Neue Rheinische Zeitung. Nr. 58. Köln, 28. Juli 1848.[Spaltenumbruch]
"Ich schwöre Treue dem Könige, Gehorsam der Verfassung und den Gesetzen des Preußischen Staates. § 41. Die Sitzungen des Gemeinderaths sind öffentlich, wenn derselbe nicht aus besondern Gründen eine Ausnahme beschließt. Persönliche Angelegenheiten dürfen nicht öffentlich verhandelt werden. § 45. Der Gemeinderath kann die Gemeinde zur Leistung von Diensten (Hand- und Spanndiensten) verpflichten, die Dienste werden in Geld abgeschätzt, die Vertheilung geschieht nach dem Maßstabe der direkten Staatssteuern. Abweichungen von dieser Vertheilungsart bedürfen der Genehmigung des Bezirksausschusses. Die Dienste können mit Ausnahme von Nothfällen, durch taugliche Stellvertreter abgeleistet oder nach der Abschätzung an die Gemeindekasse bezahlt werden. § 49. In Bezug auf die Behandlung der Gemeindewandlungen verbleibt es bei den für die einzelnen Landestheile erlassenen Gesetzen und Bestimmungen. § 69. Der Bürgermeister wird von der Bürgermeisterei-Versammlung auf mindestens 6 Jahre gewählt. Diese Wahl ist nicht auf Einwohner der Bürgermeisterei beschränkt. Die Bürgermeisterei-Versammlung wählt ferner einen oder mehrere Beigeordnete aus den Gemeindewählern der Bürgermeisterei auf 6 Jahre. Die Zahl der Beigeordneten wird von dem Bezirks-Ausschuß festgesetzt. Die gewählten Bürgermeister und Beigeordneten bedürfen in Bürgermeistereien von weniger als 1000 Einw. der Bestätigung des Landeshauptmanns, in Bürgermeistereien von mehr als 10,000 Einw. der Bestätigung des Königs. § 79. Die Oberaufsicht über die Gemeinden und Bürgermeistereien wird von dem Minister des Innern, dem Landeshauptmann und dem Kreishauptmann, als Organe der Staatsregierung geführt. Die Polizeiverwaltung steht unter der Leitung dieser Behörden. Die nichtpolizeilichen Angelegenheiten sind der Aufsicht des Bezirksausschusses überwiesen, welcher dem Kreishauptmann Aufträge ertheilen und denselben zur Erledigung einzelner Geschäfte oder Geschäftszweige ermächtigen kann. § 80. Beschwerden über Entscheidungen in Gemeinde-Angelegenheiten sind nur innerhalb 4 Wochen nach der Zustellung oder Bekanntmachung zulässig, sofern sie nicht überhaupt durch die Bestimmungen dieses Gesetzes ausgeschlossen oder an andere Fristen geknüpft sind. § 81. Wenn der Gemeinderath oder die Bürgermeistereiversammlung einen Beschluß gefaßt hat, welcher deren Befugnisse überschreitet, die Gesetze oder das allgemeine Interesse verletzt, so hat der Gemeindevorsteher, beziehungsweise der Bürgermeister, die Ausführung zu versagen. Derselbe ist sodann verpflichtet, sofort die Entscheidung des Bezirksausschusses einzuholen und den Gemeinderath, beziehungsweise die Bürgermeistereiversammlung davon zu benachrichtigen. Der Bezirksausschuß muß innerhalb 6 Wochen entscheiden, ob der Beschluß dessen Ausführung versagt ist, ausgeführt werden soll oder nicht. Gegen die Entscheidung des Bezirksausschusses steht sowohl dem Landeshauptmann als dem Gemeinderathe oder der Bürgermeisterei-Versammlung innerhalb 10 Tagen die Berufung an den Minister des Innern zu. §. 83. Der König kann einen Gemeinderath oder eine Bürgermeisterei-Versammlung vorläufig ihrer Verrichtungen entheben und dieselben besonderen Kommissarien übertragen. Die schließliche Bestimmung erfolgt alsdann durch ein Gesetz. §. 84. In Betreff der Suspension, Entsetzung und unfreiwilligen Entlassung der Bürgermeister, Vorsteher und sonstigen Gemeindebeamten kommen die darauf bezüglichen besonderen Gesetze zur Anwendung. Wir werden auf diesen Entwurf, welcher Wahl nach Census, Bestätigung der Regierung, Eidesleistung zur "Treue für den König", Beschränkung der Oeffentlichkeit, und ein Recht des Königs zur Suspension der Versammlungen enthält, später ausführlich zurückkommen. !!! Frankfurt, 25. Juli. - 47.Sitzung der Nationalversammlung. - Tagesordnung: Fortsetzung der Debatte über die Posener Frage. - Präsident v. Gagern. - Verlesung des Protokolls. v. Radowitz: Sieht mit Bedauern, daß Konfekkionsstreit sich in diese politische Frage mische. Wenn es hierin um Vertheidigung der katholischen Kirche handle, so würden in dieser Versammlung alle Rücksichten schwinden. Dies ist nicht so ! - Daß ein katholisches Land durch Aufnahme in den deutschen Bund an seinem Glauben gefährdet werde, weise ich entschieden zurück.(Dieser Pfiff des Herrn v. Radowitz soll ihm 200 katholische Stimmen in der Versammlung retten; gestern als Jordan die Proklamation des katholischen Klerus an die polnischen Bauern verlas, sagte Hr. v. Radowitz: das ist ein ungeschickter Mensch, das hätte er ja nicht lesen sollen.) Der Redner macht mit Wehmuth aufmerksam auf die 10 Millionen preußischer Thaler, die Posens Befestigung kostet, und die man zu verlieren riskirt. Wer den Ausschußantrag verwerfen will, muß entweder wollen, daß die ganze Provinz Posen polnisch oder ganz deutsch werde. Das erste sei unmöglich, und wer das zweite will, will 1 1/2 Millionen Deutsche einem künftigen Polenreiche opfern. Dies wäre eine Theilung Deutschlands. (rechts sehr brav, links oh!) Gott bewahre uns davor! (Bravo!) Frankreichs Kriegsdrohung, wenn Polen nicht freigegeben würde, sei kein Recht, und weißt Hr. v. R. muthig zurück. (Bravo und Zischen.) Eine solche Zumuthung wie die von der Linken betreffs Polens stellen, wäre in jeder Kammer eines andern Landes unmöglich. Daß sie hier möglich, lobe er nicht und tadle er nicht. Das liegt im deutschen Charakter. Er nennt die Polen ein providentielles Volk. Schufelka: Nach dem ausgezeichneten Redner vor mir muß ich fürchten, poetisch sentimental zu erscheinen. Diese Frage muß vom Standpunkt des Herzens und Gefühls, nicht blos des kalten Verstandes betrachtet werden. Er weist die grausame Beurtheilung des Polencharakters zurück, diese nehme man nur vor, um sein Gewissen zu beschwichtigen. Miser res sacra! Die Worte, die hier gesprochen worden, seien Dolchstiche in verblutende Herzen. Hr. Jordan hat vergessen, die uns zu gut kommenden Stellen der Polengeschichte hervorzuheben, z. B. die Verbindung der Polen mit den Deutschen gegen die Türken (Johann Sobiesky). Was Jordan von einem Polenrausch gesagt, sei nicht mehr anwendbar, nüchterne Sympathien, gegründet auf Rechtsprinzipien, seien an dessen Stelle getreten Betreffs des polnischen Adels, wenn er auch die Verderbniß desselben zugebe, könne kein Demokrat soweit gehen, ihn ganz auszurotten a la Galizien. (Zischen rechts.) Den polnischen Bauer betreffend und dessen Roheit etc., bei uns sei dies nicht viel anders. Alle Geschichtsmänner, die auf höherm Standpunkt, haben Polens Theilung verdammt; jetzt das Gegentheil behaupten wollen, und den Grund der Humanisirung vorzuschieben, sei eine Floskel. Jordan habe das unpassende, das schauerliche Wort ausgesprochen, Polen war nach der ersten Theilung schon eine Leiche, dann seien die Könige, die es noch einmal getheilt, Leichenzerreißer, Hyänen, und die Nationalversammlung sei der Todtengräber (Moritz Arndt und die Rechte lärmen.) Der Redner; ich werde wohl hier und jetzt Redefreiheit haben, nachdem sie mir so lange von der Polizei untersagt war. Wäre Polen todt, wir müßten es auferwecken. Den Hrn. Radowitz blamirt der Redner wegen seiner Theilungsansichten. (man lacht Hrn. v. R. aus.) Schuselka fährt fort: Das ist nicht zum Lachen. Sogar der König von Preußen, Friedrich Wilhelm III, hat eine nöthige Organisirung, der Polen anerkannt, sie gewollt aber nicht gekonnt. Das Vorparlament und der Fünfziger-Ausschuß haben sich dieser Ansicht geneigt gezeigt. Wenn der Nationalversammlung die Endentscheidung in dieser neuen Theilung gegeben sei, so sei dies gegen alles Staatsrecht, denn die ersten Theilungen waren einseitig beschlossen.- Wenn wir dies thun, kommen wir in Widerspruch mit drei andern von unsern Beschlüssen (betreffs Tyrols, Böhmens und Schleswigs). Ferner kommen wir im Konflikt mit Frankreich und Rußland. Die Franzosen sind sehr aufmerksam auf diese Versammlung. Rußland wird das Stückchen Polen, was Preußen freigiebt, nehmen. Er begreift gar nicht den Zarsinn der Versammlung Rußland gegenüber. In Deutschland spricht man davon, daß diese Posener Angelegenheit zum absichtlichen Kriegsgrund hingeworfen ward, um die Demokratie durch Krieg zu unterdrücken.-AntragDie Nationalversammlung wolle die einseitige Theilung Polens weder vom staatsrechtlichen Punkte, noch vom nationalen billigen, sondern möge die preußische Regierung auffordern, die selbstständige Verwaltung Posens mit Wahrung beider Nationalitäten auszusprechen und die Theilung der Provinz bis auf weiteres zu verschieben. Nur ja möge man nicht die Ausschußanträge annehmen. (Bravo.) Folgt der Grafv Wartensleben: Sein Herz schlägt für Polen. Wenn erein Pole wäre, würde er aus dem kleinen ihm zugestandenen Theil einen Stamm bilden für die Zukunft. Der Wille der preußischen Nation sei (unterstützend ihren König) in dieser Sache maßgebend, die Versammlung habe nur formell diesen Willen zu ratifiziren. (Beim Schluß ein sehr dünnes Bravo.) Janizewski(Pole): Beschuldigungen sind von dieser Tribüne gegen die Polen geschleudert, Mängel und Fehler von Jahrhunderten auf einen Haufen geworfen. Er hat eine höhere Pflicht zu erfüllen als auf diese Erbärmlichkeiten zu erwidern. Aber das müsse er sagen, so wie von hier aus seien die Polen selbst von den Russennicht verhöhnt worden. Zwei Vorwürfe will er widerlegen: bei dem Polenthum vorgeworfenen Kampf gegen den Germanismus. Er könne sagen, wer diesen Kampf angeregt. (Die Rechte schreit: er solle es sagen. Gagern weist die Rechte zurecht.) Die preuß. Untersuchungskommission werde diese Vorwürfe zu recht bringen. Dies Urtheil solle man erwarten. Er könne nicht einzelne Bilder, eine ganze Bildergallerievon Niederträchtigkeiten der Deutschen geben. Er hasse aber diese Art Gründe. Er hat andre als Recriminationen. Der zweite Vorwurf als haben die Deutschenden Wohlstand Posens gegründet, sei gleichfalls falsch. - Der Redner verliest hierbei eine Kabinetsordre vom 13. März 1833, welche den Nachweis liefert, daß von preußischer Regierung offiziell die subhastirten polnischen Grundstücke nur an Deutsche verkauft werden sollen. - Zur Sache! soll das Großherzogthum zum deutschen Bunde gehören, so müsse es deutsches Bundesgebiet sein. Nur dann auch könne eine deutsche National-Versammlung in dieser Sache entscheiden, dies sei aber unwahr. (Beim geschichtlichen Nachweis dieser Unwahrheit unterhalten sich Hr. v. Radowitz und der edle Fürst Lychnowsky lächelnd von Allotriis). Man hat die Einverleibung Posens in den deutschen Bund mit solcher Eile betrieben, als ob man befürchte, daß bei verändertem Beamtenpersonal sich der Volkswille aus dem Lande flüchten werde. Seine Committenten hätten gegen jede Wahl zum Parlament protestirt; als sie dazu gesetzlich gezwungen haben sie ihn, vom polnischen Comite gewählt, überzeugt, daß bei seiner Kenntniß der Sachlage er nie zugeben werde, daß Posen eine deutsche Provinz werde. (Schallendes langes Bravo und Händeklatschen links und Gallerie). Diese Wahl habe er angenommen im Vertrauen auf die Gerechtigkeit der deutschen Nation. Ueberall in Posen, so weist er numerisch nach, sei die polnische Bevölkerung überwiegend. Soll also der Volkswille entscheiden, so müsse man warten bis das Statistische festgestellt sei. Ueber eine Demarkationslinie könnte man nur mit einem Staate Polen verhandeln, es sei aber kein Polen da. Man übe also einen Akt der Gewalt. Jene Fürsten in Wien haben zwar den polnischen Staat getheilt, aber die Nation haben sie immer, obschon unter drei fremden Sceptern, noch anerkannt. - Von diesen Dreien dürfe jetzt nicht der eine (d. preußische) eigenmächtig verfügen, deshalb dürfe Preußen nicht eine polnische Provinz dem Bundestag anbieten, noch dieser sie annehmen. - Dieses Grundes bediene er sich mit Schmerz, nur um zu zeigen, daß das heutige Unrecht noch größer ist als die Theilungen. Heute vernichtet man die Nation,damals den Staat. Soll zu diesem Unrecht die Versammlung die Hand bieten.(Schallendes Bravo!) Ferner ist etwa die deutsche Nation gefährdet durch eine sogenannte Reorganisation Posens? - hat man in dieser Reorganisation nicht bloß Billiges verlangt? Hierüber hat eine Kommission berathen, die überwiegend Deutsch war. Wer bedarf da Schutz, die Deutschen gegen die Polen, oder umgekehrt. Und wäre ein Schutz nöthig, hat Deutschland keinen andern Schutz als eine Theilung? Schützt etwa Deutschland seine Brüder in England, Frankreich etc. in dieser Weise? (Hohngelächterrechts übertönendes Bravo der Linken und Gallerien). Der Redner giebt jetzt noch eine Beurtheilung der konkreten Wahlen in Polen. Konnte man damals in Polen frei wählen wo schon das Martialgesetz galt? (Links sehr gut, ausgezeichnet, rechts Zischen). Zur Zeit der Wahlen durfte kein Pole auf der Straße sich zeigen; man war quasi vogelfrei. Der Redner ruft die deutschen Sympathien nicht an, er ist nicht gekommen als Bettler, er fordert Recht! (Langanhaltendes Bravo). Man solle nur das unangetastet lassen was sogar die Gerechtigkeit der Fürsten verschonte! Was gewinnt Deutschland in dieser Sache? 500,000 erbitterte Feinde! Was für Staatsbürger! Man hat die Polen verschluckt, aber verdauen wird man sie schwerlich! (Donnerndes Bravo). Sie, meine Herren, selbst Deutsche, wollen zu Gericht sitzen in ihrer eigenen Sache? Seien Sie gerecht. Ich will nur Gerechtigkeit, nur Gerechtigkeit! (Begeisterter, langer Beifall). Kerst aus Polen verlangt aufmerksames Gehör für seine lange Entgegnung auf Janiczewski's Rede und seine lange Vertheidigung des deutschen Anrechts. Erfolg dieses Verlangens. Rechts und links Leeren der Bänke, Frühstückengehn, Theilnamlosigkeit an der Debatte. Im ganzen Saale kaum 200 Abgeordnete. Kerst's Rede hat zuletzt nur noch einen andächtigen Zuhörer.- Hrn. Christ. Clemens aus Bonn bekämpft die Anträge des Ausschusses. Zwei Punkte stehen fest für mich 1) es muß die Polen'sche Frage hier in einer für immer Deutschland Ehre bringenden Art entschieden werden. 2) Die Zustände in Polen können nicht fortbestehen wie sie gegenwärtig. Der Posener Landtag war mit 26 Stimmen gegen 17 für die Nichteinverleibung in den deutschen Bund. Konfessionelles habe wohl influirt. (Rechts wird man unruhig, Linke schreit Redefreiheit. Präsident verweist die Rechte). Der Redner stellt Anträge die den Ausschußanträgen widersprechen und meint bei Annahme seiner Anträge würde sich die Versammlung wenigstens nicht viel vergeben (man schreit Schluß). Ostendorf aus Westphalen wirft dem vorigen Redner Ungründlichkeit vor und ist so gründlich, Jordan's Rede nicht nachzusprechen, sondern sogar abzulesen. Warum nicht die Polenlieder desselben Berliner Literaten, der in der vorigen Versammlung davor gewarnt hat, "poetische Sentimentalitäten" (Jordan's Polenlieder) ernst zu nehmen. So ist aber der Berliner Literat). (So eben erfahre ich, daß im Ganzen nur 72 Redner eingeschrieben sind). Schmidt(Löwenberg) macht den vorigen Redner lächerlich, der gesagt habe, mit Jordan's Rede sei das Thema erschöpft. (Heiterkeit.) Nicht 20 seien in der Versammlung, die einen klaren Blick in die Posener Ereignisse hätten. Selbst er könne es nicht (Gelächter rechts), trotzdem er sein subjektives Urtheil darüber, da er lange in Posen gewesen, gebildet habe. Bekämpft v. Radowitz Ansicht, als würden durch gänzliche Hingebung Posens an Polen 11/2 Mill. deutsche Brüder geopfert. Man habe nur Rücksicht auf die Petitionen um Einverleibung Posens genommen, nicht auf die Protestationen dagegen. (Mißbilligung der Rechten.) Er macht diese Mißbilligung lächerlich. (Die ganze Versammlung lacht.) Wie man jetzt auf einmal dazu käme, die Posener Juden Brüder zu nennen? (Großes Lachen und Bravo.) Auch bei der thatsächlichen gezogenen Demarkationslinie habe der Ausschuß die Versammlung mit statistischer Begründung im Stich gelassen. Das ist zu bedauern. (Rechts: Schluß! Links: Ruhe!) Auch die zweite Demarkationslinie ist eine die polnische Nation tief verletzende. Der Redner kennt die Statistik genau, er zeigt, daß der Ausschuß falsch berichtet hat. Jeder andere Weg sei besser, nur nicht auf die Ausschußanträge eingehen. Wenn Sie dies thun gegen das verpfändete Wort des Fünfziger-Ausschusses, so haben sie das Pfand der deutschen Ehre nicht eingelöst. Die Konsequenz ist: daß sie das Vorparlament desavouiren.(Rechts einige Stimmen: Ja!) Sie werden damit sagen, daß sie sich selbst der Idee der Wiederherstellung Polens entfremden. (Bravo!) Er verliest einige Stellen aus des Abgeordneten v. Flottwells, früheren Posener Ober-Präsidenten, Buche über Posen, worin dieser sagt: daß den Polen eine Reorganisation und Bewahrung der Nationalität versprochen, und trotz dieses Versprechens auf die schon damals stattgehabten Germanisirungsversuche Posens hingewiesen wird. (Rechts: Nicht weiter lesen. Links höhnisches Gelächter).Antrag des Redners: Vorarbeiten zu liefern zu endlicher Entscheidung in dieser Sache. Der Einwand, diese Verzögerung werde Gefahr bringen, sei falsch. - Man würde sich in Polen freuen, wenn der Beschluß aufgehoben werde. Zuletzt weist er auf den Verdacht hin, die Presse habe durch die in den letzten Zeitungsblättern angekündigten neuen Schilderhebungen in Posen auf den Beschluß der Versammlung einwirken wollen. Am Tage der Einreichung des Ausschußberichtes über diese Sache sei eine Deputation bei v. Gagern gewesen, die einen neuen bevorstehenden Aufruhr in Polen denuncirt hätte. (Geschrei in der Versammlung: Ist das wahr?) Gagern erklärt sich für die Unwahrheit dieses Ausspruches. (Zischen rechts; lautes Bravo links und Gallerien). Lychnowsky(der ritterliche Deklamator) will sich so kurz wie möglich fassen. Seine Rede besteht fast nur aus Angriffen auf die Redner von der Linken und Ausfällen gegen einzelne Punkte, die er nach Gutdünken planlos aus ihren Reden herausreißt. Janiczewski habe gesagt: "er berufe sich nicht auf die Sympathien für die Polen;" doch hätte er es sehr stark gethan; aber die Polen besäßen jene Sympathien nur noch in einzelnen Fraktionen. Warum? Weil bei allen Rebellionen aller Länder die Polen an der Spitze. Unter andern fängt der Redner eine Periode seiner Rede also an: Für das historische Recht meine Herren, gibt es kein Datum nicht. (Gelächter). Der Redner weiß nicht, weshalb man lacht und wiederholt den Satz mit erhöhter Stimme (stärkeres Gelächter); er wiederholt ihn zum dritten Male mit höchster Stimmlage (ungeheures Gelächter); endlich verbessert er sich: für das historische Recht gibt es kein Datum (Bravo); er entrüstet sich über diese Verläugnung des historischen Rechts. Die Polen würden sich nicht begnügen mit Posen, er müßte einen schlechten Begriff von ihnen haben, wenn sie dieses thäten. Sie würden einen Hafen haben wollen, sie würden Danzig nehmen wollen. Dies würde Blut geben, viel Blut! Wehe! Wehe! Er interpellirt den Ministerpräsidenten, welcher nicht da ist. (Die Linke schreit: abgekartete Sache). Da interpellirt er auch den Kriegsminister: ob der Besitz des Ostens sicher sei, möglich sei, ohne die Festung Posen. So fährt er mit Komödiantenstreichen fort und ersetzt durch Forciren der Stimme, was ihm an Gründen abgeht. Er schließt mit dem Arndt'schen Verse: "So weit die deutsche Zunge klingt, und Gott im Himmel Lieder singt," soll das deutsche Reich gehen. Moritz Arndt, der zunächst der Tribüne sitzt, weint vor tiefster Rührung, rechts und Centren eklatiren in schallendem Applaus, links Zischen. Auf den Gallerien Schweigen. Nach ihm wird abgestimmt, die Riesendebatte aufs neue bis morgen 9 Uhr zu vertagen. Schluß der Sitzung 1/24 Uhr. Von den 72 Rednern haben kaum ein Dutzend gesprochen. * Frankfurt, 26. Juli. Die um 9 1/4 Uhr begonnene Sitzung, in welcher Ruge, Wiesner, Thinnes (bairischer Domkapitular) für Löwe, Sänger, Giskra gegen die Polen, Venedey als Mann des Justemilieu, auftraten, endigt damit, daß der Schluß der Debatte ausgesprochen, die Abstimmung aber auf morgen 9 Uhr vertagt wird. Es ist auf namentliche Abstimmung angetragen. 31 Düsseldorf, 24. Juli. Ich bin in den Stand gesetzt, über die Verhaftung des Bürgers Julius Wulff in Düsseldorf und über die ihm nach dem Code penal zur Last gelegten "Verbrechen" Näheres mitzutheilen. Ihre Leser mögen daraus ersehen, inwieweit die Behauptung, daß die alten Gesetze nicht auf die Rede-, Preß-und Versammlungsfreiheit angewendet werden können, ohne diese illusorisch zu machen, gegründet ist. Der Bürger Julius Wulff in Düsseldorf ist am 8. Juli in aller Frühe durch den Oberprokurator Schnaase, Instruktionsrichter Merrem und Polizeidirektor Huthsteiner in Begleitung einiger Gensdarmen verhaftet und in das hiesige Arresthaus abgeführt worden. Derselbe ist der Uebertretung der Art. 102 und 293 des Strafgesetzbuches angeklagt worden, oder, wie es in dem Verhaftsbefehle heißt, beschuldigt, aufreizende Reden gehalten und Schriften verbreitet zu haben. Die Art. 291- 294 des Code penal handeln von unerlaubten Gesellschaften oder Versammlungen. Der Art. 293 bestimmt, daß, wenn in einer "unerlaubten" Versammlung durch Reden, durch Vorlesung oder Vertheilung von Schriften und dergl. irgend eine Anreizung zu Verbrechen oder Vergehen stattgefunden, der Chef dieser Versammlung mit einer Geldbuße von 100 bis 300 Fr. und Gefängniß von 3 Monaten bis zu 2 Jahren bestraft werde. Man braucht kein Jurist zu sein, um zu wissen, daß es gegenwärtig, wo sämmtliche Staatsbürger, mit alleiniger Ausnahme des Militärs, das freie Versammlungsrecht haben, keine unerlaubten Gesellschaften und Vereinigungen mehr geben kann. Es ist also hinsichtlich der Anwendung des Art. 293 eine unbegreifliche Uebereilung, ein Mißgriff seitens der Staatsbehörde geschehen. Aber wenn es mit dem Art. 293 nicht geht, so geht es vielleicht mit dem Art. 102. In den Art. 86 bis 90 Code penal ist die Rede von Majestätsbeleidigung. Der Code kennt keine Majestätsbeleidigung im Sinne des Allgem. preuß. Landrechts, wonach eine einfache Injurie gegen den König zu einem Verbrechen gestempelt wird, der Code versteht unter Majestätsbeleidigung ein Attentat oder Komplott d. h. einen bereits vollzogenen resp. begonnenen, oder einen unter Verschworenen beschlossenen Angriff gegen das Leben oder die Person des Kaisers resp. Königs. Eine solche Majestätsbeleidigung wird gleich dem Elternmorde bestraft, also mit Abhauen der rechten Hand und darnach des Kopfes. Die Art. 91 bis 101 Code penal reden von Verbrechen, die dahin zielen, die Ruhe des Staates durch Bürgerkrieg, durch gesetzwidrigen Gebrauch der bewaffneten Macht, durch öffentliche Verheerung und Plünderung zu stören. Es wird hier ebenfalls zwischen Attentat und Komplot unterschieden. Es muß entweder schon zur That geschritten oder verabredet sein, dazu schreiten zu wollen. Ein Hauptmerkmal bei diesen Verbrechen, welche ebenfalls mit dem Tode bestraft werden, ist, daß sie nur mitHülfe vonWaffen ausgeführt werden können. In dem Art. 102 wird nun endlich bestimmt, daß als der in den Art. 86 bis 101 erwähnten Verbrechen schuldig bestraft werden Alle diejenigen, welche durch Reden in öffentlichen Versammlungen oder durch Anschlagzettel oder Druckschriften die Bürger unmittelbar (directement) anreizen, sie zu begehen. Sind diese Anfforderungen von keinem Erfolge gewesen, so wird die Todesstrafe in die Strafe der Deportation verwandelt. Der Volksklub hat stets öffentliche Versammlungen gehalten. Es stand Jedem, also auch der Staatsbehörde, frei, sich über das Thun und Treiben daselbst zu unterrichten. Es ist fast in jeder Versammlung von dem einen oder dem andern Mitgliede, so auch von dem Angeklagten, vor allen thörichten, "ungesetzlichen" Handlungen, ja einmal ausdrücklich vor Uebertretung des Art. 102 gewarn worden. Kann bei solchen Umständen,deren Richtigkeit durch Hunderte von Zeugen bewiesen werden kann, die Staatsbehörde durch den Art. 102 die ect. Wulff rechtfertigen? Klagt vielleicht das allgemeine Gerücht denselben obiger Verbrechen an? Im Gegentheil, es wird Niemand ihn im Ernste der genannten Verbrechen zu beschuldigen wagen. In seinen Pa- [Spaltenumbruch]
„Ich schwöre Treue dem Könige, Gehorsam der Verfassung und den Gesetzen des Preußischen Staates. § 41. Die Sitzungen des Gemeinderaths sind öffentlich, wenn derselbe nicht aus besondern Gründen eine Ausnahme beschließt. Persönliche Angelegenheiten dürfen nicht öffentlich verhandelt werden. § 45. Der Gemeinderath kann die Gemeinde zur Leistung von Diensten (Hand- und Spanndiensten) verpflichten, die Dienste werden in Geld abgeschätzt, die Vertheilung geschieht nach dem Maßstabe der direkten Staatssteuern. Abweichungen von dieser Vertheilungsart bedürfen der Genehmigung des Bezirksausschusses. Die Dienste können mit Ausnahme von Nothfällen, durch taugliche Stellvertreter abgeleistet oder nach der Abschätzung an die Gemeindekasse bezahlt werden. § 49. In Bezug auf die Behandlung der Gemeindewandlungen verbleibt es bei den für die einzelnen Landestheile erlassenen Gesetzen und Bestimmungen. § 69. Der Bürgermeister wird von der Bürgermeisterei-Versammlung auf mindestens 6 Jahre gewählt. Diese Wahl ist nicht auf Einwohner der Bürgermeisterei beschränkt. Die Bürgermeisterei-Versammlung wählt ferner einen oder mehrere Beigeordnete aus den Gemeindewählern der Bürgermeisterei auf 6 Jahre. Die Zahl der Beigeordneten wird von dem Bezirks-Ausschuß festgesetzt. Die gewählten Bürgermeister und Beigeordneten bedürfen in Bürgermeistereien von weniger als 1000 Einw. der Bestätigung des Landeshauptmanns, in Bürgermeistereien von mehr als 10,000 Einw. der Bestätigung des Königs. § 79. Die Oberaufsicht über die Gemeinden und Bürgermeistereien wird von dem Minister des Innern, dem Landeshauptmann und dem Kreishauptmann, als Organe der Staatsregierung geführt. Die Polizeiverwaltung steht unter der Leitung dieser Behörden. Die nichtpolizeilichen Angelegenheiten sind der Aufsicht des Bezirksausschusses überwiesen, welcher dem Kreishauptmann Aufträge ertheilen und denselben zur Erledigung einzelner Geschäfte oder Geschäftszweige ermächtigen kann. § 80. Beschwerden über Entscheidungen in Gemeinde-Angelegenheiten sind nur innerhalb 4 Wochen nach der Zustellung oder Bekanntmachung zulässig, sofern sie nicht überhaupt durch die Bestimmungen dieses Gesetzes ausgeschlossen oder an andere Fristen geknüpft sind. § 81. Wenn der Gemeinderath oder die Bürgermeistereiversammlung einen Beschluß gefaßt hat, welcher deren Befugnisse überschreitet, die Gesetze oder das allgemeine Interesse verletzt, so hat der Gemeindevorsteher, beziehungsweise der Bürgermeister, die Ausführung zu versagen. Derselbe ist sodann verpflichtet, sofort die Entscheidung des Bezirksausschusses einzuholen und den Gemeinderath, beziehungsweise die Bürgermeistereiversammlung davon zu benachrichtigen. Der Bezirksausschuß muß innerhalb 6 Wochen entscheiden, ob der Beschluß dessen Ausführung versagt ist, ausgeführt werden soll oder nicht. Gegen die Entscheidung des Bezirksausschusses steht sowohl dem Landeshauptmann als dem Gemeinderathe oder der Bürgermeisterei-Versammlung innerhalb 10 Tagen die Berufung an den Minister des Innern zu. §. 83. Der König kann einen Gemeinderath oder eine Bürgermeisterei-Versammlung vorläufig ihrer Verrichtungen entheben und dieselben besonderen Kommissarien übertragen. Die schließliche Bestimmung erfolgt alsdann durch ein Gesetz. §. 84. In Betreff der Suspension, Entsetzung und unfreiwilligen Entlassung der Bürgermeister, Vorsteher und sonstigen Gemeindebeamten kommen die darauf bezüglichen besonderen Gesetze zur Anwendung. Wir werden auf diesen Entwurf, welcher Wahl nach Census, Bestätigung der Regierung, Eidesleistung zur „Treue für den König“, Beschränkung der Oeffentlichkeit, und ein Recht des Königs zur Suspension der Versammlungen enthält, später ausführlich zurückkommen. !!! Frankfurt, 25. Juli. ‒ 47.Sitzung der Nationalversammlung. ‒ Tagesordnung: Fortsetzung der Debatte über die Posener Frage. ‒ Präsident v. Gagern. ‒ Verlesung des Protokolls. v. Radowitz: Sieht mit Bedauern, daß Konfekkionsstreit sich in diese politische Frage mische. Wenn es hierin um Vertheidigung der katholischen Kirche handle, so würden in dieser Versammlung alle Rücksichten schwinden. Dies ist nicht so ! ‒ Daß ein katholisches Land durch Aufnahme in den deutschen Bund an seinem Glauben gefährdet werde, weise ich entschieden zurück.(Dieser Pfiff des Herrn v. Radowitz soll ihm 200 katholische Stimmen in der Versammlung retten; gestern als Jordan die Proklamation des katholischen Klerus an die polnischen Bauern verlas, sagte Hr. v. Radowitz: das ist ein ungeschickter Mensch, das hätte er ja nicht lesen sollen.) Der Redner macht mit Wehmuth aufmerksam auf die 10 Millionen preußischer Thaler, die Posens Befestigung kostet, und die man zu verlieren riskirt. Wer den Ausschußantrag verwerfen will, muß entweder wollen, daß die ganze Provinz Posen polnisch oder ganz deutsch werde. Das erste sei unmöglich, und wer das zweite will, will 1 1/2 Millionen Deutsche einem künftigen Polenreiche opfern. Dies wäre eine Theilung Deutschlands. (rechts sehr brav, links oh!) Gott bewahre uns davor! (Bravo!) Frankreichs Kriegsdrohung, wenn Polen nicht freigegeben würde, sei kein Recht, und weißt Hr. v. R. muthig zurück. (Bravo und Zischen.) Eine solche Zumuthung wie die von der Linken betreffs Polens stellen, wäre in jeder Kammer eines andern Landes unmöglich. Daß sie hier möglich, lobe er nicht und tadle er nicht. Das liegt im deutschen Charakter. Er nennt die Polen ein providentielles Volk. Schufelka: Nach dem ausgezeichneten Redner vor mir muß ich fürchten, poetisch sentimental zu erscheinen. Diese Frage muß vom Standpunkt des Herzens und Gefühls, nicht blos des kalten Verstandes betrachtet werden. Er weist die grausame Beurtheilung des Polencharakters zurück, diese nehme man nur vor, um sein Gewissen zu beschwichtigen. Miser res sacra! Die Worte, die hier gesprochen worden, seien Dolchstiche in verblutende Herzen. Hr. Jordan hat vergessen, die uns zu gut kommenden Stellen der Polengeschichte hervorzuheben, z. B. die Verbindung der Polen mit den Deutschen gegen die Türken (Johann Sobiesky). Was Jordan von einem Polenrausch gesagt, sei nicht mehr anwendbar, nüchterne Sympathien, gegründet auf Rechtsprinzipien, seien an dessen Stelle getreten Betreffs des polnischen Adels, wenn er auch die Verderbniß desselben zugebe, könne kein Demokrat soweit gehen, ihn ganz auszurotten à la Galizien. (Zischen rechts.) Den polnischen Bauer betreffend und dessen Roheit etc., bei uns sei dies nicht viel anders. Alle Geschichtsmänner, die auf höherm Standpunkt, haben Polens Theilung verdammt; jetzt das Gegentheil behaupten wollen, und den Grund der Humanisirung vorzuschieben, sei eine Floskel. Jordan habe das unpassende, das schauerliche Wort ausgesprochen, Polen war nach der ersten Theilung schon eine Leiche, dann seien die Könige, die es noch einmal getheilt, Leichenzerreißer, Hyänen, und die Nationalversammlung sei der Todtengräber (Moritz Arndt und die Rechte lärmen.) Der Redner; ich werde wohl hier und jetzt Redefreiheit haben, nachdem sie mir so lange von der Polizei untersagt war. Wäre Polen todt, wir müßten es auferwecken. Den Hrn. Radowitz blamirt der Redner wegen seiner Theilungsansichten. (man lacht Hrn. v. R. aus.) Schuselka fährt fort: Das ist nicht zum Lachen. Sogar der König von Preußen, Friedrich Wilhelm III, hat eine nöthige Organisirung, der Polen anerkannt, sie gewollt aber nicht gekonnt. Das Vorparlament und der Fünfziger-Ausschuß haben sich dieser Ansicht geneigt gezeigt. Wenn der Nationalversammlung die Endentscheidung in dieser neuen Theilung gegeben sei, so sei dies gegen alles Staatsrecht, denn die ersten Theilungen waren einseitig beschlossen.‒ Wenn wir dies thun, kommen wir in Widerspruch mit drei andern von unsern Beschlüssen (betreffs Tyrols, Böhmens und Schleswigs). Ferner kommen wir im Konflikt mit Frankreich und Rußland. Die Franzosen sind sehr aufmerksam auf diese Versammlung. Rußland wird das Stückchen Polen, was Preußen freigiebt, nehmen. Er begreift gar nicht den Zarsinn der Versammlung Rußland gegenüber. In Deutschland spricht man davon, daß diese Posener Angelegenheit zum absichtlichen Kriegsgrund hingeworfen ward, um die Demokratie durch Krieg zu unterdrücken.‒AntragDie Nationalversammlung wolle die einseitige Theilung Polens weder vom staatsrechtlichen Punkte, noch vom nationalen billigen, sondern möge die preußische Regierung auffordern, die selbstständige Verwaltung Posens mit Wahrung beider Nationalitäten auszusprechen und die Theilung der Provinz bis auf weiteres zu verschieben. Nur ja möge man nicht die Ausschußanträge annehmen. (Bravo.) Folgt der Grafv Wartensleben: Sein Herz schlägt für Polen. Wenn erein Pole wäre, würde er aus dem kleinen ihm zugestandenen Theil einen Stamm bilden für die Zukunft. Der Wille der preußischen Nation sei (unterstützend ihren König) in dieser Sache maßgebend, die Versammlung habe nur formell diesen Willen zu ratifiziren. (Beim Schluß ein sehr dünnes Bravo.) Janizewski(Pole): Beschuldigungen sind von dieser Tribüne gegen die Polen geschleudert, Mängel und Fehler von Jahrhunderten auf einen Haufen geworfen. Er hat eine höhere Pflicht zu erfüllen als auf diese Erbärmlichkeiten zu erwidern. Aber das müsse er sagen, so wie von hier aus seien die Polen selbst von den Russennicht verhöhnt worden. Zwei Vorwürfe will er widerlegen: bei dem Polenthum vorgeworfenen Kampf gegen den Germanismus. Er könne sagen, wer diesen Kampf angeregt. (Die Rechte schreit: er solle es sagen. Gagern weist die Rechte zurecht.) Die preuß. Untersuchungskommission werde diese Vorwürfe zu recht bringen. Dies Urtheil solle man erwarten. Er könne nicht einzelne Bilder, eine ganze Bildergallerievon Niederträchtigkeiten der Deutschen geben. Er hasse aber diese Art Gründe. Er hat andre als Recriminationen. Der zweite Vorwurf als haben die Deutschenden Wohlstand Posens gegründet, sei gleichfalls falsch. ‒ Der Redner verliest hierbei eine Kabinetsordre vom 13. März 1833, welche den Nachweis liefert, daß von preußischer Regierung offiziell die subhastirten polnischen Grundstücke nur an Deutsche verkauft werden sollen. ‒ Zur Sache! soll das Großherzogthum zum deutschen Bunde gehören, so müsse es deutsches Bundesgebiet sein. Nur dann auch könne eine deutsche National-Versammlung in dieser Sache entscheiden, dies sei aber unwahr. (Beim geschichtlichen Nachweis dieser Unwahrheit unterhalten sich Hr. v. Radowitz und der edle Fürst Lychnowsky lächelnd von Allotriis). Man hat die Einverleibung Posens in den deutschen Bund mit solcher Eile betrieben, als ob man befürchte, daß bei verändertem Beamtenpersonal sich der Volkswille aus dem Lande flüchten werde. Seine Committenten hätten gegen jede Wahl zum Parlament protestirt; als sie dazu gesetzlich gezwungen haben sie ihn, vom polnischen Comite gewählt, überzeugt, daß bei seiner Kenntniß der Sachlage er nie zugeben werde, daß Posen eine deutsche Provinz werde. (Schallendes langes Bravo und Händeklatschen links und Gallerie). Diese Wahl habe er angenommen im Vertrauen auf die Gerechtigkeit der deutschen Nation. Ueberall in Posen, so weist er numerisch nach, sei die polnische Bevölkerung überwiegend. Soll also der Volkswille entscheiden, so müsse man warten bis das Statistische festgestellt sei. Ueber eine Demarkationslinie könnte man nur mit einem Staate Polen verhandeln, es sei aber kein Polen da. Man übe also einen Akt der Gewalt. Jene Fürsten in Wien haben zwar den polnischen Staat getheilt, aber die Nation haben sie immer, obschon unter drei fremden Sceptern, noch anerkannt. ‒ Von diesen Dreien dürfe jetzt nicht der eine (d. preußische) eigenmächtig verfügen, deshalb dürfe Preußen nicht eine polnische Provinz dem Bundestag anbieten, noch dieser sie annehmen. ‒ Dieses Grundes bediene er sich mit Schmerz, nur um zu zeigen, daß das heutige Unrecht noch größer ist als die Theilungen. Heute vernichtet man die Nation,damals den Staat. Soll zu diesem Unrecht die Versammlung die Hand bieten.(Schallendes Bravo!) Ferner ist etwa die deutsche Nation gefährdet durch eine sogenannte Reorganisation Posens? ‒ hat man in dieser Reorganisation nicht bloß Billiges verlangt? Hierüber hat eine Kommission berathen, die überwiegend Deutsch war. Wer bedarf da Schutz, die Deutschen gegen die Polen, oder umgekehrt. Und wäre ein Schutz nöthig, hat Deutschland keinen andern Schutz als eine Theilung? Schützt etwa Deutschland seine Brüder in England, Frankreich etc. in dieser Weise? (Hohngelächterrechts übertönendes Bravo der Linken und Gallerien). Der Redner giebt jetzt noch eine Beurtheilung der konkreten Wahlen in Polen. Konnte man damals in Polen frei wählen wo schon das Martialgesetz galt? (Links sehr gut, ausgezeichnet, rechts Zischen). Zur Zeit der Wahlen durfte kein Pole auf der Straße sich zeigen; man war quasi vogelfrei. Der Redner ruft die deutschen Sympathien nicht an, er ist nicht gekommen als Bettler, er fordert Recht! (Langanhaltendes Bravo). Man solle nur das unangetastet lassen was sogar die Gerechtigkeit der Fürsten verschonte! Was gewinnt Deutschland in dieser Sache? 500,000 erbitterte Feinde! Was für Staatsbürger! Man hat die Polen verschluckt, aber verdauen wird man sie schwerlich! (Donnerndes Bravo). Sie, meine Herren, selbst Deutsche, wollen zu Gericht sitzen in ihrer eigenen Sache? Seien Sie gerecht. Ich will nur Gerechtigkeit, nur Gerechtigkeit! (Begeisterter, langer Beifall). Kerst aus Polen verlangt aufmerksames Gehör für seine lange Entgegnung auf Janiczewski's Rede und seine lange Vertheidigung des deutschen Anrechts. Erfolg dieses Verlangens. Rechts und links Leeren der Bänke, Frühstückengehn, Theilnamlosigkeit an der Debatte. Im ganzen Saale kaum 200 Abgeordnete. Kerst's Rede hat zuletzt nur noch einen andächtigen Zuhörer.‒ Hrn. Christ. Clemens aus Bonn bekämpft die Anträge des Ausschusses. Zwei Punkte stehen fest für mich 1) es muß die Polen'sche Frage hier in einer für immer Deutschland Ehre bringenden Art entschieden werden. 2) Die Zustände in Polen können nicht fortbestehen wie sie gegenwärtig. Der Posener Landtag war mit 26 Stimmen gegen 17 für die Nichteinverleibung in den deutschen Bund. Konfessionelles habe wohl influirt. (Rechts wird man unruhig, Linke schreit Redefreiheit. Präsident verweist die Rechte). Der Redner stellt Anträge die den Ausschußanträgen widersprechen und meint bei Annahme seiner Anträge würde sich die Versammlung wenigstens nicht viel vergeben (man schreit Schluß). Ostendorf aus Westphalen wirft dem vorigen Redner Ungründlichkeit vor und ist so gründlich, Jordan's Rede nicht nachzusprechen, sondern sogar abzulesen. Warum nicht die Polenlieder desselben Berliner Literaten, der in der vorigen Versammlung davor gewarnt hat, „poetische Sentimentalitäten“ (Jordan's Polenlieder) ernst zu nehmen. So ist aber der Berliner Literat). (So eben erfahre ich, daß im Ganzen nur 72 Redner eingeschrieben sind). Schmidt(Löwenberg) macht den vorigen Redner lächerlich, der gesagt habe, mit Jordan's Rede sei das Thema erschöpft. (Heiterkeit.) Nicht 20 seien in der Versammlung, die einen klaren Blick in die Posener Ereignisse hätten. Selbst er könne es nicht (Gelächter rechts), trotzdem er sein subjektives Urtheil darüber, da er lange in Posen gewesen, gebildet habe. Bekämpft v. Radowitz Ansicht, als würden durch gänzliche Hingebung Posens an Polen 11/2 Mill. deutsche Brüder geopfert. Man habe nur Rücksicht auf die Petitionen um Einverleibung Posens genommen, nicht auf die Protestationen dagegen. (Mißbilligung der Rechten.) Er macht diese Mißbilligung lächerlich. (Die ganze Versammlung lacht.) Wie man jetzt auf einmal dazu käme, die Posener Juden Brüder zu nennen? (Großes Lachen und Bravo.) Auch bei der thatsächlichen gezogenen Demarkationslinie habe der Ausschuß die Versammlung mit statistischer Begründung im Stich gelassen. Das ist zu bedauern. (Rechts: Schluß! Links: Ruhe!) Auch die zweite Demarkationslinie ist eine die polnische Nation tief verletzende. Der Redner kennt die Statistik genau, er zeigt, daß der Ausschuß falsch berichtet hat. Jeder andere Weg sei besser, nur nicht auf die Ausschußanträge eingehen. Wenn Sie dies thun gegen das verpfändete Wort des Fünfziger-Ausschusses, so haben sie das Pfand der deutschen Ehre nicht eingelöst. Die Konsequenz ist: daß sie das Vorparlament desavouiren.(Rechts einige Stimmen: Ja!) Sie werden damit sagen, daß sie sich selbst der Idee der Wiederherstellung Polens entfremden. (Bravo!) Er verliest einige Stellen aus des Abgeordneten v. Flottwells, früheren Posener Ober-Präsidenten, Buche über Posen, worin dieser sagt: daß den Polen eine Reorganisation und Bewahrung der Nationalität versprochen, und trotz dieses Versprechens auf die schon damals stattgehabten Germanisirungsversuche Posens hingewiesen wird. (Rechts: Nicht weiter lesen. Links höhnisches Gelächter).Antrag des Redners: Vorarbeiten zu liefern zu endlicher Entscheidung in dieser Sache. Der Einwand, diese Verzögerung werde Gefahr bringen, sei falsch. ‒ Man würde sich in Polen freuen, wenn der Beschluß aufgehoben werde. Zuletzt weist er auf den Verdacht hin, die Presse habe durch die in den letzten Zeitungsblättern angekündigten neuen Schilderhebungen in Posen auf den Beschluß der Versammlung einwirken wollen. Am Tage der Einreichung des Ausschußberichtes über diese Sache sei eine Deputation bei v. Gagern gewesen, die einen neuen bevorstehenden Aufruhr in Polen denuncirt hätte. (Geschrei in der Versammlung: Ist das wahr?) Gagern erklärt sich für die Unwahrheit dieses Ausspruches. (Zischen rechts; lautes Bravo links und Gallerien). Lychnowsky(der ritterliche Deklamator) will sich so kurz wie möglich fassen. Seine Rede besteht fast nur aus Angriffen auf die Redner von der Linken und Ausfällen gegen einzelne Punkte, die er nach Gutdünken planlos aus ihren Reden herausreißt. Janiczewski habe gesagt: „er berufe sich nicht auf die Sympathien für die Polen;“ doch hätte er es sehr stark gethan; aber die Polen besäßen jene Sympathien nur noch in einzelnen Fraktionen. Warum? Weil bei allen Rebellionen aller Länder die Polen an der Spitze. Unter andern fängt der Redner eine Periode seiner Rede also an: Für das historische Recht meine Herren, gibt es kein Datum nicht. (Gelächter). Der Redner weiß nicht, weshalb man lacht und wiederholt den Satz mit erhöhter Stimme (stärkeres Gelächter); er wiederholt ihn zum dritten Male mit höchster Stimmlage (ungeheures Gelächter); endlich verbessert er sich: für das historische Recht gibt es kein Datum (Bravo); er entrüstet sich über diese Verläugnung des historischen Rechts. Die Polen würden sich nicht begnügen mit Posen, er müßte einen schlechten Begriff von ihnen haben, wenn sie dieses thäten. Sie würden einen Hafen haben wollen, sie würden Danzig nehmen wollen. Dies würde Blut geben, viel Blut! Wehe! Wehe! Er interpellirt den Ministerpräsidenten, welcher nicht da ist. (Die Linke schreit: abgekartete Sache). Da interpellirt er auch den Kriegsminister: ob der Besitz des Ostens sicher sei, möglich sei, ohne die Festung Posen. So fährt er mit Komödiantenstreichen fort und ersetzt durch Forciren der Stimme, was ihm an Gründen abgeht. Er schließt mit dem Arndt'schen Verse: „So weit die deutsche Zunge klingt, und Gott im Himmel Lieder singt,“ soll das deutsche Reich gehen. Moritz Arndt, der zunächst der Tribüne sitzt, weint vor tiefster Rührung, rechts und Centren eklatiren in schallendem Applaus, links Zischen. Auf den Gallerien Schweigen. Nach ihm wird abgestimmt, die Riesendebatte aufs neue bis morgen 9 Uhr zu vertagen. Schluß der Sitzung 1/24 Uhr. Von den 72 Rednern haben kaum ein Dutzend gesprochen. * Frankfurt, 26. Juli. Die um 9 1/4 Uhr begonnene Sitzung, in welcher Ruge, Wiesner, Thinnes (bairischer Domkapitular) für Löwe, Sänger, Giskra gegen die Polen, Venedey als Mann des Justemilieu, auftraten, endigt damit, daß der Schluß der Debatte ausgesprochen, die Abstimmung aber auf morgen 9 Uhr vertagt wird. Es ist auf namentliche Abstimmung angetragen. 31 Düsseldorf, 24. Juli. Ich bin in den Stand gesetzt, über die Verhaftung des Bürgers Julius Wulff in Düsseldorf und über die ihm nach dem Code pénal zur Last gelegten „Verbrechen“ Näheres mitzutheilen. Ihre Leser mögen daraus ersehen, inwieweit die Behauptung, daß die alten Gesetze nicht auf die Rede-, Preß-und Versammlungsfreiheit angewendet werden können, ohne diese illusorisch zu machen, gegründet ist. Der Bürger Julius Wulff in Düsseldorf ist am 8. Juli in aller Frühe durch den Oberprokurator Schnaase, Instruktionsrichter Merrem und Polizeidirektor Huthsteiner in Begleitung einiger Gensdarmen verhaftet und in das hiesige Arresthaus abgeführt worden. Derselbe ist der Uebertretung der Art. 102 und 293 des Strafgesetzbuches angeklagt worden, oder, wie es in dem Verhaftsbefehle heißt, beschuldigt, aufreizende Reden gehalten und Schriften verbreitet zu haben. Die Art. 291‒ 294 des Code pénal handeln von unerlaubten Gesellschaften oder Versammlungen. Der Art. 293 bestimmt, daß, wenn in einer „unerlaubten“ Versammlung durch Reden, durch Vorlesung oder Vertheilung von Schriften und dergl. irgend eine Anreizung zu Verbrechen oder Vergehen stattgefunden, der Chef dieser Versammlung mit einer Geldbuße von 100 bis 300 Fr. und Gefängniß von 3 Monaten bis zu 2 Jahren bestraft werde. Man braucht kein Jurist zu sein, um zu wissen, daß es gegenwärtig, wo sämmtliche Staatsbürger, mit alleiniger Ausnahme des Militärs, das freie Versammlungsrecht haben, keine unerlaubten Gesellschaften und Vereinigungen mehr geben kann. Es ist also hinsichtlich der Anwendung des Art. 293 eine unbegreifliche Uebereilung, ein Mißgriff seitens der Staatsbehörde geschehen. Aber wenn es mit dem Art. 293 nicht geht, so geht es vielleicht mit dem Art. 102. In den Art. 86 bis 90 Code pénal ist die Rede von Majestätsbeleidigung. Der Code kennt keine Majestätsbeleidigung im Sinne des Allgem. preuß. Landrechts, wonach eine einfache Injurie gegen den König zu einem Verbrechen gestempelt wird, der Code versteht unter Majestätsbeleidigung ein Attentat oder Komplott d. h. einen bereits vollzogenen resp. begonnenen, oder einen unter Verschworenen beschlossenen Angriff gegen das Leben oder die Person des Kaisers resp. Königs. Eine solche Majestätsbeleidigung wird gleich dem Elternmorde bestraft, also mit Abhauen der rechten Hand und darnach des Kopfes. Die Art. 91 bis 101 Code pénal reden von Verbrechen, die dahin zielen, die Ruhe des Staates durch Bürgerkrieg, durch gesetzwidrigen Gebrauch der bewaffneten Macht, durch öffentliche Verheerung und Plünderung zu stören. Es wird hier ebenfalls zwischen Attentat und Komplot unterschieden. Es muß entweder schon zur That geschritten oder verabredet sein, dazu schreiten zu wollen. Ein Hauptmerkmal bei diesen Verbrechen, welche ebenfalls mit dem Tode bestraft werden, ist, daß sie nur mitHülfe vonWaffen ausgeführt werden können. In dem Art. 102 wird nun endlich bestimmt, daß als der in den Art. 86 bis 101 erwähnten Verbrechen schuldig bestraft werden Alle diejenigen, welche durch Reden in öffentlichen Versammlungen oder durch Anschlagzettel oder Druckschriften die Bürger unmittelbar (directement) anreizen, sie zu begehen. Sind diese Anfforderungen von keinem Erfolge gewesen, so wird die Todesstrafe in die Strafe der Deportation verwandelt. Der Volksklub hat stets öffentliche Versammlungen gehalten. Es stand Jedem, also auch der Staatsbehörde, frei, sich über das Thun und Treiben daselbst zu unterrichten. Es ist fast in jeder Versammlung von dem einen oder dem andern Mitgliede, so auch von dem Angeklagten, vor allen thörichten, „ungesetzlichen“ Handlungen, ja einmal ausdrücklich vor Uebertretung des Art. 102 gewarn worden. Kann bei solchen Umständen,deren Richtigkeit durch Hunderte von Zeugen bewiesen werden kann, die Staatsbehörde durch den Art. 102 die ect. Wulff rechtfertigen? Klagt vielleicht das allgemeine Gerücht denselben obiger Verbrechen an? Im Gegentheil, es wird Niemand ihn im Ernste der genannten Verbrechen zu beschuldigen wagen. In seinen Pa- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar058_004" type="jArticle"> <pb facs="#f0002" n="0288"/> <cb n="1"/> <p>„Ich schwöre Treue dem Könige, Gehorsam der Verfassung und den Gesetzen des Preußischen Staates.</p> <p>§ 41. Die Sitzungen des Gemeinderaths sind öffentlich, wenn derselbe nicht aus besondern Gründen eine Ausnahme beschließt. Persönliche Angelegenheiten dürfen nicht öffentlich verhandelt werden.</p> <p>§ 45. Der Gemeinderath kann die Gemeinde zur Leistung von Diensten (Hand- und Spanndiensten) verpflichten, die Dienste werden in Geld abgeschätzt, die Vertheilung geschieht nach dem Maßstabe der direkten Staatssteuern. Abweichungen von dieser Vertheilungsart bedürfen der Genehmigung des Bezirksausschusses. Die Dienste können mit Ausnahme von Nothfällen, durch taugliche Stellvertreter abgeleistet oder nach der Abschätzung an die Gemeindekasse bezahlt werden.</p> <p>§ 49. In Bezug auf die Behandlung der Gemeindewandlungen verbleibt es bei den für die einzelnen Landestheile erlassenen Gesetzen und Bestimmungen.</p> <p>§ 69. Der Bürgermeister wird von der Bürgermeisterei-Versammlung auf mindestens 6 Jahre gewählt. Diese Wahl ist nicht auf Einwohner der Bürgermeisterei beschränkt.</p> <p>Die Bürgermeisterei-Versammlung wählt ferner einen oder mehrere Beigeordnete aus den Gemeindewählern der Bürgermeisterei auf 6 Jahre.</p> <p>Die Zahl der Beigeordneten wird von dem Bezirks-Ausschuß festgesetzt. Die gewählten Bürgermeister und Beigeordneten bedürfen in Bürgermeistereien von weniger als 1000 Einw. der Bestätigung des Landeshauptmanns, in Bürgermeistereien von mehr als 10,000 Einw. der Bestätigung des Königs.</p> <p>§ 79. Die Oberaufsicht über die Gemeinden und Bürgermeistereien wird von dem Minister des Innern, dem Landeshauptmann und dem Kreishauptmann, als Organe der Staatsregierung geführt.</p> <p>Die Polizeiverwaltung steht unter der Leitung dieser Behörden.</p> <p>Die nichtpolizeilichen Angelegenheiten sind der Aufsicht des Bezirksausschusses überwiesen, welcher dem Kreishauptmann Aufträge ertheilen und denselben zur Erledigung einzelner Geschäfte oder Geschäftszweige ermächtigen kann.</p> <p>§ 80. Beschwerden über Entscheidungen in Gemeinde-Angelegenheiten sind nur innerhalb 4 Wochen nach der Zustellung oder Bekanntmachung zulässig, sofern sie nicht überhaupt durch die Bestimmungen dieses Gesetzes ausgeschlossen oder an andere Fristen geknüpft sind.</p> <p>§ 81. Wenn der Gemeinderath oder die Bürgermeistereiversammlung einen Beschluß gefaßt hat, welcher deren Befugnisse überschreitet, die Gesetze oder das allgemeine Interesse verletzt, so hat der Gemeindevorsteher, beziehungsweise der Bürgermeister, die Ausführung zu versagen. Derselbe ist sodann verpflichtet, sofort die Entscheidung des Bezirksausschusses einzuholen und den Gemeinderath, beziehungsweise die Bürgermeistereiversammlung davon zu benachrichtigen. Der Bezirksausschuß muß innerhalb 6 Wochen entscheiden, ob der Beschluß dessen Ausführung versagt ist, ausgeführt werden soll oder nicht.</p> <p>Gegen die Entscheidung des Bezirksausschusses steht sowohl dem Landeshauptmann als dem Gemeinderathe oder der Bürgermeisterei-Versammlung innerhalb 10 Tagen die Berufung an den Minister des Innern zu.</p> <p>§. 83. Der König kann einen Gemeinderath oder eine Bürgermeisterei-Versammlung vorläufig ihrer Verrichtungen entheben und dieselben besonderen Kommissarien übertragen. Die schließliche Bestimmung erfolgt alsdann durch ein Gesetz.</p> <p>§. 84. In Betreff der Suspension, Entsetzung und unfreiwilligen Entlassung der Bürgermeister, Vorsteher und sonstigen Gemeindebeamten kommen die darauf bezüglichen besonderen Gesetze zur Anwendung.</p> <p>Wir werden auf diesen Entwurf, welcher Wahl nach Census, Bestätigung der Regierung, Eidesleistung zur „Treue für den König“, Beschränkung der Oeffentlichkeit, und ein Recht des Königs zur Suspension der Versammlungen enthält, später ausführlich zurückkommen.</p> </div> <div xml:id="ar058_005" type="jArticle"> <head><bibl><author>!!!</author></bibl>Frankfurt, 25. Juli.</head> <p>‒ 47.<hi rendition="#g">Sitzung der Nationalversammlung.</hi> ‒ Tagesordnung: Fortsetzung der Debatte über die Posener Frage. ‒ Präsident v. Gagern. ‒ Verlesung des Protokolls.</p> <p><hi rendition="#g">v. Radowitz:</hi> Sieht mit Bedauern, daß Konfekkionsstreit sich in diese politische Frage mische. Wenn es hierin um Vertheidigung der katholischen Kirche handle, so würden in dieser Versammlung alle Rücksichten schwinden. Dies ist nicht so ! ‒ Daß ein katholisches Land durch Aufnahme in den deutschen Bund an seinem Glauben gefährdet werde, weise ich entschieden zurück.(Dieser Pfiff des Herrn v. Radowitz soll ihm 200 katholische Stimmen in der Versammlung retten; gestern als Jordan die Proklamation des katholischen Klerus an die polnischen Bauern verlas, sagte Hr. v. Radowitz: <hi rendition="#g">das ist ein ungeschickter Mensch, das hätte er ja nicht lesen sollen.)</hi> Der Redner macht mit Wehmuth aufmerksam auf die 10 Millionen preußischer Thaler, die Posens Befestigung kostet, und die man zu verlieren riskirt. Wer den Ausschußantrag verwerfen will, muß entweder wollen, daß die ganze Provinz Posen polnisch oder ganz deutsch werde. Das erste sei unmöglich, und wer das zweite will, will 1 1/2 Millionen Deutsche einem künftigen Polenreiche opfern. Dies wäre eine Theilung Deutschlands. (rechts sehr brav, links oh!) Gott bewahre uns davor! (Bravo!) Frankreichs Kriegsdrohung, wenn Polen nicht freigegeben würde, sei kein Recht, und weißt Hr. v. R. muthig zurück. (Bravo und Zischen.) Eine solche Zumuthung wie die von der Linken betreffs Polens stellen, wäre in jeder Kammer eines andern Landes unmöglich. Daß sie hier möglich, lobe er nicht und tadle er nicht. Das liegt im deutschen Charakter. Er nennt die Polen ein providentielles Volk.</p> <p><hi rendition="#g">Schufelka:</hi> Nach dem ausgezeichneten Redner vor mir muß ich fürchten, poetisch sentimental zu erscheinen. Diese Frage muß vom Standpunkt des <hi rendition="#g">Herzens und Gefühls,</hi> nicht blos des kalten Verstandes betrachtet werden. Er weist die grausame Beurtheilung des Polencharakters zurück, diese nehme man nur vor, um sein Gewissen zu beschwichtigen. Miser res sacra! Die Worte, die hier gesprochen worden, seien Dolchstiche in verblutende Herzen. Hr. Jordan hat vergessen, die uns zu gut kommenden Stellen der Polengeschichte hervorzuheben, z. B. die Verbindung der Polen mit den Deutschen gegen die Türken (Johann Sobiesky). Was Jordan von einem <hi rendition="#g">Polenrausch</hi> gesagt, sei nicht mehr anwendbar, nüchterne Sympathien, gegründet auf Rechtsprinzipien, seien an dessen Stelle getreten Betreffs des polnischen Adels, wenn er auch die Verderbniß desselben zugebe, könne kein Demokrat soweit gehen, ihn ganz auszurotten à la Galizien. (Zischen rechts.) Den polnischen Bauer betreffend und dessen Roheit etc., bei uns sei dies nicht viel anders. Alle Geschichtsmänner, die auf höherm Standpunkt, haben Polens Theilung verdammt; jetzt das Gegentheil behaupten wollen, und den Grund der <hi rendition="#g">Humanisirung</hi> vorzuschieben, sei eine Floskel. Jordan habe das unpassende, das <hi rendition="#g">schauerliche</hi> Wort ausgesprochen, Polen <hi rendition="#g">war nach der ersten Theilung schon eine Leiche,</hi> dann<hi rendition="#g"> seien die Könige, die es noch einmal getheilt, Leichenzerreißer, Hyänen, und die Nationalversammlung sei der Todtengräber</hi> (Moritz Arndt und die Rechte lärmen.) Der <hi rendition="#g">Redner;</hi> ich werde wohl hier und jetzt Redefreiheit haben, nachdem sie mir so lange von der Polizei untersagt war. Wäre Polen todt, wir müßten es <hi rendition="#g">auferwecken.</hi> Den Hrn. Radowitz blamirt der Redner wegen seiner Theilungsansichten. (man lacht Hrn. v. R. aus.) <hi rendition="#g">Schuselka</hi> fährt fort: Das ist nicht zum Lachen. Sogar der König von Preußen, Friedrich Wilhelm III, hat eine nöthige Organisirung, der Polen anerkannt, sie gewollt aber nicht gekonnt. Das Vorparlament und der Fünfziger-Ausschuß haben sich dieser Ansicht geneigt gezeigt. Wenn der Nationalversammlung die Endentscheidung in dieser neuen Theilung gegeben sei, so sei dies gegen alles Staatsrecht, denn die ersten Theilungen waren einseitig beschlossen.‒ Wenn wir dies thun, kommen wir in Widerspruch mit drei andern von unsern Beschlüssen (betreffs Tyrols, Böhmens und Schleswigs). Ferner kommen wir im Konflikt mit Frankreich und Rußland. Die Franzosen sind sehr aufmerksam auf diese Versammlung.</p> <p>Rußland wird das Stückchen Polen, was Preußen freigiebt, <hi rendition="#g">nehmen.</hi> </p> <p>Er begreift gar nicht den Zarsinn der Versammlung Rußland gegenüber. In Deutschland spricht man davon, daß diese Posener Angelegenheit zum absichtlichen Kriegsgrund hingeworfen ward, um die Demokratie durch Krieg zu unterdrücken.‒<hi rendition="#g">Antrag</hi>Die Nationalversammlung wolle die einseitige Theilung Polens weder vom staatsrechtlichen Punkte, noch vom nationalen billigen, sondern möge die preußische Regierung auffordern, die selbstständige Verwaltung Posens mit Wahrung beider Nationalitäten auszusprechen und die Theilung der Provinz bis auf weiteres zu verschieben. Nur ja möge man nicht die Ausschußanträge annehmen.</p> <p>(Bravo.)</p> <p>Folgt der Graf<hi rendition="#g">v Wartensleben:</hi> Sein Herz schlägt für Polen. Wenn <hi rendition="#g">er</hi>ein Pole wäre, würde er aus dem kleinen ihm zugestandenen Theil einen Stamm bilden für die Zukunft. Der Wille der preußischen Nation sei (unterstützend ihren König) in dieser Sache maßgebend, die Versammlung habe nur formell diesen Willen zu ratifiziren. (Beim Schluß ein sehr dünnes Bravo.)</p> <p><hi rendition="#g">Janizewski</hi>(Pole): Beschuldigungen sind von dieser Tribüne gegen die Polen geschleudert, Mängel und Fehler von Jahrhunderten auf einen Haufen geworfen. Er hat eine höhere Pflicht zu erfüllen als auf diese Erbärmlichkeiten zu erwidern. Aber das müsse er sagen, so wie von hier aus seien die Polen selbst von den <hi rendition="#g">Russen</hi>nicht verhöhnt worden. Zwei Vorwürfe will er widerlegen: bei dem Polenthum vorgeworfenen Kampf gegen den Germanismus. Er könne sagen, wer diesen Kampf angeregt. (Die Rechte schreit: er solle es sagen. Gagern weist die Rechte zurecht.) Die preuß. Untersuchungskommission werde diese Vorwürfe zu recht bringen. Dies Urtheil solle man erwarten. Er könne nicht einzelne Bilder, eine <hi rendition="#g">ganze Bildergallerie</hi>von Niederträchtigkeiten der Deutschen geben. Er hasse aber <hi rendition="#g">diese Art Gründe.</hi> Er hat andre als Recriminationen. Der zweite Vorwurf als haben die <hi rendition="#g">Deutschen</hi>den Wohlstand Posens gegründet, sei gleichfalls falsch. ‒ Der Redner verliest hierbei eine Kabinetsordre vom 13. März 1833, welche den Nachweis liefert, daß von preußischer Regierung offiziell die subhastirten polnischen Grundstücke <hi rendition="#g">nur</hi> an <hi rendition="#g">Deutsche</hi> verkauft werden sollen. ‒ Zur Sache! soll das Großherzogthum zum deutschen Bunde gehören, so müsse es deutsches Bundesgebiet sein. Nur dann auch könne eine deutsche National-Versammlung in dieser Sache entscheiden, dies sei aber unwahr. (Beim geschichtlichen Nachweis dieser Unwahrheit unterhalten sich Hr. v. Radowitz und der edle Fürst Lychnowsky lächelnd von Allotriis). Man hat die Einverleibung Posens in den deutschen Bund mit solcher Eile betrieben, als ob man befürchte, daß bei verändertem Beamtenpersonal sich der Volkswille aus dem Lande flüchten werde. <hi rendition="#g">Seine</hi> Committenten hätten gegen jede Wahl zum Parlament <hi rendition="#g">protestirt;</hi> als sie <hi rendition="#g">dazu gesetzlich gezwungen</hi> haben sie ihn, vom polnischen Comite gewählt, überzeugt, daß bei seiner Kenntniß der Sachlage er nie zugeben werde, daß Posen eine deutsche Provinz werde. (Schallendes langes Bravo und Händeklatschen links und Gallerie). Diese Wahl habe er angenommen im Vertrauen auf die Gerechtigkeit der deutschen Nation.</p> <p>Ueberall in Posen, so weist er numerisch nach, sei die polnische Bevölkerung überwiegend. Soll also der Volkswille entscheiden, so müsse man warten bis das Statistische festgestellt sei. Ueber eine Demarkationslinie könnte man nur mit einem <hi rendition="#g">Staate</hi> Polen verhandeln, es sei aber kein Polen da. Man übe also einen Akt der Gewalt. Jene Fürsten in Wien haben zwar den polnischen <hi rendition="#g">Staat</hi> getheilt, aber die <hi rendition="#g">Nation</hi> haben sie immer, obschon unter drei fremden Sceptern, <hi rendition="#g">noch anerkannt</hi>. ‒ Von diesen Dreien dürfe jetzt nicht der eine (d. preußische) eigenmächtig verfügen, deshalb dürfe Preußen nicht eine polnische Provinz dem Bundestag anbieten, noch dieser sie annehmen. ‒ Dieses Grundes bediene er sich mit Schmerz, nur um zu zeigen, <hi rendition="#g">daß das heutige Unrecht</hi> noch <hi rendition="#g">größer ist als</hi> die <hi rendition="#g">Theilungen. Heute vernichtet man die Nation,</hi>damals den <hi rendition="#g">Staat</hi>. Soll zu diesem Unrecht die Versammlung <hi rendition="#g">die Hand bieten</hi>.(Schallendes Bravo!) <hi rendition="#g">Ferner</hi> ist etwa die deutsche Nation gefährdet durch eine sogenannte Reorganisation Posens? ‒ hat man in dieser <hi rendition="#g">Reorganisation</hi> nicht bloß Billiges verlangt? Hierüber hat eine Kommission berathen, die überwiegend Deutsch war. Wer bedarf da Schutz, die Deutschen gegen die Polen, oder umgekehrt. Und<hi rendition="#g"> wäre ein Schutz nöthig, hat Deutschland keinen andern Schutz als eine Theilung?</hi> Schützt etwa Deutschland seine Brüder in England, Frankreich etc. in dieser Weise? (Hohngelächter<hi rendition="#g">rechts</hi> übertönendes Bravo der Linken und Gallerien). Der Redner giebt jetzt noch eine Beurtheilung der konkreten Wahlen in Polen. Konnte man damals in Polen frei wählen wo schon das Martialgesetz galt? (Links sehr gut, ausgezeichnet, rechts Zischen). 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Seien Sie gerecht. <hi rendition="#g">Ich will nur Gerechtigkeit, nur Gerechtigkeit!</hi> (Begeisterter, langer Beifall).</p> <p><hi rendition="#g">Kerst</hi> aus Polen verlangt aufmerksames Gehör für seine lange Entgegnung auf Janiczewski's Rede und seine lange Vertheidigung des deutschen Anrechts. Erfolg dieses Verlangens. Rechts und links Leeren der Bänke, Frühstückengehn, Theilnamlosigkeit an der Debatte. Im ganzen Saale kaum 200 Abgeordnete. Kerst's Rede hat zuletzt nur noch einen andächtigen Zuhörer.‒ Hrn. Christ. <hi rendition="#g">Clemens aus Bonn</hi> bekämpft die Anträge des Ausschusses. Zwei Punkte stehen fest für mich 1) es muß die Polen'sche Frage hier in einer für immer Deutschland Ehre bringenden Art entschieden werden. 2) Die Zustände in Polen können nicht fortbestehen wie sie gegenwärtig.</p> <p>Der Posener Landtag war mit 26 Stimmen gegen 17 für die Nichteinverleibung in den deutschen Bund.</p> <p>Konfessionelles habe wohl influirt. <hi rendition="#g">(Rechts wird man unruhig, Linke schreit Redefreiheit. Präsident verweist die Rechte).</hi> Der Redner stellt <hi rendition="#g">Anträge</hi> die den Ausschußanträgen widersprechen und meint bei Annahme seiner Anträge würde sich die Versammlung wenigstens nicht viel vergeben (man schreit Schluß).</p> <p><hi rendition="#g">Ostendorf</hi> aus Westphalen wirft dem vorigen Redner Ungründlichkeit vor und ist so gründlich, Jordan's Rede nicht nachzusprechen, sondern sogar abzulesen. Warum nicht die <hi rendition="#g">Polenlieder</hi> desselben Berliner Literaten, der in der vorigen Versammlung davor gewarnt hat, „poetische Sentimentalitäten“ (Jordan's Polenlieder) ernst zu nehmen. So ist aber der Berliner Literat).</p> <p>(So eben erfahre ich, daß im Ganzen nur 72 Redner eingeschrieben sind).</p> <p><hi rendition="#g">Schmidt</hi>(Löwenberg) macht den vorigen Redner lächerlich, der gesagt habe, mit Jordan's Rede sei das Thema erschöpft. (Heiterkeit.) Nicht 20 seien in der Versammlung, die einen klaren Blick in die Posener Ereignisse hätten. Selbst er könne es nicht (Gelächter rechts), trotzdem er sein subjektives Urtheil darüber, da er lange in Posen gewesen, gebildet habe. Bekämpft v. Radowitz Ansicht, als würden durch gänzliche Hingebung Posens an Polen 11/2 Mill. deutsche Brüder geopfert. Man habe nur Rücksicht auf die Petitionen um Einverleibung Posens genommen, nicht auf die Protestationen dagegen. (Mißbilligung der Rechten.) Er macht diese Mißbilligung lächerlich. (Die ganze Versammlung lacht.) Wie man jetzt auf einmal dazu käme, die Posener Juden Brüder zu nennen? (Großes Lachen und Bravo.) Auch bei der thatsächlichen gezogenen Demarkationslinie habe der Ausschuß die Versammlung mit statistischer Begründung im Stich gelassen. Das ist zu bedauern. (Rechts: Schluß! Links: Ruhe!) Auch die zweite Demarkationslinie ist eine die polnische Nation tief verletzende. Der Redner kennt die Statistik genau, er zeigt, daß der Ausschuß falsch berichtet hat. Jeder andere Weg sei besser, nur nicht auf die Ausschußanträge eingehen. Wenn Sie dies thun gegen das verpfändete Wort des Fünfziger-Ausschusses, so haben sie das Pfand der deutschen Ehre nicht eingelöst. Die Konsequenz ist: daß sie <hi rendition="#g">das Vorparlament desavouiren.</hi>(Rechts einige Stimmen: Ja!) Sie werden damit sagen, daß sie sich selbst der <hi rendition="#g">Idee</hi> der Wiederherstellung Polens entfremden. (Bravo!) Er verliest einige Stellen aus des Abgeordneten v. Flottwells, früheren Posener Ober-Präsidenten, Buche über Posen, worin dieser sagt: daß den Polen eine Reorganisation und Bewahrung der Nationalität versprochen, und trotz dieses Versprechens auf die schon damals stattgehabten Germanisirungsversuche Posens hingewiesen wird. (Rechts: Nicht weiter lesen. Links höhnisches Gelächter).<hi rendition="#g">Antrag des Redners:</hi> Vorarbeiten zu liefern zu endlicher Entscheidung in dieser Sache.</p> <p>Der Einwand, diese Verzögerung werde Gefahr bringen, sei falsch. ‒ Man würde sich in Polen freuen, wenn der Beschluß aufgehoben werde. Zuletzt weist er auf den Verdacht hin, die Presse habe durch die in den letzten Zeitungsblättern angekündigten neuen Schilderhebungen in Posen auf den Beschluß der Versammlung einwirken wollen. Am Tage der Einreichung des Ausschußberichtes über diese Sache sei eine Deputation bei v. Gagern gewesen, die einen neuen bevorstehenden Aufruhr in Polen denuncirt hätte. (Geschrei in der Versammlung: Ist das wahr?) Gagern erklärt sich für die Unwahrheit dieses Ausspruches. (Zischen rechts; lautes Bravo links und Gallerien).</p> <p><hi rendition="#g">Lychnowsky</hi>(der ritterliche Deklamator) will sich so kurz wie möglich fassen. Seine Rede besteht fast nur aus Angriffen auf die Redner von der Linken und Ausfällen gegen einzelne Punkte, die er nach Gutdünken planlos aus ihren Reden herausreißt. Janiczewski habe gesagt: „er berufe sich nicht auf die Sympathien für die Polen;“ doch hätte er es sehr stark gethan; aber die Polen besäßen jene Sympathien nur noch in einzelnen Fraktionen. Warum? Weil bei allen Rebellionen aller Länder die Polen an der Spitze.</p> <p>Unter andern fängt der Redner eine Periode seiner Rede also an: Für das historische Recht meine Herren, gibt es kein Datum <hi rendition="#g">nicht</hi>. (Gelächter). Der Redner weiß nicht, weshalb man lacht und wiederholt den Satz mit erhöhter Stimme (stärkeres Gelächter); er wiederholt ihn zum dritten Male mit höchster Stimmlage (ungeheures Gelächter); endlich verbessert er sich: für das historische Recht gibt es kein Datum (Bravo); er entrüstet sich über diese Verläugnung des historischen Rechts. Die Polen würden sich nicht begnügen mit Posen, er müßte einen schlechten Begriff von ihnen haben, wenn sie dieses thäten. Sie würden einen Hafen haben wollen, sie würden Danzig nehmen wollen. Dies würde Blut geben, viel Blut! Wehe! Wehe! Er interpellirt den Ministerpräsidenten, welcher nicht da ist. (Die Linke schreit: abgekartete Sache). Da interpellirt er auch den Kriegsminister: ob der Besitz des Ostens sicher sei, möglich sei, ohne die Festung Posen.</p> <p>So fährt er mit Komödiantenstreichen fort und ersetzt durch Forciren der Stimme, was ihm an Gründen abgeht. Er schließt mit dem Arndt'schen Verse: „So weit die deutsche Zunge klingt, und Gott im Himmel Lieder singt,“ soll das deutsche Reich gehen. Moritz Arndt, der zunächst der Tribüne sitzt, weint vor tiefster Rührung, rechts und Centren eklatiren in schallendem Applaus, links Zischen. Auf den Gallerien Schweigen.</p> <p>Nach ihm wird abgestimmt, die Riesendebatte aufs neue bis morgen 9 Uhr zu vertagen. Schluß der Sitzung 1/24 Uhr. Von den 72 Rednern haben kaum ein Dutzend gesprochen.</p> </div> <div xml:id="ar058_006" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl>Frankfurt, 26. Juli.</head> <p>Die um 9 1/4 Uhr begonnene Sitzung, in welcher Ruge, Wiesner, Thinnes (bairischer Domkapitular) <hi rendition="#g">für</hi> Löwe, Sänger, Giskra <hi rendition="#g">gegen</hi> die Polen, Venedey als Mann des Justemilieu, auftraten, endigt damit, daß der <hi rendition="#g">Schluß</hi> der Debatte ausgesprochen, die Abstimmung aber auf morgen 9 Uhr vertagt wird. Es ist auf namentliche Abstimmung angetragen.</p> </div> <div xml:id="ar058_007" type="jArticle"> <head><bibl><author>31</author></bibl>Düsseldorf, 24. Juli.</head> <p>Ich bin in den Stand gesetzt, über die Verhaftung des Bürgers Julius Wulff in Düsseldorf und über die ihm nach dem Code pénal zur Last gelegten „Verbrechen“ Näheres mitzutheilen. Ihre Leser mögen daraus ersehen, inwieweit die Behauptung, daß die <hi rendition="#g">alten</hi> Gesetze nicht auf die Rede-, Preß-und Versammlungsfreiheit angewendet werden können, ohne diese illusorisch zu machen, gegründet ist.</p> <p>Der Bürger Julius Wulff in Düsseldorf ist am 8. Juli in aller Frühe durch den Oberprokurator Schnaase, Instruktionsrichter Merrem und Polizeidirektor Huthsteiner in Begleitung einiger Gensdarmen verhaftet und in das hiesige Arresthaus abgeführt worden. Derselbe ist der Uebertretung der Art. 102 und 293 des <hi rendition="#g">Strafgesetzbuches</hi> angeklagt worden, oder, wie es in dem Verhaftsbefehle heißt, beschuldigt, aufreizende Reden gehalten und Schriften verbreitet zu haben.</p> <p>Die Art. 291‒ 294 des Code pénal handeln von <hi rendition="#g">unerlaubten Gesellschaften</hi> oder Versammlungen. Der Art. 293 bestimmt, daß, wenn in einer „unerlaubten“ Versammlung durch Reden, durch Vorlesung oder Vertheilung von Schriften und dergl. irgend eine Anreizung zu Verbrechen oder Vergehen stattgefunden, der Chef dieser Versammlung mit einer Geldbuße von 100 bis 300 Fr. und Gefängniß von 3 Monaten bis zu 2 Jahren bestraft werde. Man braucht kein Jurist zu sein, um zu wissen, daß es gegenwärtig, wo sämmtliche Staatsbürger, mit alleiniger Ausnahme des Militärs, das freie Versammlungsrecht haben, keine <hi rendition="#g">unerlaubten</hi> Gesellschaften und Vereinigungen mehr geben kann. Es ist also hinsichtlich der Anwendung des Art. 293 eine unbegreifliche Uebereilung, ein Mißgriff seitens der Staatsbehörde geschehen.</p> <p>Aber wenn es mit dem Art. 293 nicht geht, so geht es vielleicht mit dem Art. 102. In den Art. 86 bis 90 Code pénal ist die Rede von <hi rendition="#g">Majestätsbeleidigung.</hi> Der Code kennt keine Majestätsbeleidigung im Sinne des Allgem. preuß. Landrechts, wonach eine einfache Injurie gegen den König zu einem Verbrechen gestempelt wird, der Code versteht unter Majestätsbeleidigung ein <hi rendition="#g">Attentat</hi> oder <hi rendition="#g">Komplott d. h.</hi> einen bereits vollzogenen resp. begonnenen, oder einen unter Verschworenen beschlossenen Angriff gegen das Leben oder die Person des Kaisers resp. Königs. Eine solche Majestätsbeleidigung wird gleich dem Elternmorde bestraft, also mit Abhauen der rechten Hand und darnach des Kopfes. Die Art. 91 bis 101 Code pénal reden von Verbrechen, die dahin zielen, die Ruhe des Staates durch Bürgerkrieg, durch gesetzwidrigen Gebrauch der bewaffneten Macht, durch öffentliche Verheerung und Plünderung zu stören. Es wird hier ebenfalls zwischen <hi rendition="#g">Attentat</hi> und <hi rendition="#g">Komplot</hi> unterschieden. Es muß entweder schon zur That geschritten oder verabredet sein, dazu schreiten zu wollen. Ein Hauptmerkmal bei diesen Verbrechen, welche ebenfalls mit dem Tode bestraft werden, ist, daß sie nur mit<hi rendition="#g">Hülfe</hi> von<hi rendition="#g">Waffen</hi> ausgeführt werden können.</p> <p>In dem Art. 102 wird nun endlich bestimmt, daß als der in den Art. 86 bis 101 erwähnten Verbrechen schuldig bestraft werden Alle diejenigen, welche durch Reden in öffentlichen Versammlungen oder durch Anschlagzettel oder Druckschriften die Bürger unmittelbar (directement) anreizen, sie zu begehen. Sind diese Anfforderungen von keinem Erfolge gewesen, so wird die Todesstrafe in die Strafe der Deportation verwandelt.</p> <p>Der Volksklub hat stets öffentliche Versammlungen gehalten. Es stand Jedem, also auch der Staatsbehörde, frei, sich über das Thun und Treiben daselbst zu unterrichten. Es ist fast in jeder Versammlung von dem einen oder dem andern Mitgliede, so auch von dem Angeklagten, vor allen thörichten, „ungesetzlichen“ Handlungen, ja einmal ausdrücklich vor Uebertretung des Art. 102 gewarn worden. Kann bei solchen Umständen,<hi rendition="#g">deren Richtigkeit durch Hunderte von Zeugen bewiesen werden kann,</hi> die Staatsbehörde durch den Art. 102 die ect. Wulff rechtfertigen? Klagt vielleicht das allgemeine Gerücht denselben obiger Verbrechen an? Im Gegentheil, es wird Niemand ihn im Ernste der genannten Verbrechen zu beschuldigen wagen. In seinen Pa- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0288/0002]
„Ich schwöre Treue dem Könige, Gehorsam der Verfassung und den Gesetzen des Preußischen Staates.
§ 41. Die Sitzungen des Gemeinderaths sind öffentlich, wenn derselbe nicht aus besondern Gründen eine Ausnahme beschließt. Persönliche Angelegenheiten dürfen nicht öffentlich verhandelt werden.
§ 45. Der Gemeinderath kann die Gemeinde zur Leistung von Diensten (Hand- und Spanndiensten) verpflichten, die Dienste werden in Geld abgeschätzt, die Vertheilung geschieht nach dem Maßstabe der direkten Staatssteuern. Abweichungen von dieser Vertheilungsart bedürfen der Genehmigung des Bezirksausschusses. Die Dienste können mit Ausnahme von Nothfällen, durch taugliche Stellvertreter abgeleistet oder nach der Abschätzung an die Gemeindekasse bezahlt werden.
§ 49. In Bezug auf die Behandlung der Gemeindewandlungen verbleibt es bei den für die einzelnen Landestheile erlassenen Gesetzen und Bestimmungen.
§ 69. Der Bürgermeister wird von der Bürgermeisterei-Versammlung auf mindestens 6 Jahre gewählt. Diese Wahl ist nicht auf Einwohner der Bürgermeisterei beschränkt.
Die Bürgermeisterei-Versammlung wählt ferner einen oder mehrere Beigeordnete aus den Gemeindewählern der Bürgermeisterei auf 6 Jahre.
Die Zahl der Beigeordneten wird von dem Bezirks-Ausschuß festgesetzt. Die gewählten Bürgermeister und Beigeordneten bedürfen in Bürgermeistereien von weniger als 1000 Einw. der Bestätigung des Landeshauptmanns, in Bürgermeistereien von mehr als 10,000 Einw. der Bestätigung des Königs.
§ 79. Die Oberaufsicht über die Gemeinden und Bürgermeistereien wird von dem Minister des Innern, dem Landeshauptmann und dem Kreishauptmann, als Organe der Staatsregierung geführt.
Die Polizeiverwaltung steht unter der Leitung dieser Behörden.
Die nichtpolizeilichen Angelegenheiten sind der Aufsicht des Bezirksausschusses überwiesen, welcher dem Kreishauptmann Aufträge ertheilen und denselben zur Erledigung einzelner Geschäfte oder Geschäftszweige ermächtigen kann.
§ 80. Beschwerden über Entscheidungen in Gemeinde-Angelegenheiten sind nur innerhalb 4 Wochen nach der Zustellung oder Bekanntmachung zulässig, sofern sie nicht überhaupt durch die Bestimmungen dieses Gesetzes ausgeschlossen oder an andere Fristen geknüpft sind.
§ 81. Wenn der Gemeinderath oder die Bürgermeistereiversammlung einen Beschluß gefaßt hat, welcher deren Befugnisse überschreitet, die Gesetze oder das allgemeine Interesse verletzt, so hat der Gemeindevorsteher, beziehungsweise der Bürgermeister, die Ausführung zu versagen. Derselbe ist sodann verpflichtet, sofort die Entscheidung des Bezirksausschusses einzuholen und den Gemeinderath, beziehungsweise die Bürgermeistereiversammlung davon zu benachrichtigen. Der Bezirksausschuß muß innerhalb 6 Wochen entscheiden, ob der Beschluß dessen Ausführung versagt ist, ausgeführt werden soll oder nicht.
Gegen die Entscheidung des Bezirksausschusses steht sowohl dem Landeshauptmann als dem Gemeinderathe oder der Bürgermeisterei-Versammlung innerhalb 10 Tagen die Berufung an den Minister des Innern zu.
§. 83. Der König kann einen Gemeinderath oder eine Bürgermeisterei-Versammlung vorläufig ihrer Verrichtungen entheben und dieselben besonderen Kommissarien übertragen. Die schließliche Bestimmung erfolgt alsdann durch ein Gesetz.
§. 84. In Betreff der Suspension, Entsetzung und unfreiwilligen Entlassung der Bürgermeister, Vorsteher und sonstigen Gemeindebeamten kommen die darauf bezüglichen besonderen Gesetze zur Anwendung.
Wir werden auf diesen Entwurf, welcher Wahl nach Census, Bestätigung der Regierung, Eidesleistung zur „Treue für den König“, Beschränkung der Oeffentlichkeit, und ein Recht des Königs zur Suspension der Versammlungen enthält, später ausführlich zurückkommen.
!!! Frankfurt, 25. Juli. ‒ 47.Sitzung der Nationalversammlung. ‒ Tagesordnung: Fortsetzung der Debatte über die Posener Frage. ‒ Präsident v. Gagern. ‒ Verlesung des Protokolls.
v. Radowitz: Sieht mit Bedauern, daß Konfekkionsstreit sich in diese politische Frage mische. Wenn es hierin um Vertheidigung der katholischen Kirche handle, so würden in dieser Versammlung alle Rücksichten schwinden. Dies ist nicht so ! ‒ Daß ein katholisches Land durch Aufnahme in den deutschen Bund an seinem Glauben gefährdet werde, weise ich entschieden zurück.(Dieser Pfiff des Herrn v. Radowitz soll ihm 200 katholische Stimmen in der Versammlung retten; gestern als Jordan die Proklamation des katholischen Klerus an die polnischen Bauern verlas, sagte Hr. v. Radowitz: das ist ein ungeschickter Mensch, das hätte er ja nicht lesen sollen.) Der Redner macht mit Wehmuth aufmerksam auf die 10 Millionen preußischer Thaler, die Posens Befestigung kostet, und die man zu verlieren riskirt. Wer den Ausschußantrag verwerfen will, muß entweder wollen, daß die ganze Provinz Posen polnisch oder ganz deutsch werde. Das erste sei unmöglich, und wer das zweite will, will 1 1/2 Millionen Deutsche einem künftigen Polenreiche opfern. Dies wäre eine Theilung Deutschlands. (rechts sehr brav, links oh!) Gott bewahre uns davor! (Bravo!) Frankreichs Kriegsdrohung, wenn Polen nicht freigegeben würde, sei kein Recht, und weißt Hr. v. R. muthig zurück. (Bravo und Zischen.) Eine solche Zumuthung wie die von der Linken betreffs Polens stellen, wäre in jeder Kammer eines andern Landes unmöglich. Daß sie hier möglich, lobe er nicht und tadle er nicht. Das liegt im deutschen Charakter. Er nennt die Polen ein providentielles Volk.
Schufelka: Nach dem ausgezeichneten Redner vor mir muß ich fürchten, poetisch sentimental zu erscheinen. Diese Frage muß vom Standpunkt des Herzens und Gefühls, nicht blos des kalten Verstandes betrachtet werden. Er weist die grausame Beurtheilung des Polencharakters zurück, diese nehme man nur vor, um sein Gewissen zu beschwichtigen. Miser res sacra! Die Worte, die hier gesprochen worden, seien Dolchstiche in verblutende Herzen. Hr. Jordan hat vergessen, die uns zu gut kommenden Stellen der Polengeschichte hervorzuheben, z. B. die Verbindung der Polen mit den Deutschen gegen die Türken (Johann Sobiesky). Was Jordan von einem Polenrausch gesagt, sei nicht mehr anwendbar, nüchterne Sympathien, gegründet auf Rechtsprinzipien, seien an dessen Stelle getreten Betreffs des polnischen Adels, wenn er auch die Verderbniß desselben zugebe, könne kein Demokrat soweit gehen, ihn ganz auszurotten à la Galizien. (Zischen rechts.) Den polnischen Bauer betreffend und dessen Roheit etc., bei uns sei dies nicht viel anders. Alle Geschichtsmänner, die auf höherm Standpunkt, haben Polens Theilung verdammt; jetzt das Gegentheil behaupten wollen, und den Grund der Humanisirung vorzuschieben, sei eine Floskel. Jordan habe das unpassende, das schauerliche Wort ausgesprochen, Polen war nach der ersten Theilung schon eine Leiche, dann seien die Könige, die es noch einmal getheilt, Leichenzerreißer, Hyänen, und die Nationalversammlung sei der Todtengräber (Moritz Arndt und die Rechte lärmen.) Der Redner; ich werde wohl hier und jetzt Redefreiheit haben, nachdem sie mir so lange von der Polizei untersagt war. Wäre Polen todt, wir müßten es auferwecken. Den Hrn. Radowitz blamirt der Redner wegen seiner Theilungsansichten. (man lacht Hrn. v. R. aus.) Schuselka fährt fort: Das ist nicht zum Lachen. Sogar der König von Preußen, Friedrich Wilhelm III, hat eine nöthige Organisirung, der Polen anerkannt, sie gewollt aber nicht gekonnt. Das Vorparlament und der Fünfziger-Ausschuß haben sich dieser Ansicht geneigt gezeigt. Wenn der Nationalversammlung die Endentscheidung in dieser neuen Theilung gegeben sei, so sei dies gegen alles Staatsrecht, denn die ersten Theilungen waren einseitig beschlossen.‒ Wenn wir dies thun, kommen wir in Widerspruch mit drei andern von unsern Beschlüssen (betreffs Tyrols, Böhmens und Schleswigs). Ferner kommen wir im Konflikt mit Frankreich und Rußland. Die Franzosen sind sehr aufmerksam auf diese Versammlung.
Rußland wird das Stückchen Polen, was Preußen freigiebt, nehmen.
Er begreift gar nicht den Zarsinn der Versammlung Rußland gegenüber. In Deutschland spricht man davon, daß diese Posener Angelegenheit zum absichtlichen Kriegsgrund hingeworfen ward, um die Demokratie durch Krieg zu unterdrücken.‒AntragDie Nationalversammlung wolle die einseitige Theilung Polens weder vom staatsrechtlichen Punkte, noch vom nationalen billigen, sondern möge die preußische Regierung auffordern, die selbstständige Verwaltung Posens mit Wahrung beider Nationalitäten auszusprechen und die Theilung der Provinz bis auf weiteres zu verschieben. Nur ja möge man nicht die Ausschußanträge annehmen.
(Bravo.)
Folgt der Grafv Wartensleben: Sein Herz schlägt für Polen. Wenn erein Pole wäre, würde er aus dem kleinen ihm zugestandenen Theil einen Stamm bilden für die Zukunft. Der Wille der preußischen Nation sei (unterstützend ihren König) in dieser Sache maßgebend, die Versammlung habe nur formell diesen Willen zu ratifiziren. (Beim Schluß ein sehr dünnes Bravo.)
Janizewski(Pole): Beschuldigungen sind von dieser Tribüne gegen die Polen geschleudert, Mängel und Fehler von Jahrhunderten auf einen Haufen geworfen. Er hat eine höhere Pflicht zu erfüllen als auf diese Erbärmlichkeiten zu erwidern. Aber das müsse er sagen, so wie von hier aus seien die Polen selbst von den Russennicht verhöhnt worden. Zwei Vorwürfe will er widerlegen: bei dem Polenthum vorgeworfenen Kampf gegen den Germanismus. Er könne sagen, wer diesen Kampf angeregt. (Die Rechte schreit: er solle es sagen. Gagern weist die Rechte zurecht.) Die preuß. Untersuchungskommission werde diese Vorwürfe zu recht bringen. Dies Urtheil solle man erwarten. Er könne nicht einzelne Bilder, eine ganze Bildergallerievon Niederträchtigkeiten der Deutschen geben. Er hasse aber diese Art Gründe. Er hat andre als Recriminationen. Der zweite Vorwurf als haben die Deutschenden Wohlstand Posens gegründet, sei gleichfalls falsch. ‒ Der Redner verliest hierbei eine Kabinetsordre vom 13. März 1833, welche den Nachweis liefert, daß von preußischer Regierung offiziell die subhastirten polnischen Grundstücke nur an Deutsche verkauft werden sollen. ‒ Zur Sache! soll das Großherzogthum zum deutschen Bunde gehören, so müsse es deutsches Bundesgebiet sein. Nur dann auch könne eine deutsche National-Versammlung in dieser Sache entscheiden, dies sei aber unwahr. (Beim geschichtlichen Nachweis dieser Unwahrheit unterhalten sich Hr. v. Radowitz und der edle Fürst Lychnowsky lächelnd von Allotriis). Man hat die Einverleibung Posens in den deutschen Bund mit solcher Eile betrieben, als ob man befürchte, daß bei verändertem Beamtenpersonal sich der Volkswille aus dem Lande flüchten werde. Seine Committenten hätten gegen jede Wahl zum Parlament protestirt; als sie dazu gesetzlich gezwungen haben sie ihn, vom polnischen Comite gewählt, überzeugt, daß bei seiner Kenntniß der Sachlage er nie zugeben werde, daß Posen eine deutsche Provinz werde. (Schallendes langes Bravo und Händeklatschen links und Gallerie). Diese Wahl habe er angenommen im Vertrauen auf die Gerechtigkeit der deutschen Nation.
Ueberall in Posen, so weist er numerisch nach, sei die polnische Bevölkerung überwiegend. Soll also der Volkswille entscheiden, so müsse man warten bis das Statistische festgestellt sei. Ueber eine Demarkationslinie könnte man nur mit einem Staate Polen verhandeln, es sei aber kein Polen da. Man übe also einen Akt der Gewalt. Jene Fürsten in Wien haben zwar den polnischen Staat getheilt, aber die Nation haben sie immer, obschon unter drei fremden Sceptern, noch anerkannt. ‒ Von diesen Dreien dürfe jetzt nicht der eine (d. preußische) eigenmächtig verfügen, deshalb dürfe Preußen nicht eine polnische Provinz dem Bundestag anbieten, noch dieser sie annehmen. ‒ Dieses Grundes bediene er sich mit Schmerz, nur um zu zeigen, daß das heutige Unrecht noch größer ist als die Theilungen. Heute vernichtet man die Nation,damals den Staat. Soll zu diesem Unrecht die Versammlung die Hand bieten.(Schallendes Bravo!) Ferner ist etwa die deutsche Nation gefährdet durch eine sogenannte Reorganisation Posens? ‒ hat man in dieser Reorganisation nicht bloß Billiges verlangt? Hierüber hat eine Kommission berathen, die überwiegend Deutsch war. Wer bedarf da Schutz, die Deutschen gegen die Polen, oder umgekehrt. Und wäre ein Schutz nöthig, hat Deutschland keinen andern Schutz als eine Theilung? Schützt etwa Deutschland seine Brüder in England, Frankreich etc. in dieser Weise? (Hohngelächterrechts übertönendes Bravo der Linken und Gallerien). Der Redner giebt jetzt noch eine Beurtheilung der konkreten Wahlen in Polen. Konnte man damals in Polen frei wählen wo schon das Martialgesetz galt? (Links sehr gut, ausgezeichnet, rechts Zischen). Zur Zeit der Wahlen durfte kein Pole auf der Straße sich zeigen; man war quasi vogelfrei.
Der Redner ruft die deutschen Sympathien nicht an, er ist nicht gekommen als Bettler, er fordert Recht! (Langanhaltendes Bravo). Man solle nur das unangetastet lassen was sogar die Gerechtigkeit der Fürsten verschonte! Was gewinnt Deutschland in dieser Sache? 500,000 erbitterte Feinde! Was für Staatsbürger! Man hat die Polen verschluckt, aber verdauen wird man sie schwerlich! (Donnerndes Bravo). Sie, meine Herren, selbst Deutsche, wollen zu Gericht sitzen in ihrer eigenen Sache? Seien Sie gerecht. Ich will nur Gerechtigkeit, nur Gerechtigkeit! (Begeisterter, langer Beifall).
Kerst aus Polen verlangt aufmerksames Gehör für seine lange Entgegnung auf Janiczewski's Rede und seine lange Vertheidigung des deutschen Anrechts. Erfolg dieses Verlangens. Rechts und links Leeren der Bänke, Frühstückengehn, Theilnamlosigkeit an der Debatte. Im ganzen Saale kaum 200 Abgeordnete. Kerst's Rede hat zuletzt nur noch einen andächtigen Zuhörer.‒ Hrn. Christ. Clemens aus Bonn bekämpft die Anträge des Ausschusses. Zwei Punkte stehen fest für mich 1) es muß die Polen'sche Frage hier in einer für immer Deutschland Ehre bringenden Art entschieden werden. 2) Die Zustände in Polen können nicht fortbestehen wie sie gegenwärtig.
Der Posener Landtag war mit 26 Stimmen gegen 17 für die Nichteinverleibung in den deutschen Bund.
Konfessionelles habe wohl influirt. (Rechts wird man unruhig, Linke schreit Redefreiheit. Präsident verweist die Rechte). Der Redner stellt Anträge die den Ausschußanträgen widersprechen und meint bei Annahme seiner Anträge würde sich die Versammlung wenigstens nicht viel vergeben (man schreit Schluß).
Ostendorf aus Westphalen wirft dem vorigen Redner Ungründlichkeit vor und ist so gründlich, Jordan's Rede nicht nachzusprechen, sondern sogar abzulesen. Warum nicht die Polenlieder desselben Berliner Literaten, der in der vorigen Versammlung davor gewarnt hat, „poetische Sentimentalitäten“ (Jordan's Polenlieder) ernst zu nehmen. So ist aber der Berliner Literat).
(So eben erfahre ich, daß im Ganzen nur 72 Redner eingeschrieben sind).
Schmidt(Löwenberg) macht den vorigen Redner lächerlich, der gesagt habe, mit Jordan's Rede sei das Thema erschöpft. (Heiterkeit.) Nicht 20 seien in der Versammlung, die einen klaren Blick in die Posener Ereignisse hätten. Selbst er könne es nicht (Gelächter rechts), trotzdem er sein subjektives Urtheil darüber, da er lange in Posen gewesen, gebildet habe. Bekämpft v. Radowitz Ansicht, als würden durch gänzliche Hingebung Posens an Polen 11/2 Mill. deutsche Brüder geopfert. Man habe nur Rücksicht auf die Petitionen um Einverleibung Posens genommen, nicht auf die Protestationen dagegen. (Mißbilligung der Rechten.) Er macht diese Mißbilligung lächerlich. (Die ganze Versammlung lacht.) Wie man jetzt auf einmal dazu käme, die Posener Juden Brüder zu nennen? (Großes Lachen und Bravo.) Auch bei der thatsächlichen gezogenen Demarkationslinie habe der Ausschuß die Versammlung mit statistischer Begründung im Stich gelassen. Das ist zu bedauern. (Rechts: Schluß! Links: Ruhe!) Auch die zweite Demarkationslinie ist eine die polnische Nation tief verletzende. Der Redner kennt die Statistik genau, er zeigt, daß der Ausschuß falsch berichtet hat. Jeder andere Weg sei besser, nur nicht auf die Ausschußanträge eingehen. Wenn Sie dies thun gegen das verpfändete Wort des Fünfziger-Ausschusses, so haben sie das Pfand der deutschen Ehre nicht eingelöst. Die Konsequenz ist: daß sie das Vorparlament desavouiren.(Rechts einige Stimmen: Ja!) Sie werden damit sagen, daß sie sich selbst der Idee der Wiederherstellung Polens entfremden. (Bravo!) Er verliest einige Stellen aus des Abgeordneten v. Flottwells, früheren Posener Ober-Präsidenten, Buche über Posen, worin dieser sagt: daß den Polen eine Reorganisation und Bewahrung der Nationalität versprochen, und trotz dieses Versprechens auf die schon damals stattgehabten Germanisirungsversuche Posens hingewiesen wird. (Rechts: Nicht weiter lesen. Links höhnisches Gelächter).Antrag des Redners: Vorarbeiten zu liefern zu endlicher Entscheidung in dieser Sache.
Der Einwand, diese Verzögerung werde Gefahr bringen, sei falsch. ‒ Man würde sich in Polen freuen, wenn der Beschluß aufgehoben werde. Zuletzt weist er auf den Verdacht hin, die Presse habe durch die in den letzten Zeitungsblättern angekündigten neuen Schilderhebungen in Posen auf den Beschluß der Versammlung einwirken wollen. Am Tage der Einreichung des Ausschußberichtes über diese Sache sei eine Deputation bei v. Gagern gewesen, die einen neuen bevorstehenden Aufruhr in Polen denuncirt hätte. (Geschrei in der Versammlung: Ist das wahr?) Gagern erklärt sich für die Unwahrheit dieses Ausspruches. (Zischen rechts; lautes Bravo links und Gallerien).
Lychnowsky(der ritterliche Deklamator) will sich so kurz wie möglich fassen. Seine Rede besteht fast nur aus Angriffen auf die Redner von der Linken und Ausfällen gegen einzelne Punkte, die er nach Gutdünken planlos aus ihren Reden herausreißt. Janiczewski habe gesagt: „er berufe sich nicht auf die Sympathien für die Polen;“ doch hätte er es sehr stark gethan; aber die Polen besäßen jene Sympathien nur noch in einzelnen Fraktionen. Warum? Weil bei allen Rebellionen aller Länder die Polen an der Spitze.
Unter andern fängt der Redner eine Periode seiner Rede also an: Für das historische Recht meine Herren, gibt es kein Datum nicht. (Gelächter). Der Redner weiß nicht, weshalb man lacht und wiederholt den Satz mit erhöhter Stimme (stärkeres Gelächter); er wiederholt ihn zum dritten Male mit höchster Stimmlage (ungeheures Gelächter); endlich verbessert er sich: für das historische Recht gibt es kein Datum (Bravo); er entrüstet sich über diese Verläugnung des historischen Rechts. Die Polen würden sich nicht begnügen mit Posen, er müßte einen schlechten Begriff von ihnen haben, wenn sie dieses thäten. Sie würden einen Hafen haben wollen, sie würden Danzig nehmen wollen. Dies würde Blut geben, viel Blut! Wehe! Wehe! Er interpellirt den Ministerpräsidenten, welcher nicht da ist. (Die Linke schreit: abgekartete Sache). Da interpellirt er auch den Kriegsminister: ob der Besitz des Ostens sicher sei, möglich sei, ohne die Festung Posen.
So fährt er mit Komödiantenstreichen fort und ersetzt durch Forciren der Stimme, was ihm an Gründen abgeht. Er schließt mit dem Arndt'schen Verse: „So weit die deutsche Zunge klingt, und Gott im Himmel Lieder singt,“ soll das deutsche Reich gehen. Moritz Arndt, der zunächst der Tribüne sitzt, weint vor tiefster Rührung, rechts und Centren eklatiren in schallendem Applaus, links Zischen. Auf den Gallerien Schweigen.
Nach ihm wird abgestimmt, die Riesendebatte aufs neue bis morgen 9 Uhr zu vertagen. Schluß der Sitzung 1/24 Uhr. Von den 72 Rednern haben kaum ein Dutzend gesprochen.
* Frankfurt, 26. Juli. Die um 9 1/4 Uhr begonnene Sitzung, in welcher Ruge, Wiesner, Thinnes (bairischer Domkapitular) für Löwe, Sänger, Giskra gegen die Polen, Venedey als Mann des Justemilieu, auftraten, endigt damit, daß der Schluß der Debatte ausgesprochen, die Abstimmung aber auf morgen 9 Uhr vertagt wird. Es ist auf namentliche Abstimmung angetragen.
31 Düsseldorf, 24. Juli. Ich bin in den Stand gesetzt, über die Verhaftung des Bürgers Julius Wulff in Düsseldorf und über die ihm nach dem Code pénal zur Last gelegten „Verbrechen“ Näheres mitzutheilen. Ihre Leser mögen daraus ersehen, inwieweit die Behauptung, daß die alten Gesetze nicht auf die Rede-, Preß-und Versammlungsfreiheit angewendet werden können, ohne diese illusorisch zu machen, gegründet ist.
Der Bürger Julius Wulff in Düsseldorf ist am 8. Juli in aller Frühe durch den Oberprokurator Schnaase, Instruktionsrichter Merrem und Polizeidirektor Huthsteiner in Begleitung einiger Gensdarmen verhaftet und in das hiesige Arresthaus abgeführt worden. Derselbe ist der Uebertretung der Art. 102 und 293 des Strafgesetzbuches angeklagt worden, oder, wie es in dem Verhaftsbefehle heißt, beschuldigt, aufreizende Reden gehalten und Schriften verbreitet zu haben.
Die Art. 291‒ 294 des Code pénal handeln von unerlaubten Gesellschaften oder Versammlungen. Der Art. 293 bestimmt, daß, wenn in einer „unerlaubten“ Versammlung durch Reden, durch Vorlesung oder Vertheilung von Schriften und dergl. irgend eine Anreizung zu Verbrechen oder Vergehen stattgefunden, der Chef dieser Versammlung mit einer Geldbuße von 100 bis 300 Fr. und Gefängniß von 3 Monaten bis zu 2 Jahren bestraft werde. Man braucht kein Jurist zu sein, um zu wissen, daß es gegenwärtig, wo sämmtliche Staatsbürger, mit alleiniger Ausnahme des Militärs, das freie Versammlungsrecht haben, keine unerlaubten Gesellschaften und Vereinigungen mehr geben kann. Es ist also hinsichtlich der Anwendung des Art. 293 eine unbegreifliche Uebereilung, ein Mißgriff seitens der Staatsbehörde geschehen.
Aber wenn es mit dem Art. 293 nicht geht, so geht es vielleicht mit dem Art. 102. In den Art. 86 bis 90 Code pénal ist die Rede von Majestätsbeleidigung. Der Code kennt keine Majestätsbeleidigung im Sinne des Allgem. preuß. Landrechts, wonach eine einfache Injurie gegen den König zu einem Verbrechen gestempelt wird, der Code versteht unter Majestätsbeleidigung ein Attentat oder Komplott d. h. einen bereits vollzogenen resp. begonnenen, oder einen unter Verschworenen beschlossenen Angriff gegen das Leben oder die Person des Kaisers resp. Königs. Eine solche Majestätsbeleidigung wird gleich dem Elternmorde bestraft, also mit Abhauen der rechten Hand und darnach des Kopfes. Die Art. 91 bis 101 Code pénal reden von Verbrechen, die dahin zielen, die Ruhe des Staates durch Bürgerkrieg, durch gesetzwidrigen Gebrauch der bewaffneten Macht, durch öffentliche Verheerung und Plünderung zu stören. Es wird hier ebenfalls zwischen Attentat und Komplot unterschieden. Es muß entweder schon zur That geschritten oder verabredet sein, dazu schreiten zu wollen. Ein Hauptmerkmal bei diesen Verbrechen, welche ebenfalls mit dem Tode bestraft werden, ist, daß sie nur mitHülfe vonWaffen ausgeführt werden können.
In dem Art. 102 wird nun endlich bestimmt, daß als der in den Art. 86 bis 101 erwähnten Verbrechen schuldig bestraft werden Alle diejenigen, welche durch Reden in öffentlichen Versammlungen oder durch Anschlagzettel oder Druckschriften die Bürger unmittelbar (directement) anreizen, sie zu begehen. Sind diese Anfforderungen von keinem Erfolge gewesen, so wird die Todesstrafe in die Strafe der Deportation verwandelt.
Der Volksklub hat stets öffentliche Versammlungen gehalten. Es stand Jedem, also auch der Staatsbehörde, frei, sich über das Thun und Treiben daselbst zu unterrichten. Es ist fast in jeder Versammlung von dem einen oder dem andern Mitgliede, so auch von dem Angeklagten, vor allen thörichten, „ungesetzlichen“ Handlungen, ja einmal ausdrücklich vor Uebertretung des Art. 102 gewarn worden. Kann bei solchen Umständen,deren Richtigkeit durch Hunderte von Zeugen bewiesen werden kann, die Staatsbehörde durch den Art. 102 die ect. Wulff rechtfertigen? Klagt vielleicht das allgemeine Gerücht denselben obiger Verbrechen an? Im Gegentheil, es wird Niemand ihn im Ernste der genannten Verbrechen zu beschuldigen wagen. In seinen Pa-
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Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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