Neue Rheinische Zeitung. Nr. 57. Köln, 27. Juli 1848.[Deutschland] [Fortsetzung] Orte demjenigen, der ihm einen Wiener Studenten erschießt, einen Ablaß auf Lebzeiten versprach. Wien 22. Juli. Der Wiener Zeitung ist folgende Privatmittheilung zugegangen: Nachrichten aus Fokschan vom 12. Juli melden, daß der russische Konsul, Herr v. Kotzebue, aus Bukarest die amtliche Mittheilung erhalten hat, daß die Mitglieder der provisorischen Regierung in Angst über die baldige Ankunft der Russen, Bukarest heimlich verlassen und sich in die kleine Wallachei geflüchtet hätten, worauf die alte Ordnung der Dinge wieder hergestellt und die abgesetzten Bojaren ihre früheren Posten wieder eingenommen hätten, und Herr v. Kotzebue wollte auf diese Nachricht sich sogleich wieder nach Bukarest zurückbegeben. * Wien, 22. Juli. Endlich ist die so lang geforderte Absetzung des Reaktionärs, Grafen Leo Thun von dem Posten eines Gubernial-Präsidenten in Böhmen erfolgt und an seiner Statt Graf von Rothkirch, bisher Kreishauptmann in Pilsen, ernannt worden. Ungarn Pesth, 19. Juli. Gestern Abend, den 18. 7 3/4 Uhr, wurde die letzte Kette zwischen den beiden Pfeilern in die Höhe gezogen, als plötzlich der Cylinder des Flaschenzuges sprang, und die Kette mit einem donnerähnlichen Getöse hinabrollte, und die Pontons - die Verbindungen der großen Pfeiler- worauf über 200 Menschen als Zuschauer standen, theils in Stücke schlug und zermalmte, theils unters Wasser drückte. Wenig Menschen wurden erschlagen, um desto mehr aber ins Wasser geschleudert. Gerettet wurden viele, die Anzahl der Todten kann man jedoch noch nicht ermitteln.- Die große Schiffbrücke ward durch die hinabschwimmenden Pontons in der Mitte zerstört, die Kommunikation der beiden Städte also gestört, in der ganzen Nacht wurde sie jedoch durch die Dampfboote erhalten.- Viele Deputirte waren sammt Graf Czechenyi, Georg Mailath u. s. w. unter der Kette.-Alle wurden gerettet. (A. Oestr. Z.)Donaufürstenthümer. Jassy, 14. Juli. Der Einmarsch der Russen in Jassy soll nur auf direktes und persönliches Ansuchen des um seiner Familie Sicherheit besorgten Fürsten Stourdza, bei dem General Duhamel, erfolgt sein. Er geschah in solcher Eile, daß der Ottomanische Kommissär Talat Effendi sehr überrascht war. Bis jetzt ist noch keine Proklamation, weder über den Zweck des Einmarsches der russischen Truppen, noch über die Dauer ihres Aufenthaltes im Lande, von der Moldauischen Regierung erschienen. Auch hat Talat Effendi die Stadt nicht verlassen.- Nach Berichten vom 10. d. M. aus Tlusch und Fokschan haben die nach der Wallachei marschirenden russischen Truppen in Berlad (in der untern Moldau) halt gemacht, wo sie weitere Befehle abwarten sollen. Aus Gallacz läuft die Nachricht ein, daß dort 4000 Mann türkischer Truppen angekommen, welche über Fokschan in die Wallachei einzurücken bestimmt sind. (Wien. Z.)Rußland. St. Petersburg, 18. Juli. Zum 14. Juli waren 3972 Cholerakranke in Behandlung verblieben; es kamen im Verlaufe dieses Tages hinzu 525, genasen 218 und starben 312 (darunter 172 in den Wohnungen). Zum 15. Juli waren 3967 Cholerakranke in Behandlung verblieben; im Verlaufe dieses Tages kamen hinzu 432, genasen 262 und starben 294 (darunter 166 in den Wohnungen.) Zum 16. Juli verblieben 3843 Kranke in Behandlung.) Französische Republik. 12 Paris, 24. Juli. Wenn nach dem 24. Februar Todesfälle eintraten von Leuten, die an gewöhnlichen Krankheiten dahin starben, so wurden diese Fälle fast gar nicht beachtet. Kein anderer Tod galt für glorreich, als der auf den Barrikaden; keine andere Krankheit schien beachtungswerth, als die in Folge empfangener Wunden. Wie kann man sich auch ruhig auf seinem Bette sterben lassen! Das war die allgemeine Stimmung in Paris. Ein gleiches Verwandniß hat es jetzt mit allen Verhaftungen, Beschuldigungen, Verurtheilungen, die sich nicht direkt an die Insurrektion anreihen. Alle Prozesse verschwinden neben diesem monstruösen Prozesse. Ein gewöhnlicher Dieb, ein gewöhnlicher Eskrock hat keinen Werth, keine Bedeutung mehr. Wenn man, wie der Notär Oudinot, Millionen gestohlen, ganze Familien ruinirt hat, so kann man höchstens ein Jahr Gefängnißstrafe bekommen; aber nach der Zeit ist man ein freier, reicher Mann. Fälle der Art waren zu Tausenden unter Louis Philippe vorgekommen; alle die Spekulanten, die mit Aktien-Promessen Wucher getrieben, und Millionen angehäuft haben, waren nur glücklicher als Oudinot, weil sie, geschickter als er, sich der Gerechtigkeit zu entziehen wußten. Wer dagegen sich an der Insurrektion auch nur im Mindesten betheiligte, ja wer auch nur Wünsche für ihr glückliches Gedeihen machte, das ist kein gemeiner, kein gewöhnlicher Dieb mehr, das ist ein "sozialer " Dieb, und die sozialen Diebe allein haben jetzt nur noch Bedeutung. Die Aktenstücke über diese 14,000 "sozialen Diebe" häufen sich auf eine ungemeine Weise, und die Kommission hat wenigstens noch vier Monate mit der Untersuchung zu thun. Daß diese "sozialen Diebe " übrigens nicht an ihrem "coup 'essai," ihrem Probeversuche waren, stellt sich jetzt auf die eklatanteste Weise heraus. Es kommen nämlich aus den entferntesten Colonieen Frankreichs Gelder an, welche, nach den ausdrücklichen Bestimmungen dieser entfernten Patrioten, unter den Blessirten und sonstigen Nothdürftigen der Februar-Revolution vertheilt werden sollten. Im Augenblicke wo man diese Vertheilung vornehmen will stellt sich heraus, daß diese Blessirten und Nothleidenden verhaftet sind als "Insurgenten," als "soziale Diebe." Also diese "sozialen Diebe" sind gerade diejenigen, die glücklicher als jetzt, im Februar einen "sozialen Handstreich" ausgeführt hatten, und die jetzt, weil sie gescheitert, nicht einmal der für sie ausgesetzten Belohnungen für ihr erstes glückliches Unternehmen theilhaftig werden können. Aber was liegt daran? Die ganze Zeit schmachtete Paris; die eleganten Damen ließen sich nicht sehen, so lange die "sozialen Diebe" die Herren waren. Dagegen jetzt, wie Alles sich jetzt geändert! Paris athmet auf unter dem Belagerungszustande! Nie sah man prächtigere Equipagen, und elegantere Toiletten. Die Staatspapiere zeigten sich nie so ferm, als unter Cavaignac's Diktatur. Zwar fallen die National-Produkte auf eine auffallende Weise; die Burgunder- und Bordeaux-Weine liegen zu Millionen Bouteillen angehäuft in den Kellern! Aber das gibt Gelegenheit zur "Beförderung des Handels." Die Engländer kaufen die französischen Weine für ein Spottgeld, und werden schon wissen, den guten Bordeaux zu guten Preisen unterzubringen. Wie lange das noch gehen wird, weiß man nicht; so viel steht fest, daß das Proletariat in der Provinz sich auf eine "schreckenerregende " Weise vermehrt, und seinen Antheil an den "besiegten Pariser Arbeitern" auf jede mögliche Weise bekundet. Die Noth des Proletariats in der Provinz muß aber wirklich groß sein, um sogar die Aufmerksamkeit der "privilegirten grundreichen Hüttenbesitzer" auf sich gezogen zu haben. Sie waren vereint nach Paris gekommen, um Arbeit von der Regierung nicht für sich, sondern für ihre "Arbeiter" zu verlangen. Die Regierung hatte ihnen nichts zu geben. 12 Paris, 24. Juli. Wollt Ihr wissen, was die Wiederherstellung der Ordnung, das Steigen der Staatspapiere in Paris bedeutet? Die Kaufleute und Fabrikanten, die jetzt erst ihre Lage überschauen und mit Ordnung reguliren können, sind genöthigt zu Tausenden zu liquidiren, oder sich in Faillite zu erklären. "Und noch eine Myriade von Failliten" steht uns täglich bevor! Aber das kommt daher, meint Thiers, weil die Ordnung noch nicht als Prinzip hergestellt ist, weil das sogenannte "principe d'ordre" fehle, und so lange das fehle, fehle natürlich auch das Zutrauen in die Solvabilität der Republik. Nun fragt sich, was denn das eigentliche "principe d'ordre" sei für Herrn Thiers. Dem ersten Anschein nach sollte man doch glauben, daß Cavaignac, als solcher, ein"principe d'ordre" als solches sei: Cavaignac, dieser enorme Quaderstein, der an und für sich schon eine Barrikade ausfüllen könnte "gegen die Anarchie," wie die guten Rentner vom Quartier Des Marais meinen. Aber Thiers ist wiederum anderer Meinung. "Le principe d'ordre! Gebt uns das Principe d'ordre; und wir lassen Euch-Cavaignac!" ruft mit ihm die ganze Rue Poitiers aus. Aengstlich-republikanische Geister sind geneigt zu glauben, daß das Principe d'ordre nichts anderes sei, als die "regence," und schreien: die Republik ist in Gefahr! Aber verständige Geschäftsleute aus der Rue Poitiers, die ernstere Interessen zu vertheidigen haben, erwiedern hierauf, daß etwas ganz anderes in Gefahr sei, als die Republik und das Vaterland; das sei die Solvabilität des Staates; und die könnten keine zehn Cavaignac wiederherstellen, wohl aber Thiers mit seinem Principe d'ordre. Ihr sollt ihn jetzt bald hören, wie er gegen Proudhon und Considerant auftreten; wie er diese furchtbaren "dialektischen Sozialisten" in den Grund schleudern wird. Es steht zu erwarten, daß Proudhon's und Considerant's Erlösungsprojekte an ganz andern Dingen scheitern werden, als an Thiers logischer Widerlegung. Als Proudhon, vor seiner Wahl zum Repräsentanten, mit seiner Tauschbank auftrat, und einen Produkten-Austausch zu Wege bringen wollte, ohne Vermittelung des Geldes, und alle Produzenten aufforderte bei ihm einzukehren in der Rue Jean Jacques Rousseau, um die Welt des friedlichen Verkehrs, eine Welt ohne Geld, zu errichten, da wurde auf einmal der friedliche Verkehr durch Barrikaden gehemmt, und die Kugeln der Insurgenten bewiesen hinlänglich, daß sie von Proudhon's Plänen nichts wissen wollten. Seitdem ist Proudhon's Bank verschollen, und er ist in Unterhandlung eingetreten mit Thiers über das "droit au travail." Laßt mir das Droit au travail, spricht er zu Thiers, und ich lasse Euch das Eigenthum. Herr Thiers bewundert die "Tiefe" des Herrn Proudhon; die Rue Poitiers bewundert die Tiefe des Herrn Thiers, der einen Mann, wie Proudhon öffentlich bekämpfen wird; und Cavaignac will beiden das Feld frei halten, daß sie sich in aller Ruhe"mit den Waffen des Wortes" bekämpfen können. Die Arbeiter bleiben gleichgültig an allen diesen Wortkämpfen; die Nationalversammlung existirt für sie nicht mehr, ihre ganze Aufmerksamkeit ist auf die 14,000 Insurgenten gerichtet, und sie erwarten mit Aengstlichkeit was über sie verhängt wird. 16 Paris, 24. Juli. Der Witz der Sieger ergeht sich weidlich. Stehende Redensart ist z. B. jetzt: "faire l'atelier national" für: "träge sein" In mehreren Kafes hörte ich diese geistreiche Phrase mit schallendem Gelächter vorbringen. - Der "Corsaire" meint die Caber'schen Ikarier nennten sich so weil sie voler (fliegen, stehlen) wollten. Louis Blanc wird in diesem honnetten Blättchen, worin Herr A. Weill Stylübungen gegen klingendes Honorar macht; le bambin (kleiner Schlingel) genannt, welcher "Rehbraten mit Ananas" im Luxemburg gespeist habe, und Louis Blanc wußte sich in der That nicht anders zu helfen als durch nachträgliche Publizirung seiner Küchenausgaben während des Provisoriums. Dazwischen ertönt die Baßstimme des "Impartia! de Seine Oise" in Versailles, welches in Nr. 13 ruft: "Auf, und fordern wir endlich Gerechtigkeit gegen die Sträflinge und deren Häuptlinge!" wir wollen nicht die Großmüthigen spielen. wir verlangen geradezu ihren Kopf.Schon zulange ist philanthropisirt worden; vae victis sei unser Feldgeschrei fortan. Hätten die Anarchisten gesiegt, so war es aus mit Sittlichkeit, Tugend, Familie, Ehre, Religion, Eigenthum; wir dürfen solchen Feind nimmer schonend behandeln, das wäre unverzeihliche Schwäche. Wehe den Besiegten! ist das uralte Gesetz der Welt, und beide Theile müssen es kennen..." Mit ungewohntem Aufwande von Gelehrsamkeit nennt der "Siecle" Blanqui den "modernen Catilina," und der "Konstitutionnel" vergleicht seinen kleinen Thiers mit " Cicero dem Vater der Republik." Der Cäsar sei noch nicht da, aber werde nächstens erscheinen; Barbes, Sobrier, Albert und Rafpail werden ingeniöser Weise vom "Avenir" mit Sulla und Konsorten, die Faubourgs mit den Kornelianern verglichen. Herr Paul Feval, der die "Mysteres de Londres" fabrizirt hat, macht im "Avenir" philologische Studien; er beweist das Wort Reaktion sei ehrenvoll, und bedeute das "vernunft. und naturgemäße Umkehren auf einem falschen Wege, das revenir sur ses pas." man möge also nur dreist sich "Reaktionär" nennen. - Ein angeblich zu 80,000 Exempl. gedrucktes Blättchen nennt sich mit echtem Bourgeoisaberwitz Le perdu chene de la revolution (die verlorne Eiche der Revolution); der schaurige Klang des Titels veranlaßte am ersten Tage die Arrestation eines Ausrufers. Es gelobt seinen Homonymen energisch zu bekämpfen; vorläufig proponirt es die "verirrten Geister" aus dem Gefängniß ins Irrenhaus Charenton zu deportiren "wo sie nicht mehr die Statue der Freiheit mit Trauerflor zu behängen Anlaß geben; das brüderliche Zutrauen zwischen Arm und Reich, Kapitalist und Ouvrier kehrt zurück, nachdem die höllische Brut in Blut erstickt worden die es seit Februar von uns gescheucht. Die Gnade Gottes schenkt uns schönes Sommerwetter, Brod und Wein werden für den Arbeiter wohlfeil. Das beste Gouvernement, sagen die Bauern Frankreichs, ist das des Herrgotts; alle übrigen sind nur provisorische, d. h. mehr oder weniger sündhafte. Laßt uns kaufen und verkaufen, arbeiten und spazieren gehen, die Nationalateliers sind Gottlob verschwunden, und die Exekutivgewalt sprach zur Emeute: bis hierher und nicht weiter; die Emeute kroch heulend und zitternd in ihre Höhle zurück. Franzosen, der Himmel liebt uns, lieben wir einander auch, schon gehen viele Bestellungen auf Manufakturen an, und die bösen Dünste aller Utopien sind verflogen." Dasselbe Blatt bemerkt: " Die wenig bedeutsamen Symbole der Republik kann man getrost fahren lassen; z. B. die sogenannten Freiheitsbäumchen, die bekanntlich vielerorten in Paris bereits ausgegangen sind und den Suppentopf mancher biedren Ouvriers kochen könnten. " Die Geschütze der Ordnungskämpfer haben außerdem auf Place Maubert, am Pantheon, u. s. w. diese jungen Pappelstämme zerschmettert. - Die Masse der Patienten in den sieben Forts um Paris steigt; die Hitze der Kasematten macht dort manche stumpf- und wahnsinnig, so daß die perfiden Journale allerdings recht haben welche sagen: "Idioten und Epileptische bildeten die größere Hälfte der Erkrankten, desgleichen Hautleiden; man versagt ihnen trotz der Backofentemperatur oft Waschwasser. Die medizinische Inspektion ist natürlich ganz machtlos. - Der "Conciliateur" kommt bereits in Händel; er muß dem Thiersblatte zurufen: "So lauft doch nicht so schrecklich, es geht ohnehin bergunter und der Weg ist schlüpfrig von Schweiß und Blut der Ouvriers und vom Blut der Nichtouvriers . . . . Ach, ihr Herren, was lärmt ihr so gegen die Wuthausfälle der arbeitenden Männer und Frauen? statt zu deklamiren und auf sie zu schimpfen mit pathetischen, oft sehr plumpen oder raffinirten Phrasen, geht lieber frisch daran sie zu bilden; zu bessern wie ihr es wohl nennen möget. "Wohl, auf Place Maubert haben die Proletarierinnen beim Feuerschein der angesteckten Nationalgardenwache einige Köpfe von Mobilen abgehauen und auf Picken gepflanzt, auch von abgehauenen Händen spricht der Constitutionnel, was vielleicht seine durch Eugen Sue's Feuilleton erhitzte Phantasie ihm vorgaukelt: aber es sei; wir invitiren ihn, wenn er sich abgekühlt, sich zu fragen: ob die gebildeten Damen unserer Klasse denn etwa nicht leidenschaftlich heiß und grausam würden, wenn sie auf Barrikaden ständen und ihre Männer daneben stürzen sähen? wenn sie nichts im Magen und hungerige Kinder hinter sich hätten? wenn sie zu stolz zur Bettelei, zu lebenslustig zum Selbstmord, zu edel oder zu klug zum Stehlen, Arbeit und Lohn, aber nicht Hundearbeit und nicht Spottlohn, forderten. Oho, Messieurs von der Thiersarmee, seht zu daß eure Logik nicht ein Loch bekommt, wie eure Fensterscheiben; die Damen unserer wohlhabenden freien Klasse haben seit Jahrtausenden den Leiden der unfreien (d. h. bloß dem Namen nach freien) Klasse ruhig zugesehen, höchstens eine Rührungszähre vergossen und Allmosen zuspendet: unsere Damen sind, glaubt's oder glaubt's nicht, ebendeshalb viel kalt-grausamer als ein paar rohe, wilde Proletarierinnen, die im lang aufgestauten Grimm endlich einige Köpfe abhieben; ihr Verbrechen war kein gegegen eine ganze Klasse, kein tausend Jahre lang geschehenes. "Ihr macht immer süße Phrasen von Schulen und Moralitätsanstalten für die Majoritätsklasse, aber dabei bleibts. Wißt ihr denn nicht, daß nur derjenige sich geistig bilden läßt, der materiell keine Sorgen hat?.. Wir bitten unsere Klasse, diese Minorität der Gesammtnation, unsere Klasse welche Geld, Bildung und Wissen besitzt, aufs Ernstlichste, in sich zu gehen und der Majorität, durch deren Schweiß und Blut wir existiren, ja noch vor Ablauf dieses Jahrhunderts zu gleichem Lebensgut zu verhelfen, sonst sind alle Staaten Europas verloren u. s. w." Auf dieserartige Worte antwortet man mit Kontrebarrikaden, die gleich den altrömischen beweglichen Schanzen herangefahren werden sollen, mit Kanonen und Sturmdach; Cavaignac hat einige Modelle besichtigt; auch erzählt man vielfach die Errichtung einer Mobilgarde Nr. II., welche ganz speziell auf Schießen nach den Fenstern einzuererzieren. "Die preußische Landwehr", sagt das Journal de Rouen, "hat trefflich gegen Pöbeltruppen und gegen räuberische Polenrebellion in Posen gefochten; sie ist eine Wehr gegen Absolutismus und Anarchie; laßt uns sie nachahmen in Organisation und Gesinnung; die wahrhaft guten Sachen Deutschlands überfahren wir bisher, und plagten uns mit seinem skandalösen Atheismus u. s. w." - Eine kleine Schrift: "Amnestie! an General Cavaignac" ist ganz eindrucklos, wie sich von selbst begreift, vorbeigegangen. Desto emsiger betreibt man die Decentralisirung; die Seinepräfektur (weiland Mairie von Paris) schlägt ungeheure neue Municipalsteuern auf jedes große hiesige Etablissement, z. B. sieht sich die kolossale Gießerei von Chevet dadurch veranlaßt 3/4 ihrer Quvriers zu verabschieden, die ohne Weiteres in die Provinzen geschafft werden. Der Sekretär Adam sagte geradezu "in den kolossalen Pariser Industrieanstalten keimt kolossale Gefahr, daher laßt uns die Departementalanstalten vermehren; die Gäste Frankreichs müssen von seinem Kopfe, von Paris, medizinisch abgeleitet werden." Der Arzt Ducour, plötzlich Polizeipräfekt geworden, ermahnt in Affischen "Arme und Reiche, Quvriers und Meister möchten brüderlich nach Bürgertugend trachten; jeder Konspiration werde er unversöhnlich entgegen treten." Auch der Arzt Trelat, jetzt zum Maire des Barbes'schen Viertels eingesetzt, will mit heroischer Kur wirken. Die Freunde der "zu neuem Leben erwachenden Privatindustrie" wird was weniges vergällt durch die unheimliche Ahndung von neuen Zöllen des deutschen Zollvereins, wodurch die Primen, womit die Republik ihre Exporte zu beleben sucht, mehr oder weniger unwirksam gemacht werden könnten; die honnette Sympathie für "das Land Luther's und Kant's" (Siecle) dürfte so einen kleinen Riß kriegen. Wie ernst die Machthaber ihre goldenen Versprechungen halten, beweist der Umstand, daß sämmtliche zwölf Maires affischirten: die Wahlen der Beisitzer zur Arbeitskommission, von Patronen und Gesellen, seien auf unbestimmte Zeit verschoben, und doch hatten sie schon den Tag angekündigt! Diese Kommission beschäftigt sich angeblich auch mit dem Plan einer Arbeitsinvalidenkasse, zu der "jeder rechtschaffene Arbeiter sein Scherflein beizutragen hat etc." "Nur so moralisirt man diese im Ganzen ehrenwerthe Klasse (ruft Le Commerce), wenn man das Sparbüchsensystem damit organisch verschmilzt und sie gegen jede utopistische Vergiftung hermetisch abschließt; zaudern wir nicht, die Stunden sind kostbar u. s. w. " Paris.
Wie wir aus dem Journale "La Republique " ersehen, ist die Reaktion besonders thätig in der Provinz. Alles, was man den Journalen nicht anvertrauen will, wird auf geheimem Wege durch Briefe u. s. w. befördert. Niemand, der nicht von der Partei der Rue Poitiers ist, bleibt in diesen Missiven verschont. Der alte Maire von Paris sogar wird mit eben nicht sehr schmeichelhaften Epitheten gratificirt. Die Republik wird dargestellt als die Heimath von Dieben und Räubern. Es wäre Zeit, meint "die Republik," daß die Belehrung durchdringe bis zu den Dörfern der Bourgogne und Berry, wo der Seigneur noch an der Tagesordnung sei, und es allgemein heißt, daß die Republik die Beraubung durch ungeheure Steuern ist, und daß, wenn man sie nicht bald abschafft, sie der organisirte Raub werden wird. Die "Republik" fordert die Regierung auf, eine Untersuchung durch ihre Präfekten zu veranstalten; sie versichert, daß die Präfekten selbst der Zielpunkt aller möglichen Verläumdungen seien. Zu Bourges will man den Präfekten wegschicken, weil er Kommunist ist. "Kommunist," "Sozialist," das sind die Schlagwörter, mit denen die Rue Portiers operirt. - Das Kabinet von Berlin hat der Exekutivgewalt erklärt, daß es die Republik anerkennen, d. h. einen Gesandten nach Paris schicken wolle, wenn sie den Emanuel Arago abberufe, dessen Einverständniß mit den preußischen Radikalen ihm gar zu undiplomatisch und gefährlich erscheine. - Der neue Seine-Präfekt, Trouve-Chauvel, vorher Polizei-Präfekt, und jetzt Stellvertreter des Herrn Marrast, unter einem andern Namen, hat eine Proklamation ergehen lassen, worin der "frühere Bekämpfer der Anarchie" sich darstellt als "den nunmehrigen Wiederhersteller des Vertrauens und des Kredits." - Ein neuer Brief Louis Napoleon's, der, aufs Neue von der Insel Corsica als Repräsentant gewählt, seine Demission eingibt: Herr Präsident! Ich bringe so eben in Erfahrung, daß die corsischen Wähler mich zu ihrem Repräsentanten in der National-Kammer ernannt haben, ungeachtet meiner frühern Demission, die ich in den Händen Ihres Vorgängers niedergelegt habe. Ich bin tief gerührt von diesem Beweise der Achtung und des Vertrauens, aber die Gründe, die mich bestimmten, die Mandate der "Seine," der "Yonne" und der "Charente Inferieure" auszuschlagen, sind noch nicht verschwunden; sie legen mir ein neues Opfer auf. Ohne auf die Ehre zu verzichten, eines Tages Repräsentant des Volkes zu sein, glaube ich jedoch, ehe ich in mein Vaterland zurückkehre, warten zu müssen, bis meine Anwesenheit in Frankreich den Feinden der Republik in keiner Weise zum Vorwande (Siehe den Verfolg in der Beilage.) [Fortsetzung] [Deutschland] [Fortsetzung] Orte demjenigen, der ihm einen Wiener Studenten erschießt, einen Ablaß auf Lebzeiten versprach. Wien 22. Juli. Der Wiener Zeitung ist folgende Privatmittheilung zugegangen: Nachrichten aus Fokschan vom 12. Juli melden, daß der russische Konsul, Herr v. Kotzebue, aus Bukarest die amtliche Mittheilung erhalten hat, daß die Mitglieder der provisorischen Regierung in Angst über die baldige Ankunft der Russen, Bukarest heimlich verlassen und sich in die kleine Wallachei geflüchtet hätten, worauf die alte Ordnung der Dinge wieder hergestellt und die abgesetzten Bojaren ihre früheren Posten wieder eingenommen hätten, und Herr v. Kotzebue wollte auf diese Nachricht sich sogleich wieder nach Bukarest zurückbegeben. * Wien, 22. Juli. Endlich ist die so lang geforderte Absetzung des Reaktionärs, Grafen Leo Thun von dem Posten eines Gubernial-Präsidenten in Böhmen erfolgt und an seiner Statt Graf von Rothkirch, bisher Kreishauptmann in Pilsen, ernannt worden. Ungarn Pesth, 19. Juli. Gestern Abend, den 18. 7 3/4 Uhr, wurde die letzte Kette zwischen den beiden Pfeilern in die Höhe gezogen, als plötzlich der Cylinder des Flaschenzuges sprang, und die Kette mit einem donnerähnlichen Getöse hinabrollte, und die Pontons ‒ die Verbindungen der großen Pfeiler‒ worauf über 200 Menschen als Zuschauer standen, theils in Stücke schlug und zermalmte, theils unters Wasser drückte. Wenig Menschen wurden erschlagen, um desto mehr aber ins Wasser geschleudert. Gerettet wurden viele, die Anzahl der Todten kann man jedoch noch nicht ermitteln.‒ Die große Schiffbrücke ward durch die hinabschwimmenden Pontons in der Mitte zerstört, die Kommunikation der beiden Städte also gestört, in der ganzen Nacht wurde sie jedoch durch die Dampfboote erhalten.‒ Viele Deputirte waren sammt Graf Czechenyi, Georg Mailath u. s. w. unter der Kette.‒Alle wurden gerettet. (A. Oestr. Z.)Donaufürstenthümer. Jassy, 14. Juli. Der Einmarsch der Russen in Jassy soll nur auf direktes und persönliches Ansuchen des um seiner Familie Sicherheit besorgten Fürsten Stourdza, bei dem General Duhamel, erfolgt sein. Er geschah in solcher Eile, daß der Ottomanische Kommissär Talat Effendi sehr überrascht war. Bis jetzt ist noch keine Proklamation, weder über den Zweck des Einmarsches der russischen Truppen, noch über die Dauer ihres Aufenthaltes im Lande, von der Moldauischen Regierung erschienen. Auch hat Talat Effendi die Stadt nicht verlassen.‒ Nach Berichten vom 10. d. M. aus Tlusch und Fokschan haben die nach der Wallachei marschirenden russischen Truppen in Berlad (in der untern Moldau) halt gemacht, wo sie weitere Befehle abwarten sollen. Aus Gallacz läuft die Nachricht ein, daß dort 4000 Mann türkischer Truppen angekommen, welche über Fokschan in die Wallachei einzurücken bestimmt sind. (Wien. Z.)Rußland. St. Petersburg, 18. Juli. Zum 14. Juli waren 3972 Cholerakranke in Behandlung verblieben; es kamen im Verlaufe dieses Tages hinzu 525, genasen 218 und starben 312 (darunter 172 in den Wohnungen). Zum 15. Juli waren 3967 Cholerakranke in Behandlung verblieben; im Verlaufe dieses Tages kamen hinzu 432, genasen 262 und starben 294 (darunter 166 in den Wohnungen.) Zum 16. Juli verblieben 3843 Kranke in Behandlung.) Französische Republik. 12 Paris, 24. Juli. Wenn nach dem 24. Februar Todesfälle eintraten von Leuten, die an gewöhnlichen Krankheiten dahin starben, so wurden diese Fälle fast gar nicht beachtet. Kein anderer Tod galt für glorreich, als der auf den Barrikaden; keine andere Krankheit schien beachtungswerth, als die in Folge empfangener Wunden. Wie kann man sich auch ruhig auf seinem Bette sterben lassen! Das war die allgemeine Stimmung in Paris. Ein gleiches Verwandniß hat es jetzt mit allen Verhaftungen, Beschuldigungen, Verurtheilungen, die sich nicht direkt an die Insurrektion anreihen. Alle Prozesse verschwinden neben diesem monstruösen Prozesse. Ein gewöhnlicher Dieb, ein gewöhnlicher Eskrock hat keinen Werth, keine Bedeutung mehr. Wenn man, wie der Notär Oudinot, Millionen gestohlen, ganze Familien ruinirt hat, so kann man höchstens ein Jahr Gefängnißstrafe bekommen; aber nach der Zeit ist man ein freier, reicher Mann. Fälle der Art waren zu Tausenden unter Louis Philippe vorgekommen; alle die Spekulanten, die mit Aktien-Promessen Wucher getrieben, und Millionen angehäuft haben, waren nur glücklicher als Oudinot, weil sie, geschickter als er, sich der Gerechtigkeit zu entziehen wußten. Wer dagegen sich an der Insurrektion auch nur im Mindesten betheiligte, ja wer auch nur Wünsche für ihr glückliches Gedeihen machte, das ist kein gemeiner, kein gewöhnlicher Dieb mehr, das ist ein „sozialer “ Dieb, und die sozialen Diebe allein haben jetzt nur noch Bedeutung. Die Aktenstücke über diese 14,000 „sozialen Diebe“ häufen sich auf eine ungemeine Weise, und die Kommission hat wenigstens noch vier Monate mit der Untersuchung zu thun. Daß diese „sozialen Diebe “ übrigens nicht an ihrem „coup 'essai,“ ihrem Probeversuche waren, stellt sich jetzt auf die eklatanteste Weise heraus. Es kommen nämlich aus den entferntesten Colonieen Frankreichs Gelder an, welche, nach den ausdrücklichen Bestimmungen dieser entfernten Patrioten, unter den Blessirten und sonstigen Nothdürftigen der Februar-Revolution vertheilt werden sollten. Im Augenblicke wo man diese Vertheilung vornehmen will stellt sich heraus, daß diese Blessirten und Nothleidenden verhaftet sind als „Insurgenten,“ als „soziale Diebe.“ Also diese „sozialen Diebe“ sind gerade diejenigen, die glücklicher als jetzt, im Februar einen „sozialen Handstreich“ ausgeführt hatten, und die jetzt, weil sie gescheitert, nicht einmal der für sie ausgesetzten Belohnungen für ihr erstes glückliches Unternehmen theilhaftig werden können. Aber was liegt daran? Die ganze Zeit schmachtete Paris; die eleganten Damen ließen sich nicht sehen, so lange die „sozialen Diebe“ die Herren waren. Dagegen jetzt, wie Alles sich jetzt geändert! Paris athmet auf unter dem Belagerungszustande! Nie sah man prächtigere Equipagen, und elegantere Toiletten. Die Staatspapiere zeigten sich nie so ferm, als unter Cavaignac's Diktatur. Zwar fallen die National-Produkte auf eine auffallende Weise; die Burgunder- und Bordeaux-Weine liegen zu Millionen Bouteillen angehäuft in den Kellern! Aber das gibt Gelegenheit zur „Beförderung des Handels.“ Die Engländer kaufen die französischen Weine für ein Spottgeld, und werden schon wissen, den guten Bordeaux zu guten Preisen unterzubringen. Wie lange das noch gehen wird, weiß man nicht; so viel steht fest, daß das Proletariat in der Provinz sich auf eine „schreckenerregende “ Weise vermehrt, und seinen Antheil an den „besiegten Pariser Arbeitern“ auf jede mögliche Weise bekundet. Die Noth des Proletariats in der Provinz muß aber wirklich groß sein, um sogar die Aufmerksamkeit der „privilegirten grundreichen Hüttenbesitzer“ auf sich gezogen zu haben. Sie waren vereint nach Paris gekommen, um Arbeit von der Regierung nicht für sich, sondern für ihre „Arbeiter“ zu verlangen. Die Regierung hatte ihnen nichts zu geben. 12 Paris, 24. Juli. Wollt Ihr wissen, was die Wiederherstellung der Ordnung, das Steigen der Staatspapiere in Paris bedeutet? Die Kaufleute und Fabrikanten, die jetzt erst ihre Lage überschauen und mit Ordnung reguliren können, sind genöthigt zu Tausenden zu liquidiren, oder sich in Faillite zu erklären. „Und noch eine Myriade von Failliten“ steht uns täglich bevor! Aber das kommt daher, meint Thiers, weil die Ordnung noch nicht als Prinzip hergestellt ist, weil das sogenannte „principe d'ordre“ fehle, und so lange das fehle, fehle natürlich auch das Zutrauen in die Solvabilität der Republik. Nun fragt sich, was denn das eigentliche „principe d'ordre“ sei für Herrn Thiers. Dem ersten Anschein nach sollte man doch glauben, daß Cavaignac, als solcher, ein„principe d'ordre“ als solches sei: Cavaignac, dieser enorme Quaderstein, der an und für sich schon eine Barrikade ausfüllen könnte „gegen die Anarchie,“ wie die guten Rentner vom Quartier Des Marais meinen. Aber Thiers ist wiederum anderer Meinung. „Le principe d'ordre! Gebt uns das Principe d'ordre; und wir lassen Euch-Cavaignac!“ ruft mit ihm die ganze Rue Poitiers aus. Aengstlich-republikanische Geister sind geneigt zu glauben, daß das Principe d'ordre nichts anderes sei, als die “régence,“ und schreien: die Republik ist in Gefahr! Aber verständige Geschäftsleute aus der Rue Poitiers, die ernstere Interessen zu vertheidigen haben, erwiedern hierauf, daß etwas ganz anderes in Gefahr sei, als die Republik und das Vaterland; das sei die Solvabilität des Staates; und die könnten keine zehn Cavaignac wiederherstellen, wohl aber Thiers mit seinem Principe d'ordre. Ihr sollt ihn jetzt bald hören, wie er gegen Proudhon und Considerant auftreten; wie er diese furchtbaren „dialektischen Sozialisten“ in den Grund schleudern wird. Es steht zu erwarten, daß Proudhon's und Considerant's Erlösungsprojekte an ganz andern Dingen scheitern werden, als an Thiers logischer Widerlegung. Als Proudhon, vor seiner Wahl zum Repräsentanten, mit seiner Tauschbank auftrat, und einen Produkten-Austausch zu Wege bringen wollte, ohne Vermittelung des Geldes, und alle Produzenten aufforderte bei ihm einzukehren in der Rue Jean Jacques Rousseau, um die Welt des friedlichen Verkehrs, eine Welt ohne Geld, zu errichten, da wurde auf einmal der friedliche Verkehr durch Barrikaden gehemmt, und die Kugeln der Insurgenten bewiesen hinlänglich, daß sie von Proudhon's Plänen nichts wissen wollten. Seitdem ist Proudhon's Bank verschollen, und er ist in Unterhandlung eingetreten mit Thiers über das „droit au travail.“ Laßt mir das Droit au travail, spricht er zu Thiers, und ich lasse Euch das Eigenthum. Herr Thiers bewundert die „Tiefe“ des Herrn Proudhon; die Rue Poitiers bewundert die Tiefe des Herrn Thiers, der einen Mann, wie Proudhon öffentlich bekämpfen wird; und Cavaignac will beiden das Feld frei halten, daß sie sich in aller Ruhe„mit den Waffen des Wortes“ bekämpfen können. Die Arbeiter bleiben gleichgültig an allen diesen Wortkämpfen; die Nationalversammlung existirt für sie nicht mehr, ihre ganze Aufmerksamkeit ist auf die 14,000 Insurgenten gerichtet, und sie erwarten mit Aengstlichkeit was über sie verhängt wird. 16 Paris, 24. Juli. Der Witz der Sieger ergeht sich weidlich. Stehende Redensart ist z. B. jetzt: „faire l'atelier national“ für: „träge sein“ In mehreren Kafés hörte ich diese geistreiche Phrase mit schallendem Gelächter vorbringen. ‒ Der „Corsaire“ meint die Caber'schen Ikarier nennten sich so weil sie voler (fliegen, stehlen) wollten. Louis Blanc wird in diesem honnetten Blättchen, worin Herr A. Weill Stylübungen gegen klingendes Honorar macht; le bambin (kleiner Schlingel) genannt, welcher „Rehbraten mit Ananas“ im Luxemburg gespeist habe, und Louis Blanc wußte sich in der That nicht anders zu helfen als durch nachträgliche Publizirung seiner Küchenausgaben während des Provisoriums. Dazwischen ertönt die Baßstimme des „Impartia! de Seine Oise“ in Versailles, welches in Nr. 13 ruft: „Auf, und fordern wir endlich Gerechtigkeit gegen die Sträflinge und deren Häuptlinge!“ wir wollen nicht die Großmüthigen spielen. wir verlangen geradezu ihren Kopf.Schon zulange ist philanthropisirt worden; vae victis sei unser Feldgeschrei fortan. Hätten die Anarchisten gesiegt, so war es aus mit Sittlichkeit, Tugend, Familie, Ehre, Religion, Eigenthum; wir dürfen solchen Feind nimmer schonend behandeln, das wäre unverzeihliche Schwäche. Wehe den Besiegten! ist das uralte Gesetz der Welt, und beide Theile müssen es kennen…“ Mit ungewohntem Aufwande von Gelehrsamkeit nennt der „Siecle“ Blanqui den „modernen Catilina,“ und der „Konstitutionnel“ vergleicht seinen kleinen Thiers mit „ Cicero dem Vater der Republik.“ Der Cäsar sei noch nicht da, aber werde nächstens erscheinen; Barbes, Sobrier, Albert und Rafpail werden ingeniöser Weise vom „Avenir“ mit Sulla und Konsorten, die Faubourgs mit den Kornelianern verglichen. Herr Paul Feval, der die „Mystères de Londres“ fabrizirt hat, macht im „Avenir“ philologische Studien; er beweist das Wort Reaktion sei ehrenvoll, und bedeute das „vernunft. und naturgemäße Umkehren auf einem falschen Wege, das revenir sur ses pas.“ man möge also nur dreist sich „Reaktionär“ nennen. ‒ Ein angeblich zu 80,000 Exempl. gedrucktes Blättchen nennt sich mit echtem Bourgeoisaberwitz Le perdu chêne de la révolution (die verlorne Eiche der Revolution); der schaurige Klang des Titels veranlaßte am ersten Tage die Arrestation eines Ausrufers. Es gelobt seinen Homonymen energisch zu bekämpfen; vorläufig proponirt es die „verirrten Geister“ aus dem Gefängniß ins Irrenhaus Charenton zu deportiren „wo sie nicht mehr die Statue der Freiheit mit Trauerflor zu behängen Anlaß geben; das brüderliche Zutrauen zwischen Arm und Reich, Kapitalist und Ouvrier kehrt zurück, nachdem die höllische Brut in Blut erstickt worden die es seit Februar von uns gescheucht. Die Gnade Gottes schenkt uns schönes Sommerwetter, Brod und Wein werden für den Arbeiter wohlfeil. Das beste Gouvernement, sagen die Bauern Frankreichs, ist das des Herrgotts; alle übrigen sind nur provisorische, d. h. mehr oder weniger sündhafte. Laßt uns kaufen und verkaufen, arbeiten und spazieren gehen, die Nationalateliers sind Gottlob verschwunden, und die Exekutivgewalt sprach zur Emeute: bis hierher und nicht weiter; die Emeute kroch heulend und zitternd in ihre Höhle zurück. Franzosen, der Himmel liebt uns, lieben wir einander auch, schon gehen viele Bestellungen auf Manufakturen an, und die bösen Dünste aller Utopien sind verflogen.“ Dasselbe Blatt bemerkt: „ Die wenig bedeutsamen Symbole der Republik kann man getrost fahren lassen; z. B. die sogenannten Freiheitsbäumchen, die bekanntlich vielerorten in Paris bereits ausgegangen sind und den Suppentopf mancher biedren Ouvriers kochen könnten. “ Die Geschütze der Ordnungskämpfer haben außerdem auf Place Maubert, am Pantheon, u. s. w. diese jungen Pappelstämme zerschmettert. ‒ Die Masse der Patienten in den sieben Forts um Paris steigt; die Hitze der Kasematten macht dort manche stumpf- und wahnsinnig, so daß die perfiden Journale allerdings recht haben welche sagen: „Idioten und Epileptische bildeten die größere Hälfte der Erkrankten, desgleichen Hautleiden; man versagt ihnen trotz der Backofentemperatur oft Waschwasser. Die medizinische Inspektion ist natürlich ganz machtlos. ‒ Der „Conciliateur“ kommt bereits in Händel; er muß dem Thiersblatte zurufen: „So lauft doch nicht so schrecklich, es geht ohnehin bergunter und der Weg ist schlüpfrig von Schweiß und Blut der Ouvriers und vom Blut der Nichtouvriers . . . . Ach, ihr Herren, was lärmt ihr so gegen die Wuthausfälle der arbeitenden Männer und Frauen? statt zu deklamiren und auf sie zu schimpfen mit pathetischen, oft sehr plumpen oder raffinirten Phrasen, geht lieber frisch daran sie zu bilden; zu bessern wie ihr es wohl nennen möget. „Wohl, auf Place Maubert haben die Proletarierinnen beim Feuerschein der angesteckten Nationalgardenwache einige Köpfe von Mobilen abgehauen und auf Picken gepflanzt, auch von abgehauenen Händen spricht der Constitutionnel, was vielleicht seine durch Eugen Sue's Feuilleton erhitzte Phantasie ihm vorgaukelt: aber es sei; wir invitiren ihn, wenn er sich abgekühlt, sich zu fragen: ob die gebildeten Damen unserer Klasse denn etwa nicht leidenschaftlich heiß und grausam würden, wenn sie auf Barrikaden ständen und ihre Männer daneben stürzen sähen? wenn sie nichts im Magen und hungerige Kinder hinter sich hätten? wenn sie zu stolz zur Bettelei, zu lebenslustig zum Selbstmord, zu edel oder zu klug zum Stehlen, Arbeit und Lohn, aber nicht Hundearbeit und nicht Spottlohn, forderten. Oho, Messieurs von der Thiersarmee, seht zu daß eure Logik nicht ein Loch bekommt, wie eure Fensterscheiben; die Damen unserer wohlhabenden freien Klasse haben seit Jahrtausenden den Leiden der unfreien (d. h. bloß dem Namen nach freien) Klasse ruhig zugesehen, höchstens eine Rührungszähre vergossen und Allmosen zuspendet: unsere Damen sind, glaubt's oder glaubt's nicht, ebendeshalb viel kalt-grausamer als ein paar rohe, wilde Proletarierinnen, die im lang aufgestauten Grimm endlich einige Köpfe abhieben; ihr Verbrechen war kein gegegen eine ganze Klasse, kein tausend Jahre lang geschehenes. „Ihr macht immer süße Phrasen von Schulen und Moralitätsanstalten für die Majoritätsklasse, aber dabei bleibts. Wißt ihr denn nicht, daß nur derjenige sich geistig bilden läßt, der materiell keine Sorgen hat?‥ Wir bitten unsere Klasse, diese Minorität der Gesammtnation, unsere Klasse welche Geld, Bildung und Wissen besitzt, aufs Ernstlichste, in sich zu gehen und der Majorität, durch deren Schweiß und Blut wir existiren, ja noch vor Ablauf dieses Jahrhunderts zu gleichem Lebensgut zu verhelfen, sonst sind alle Staaten Europas verloren u. s. w.“ Auf dieserartige Worte antwortet man mit Kontrebarrikaden, die gleich den altrömischen beweglichen Schanzen herangefahren werden sollen, mit Kanonen und Sturmdach; Cavaignac hat einige Modelle besichtigt; auch erzählt man vielfach die Errichtung einer Mobilgarde Nr. II., welche ganz speziell auf Schießen nach den Fenstern einzuererzieren. „Die preußische Landwehr“, sagt das Journal de Rouen, „hat trefflich gegen Pöbeltruppen und gegen räuberische Polenrebellion in Posen gefochten; sie ist eine Wehr gegen Absolutismus und Anarchie; laßt uns sie nachahmen in Organisation und Gesinnung; die wahrhaft guten Sachen Deutschlands überfahren wir bisher, und plagten uns mit seinem skandalösen Atheismus u. s. w.“ ‒ Eine kleine Schrift: „Amnestie! an General Cavaignac“ ist ganz eindrucklos, wie sich von selbst begreift, vorbeigegangen. Desto emsiger betreibt man die Decentralisirung; die Seinepräfektur (weiland Mairie von Paris) schlägt ungeheure neue Municipalsteuern auf jedes große hiesige Etablissement, z. B. sieht sich die kolossale Gießerei von Chevet dadurch veranlaßt 3/4 ihrer Quvriers zu verabschieden, die ohne Weiteres in die Provinzen geschafft werden. Der Sekretär Adam sagte geradezu „in den kolossalen Pariser Industrieanstalten keimt kolossale Gefahr, daher laßt uns die Departementalanstalten vermehren; die Gäste Frankreichs müssen von seinem Kopfe, von Paris, medizinisch abgeleitet werden.“ Der Arzt Ducour, plötzlich Polizeipräfekt geworden, ermahnt in Affischen „Arme und Reiche, Quvriers und Meister möchten brüderlich nach Bürgertugend trachten; jeder Konspiration werde er unversöhnlich entgegen treten.“ Auch der Arzt Trelat, jetzt zum Maire des Barbes'schen Viertels eingesetzt, will mit heroischer Kur wirken. Die Freunde der „zu neuem Leben erwachenden Privatindustrie“ wird was weniges vergällt durch die unheimliche Ahndung von neuen Zöllen des deutschen Zollvereins, wodurch die Primen, womit die Republik ihre Exporte zu beleben sucht, mehr oder weniger unwirksam gemacht werden könnten; die honnette Sympathie für „das Land Luther's und Kant's“ (Siecle) dürfte so einen kleinen Riß kriegen. Wie ernst die Machthaber ihre goldenen Versprechungen halten, beweist der Umstand, daß sämmtliche zwölf Maires affischirten: die Wahlen der Beisitzer zur Arbeitskommission, von Patronen und Gesellen, seien auf unbestimmte Zeit verschoben, und doch hatten sie schon den Tag angekündigt! Diese Kommission beschäftigt sich angeblich auch mit dem Plan einer Arbeitsinvalidenkasse, zu der „jeder rechtschaffene Arbeiter sein Scherflein beizutragen hat etc.“ „Nur so moralisirt man diese im Ganzen ehrenwerthe Klasse (ruft Le Commerce), wenn man das Sparbüchsensystem damit organisch verschmilzt und sie gegen jede utopistische Vergiftung hermetisch abschließt; zaudern wir nicht, die Stunden sind kostbar u. s. w. “ Paris.
Wie wir aus dem Journale „La Republique “ ersehen, ist die Reaktion besonders thätig in der Provinz. Alles, was man den Journalen nicht anvertrauen will, wird auf geheimem Wege durch Briefe u. s. w. befördert. Niemand, der nicht von der Partei der Rue Poitiers ist, bleibt in diesen Missiven verschont. Der alte Maire von Paris sogar wird mit eben nicht sehr schmeichelhaften Epitheten gratificirt. Die Republik wird dargestellt als die Heimath von Dieben und Räubern. Es wäre Zeit, meint „die Republik,“ daß die Belehrung durchdringe bis zu den Dörfern der Bourgogne und Berry, wo der Seigneur noch an der Tagesordnung sei, und es allgemein heißt, daß die Republik die Beraubung durch ungeheure Steuern ist, und daß, wenn man sie nicht bald abschafft, sie der organisirte Raub werden wird. Die „Republik“ fordert die Regierung auf, eine Untersuchung durch ihre Präfekten zu veranstalten; sie versichert, daß die Präfekten selbst der Zielpunkt aller möglichen Verläumdungen seien. Zu Bourges will man den Präfekten wegschicken, weil er Kommunist ist. „Kommunist,“ „Sozialist,“ das sind die Schlagwörter, mit denen die Rue Portiers operirt. ‒ Das Kabinet von Berlin hat der Exekutivgewalt erklärt, daß es die Republik anerkennen, d. h. einen Gesandten nach Paris schicken wolle, wenn sie den Emanuel Arago abberufe, dessen Einverständniß mit den preußischen Radikalen ihm gar zu undiplomatisch und gefährlich erscheine. ‒ Der neue Seine-Präfekt, Trouve-Chauvel, vorher Polizei-Präfekt, und jetzt Stellvertreter des Herrn Marrast, unter einem andern Namen, hat eine Proklamation ergehen lassen, worin der „frühere Bekämpfer der Anarchie“ sich darstellt als „den nunmehrigen Wiederhersteller des Vertrauens und des Kredits.“ ‒ Ein neuer Brief Louis Napoleon's, der, aufs Neue von der Insel Corsica als Repräsentant gewählt, seine Demission eingibt: Herr Präsident! Ich bringe so eben in Erfahrung, daß die corsischen Wähler mich zu ihrem Repräsentanten in der National-Kammer ernannt haben, ungeachtet meiner frühern Demission, die ich in den Händen Ihres Vorgängers niedergelegt habe. Ich bin tief gerührt von diesem Beweise der Achtung und des Vertrauens, aber die Gründe, die mich bestimmten, die Mandate der „Seine,“ der „Yonne“ und der „Charente Inferieure“ auszuschlagen, sind noch nicht verschwunden; sie legen mir ein neues Opfer auf. Ohne auf die Ehre zu verzichten, eines Tages Repräsentant des Volkes zu sein, glaube ich jedoch, ehe ich in mein Vaterland zurückkehre, warten zu müssen, bis meine Anwesenheit in Frankreich den Feinden der Republik in keiner Weise zum Vorwande (Siehe den Verfolg in der Beilage.) [Fortsetzung] <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0003" n="0283"/> <div n="1"> <head>[Deutschland]</head> <div xml:id="ar057_013" type="jArticle"> <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> Orte demjenigen, der ihm einen Wiener Studenten erschießt, einen Ablaß auf Lebzeiten versprach.</p> </div> <div xml:id="ar057_014" type="jArticle"> <head>Wien 22. Juli.</head> <p>Der Wiener Zeitung ist folgende Privatmittheilung zugegangen:</p> <p>Nachrichten aus Fokschan vom 12. Juli melden, daß der russische Konsul, Herr v. Kotzebue, aus Bukarest die amtliche Mittheilung erhalten hat, daß die Mitglieder der provisorischen Regierung in Angst über die baldige Ankunft der Russen, Bukarest heimlich verlassen und sich in die kleine Wallachei geflüchtet hätten, worauf die alte Ordnung der Dinge wieder hergestellt und die abgesetzten Bojaren ihre früheren Posten wieder eingenommen hätten, und Herr v. Kotzebue wollte auf diese Nachricht sich sogleich wieder nach Bukarest zurückbegeben.</p> </div> <div xml:id="ar057_015" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Wien, 22. Juli.</head> <p>Endlich ist die so lang geforderte Absetzung des Reaktionärs, Grafen Leo Thun von dem Posten eines Gubernial-Präsidenten in Böhmen erfolgt und an seiner Statt Graf von Rothkirch, bisher Kreishauptmann in Pilsen, ernannt worden.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Ungarn</head> <div xml:id="ar057_016" type="jArticle"> <head>Pesth, 19. Juli.</head> <p>Gestern Abend, den 18. 7 3/4 Uhr, wurde die letzte Kette zwischen den beiden Pfeilern in die Höhe gezogen, als plötzlich der Cylinder des Flaschenzuges sprang, und die Kette mit einem donnerähnlichen Getöse hinabrollte, und die Pontons ‒ die Verbindungen der großen Pfeiler‒ worauf über 200 Menschen als Zuschauer standen, theils in Stücke schlug und zermalmte, theils unters Wasser drückte.</p> <p>Wenig Menschen wurden erschlagen, um desto mehr aber ins Wasser geschleudert. Gerettet wurden viele, die Anzahl der Todten kann man jedoch noch nicht ermitteln.‒ Die große Schiffbrücke ward durch die hinabschwimmenden Pontons in der Mitte zerstört, die Kommunikation der beiden Städte also gestört, in der ganzen Nacht wurde sie jedoch durch die Dampfboote erhalten.‒ Viele Deputirte waren sammt Graf Czechenyi, Georg Mailath u. s. w. unter der Kette.‒Alle wurden gerettet.</p> <bibl>(A. Oestr. Z.)</bibl> </div> </div> <div n="1"> <head>Donaufürstenthümer.</head> <div xml:id="ar057_017" type="jArticle"> <head>Jassy, 14. Juli.</head> <p>Der Einmarsch der Russen in Jassy soll nur auf direktes und persönliches Ansuchen des um seiner Familie Sicherheit besorgten Fürsten Stourdza, bei dem General Duhamel, erfolgt sein. Er geschah in solcher Eile, daß der Ottomanische Kommissär Talat Effendi sehr überrascht war. Bis jetzt ist noch keine Proklamation, weder über den Zweck des Einmarsches der russischen Truppen, noch über die Dauer ihres Aufenthaltes im Lande, von der Moldauischen Regierung erschienen. Auch hat Talat Effendi die Stadt nicht verlassen.‒ Nach Berichten vom 10. d. M. aus Tlusch und Fokschan haben die nach der Wallachei marschirenden russischen Truppen in Berlad (in der untern Moldau) halt gemacht, wo sie weitere Befehle abwarten sollen. Aus Gallacz läuft die Nachricht ein, daß dort 4000 Mann türkischer Truppen angekommen, welche über Fokschan in die Wallachei einzurücken bestimmt sind.</p> <bibl>(Wien. Z.)</bibl> </div> </div> <div n="1"> <head>Rußland.</head> <div xml:id="ar057_018" type="jArticle"> <head>St. Petersburg, 18. Juli.</head> <p>Zum 14. Juli waren 3972 Cholerakranke in Behandlung verblieben; es kamen im Verlaufe dieses Tages hinzu 525, genasen 218 und starben 312 (darunter 172 in den Wohnungen). Zum 15. Juli waren 3967 Cholerakranke in Behandlung verblieben; im Verlaufe dieses Tages kamen hinzu 432, genasen 262 und starben 294 (darunter 166 in den Wohnungen.) Zum 16. Juli verblieben 3843 Kranke in Behandlung.)</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Französische Republik.</head> <div xml:id="ar057_019" type="jArticle"> <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 24. Juli.</head> <p>Wenn nach dem 24. Februar Todesfälle eintraten von Leuten, die an <hi rendition="#g">gewöhnlichen</hi> Krankheiten dahin starben, so wurden diese Fälle fast gar nicht beachtet. Kein anderer Tod galt für glorreich, als der auf den Barrikaden; keine andere Krankheit schien beachtungswerth, als die in Folge empfangener Wunden. Wie kann man sich auch ruhig auf seinem Bette sterben lassen! Das war die allgemeine Stimmung in Paris. Ein gleiches Verwandniß hat es jetzt mit allen Verhaftungen, Beschuldigungen, Verurtheilungen, die sich nicht direkt an die Insurrektion anreihen. Alle Prozesse verschwinden neben diesem monstruösen Prozesse. Ein gewöhnlicher Dieb, ein gewöhnlicher Eskrock hat keinen Werth, keine Bedeutung mehr. Wenn man, wie der Notär Oudinot, Millionen gestohlen, ganze Familien ruinirt hat, so kann man höchstens ein Jahr Gefängnißstrafe bekommen; aber nach der Zeit ist man ein freier, reicher Mann. Fälle der Art waren zu Tausenden unter Louis Philippe vorgekommen; alle die Spekulanten, die mit Aktien-Promessen Wucher getrieben, und Millionen angehäuft haben, waren nur glücklicher als Oudinot, weil sie, geschickter als er, sich der Gerechtigkeit zu entziehen wußten. Wer dagegen sich an der Insurrektion auch nur im Mindesten betheiligte, ja wer auch nur Wünsche für ihr glückliches Gedeihen machte, das ist kein gemeiner, kein gewöhnlicher Dieb mehr, das ist ein „sozialer “ Dieb, und die sozialen Diebe allein haben jetzt nur noch Bedeutung. Die Aktenstücke über diese 14,000 „sozialen Diebe“ häufen sich auf eine ungemeine Weise, und die Kommission hat wenigstens noch vier Monate mit der Untersuchung zu thun. Daß diese „sozialen Diebe “ übrigens nicht an ihrem „coup 'essai,“ ihrem Probeversuche waren, stellt sich jetzt auf die eklatanteste Weise heraus. Es kommen nämlich aus den entferntesten Colonieen Frankreichs Gelder an, welche, nach den ausdrücklichen Bestimmungen dieser entfernten Patrioten, unter den Blessirten und sonstigen Nothdürftigen der Februar-Revolution vertheilt werden sollten. Im Augenblicke wo man diese Vertheilung vornehmen will stellt sich heraus, daß diese Blessirten und Nothleidenden verhaftet sind als „Insurgenten,“ als „soziale Diebe.“ Also diese „sozialen Diebe“ sind gerade diejenigen, die glücklicher als jetzt, im Februar einen „sozialen Handstreich“ ausgeführt hatten, und die jetzt, weil sie gescheitert, nicht einmal der für sie ausgesetzten Belohnungen für ihr erstes glückliches Unternehmen theilhaftig werden können.</p> <p>Aber was liegt daran? Die ganze Zeit schmachtete Paris; die eleganten Damen ließen sich nicht sehen, so lange die „sozialen Diebe“ die Herren waren. Dagegen jetzt, wie Alles sich jetzt geändert! Paris athmet auf unter dem Belagerungszustande! Nie sah man prächtigere Equipagen, und elegantere Toiletten. Die Staatspapiere zeigten sich nie <hi rendition="#g">so ferm, </hi> als unter Cavaignac's Diktatur. Zwar fallen die National-Produkte auf eine auffallende Weise; die Burgunder- und Bordeaux-Weine liegen zu Millionen Bouteillen angehäuft in den Kellern! Aber das gibt Gelegenheit zur „Beförderung des Handels.“ Die Engländer kaufen die französischen Weine für ein Spottgeld, und werden schon wissen, den guten Bordeaux zu guten Preisen unterzubringen. Wie lange das noch gehen wird, weiß man nicht; so viel steht fest, daß das Proletariat in der Provinz sich auf eine „schreckenerregende “ Weise vermehrt, und seinen Antheil an den „besiegten Pariser Arbeitern“ auf jede mögliche Weise bekundet. Die Noth des Proletariats in der Provinz muß aber wirklich groß sein, um sogar die Aufmerksamkeit der „privilegirten grundreichen Hüttenbesitzer“ auf sich gezogen zu haben. Sie waren vereint nach Paris gekommen, um Arbeit von der Regierung nicht für sich, sondern für ihre „Arbeiter“ zu verlangen. Die Regierung hatte ihnen nichts zu geben.</p> </div> <div xml:id="ar057_020" type="jArticle"> <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 24. Juli.</head> <p>Wollt Ihr wissen, was die Wiederherstellung der Ordnung, das Steigen der Staatspapiere in Paris bedeutet? Die Kaufleute und Fabrikanten, die jetzt erst ihre Lage überschauen und mit Ordnung reguliren können, sind genöthigt zu Tausenden zu liquidiren, oder sich in Faillite zu erklären. „Und noch eine Myriade von Failliten“ steht uns täglich bevor! Aber das kommt daher, meint Thiers, weil die Ordnung noch nicht als Prinzip hergestellt ist, weil das sogenannte „principe d'ordre“ fehle, und so lange das fehle, fehle natürlich auch das Zutrauen in die Solvabilität der Republik. Nun fragt sich, was denn das eigentliche „principe d'ordre“ sei für Herrn Thiers. Dem ersten Anschein nach sollte man doch glauben, daß Cavaignac, als solcher, ein„principe d'ordre“ als solches sei: Cavaignac, dieser enorme Quaderstein, der an und für sich schon eine Barrikade ausfüllen könnte „gegen die Anarchie,“ wie die guten Rentner vom Quartier Des Marais meinen. Aber Thiers ist wiederum anderer Meinung. „Le principe d'ordre! Gebt uns das Principe d'ordre; und wir lassen Euch-Cavaignac!“ ruft mit ihm die ganze Rue Poitiers aus. Aengstlich-republikanische Geister sind geneigt zu glauben, daß das Principe d'ordre nichts anderes sei, als die “régence,“ und schreien: die Republik ist in Gefahr! Aber verständige Geschäftsleute aus der Rue Poitiers, die ernstere Interessen zu vertheidigen haben, erwiedern hierauf, daß etwas ganz anderes in Gefahr sei, als die Republik und das Vaterland; das sei die Solvabilität des Staates; und die könnten keine zehn Cavaignac wiederherstellen, wohl aber Thiers mit seinem Principe d'ordre. Ihr sollt ihn jetzt bald hören, wie er gegen Proudhon und Considerant auftreten; wie er diese furchtbaren „dialektischen Sozialisten“ in den Grund schleudern wird. Es steht zu erwarten, daß Proudhon's und Considerant's Erlösungsprojekte an ganz andern Dingen scheitern werden, als an Thiers logischer Widerlegung.</p> <p>Als Proudhon, vor seiner Wahl zum Repräsentanten, mit seiner Tauschbank auftrat, und einen Produkten-Austausch zu Wege bringen wollte, ohne Vermittelung des Geldes, und alle Produzenten aufforderte bei ihm einzukehren in der Rue Jean Jacques Rousseau, um die Welt des friedlichen Verkehrs, eine Welt ohne Geld, zu errichten, da wurde auf einmal der friedliche Verkehr durch Barrikaden gehemmt, und die Kugeln der Insurgenten bewiesen hinlänglich, daß sie von Proudhon's Plänen nichts wissen wollten. Seitdem ist Proudhon's Bank verschollen, und er ist in Unterhandlung eingetreten mit Thiers über das „droit au travail.“ Laßt mir das Droit au travail, spricht er zu Thiers, und ich lasse Euch das Eigenthum.</p> <p>Herr Thiers bewundert die „Tiefe“ des Herrn Proudhon; die Rue Poitiers bewundert die Tiefe des Herrn Thiers, der einen Mann, wie Proudhon öffentlich bekämpfen wird; und Cavaignac will beiden das Feld frei halten, daß sie sich in aller Ruhe„mit den Waffen des Wortes“ bekämpfen können. Die Arbeiter bleiben gleichgültig an allen diesen Wortkämpfen; die Nationalversammlung existirt für sie nicht mehr, ihre ganze Aufmerksamkeit ist auf die 14,000 Insurgenten gerichtet, und sie erwarten mit Aengstlichkeit was über sie verhängt wird.</p> </div> <div xml:id="ar057_021" type="jArticle"> <head><bibl><author>16</author></bibl> Paris, 24. Juli.</head> <p>Der Witz der Sieger ergeht sich weidlich. Stehende Redensart ist z. B. jetzt: „faire l'atelier national“ für: „träge sein“ In mehreren Kafés hörte ich diese geistreiche Phrase mit schallendem Gelächter vorbringen. ‒ Der „Corsaire“ meint die Caber'schen Ikarier nennten sich so weil sie voler (fliegen, stehlen) wollten. Louis Blanc wird in diesem honnetten Blättchen, worin Herr A. Weill Stylübungen gegen klingendes Honorar macht; le bambin (kleiner Schlingel) genannt, welcher „Rehbraten mit Ananas“ im Luxemburg gespeist habe, und Louis Blanc wußte sich in der That nicht anders zu helfen als durch nachträgliche Publizirung seiner <hi rendition="#g">Küchenausgaben</hi> während des Provisoriums. Dazwischen ertönt die Baßstimme des „Impartia! de Seine Oise“ in Versailles, welches in Nr. 13 ruft: „Auf, und fordern wir endlich Gerechtigkeit gegen die Sträflinge und deren Häuptlinge!“ wir wollen nicht die Großmüthigen spielen. <hi rendition="#g">wir verlangen geradezu ihren Kopf.</hi>Schon zulange ist philanthropisirt worden; <hi rendition="#g">vae victis sei unser Feldgeschrei fortan.</hi> Hätten die Anarchisten gesiegt, so war es aus mit Sittlichkeit, Tugend, Familie, Ehre, Religion, Eigenthum; wir dürfen solchen Feind nimmer schonend behandeln, das wäre unverzeihliche Schwäche. <hi rendition="#g">Wehe den Besiegten!</hi> ist das uralte Gesetz der Welt, und beide Theile müssen es kennen…“ Mit ungewohntem Aufwande von Gelehrsamkeit nennt der „Siecle“ Blanqui den „modernen Catilina,“ und der „Konstitutionnel“ vergleicht seinen kleinen Thiers mit „ Cicero dem Vater der Republik.“ Der Cäsar sei noch nicht da, aber werde <hi rendition="#g">nächstens</hi> erscheinen; Barbes, Sobrier, Albert und Rafpail werden ingeniöser Weise vom „Avenir“ mit Sulla und Konsorten, die Faubourgs mit den Kornelianern verglichen. Herr Paul Feval, der die „Mystères de Londres“ fabrizirt hat, macht im „Avenir“ philologische Studien; er beweist das Wort Reaktion sei ehrenvoll, und bedeute das „vernunft. und naturgemäße Umkehren auf einem falschen Wege, das revenir sur ses pas.“ man möge also nur dreist sich „Reaktionär“ nennen. ‒ Ein angeblich zu 80,000 Exempl. gedrucktes Blättchen nennt sich mit echtem Bourgeoisaberwitz Le perdu chêne de la révolution (die verlorne Eiche der Revolution); der schaurige Klang des Titels veranlaßte am ersten Tage die Arrestation eines Ausrufers. Es gelobt seinen Homonymen energisch zu bekämpfen; vorläufig proponirt es die „verirrten Geister“ aus dem Gefängniß ins Irrenhaus Charenton zu deportiren „wo sie nicht mehr die Statue der Freiheit mit Trauerflor zu behängen Anlaß geben; das brüderliche Zutrauen zwischen Arm und Reich, Kapitalist und Ouvrier kehrt zurück, nachdem die höllische Brut in Blut erstickt worden die es seit Februar von uns gescheucht. Die Gnade Gottes schenkt uns schönes Sommerwetter, Brod und Wein werden für den Arbeiter wohlfeil. Das <hi rendition="#g">beste</hi> Gouvernement, sagen die Bauern Frankreichs, ist das des Herrgotts; alle übrigen sind nur <hi rendition="#g">provisorische, d. h.</hi> mehr oder weniger sündhafte. Laßt uns kaufen und verkaufen, arbeiten und spazieren gehen, die Nationalateliers sind Gottlob verschwunden, und die Exekutivgewalt sprach zur Emeute: bis hierher und nicht weiter; die Emeute kroch heulend und zitternd in ihre Höhle zurück. Franzosen, der Himmel liebt uns, lieben wir einander auch, schon gehen viele Bestellungen auf Manufakturen an, und die bösen Dünste aller Utopien sind verflogen.“ Dasselbe Blatt bemerkt: „ Die wenig bedeutsamen Symbole der Republik kann man getrost fahren lassen; z. B. die sogenannten Freiheitsbäumchen, die bekanntlich vielerorten in Paris bereits ausgegangen sind und den Suppentopf mancher biedren Ouvriers kochen könnten. “ Die Geschütze der Ordnungskämpfer haben außerdem auf Place Maubert, am Pantheon, u. s. w. diese jungen Pappelstämme zerschmettert. ‒ Die Masse der Patienten in den sieben Forts um Paris steigt; die Hitze der Kasematten macht dort manche stumpf- und wahnsinnig, so daß die perfiden Journale allerdings recht haben welche sagen: „<hi rendition="#g">Idioten</hi> und <hi rendition="#g">Epileptische</hi> bildeten die größere Hälfte der Erkrankten, desgleichen <hi rendition="#g">Hautleiden;</hi> man versagt ihnen trotz der Backofentemperatur oft Waschwasser. Die medizinische Inspektion ist natürlich ganz machtlos. ‒ Der „Conciliateur“ kommt bereits in Händel; er muß dem Thiersblatte zurufen: „So lauft doch nicht so schrecklich, es geht ohnehin bergunter und der Weg ist schlüpfrig von Schweiß und Blut der Ouvriers und vom Blut der Nichtouvriers . . . . Ach, ihr Herren, was lärmt ihr so gegen die Wuthausfälle der arbeitenden Männer und Frauen? statt zu deklamiren und auf sie zu schimpfen mit pathetischen, oft sehr plumpen oder raffinirten Phrasen, geht lieber frisch daran sie zu bilden; zu <hi rendition="#g">bessern</hi> wie ihr es wohl nennen möget.</p> <p>„Wohl, auf Place Maubert haben die Proletarierinnen beim Feuerschein der angesteckten Nationalgardenwache einige Köpfe von Mobilen abgehauen und auf Picken gepflanzt, auch von abgehauenen Händen spricht der Constitutionnel, was vielleicht seine durch Eugen Sue's Feuilleton erhitzte Phantasie ihm vorgaukelt: aber es sei; wir invitiren ihn, wenn er sich abgekühlt, sich zu fragen: ob die gebildeten Damen unserer Klasse denn etwa nicht leidenschaftlich heiß und grausam würden, wenn sie auf Barrikaden ständen und ihre Männer daneben stürzen sähen? wenn sie nichts im Magen und hungerige Kinder hinter sich hätten? wenn sie zu stolz zur Bettelei, zu lebenslustig zum Selbstmord, zu edel oder zu klug zum Stehlen, Arbeit und Lohn, aber nicht Hundearbeit und nicht Spottlohn, forderten. Oho, Messieurs von der Thiersarmee, seht zu daß eure Logik nicht ein Loch bekommt, wie eure Fensterscheiben; die Damen unserer wohlhabenden freien Klasse haben <hi rendition="#g">seit Jahrtausenden</hi> den Leiden der unfreien (d. h. bloß dem Namen nach freien) Klasse ruhig zugesehen, höchstens eine Rührungszähre vergossen und Allmosen zuspendet: unsere Damen sind, glaubt's oder glaubt's nicht, ebendeshalb viel kalt-grausamer als ein paar rohe, wilde Proletarierinnen, die im lang aufgestauten Grimm endlich einige Köpfe abhieben; ihr Verbrechen war kein gegegen eine ganze Klasse, kein tausend Jahre lang geschehenes.</p> <p>„Ihr macht immer süße Phrasen von Schulen und Moralitätsanstalten für die Majoritätsklasse, aber dabei bleibts. Wißt ihr denn nicht, daß nur derjenige sich geistig bilden läßt, der materiell keine Sorgen hat?‥ Wir bitten unsere Klasse, diese Minorität der Gesammtnation, unsere Klasse welche Geld, Bildung und Wissen besitzt, aufs Ernstlichste, in sich zu gehen und der Majorität, durch deren Schweiß und Blut wir existiren, ja noch vor Ablauf dieses Jahrhunderts zu gleichem Lebensgut zu verhelfen, sonst sind alle Staaten Europas verloren u. s. w.“ Auf dieserartige Worte antwortet man mit Kontrebarrikaden, die gleich den altrömischen beweglichen Schanzen herangefahren werden sollen, mit Kanonen und Sturmdach; Cavaignac hat einige Modelle besichtigt; auch erzählt man vielfach die Errichtung einer Mobilgarde Nr. II., welche ganz speziell auf Schießen nach den Fenstern einzuererzieren. „Die preußische Landwehr“, sagt das Journal de Rouen, „hat trefflich gegen Pöbeltruppen und gegen räuberische Polenrebellion in Posen gefochten; sie ist eine Wehr gegen Absolutismus und Anarchie; laßt uns sie nachahmen in Organisation und Gesinnung; die wahrhaft guten Sachen Deutschlands überfahren wir bisher, und plagten uns mit seinem skandalösen Atheismus u. s. w.“ ‒ Eine kleine Schrift: „Amnestie! an General Cavaignac“ ist ganz eindrucklos, wie sich von selbst begreift, vorbeigegangen. Desto emsiger betreibt man die Decentralisirung; die Seinepräfektur (weiland Mairie von Paris) schlägt ungeheure neue Municipalsteuern auf jedes große hiesige Etablissement, z. B. sieht sich die kolossale Gießerei von Chevet dadurch veranlaßt 3/4 ihrer Quvriers zu verabschieden, die ohne Weiteres in die Provinzen geschafft werden. Der Sekretär Adam sagte geradezu „in den kolossalen Pariser Industrieanstalten keimt kolossale Gefahr, daher laßt uns die Departementalanstalten vermehren; die Gäste Frankreichs müssen von seinem Kopfe, von Paris, medizinisch abgeleitet werden.“ Der Arzt Ducour, plötzlich Polizeipräfekt geworden, ermahnt in Affischen „Arme und Reiche, Quvriers und Meister möchten brüderlich nach Bürgertugend trachten; jeder Konspiration werde er unversöhnlich entgegen treten.“ Auch der Arzt Trelat, jetzt zum Maire des Barbes'schen Viertels eingesetzt, will mit heroischer Kur wirken. Die Freunde der „zu neuem Leben erwachenden Privatindustrie“ wird was weniges vergällt durch die unheimliche Ahndung von neuen Zöllen des deutschen Zollvereins, wodurch die Primen, womit die Republik ihre Exporte zu beleben sucht, mehr oder weniger unwirksam gemacht werden könnten; die honnette Sympathie für „das Land Luther's und Kant's“</p> <p><bibl>(Siecle)</bibl> dürfte so einen kleinen Riß kriegen. Wie ernst die Machthaber ihre goldenen Versprechungen halten, beweist der Umstand, daß sämmtliche zwölf Maires affischirten: die Wahlen der Beisitzer zur Arbeitskommission, von Patronen und Gesellen, seien auf <hi rendition="#g">unbestimmte</hi> Zeit verschoben, und doch hatten sie schon den Tag angekündigt! Diese Kommission beschäftigt sich angeblich auch mit dem Plan einer Arbeitsinvalidenkasse, zu der „jeder rechtschaffene Arbeiter sein Scherflein beizutragen hat etc.“ „Nur so moralisirt man diese <hi rendition="#g">im Ganzen</hi> ehrenwerthe Klasse (ruft Le Commerce), wenn man das Sparbüchsensystem damit organisch verschmilzt und sie gegen jede utopistische Vergiftung hermetisch abschließt; zaudern wir nicht, die Stunden sind kostbar u. s. w. “ </p> </div> <div xml:id="ar057_022" type="jArticle"> <head>Paris.</head> <p>Wie wir aus dem Journale „La Republique “ ersehen, ist die Reaktion besonders thätig in der Provinz. Alles, was man den Journalen nicht anvertrauen will, wird auf geheimem Wege durch Briefe u. s. w. befördert. Niemand, der nicht von der Partei der Rue Poitiers ist, bleibt in diesen Missiven verschont. Der alte Maire von Paris sogar wird mit eben nicht sehr schmeichelhaften Epitheten gratificirt. Die Republik wird dargestellt als die Heimath von Dieben und Räubern. Es wäre Zeit, meint „die Republik,“ daß die Belehrung durchdringe bis zu den Dörfern der Bourgogne und Berry, wo der Seigneur noch an der Tagesordnung sei, und es allgemein heißt, daß die Republik die Beraubung durch ungeheure Steuern ist, und daß, wenn man sie nicht bald abschafft, sie der organisirte Raub werden wird.</p> <p>Die „Republik“ fordert die Regierung auf, eine Untersuchung durch ihre Präfekten zu veranstalten; sie versichert, daß die Präfekten selbst der Zielpunkt aller möglichen Verläumdungen seien.</p> <p>Zu Bourges will man den Präfekten wegschicken, weil er Kommunist ist. „Kommunist,“ „Sozialist,“ das sind die Schlagwörter, mit denen die Rue Portiers operirt. </p> <p>‒ Das Kabinet von Berlin hat der Exekutivgewalt erklärt, daß es die Republik anerkennen, d. h. einen Gesandten nach Paris schicken wolle, wenn sie den Emanuel Arago abberufe, dessen Einverständniß mit den preußischen Radikalen ihm gar zu undiplomatisch und gefährlich erscheine.</p> <p>‒ Der neue Seine-Präfekt, Trouve-Chauvel, vorher Polizei-Präfekt, und jetzt Stellvertreter des Herrn Marrast, unter einem andern Namen, hat eine Proklamation ergehen lassen, worin der „frühere Bekämpfer der Anarchie“ sich darstellt als „den nunmehrigen Wiederhersteller des Vertrauens und des Kredits.“</p> <p>‒ Ein neuer Brief Louis Napoleon's, der, aufs Neue von der Insel Corsica als Repräsentant gewählt, seine Demission eingibt:</p> <p>Herr Präsident!</p> <p>Ich bringe so eben in Erfahrung, daß die corsischen Wähler mich zu ihrem Repräsentanten in der National-Kammer ernannt haben, ungeachtet meiner frühern Demission, die ich in den Händen Ihres Vorgängers niedergelegt habe.</p> <p>Ich bin tief gerührt von diesem Beweise der Achtung und des Vertrauens, aber die Gründe, die mich bestimmten, die Mandate der „Seine,“ der „Yonne“ und der „Charente Inferieure“ auszuschlagen, sind noch nicht verschwunden; sie legen mir ein neues Opfer auf.</p> <p>Ohne auf die Ehre zu verzichten, eines Tages Repräsentant des Volkes zu sein, glaube ich jedoch, ehe ich in mein Vaterland zurückkehre, warten zu müssen, bis meine Anwesenheit in Frankreich den Feinden der Republik in keiner Weise zum Vorwande <ref type="link">(Siehe den Verfolg in der Beilage.)</ref> <ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0283/0003]
[Deutschland] [Fortsetzung] Orte demjenigen, der ihm einen Wiener Studenten erschießt, einen Ablaß auf Lebzeiten versprach.
Wien 22. Juli. Der Wiener Zeitung ist folgende Privatmittheilung zugegangen:
Nachrichten aus Fokschan vom 12. Juli melden, daß der russische Konsul, Herr v. Kotzebue, aus Bukarest die amtliche Mittheilung erhalten hat, daß die Mitglieder der provisorischen Regierung in Angst über die baldige Ankunft der Russen, Bukarest heimlich verlassen und sich in die kleine Wallachei geflüchtet hätten, worauf die alte Ordnung der Dinge wieder hergestellt und die abgesetzten Bojaren ihre früheren Posten wieder eingenommen hätten, und Herr v. Kotzebue wollte auf diese Nachricht sich sogleich wieder nach Bukarest zurückbegeben.
* Wien, 22. Juli. Endlich ist die so lang geforderte Absetzung des Reaktionärs, Grafen Leo Thun von dem Posten eines Gubernial-Präsidenten in Böhmen erfolgt und an seiner Statt Graf von Rothkirch, bisher Kreishauptmann in Pilsen, ernannt worden.
Ungarn Pesth, 19. Juli. Gestern Abend, den 18. 7 3/4 Uhr, wurde die letzte Kette zwischen den beiden Pfeilern in die Höhe gezogen, als plötzlich der Cylinder des Flaschenzuges sprang, und die Kette mit einem donnerähnlichen Getöse hinabrollte, und die Pontons ‒ die Verbindungen der großen Pfeiler‒ worauf über 200 Menschen als Zuschauer standen, theils in Stücke schlug und zermalmte, theils unters Wasser drückte.
Wenig Menschen wurden erschlagen, um desto mehr aber ins Wasser geschleudert. Gerettet wurden viele, die Anzahl der Todten kann man jedoch noch nicht ermitteln.‒ Die große Schiffbrücke ward durch die hinabschwimmenden Pontons in der Mitte zerstört, die Kommunikation der beiden Städte also gestört, in der ganzen Nacht wurde sie jedoch durch die Dampfboote erhalten.‒ Viele Deputirte waren sammt Graf Czechenyi, Georg Mailath u. s. w. unter der Kette.‒Alle wurden gerettet.
(A. Oestr. Z.) Donaufürstenthümer. Jassy, 14. Juli. Der Einmarsch der Russen in Jassy soll nur auf direktes und persönliches Ansuchen des um seiner Familie Sicherheit besorgten Fürsten Stourdza, bei dem General Duhamel, erfolgt sein. Er geschah in solcher Eile, daß der Ottomanische Kommissär Talat Effendi sehr überrascht war. Bis jetzt ist noch keine Proklamation, weder über den Zweck des Einmarsches der russischen Truppen, noch über die Dauer ihres Aufenthaltes im Lande, von der Moldauischen Regierung erschienen. Auch hat Talat Effendi die Stadt nicht verlassen.‒ Nach Berichten vom 10. d. M. aus Tlusch und Fokschan haben die nach der Wallachei marschirenden russischen Truppen in Berlad (in der untern Moldau) halt gemacht, wo sie weitere Befehle abwarten sollen. Aus Gallacz läuft die Nachricht ein, daß dort 4000 Mann türkischer Truppen angekommen, welche über Fokschan in die Wallachei einzurücken bestimmt sind.
(Wien. Z.) Rußland. St. Petersburg, 18. Juli. Zum 14. Juli waren 3972 Cholerakranke in Behandlung verblieben; es kamen im Verlaufe dieses Tages hinzu 525, genasen 218 und starben 312 (darunter 172 in den Wohnungen). Zum 15. Juli waren 3967 Cholerakranke in Behandlung verblieben; im Verlaufe dieses Tages kamen hinzu 432, genasen 262 und starben 294 (darunter 166 in den Wohnungen.) Zum 16. Juli verblieben 3843 Kranke in Behandlung.)
Französische Republik. 12 Paris, 24. Juli. Wenn nach dem 24. Februar Todesfälle eintraten von Leuten, die an gewöhnlichen Krankheiten dahin starben, so wurden diese Fälle fast gar nicht beachtet. Kein anderer Tod galt für glorreich, als der auf den Barrikaden; keine andere Krankheit schien beachtungswerth, als die in Folge empfangener Wunden. Wie kann man sich auch ruhig auf seinem Bette sterben lassen! Das war die allgemeine Stimmung in Paris. Ein gleiches Verwandniß hat es jetzt mit allen Verhaftungen, Beschuldigungen, Verurtheilungen, die sich nicht direkt an die Insurrektion anreihen. Alle Prozesse verschwinden neben diesem monstruösen Prozesse. Ein gewöhnlicher Dieb, ein gewöhnlicher Eskrock hat keinen Werth, keine Bedeutung mehr. Wenn man, wie der Notär Oudinot, Millionen gestohlen, ganze Familien ruinirt hat, so kann man höchstens ein Jahr Gefängnißstrafe bekommen; aber nach der Zeit ist man ein freier, reicher Mann. Fälle der Art waren zu Tausenden unter Louis Philippe vorgekommen; alle die Spekulanten, die mit Aktien-Promessen Wucher getrieben, und Millionen angehäuft haben, waren nur glücklicher als Oudinot, weil sie, geschickter als er, sich der Gerechtigkeit zu entziehen wußten. Wer dagegen sich an der Insurrektion auch nur im Mindesten betheiligte, ja wer auch nur Wünsche für ihr glückliches Gedeihen machte, das ist kein gemeiner, kein gewöhnlicher Dieb mehr, das ist ein „sozialer “ Dieb, und die sozialen Diebe allein haben jetzt nur noch Bedeutung. Die Aktenstücke über diese 14,000 „sozialen Diebe“ häufen sich auf eine ungemeine Weise, und die Kommission hat wenigstens noch vier Monate mit der Untersuchung zu thun. Daß diese „sozialen Diebe “ übrigens nicht an ihrem „coup 'essai,“ ihrem Probeversuche waren, stellt sich jetzt auf die eklatanteste Weise heraus. Es kommen nämlich aus den entferntesten Colonieen Frankreichs Gelder an, welche, nach den ausdrücklichen Bestimmungen dieser entfernten Patrioten, unter den Blessirten und sonstigen Nothdürftigen der Februar-Revolution vertheilt werden sollten. Im Augenblicke wo man diese Vertheilung vornehmen will stellt sich heraus, daß diese Blessirten und Nothleidenden verhaftet sind als „Insurgenten,“ als „soziale Diebe.“ Also diese „sozialen Diebe“ sind gerade diejenigen, die glücklicher als jetzt, im Februar einen „sozialen Handstreich“ ausgeführt hatten, und die jetzt, weil sie gescheitert, nicht einmal der für sie ausgesetzten Belohnungen für ihr erstes glückliches Unternehmen theilhaftig werden können.
Aber was liegt daran? Die ganze Zeit schmachtete Paris; die eleganten Damen ließen sich nicht sehen, so lange die „sozialen Diebe“ die Herren waren. Dagegen jetzt, wie Alles sich jetzt geändert! Paris athmet auf unter dem Belagerungszustande! Nie sah man prächtigere Equipagen, und elegantere Toiletten. Die Staatspapiere zeigten sich nie so ferm, als unter Cavaignac's Diktatur. Zwar fallen die National-Produkte auf eine auffallende Weise; die Burgunder- und Bordeaux-Weine liegen zu Millionen Bouteillen angehäuft in den Kellern! Aber das gibt Gelegenheit zur „Beförderung des Handels.“ Die Engländer kaufen die französischen Weine für ein Spottgeld, und werden schon wissen, den guten Bordeaux zu guten Preisen unterzubringen. Wie lange das noch gehen wird, weiß man nicht; so viel steht fest, daß das Proletariat in der Provinz sich auf eine „schreckenerregende “ Weise vermehrt, und seinen Antheil an den „besiegten Pariser Arbeitern“ auf jede mögliche Weise bekundet. Die Noth des Proletariats in der Provinz muß aber wirklich groß sein, um sogar die Aufmerksamkeit der „privilegirten grundreichen Hüttenbesitzer“ auf sich gezogen zu haben. Sie waren vereint nach Paris gekommen, um Arbeit von der Regierung nicht für sich, sondern für ihre „Arbeiter“ zu verlangen. Die Regierung hatte ihnen nichts zu geben.
12 Paris, 24. Juli. Wollt Ihr wissen, was die Wiederherstellung der Ordnung, das Steigen der Staatspapiere in Paris bedeutet? Die Kaufleute und Fabrikanten, die jetzt erst ihre Lage überschauen und mit Ordnung reguliren können, sind genöthigt zu Tausenden zu liquidiren, oder sich in Faillite zu erklären. „Und noch eine Myriade von Failliten“ steht uns täglich bevor! Aber das kommt daher, meint Thiers, weil die Ordnung noch nicht als Prinzip hergestellt ist, weil das sogenannte „principe d'ordre“ fehle, und so lange das fehle, fehle natürlich auch das Zutrauen in die Solvabilität der Republik. Nun fragt sich, was denn das eigentliche „principe d'ordre“ sei für Herrn Thiers. Dem ersten Anschein nach sollte man doch glauben, daß Cavaignac, als solcher, ein„principe d'ordre“ als solches sei: Cavaignac, dieser enorme Quaderstein, der an und für sich schon eine Barrikade ausfüllen könnte „gegen die Anarchie,“ wie die guten Rentner vom Quartier Des Marais meinen. Aber Thiers ist wiederum anderer Meinung. „Le principe d'ordre! Gebt uns das Principe d'ordre; und wir lassen Euch-Cavaignac!“ ruft mit ihm die ganze Rue Poitiers aus. Aengstlich-republikanische Geister sind geneigt zu glauben, daß das Principe d'ordre nichts anderes sei, als die “régence,“ und schreien: die Republik ist in Gefahr! Aber verständige Geschäftsleute aus der Rue Poitiers, die ernstere Interessen zu vertheidigen haben, erwiedern hierauf, daß etwas ganz anderes in Gefahr sei, als die Republik und das Vaterland; das sei die Solvabilität des Staates; und die könnten keine zehn Cavaignac wiederherstellen, wohl aber Thiers mit seinem Principe d'ordre. Ihr sollt ihn jetzt bald hören, wie er gegen Proudhon und Considerant auftreten; wie er diese furchtbaren „dialektischen Sozialisten“ in den Grund schleudern wird. Es steht zu erwarten, daß Proudhon's und Considerant's Erlösungsprojekte an ganz andern Dingen scheitern werden, als an Thiers logischer Widerlegung.
Als Proudhon, vor seiner Wahl zum Repräsentanten, mit seiner Tauschbank auftrat, und einen Produkten-Austausch zu Wege bringen wollte, ohne Vermittelung des Geldes, und alle Produzenten aufforderte bei ihm einzukehren in der Rue Jean Jacques Rousseau, um die Welt des friedlichen Verkehrs, eine Welt ohne Geld, zu errichten, da wurde auf einmal der friedliche Verkehr durch Barrikaden gehemmt, und die Kugeln der Insurgenten bewiesen hinlänglich, daß sie von Proudhon's Plänen nichts wissen wollten. Seitdem ist Proudhon's Bank verschollen, und er ist in Unterhandlung eingetreten mit Thiers über das „droit au travail.“ Laßt mir das Droit au travail, spricht er zu Thiers, und ich lasse Euch das Eigenthum.
Herr Thiers bewundert die „Tiefe“ des Herrn Proudhon; die Rue Poitiers bewundert die Tiefe des Herrn Thiers, der einen Mann, wie Proudhon öffentlich bekämpfen wird; und Cavaignac will beiden das Feld frei halten, daß sie sich in aller Ruhe„mit den Waffen des Wortes“ bekämpfen können. Die Arbeiter bleiben gleichgültig an allen diesen Wortkämpfen; die Nationalversammlung existirt für sie nicht mehr, ihre ganze Aufmerksamkeit ist auf die 14,000 Insurgenten gerichtet, und sie erwarten mit Aengstlichkeit was über sie verhängt wird.
16 Paris, 24. Juli. Der Witz der Sieger ergeht sich weidlich. Stehende Redensart ist z. B. jetzt: „faire l'atelier national“ für: „träge sein“ In mehreren Kafés hörte ich diese geistreiche Phrase mit schallendem Gelächter vorbringen. ‒ Der „Corsaire“ meint die Caber'schen Ikarier nennten sich so weil sie voler (fliegen, stehlen) wollten. Louis Blanc wird in diesem honnetten Blättchen, worin Herr A. Weill Stylübungen gegen klingendes Honorar macht; le bambin (kleiner Schlingel) genannt, welcher „Rehbraten mit Ananas“ im Luxemburg gespeist habe, und Louis Blanc wußte sich in der That nicht anders zu helfen als durch nachträgliche Publizirung seiner Küchenausgaben während des Provisoriums. Dazwischen ertönt die Baßstimme des „Impartia! de Seine Oise“ in Versailles, welches in Nr. 13 ruft: „Auf, und fordern wir endlich Gerechtigkeit gegen die Sträflinge und deren Häuptlinge!“ wir wollen nicht die Großmüthigen spielen. wir verlangen geradezu ihren Kopf.Schon zulange ist philanthropisirt worden; vae victis sei unser Feldgeschrei fortan. Hätten die Anarchisten gesiegt, so war es aus mit Sittlichkeit, Tugend, Familie, Ehre, Religion, Eigenthum; wir dürfen solchen Feind nimmer schonend behandeln, das wäre unverzeihliche Schwäche. Wehe den Besiegten! ist das uralte Gesetz der Welt, und beide Theile müssen es kennen…“ Mit ungewohntem Aufwande von Gelehrsamkeit nennt der „Siecle“ Blanqui den „modernen Catilina,“ und der „Konstitutionnel“ vergleicht seinen kleinen Thiers mit „ Cicero dem Vater der Republik.“ Der Cäsar sei noch nicht da, aber werde nächstens erscheinen; Barbes, Sobrier, Albert und Rafpail werden ingeniöser Weise vom „Avenir“ mit Sulla und Konsorten, die Faubourgs mit den Kornelianern verglichen. Herr Paul Feval, der die „Mystères de Londres“ fabrizirt hat, macht im „Avenir“ philologische Studien; er beweist das Wort Reaktion sei ehrenvoll, und bedeute das „vernunft. und naturgemäße Umkehren auf einem falschen Wege, das revenir sur ses pas.“ man möge also nur dreist sich „Reaktionär“ nennen. ‒ Ein angeblich zu 80,000 Exempl. gedrucktes Blättchen nennt sich mit echtem Bourgeoisaberwitz Le perdu chêne de la révolution (die verlorne Eiche der Revolution); der schaurige Klang des Titels veranlaßte am ersten Tage die Arrestation eines Ausrufers. Es gelobt seinen Homonymen energisch zu bekämpfen; vorläufig proponirt es die „verirrten Geister“ aus dem Gefängniß ins Irrenhaus Charenton zu deportiren „wo sie nicht mehr die Statue der Freiheit mit Trauerflor zu behängen Anlaß geben; das brüderliche Zutrauen zwischen Arm und Reich, Kapitalist und Ouvrier kehrt zurück, nachdem die höllische Brut in Blut erstickt worden die es seit Februar von uns gescheucht. Die Gnade Gottes schenkt uns schönes Sommerwetter, Brod und Wein werden für den Arbeiter wohlfeil. Das beste Gouvernement, sagen die Bauern Frankreichs, ist das des Herrgotts; alle übrigen sind nur provisorische, d. h. mehr oder weniger sündhafte. Laßt uns kaufen und verkaufen, arbeiten und spazieren gehen, die Nationalateliers sind Gottlob verschwunden, und die Exekutivgewalt sprach zur Emeute: bis hierher und nicht weiter; die Emeute kroch heulend und zitternd in ihre Höhle zurück. Franzosen, der Himmel liebt uns, lieben wir einander auch, schon gehen viele Bestellungen auf Manufakturen an, und die bösen Dünste aller Utopien sind verflogen.“ Dasselbe Blatt bemerkt: „ Die wenig bedeutsamen Symbole der Republik kann man getrost fahren lassen; z. B. die sogenannten Freiheitsbäumchen, die bekanntlich vielerorten in Paris bereits ausgegangen sind und den Suppentopf mancher biedren Ouvriers kochen könnten. “ Die Geschütze der Ordnungskämpfer haben außerdem auf Place Maubert, am Pantheon, u. s. w. diese jungen Pappelstämme zerschmettert. ‒ Die Masse der Patienten in den sieben Forts um Paris steigt; die Hitze der Kasematten macht dort manche stumpf- und wahnsinnig, so daß die perfiden Journale allerdings recht haben welche sagen: „Idioten und Epileptische bildeten die größere Hälfte der Erkrankten, desgleichen Hautleiden; man versagt ihnen trotz der Backofentemperatur oft Waschwasser. Die medizinische Inspektion ist natürlich ganz machtlos. ‒ Der „Conciliateur“ kommt bereits in Händel; er muß dem Thiersblatte zurufen: „So lauft doch nicht so schrecklich, es geht ohnehin bergunter und der Weg ist schlüpfrig von Schweiß und Blut der Ouvriers und vom Blut der Nichtouvriers . . . . Ach, ihr Herren, was lärmt ihr so gegen die Wuthausfälle der arbeitenden Männer und Frauen? statt zu deklamiren und auf sie zu schimpfen mit pathetischen, oft sehr plumpen oder raffinirten Phrasen, geht lieber frisch daran sie zu bilden; zu bessern wie ihr es wohl nennen möget.
„Wohl, auf Place Maubert haben die Proletarierinnen beim Feuerschein der angesteckten Nationalgardenwache einige Köpfe von Mobilen abgehauen und auf Picken gepflanzt, auch von abgehauenen Händen spricht der Constitutionnel, was vielleicht seine durch Eugen Sue's Feuilleton erhitzte Phantasie ihm vorgaukelt: aber es sei; wir invitiren ihn, wenn er sich abgekühlt, sich zu fragen: ob die gebildeten Damen unserer Klasse denn etwa nicht leidenschaftlich heiß und grausam würden, wenn sie auf Barrikaden ständen und ihre Männer daneben stürzen sähen? wenn sie nichts im Magen und hungerige Kinder hinter sich hätten? wenn sie zu stolz zur Bettelei, zu lebenslustig zum Selbstmord, zu edel oder zu klug zum Stehlen, Arbeit und Lohn, aber nicht Hundearbeit und nicht Spottlohn, forderten. Oho, Messieurs von der Thiersarmee, seht zu daß eure Logik nicht ein Loch bekommt, wie eure Fensterscheiben; die Damen unserer wohlhabenden freien Klasse haben seit Jahrtausenden den Leiden der unfreien (d. h. bloß dem Namen nach freien) Klasse ruhig zugesehen, höchstens eine Rührungszähre vergossen und Allmosen zuspendet: unsere Damen sind, glaubt's oder glaubt's nicht, ebendeshalb viel kalt-grausamer als ein paar rohe, wilde Proletarierinnen, die im lang aufgestauten Grimm endlich einige Köpfe abhieben; ihr Verbrechen war kein gegegen eine ganze Klasse, kein tausend Jahre lang geschehenes.
„Ihr macht immer süße Phrasen von Schulen und Moralitätsanstalten für die Majoritätsklasse, aber dabei bleibts. Wißt ihr denn nicht, daß nur derjenige sich geistig bilden läßt, der materiell keine Sorgen hat?‥ Wir bitten unsere Klasse, diese Minorität der Gesammtnation, unsere Klasse welche Geld, Bildung und Wissen besitzt, aufs Ernstlichste, in sich zu gehen und der Majorität, durch deren Schweiß und Blut wir existiren, ja noch vor Ablauf dieses Jahrhunderts zu gleichem Lebensgut zu verhelfen, sonst sind alle Staaten Europas verloren u. s. w.“ Auf dieserartige Worte antwortet man mit Kontrebarrikaden, die gleich den altrömischen beweglichen Schanzen herangefahren werden sollen, mit Kanonen und Sturmdach; Cavaignac hat einige Modelle besichtigt; auch erzählt man vielfach die Errichtung einer Mobilgarde Nr. II., welche ganz speziell auf Schießen nach den Fenstern einzuererzieren. „Die preußische Landwehr“, sagt das Journal de Rouen, „hat trefflich gegen Pöbeltruppen und gegen räuberische Polenrebellion in Posen gefochten; sie ist eine Wehr gegen Absolutismus und Anarchie; laßt uns sie nachahmen in Organisation und Gesinnung; die wahrhaft guten Sachen Deutschlands überfahren wir bisher, und plagten uns mit seinem skandalösen Atheismus u. s. w.“ ‒ Eine kleine Schrift: „Amnestie! an General Cavaignac“ ist ganz eindrucklos, wie sich von selbst begreift, vorbeigegangen. Desto emsiger betreibt man die Decentralisirung; die Seinepräfektur (weiland Mairie von Paris) schlägt ungeheure neue Municipalsteuern auf jedes große hiesige Etablissement, z. B. sieht sich die kolossale Gießerei von Chevet dadurch veranlaßt 3/4 ihrer Quvriers zu verabschieden, die ohne Weiteres in die Provinzen geschafft werden. Der Sekretär Adam sagte geradezu „in den kolossalen Pariser Industrieanstalten keimt kolossale Gefahr, daher laßt uns die Departementalanstalten vermehren; die Gäste Frankreichs müssen von seinem Kopfe, von Paris, medizinisch abgeleitet werden.“ Der Arzt Ducour, plötzlich Polizeipräfekt geworden, ermahnt in Affischen „Arme und Reiche, Quvriers und Meister möchten brüderlich nach Bürgertugend trachten; jeder Konspiration werde er unversöhnlich entgegen treten.“ Auch der Arzt Trelat, jetzt zum Maire des Barbes'schen Viertels eingesetzt, will mit heroischer Kur wirken. Die Freunde der „zu neuem Leben erwachenden Privatindustrie“ wird was weniges vergällt durch die unheimliche Ahndung von neuen Zöllen des deutschen Zollvereins, wodurch die Primen, womit die Republik ihre Exporte zu beleben sucht, mehr oder weniger unwirksam gemacht werden könnten; die honnette Sympathie für „das Land Luther's und Kant's“
(Siecle) dürfte so einen kleinen Riß kriegen. Wie ernst die Machthaber ihre goldenen Versprechungen halten, beweist der Umstand, daß sämmtliche zwölf Maires affischirten: die Wahlen der Beisitzer zur Arbeitskommission, von Patronen und Gesellen, seien auf unbestimmte Zeit verschoben, und doch hatten sie schon den Tag angekündigt! Diese Kommission beschäftigt sich angeblich auch mit dem Plan einer Arbeitsinvalidenkasse, zu der „jeder rechtschaffene Arbeiter sein Scherflein beizutragen hat etc.“ „Nur so moralisirt man diese im Ganzen ehrenwerthe Klasse (ruft Le Commerce), wenn man das Sparbüchsensystem damit organisch verschmilzt und sie gegen jede utopistische Vergiftung hermetisch abschließt; zaudern wir nicht, die Stunden sind kostbar u. s. w. “
Paris. Wie wir aus dem Journale „La Republique “ ersehen, ist die Reaktion besonders thätig in der Provinz. Alles, was man den Journalen nicht anvertrauen will, wird auf geheimem Wege durch Briefe u. s. w. befördert. Niemand, der nicht von der Partei der Rue Poitiers ist, bleibt in diesen Missiven verschont. Der alte Maire von Paris sogar wird mit eben nicht sehr schmeichelhaften Epitheten gratificirt. Die Republik wird dargestellt als die Heimath von Dieben und Räubern. Es wäre Zeit, meint „die Republik,“ daß die Belehrung durchdringe bis zu den Dörfern der Bourgogne und Berry, wo der Seigneur noch an der Tagesordnung sei, und es allgemein heißt, daß die Republik die Beraubung durch ungeheure Steuern ist, und daß, wenn man sie nicht bald abschafft, sie der organisirte Raub werden wird.
Die „Republik“ fordert die Regierung auf, eine Untersuchung durch ihre Präfekten zu veranstalten; sie versichert, daß die Präfekten selbst der Zielpunkt aller möglichen Verläumdungen seien.
Zu Bourges will man den Präfekten wegschicken, weil er Kommunist ist. „Kommunist,“ „Sozialist,“ das sind die Schlagwörter, mit denen die Rue Portiers operirt.
‒ Das Kabinet von Berlin hat der Exekutivgewalt erklärt, daß es die Republik anerkennen, d. h. einen Gesandten nach Paris schicken wolle, wenn sie den Emanuel Arago abberufe, dessen Einverständniß mit den preußischen Radikalen ihm gar zu undiplomatisch und gefährlich erscheine.
‒ Der neue Seine-Präfekt, Trouve-Chauvel, vorher Polizei-Präfekt, und jetzt Stellvertreter des Herrn Marrast, unter einem andern Namen, hat eine Proklamation ergehen lassen, worin der „frühere Bekämpfer der Anarchie“ sich darstellt als „den nunmehrigen Wiederhersteller des Vertrauens und des Kredits.“
‒ Ein neuer Brief Louis Napoleon's, der, aufs Neue von der Insel Corsica als Repräsentant gewählt, seine Demission eingibt:
Herr Präsident!
Ich bringe so eben in Erfahrung, daß die corsischen Wähler mich zu ihrem Repräsentanten in der National-Kammer ernannt haben, ungeachtet meiner frühern Demission, die ich in den Händen Ihres Vorgängers niedergelegt habe.
Ich bin tief gerührt von diesem Beweise der Achtung und des Vertrauens, aber die Gründe, die mich bestimmten, die Mandate der „Seine,“ der „Yonne“ und der „Charente Inferieure“ auszuschlagen, sind noch nicht verschwunden; sie legen mir ein neues Opfer auf.
Ohne auf die Ehre zu verzichten, eines Tages Repräsentant des Volkes zu sein, glaube ich jedoch, ehe ich in mein Vaterland zurückkehre, warten zu müssen, bis meine Anwesenheit in Frankreich den Feinden der Republik in keiner Weise zum Vorwande (Siehe den Verfolg in der Beilage.) [Fortsetzung]
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(2017-03-20T13:08:10Z)
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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