Meinungen der Einzelnen frei sich geltend machen können, doch nicht geduldet werden dürfe, daß durch die Kraft der Assoziation die verfassungsmäßig bestehende Staatsordnung untergraben werde. Wollen Studenten einen andern Verein gründen, so stehe ihnen, wie schon in der Verfügung vom 16.d. M. gesagt sei, Nichts im Wege, vorausgesetzt, daß derselbe nicht gleich dem aufgelösten Verein sich wieder die Aufgabe stelle, für die Einführung einer Republik Propaganda zu machen “.</p> <p>Moral: Als Einzelne sind wir in unsern Meinungen frei; wir dürfen in ‒s Kopfkissen hinein die demokratische Republik für die beste Staatsform erklären, in Wald und Feld republikanische Ansichten laut werden lassen und propagandiren; thun wir dies aber im Verein und in Gegenwart Mehrerer, so „darf das nicht geduldet werden“;das ginge ja schnurstracks gegen die Ansichten und Geldbeutel und die annehmlichen Positionen der Hrn. Mathy, Welcker, Bassermann etc. Genug, man wird aufgelöst, verboten, eingesperrt etc. Alles „zur größern Ehre“ des „freien“ Assoziationsrechtes.</p> </div> <div xml:id="ar053_012" type="jArticle"> <head><bibl><author>48</author></bibl> Aus Franken, 17. Juli.</head> <p>Die reaktionäre Thätigkeit der bairischen Regierung nimmt mit jedem Tage zu. Sie beschränkt sich jetzt nicht mehr auf polizeiliche Ausweisungen, sie schreitet zu Verhaftungen, auch wenn sich nicht der Schein eines Grundes auffinden läßt. In Schwabach, einem durchaus republikanischen Städtchen, gab Hr. Sticht seit dem Mai ein demokratisches Volksblatt: Fränkische Volkszeitung heraus. Schon die erste Nummer dieses Blattes war von dem Landrichter in Schwabach, Hrn. v. Hartlieb einem im Denunziren ergrauten Beamten mit Beschlag belegt worden, und als bei den damals noch versammelten Ständen diese Beschlagnahme angeregt wurde, gab der Minister Thon-Dittmer die chevaleristische Aeußerung von sich: „In diesem Blatte ist von Winkelfürsten die Rede, die man 1815 zu mediatisiren vergessen habe. Preßfreiheit haben wir; aber versteht man die Preßfreiheit so?“ worauf die ganze Kammer pflichtschuldigst erwiederte: Nein, nein! Hr. Sticht ließ sich durch diese Beschlagnahme nicht irre machen, sondern fuhr fort, sein Blatt im entschieden demokratischen Sinne zu halten. Außerdem war er Leiter des demokratischen Vereins in Schwabach. Plötzlich erfolgte vor einigen Tagen seine Verhaftung. Vergebens erbot sich sein Vater, ein angesehener Bürger Schwabachs, zur Stellung einer Kaution, welche, da es sich lediglich um Preßvergehen handeln kann, nach dem Gesetze angenommen werden mußte; es blieb beim Verhaft. Allein das Volk war damit nicht zufrieden, befreite den Gefangenen gewaltsam und warf die Fenster des Rathhauses gewaltsam ein. Der wider seinen Willen Befreite, welcher die Folgen des gewaltsamen Schrittes für seine Vaterstadt voraussah, trug augenblicklich darauf an, in ein Gefängniß nach Nürnberg gebracht zu werden. Man willfahrte ihm hierin, dennoch aber rückte, auf Requisition des Landrichters, Militär von Nürnberg nach Schwabach, obwohl die Ruhe vollkommen hergestellt war, und die auf dem Markt versammelte friedliche Volksmenge wurde, ohne den mindesten Grund, auf ein Zeichen des Edlen von Hardlieb von der Kavallerie angegriffen und 7 Personen mehr oder minder schwer verwundet. Nur die entschlossene Haltung der Schwabacher Bürgerwehr, welche nicht undeutlich einen Kampf mit „scharf geladenen Gewehren“ in Aussicht stellte, vermochte die Truppen zum Abmarsch zu bewegen, ohne daß weiteres Blutvergießen Statt fand. Der Angriff der Reiterei erklärt man jetzt für ein „Mißverständniß.“ Von dem Schicksal des Verhafteten erfährt man nichts. ‒ Charakteristisch ist auch das Benehmen der bairischen Behörde in Bamberg. Bekanntlich wurde in Nürnberg ein entschiedener Demokrat, Advokat Titus, in die Nationalversammlung gewählt. Er hatte sich jedoch verpflichtet, nicht eher für die Einführung der republikanischen Staatsform zu stimmen, als bis er von seinen Wählern hiezu speziell ermächtigt worden sei. Dieß konnte ihn aber natürlich nicht abhalten, in Frankfurt mit der äußersten Linke zu stimmen. Als die Abstimmungen über das Gesetz wegen der Centralgewalt bekannt wurden, ließ sofort die Polizei in Bamberg durch den Advokaten Schlesing ein Mißtrauensvotum gegen den Abgeordneten Titus entwerfen, dem man möglichst zahlreiche Unterschriften der Wahlmänner zu verschaffen suchen wollte. So wurde eines Tages ein Wahlmann auf das Landgericht Bamberg vorgeladen. Ein Assessor Degen empfing ihn mit der Frage: Sind Sie Republikaner, oder konstitutionell-monarchisch? Der verblüfte Wahlmann erwiederte: er sei ein Fortschrittsmann, über diese spezielle Frage wolle er sich jetzt nicht entscheiden. Hierauf setzte ihm der Hr. Assessor auseinander, daß Titus sein Mandat verletzt hätte, weil er auf der äußersten Linke bei lauter Republikanern sitze, und </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0262/0002]
[Deutschland] _ * Köln, 22. Juli.Heute Morgen war der Redakteur en chef der Neuen Rheinischen Zeitung, Karl Marx, abermals vor den Instruktionsrichter geladen, um wegen des inkriminirten Artikels über die Verhaftung des Hrn. Anneke verhört zu werden. Der Gerant der Zeitung, H. Korff, war diesmal nicht mit geladen.
* Köln, 22. Juli.Die Briefe und Abendblätter aus Berlin sind gestern Abend nicht hier angekommen. Bloß einige Morgenblätter sind eingetroffen. Wie wir erfahren, hat der Bahnzug von Hannover keine Reisende aus Berlin mitgebracht, und soll der direkte Zug von Berlin überhaupt in Hannover ausgeblieben sein. Wir hören ferner, daß der elektrische Telegraph gemeldet hat, auf der Eisenbahn sei kein Unglück vorgefallen.
* Berlin, 20. Juli:Die früher auf den Vorschlag von Elsner, Hein und Reichenbach wegen Veränderung des Sitzungssaales niedergesetzte Kommission stellt jetzt einstimmig folgende Anträge: 1)den gegenwärtigen Saal beizubehalten, 2)die Verbesserung der Luft und die Verminderung der Hitze durch Aufstellung zweier Erhaustoren auf dem Boden des Hauses herbeizuführen, 3)den Cäciliensaal in seinem ganzen Umfange zu Zuhörerplätzen einrichten zu lassen, vorbehaltlich der Beschränkung dieser Maßregel, wenn die Akustik leiden sollte, 4)die stenographischen Berichte, getrennt vom Staatsanzeiger, zu den Selbstkosten zu verkaufen und portofrei im Inlande zu befördern.
‒Gegen 36 Bezirksvereine haben in Bezug auf die Erklärung der Stadtverordneten-Versammlung über die Bürgerwehr an den Magistrat eine Gegenerklärung erlassen, die sehr entschieden lautet und mit dem saubern Bürgerwehrgesetz-Entwurf allerdings in keinerlei Harmonie steht.
* Erfurt, 18. Juli.Die Erfurter Zeitung Nr. 145 enthält eine schlimme Beschuldigung gegen die beiden Berliner Staatsanwälte und Kammermitglieder, v. Kirchmann und Temme, so schlimm, daß, wenn die Beschuldigungen begründetwären, es fraglich sein würde, ob die beiden Beschuldigten im Amte bleiben könnten. Es knüpft die Erfurter Zeitung an das Gerücht, daß die Herren Staatsanwälte auf einige Zeit von ihren Obliegenheiten suspendirt seien, die Behauptung, die genannten Herren hätten, soviel bekannt, diejenigen Mitglieder der Berliner Bürgerwehr, welche bei der Plünderung des Zeughauses von ihren Waffen gegen die Plünderer Gebrauch gemacht haben, zur Untersuchung ziehen wollen. Man ist hier der Meinung, daß dieser Zeitungsartikel aus derjenigen Partei hervorgegangen sei, welche hier aus einigen Mitgliedern der Regierung und des Offizierkorps zusammengesetzt ist. Die Beschuldigten stehen in der Kammer mehr oder weniger bei der Linken. Die Aufregung unter den politischen Parteien wächst bis zur Erbitterung von Tag zu Tag.
Jena, 19. Juli.Gestern Mittag wurden hier die Sitzungen eines Corpskongresses der deutschen Universitäten geschlossen, der am 15. Juli seine Sitzungen begonnen hatte. Das Ergebniß war ein herrlicher „Comment“, der nun wohl das deutsche Studentenleben zum Gipfel erheben wird. Er geht vom Grundprincip des „unbedingten Duellzwanges“ aus und sucht die Korps wieder an die Spitze der Universitäten zu stellen. Uebrigens sollen, wie ich höre, die Ergebnisse dieses Kongresses, der von etwa zehn Universitäten beschickt war, in der „Studentenzeitung“, veröffentlicht werden. Dieses Blatt, das in Göttingen als Organ für alle Parteien erscheint, ist trotzdem, das im „Vorparlamente“ zu Eisenach die radicale Partei erklärte, daß eine Studentenzeitung unzeitgemäß, und studentische Sachen viel zu langweilig seyen, dennoch ins Leben getreten.
(F.D.P.A.Z.) Gießen, 17. Juli.Gestern ist eine zu Garbenteich abgehaltene Volksversammlung Veranlassung zu blutigen Auftritten geworden. Als die Großenlindner durch Leihgestern ziehen, da öffnet sich ein Thor, es fällt ein Schuß auf die hessische Fahne und nun stürzt eine Rotte aus Leihgestern auf die Großenlindner zu, um ihnen die hessische Fahne zu entreißen, mit Waffen aller Art. Bald ist der Kampf allgemein, die Großenlindner ohne Waffen natürlich im Nachtheile. Es sind sehr schwere Verwundungen vorgefallen, ein Schuß mit Schrot, Hiebe in den Kopf mit Aexten etc. Bald ertönte die Sturmglocke in mehreren Dörfern, aber die Ankommenden, namentlich die Preußen, konnten nicht einschreiten, weil sie die streitenden Parteien nicht kannten. Der Fanatismus in Leihgestern war so groß, daß Weiber fortwährend Steine zutrugen. Abends 11 Uhr noch ging der Landrichter mit Aerzten eilig nach dem Schauplatz des Kampfes.
* Frankfurt, 20. Juli.National-Versammlung. Nach Verlesung des Protokolls macht der Präsident Gagern der Versammlung folgende Mittheilung: M. H.! Die Schaffung einer Centralgewalt würde die deutsche Nation verpflichten, ihrem Inhaber ein festes Einkommen zu verschaffen; ich bin aber autorisirt zu erklären, daß der Reichsverweser ein solches Einkommen abgelehnt hat. (Großer Jubel).
Schwerin: Die Versammlung hat den Entschluß des Reichsverwesers, die Lasten des Volks nicht zu vermehren, mit großer Befriedigung vernommen; der Ehre des Volks wird es aber angemessen sein; diese Höflichkeit zu erwiedern und dem Reichsverweser eine Wohnung anzuweisen. Der Redner beantragt, die Sorge hierfür dem Präsidium zu überweisen.
Eisenmann: Wenn die National-Versammlung für ihre eignen Lokalitäten und Kanzleibedürfnisse monatlich 25,0000 fl. ausgebe, so wäre es gewiß passend, auch für den Reichsverweser einige 1000 fl. dranzuwenden.
Die Versammlung nimmt den Antrag einstimmig an.
Tagesordnung: Berathung über §. 4. des Art. 1. der Grundrechte:„die Strafe des bürgerlichen Todes soll nicht stattfinden.“
Wulffen aus Passau beantragt als Amendement:„Vermögenskonfiskation und bürgerlicher Tod, als Verbrechensstrafe, sind unstatthaft.“
Behr von Bamberg stimmt für Zulässigkeit des bürgerlichen Todes, der jedoch nicht auf „schuldlose“ Angehörige des Bestraften ausgedehnt werden solle. Michelsen und Fuchs von Breslau sprechen aus „juristischen Bedenken“ für Streichung des ganzen Paragraphen; andere Redner dagegen.
Berathung über §. 5: „Die Auswanderungsfreiheit ist von Staatswegen unbeschränkt; Abzugsgelder dürfen nicht erhoben werden.“ Ein Minoritätsgutachten des Verfassungsausschusses beantragt als Zusatz: „Die Auswanderung selbst steht unter dem Schutze des Staates.“Antrag des volkswirthschaftlichen Ausschusses: „Jeder Deutsche hat das Recht der Auswanderung, hat bei Ausübung dieses Rechts keine Abzugsgelder zu zahlen und hört auch im Auslande nicht auf, deutscher Bürger zu sein; kein deutscher Bürger kann jedoch Bürger eines andern Staates sein.“
Nach kurzer Diskussion, wobei Bogel aus Dillingen die Hoffnung ausspricht, daß der frühere Spottname: „Deutscher Reichsbürger“ künftig in der ganzen Welt die Achtung des alten Römernamens genießen werde, schreitet die Versammlung zur Abstimmung über die §§. 1 - 3.
Art. 1. §. 1. wird in folgender Fassung angenommen: „Jeder Deutsche hat das deutsche Reichsbürgerrecht. Die ihm kraft dessen zustehenden Rechte kann er in jedem deutschen Lande ausüben. Ueber das Recht zur deutschen Reichsversammlung zu wählen, verfügt das Reichswahlgesetz.“
Die Abstimmung über die weitern §§. des ersten Artikels wird ausgesetzt. Ueber die Frage der morgigen Tagesordnung entstehen heftige Debatten. Der Bericht des völkerrechtlichen Ausschusses über die Posener Frage ist als dringend empfohlen; die Bevollmächtigten der Polen aber haben bei dem Präsidenten am Aussetzung der Verhandlung für Einen Tag gebeten, da sie eine neue Denkschrift zum Druck und zur Vertheilung gegeben. Der Präsident stellt anheim, ob der Bericht Mydenbrugk's über die internationalen Verhältnisse Deutschlands zuerst auf die Tagesordnung kommen soll.
Lichnowsky und der alte Arndt halten eine Eingabe von „Privatpersonen“ für keinen Grund zur Vertagung der Posener Frage.
Reh, Rösler Janiezewski aus Posen sprechen für den Aufschub, damit im Interesse der Gerechtigkeit der nicht vertretene Theil noch gehört werden könne.
Nach längern Debatten macht endlich Schmitt aus Schlesien darauf aufmerksam, daß nach der Geschäftsordnung der Präsident die Tagesordnung zu bestimmen habe. Der Präsident bestimmt den Bericht Mydenbrugks und die Posener Frage für die morgige Sitzung.
Aus Rheinhessen, 18. Juli.Der ehemalige Gerichtspräsident C. Mohr aus Ingelheim, Abgeordnete des Wahlbezirks Worms bei dem deutschen Parlamente und einer der kürzlich freiwillig resignirten großh. hess. Landtagsdeputirten, ist „wegen Aufwiegelung“ von der großh. hess. Regierung in Anklagezustand versetzt worden. Die gerichtlichen Verhandlungen sind bereits durch den Untersuchungsrichter Uhler von Mainz eingeleitet und mehrere Zeugenaussagen niedergelegt. Eine persönliche Verhaftung des Ineriminirten kann, seiner Eigenschaft als Parlamentsmitglied wegen, bekanntlich nur durch den Ausspruch des Parlaments selbst befolgen.
(Rh. U. M.-Z.) ** Darmstadt, 17. Juli.Gestern hat der Minister des Innern, Eigenbrodt, die Seele des Ministeriums Zimmermann um seine Entlassung gebeten, und dieselbe erhalten. Ueber die Gründe, welche ihn zu diesem Schritt bewogen, verlautet bis jetzt zwar noch nichts, es ist aber höchst wahrscheinlich, daß der Unwille und die Aufregung, welche das „Manifest, die Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung betreffend“ im ganzen Lande hervorgerufen hat, daran Schuld sind. An die Stelle Eigenbrodt's tritt der Staatsrath Jaup, welcher zugleich das Präsidium des Ministeriums übernimmt. Ob wir uns bei diesem Wechsel der Personen besonders verbessern, möchte ich bezweifeln; Jaup gehört mit zur Klasse der politischen Dulder, zu den liberalen Beamten von ehedem, welche jetzt mit den alten Reaktionären in der Unterdrückung der Freiheit wetteifern. Er wurde früher von der Regierung wegen seiner Opposition pensionirt, dann wurde dem Pensionär der Urlaub verweigert, um als Abgeordneter in die zweite Kammer zu treten. Man macht mit seiner Ernennung also der öffentlichen Meinung einige Konzessionen, ohne in der Wirklichkeit etwas nachzugeben. Uebrigens ist bei uns das kühnere oder leisere Auftreten der Reaktion durchaus abhängig von ihren Erfolgen in den größeren Staaten, die Person des Ministers daher viel gleichgültiger als dort. In Heidelberg verbietet man den demokratischen Studentenverein auf Grund eines Paragraphen der Wiener Konferenzbeschlüsse, die längst alle Gültigkeit verloren haben; in Stuttgart schließt man den demokratischen Klub ohne Weiteres, und im Odenwalde versucht man mit Hülfe des Militärs die republikanischen Sympathien auszurotten. In Michelstadt und Umgegend sind bereits zahlreiche Verhaftungen vorgenommen. Doch was noch schlimmer als das ist, man läßt durch das Militär noch die letzten Vorräthe der armen Leute aufzehren, man bestraft sie dafür, daß sie keine Steuern mehr entrichten können, man befürchtet, daß der Hunger nicht früh genug seine Opfer fordern möchte.
Am nächsten Sonntage soll die schon länger angekündigte große Volksversammlung in der Nähe von Darmstadt abgehalten werden. Es heißt, man wolle aus Furcht vor dieser Versammlung die hiesige Garnison, die bereits aus 4000 Mann besteht, noch mit einem Regiment Baiern verstärken. Uebrigens sollen die im badischen Oberlande stationirt gewesenen Baiern von dem republikanischen Geiste mehr angesteckt sein, als der Regierung lieb ist, und darin ein Hauptmotiv zu ihrem Rückzuge mit gelegen haben.
* Karlsruhe, 19. Juli.Die Deutschen haben „Revolution“ gemacht; so glauben sie; daß sie bloß „Revolution“ gespielt, das werden sie vielleicht gelegentlich einmal begreifen. Wir Deutschen hatten angeblich auch freies „Assoziationsrecht erobert; wir besaßen es so ziemlich 3 Monat 10 Tage 6 Stunden. An die Stelle des „freien“ Assoziationsrechtes ist jetzt das „gesetzliche“ getreten.„Gesetzlich“ heißt es, sobald ein mittelst des „freien“ Assoziationsrechtes gegründeter Verein nur solche Statuten besitzt, solche Verhandlungen führt, solche Anträge stellt, welche z. B. Hr. Mathy, Hr. Welcker oder Hr. Hansemann, Schreckenstein, Pfuel, Camphausen und Konsorten selber stellen oder, wenn sie im Klub wären, stellen würden. Ein Verein, dessen Statuten von denen der Polizei, dessen Bestrebungen von denen der Gendarmerie und der hochlöblichen Säbelzensur abweichen, werden verboten, aufgelöst, mit Strafen bedroht etc. Das ist eine der Errungenschaften der großen Revolution des deutschen Volkes im Jahre des Heils 1848. Einen Beleg hierzu: Von Heidelberg erschien heute eine Deputation des Gemeinderaths und der Bürgerausschüsse, welche die Zurücknahme der Verfügung gegen den demokratischen Studentenverein nachsuchten. Die „bürgerfreundliche“ Antwort des Staatsministeriums lautet: „Daß von der Entschließung vom 16. d. M. nicht abgegangen werden könne, indem, wenn auch die Meinungen der Einzelnen frei sich geltend machen können, doch nicht geduldet werden dürfe, daß durch die Kraft der Assoziation die verfassungsmäßig bestehende Staatsordnung untergraben werde. Wollen Studenten einen andern Verein gründen, so stehe ihnen, wie schon in der Verfügung vom 16.d. M. gesagt sei, Nichts im Wege, vorausgesetzt, daß derselbe nicht gleich dem aufgelösten Verein sich wieder die Aufgabe stelle, für die Einführung einer Republik Propaganda zu machen “.
Moral: Als Einzelne sind wir in unsern Meinungen frei; wir dürfen in ‒s Kopfkissen hinein die demokratische Republik für die beste Staatsform erklären, in Wald und Feld republikanische Ansichten laut werden lassen und propagandiren; thun wir dies aber im Verein und in Gegenwart Mehrerer, so „darf das nicht geduldet werden“;das ginge ja schnurstracks gegen die Ansichten und Geldbeutel und die annehmlichen Positionen der Hrn. Mathy, Welcker, Bassermann etc. Genug, man wird aufgelöst, verboten, eingesperrt etc. Alles „zur größern Ehre“ des „freien“ Assoziationsrechtes.
48 Aus Franken, 17. Juli.Die reaktionäre Thätigkeit der bairischen Regierung nimmt mit jedem Tage zu. Sie beschränkt sich jetzt nicht mehr auf polizeiliche Ausweisungen, sie schreitet zu Verhaftungen, auch wenn sich nicht der Schein eines Grundes auffinden läßt. In Schwabach, einem durchaus republikanischen Städtchen, gab Hr. Sticht seit dem Mai ein demokratisches Volksblatt: Fränkische Volkszeitung heraus. Schon die erste Nummer dieses Blattes war von dem Landrichter in Schwabach, Hrn. v. Hartlieb einem im Denunziren ergrauten Beamten mit Beschlag belegt worden, und als bei den damals noch versammelten Ständen diese Beschlagnahme angeregt wurde, gab der Minister Thon-Dittmer die chevaleristische Aeußerung von sich: „In diesem Blatte ist von Winkelfürsten die Rede, die man 1815 zu mediatisiren vergessen habe. Preßfreiheit haben wir; aber versteht man die Preßfreiheit so?“ worauf die ganze Kammer pflichtschuldigst erwiederte: Nein, nein! Hr. Sticht ließ sich durch diese Beschlagnahme nicht irre machen, sondern fuhr fort, sein Blatt im entschieden demokratischen Sinne zu halten. Außerdem war er Leiter des demokratischen Vereins in Schwabach. Plötzlich erfolgte vor einigen Tagen seine Verhaftung. Vergebens erbot sich sein Vater, ein angesehener Bürger Schwabachs, zur Stellung einer Kaution, welche, da es sich lediglich um Preßvergehen handeln kann, nach dem Gesetze angenommen werden mußte; es blieb beim Verhaft. Allein das Volk war damit nicht zufrieden, befreite den Gefangenen gewaltsam und warf die Fenster des Rathhauses gewaltsam ein. Der wider seinen Willen Befreite, welcher die Folgen des gewaltsamen Schrittes für seine Vaterstadt voraussah, trug augenblicklich darauf an, in ein Gefängniß nach Nürnberg gebracht zu werden. Man willfahrte ihm hierin, dennoch aber rückte, auf Requisition des Landrichters, Militär von Nürnberg nach Schwabach, obwohl die Ruhe vollkommen hergestellt war, und die auf dem Markt versammelte friedliche Volksmenge wurde, ohne den mindesten Grund, auf ein Zeichen des Edlen von Hardlieb von der Kavallerie angegriffen und 7 Personen mehr oder minder schwer verwundet. Nur die entschlossene Haltung der Schwabacher Bürgerwehr, welche nicht undeutlich einen Kampf mit „scharf geladenen Gewehren“ in Aussicht stellte, vermochte die Truppen zum Abmarsch zu bewegen, ohne daß weiteres Blutvergießen Statt fand. Der Angriff der Reiterei erklärt man jetzt für ein „Mißverständniß.“ Von dem Schicksal des Verhafteten erfährt man nichts. ‒ Charakteristisch ist auch das Benehmen der bairischen Behörde in Bamberg. Bekanntlich wurde in Nürnberg ein entschiedener Demokrat, Advokat Titus, in die Nationalversammlung gewählt. Er hatte sich jedoch verpflichtet, nicht eher für die Einführung der republikanischen Staatsform zu stimmen, als bis er von seinen Wählern hiezu speziell ermächtigt worden sei. Dieß konnte ihn aber natürlich nicht abhalten, in Frankfurt mit der äußersten Linke zu stimmen. Als die Abstimmungen über das Gesetz wegen der Centralgewalt bekannt wurden, ließ sofort die Polizei in Bamberg durch den Advokaten Schlesing ein Mißtrauensvotum gegen den Abgeordneten Titus entwerfen, dem man möglichst zahlreiche Unterschriften der Wahlmänner zu verschaffen suchen wollte. So wurde eines Tages ein Wahlmann auf das Landgericht Bamberg vorgeladen. Ein Assessor Degen empfing ihn mit der Frage: Sind Sie Republikaner, oder konstitutionell-monarchisch? Der verblüfte Wahlmann erwiederte: er sei ein Fortschrittsmann, über diese spezielle Frage wolle er sich jetzt nicht entscheiden. Hierauf setzte ihm der Hr. Assessor auseinander, daß Titus sein Mandat verletzt hätte, weil er auf der äußersten Linke bei lauter Republikanern sitze, und
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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