Neue Rheinische Zeitung. Nr. 53. Köln, 23. Juli 1848.[Spaltenumbruch] verwies den Wahlmann an obengenannten Advokaten, der ihm das Mißtrauensvotum zur Sammlung von Unterschriften unter den Wahlmännern aushändigen werde. Der Wahlmann ließ sich den Entwurf auch geben, lieferte ihn aber, statt Unterschriften dafür zu suchen, der demokratischen Partei aus, die ihn mit den nöthigen Erläuterungen veröffentlichte. - Da das fränkische Landvolk einen ganz andern Geist hat als das altbaierische, und in Franken die Reaktionspartei ihren Rückhalt einzig und allein in der verhältnißmäßig nicht zahlreichen Bourgeoisie der Städte hat, so ist sehr die Frage, ob die bairische Regierung ihr Unwesen in dieser Gegend noch lange so forttreiben kann. 19Prag, 17. Juli.
Die Deutschen und Juden haben in Böhmen dieselbe Rolle übernommen, welche ihre Genossen in Posen bereits mit so vielem Erfolg gespielt. Die nationale Selbstständigkeit des Landes, in welchem sie sich wie auf einer guten Beute in Heuschreckenschwärmen festgenistet, wird seit der Märzrevolution, welche sie aus ihrem friedlichen Wucherdasein aufgeschreckt hat, in systematischer Weise zu einem Kampfe provozirt, der seiner Natur nach nur ein Kampf der deutschen Reaktion gegen die letzte Revolution und die Errungenschaften des Volkes sein kann. In Posen waren es die Deutschen und Juden, welche die Liebesmaßregeln des General Pfuel (von Höllenstein) und Hirschfeld (von Shrappnells) als die ersehnten Boten der alten "Ordnung" und des "Vertrauens" begrüßten; in Böhmen sind sie es, welche sich der Säbeldiktatur des Fürsten Windisch-Grätz als eines " wahren Aktes der Gerechtigkeit und allgemeinen Beruhigung erfreuen." Man weiß, wie der General Colomb in Posen, um den christlich-germanischen Schlächtereien ihren "wahren Ausdruck" zu verschaffen, sich selbst unter die Schriftsteller begab, um durch anonyme Broschüren und Dankadressen, die er den Deutschen und Juden zur Unterzeichnung vorlegte, seinen Ruhm unsterblich zu machen. Der edle Fürst Windisch-Grätz scheint, nach einer Adresse hiesiger Deutschen und Juden zu urtheilen, diese merkwürdige Herablassung des Hrn. Colomb achtungs- und nachachtungswürdig gefunden zu haben. Das großartige Aktenstück ist von 36 Individuen unterzeichnet, - "Doktoren, Bürger, Hausbesitzer, Kaufleute und Fabrikanten, sich schmeicheln dürfend an Stellung, Besitz, Wirksamkeit, Gesinnung und Einfluß zu den achtbaren Bewohnern Prags gezählt zu werden, " Und diese 36 achtbaren deutschen und jüdischen Hausbesitzer und Industriellen beabsichtigen mit ihrer Adresse nichts Geringeres, als das Ministerium des Innern darüber aufzuklären, daß der Bericht der Deputation des Wiener Sicherheitsausschusses über die Prager Verhältnisse von einseitiger Auffassung zeuge, daß der Fürst Windisch-Grätz ihre (der 36 Juden und Deutschen) Liebe, Zuneigung und Dankbarkeit besitze, und daß der ganze Wiener Sicherheitsausschuß, "weil in die Befugnisse der gesetzlichen Autoritäten eingreifend," eine - ungesetzliche Gewalt sei. Welche Schmach für den Sicherheitsausschuß, der sich so weit vergessen konnte, die Flucht des Kaisers und die Ohnmacht und Rathlosigkeit der Behörden zur ungesetzlichen, "weil eigenmächtigen" Handhabung der Ordnung zu benutzen! Warum überließ er die Herstellung der Ruhe nicht den Kartätschen und Brandkugeln des Hrn. Windisch-Grätz, der sich durch diese " gesetzlichen" Liebesmaßregeln in Prag die Zuneigung und Dankbarkeit von 36 Juden und Deutschen erworben hat? Der Wiener Sicherheitsausschuß, belehren die 36 Verpflichteten des Hrn. Windisch-Grätz das Ministerium, steht auf einem unrichtigen Standpunkt. "Während Männer von guter Gesinnung die Ereignisse der Pfingstwoche als verbrecherische Attentate gegen Recht und Ordnung (Chilef) unzweifelhaft anerkennen," hat der Wiener Sicherheitsausschuß in dem dortigen Kampf einen Klassenkampf, einen Kampf der ausgesaugten böhmischen Proletarier gegen die fremden profitwüthigen Unterdrücker gesehen. Die 36, " Doktoren, Hausbesitzer und Industriellen" wissen, daß der Fürst Windisch-Grätz sich " wohl verdient gemacht hat um Böh men und die Monarchie", und der Wiener Sicherheitsausschuß maßt sich die Meinung an, daß die Verdienste des Herrn Windisch-Grätz sehr ersprießlich für die Reaktion und die Vernichtung der Volksrechte gewesen seien. Was aber den "unrichtigen Standpunkt" des Sicherheits-Ausschusses vollends außer Zweifel setzt, ist seine "centralisationssüchtige Bevormundung rein provinzieller Angelegenheiten". Was geht die Wiener die Provinzial-Diktatur des Fürsten Windisch-Grätz an, die sich noch dazu der Anerkennung von 36 ihm verpflichteten Hausbesitzern erfreut? Die 36 Juden und Deutschen Prags wollen die "ungesetzlichen" Bestrebungen des Sicherheitsausschusses zum "Schutz der Volksrechte" in seinem nächsten Kreise Wien noch gelten lassen, aber sie "protestiren gegen jede centralisirende Einmengung desselben in die Angelegenheiten der Provinz" und erklären sich einzig für Anerkennung des Fürsten Windisch-Grätz, dessen "Energie, Ausdauer und Mäßigung ihnen ihre Rechte zur größten Beruhigung wahren wird." Die Deutschen und Juden haben den Czechischen Namen bisher mit allen erdenklichen Beschuldigungen von "Brudermord in Masse" und "Verrath an der Reichsintegrität" verfolgt. In dieser denkwürdigen Adresse aber enthüllen sie uns zum erstenmal selbst ihre eigne eigenthümliche Anschauung von der christlich-germanischen Bruderliebe und der jüdischen Reichseinheit. Ihre Anerkennung der Reichsintegrität ist die Anerkennung des alten Reichsdespotismus, und diese Anerkennung erstreckt sich so weit, als die Entwicklung der Revolution ihnen nicht eine Lossagung profitlicher macht; ihr Abscheu vor "Brudermord in Masse" aber verwandelt sich in ein Gefühl der "Beruhigung und Sicherheit", wenn die Kartätschen und Brandkugeln des Fürsten Windisch-Grätz zur "Herstellung der Ordnung" bloß das ausgeplünderte böhmische Volk niederschlachten. Das deutsche Volk wird durch solche Bekenntnisse schöner Seelen allerdings darüber "aufgeklärt" werden, für wen es in dem Kampf der Czechen mit der deutsch-jüdischen Reaktion Partei zu nehmen hat. *Wien, 18. Juli.
Auf die Erklärung des amerikanischen Geschäftsträgers W. H. Stiles veröffentlichet heute Einer der Angegriffenen eine Entgegnung, aus welcher hervorgeht, daß Hr. Stiles besser gethan, zu schweigen. Es findet sich in dieser Gegenerklärung u. A. folgende Stelle: "Ich habe als freier Deutscher Bewohner der Vereinigten Staaten Nord-Amerikas in einem freien Deutschen Lande, und in einer freien Deutschen Stadt gesprochen. Meine Sprache war daher frei; aber keineswegs von der Art, daß es erst einer vorherigen Aufwartung und Verständigung von meiner Seite, oder einer Zustimmung des Herrn Geschäftsträgers bedurft hätte, dessen Erklärung eine so durchaus eigenmächtige, ungegründete und anmassende ist, daß ich nicht einmal auf dieselbe eine Antwort geben würde, wenn dieß nicht den edlen Bewohnern Wiens, und ganz besonders der akademischen Legion gegenüber meine Pflicht wäre." Salomon Kohnstamm, Kaufmann aus New-York. *Wien, 17. Juli.
In der heutigen 5. vorbereitenden Sitzung der konstit. Reichsversammlung wurden wiederum 44 geprüfte Wahlen einstimmig angenommen; so daß jetzt 178 Mitglieder in der Kammer sitzen, deren Wahlen für gültig erklärt worden. In der gestrigen Sitzung des vereinigten Ausschusses wurde über die Frage: "Fortbestehen oder Auflösen?" verhandelt. Alle Stimmen (mit Ausnahme von 3) erklärten sich für Fortbestehen. Es wurde beschlossen: "daß der Ausschuß nach wie vor seine ihm am 26. Mai gestellte Aufgabe: die Aufrechthaltung der Ordnung, Ruhe und Sicherheit und die Wahrung der Volksrechte, dem Reichstage untergeordnet, verfolgen werde. Großbritannien.
* London, 20. Juli.
Daß 4 irische Grafschaften nebst mehrern angränzenden Bezirken in die Art von Belagerungszustand versetzt worden, die durch das im vorigen Dezbr. angenommene Gesetz bestimmt wird, darüber wundert sich die Times nicht, blos darüber, daß der Vicekönig diese Maaßregel so lange verschoben habe. Denn Irland ist seit 5 Monaten im ersten Stadium der Insurrektion. Das sah Jedermann. Allein die offenen Herausforderungen waren nur der Mantel für weit schrecklichere geheime Vorbereitungen. Man drang schon lange in den Lord-Lieutenant, den jetzigen Schritt zu thun. Es weigerte es stets. Jetzt war es aber nicht länger aufzuschieben. In der letzten Woche verlautete die Nachricht von einem sofortigen Ausbruche den die Herrn S. O'Brien, Meagher etc. beabsichtigen." In dieser Weise geht der Artikel fort, der in der ganzen irischen Bewegung nichts weiter sehen will, als die Folgen des Ehrgeizes, von 4 bis 5 Irländern! Schließlich wird darauf hingewiesen, daß die bisherigen Gesetze noch nicht ausreichen und neue, strengere, nöthig sein würden; daher möge das Parlament nur bald ein recht hübsches fabriziren: denn Vorbeugung sei Gnade und Wohltat! - Das nämliche Blatt ist über die Wahl des Erzherzogs Johann zwar ausnehmend erfreut, auch die 3 Minister scheinen ihm so übel nicht; aber daß man gewagt, auch nur einen gelinden hollunderblüthigen Beschluß gegen den theuern Beafsteak-Esser Ernst August von Hannover zu fassen, das empört die wegen ihrer Freiheits- und Gerechtigkeitsliebe berüchtigte Times über die Maaßen. Zum Schluß beantragt dieses Journal, daß England so schleunig als möglich diplomatische Agenten von Rang und Geschicktheit nach Frankfurt und eben so nach Ungarn sende, das seine nationale Unabhängigkeit vollständig wiedergewonnen; dagegen sei es sehr gut, wenn alle jene diplomatischen Agenten an den kleinen deutschen Höfen, als reine Geldverschwendung und unnütze Tändelei, sofort aufgehoben würden. * London, 20. Juli.
Nach einem Privatbrief aus Waterford sieht es in letzterer Stadt sehr bedenklich aus. Meagher's Verhaftung hat die Aufregung furchtbar gesteigert. Meagher zog diesen Morgen an der Spitze von 2000 Mann in der Stadt ein. - Der Lordlieutenant hat einen großen Schlag gegen die Klubs vor. - Die Times sagt heute bei Gelegenheit eines längern Artikels über Frankreich: "Vielleicht bedürfen wir in England keiner Lektion. Es mag sein, daß unsre Klugheit, unsre Religion oder unsere Institutionen uns vor Ereignissen schützen, welche Frankreich erstaunen und fürchten machen. Ein Land liegt aber in unsrer Nähe, welches noch in Zeiten gewarnt werden mag - ein Land welches mit ähnlichen Zuständen wie Frankreich auch viel des Verführerischen von ihm hat. In Irland herrscht Armuth, der Fluch und die Folge einer zu dichten Population; so war es und so ist es in Frankreich. Irland ist in kleine Parzellen getheilt - so auch Frankreich. Die Irländer sind leicht empfänglich für irgend einen Eindruck - so die Franzosen. Das celtische Blut das die Pariser Gamins und die Hefe der Vorstadt St. Antoine bis in den Mund der Kanone trieb, kocht auch in den Adern der Iren. Vor Allem geht aber, wie seit Jahren durch Frankreich so auch durch Irland eine systematisch organisirte Verschwörung. Soll die Parallele noch weiter fortgesetzt werden? Soll Smith O'Brien als ein Lafayette figuriren? sollen sich die Februar und die Juni Ereignisse von Paris in Dublin wiederholen? Die Antwort hierauf hängt von der Festigkeit und der Energie des britischen Gouvernements ab." * Manchester, 18. Juli.
Die bessere Stimmung die sich seit einer Woche in der Handelswelt zeigte, hat sich auch bei dem gestrigen Marktag erhalten. Das Geschäft war lebendig und der Umsatz in allen Lancashire-Artikeln größer wie seit langer Zeit. Viele Baumwollspinnereien die bisher stillstanden, fangen wieder an zu arbeiten. Die deutschen Häuser scheinen mehr Vertrauen in die Lage der Dinge zu haben und kaufen mit mehr Muth. Die Amerikaner geben bedeutende Bestellungen. Mexiko sendet ebenfalls gute Ordres und das griechische und italienische Geschäft ist recht hübsch. Für das Inland wird noch nicht viel gearbeitet; bei den guten Aussichten für die Aernte ist aber auch nach dieser Seite hin nur günstiges zu hoffen. - Konsols, 87 3/4. *Dublin, 19. Juli.
In Cork sind gestern 3 Repealer: Varian, Bourke und O'Brien verhaftet worden. Sie sind wegen aufrührerischer Reden angeklagt, haben Bürgschaft gestellt und sind einstweilen wieder in Freiheit gesetzt. Französische Republik.
12Paris, 19. Juli.
- Alles kommt wieder ins alte Geleise; die alten republikanischen Phrasen und die alten republikanischen Dekorationen werden als abgethan beseitigt, und mit ihnen die Männer, welche sie hervorgeholt. Der Bürger Marrast, der Maire von Paris, tritt ab, und mit seinem Abtreten geht der republikanische Name eines "Maire von Paris" ebenfalls zu Grabe. An seine Stelle kommt ein Präfekt der Seine, wie er früher bestanden, und, Trouve-Chauve, der Polizei-Präfekt ist zu dieser Stelle bestimmt. Ducoux, wie die "Patrie" versichert, wird Polizei-Präfekt werden. Und Marrast? Marrast war nahe daran die Rolle eines Lamartine zu spielen! Wie man weiß, hat er im Institut einen eigenen Cirkel gebildet, der aus lauter "blassen" Republikanern besteht. Die andern mit Lamartine, Ledrü-Rollin und Flocon halten, wie früher, ihre Zusammenkünfte im Palais-National. Das Institut hat beschlossen, Marrast als Kandidaten zur Präsidentenstelle in der National-Versammlung vorzuschlagen. Das Palais-National, welches zu schwach ist, um einen Kandidaten aus seiner Mitte durchzubringen, unterstützt die Kandidatur des Herrn Marrast. Das Institut, vereint mit dem Palais National, ist einstweilen noch stark genug, um der Rue Poitiers entgegen zu arbeiten, deren Kandidat Dufaure oder Lacrosse ist, aber wie lange noch? Alles wird bürgerlich gelichtet, sogar die Nationalgarde. Man kann wohl sagen, daß die aufgelößten Legionen und Compagnien die eine Hälfte der ganzen Nationalgarde betragen. Das Decret des Präsidenten Cavaignac, wonach dieselbe reorganisirt werden soll, lautet folgender Maßen: "In Erwägung, daß die zu den aufgelößten Legionen und Compagnien gehörigen Bürger, durch den thätigen Antheil den sie größtentheils an der Insurrektion vom 23., 24., 25. und 26. Juni genommen, in der Art gehandelt haben, daß die Ausnahmsmaßregeln, die zur Wieder-Constituirung dieser Legionen in Anwendung gebracht werden, sich in jeder Hinsicht gerechtfertigt finden. "In Erwägung, daß bis zum Zeitpunkte hin, wo ein organisches Dekret die Bildung der Nationalgarde festgesetzt, es nothwendig ist, im 8., 9. und 12. Arrondissements, zur Aufrechthaltung der Ordnung und des öffentlichen Friedens, die Nationalgarde in diesen Stadtvierteln zu rekonstituiren; "In Erwägung, daß dieselbe Nothwendigkeit hinsichtlich der aufgelößten Compagniern in den andern Stadtvierteln stattfindet; "Beschließen wir: 1. Der Maire eines jeden der oben bezeichneten Stadtviertel soll einen Musterungsrath bilden, der aus 32 Mitgliedern besteht, und unter dem Vorsitze des Maire's, nach vorläufiger Untersuchung, zur Anfertigung neuer Controllisten schreitet. 2. Nach Anfertigung dieser Controllisten soll die Wahl der Offiziere und Unteroffiziere in den gewöhnlichen Formen stattfinden. 3. Der Commandant en Chef der Nationalgarde der Seine ist beauftragt, die Liste derjenigen Offiziere vorzulegen, die den Generalstaab der Nationalgarde bilden sollen. 4. Der Minister des Innern ist mit der Vollstreckung dieses Beschlusses beauftragt. Cavaignac. Der Minister des Innern, Senard. Die Mobilegarde dagegen kommt immer mehr zu Ehren. Diese wahren "Bohemiens" von Paris, die früher Schwefelhölzchen verkauften, bekommen jetzt Pistolen mit zu ihrer "Privat-Sicherheit." Und so hatte neulich ein fünfzehnjähriger Bursche, dem aus Ungeschicklichkeit die Pistole losging, einen ganzen Zusammenlauf im Walde Romaine-Ville verursacht. Man glaubte, es handele sich wieder von einer Insurgentenjagd. Die wahren Arbeiter dagegen, welche die Februar-Revolution gemacht haben, werden täglich mehr zurückgesetzt. Die Bourgeois zeigen ordentlich, daß sie diese Leute gar nicht kennen, daß dieser Theil der Bevölkerung ihnen ganz fremd geblieben; und sie haben das eigene Talent, sich durch ihre Wohlthaten den Arbeitern noch verhaßter zu machen, als durch ihre feindseligen Maßregeln, der Entwaffnung u. s. w. Bourgeois-Kommissare werden abgeschickt in die verschiedenen Behausungen der Arbeiter, um nach dem Alter des Mannes, der Frau, der Anzahl der Kinder, der Subsistenzmittel, zu fragen, die Möbeln, das Lokal in Anschau zu nehmen etc. Durch dergleichen Untersuchungen, meinen die Debats, welche in die kleinsten Details des Lebens eindringen, könne man die Pflichten der Menschlichkeit mit denen der Sparsamkeit verbinden. Wenn die Bourgeois der Debats von Arbeitern sprechen, so haben sie nur das Lumpen-Proletariat im Auge. Der wahre Arbeiter läßt diese Leute gar nicht eindringen in diese Details seines Lebens, und diese Leute dringen auch nicht ein in Behausungen dieser Arbeiter, und wenn sie eindringen, so geschieht es bloß, um ihnen Waffen wegzunehmen, nicht aber, um ihnen Speise und Trank zu bringen. Paris, 20. Juli. Der Moniteur bringt heute endlich folgende Verordnung: "Französische Republik. Freiheit, Gleichheit, Bruderschaft. Auf den Bericht des Ministers des Innern und nach Anhörung der Minister beschließt der Konseilpräsident: Art. 1. Der Bürger Trouve Chauvel ist zum Präfekten des Seinedepartements ernannt, in Ersetzung, des Bürgers Armand Marrast, dessenAbdankungangenommen ist. Der Bürger Ducour ist zum Polizeipräfekten ernannt, an die Stelle des für die Seine-Präfektur bestimmten Bürgers Trouve-Chauvel. Art. 2. Der Minister des Innern ist mit Ausführung dieses Beschlusses beauftragt. So geschehen im Präsidentschaftshotel zu Paris, den 19. Juli 1848. (Gez.) E. Cavaignac." - Die ganze gestrige Sitzung der Nationalversammlung war fast ausschließlich der Präsidentenwahl gewidmet. Der Kampf war heiß. Jede Partei wollte ihren Kandidaten durchsetzen. Die Rue de Poitiers hatte alle ihre Sprungfedern in Bewegung gesetzt, um die Mehrheit für ihren Kandidaten Lacrosse zu erzielen. Sie ist geschlagen worden. Marrast, der im ersten Skrutinium von 781 Stimmenden 386 erhielt, ließ seinen Konkurrenten Lacrosse mit 341 Stimmen im zweiten Skrutinium weit hinter sich, indem er von 765 Stimmen 411 erhielt und somit zum Präsidenten der Nationalversammlung proklamirt wurde. Der Berg, der sich Anfangs gespalten, indem ein Theil für Lacrosse, ein anderer für Marrast und der Kern mit 37 Stimmen für Bac gestimmt hatte, rächte sich zuletzt an der Thierspartei und stimmte für ihren eifersüchtigsten Gegner, Hrn. Armand Marrast, der auf diese Weise den Sieg errang. -Nach der Präsidentenwahl votirte gestern die Nationalversammlung die Summe von 15.000 Franken an Bureaukosten für den Konseilpräsidenten. Diese Bureaukosten verdienen eine spezielle Erwähnung. Man entsinnt sich, daß Ledru Rollin bald nach dem Februarsiege das einst so berüchtigte Bureau de publi cite, oder Bureau de l'Esprit public wieder in das Leben rief. In dieses Bureau wandern bekanntlich alle Journale des In- und Auslandes, und zwei bis drei Menschen sind unaufhörlich beschäftigt, dem Minister in's Ohr zu blasen, was in den Departements und in der übrigen Welt vorgeht. Der Abonnementspreis für auswärtige Blätter beträgt allein 10,200 Franken. Ledru-Rollin hatte diesem Bureau eine recht volksthümliche Einrichtung gegeben, indem er die Herausgabe des berüchtigten Mauer-Journals "der Bülletins des Minister des Innern" daran knüpfte, das dem Volke die Wahrheit sagte und die einlaufenden Depeschen veröffentlichte. Aber die Journale protestirten gegen diese gefährliche Konkurrenz, sprachen das Monopol der Volksbelehrung für sich allein an, und die Haupthätigkeit des Bureau de publicite erlosch. Obige 15,000 Franken sind daher nur dafür bestimmt, die Herren General Cavaignac und Oberadvokat Senard über die Stimmung in den Departements und der Fremde gegen Sie und die Republik aufzuerklären. - Auch das Schicksal der Mobilgarde zu Fuß und zu Pferd sollte gestern in der Nationalversammlung verhandelt werden. Charoix erinnerte an die Rechenschaft, welche die Versammlung von der vorigen Exekutivgewalt rücksichtlich dieser Garde verlangt hatte und daß sie den Oberst Ambert beauftragt habe, ihr einen vollständigen Bericht über die Bildung und den eigentlichen Zweck derselben, abzustatten. Seit dem Sturz des Vollziehungsausschusses habe sich jene Garde brav geschlagen; sie habe das Meiste zum Junisiege beigetragen, und sei jetzt Gläubigerin des Landes. Bonhier de l'Ecluse und Boulay (Meurthe) nahmen sich der Garde zu Pferd, welche Ambert durchaus aufgelöst zu sehen wünschte, ebenfalls an, und wir werden wohl die Junihelden konservirt sehen. Ob sie aber sich zum zweiten Male mit derselben Ausdauer gegen ihre Brüder hinter den Barrikaden schlagen werden, das ist eine andere Frage. Die Versammlung verschob den Gegenstand. -Ein anderes Projekt der provisorischen Regierung wurde ebenfalls zu Grabe getragen. Dieselbe beabsichtigte bekanntlich, in allen Städten und Flecken Provianthäuser zu errichten, in welchen das Arbeitsvolk seine Lebensmittel zu den wohlfeilsten Preisen erhalten könne. Bautier hatte auf jenes Projekt hin einen vollständigen Plan ausgearbeitet und ihn der Nationalversammlung in Form einer motivirten Proposition vorgelegt, in der er ihr haarklein auseinandersetzte, daß, je ärmer der Mensch sei, desto theurer er alles bezahlen müsse.(Dans l'etat actuel des choses, plus on est pauvre, plus on paye cher les objets de premiere necessite.) Die Versammlung fand diesen Grund wenig plausibel und zog es vor, die Sache auf die lange Bank zu schieben, d. h. in's Unendliche zu vertagen. Sie hatte übrigens selbst Hunger, und eilte schon um 6 Uhr zum Provianthause. Ihr eigner Magen konnte sie also nicht einmal von der Wichtigkeit des Bautier'schen Antrages überzeugen. - In der Rue de Charenton und Rue de Montreuil (Faubourg St. Antoine) sind abermals eine Menge Verhaftungen in vergangener Nacht vorgenommen worden. Man hofft indeß, daß [Spaltenumbruch] verwies den Wahlmann an obengenannten Advokaten, der ihm das Mißtrauensvotum zur Sammlung von Unterschriften unter den Wahlmännern aushändigen werde. Der Wahlmann ließ sich den Entwurf auch geben, lieferte ihn aber, statt Unterschriften dafür zu suchen, der demokratischen Partei aus, die ihn mit den nöthigen Erläuterungen veröffentlichte. ‒ Da das fränkische Landvolk einen ganz andern Geist hat als das altbaierische, und in Franken die Reaktionspartei ihren Rückhalt einzig und allein in der verhältnißmäßig nicht zahlreichen Bourgeoisie der Städte hat, so ist sehr die Frage, ob die bairische Regierung ihr Unwesen in dieser Gegend noch lange so forttreiben kann. 19Prag, 17. Juli.
Die Deutschen und Juden haben in Böhmen dieselbe Rolle übernommen, welche ihre Genossen in Posen bereits mit so vielem Erfolg gespielt. Die nationale Selbstständigkeit des Landes, in welchem sie sich wie auf einer guten Beute in Heuschreckenschwärmen festgenistet, wird seit der Märzrevolution, welche sie aus ihrem friedlichen Wucherdasein aufgeschreckt hat, in systematischer Weise zu einem Kampfe provozirt, der seiner Natur nach nur ein Kampf der deutschen Reaktion gegen die letzte Revolution und die Errungenschaften des Volkes sein kann. In Posen waren es die Deutschen und Juden, welche die Liebesmaßregeln des General Pfuel (von Höllenstein) und Hirschfeld (von Shrappnells) als die ersehnten Boten der alten „Ordnung“ und des „Vertrauens“ begrüßten; in Böhmen sind sie es, welche sich der Säbeldiktatur des Fürsten Windisch-Grätz als eines „ wahren Aktes der Gerechtigkeit und allgemeinen Beruhigung erfreuen.“ Man weiß, wie der General Colomb in Posen, um den christlich-germanischen Schlächtereien ihren „wahren Ausdruck“ zu verschaffen, sich selbst unter die Schriftsteller begab, um durch anonyme Broschüren und Dankadressen, die er den Deutschen und Juden zur Unterzeichnung vorlegte, seinen Ruhm unsterblich zu machen. Der edle Fürst Windisch-Grätz scheint, nach einer Adresse hiesiger Deutschen und Juden zu urtheilen, diese merkwürdige Herablassung des Hrn. Colomb achtungs- und nachachtungswürdig gefunden zu haben. Das großartige Aktenstück ist von 36 Individuen unterzeichnet, ‒ „Doktoren, Bürger, Hausbesitzer, Kaufleute und Fabrikanten, sich schmeicheln dürfend an Stellung, Besitz, Wirksamkeit, Gesinnung und Einfluß zu den achtbaren Bewohnern Prags gezählt zu werden, “ Und diese 36 achtbaren deutschen und jüdischen Hausbesitzer und Industriellen beabsichtigen mit ihrer Adresse nichts Geringeres, als das Ministerium des Innern darüber aufzuklären, daß der Bericht der Deputation des Wiener Sicherheitsausschusses über die Prager Verhältnisse von einseitiger Auffassung zeuge, daß der Fürst Windisch-Grätz ihre (der 36 Juden und Deutschen) Liebe, Zuneigung und Dankbarkeit besitze, und daß der ganze Wiener Sicherheitsausschuß, „weil in die Befugnisse der gesetzlichen Autoritäten eingreifend,“ eine ‒ ungesetzliche Gewalt sei. Welche Schmach für den Sicherheitsausschuß, der sich so weit vergessen konnte, die Flucht des Kaisers und die Ohnmacht und Rathlosigkeit der Behörden zur ungesetzlichen, „weil eigenmächtigen“ Handhabung der Ordnung zu benutzen! Warum überließ er die Herstellung der Ruhe nicht den Kartätschen und Brandkugeln des Hrn. Windisch-Grätz, der sich durch diese „ gesetzlichen“ Liebesmaßregeln in Prag die Zuneigung und Dankbarkeit von 36 Juden und Deutschen erworben hat? Der Wiener Sicherheitsausschuß, belehren die 36 Verpflichteten des Hrn. Windisch-Grätz das Ministerium, steht auf einem unrichtigen Standpunkt. „Während Männer von guter Gesinnung die Ereignisse der Pfingstwoche als verbrecherische Attentate gegen Recht und Ordnung (Chilef) unzweifelhaft anerkennen,“ hat der Wiener Sicherheitsausschuß in dem dortigen Kampf einen Klassenkampf, einen Kampf der ausgesaugten böhmischen Proletarier gegen die fremden profitwüthigen Unterdrücker gesehen. Die 36, „ Doktoren, Hausbesitzer und Industriellen“ wissen, daß der Fürst Windisch-Grätz sich „ wohl verdient gemacht hat um Böh men und die Monarchie“, und der Wiener Sicherheitsausschuß maßt sich die Meinung an, daß die Verdienste des Herrn Windisch-Grätz sehr ersprießlich für die Reaktion und die Vernichtung der Volksrechte gewesen seien. Was aber den „unrichtigen Standpunkt“ des Sicherheits-Ausschusses vollends außer Zweifel setzt, ist seine „centralisationssüchtige Bevormundung rein provinzieller Angelegenheiten“. Was geht die Wiener die Provinzial-Diktatur des Fürsten Windisch-Grätz an, die sich noch dazu der Anerkennung von 36 ihm verpflichteten Hausbesitzern erfreut? Die 36 Juden und Deutschen Prags wollen die „ungesetzlichen“ Bestrebungen des Sicherheitsausschusses zum „Schutz der Volksrechte“ in seinem nächsten Kreise Wien noch gelten lassen, aber sie „protestiren gegen jede centralisirende Einmengung desselben in die Angelegenheiten der Provinz“ und erklären sich einzig für Anerkennung des Fürsten Windisch-Grätz, dessen „Energie, Ausdauer und Mäßigung ihnen ihre Rechte zur größten Beruhigung wahren wird.“ Die Deutschen und Juden haben den Czechischen Namen bisher mit allen erdenklichen Beschuldigungen von „Brudermord in Masse“ und „Verrath an der Reichsintegrität“ verfolgt. In dieser denkwürdigen Adresse aber enthüllen sie uns zum erstenmal selbst ihre eigne eigenthümliche Anschauung von der christlich-germanischen Bruderliebe und der jüdischen Reichseinheit. Ihre Anerkennung der Reichsintegrität ist die Anerkennung des alten Reichsdespotismus, und diese Anerkennung erstreckt sich so weit, als die Entwicklung der Revolution ihnen nicht eine Lossagung profitlicher macht; ihr Abscheu vor „Brudermord in Masse“ aber verwandelt sich in ein Gefühl der „Beruhigung und Sicherheit“, wenn die Kartätschen und Brandkugeln des Fürsten Windisch-Grätz zur „Herstellung der Ordnung“ bloß das ausgeplünderte böhmische Volk niederschlachten. Das deutsche Volk wird durch solche Bekenntnisse schöner Seelen allerdings darüber „aufgeklärt“ werden, für wen es in dem Kampf der Czechen mit der deutsch-jüdischen Reaktion Partei zu nehmen hat. *Wien, 18. Juli.
Auf die Erklärung des amerikanischen Geschäftsträgers W. H. Stiles veröffentlichet heute Einer der Angegriffenen eine Entgegnung, aus welcher hervorgeht, daß Hr. Stiles besser gethan, zu schweigen. Es findet sich in dieser Gegenerklärung u. A. folgende Stelle: „Ich habe als freier Deutscher Bewohner der Vereinigten Staaten Nord-Amerikas in einem freien Deutschen Lande, und in einer freien Deutschen Stadt gesprochen. Meine Sprache war daher frei; aber keineswegs von der Art, daß es erst einer vorherigen Aufwartung und Verständigung von meiner Seite, oder einer Zustimmung des Herrn Geschäftsträgers bedurft hätte, dessen Erklärung eine so durchaus eigenmächtige, ungegründete und anmassende ist, daß ich nicht einmal auf dieselbe eine Antwort geben würde, wenn dieß nicht den edlen Bewohnern Wiens, und ganz besonders der akademischen Legion gegenüber meine Pflicht wäre.“ Salomon Kohnstamm, Kaufmann aus New-York. *Wien, 17. Juli.
In der heutigen 5. vorbereitenden Sitzung der konstit. Reichsversammlung wurden wiederum 44 geprüfte Wahlen einstimmig angenommen; so daß jetzt 178 Mitglieder in der Kammer sitzen, deren Wahlen für gültig erklärt worden. In der gestrigen Sitzung des vereinigten Ausschusses wurde über die Frage: „Fortbestehen oder Auflösen?“ verhandelt. Alle Stimmen (mit Ausnahme von 3) erklärten sich für Fortbestehen. Es wurde beschlossen: „daß der Ausschuß nach wie vor seine ihm am 26. Mai gestellte Aufgabe: die Aufrechthaltung der Ordnung, Ruhe und Sicherheit und die Wahrung der Volksrechte, dem Reichstage untergeordnet, verfolgen werde. Großbritannien.
* London, 20. Juli.
Daß 4 irische Grafschaften nebst mehrern angränzenden Bezirken in die Art von Belagerungszustand versetzt worden, die durch das im vorigen Dezbr. angenommene Gesetz bestimmt wird, darüber wundert sich die Times nicht, blos darüber, daß der Vicekönig diese Maaßregel so lange verschoben habe. Denn Irland ist seit 5 Monaten im ersten Stadium der Insurrektion. Das sah Jedermann. Allein die offenen Herausforderungen waren nur der Mantel für weit schrecklichere geheime Vorbereitungen. Man drang schon lange in den Lord-Lieutenant, den jetzigen Schritt zu thun. Es weigerte es stets. Jetzt war es aber nicht länger aufzuschieben. In der letzten Woche verlautete die Nachricht von einem sofortigen Ausbruche den die Herrn S. O'Brien, Meagher etc. beabsichtigen.“ In dieser Weise geht der Artikel fort, der in der ganzen irischen Bewegung nichts weiter sehen will, als die Folgen des Ehrgeizes, von 4 bis 5 Irländern! Schließlich wird darauf hingewiesen, daß die bisherigen Gesetze noch nicht ausreichen und neue, strengere, nöthig sein würden; daher möge das Parlament nur bald ein recht hübsches fabriziren: denn Vorbeugung sei Gnade und Wohltat! ‒ Das nämliche Blatt ist über die Wahl des Erzherzogs Johann zwar ausnehmend erfreut, auch die 3 Minister scheinen ihm so übel nicht; aber daß man gewagt, auch nur einen gelinden hollunderblüthigen Beschluß gegen den theuern Beafsteak-Esser Ernst August von Hannover zu fassen, das empört die wegen ihrer Freiheits- und Gerechtigkeitsliebe berüchtigte Times über die Maaßen. Zum Schluß beantragt dieses Journal, daß England so schleunig als möglich diplomatische Agenten von Rang und Geschicktheit nach Frankfurt und eben so nach Ungarn sende, das seine nationale Unabhängigkeit vollständig wiedergewonnen; dagegen sei es sehr gut, wenn alle jene diplomatischen Agenten an den kleinen deutschen Höfen, als reine Geldverschwendung und unnütze Tändelei, sofort aufgehoben würden. * London, 20. Juli.
Nach einem Privatbrief aus Waterford sieht es in letzterer Stadt sehr bedenklich aus. Meagher's Verhaftung hat die Aufregung furchtbar gesteigert. Meagher zog diesen Morgen an der Spitze von 2000 Mann in der Stadt ein. ‒ Der Lordlieutenant hat einen großen Schlag gegen die Klubs vor. ‒ Die Times sagt heute bei Gelegenheit eines längern Artikels über Frankreich: „Vielleicht bedürfen wir in England keiner Lektion. Es mag sein, daß unsre Klugheit, unsre Religion oder unsere Institutionen uns vor Ereignissen schützen, welche Frankreich erstaunen und fürchten machen. Ein Land liegt aber in unsrer Nähe, welches noch in Zeiten gewarnt werden mag ‒ ein Land welches mit ähnlichen Zuständen wie Frankreich auch viel des Verführerischen von ihm hat. In Irland herrscht Armuth, der Fluch und die Folge einer zu dichten Population; so war es und so ist es in Frankreich. Irland ist in kleine Parzellen getheilt ‒ so auch Frankreich. Die Irländer sind leicht empfänglich für irgend einen Eindruck ‒ so die Franzosen. Das celtische Blut das die Pariser Gamins und die Hefe der Vorstadt St. Antoine bis in den Mund der Kanone trieb, kocht auch in den Adern der Iren. Vor Allem geht aber, wie seit Jahren durch Frankreich so auch durch Irland eine systematisch organisirte Verschwörung. Soll die Parallele noch weiter fortgesetzt werden? Soll Smith O'Brien als ein Lafayette figuriren? sollen sich die Februar und die Juni Ereignisse von Paris in Dublin wiederholen? Die Antwort hierauf hängt von der Festigkeit und der Energie des britischen Gouvernements ab.“ * Manchester, 18. Juli.
Die bessere Stimmung die sich seit einer Woche in der Handelswelt zeigte, hat sich auch bei dem gestrigen Marktag erhalten. Das Geschäft war lebendig und der Umsatz in allen Lancashire-Artikeln größer wie seit langer Zeit. Viele Baumwollspinnereien die bisher stillstanden, fangen wieder an zu arbeiten. Die deutschen Häuser scheinen mehr Vertrauen in die Lage der Dinge zu haben und kaufen mit mehr Muth. Die Amerikaner geben bedeutende Bestellungen. Mexiko sendet ebenfalls gute Ordres und das griechische und italienische Geschäft ist recht hübsch. Für das Inland wird noch nicht viel gearbeitet; bei den guten Aussichten für die Aernte ist aber auch nach dieser Seite hin nur günstiges zu hoffen. ‒ Konsols, 87 3/4. *Dublin, 19. Juli.
In Cork sind gestern 3 Repealer: Varian, Bourke und O'Brien verhaftet worden. Sie sind wegen aufrührerischer Reden angeklagt, haben Bürgschaft gestellt und sind einstweilen wieder in Freiheit gesetzt. Französische Republik.
12Paris, 19. Juli.
‒ Alles kommt wieder ins alte Geleise; die alten republikanischen Phrasen und die alten republikanischen Dekorationen werden als abgethan beseitigt, und mit ihnen die Männer, welche sie hervorgeholt. Der Bürger Marrast, der Maire von Paris, tritt ab, und mit seinem Abtreten geht der republikanische Name eines „Maire von Paris“ ebenfalls zu Grabe. An seine Stelle kommt ein Präfekt der Seine, wie er früher bestanden, und, Trouvé-Chauvé, der Polizei-Präfekt ist zu dieser Stelle bestimmt. Ducoux, wie die „Patrie“ versichert, wird Polizei-Präfekt werden. Und Marrast? Marrast war nahe daran die Rolle eines Lamartine zu spielen! Wie man weiß, hat er im Institut einen eigenen Cirkel gebildet, der aus lauter „blassen“ Republikanern besteht. Die andern mit Lamartine, Ledrü-Rollin und Flocon halten, wie früher, ihre Zusammenkünfte im Palais-National. Das Institut hat beschlossen, Marrast als Kandidaten zur Präsidentenstelle in der National-Versammlung vorzuschlagen. Das Palais-National, welches zu schwach ist, um einen Kandidaten aus seiner Mitte durchzubringen, unterstützt die Kandidatur des Herrn Marrast. Das Institut, vereint mit dem Palais National, ist einstweilen noch stark genug, um der Rue Poitiers entgegen zu arbeiten, deren Kandidat Dufaure oder Lacrosse ist, aber wie lange noch? Alles wird bürgerlich gelichtet, sogar die Nationalgarde. Man kann wohl sagen, daß die aufgelößten Legionen und Compagnien die eine Hälfte der ganzen Nationalgarde betragen. Das Decret des Präsidenten Cavaignac, wonach dieselbe reorganisirt werden soll, lautet folgender Maßen: „In Erwägung, daß die zu den aufgelößten Legionen und Compagnien gehörigen Bürger, durch den thätigen Antheil den sie größtentheils an der Insurrektion vom 23., 24., 25. und 26. Juni genommen, in der Art gehandelt haben, daß die Ausnahmsmaßregeln, die zur Wieder-Constituirung dieser Legionen in Anwendung gebracht werden, sich in jeder Hinsicht gerechtfertigt finden. „In Erwägung, daß bis zum Zeitpunkte hin, wo ein organisches Dekret die Bildung der Nationalgarde festgesetzt, es nothwendig ist, im 8., 9. und 12. Arrondissements, zur Aufrechthaltung der Ordnung und des öffentlichen Friedens, die Nationalgarde in diesen Stadtvierteln zu rekonstituiren; „In Erwägung, daß dieselbe Nothwendigkeit hinsichtlich der aufgelößten Compagniern in den andern Stadtvierteln stattfindet; „Beschließen wir: 1. Der Maire eines jeden der oben bezeichneten Stadtviertel soll einen Musterungsrath bilden, der aus 32 Mitgliedern besteht, und unter dem Vorsitze des Maire's, nach vorläufiger Untersuchung, zur Anfertigung neuer Controllisten schreitet. 2. Nach Anfertigung dieser Controllisten soll die Wahl der Offiziere und Unteroffiziere in den gewöhnlichen Formen stattfinden. 3. Der Commandant en Chef der Nationalgarde der Seine ist beauftragt, die Liste derjenigen Offiziere vorzulegen, die den Generalstaab der Nationalgarde bilden sollen. 4. Der Minister des Innern ist mit der Vollstreckung dieses Beschlusses beauftragt. Cavaignac. Der Minister des Innern, Senard. Die Mobilegarde dagegen kommt immer mehr zu Ehren. Diese wahren „Bohemiens“ von Paris, die früher Schwefelhölzchen verkauften, bekommen jetzt Pistolen mit zu ihrer „Privat-Sicherheit.“ Und so hatte neulich ein fünfzehnjähriger Bursche, dem aus Ungeschicklichkeit die Pistole losging, einen ganzen Zusammenlauf im Walde Romaine-Ville verursacht. Man glaubte, es handele sich wieder von einer Insurgentenjagd. Die wahren Arbeiter dagegen, welche die Februar-Revolution gemacht haben, werden täglich mehr zurückgesetzt. Die Bourgeois zeigen ordentlich, daß sie diese Leute gar nicht kennen, daß dieser Theil der Bevölkerung ihnen ganz fremd geblieben; und sie haben das eigene Talent, sich durch ihre Wohlthaten den Arbeitern noch verhaßter zu machen, als durch ihre feindseligen Maßregeln, der Entwaffnung u. s. w. Bourgeois-Kommissare werden abgeschickt in die verschiedenen Behausungen der Arbeiter, um nach dem Alter des Mannes, der Frau, der Anzahl der Kinder, der Subsistenzmittel, zu fragen, die Möbeln, das Lokal in Anschau zu nehmen etc. Durch dergleichen Untersuchungen, meinen die Debats, welche in die kleinsten Details des Lebens eindringen, könne man die Pflichten der Menschlichkeit mit denen der Sparsamkeit verbinden. Wenn die Bourgeois der Debats von Arbeitern sprechen, so haben sie nur das Lumpen-Proletariat im Auge. Der wahre Arbeiter läßt diese Leute gar nicht eindringen in diese Details seines Lebens, und diese Leute dringen auch nicht ein in Behausungen dieser Arbeiter, und wenn sie eindringen, so geschieht es bloß, um ihnen Waffen wegzunehmen, nicht aber, um ihnen Speise und Trank zu bringen. Paris, 20. Juli. Der Moniteur bringt heute endlich folgende Verordnung: „Französische Republik. Freiheit, Gleichheit, Bruderschaft. Auf den Bericht des Ministers des Innern und nach Anhörung der Minister beschließt der Konseilpräsident: Art. 1. Der Bürger Trouvé Chauvel ist zum Präfekten des Seinedepartements ernannt, in Ersetzung, des Bürgers Armand Marrast, dessenAbdankungangenommen ist. Der Bürger Ducour ist zum Polizeipräfekten ernannt, an die Stelle des für die Seine-Präfektur bestimmten Bürgers Trouvé-Chauvel. Art. 2. Der Minister des Innern ist mit Ausführung dieses Beschlusses beauftragt. So geschehen im Präsidentschaftshôtel zu Paris, den 19. Juli 1848. (Gez.) E. Cavaignac.“ ‒ Die ganze gestrige Sitzung der Nationalversammlung war fast ausschließlich der Präsidentenwahl gewidmet. Der Kampf war heiß. Jede Partei wollte ihren Kandidaten durchsetzen. Die Rue de Poitiers hatte alle ihre Sprungfedern in Bewegung gesetzt, um die Mehrheit für ihren Kandidaten Lacrosse zu erzielen. Sie ist geschlagen worden. Marrast, der im ersten Skrutinium von 781 Stimmenden 386 erhielt, ließ seinen Konkurrenten Lacrosse mit 341 Stimmen im zweiten Skrutinium weit hinter sich, indem er von 765 Stimmen 411 erhielt und somit zum Präsidenten der Nationalversammlung proklamirt wurde. Der Berg, der sich Anfangs gespalten, indem ein Theil für Lacrosse, ein anderer für Marrast und der Kern mit 37 Stimmen für Bac gestimmt hatte, rächte sich zuletzt an der Thierspartei und stimmte für ihren eifersüchtigsten Gegner, Hrn. Armand Marrast, der auf diese Weise den Sieg errang. ‒Nach der Präsidentenwahl votirte gestern die Nationalversammlung die Summe von 15.000 Franken an Bureaukosten für den Konseilpräsidenten. Diese Bureaukosten verdienen eine spezielle Erwähnung. Man entsinnt sich, daß Ledru Rollin bald nach dem Februarsiege das einst so berüchtigte Bureau de publi cité, oder Bureau de l'Esprit public wieder in das Leben rief. In dieses Bureau wandern bekanntlich alle Journale des In- und Auslandes, und zwei bis drei Menschen sind unaufhörlich beschäftigt, dem Minister in's Ohr zu blasen, was in den Departements und in der übrigen Welt vorgeht. Der Abonnementspreis für auswärtige Blätter beträgt allein 10,200 Franken. Ledru-Rollin hatte diesem Bureau eine recht volksthümliche Einrichtung gegeben, indem er die Herausgabe des berüchtigten Mauer-Journals „der Bülletins des Minister des Innern“ daran knüpfte, das dem Volke die Wahrheit sagte und die einlaufenden Depeschen veröffentlichte. Aber die Journale protestirten gegen diese gefährliche Konkurrenz, sprachen das Monopol der Volksbelehrung für sich allein an, und die Haupthätigkeit des Bureau de publicité erlosch. Obige 15,000 Franken sind daher nur dafür bestimmt, die Herren General Cavaignac und Oberadvokat Senard über die Stimmung in den Departements und der Fremde gegen Sie und die Republik aufzuerklären. ‒ Auch das Schicksal der Mobilgarde zu Fuß und zu Pferd sollte gestern in der Nationalversammlung verhandelt werden. Charoix erinnerte an die Rechenschaft, welche die Versammlung von der vorigen Exekutivgewalt rücksichtlich dieser Garde verlangt hatte und daß sie den Oberst Ambert beauftragt habe, ihr einen vollständigen Bericht über die Bildung und den eigentlichen Zweck derselben, abzustatten. Seit dem Sturz des Vollziehungsausschusses habe sich jene Garde brav geschlagen; sie habe das Meiste zum Junisiege beigetragen, und sei jetzt Gläubigerin des Landes. Bonhier de l'Ecluse und Boulay (Meurthe) nahmen sich der Garde zu Pferd, welche Ambert durchaus aufgelöst zu sehen wünschte, ebenfalls an, und wir werden wohl die Junihelden konservirt sehen. Ob sie aber sich zum zweiten Male mit derselben Ausdauer gegen ihre Brüder hinter den Barrikaden schlagen werden, das ist eine andere Frage. Die Versammlung verschob den Gegenstand. ‒Ein anderes Projekt der provisorischen Regierung wurde ebenfalls zu Grabe getragen. Dieselbe beabsichtigte bekanntlich, in allen Städten und Flecken Provianthäuser zu errichten, in welchen das Arbeitsvolk seine Lebensmittel zu den wohlfeilsten Preisen erhalten könne. Bautier hatte auf jenes Projekt hin einen vollständigen Plan ausgearbeitet und ihn der Nationalversammlung in Form einer motivirten Proposition vorgelegt, in der er ihr haarklein auseinandersetzte, daß, je ärmer der Mensch sei, desto theurer er alles bezahlen müsse.(Dans l'état actuel des choses, plus on est pauvre, plus on paye cher les objets de premiére necessité.) Die Versammlung fand diesen Grund wenig plausibel und zog es vor, die Sache auf die lange Bank zu schieben, d. h. in's Unendliche zu vertagen. Sie hatte übrigens selbst Hunger, und eilte schon um 6 Uhr zum Provianthause. Ihr eigner Magen konnte sie also nicht einmal von der Wichtigkeit des Bautier'schen Antrages überzeugen. ‒ In der Rue de Charenton und Rue de Montreuil (Faubourg St. Antoine) sind abermals eine Menge Verhaftungen in vergangener Nacht vorgenommen worden. Man hofft indeß, daß <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar053_012" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0003" n="0263"/><cb n="1"/> verwies den Wahlmann an obengenannten Advokaten, der ihm das Mißtrauensvotum zur Sammlung von Unterschriften unter den Wahlmännern aushändigen werde. Der Wahlmann ließ sich den Entwurf auch geben, lieferte ihn aber, statt Unterschriften dafür zu suchen, der demokratischen Partei aus, die ihn mit den nöthigen Erläuterungen veröffentlichte. ‒ Da das fränkische Landvolk einen ganz andern Geist hat als das altbaierische, und in Franken die Reaktionspartei ihren Rückhalt einzig und allein in der verhältnißmäßig nicht zahlreichen Bourgeoisie der Städte hat, so ist sehr die Frage, ob die bairische Regierung ihr Unwesen in dieser Gegend noch lange so forttreiben kann. </p> </div> <div xml:id="ar053_013" type="jArticle"> <head><bibl><author>19</author></bibl>Prag, 17. Juli.</head> <p>Die Deutschen und Juden haben in Böhmen dieselbe Rolle übernommen, welche ihre Genossen in Posen bereits mit so vielem Erfolg gespielt. Die nationale Selbstständigkeit des Landes, in welchem sie sich wie auf einer guten Beute in Heuschreckenschwärmen festgenistet, wird seit der Märzrevolution, welche sie aus ihrem friedlichen Wucherdasein aufgeschreckt hat, in systematischer Weise zu einem Kampfe provozirt, der seiner Natur nach nur ein Kampf der deutschen Reaktion gegen die letzte Revolution und die Errungenschaften des Volkes sein kann. In Posen waren es die Deutschen und Juden, welche die Liebesmaßregeln des General Pfuel (von Höllenstein) und Hirschfeld (von Shrappnells) als die ersehnten Boten der alten „Ordnung“ und des „Vertrauens“ begrüßten; in Böhmen sind sie es, welche sich der Säbeldiktatur des Fürsten Windisch-Grätz als eines „ wahren Aktes der Gerechtigkeit und allgemeinen Beruhigung erfreuen.“</p> <p>Man weiß, wie der General Colomb in Posen, um den christlich-germanischen Schlächtereien ihren „wahren Ausdruck“ zu verschaffen, sich selbst unter die Schriftsteller begab, um durch anonyme Broschüren und Dankadressen, die er den Deutschen und Juden zur Unterzeichnung vorlegte, seinen Ruhm unsterblich zu machen. Der edle Fürst Windisch-Grätz scheint, nach einer Adresse hiesiger Deutschen und Juden zu urtheilen, diese merkwürdige Herablassung des Hrn. Colomb achtungs- und nachachtungswürdig gefunden zu haben.</p> <p>Das großartige Aktenstück ist von 36 Individuen unterzeichnet, ‒ „Doktoren, Bürger, Hausbesitzer, Kaufleute und Fabrikanten, sich schmeicheln dürfend an Stellung, Besitz, Wirksamkeit, Gesinnung und Einfluß zu den achtbaren Bewohnern Prags gezählt zu werden, “ Und diese 36 achtbaren deutschen und jüdischen Hausbesitzer und Industriellen beabsichtigen mit ihrer Adresse nichts Geringeres, als das Ministerium des Innern darüber aufzuklären, daß der Bericht der Deputation des Wiener Sicherheitsausschusses über die Prager Verhältnisse von einseitiger Auffassung zeuge, daß der Fürst Windisch-Grätz ihre (der 36 Juden und Deutschen) Liebe, Zuneigung und Dankbarkeit besitze, und daß der ganze Wiener Sicherheitsausschuß, „weil in die Befugnisse der gesetzlichen Autoritäten eingreifend,“ eine ‒ ungesetzliche Gewalt sei.</p> <p>Welche Schmach für den Sicherheitsausschuß, der sich so weit vergessen konnte, die Flucht des Kaisers und die Ohnmacht und Rathlosigkeit der Behörden zur ungesetzlichen, „weil eigenmächtigen“ Handhabung der Ordnung zu benutzen! Warum überließ er die Herstellung der Ruhe nicht den Kartätschen und Brandkugeln des Hrn. Windisch-Grätz, der sich durch diese „ gesetzlichen“ Liebesmaßregeln in Prag die Zuneigung und Dankbarkeit von 36 Juden und Deutschen erworben hat? </p> <p>Der Wiener Sicherheitsausschuß, belehren die 36 Verpflichteten des Hrn. Windisch-Grätz das Ministerium, steht auf einem unrichtigen Standpunkt. „Während Männer von guter Gesinnung die Ereignisse der Pfingstwoche als verbrecherische Attentate gegen Recht und Ordnung (Chilef) unzweifelhaft anerkennen,“ hat der Wiener Sicherheitsausschuß in dem dortigen Kampf einen <hi rendition="#g">Klassenkampf,</hi> einen Kampf der ausgesaugten böhmischen Proletarier gegen die fremden profitwüthigen Unterdrücker gesehen. Die 36, „ Doktoren, Hausbesitzer und Industriellen“ wissen, daß der Fürst Windisch-Grätz sich „ wohl verdient gemacht hat um Böh men und die Monarchie“, und der Wiener Sicherheitsausschuß maßt sich die Meinung an, daß die Verdienste des Herrn Windisch-Grätz sehr ersprießlich für die Reaktion und die Vernichtung der Volksrechte gewesen seien. Was aber den „unrichtigen Standpunkt“ des Sicherheits-Ausschusses vollends außer Zweifel setzt, ist seine „centralisationssüchtige Bevormundung <hi rendition="#g">rein provinzieller</hi> Angelegenheiten“. Was geht die Wiener die Provinzial-Diktatur des Fürsten Windisch-Grätz an, die sich noch dazu der Anerkennung von 36 ihm verpflichteten Hausbesitzern erfreut? Die 36 Juden und Deutschen Prags wollen die „ungesetzlichen“ Bestrebungen des Sicherheitsausschusses zum „Schutz der Volksrechte“ in seinem nächsten Kreise Wien noch gelten lassen, aber sie „protestiren gegen jede centralisirende Einmengung desselben in die Angelegenheiten der Provinz“ und erklären sich einzig für Anerkennung des Fürsten Windisch-Grätz, dessen „Energie, Ausdauer und Mäßigung ihnen ihre Rechte zur größten Beruhigung wahren wird.“</p> <p>Die Deutschen und Juden haben den Czechischen Namen bisher mit allen erdenklichen Beschuldigungen von „Brudermord in Masse“ und „Verrath an der Reichsintegrität“ verfolgt. In dieser denkwürdigen Adresse aber enthüllen sie uns zum erstenmal selbst ihre eigne eigenthümliche Anschauung von der christlich-germanischen Bruderliebe und der jüdischen Reichseinheit. Ihre Anerkennung der Reichsintegrität ist die Anerkennung des alten Reichsdespotismus, und diese Anerkennung erstreckt sich so weit, als die Entwicklung der Revolution ihnen nicht eine Lossagung profitlicher macht; ihr Abscheu vor „Brudermord in Masse“ aber verwandelt sich in ein Gefühl der „Beruhigung und Sicherheit“, wenn die Kartätschen und Brandkugeln des Fürsten Windisch-Grätz zur „Herstellung der Ordnung“ bloß das ausgeplünderte böhmische Volk niederschlachten. Das deutsche Volk wird durch solche Bekenntnisse schöner Seelen allerdings darüber „aufgeklärt“ werden, für wen es in dem Kampf der Czechen mit der deutsch-jüdischen Reaktion Partei zu nehmen hat.</p> </div> <div xml:id="ar053_014" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl>Wien, 18. Juli.</head> <p>Auf die Erklärung des amerikanischen Geschäftsträgers W. H. Stiles veröffentlichet heute Einer der Angegriffenen eine Entgegnung, aus welcher hervorgeht, daß Hr. Stiles besser gethan, zu schweigen. Es findet sich in dieser Gegenerklärung u. A. folgende Stelle: „Ich habe als freier Deutscher Bewohner der Vereinigten Staaten Nord-Amerikas in einem freien Deutschen Lande, und in einer freien Deutschen Stadt gesprochen. Meine Sprache war daher frei; aber keineswegs von der Art, daß es erst einer vorherigen Aufwartung und Verständigung von meiner Seite, oder einer Zustimmung des Herrn Geschäftsträgers bedurft hätte, dessen Erklärung eine so durchaus eigenmächtige, ungegründete und anmassende ist, daß ich nicht einmal auf dieselbe eine Antwort geben würde, wenn dieß nicht den edlen Bewohnern Wiens, und ganz besonders der akademischen Legion gegenüber meine Pflicht wäre.“ <hi rendition="#g">Salomon Kohnstamm,</hi> Kaufmann aus New-York.</p> </div> <div xml:id="ar053_015" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl>Wien, 17. Juli.</head> <p>In der heutigen 5. vorbereitenden Sitzung der konstit. Reichsversammlung wurden wiederum 44 geprüfte Wahlen einstimmig angenommen; so daß jetzt 178 Mitglieder in der Kammer sitzen, deren Wahlen für gültig erklärt worden.</p> <p>In der gestrigen Sitzung des <hi rendition="#g">vereinigten Ausschusses</hi> wurde über die Frage: „Fortbestehen oder Auflösen?“ verhandelt. Alle Stimmen (mit Ausnahme von 3) erklärten sich für Fortbestehen. Es wurde beschlossen: „daß der Ausschuß nach wie vor seine ihm am 26. Mai gestellte Aufgabe: die Aufrechthaltung der Ordnung, Ruhe und Sicherheit und die Wahrung der Volksrechte, <hi rendition="#g">dem Reichstage</hi> untergeordnet, verfolgen werde.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Großbritannien.</head> <div xml:id="ar053_016" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> London, 20. Juli.</head> <p>Daß 4 irische Grafschaften nebst mehrern angränzenden Bezirken in die Art von Belagerungszustand versetzt worden, die durch das im vorigen Dezbr. angenommene Gesetz bestimmt wird, darüber wundert sich die <hi rendition="#g">Times</hi> nicht, blos darüber, daß der Vicekönig diese Maaßregel so lange verschoben habe. Denn Irland ist seit 5 Monaten im ersten Stadium der Insurrektion. Das sah Jedermann. Allein die offenen Herausforderungen waren nur der Mantel für weit schrecklichere geheime Vorbereitungen. Man drang schon lange in den Lord-Lieutenant, den jetzigen Schritt zu thun. Es weigerte es stets. Jetzt war es aber nicht länger aufzuschieben. In der letzten Woche verlautete die Nachricht von einem sofortigen Ausbruche den die Herrn S. O'Brien, Meagher etc. beabsichtigen.“ In dieser Weise geht der Artikel fort, der in der ganzen irischen Bewegung nichts weiter sehen will, als die Folgen des Ehrgeizes, von 4 bis 5 Irländern! Schließlich wird darauf hingewiesen, daß die bisherigen Gesetze noch nicht ausreichen und neue, strengere, nöthig sein würden; daher möge das Parlament nur bald ein recht hübsches fabriziren: denn Vorbeugung sei Gnade und Wohltat! ‒ Das nämliche Blatt ist über die Wahl des Erzherzogs Johann zwar ausnehmend erfreut, auch die 3 Minister scheinen ihm so übel nicht; aber daß man gewagt, auch nur einen gelinden hollunderblüthigen Beschluß gegen den theuern Beafsteak-Esser Ernst August von Hannover zu fassen, das empört die wegen ihrer Freiheits- und Gerechtigkeitsliebe berüchtigte Times über die Maaßen. Zum Schluß beantragt dieses Journal, daß England so schleunig als möglich diplomatische Agenten von Rang und Geschicktheit nach Frankfurt und eben so nach Ungarn sende, das seine nationale Unabhängigkeit vollständig wiedergewonnen; dagegen sei es sehr gut, wenn alle jene diplomatischen Agenten an den kleinen deutschen Höfen, als reine Geldverschwendung und unnütze Tändelei, sofort aufgehoben würden.</p> </div> <div xml:id="ar053_017" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> London, 20. Juli.</head> <p>Nach einem Privatbrief aus Waterford sieht es in letzterer Stadt sehr bedenklich aus. Meagher's Verhaftung hat die Aufregung furchtbar gesteigert. Meagher zog diesen Morgen an der Spitze von 2000 Mann in der Stadt ein. ‒ Der Lordlieutenant hat einen großen Schlag gegen die Klubs vor.</p> <p>‒ Die Times sagt heute bei Gelegenheit eines längern Artikels über Frankreich: „Vielleicht bedürfen wir in England keiner Lektion. Es mag sein, daß unsre Klugheit, unsre Religion oder unsere Institutionen uns vor Ereignissen schützen, welche Frankreich erstaunen und fürchten machen. Ein Land liegt aber in unsrer Nähe, welches noch in Zeiten gewarnt werden mag ‒ ein Land welches mit ähnlichen Zuständen wie Frankreich auch viel des Verführerischen von ihm hat. In Irland herrscht Armuth, der Fluch und die Folge einer zu dichten Population; so war es und so ist es in Frankreich. Irland ist in kleine Parzellen getheilt ‒ so auch Frankreich. Die Irländer sind leicht empfänglich für irgend einen Eindruck ‒ so die Franzosen. Das celtische Blut das die Pariser Gamins und die Hefe der Vorstadt St. Antoine bis in den Mund der Kanone trieb, kocht auch in den Adern der Iren. Vor Allem geht aber, wie seit Jahren durch Frankreich so auch durch Irland eine systematisch organisirte Verschwörung. Soll die Parallele noch weiter fortgesetzt werden? Soll Smith O'Brien als ein Lafayette figuriren? sollen sich die Februar und die Juni Ereignisse von Paris in Dublin wiederholen? Die Antwort hierauf hängt von der Festigkeit und der Energie des britischen Gouvernements ab.“</p> </div> <div xml:id="ar053_018" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Manchester, 18. Juli.</head> <p>Die bessere Stimmung die sich seit einer Woche in der Handelswelt zeigte, hat sich auch bei dem gestrigen Marktag erhalten. Das Geschäft war lebendig und der Umsatz in allen Lancashire-Artikeln größer wie seit langer Zeit. Viele Baumwollspinnereien die bisher stillstanden, fangen wieder an zu arbeiten. Die deutschen Häuser scheinen mehr Vertrauen in die Lage der Dinge zu haben und kaufen mit mehr Muth. Die Amerikaner geben bedeutende Bestellungen. Mexiko sendet ebenfalls gute Ordres und das griechische und italienische Geschäft ist recht hübsch. Für das Inland wird noch nicht viel gearbeitet; bei den guten Aussichten für die Aernte ist aber auch nach dieser Seite hin nur günstiges zu hoffen. ‒ Konsols, 87 3/4.</p> </div> <div xml:id="ar053_019" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl>Dublin, 19. Juli.</head> <p>In Cork sind gestern 3 Repealer: Varian, Bourke und O'Brien verhaftet worden. Sie sind wegen aufrührerischer Reden angeklagt, haben Bürgschaft gestellt und sind einstweilen wieder in Freiheit gesetzt.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Französische Republik.</head> <div xml:id="ar053_020" type="jArticle"> <head><bibl><author>12</author></bibl>Paris, 19. Juli.</head> <p>‒ Alles kommt wieder ins alte Geleise; die alten republikanischen Phrasen und die alten republikanischen Dekorationen werden als abgethan beseitigt, und mit ihnen die Männer, welche sie hervorgeholt. Der Bürger Marrast, der Maire von Paris, tritt ab, und mit seinem Abtreten geht der republikanische Name eines „Maire von Paris“ ebenfalls zu Grabe. An seine Stelle kommt ein Präfekt der Seine, wie er früher bestanden, und, Trouvé-Chauvé, der Polizei-Präfekt ist zu dieser Stelle bestimmt. Ducoux, wie die „Patrie“ versichert, wird Polizei-Präfekt werden. Und Marrast? Marrast war nahe daran die Rolle eines Lamartine zu spielen! Wie man weiß, hat er im Institut einen eigenen Cirkel gebildet, der aus lauter „blassen“ Republikanern besteht. Die andern mit Lamartine, Ledrü-Rollin und Flocon halten, wie früher, ihre Zusammenkünfte im Palais-National. Das Institut hat beschlossen, Marrast als Kandidaten zur Präsidentenstelle in der National-Versammlung vorzuschlagen. Das Palais-National, welches zu schwach ist, um einen Kandidaten aus seiner Mitte durchzubringen, unterstützt die Kandidatur des Herrn Marrast. Das Institut, vereint mit dem Palais National, ist einstweilen noch stark genug, um der Rue Poitiers entgegen zu arbeiten, deren Kandidat Dufaure oder Lacrosse ist, aber wie lange noch?</p> <p>Alles wird bürgerlich gelichtet, sogar die Nationalgarde. Man kann wohl sagen, daß die aufgelößten Legionen und Compagnien die eine Hälfte der ganzen Nationalgarde betragen. Das Decret des Präsidenten Cavaignac, wonach dieselbe reorganisirt werden soll, lautet folgender Maßen:</p> <p>„In Erwägung, daß die zu den aufgelößten Legionen und Compagnien gehörigen Bürger, durch den thätigen Antheil <hi rendition="#g">den sie größtentheils</hi> an der Insurrektion vom 23., 24., 25. und 26. Juni genommen, in der Art gehandelt haben, daß die Ausnahmsmaßregeln, die zur Wieder-Constituirung dieser Legionen in Anwendung gebracht werden, sich in jeder Hinsicht gerechtfertigt finden.</p> <p>„In Erwägung, daß bis zum Zeitpunkte hin, wo ein organisches Dekret die Bildung der Nationalgarde festgesetzt, es nothwendig ist, im 8., 9. und 12. Arrondissements, zur Aufrechthaltung der Ordnung und des öffentlichen Friedens, die Nationalgarde in diesen Stadtvierteln zu rekonstituiren;</p> <p>„In Erwägung, daß dieselbe Nothwendigkeit hinsichtlich der aufgelößten Compagniern in den andern Stadtvierteln stattfindet;</p> <p>„Beschließen wir:</p> <p>1. Der Maire eines jeden der oben bezeichneten Stadtviertel soll einen Musterungsrath bilden, der aus 32 Mitgliedern besteht, und unter dem Vorsitze des Maire's, nach vorläufiger Untersuchung, zur Anfertigung neuer Controllisten schreitet.</p> <p>2. Nach Anfertigung dieser Controllisten soll die Wahl der Offiziere und Unteroffiziere in den gewöhnlichen Formen stattfinden.</p> <p>3. Der Commandant en Chef der Nationalgarde der Seine ist beauftragt, die Liste derjenigen Offiziere vorzulegen, die den Generalstaab der Nationalgarde bilden sollen.</p> <p>4. Der Minister des Innern ist mit der Vollstreckung dieses Beschlusses beauftragt.</p> <p> <hi rendition="#g">Cavaignac.</hi> </p> <p>Der Minister des Innern, <hi rendition="#g">Senard.</hi></p> <p>Die Mobilegarde dagegen kommt immer mehr zu Ehren. Diese wahren „Bohemiens“ von Paris, die früher Schwefelhölzchen verkauften, bekommen jetzt Pistolen mit zu ihrer „Privat-Sicherheit.“ Und so hatte neulich ein fünfzehnjähriger Bursche, dem aus Ungeschicklichkeit die Pistole losging, einen ganzen Zusammenlauf im Walde Romaine-Ville verursacht. Man glaubte, es handele sich wieder von einer Insurgentenjagd. Die wahren Arbeiter dagegen, welche die Februar-Revolution gemacht haben, werden täglich mehr zurückgesetzt. Die Bourgeois zeigen ordentlich, daß sie diese Leute gar nicht kennen, daß dieser Theil der Bevölkerung ihnen ganz fremd geblieben; und sie haben das eigene Talent, sich durch ihre Wohlthaten den Arbeitern noch verhaßter zu machen, als durch ihre feindseligen Maßregeln, der Entwaffnung u. s. w. Bourgeois-Kommissare werden abgeschickt in die verschiedenen Behausungen der Arbeiter, um nach dem Alter des Mannes, der Frau, der Anzahl der Kinder, der Subsistenzmittel, zu fragen, die Möbeln, das Lokal in Anschau zu nehmen etc. Durch dergleichen Untersuchungen, meinen die Debats, welche in die kleinsten Details des Lebens eindringen, könne man die Pflichten der Menschlichkeit mit denen der Sparsamkeit verbinden. Wenn die Bourgeois der Debats von Arbeitern sprechen, so haben sie nur das Lumpen-Proletariat im Auge. Der wahre Arbeiter läßt diese Leute gar nicht eindringen in diese Details seines Lebens, und diese Leute dringen auch nicht ein in Behausungen dieser Arbeiter, und wenn sie eindringen, so geschieht es bloß, um ihnen Waffen wegzunehmen, nicht aber, um ihnen Speise und Trank zu bringen.</p> </div> <div xml:id="ar053_021" type="jArticle"> <head>Paris, 20. Juli.</head> <p>Der Moniteur bringt heute endlich folgende Verordnung:</p> <p>„Französische Republik. Freiheit, Gleichheit, Bruderschaft. Auf den Bericht des Ministers des Innern und nach Anhörung der Minister beschließt der Konseilpräsident:</p> <p>Art. 1. Der Bürger Trouvé Chauvel ist zum Präfekten des Seinedepartements ernannt, in Ersetzung, des Bürgers Armand Marrast, dessen<hi rendition="#g">Abdankung</hi>angenommen ist. </p> <p>Der Bürger Ducour ist zum Polizeipräfekten ernannt, an die Stelle des für die Seine-Präfektur bestimmten Bürgers Trouvé-Chauvel.</p> <p>Art. 2. Der Minister des Innern ist mit Ausführung dieses Beschlusses beauftragt.</p> <p>So geschehen im Präsidentschaftshôtel zu Paris, den 19. Juli 1848.</p> <p><bibl>(Gez.) E. Cavaignac.</bibl>“</p> </div> <div xml:id="ar053_022" type="jArticle"> <p> ‒ Die ganze gestrige Sitzung der Nationalversammlung war fast ausschließlich der Präsidentenwahl gewidmet. Der Kampf war heiß. Jede Partei wollte ihren Kandidaten durchsetzen. Die Rue de Poitiers hatte alle ihre Sprungfedern in Bewegung gesetzt, um die Mehrheit für ihren Kandidaten Lacrosse zu erzielen. Sie ist geschlagen worden. Marrast, der im ersten Skrutinium von 781 Stimmenden 386 erhielt, ließ seinen Konkurrenten Lacrosse mit 341 Stimmen im zweiten Skrutinium weit hinter sich, indem er von 765 Stimmen 411 erhielt und somit zum Präsidenten der Nationalversammlung proklamirt wurde. Der Berg, der sich Anfangs gespalten, indem ein Theil für Lacrosse, ein anderer für Marrast und der Kern mit 37 Stimmen für Bac gestimmt hatte, rächte sich zuletzt an der Thierspartei und stimmte für ihren eifersüchtigsten Gegner, Hrn. Armand Marrast, der auf diese Weise den Sieg errang.</p> <p>‒Nach der Präsidentenwahl votirte gestern die Nationalversammlung die Summe von 15.000 Franken an Bureaukosten für den Konseilpräsidenten. Diese Bureaukosten verdienen eine spezielle Erwähnung. Man entsinnt sich, daß Ledru Rollin bald nach dem Februarsiege das einst so berüchtigte Bureau de publi cité, oder Bureau de l'Esprit public wieder in das Leben rief. In dieses Bureau wandern bekanntlich alle Journale des In- und Auslandes, und zwei bis drei Menschen sind unaufhörlich beschäftigt, dem Minister in's Ohr zu blasen, was in den Departements und in der übrigen Welt vorgeht. Der Abonnementspreis für auswärtige Blätter beträgt allein 10,200 Franken. Ledru-Rollin hatte diesem Bureau eine recht volksthümliche Einrichtung gegeben, indem er die Herausgabe des berüchtigten Mauer-Journals „der Bülletins des Minister des Innern“ daran knüpfte, das dem Volke die Wahrheit sagte und die einlaufenden Depeschen veröffentlichte. Aber die Journale protestirten gegen diese gefährliche Konkurrenz, sprachen das Monopol der Volksbelehrung für sich allein an, und die Haupthätigkeit des Bureau de publicité erlosch. Obige 15,000 Franken sind daher nur dafür bestimmt, die Herren General Cavaignac und Oberadvokat Senard über die Stimmung in den Departements und der Fremde gegen Sie und die Republik aufzuerklären.</p> <p>‒ Auch das Schicksal der <hi rendition="#g">Mobilgarde</hi> zu Fuß und zu Pferd sollte gestern in der Nationalversammlung verhandelt werden. Charoix erinnerte an die Rechenschaft, welche die Versammlung von der vorigen Exekutivgewalt rücksichtlich dieser Garde verlangt hatte und daß sie den Oberst Ambert beauftragt habe, ihr einen vollständigen Bericht über die Bildung und den eigentlichen Zweck derselben, abzustatten. Seit dem Sturz des Vollziehungsausschusses habe sich jene Garde brav geschlagen; sie habe das Meiste zum Junisiege beigetragen, und sei jetzt Gläubigerin des Landes. Bonhier de l'Ecluse und Boulay (Meurthe) nahmen sich der Garde zu Pferd, welche Ambert durchaus aufgelöst zu sehen wünschte, ebenfalls an, und wir werden wohl die Junihelden konservirt sehen. Ob sie aber sich zum zweiten Male mit derselben Ausdauer gegen ihre Brüder hinter den Barrikaden schlagen werden, das ist eine andere Frage. Die Versammlung verschob den Gegenstand.</p> <p>‒Ein anderes Projekt der provisorischen Regierung wurde ebenfalls zu Grabe getragen. Dieselbe beabsichtigte bekanntlich, in allen Städten und Flecken <hi rendition="#g">Provianthäuser</hi> zu errichten, in welchen das Arbeitsvolk seine Lebensmittel zu den wohlfeilsten Preisen erhalten könne. Bautier hatte auf jenes Projekt hin einen vollständigen Plan ausgearbeitet und ihn der Nationalversammlung in Form einer motivirten Proposition vorgelegt, in der er ihr haarklein auseinandersetzte, daß, je ärmer der Mensch sei, desto theurer er alles bezahlen müsse.(Dans l'état actuel des choses, plus on est pauvre, plus on paye cher les objets de premiére necessité.)</p> <p>Die Versammlung fand diesen Grund wenig plausibel und zog es vor, die Sache auf die lange Bank zu schieben, d. h. in's Unendliche zu vertagen. Sie hatte übrigens selbst Hunger, und eilte schon um 6 Uhr zum Provianthause. Ihr eigner Magen konnte sie also nicht einmal von der Wichtigkeit des Bautier'schen Antrages überzeugen.</p> <p>‒ In der Rue de Charenton und Rue de Montreuil (Faubourg St. Antoine) sind abermals eine Menge Verhaftungen in vergangener Nacht vorgenommen worden. Man hofft indeß, daß </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0263/0003]
verwies den Wahlmann an obengenannten Advokaten, der ihm das Mißtrauensvotum zur Sammlung von Unterschriften unter den Wahlmännern aushändigen werde. Der Wahlmann ließ sich den Entwurf auch geben, lieferte ihn aber, statt Unterschriften dafür zu suchen, der demokratischen Partei aus, die ihn mit den nöthigen Erläuterungen veröffentlichte. ‒ Da das fränkische Landvolk einen ganz andern Geist hat als das altbaierische, und in Franken die Reaktionspartei ihren Rückhalt einzig und allein in der verhältnißmäßig nicht zahlreichen Bourgeoisie der Städte hat, so ist sehr die Frage, ob die bairische Regierung ihr Unwesen in dieser Gegend noch lange so forttreiben kann.
19Prag, 17. Juli.Die Deutschen und Juden haben in Böhmen dieselbe Rolle übernommen, welche ihre Genossen in Posen bereits mit so vielem Erfolg gespielt. Die nationale Selbstständigkeit des Landes, in welchem sie sich wie auf einer guten Beute in Heuschreckenschwärmen festgenistet, wird seit der Märzrevolution, welche sie aus ihrem friedlichen Wucherdasein aufgeschreckt hat, in systematischer Weise zu einem Kampfe provozirt, der seiner Natur nach nur ein Kampf der deutschen Reaktion gegen die letzte Revolution und die Errungenschaften des Volkes sein kann. In Posen waren es die Deutschen und Juden, welche die Liebesmaßregeln des General Pfuel (von Höllenstein) und Hirschfeld (von Shrappnells) als die ersehnten Boten der alten „Ordnung“ und des „Vertrauens“ begrüßten; in Böhmen sind sie es, welche sich der Säbeldiktatur des Fürsten Windisch-Grätz als eines „ wahren Aktes der Gerechtigkeit und allgemeinen Beruhigung erfreuen.“
Man weiß, wie der General Colomb in Posen, um den christlich-germanischen Schlächtereien ihren „wahren Ausdruck“ zu verschaffen, sich selbst unter die Schriftsteller begab, um durch anonyme Broschüren und Dankadressen, die er den Deutschen und Juden zur Unterzeichnung vorlegte, seinen Ruhm unsterblich zu machen. Der edle Fürst Windisch-Grätz scheint, nach einer Adresse hiesiger Deutschen und Juden zu urtheilen, diese merkwürdige Herablassung des Hrn. Colomb achtungs- und nachachtungswürdig gefunden zu haben.
Das großartige Aktenstück ist von 36 Individuen unterzeichnet, ‒ „Doktoren, Bürger, Hausbesitzer, Kaufleute und Fabrikanten, sich schmeicheln dürfend an Stellung, Besitz, Wirksamkeit, Gesinnung und Einfluß zu den achtbaren Bewohnern Prags gezählt zu werden, “ Und diese 36 achtbaren deutschen und jüdischen Hausbesitzer und Industriellen beabsichtigen mit ihrer Adresse nichts Geringeres, als das Ministerium des Innern darüber aufzuklären, daß der Bericht der Deputation des Wiener Sicherheitsausschusses über die Prager Verhältnisse von einseitiger Auffassung zeuge, daß der Fürst Windisch-Grätz ihre (der 36 Juden und Deutschen) Liebe, Zuneigung und Dankbarkeit besitze, und daß der ganze Wiener Sicherheitsausschuß, „weil in die Befugnisse der gesetzlichen Autoritäten eingreifend,“ eine ‒ ungesetzliche Gewalt sei.
Welche Schmach für den Sicherheitsausschuß, der sich so weit vergessen konnte, die Flucht des Kaisers und die Ohnmacht und Rathlosigkeit der Behörden zur ungesetzlichen, „weil eigenmächtigen“ Handhabung der Ordnung zu benutzen! Warum überließ er die Herstellung der Ruhe nicht den Kartätschen und Brandkugeln des Hrn. Windisch-Grätz, der sich durch diese „ gesetzlichen“ Liebesmaßregeln in Prag die Zuneigung und Dankbarkeit von 36 Juden und Deutschen erworben hat?
Der Wiener Sicherheitsausschuß, belehren die 36 Verpflichteten des Hrn. Windisch-Grätz das Ministerium, steht auf einem unrichtigen Standpunkt. „Während Männer von guter Gesinnung die Ereignisse der Pfingstwoche als verbrecherische Attentate gegen Recht und Ordnung (Chilef) unzweifelhaft anerkennen,“ hat der Wiener Sicherheitsausschuß in dem dortigen Kampf einen Klassenkampf, einen Kampf der ausgesaugten böhmischen Proletarier gegen die fremden profitwüthigen Unterdrücker gesehen. Die 36, „ Doktoren, Hausbesitzer und Industriellen“ wissen, daß der Fürst Windisch-Grätz sich „ wohl verdient gemacht hat um Böh men und die Monarchie“, und der Wiener Sicherheitsausschuß maßt sich die Meinung an, daß die Verdienste des Herrn Windisch-Grätz sehr ersprießlich für die Reaktion und die Vernichtung der Volksrechte gewesen seien. Was aber den „unrichtigen Standpunkt“ des Sicherheits-Ausschusses vollends außer Zweifel setzt, ist seine „centralisationssüchtige Bevormundung rein provinzieller Angelegenheiten“. Was geht die Wiener die Provinzial-Diktatur des Fürsten Windisch-Grätz an, die sich noch dazu der Anerkennung von 36 ihm verpflichteten Hausbesitzern erfreut? Die 36 Juden und Deutschen Prags wollen die „ungesetzlichen“ Bestrebungen des Sicherheitsausschusses zum „Schutz der Volksrechte“ in seinem nächsten Kreise Wien noch gelten lassen, aber sie „protestiren gegen jede centralisirende Einmengung desselben in die Angelegenheiten der Provinz“ und erklären sich einzig für Anerkennung des Fürsten Windisch-Grätz, dessen „Energie, Ausdauer und Mäßigung ihnen ihre Rechte zur größten Beruhigung wahren wird.“
Die Deutschen und Juden haben den Czechischen Namen bisher mit allen erdenklichen Beschuldigungen von „Brudermord in Masse“ und „Verrath an der Reichsintegrität“ verfolgt. In dieser denkwürdigen Adresse aber enthüllen sie uns zum erstenmal selbst ihre eigne eigenthümliche Anschauung von der christlich-germanischen Bruderliebe und der jüdischen Reichseinheit. Ihre Anerkennung der Reichsintegrität ist die Anerkennung des alten Reichsdespotismus, und diese Anerkennung erstreckt sich so weit, als die Entwicklung der Revolution ihnen nicht eine Lossagung profitlicher macht; ihr Abscheu vor „Brudermord in Masse“ aber verwandelt sich in ein Gefühl der „Beruhigung und Sicherheit“, wenn die Kartätschen und Brandkugeln des Fürsten Windisch-Grätz zur „Herstellung der Ordnung“ bloß das ausgeplünderte böhmische Volk niederschlachten. Das deutsche Volk wird durch solche Bekenntnisse schöner Seelen allerdings darüber „aufgeklärt“ werden, für wen es in dem Kampf der Czechen mit der deutsch-jüdischen Reaktion Partei zu nehmen hat.
*Wien, 18. Juli.Auf die Erklärung des amerikanischen Geschäftsträgers W. H. Stiles veröffentlichet heute Einer der Angegriffenen eine Entgegnung, aus welcher hervorgeht, daß Hr. Stiles besser gethan, zu schweigen. Es findet sich in dieser Gegenerklärung u. A. folgende Stelle: „Ich habe als freier Deutscher Bewohner der Vereinigten Staaten Nord-Amerikas in einem freien Deutschen Lande, und in einer freien Deutschen Stadt gesprochen. Meine Sprache war daher frei; aber keineswegs von der Art, daß es erst einer vorherigen Aufwartung und Verständigung von meiner Seite, oder einer Zustimmung des Herrn Geschäftsträgers bedurft hätte, dessen Erklärung eine so durchaus eigenmächtige, ungegründete und anmassende ist, daß ich nicht einmal auf dieselbe eine Antwort geben würde, wenn dieß nicht den edlen Bewohnern Wiens, und ganz besonders der akademischen Legion gegenüber meine Pflicht wäre.“ Salomon Kohnstamm, Kaufmann aus New-York.
*Wien, 17. Juli.In der heutigen 5. vorbereitenden Sitzung der konstit. Reichsversammlung wurden wiederum 44 geprüfte Wahlen einstimmig angenommen; so daß jetzt 178 Mitglieder in der Kammer sitzen, deren Wahlen für gültig erklärt worden.
In der gestrigen Sitzung des vereinigten Ausschusses wurde über die Frage: „Fortbestehen oder Auflösen?“ verhandelt. Alle Stimmen (mit Ausnahme von 3) erklärten sich für Fortbestehen. Es wurde beschlossen: „daß der Ausschuß nach wie vor seine ihm am 26. Mai gestellte Aufgabe: die Aufrechthaltung der Ordnung, Ruhe und Sicherheit und die Wahrung der Volksrechte, dem Reichstage untergeordnet, verfolgen werde.
Großbritannien. * London, 20. Juli.Daß 4 irische Grafschaften nebst mehrern angränzenden Bezirken in die Art von Belagerungszustand versetzt worden, die durch das im vorigen Dezbr. angenommene Gesetz bestimmt wird, darüber wundert sich die Times nicht, blos darüber, daß der Vicekönig diese Maaßregel so lange verschoben habe. Denn Irland ist seit 5 Monaten im ersten Stadium der Insurrektion. Das sah Jedermann. Allein die offenen Herausforderungen waren nur der Mantel für weit schrecklichere geheime Vorbereitungen. Man drang schon lange in den Lord-Lieutenant, den jetzigen Schritt zu thun. Es weigerte es stets. Jetzt war es aber nicht länger aufzuschieben. In der letzten Woche verlautete die Nachricht von einem sofortigen Ausbruche den die Herrn S. O'Brien, Meagher etc. beabsichtigen.“ In dieser Weise geht der Artikel fort, der in der ganzen irischen Bewegung nichts weiter sehen will, als die Folgen des Ehrgeizes, von 4 bis 5 Irländern! Schließlich wird darauf hingewiesen, daß die bisherigen Gesetze noch nicht ausreichen und neue, strengere, nöthig sein würden; daher möge das Parlament nur bald ein recht hübsches fabriziren: denn Vorbeugung sei Gnade und Wohltat! ‒ Das nämliche Blatt ist über die Wahl des Erzherzogs Johann zwar ausnehmend erfreut, auch die 3 Minister scheinen ihm so übel nicht; aber daß man gewagt, auch nur einen gelinden hollunderblüthigen Beschluß gegen den theuern Beafsteak-Esser Ernst August von Hannover zu fassen, das empört die wegen ihrer Freiheits- und Gerechtigkeitsliebe berüchtigte Times über die Maaßen. Zum Schluß beantragt dieses Journal, daß England so schleunig als möglich diplomatische Agenten von Rang und Geschicktheit nach Frankfurt und eben so nach Ungarn sende, das seine nationale Unabhängigkeit vollständig wiedergewonnen; dagegen sei es sehr gut, wenn alle jene diplomatischen Agenten an den kleinen deutschen Höfen, als reine Geldverschwendung und unnütze Tändelei, sofort aufgehoben würden.
* London, 20. Juli.Nach einem Privatbrief aus Waterford sieht es in letzterer Stadt sehr bedenklich aus. Meagher's Verhaftung hat die Aufregung furchtbar gesteigert. Meagher zog diesen Morgen an der Spitze von 2000 Mann in der Stadt ein. ‒ Der Lordlieutenant hat einen großen Schlag gegen die Klubs vor.
‒ Die Times sagt heute bei Gelegenheit eines längern Artikels über Frankreich: „Vielleicht bedürfen wir in England keiner Lektion. Es mag sein, daß unsre Klugheit, unsre Religion oder unsere Institutionen uns vor Ereignissen schützen, welche Frankreich erstaunen und fürchten machen. Ein Land liegt aber in unsrer Nähe, welches noch in Zeiten gewarnt werden mag ‒ ein Land welches mit ähnlichen Zuständen wie Frankreich auch viel des Verführerischen von ihm hat. In Irland herrscht Armuth, der Fluch und die Folge einer zu dichten Population; so war es und so ist es in Frankreich. Irland ist in kleine Parzellen getheilt ‒ so auch Frankreich. Die Irländer sind leicht empfänglich für irgend einen Eindruck ‒ so die Franzosen. Das celtische Blut das die Pariser Gamins und die Hefe der Vorstadt St. Antoine bis in den Mund der Kanone trieb, kocht auch in den Adern der Iren. Vor Allem geht aber, wie seit Jahren durch Frankreich so auch durch Irland eine systematisch organisirte Verschwörung. Soll die Parallele noch weiter fortgesetzt werden? Soll Smith O'Brien als ein Lafayette figuriren? sollen sich die Februar und die Juni Ereignisse von Paris in Dublin wiederholen? Die Antwort hierauf hängt von der Festigkeit und der Energie des britischen Gouvernements ab.“
* Manchester, 18. Juli.Die bessere Stimmung die sich seit einer Woche in der Handelswelt zeigte, hat sich auch bei dem gestrigen Marktag erhalten. Das Geschäft war lebendig und der Umsatz in allen Lancashire-Artikeln größer wie seit langer Zeit. Viele Baumwollspinnereien die bisher stillstanden, fangen wieder an zu arbeiten. Die deutschen Häuser scheinen mehr Vertrauen in die Lage der Dinge zu haben und kaufen mit mehr Muth. Die Amerikaner geben bedeutende Bestellungen. Mexiko sendet ebenfalls gute Ordres und das griechische und italienische Geschäft ist recht hübsch. Für das Inland wird noch nicht viel gearbeitet; bei den guten Aussichten für die Aernte ist aber auch nach dieser Seite hin nur günstiges zu hoffen. ‒ Konsols, 87 3/4.
*Dublin, 19. Juli.In Cork sind gestern 3 Repealer: Varian, Bourke und O'Brien verhaftet worden. Sie sind wegen aufrührerischer Reden angeklagt, haben Bürgschaft gestellt und sind einstweilen wieder in Freiheit gesetzt.
Französische Republik. 12Paris, 19. Juli.‒ Alles kommt wieder ins alte Geleise; die alten republikanischen Phrasen und die alten republikanischen Dekorationen werden als abgethan beseitigt, und mit ihnen die Männer, welche sie hervorgeholt. Der Bürger Marrast, der Maire von Paris, tritt ab, und mit seinem Abtreten geht der republikanische Name eines „Maire von Paris“ ebenfalls zu Grabe. An seine Stelle kommt ein Präfekt der Seine, wie er früher bestanden, und, Trouvé-Chauvé, der Polizei-Präfekt ist zu dieser Stelle bestimmt. Ducoux, wie die „Patrie“ versichert, wird Polizei-Präfekt werden. Und Marrast? Marrast war nahe daran die Rolle eines Lamartine zu spielen! Wie man weiß, hat er im Institut einen eigenen Cirkel gebildet, der aus lauter „blassen“ Republikanern besteht. Die andern mit Lamartine, Ledrü-Rollin und Flocon halten, wie früher, ihre Zusammenkünfte im Palais-National. Das Institut hat beschlossen, Marrast als Kandidaten zur Präsidentenstelle in der National-Versammlung vorzuschlagen. Das Palais-National, welches zu schwach ist, um einen Kandidaten aus seiner Mitte durchzubringen, unterstützt die Kandidatur des Herrn Marrast. Das Institut, vereint mit dem Palais National, ist einstweilen noch stark genug, um der Rue Poitiers entgegen zu arbeiten, deren Kandidat Dufaure oder Lacrosse ist, aber wie lange noch?
Alles wird bürgerlich gelichtet, sogar die Nationalgarde. Man kann wohl sagen, daß die aufgelößten Legionen und Compagnien die eine Hälfte der ganzen Nationalgarde betragen. Das Decret des Präsidenten Cavaignac, wonach dieselbe reorganisirt werden soll, lautet folgender Maßen:
„In Erwägung, daß die zu den aufgelößten Legionen und Compagnien gehörigen Bürger, durch den thätigen Antheil den sie größtentheils an der Insurrektion vom 23., 24., 25. und 26. Juni genommen, in der Art gehandelt haben, daß die Ausnahmsmaßregeln, die zur Wieder-Constituirung dieser Legionen in Anwendung gebracht werden, sich in jeder Hinsicht gerechtfertigt finden.
„In Erwägung, daß bis zum Zeitpunkte hin, wo ein organisches Dekret die Bildung der Nationalgarde festgesetzt, es nothwendig ist, im 8., 9. und 12. Arrondissements, zur Aufrechthaltung der Ordnung und des öffentlichen Friedens, die Nationalgarde in diesen Stadtvierteln zu rekonstituiren;
„In Erwägung, daß dieselbe Nothwendigkeit hinsichtlich der aufgelößten Compagniern in den andern Stadtvierteln stattfindet;
„Beschließen wir:
1. Der Maire eines jeden der oben bezeichneten Stadtviertel soll einen Musterungsrath bilden, der aus 32 Mitgliedern besteht, und unter dem Vorsitze des Maire's, nach vorläufiger Untersuchung, zur Anfertigung neuer Controllisten schreitet.
2. Nach Anfertigung dieser Controllisten soll die Wahl der Offiziere und Unteroffiziere in den gewöhnlichen Formen stattfinden.
3. Der Commandant en Chef der Nationalgarde der Seine ist beauftragt, die Liste derjenigen Offiziere vorzulegen, die den Generalstaab der Nationalgarde bilden sollen.
4. Der Minister des Innern ist mit der Vollstreckung dieses Beschlusses beauftragt.
Cavaignac.
Der Minister des Innern, Senard.
Die Mobilegarde dagegen kommt immer mehr zu Ehren. Diese wahren „Bohemiens“ von Paris, die früher Schwefelhölzchen verkauften, bekommen jetzt Pistolen mit zu ihrer „Privat-Sicherheit.“ Und so hatte neulich ein fünfzehnjähriger Bursche, dem aus Ungeschicklichkeit die Pistole losging, einen ganzen Zusammenlauf im Walde Romaine-Ville verursacht. Man glaubte, es handele sich wieder von einer Insurgentenjagd. Die wahren Arbeiter dagegen, welche die Februar-Revolution gemacht haben, werden täglich mehr zurückgesetzt. Die Bourgeois zeigen ordentlich, daß sie diese Leute gar nicht kennen, daß dieser Theil der Bevölkerung ihnen ganz fremd geblieben; und sie haben das eigene Talent, sich durch ihre Wohlthaten den Arbeitern noch verhaßter zu machen, als durch ihre feindseligen Maßregeln, der Entwaffnung u. s. w. Bourgeois-Kommissare werden abgeschickt in die verschiedenen Behausungen der Arbeiter, um nach dem Alter des Mannes, der Frau, der Anzahl der Kinder, der Subsistenzmittel, zu fragen, die Möbeln, das Lokal in Anschau zu nehmen etc. Durch dergleichen Untersuchungen, meinen die Debats, welche in die kleinsten Details des Lebens eindringen, könne man die Pflichten der Menschlichkeit mit denen der Sparsamkeit verbinden. Wenn die Bourgeois der Debats von Arbeitern sprechen, so haben sie nur das Lumpen-Proletariat im Auge. Der wahre Arbeiter läßt diese Leute gar nicht eindringen in diese Details seines Lebens, und diese Leute dringen auch nicht ein in Behausungen dieser Arbeiter, und wenn sie eindringen, so geschieht es bloß, um ihnen Waffen wegzunehmen, nicht aber, um ihnen Speise und Trank zu bringen.
Paris, 20. Juli. Der Moniteur bringt heute endlich folgende Verordnung:
„Französische Republik. Freiheit, Gleichheit, Bruderschaft. Auf den Bericht des Ministers des Innern und nach Anhörung der Minister beschließt der Konseilpräsident:
Art. 1. Der Bürger Trouvé Chauvel ist zum Präfekten des Seinedepartements ernannt, in Ersetzung, des Bürgers Armand Marrast, dessenAbdankungangenommen ist.
Der Bürger Ducour ist zum Polizeipräfekten ernannt, an die Stelle des für die Seine-Präfektur bestimmten Bürgers Trouvé-Chauvel.
Art. 2. Der Minister des Innern ist mit Ausführung dieses Beschlusses beauftragt.
So geschehen im Präsidentschaftshôtel zu Paris, den 19. Juli 1848.
(Gez.) E. Cavaignac.“
‒ Die ganze gestrige Sitzung der Nationalversammlung war fast ausschließlich der Präsidentenwahl gewidmet. Der Kampf war heiß. Jede Partei wollte ihren Kandidaten durchsetzen. Die Rue de Poitiers hatte alle ihre Sprungfedern in Bewegung gesetzt, um die Mehrheit für ihren Kandidaten Lacrosse zu erzielen. Sie ist geschlagen worden. Marrast, der im ersten Skrutinium von 781 Stimmenden 386 erhielt, ließ seinen Konkurrenten Lacrosse mit 341 Stimmen im zweiten Skrutinium weit hinter sich, indem er von 765 Stimmen 411 erhielt und somit zum Präsidenten der Nationalversammlung proklamirt wurde. Der Berg, der sich Anfangs gespalten, indem ein Theil für Lacrosse, ein anderer für Marrast und der Kern mit 37 Stimmen für Bac gestimmt hatte, rächte sich zuletzt an der Thierspartei und stimmte für ihren eifersüchtigsten Gegner, Hrn. Armand Marrast, der auf diese Weise den Sieg errang.
‒Nach der Präsidentenwahl votirte gestern die Nationalversammlung die Summe von 15.000 Franken an Bureaukosten für den Konseilpräsidenten. Diese Bureaukosten verdienen eine spezielle Erwähnung. Man entsinnt sich, daß Ledru Rollin bald nach dem Februarsiege das einst so berüchtigte Bureau de publi cité, oder Bureau de l'Esprit public wieder in das Leben rief. In dieses Bureau wandern bekanntlich alle Journale des In- und Auslandes, und zwei bis drei Menschen sind unaufhörlich beschäftigt, dem Minister in's Ohr zu blasen, was in den Departements und in der übrigen Welt vorgeht. Der Abonnementspreis für auswärtige Blätter beträgt allein 10,200 Franken. Ledru-Rollin hatte diesem Bureau eine recht volksthümliche Einrichtung gegeben, indem er die Herausgabe des berüchtigten Mauer-Journals „der Bülletins des Minister des Innern“ daran knüpfte, das dem Volke die Wahrheit sagte und die einlaufenden Depeschen veröffentlichte. Aber die Journale protestirten gegen diese gefährliche Konkurrenz, sprachen das Monopol der Volksbelehrung für sich allein an, und die Haupthätigkeit des Bureau de publicité erlosch. Obige 15,000 Franken sind daher nur dafür bestimmt, die Herren General Cavaignac und Oberadvokat Senard über die Stimmung in den Departements und der Fremde gegen Sie und die Republik aufzuerklären.
‒ Auch das Schicksal der Mobilgarde zu Fuß und zu Pferd sollte gestern in der Nationalversammlung verhandelt werden. Charoix erinnerte an die Rechenschaft, welche die Versammlung von der vorigen Exekutivgewalt rücksichtlich dieser Garde verlangt hatte und daß sie den Oberst Ambert beauftragt habe, ihr einen vollständigen Bericht über die Bildung und den eigentlichen Zweck derselben, abzustatten. Seit dem Sturz des Vollziehungsausschusses habe sich jene Garde brav geschlagen; sie habe das Meiste zum Junisiege beigetragen, und sei jetzt Gläubigerin des Landes. Bonhier de l'Ecluse und Boulay (Meurthe) nahmen sich der Garde zu Pferd, welche Ambert durchaus aufgelöst zu sehen wünschte, ebenfalls an, und wir werden wohl die Junihelden konservirt sehen. Ob sie aber sich zum zweiten Male mit derselben Ausdauer gegen ihre Brüder hinter den Barrikaden schlagen werden, das ist eine andere Frage. Die Versammlung verschob den Gegenstand.
‒Ein anderes Projekt der provisorischen Regierung wurde ebenfalls zu Grabe getragen. Dieselbe beabsichtigte bekanntlich, in allen Städten und Flecken Provianthäuser zu errichten, in welchen das Arbeitsvolk seine Lebensmittel zu den wohlfeilsten Preisen erhalten könne. Bautier hatte auf jenes Projekt hin einen vollständigen Plan ausgearbeitet und ihn der Nationalversammlung in Form einer motivirten Proposition vorgelegt, in der er ihr haarklein auseinandersetzte, daß, je ärmer der Mensch sei, desto theurer er alles bezahlen müsse.(Dans l'état actuel des choses, plus on est pauvre, plus on paye cher les objets de premiére necessité.)
Die Versammlung fand diesen Grund wenig plausibel und zog es vor, die Sache auf die lange Bank zu schieben, d. h. in's Unendliche zu vertagen. Sie hatte übrigens selbst Hunger, und eilte schon um 6 Uhr zum Provianthause. Ihr eigner Magen konnte sie also nicht einmal von der Wichtigkeit des Bautier'schen Antrages überzeugen.
‒ In der Rue de Charenton und Rue de Montreuil (Faubourg St. Antoine) sind abermals eine Menge Verhaftungen in vergangener Nacht vorgenommen worden. Man hofft indeß, daß
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(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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