Neue Rheinische Zeitung. Nr. 58. Köln, 28. Juli 1848.pieren ist nichts Verfängliches gefunden. Weit entfernt, daß man ihn der Uebertretung des Art 102 überführen kann, liegt nicht einmal ein gegründeter Verdacht gegen ihn vor; es steht daher zu erwarten, daß er bald aus der Haft entlassen werden wird, wenn die Behörde ihm nicht aus der Verbreitung des "republikanischen Katechismus" ein Verbrechen machen will. 38 Bernkastel, 23. Juli. Gestern wurde hierselbst in Folge eines Preßvergehens die Verhaftung eines ansäßigen allgemein beliebten Bürgers, mit imponirendem Kraftaufwand vorgenommen. Der "Gefahndete" hatte einige mißliebige Artikel in einem hiesigen Provinzialblatt veröffentlicht. Am Morgen unmittelbar nach der Ankunft des Staatsprokurators John und des Untersuchungsrichters Mathieu schritt die ganze exekutive Gewalt von Bernkastel, bestehend aus einem berittenen und einem Fuß-Gensdarmen, unter der persönlichen Leitung des genannten Staatsprokurators zu der Arrestation, die in einem fremden Hause statt fand, wo sich eben der Arrestant aufhielt. Bald nach dem Verhör wurde der Verhaftete auf einem andern Wege, als die zusammengelaufene Volksmenge erwartete, "nach Trier abgeführt." Die Frauen drängten die Männer zur gewaltsamen Befreiung des Gefangenen. Die Männer widerstanden der lockenden "Verführung "auf das Anrathen Ihres Korrespondenten, beschlossen vielmehr eine Volksversammlung abzuhalten, welche heute statt fand und sehr zahlreich besucht war." Man faßte den einstimmigen Beschluß, daß sofort für den unbemittelten Mitbürger die Kaution in Geld gestellt und seine provisorische Freilassung gefordert werden sollte, sowie, daß zur Beseitigung der zwei angeblich in den incriminirten Zeitungsartikeln verläumdeten Beamten (Friedensrichter Voll und Bürgermeister Schwan) die geeigneten Schritte gethan werden müßten. 14 Herford, 26. Juli. Herr Dallmann, Colonus aus Elverdissen, dessen Einsicht bis dato über die bäuerlichen und pietistischen Angelegenheiten von Elverdissen nicht hinausging und der erst von der Reaktionspartei in Berlin erfuhr, er sei ein Mann von exceptionellen Geistesgaben und könne zum Winkelried an den Destruktiven werden. Herr Dallmann hat nachfolgende offene Erklärung an die Wähler des Kreises erlassen. Diese "offene" Erklärung ist mit der größten Heimlichkeit an konservative Wähler vertheilt worden. Den Argusaugen des landräthlichen Bureaus sogar scheint sie entzogen worden zu sein. Offene Erklärung an die Wähler des Kreises. Die Deputirten der Provinz Westphalen haben ihren Sitz in der preußischen Nationalversammlung eingenommen, in der Ueberzeugung, daß das Wahlgesetz vom 8. April d. J. der Rechtsboden sei, auf dem sie stehen und daß ihre Vollmacht vorab dahin laute: eine Verfassung mit der Krone zu vereinbaren. Indem sie eine große geistige Bewegung Europas und des Vaterlandes anerkennen, verwerfen sie die sogenannte Berliner Revolution mit ihren gefährlichen Consequenzen der Volkssouveränetät und Infragestellung aller Rechtszustände. Westphalen will keine Reaktion, sondern das volle Maaß gesetzlicher Freiheit auf den Grundlagen der Intelligenz und gesichert vor roher Gewalt. Die Provinz will nicht den Eid verletzen, welchen sie dem Könige geschworen hat, nicht von der Vergangenheit scheiden, wie der verlorene Sohn vom Hause seines Vaters; sie will das alte Kleinod der Treue bewahren auf dem freien Erbe ihrer Väter. Die Vertreter Westphalens haben das Ministerium Camphausen unterstützt wie ein Mann, im Interesse der Ordnung und Gesetzlichkeit, unter deren Schutz allein die Nahrungsquellen sich ergießen; sie haben es um so freudiger gethan, weil dieses Ministerium ihrer Ueberzeugung entsprach. Camphausen, der Mann von großer politischer Fähigkeit und trefflicher Gesinnung ist vom Schauplatz abgetreten als schlichter Bürger, begleitet von der Hochachtung aller Parteien, welche ihm als Votum des Vertrauens den Präsidentenstuhl in der Kammer angeboten. Darin liegt die Rechtfertigung unseres politischen Handelns dem Lande gegenüber. Das neue Ministerium Auerswald hat in seinem Programm eine Anerkennung der Märzrevolution in unbestimmten Ausdrücken ausgesprochen, welcher wir nicht beitreten können. Es ist auf rother Erde nicht Sitte, die Ueberzeugung des Mannes zu wechseln wie ein Kleid. Die hier erschienenen zahlreichen Deputationen aus Rheinland und Westphalen geben die feste Zusicherung, daß unsere Grundsätze die der entschiedenen Mehrzahl unserer Machtgeber sind, und ermahnen uns, gesinnungstreu auf dem bisherigen Rechtsboden zu verharren. Demgemäß erklären wir hiermit öffentlich, daß uns das Programm des Ministeriums Auerswald nicht genügt, in dem seine unklare Fassung unser politisches Glaubensbekenntniß nicht enthält. Insofern das Ministerium wirklich ein Ministerium der That sein wird, werden wir jede Maaßregel zur Herstellung der Ruhe und Ordnung und den Fortschritten der Zeit angemessenen Gesetzesvorschläge, ohne Parteirücksichten unterstützen. Auf welcher Seite des Hauses wir künftig auch sitzen mögen, wir werden folgerecht die ausgesprochene Gesinnung unseres Landes mit Ehren zu vertreten streben. Um in schwierigen Zeitenkein Aufsehen durch Kollektivunterschriften zu erregen, ist beschlossen worden, diese Erklärung von jedem einzelnen Deputirten an seine Wähler abgehen zu lassen. Berlin, 17. Juli 1848. gez. Dallmann. 15 Berlin, 24. Juli. Kuhr aus Preußen (zur Linken gehörend) ist beschuldigt worden, bei Gelegenheit des Zeughaussturmes am 14. Juni, Waffen aus dem Zeughause entnommen zu haben. Der bisherige Staatsanwalt beim Kammergericht, Herr v. Kirchmann hat, da nach dem neuen Gesetze die gerichtliche Verfolgung eines Deputirten ohne Genehmigung der Nationalversammlung nicht stattfinden darf, bei derselben einen Antrag eingereicht, welcher die Bewilligung, den erwähnten Abgeordneten in Anklagezustand versetzen zu dürfen, betrifft. Der Antrag wurde den Abtheilungen zur Vorberathung überwiesen; dieselben entschieden sich zum größten Theil dafür, und ebenso die aus den einzelnen Abtheilungen gebildete Central-Abtheilung. Wir werden also nächstens das interessante Schauspiel haben, wenn, wie zu erwarten, die Majorität der Nationalversammlung sich ebenfalls für gerichtliche Verfolgung ausspricht, einen des gemeinen Diebstahls beschuldigten Deputirten vor den Schranken des Gerichts gestellt und zu mehrjähriger Zuchthausstrafe verurtheilt zu sehen. Wie unsere Regierung die nationale Reorganisation des Großherzogthums Posen auffaßt, können Sie daraus ersehen, daß das polnische Gymnasium in Posen trotz aller Vorstellungen des Erzbischofs Przyluski und anderer Polen, noch immer geschlossen ist. Der frühere Kultusminister, Graf Schwerin, hatte die Eröffnung des Gymnasiums bereits befohlen, da protestirte der General Pfuel und der Oberpräsident Beurmann, ebenso die Posener Stadtbehörden. Schwerin trat ab und Rodbertus an seine Stelle. Dieser war dem Gymnasium günstiger, allein er fand bei den übrigen Ministern Widerspruch. Und so ist die Sache, nachdem Rodbertus abgetreten, noch immer unentschieden. Eine Bevölkerung von 18,000 Polen, die, selbst nach Angabe der Deutschen, in der Stadt Posen lebt, wird so verhindert, ihre Jugend unterrichten zu lassen. Und das nennt man Achtung der Nationalität! Freilich, die preußische Regierung erklärt, daß der ganze Kreis zum deutschen Bunde gehört; also sind mit einem Mal alle Polen daraus verschwunden, oder haben wenigstens plötzlich ihre Muttersprache verloren! 14 Berlin, 25. Juli. Ueber den alten Polizeistaat ist jetzt mit Bestimmtheit entschieden, er ist gefallen, an seine Stelle der Konstablerstaat getreten. Seit gestern sind nämlich die früher militärisch gekleideten Polizeidiener verschwunden und die Straßen dicht mit bürgerlich gekleideten Konstablern besetzt. Die militärische Polizei hat der bürgerlichen Platz machen müssen, das wahre Zeichen des Umschwunges in Preußen, der die Bourgeoisie scheinbar zur Herrschaft gebracht. Diese bürgerliche Einrichtung kostet den Staat jährlich allein für die Stadt Berlin 300,000 Thlr. Doch was liegt den großen Kapitalisten daran, der Mittelstand und die Arbeiterklasse zahlen ja diese neue Sicherheit des Bourgeoisthums. Uebrigens eignet sich die Einrichtung ganz besonders zum Spioniren. Unter Boltshaufen und besonders am Abend sind diese Leute kaum zu erkennen. Gestern Abend war bei Gelegenheit der Einführung der Konstabler seit langer Zeit wieder einmal Lindenklub, d. h. jene zufällige Versammlung, die sich sonst Abends immer unter den Linden an der Ecke von Kranzler einfand. Ich drängte mich in die Masse hinein, die heftig über die Konstabler diskutirte, bemerkte aber bald, daß ein Theil dieses Klubs aus Konstablern selbst bestand, die mit dem ruhigsten Anschein der Diskussion zuhörten. Da die Konstabler den Straßenklub nachgerade auseinander sprengen wollten, kam es zu einigen Handgreiflichkeiten, denen sie weichen mußten. Begierig ist man nun, was die Regierung aus den frühern Polizeimannschaften und der Gendarmerie machen will. Einstweilen bestehen sie noch neben den Konstablern, vielleicht sollen die Provinzen damit beglückt werden? 103 Berlin, 25. Juli.
Nach Eröffnung der heutigen Sitzung der Vereinbarer-Versammlung wurde zuerst ein dringender Antrag des Abgeordneten von Unruh, über Bildung der Spezialkommission für die Verhältnisse des Handwerkerstandes und deren Verhältniß zu der Fachkommission für Handel, Gewerbe und Arbeit, wie sie sich vorkommenden Falls gegenseitig zu ergänzen haben, angenommen. Hierauf folgt eine dringliche Interpellation des Abgeordneten v. Pokrzywincki an das Staats-Ministerium, "ob das Ministerium geneigt sei über den Bau und die Richtung der Ostbahn der Versammlung die nöthigen Mittheilungen zu machen? und weßhalb das Ministerium den Bau der Ostbahn bei Driesen anfangen ließ, ohne vorher die Genehmigung wegen Richtung dieser Bahn von der Versammlung einzuholen?" Die Interpellation wurde dadurch motivirt, daß diese Bahn für die davon berührten Provinzen sehr wichtig sei. Bereits dem ersten vereinigten Landtage waren Vorlagen zum Baue dieser Bahn gemacht, ihre Nützlichkeit und Zweckmäßigkeit, sowie die Nothwendigkeit der Bahn für die Provinz Preußen wurde anerkannt, nur im Betreff der Geldbewilligung konnte man sich nicht einigen. Daß der Bau der Ostbahn bald zur Ausführung komme ist um so mehr nothwendig, da es in der Provinz Preußen mitunter noch an den nöthigen Kommunikationswegen fehlt und die Nothwendigkeit der schnellen Verbindung mit dieser Provinz anerkannt ist. Die Richtung, welche die Bahn nehmen soll, ist für die betreffenden Bezirke sehr wichtig. Die Regierung hat sich aber berufen gefühlt, die Arbeiten der Bahn an Punkten beginnen zu lassen, in einer Richtung, die vom vereinigten Landtage sogar sehr stark angegriffen war. Der Finanzminister Hansemann antwortete: Ich werde mich bemühen kurz zu sein. Die Regierung hat schon früher erklärt, sowie die Verhältnisse günstiger würden, sowie das Vertrauen zurückkehre, würde sie großartige Arbeiten im ganzen Lande beginnen lassen, wo auch die Ostbahn berücksichtigt werden sollte. Die Verhältnisse haben sich gebessert, das Vertrauen hat sich wieder eingestellt. Die Regierung ist nun gegenwärtig beschäftigt einen Gesetzentwurf vorzubereiten und der Versammlung vorzulegen. Bei dieser Gelegenheit und nicht bei gegenwärtiger Interpellation wird das Ministerium in eine nähere Debatte über diese Frage eingehen. Bauer aus Krotoschin: Die Unternehmungen des Staates und die Unternehmungen der Privatgesellschaften sind sehr verschiedener Natur. Der Staat muß nur das Wohl der Gesammtheit im Auge haben, dagegen eine Privatgesellschaft den pecuniären Vortheil berücksichtigen muß. Die Richtung, welche die Regierung beim Bau der Ostbahn einschlagen läßt, nimmt aber keine Rücksicht auf das Gesammtwohl. Wir müssen darauf bestehen die Richtung der Bahn selbst festzustellen. Das Ministerium will uns zwar Vorlagen machen, hat aber die Richtung schon bestimmt und in Angriff genommen, demnach hätten wir nur noch über die Geldbewilligung zu bestimmen. Finanzminister Hansemann: Ich muß dabei bleiben, daß bei Vorlage des Gesetzes die Versammlung auch über die Richtung der Ostbahn bestimmen kann, da es ihr freisteht, das Geld für die Richtung zu bewilligen, die sie beliebt. Abg. Gladbach: Der Herr Finanzminister sagte uns, daß das Vertrauen zurückgekehrt sei, das will ich glauben, aber ich möchte den Punkt, wann das geschehen ist, kennen, da, wie ich glaube, die Arbeiten an der Ostbahn schon früher angefangen haben. Finanzm. Hansemann: Das Ministerium hat seine Pflicht immer erkannt und auf seine eigene Verantwortlichkeit die Arbeiten an der Ostbahn beschlossen, um brodlosen Arbeitern Beschäftigung zu geben. Hiermit ist diese Interpellation geschlossen. Der Abgeordnete Borchardt will einen dringenden Antrag, um Aufhebung der Gesetzesstellen über den frechen Tadel der Gesetze, und Suspendirung der auf Grund dieser Gesetzesstelle eingeleiteten Untersuchungen und Verhaftungen bis zur Revision der Strafgesetze. Dieser Antrag wird aber für nicht dringend gehalten und auf die Tagesordnung gesetzt. Der Vorsitzende der Verfassungs-Kommission, Abg. Waldeck, macht noch mehrere Mittheilungen über die bisherigen Arbeiten dieser Kommission. Außer vielen Mittheilungen, die wir schon in der letzten Zeit mitgetheilt haben, ist nur noch zu bemerken: Die Erblichkeit der königlichen Gewalt in der männlichen Linie, nach dem Rechte der Erstgeburt. Mündigkeit des Königs im achtzehnten Jahre. Die Regentschaft wird bei der Unmündigkeit des Königs durch ein Gesetz bestimmt. Die Regentschaft darf nur aus einer Person bestehen, welche auch denselben Eid auf die Verfassung leisten muß wie der König. Dem König steht die Verleihung von Orden und andern Auszeichnungen zu. Die Kammern werden regelmäßig im September jeden Jahres einberufen. Werden sie nicht berufen, so versammeln sich die Kammern am letzten Tage des Monats September von selbst. Ebenso zehn Tage nach dem Tode eines Königs. Die Verf.-Kommission fand es ferner nicht für angemessen, das Großherzogthum Posen von der Verfassung auszuschließen.- Schließlich ist noch zu bemerken, daß die Verfassungs-Kommission nur noch einige Sitzungen mit der Redaktion des Entwurfs und der Feststellung der Motive zu halten haben wird. Hierauf entwickelt sich eine sehr lange Verhandlung über den Kommissionsbericht die zur Geschäftsordnung eingegangenen Abänderungsvorschläge betreffend. Sie sind ohne alles Interesse, bis auf diejenigen die Einbringung und Behandlung der Interpellationen betreffend. Es waren mehrere Anträge eingegangen, wonach jede Interpellation von der Majorität oder von 50 bis 100 Mitgliedern unterstützt werden sollte, ehe sie gestellt werden könne. Besonders sprach der Abg. Baumstark sich stark gegen die Zulassung von Interpellationen aus, die nur wie bisher die Zustimmung von 25 Mitgliedern nöthig hätten. Er ist dagegen, weil, wie Andere sagen, die Interpellationen uns von der Berathung des Verfassungsentwurfs abhalten, und das Land mit Sehnsucht auf unsere eigentliche Thätigkeit harre. Dem kann ich nicht beistimmen. Wir haben sehr viel gethan. Wenn das Land und die Presse in unsere Abtheilungsarbeiten hineinsehen könnte, würden sie anders urtheilen. Es ist mir sogar sehr lieb, daß wir nicht gleich in den ersten Wochen die Verfassung berathen haben, denn die Versammlung mußte sich erst näher kennen lernen und sich in verschiedene Parteien theilen. Aber die Interpellationen haben uns bisher nichts genützt; aus den Antworten ist größtentheils nichts geworden, weil die Fragen nichts taugten. Abgeordneter Stein widerlegt alle Angriffe auf das unumschränkte Interpellationsrecht auf's Glänzendste. Man will die Interpellationen beschränken, weil einiger, Mißbrauch dabei vorkommen soll. Da dies nun geschehen, will man große Beschränkungen einführen, wie es die frühern Regierungen thaten, welche die Presse durch Einführung der Censur einschränkten, um den möglichen Mißbräuchen vorzubeugen. Sehen wir nach England, nach Frankreich und nach allen freien Staaten, sie haben das Recht der Interpellationen noch in viel ausgedehnterm Maße, sie knüpfen eine längere Debatte daran, bis die Frage vollständig erledigt scheint. Auch können wir keinen Unterschied machen, ob die Interpellationen inländische oder ausländische Gegenstände betreffen, wie das von einem geehrten Mitgliede beantragt ist. Der Präsident würde wohl manchmal in Verlegenheit kommen, wie er die Frage zu nehmen habe, und wie die inländische von der ausländischen zu scheiden sei. - Ich bin für die Beibehaltung der bisherigen Ordnung und für den Zusatz, daß sich eine Debatte an die Interpellation knüpfen könne. Die Abstimmung entscheidet im Sinne der Linken, obgleich die Rechte bei der Fragstellung nochmals alles Mögliche versuchte, damit der Beschluß in ihrem Sinne ausfalle. Das unumschränkte Recht der Interpellation bleibt gewahrt. Nachdem noch mehrere andere vorgeschlagene Aenderungen der Geschäftsordnung verworfen worden sind, wird auch der Antrag auf Erbauung eines interimistischen Sitzungslokals für die Versammlung, da das jetzige, hinsichtlich des Zuhörerraumes, zu beschränkt sei, und noch andere Nachtheile mit sich führe, verworfen, dagegen der Antrag auf Erbauung eines Lokals für die Preußischen Kammern, in der Art angenommen, daß die Versammlung beschloß: "das hohe Staatsministerium zu ersuchen, die Herstellung eines hinlänglich geräumigen und angemessen eingerichteten Gebäudes für die Versammlungen der Preußischen Nationalvertretung baldigst vorzubereiten." Nachdem der Abgeordnete Dierschke an den Ministerpräsidenten noch die Bitte gerichtet hatte, den Kriegsminister zu ersuchen, in den nächsten Sitzungen anwesend zu sein, da er einige Interpellationen an denselben gestellt habe, die wahrscheinlich alsdann auf der Tagesordnung sein würden, der Kriegsminister aber seit einigen Wochen die Sitzungen mit seiner Gegenwart nicht beehrt habe, wurde die Sitzung geschlossen. Das Ministerium hat auch in der heutigen Sitzung noch keine Erklärung in Betreff seines Verhaltens zur deutschen Centralgewalt in Frankfurt, abgegeben. Die verschiedensten Gerüchte sind darüber im Umlauf, welche durch die eilige Berufung des Hrn. Camphausen und v. Beckerath noch vermehrt wurden. Die Ankunft des Herrn Staatsminister Camphausen veröffentlichte der Staatsanzeiger in seinem amtlichen Theile, und Hr. v. Beckerath wurde heute in der Singakademie - dem Sitzungslokale der Vereinbarungsversammlung - bemerkt. Die Angelegenheiten, für welche man den Rath solcher Männer einholt, müssen sehr dringender Natur sein. Der Aufenthalt dieser Männer in Frankfurt, hat ihnen natürlich den vollen Einblick in die dortige Lage der Dinge gestattet. Man behauptet hier sogar, daß es vorzüglich auf den Rath Camphausens geschehe, daß Preußen sich nicht der Souveränetät der Frankfurter Versammlung unterwirft. Nach den Ansichten des Herrn Camphausen hat die deutsche Nationalversammlung keine klare Vorstellung über den Begriff der Volkssouveränetät. Das Ministerium soll sich nun nach Berathung mit den Herren Camphausen und v. Beckerath dahin entschlossen haben, sich keinesfalls unter den rücksichtslosen Befehl der deutschen Reichsgewalt zu stellen. Um nun die Vermittlung zwischen Frankfurt und Preußen zu regeln, wird Herr Camphausen dorthin abgehn, und als preußischer Gesandter daselbst auftreten, in der Weise, daß er förmlich bei dem deutschen Reichsverweser akkreditirt wird. In der gestern Abend stattgefundenen Volksversammlung des demokratischen Klubs machte dessen Präsident Schramm die Anzeige, daß beschlossen worden sei, die Erlaubniß des Polizeipräsidenten zu den Volksversammlungen nicht einzuholen, da dieses nicht gesetzlich begründet sei, und man wollte es auf ein Erkenntniß des Polizeirichters ankommen lassen. Dieser Beschluß wurde mit großem Beifall von der versammelten Volksmenge aufgenommen, und man ist nun begierig, wie sich der Polizeipräsident in dieser Sache verhalten wird. Bekanntlich hat er eine Strafe von 5-50 Thlr. für jeden Redner festgesetzt, welche Verordnung auch vom Minister Kühlwetter bestätigt worden ist. Die Central-Abtheilung für das Heerwesen hat sich, ungeachtet sehr entschiedener und eifriger Gegenvorstellungen des Herrn v. Griesheim, als Stellvertreter des Kriegsministers für Aufhebung der Kadettenhäusererklärt. Es ist hier von einer Allianz zwischen Preußen, Baiern, Hannover und Braunschweig die Rede, welche den Zweck haben soll, die Selbstständigkeit der Einzelstaaten Deutschlands der Centralgewalt gegenüber zu wahren. Ein schöner Anfang zur Einheit Deutschlands! Vorgestern fand sich an den Straßenecken ein "Aufruf an das Volk", vom hiesigen Preußenverein. Es wird das Aufgehen Preußens in Deutschland beklagt und zur offenen Widersetzlichkeit gegen die deutsche Nationalversammlung provocirt. Auf Antrag des Dr. Bracht aus Elberfeld hat der kostitutionelle Kongreß in seiner heutigen Sitzung folgenden Protest beschlossen und bereits veröffentlicht: "Der konstitutionelle Kongreß in Veranlassung eines "an das Volk" erlassenenen Aufrufs unterzeichnet der"Preußenverein für konstitutionelles Königthum" erklärt hiermit seine tiefste Entrüstung über diesen Versuch, die so herrlich angebahnte Einheit des deutschen Volkes, diese einzige Grundlage unserer Zukunft, zu stören; er erblickt darin eine Auflehnung gegen den gesetzlich ausgesprochenen Willen der Nation, die eben so gefährlich ist und eben so leicht zum Bürgerkriege führen würde, wie die selbstsüchtigen Bestrebungen der Anarchisten." Außer diesem Aufruf des Preußenvereins treten noch manche, bis jetzt allerdings nur vereinzelte Erscheinungen auf, welche eine Reaktion des specifischen Preußenthums gegen die Frankfurter Beschlüsse erwarten lassen. Die "Deutsche Wehrzeitung", herausgegeben von einer Gesellschaft deutscher Offiziere und Militärbeamten, eine neue Zeitschrift, welche der militärischen Fraktion der Reaktionspartei in Potsdam, als Organ zu dienen bestimmt ist, spricht sich in gleicher Weise Namens der Armee unumwunden aus."Die Armee werde zeigen, daß sie außer ihrer Treue und Anhänglichkeit auch einen Willen hat, einen Willen, dem sie nöthigenfalls auch Nachdruck zu geben entschlossen ist." Berlin, 25. Juli.
Die Angaben über die Summen der bereits für die freiwillig-gezwungene Anleihe geschehenen Einzahlungen sind sehr übertrieben worden. Die B. Z. bemerkt: "Es sind noch nicht drei Millionen eingegangen. Wenige bedenken, wie schwer es nur mechanisch ist, Zahlungen von Millionen in kurzer Zeit zu leisten. Wenn täglich fünfzigtausend Thaler eingezahlt werden, würde es doch (nach Abzug der Sonntage) eines vollen Jahres bedürfen, um fünfzehn Millionen einzuzahlen. Die großen Zeichnungen von zehn, zwanzig, dreißigtausend Thaler sind aber nicht so häufig, um in der schnellen Abwickelung des Geschäfts, die vielen kleinen zu übertragen.- Möge man daher noch immer eifrig beisteuern und nicht glauben, daß dieses bedeutende Geschäft (Siehe den Verfolg in der Beilage). pieren ist nichts Verfängliches gefunden. Weit entfernt, daß man ihn der Uebertretung des Art 102 überführen kann, liegt nicht einmal ein gegründeter Verdacht gegen ihn vor; es steht daher zu erwarten, daß er bald aus der Haft entlassen werden wird, wenn die Behörde ihm nicht aus der Verbreitung des „republikanischen Katechismus“ ein Verbrechen machen will. 38 Bernkastel, 23. Juli. Gestern wurde hierselbst in Folge eines Preßvergehens die Verhaftung eines ansäßigen allgemein beliebten Bürgers, mit imponirendem Kraftaufwand vorgenommen. Der „Gefahndete“ hatte einige mißliebige Artikel in einem hiesigen Provinzialblatt veröffentlicht. Am Morgen unmittelbar nach der Ankunft des Staatsprokurators John und des Untersuchungsrichters Mathieu schritt die ganze exekutive Gewalt von Bernkastel, bestehend aus einem berittenen und einem Fuß-Gensdarmen, unter der persönlichen Leitung des genannten Staatsprokurators zu der Arrestation, die in einem fremden Hause statt fand, wo sich eben der Arrestant aufhielt. Bald nach dem Verhör wurde der Verhaftete auf einem andern Wege, als die zusammengelaufene Volksmenge erwartete, „nach Trier abgeführt.“ Die Frauen drängten die Männer zur gewaltsamen Befreiung des Gefangenen. Die Männer widerstanden der lockenden „Verführung „auf das Anrathen Ihres Korrespondenten, beschlossen vielmehr eine Volksversammlung abzuhalten, welche heute statt fand und sehr zahlreich besucht war.“ Man faßte den einstimmigen Beschluß, daß sofort für den unbemittelten Mitbürger die Kaution in Geld gestellt und seine provisorische Freilassung gefordert werden sollte, sowie, daß zur Beseitigung der zwei angeblich in den incriminirten Zeitungsartikeln verläumdeten Beamten (Friedensrichter Voll und Bürgermeister Schwan) die geeigneten Schritte gethan werden müßten. 14 Herford, 26. Juli. Herr Dallmann, Colonus aus Elverdissen, dessen Einsicht bis dato über die bäuerlichen und pietistischen Angelegenheiten von Elverdissen nicht hinausging und der erst von der Reaktionspartei in Berlin erfuhr, er sei ein Mann von exceptionellen Geistesgaben und könne zum Winkelried an den Destruktiven werden. Herr Dallmann hat nachfolgende offene Erklärung an die Wähler des Kreises erlassen. Diese „offene“ Erklärung ist mit der größten Heimlichkeit an konservative Wähler vertheilt worden. Den Argusaugen des landräthlichen Bureaus sogar scheint sie entzogen worden zu sein. Offene Erklärung an die Wähler des Kreises. Die Deputirten der Provinz Westphalen haben ihren Sitz in der preußischen Nationalversammlung eingenommen, in der Ueberzeugung, daß das Wahlgesetz vom 8. April d. J. der Rechtsboden sei, auf dem sie stehen und daß ihre Vollmacht vorab dahin laute: eine Verfassung mit der Krone zu vereinbaren. Indem sie eine große geistige Bewegung Europas und des Vaterlandes anerkennen, verwerfen sie die sogenannte Berliner Revolution mit ihren gefährlichen Consequenzen der Volkssouveränetät und Infragestellung aller Rechtszustände. Westphalen will keine Reaktion, sondern das volle Maaß gesetzlicher Freiheit auf den Grundlagen der Intelligenz und gesichert vor roher Gewalt. Die Provinz will nicht den Eid verletzen, welchen sie dem Könige geschworen hat, nicht von der Vergangenheit scheiden, wie der verlorene Sohn vom Hause seines Vaters; sie will das alte Kleinod der Treue bewahren auf dem freien Erbe ihrer Väter. Die Vertreter Westphalens haben das Ministerium Camphausen unterstützt wie ein Mann, im Interesse der Ordnung und Gesetzlichkeit, unter deren Schutz allein die Nahrungsquellen sich ergießen; sie haben es um so freudiger gethan, weil dieses Ministerium ihrer Ueberzeugung entsprach. Camphausen, der Mann von großer politischer Fähigkeit und trefflicher Gesinnung ist vom Schauplatz abgetreten als schlichter Bürger, begleitet von der Hochachtung aller Parteien, welche ihm als Votum des Vertrauens den Präsidentenstuhl in der Kammer angeboten. Darin liegt die Rechtfertigung unseres politischen Handelns dem Lande gegenüber. Das neue Ministerium Auerswald hat in seinem Programm eine Anerkennung der Märzrevolution in unbestimmten Ausdrücken ausgesprochen, welcher wir nicht beitreten können. Es ist auf rother Erde nicht Sitte, die Ueberzeugung des Mannes zu wechseln wie ein Kleid. Die hier erschienenen zahlreichen Deputationen aus Rheinland und Westphalen geben die feste Zusicherung, daß unsere Grundsätze die der entschiedenen Mehrzahl unserer Machtgeber sind, und ermahnen uns, gesinnungstreu auf dem bisherigen Rechtsboden zu verharren. Demgemäß erklären wir hiermit öffentlich, daß uns das Programm des Ministeriums Auerswald nicht genügt, in dem seine unklare Fassung unser politisches Glaubensbekenntniß nicht enthält. Insofern das Ministerium wirklich ein Ministerium der That sein wird, werden wir jede Maaßregel zur Herstellung der Ruhe und Ordnung und den Fortschritten der Zeit angemessenen Gesetzesvorschläge, ohne Parteirücksichten unterstützen. Auf welcher Seite des Hauses wir künftig auch sitzen mögen, wir werden folgerecht die ausgesprochene Gesinnung unseres Landes mit Ehren zu vertreten streben. Um in schwierigen Zeitenkein Aufsehen durch Kollektivunterschriften zu erregen, ist beschlossen worden, diese Erklärung von jedem einzelnen Deputirten an seine Wähler abgehen zu lassen. Berlin, 17. Juli 1848. gez. Dallmann. 15 Berlin, 24. Juli. Kuhr aus Preußen (zur Linken gehörend) ist beschuldigt worden, bei Gelegenheit des Zeughaussturmes am 14. Juni, Waffen aus dem Zeughause entnommen zu haben. Der bisherige Staatsanwalt beim Kammergericht, Herr v. Kirchmann hat, da nach dem neuen Gesetze die gerichtliche Verfolgung eines Deputirten ohne Genehmigung der Nationalversammlung nicht stattfinden darf, bei derselben einen Antrag eingereicht, welcher die Bewilligung, den erwähnten Abgeordneten in Anklagezustand versetzen zu dürfen, betrifft. Der Antrag wurde den Abtheilungen zur Vorberathung überwiesen; dieselben entschieden sich zum größten Theil dafür, und ebenso die aus den einzelnen Abtheilungen gebildete Central-Abtheilung. Wir werden also nächstens das interessante Schauspiel haben, wenn, wie zu erwarten, die Majorität der Nationalversammlung sich ebenfalls für gerichtliche Verfolgung ausspricht, einen des gemeinen Diebstahls beschuldigten Deputirten vor den Schranken des Gerichts gestellt und zu mehrjähriger Zuchthausstrafe verurtheilt zu sehen. Wie unsere Regierung die nationale Reorganisation des Großherzogthums Posen auffaßt, können Sie daraus ersehen, daß das polnische Gymnasium in Posen trotz aller Vorstellungen des Erzbischofs Przyluski und anderer Polen, noch immer geschlossen ist. Der frühere Kultusminister, Graf Schwerin, hatte die Eröffnung des Gymnasiums bereits befohlen, da protestirte der General Pfuel und der Oberpräsident Beurmann, ebenso die Posener Stadtbehörden. Schwerin trat ab und Rodbertus an seine Stelle. Dieser war dem Gymnasium günstiger, allein er fand bei den übrigen Ministern Widerspruch. Und so ist die Sache, nachdem Rodbertus abgetreten, noch immer unentschieden. Eine Bevölkerung von 18,000 Polen, die, selbst nach Angabe der Deutschen, in der Stadt Posen lebt, wird so verhindert, ihre Jugend unterrichten zu lassen. Und das nennt man Achtung der Nationalität! Freilich, die preußische Regierung erklärt, daß der ganze Kreis zum deutschen Bunde gehört; also sind mit einem Mal alle Polen daraus verschwunden, oder haben wenigstens plötzlich ihre Muttersprache verloren! 14 Berlin, 25. Juli. Ueber den alten Polizeistaat ist jetzt mit Bestimmtheit entschieden, er ist gefallen, an seine Stelle der Konstablerstaat getreten. Seit gestern sind nämlich die früher militärisch gekleideten Polizeidiener verschwunden und die Straßen dicht mit bürgerlich gekleideten Konstablern besetzt. Die militärische Polizei hat der bürgerlichen Platz machen müssen, das wahre Zeichen des Umschwunges in Preußen, der die Bourgeoisie scheinbar zur Herrschaft gebracht. Diese bürgerliche Einrichtung kostet den Staat jährlich allein für die Stadt Berlin 300,000 Thlr. Doch was liegt den großen Kapitalisten daran, der Mittelstand und die Arbeiterklasse zahlen ja diese neue Sicherheit des Bourgeoisthums. Uebrigens eignet sich die Einrichtung ganz besonders zum Spioniren. Unter Boltshaufen und besonders am Abend sind diese Leute kaum zu erkennen. Gestern Abend war bei Gelegenheit der Einführung der Konstabler seit langer Zeit wieder einmal Lindenklub, d. h. jene zufällige Versammlung, die sich sonst Abends immer unter den Linden an der Ecke von Kranzler einfand. Ich drängte mich in die Masse hinein, die heftig über die Konstabler diskutirte, bemerkte aber bald, daß ein Theil dieses Klubs aus Konstablern selbst bestand, die mit dem ruhigsten Anschein der Diskussion zuhörten. Da die Konstabler den Straßenklub nachgerade auseinander sprengen wollten, kam es zu einigen Handgreiflichkeiten, denen sie weichen mußten. Begierig ist man nun, was die Regierung aus den frühern Polizeimannschaften und der Gendarmerie machen will. Einstweilen bestehen sie noch neben den Konstablern, vielleicht sollen die Provinzen damit beglückt werden? 103 Berlin, 25. Juli.
Nach Eröffnung der heutigen Sitzung der Vereinbarer-Versammlung wurde zuerst ein dringender Antrag des Abgeordneten von Unruh, über Bildung der Spezialkommission für die Verhältnisse des Handwerkerstandes und deren Verhältniß zu der Fachkommission für Handel, Gewerbe und Arbeit, wie sie sich vorkommenden Falls gegenseitig zu ergänzen haben, angenommen. Hierauf folgt eine dringliche Interpellation des Abgeordneten v. Pokrzywincki an das Staats-Ministerium, „ob das Ministerium geneigt sei über den Bau und die Richtung der Ostbahn der Versammlung die nöthigen Mittheilungen zu machen? und weßhalb das Ministerium den Bau der Ostbahn bei Driesen anfangen ließ, ohne vorher die Genehmigung wegen Richtung dieser Bahn von der Versammlung einzuholen?“ Die Interpellation wurde dadurch motivirt, daß diese Bahn für die davon berührten Provinzen sehr wichtig sei. Bereits dem ersten vereinigten Landtage waren Vorlagen zum Baue dieser Bahn gemacht, ihre Nützlichkeit und Zweckmäßigkeit, sowie die Nothwendigkeit der Bahn für die Provinz Preußen wurde anerkannt, nur im Betreff der Geldbewilligung konnte man sich nicht einigen. Daß der Bau der Ostbahn bald zur Ausführung komme ist um so mehr nothwendig, da es in der Provinz Preußen mitunter noch an den nöthigen Kommunikationswegen fehlt und die Nothwendigkeit der schnellen Verbindung mit dieser Provinz anerkannt ist. Die Richtung, welche die Bahn nehmen soll, ist für die betreffenden Bezirke sehr wichtig. Die Regierung hat sich aber berufen gefühlt, die Arbeiten der Bahn an Punkten beginnen zu lassen, in einer Richtung, die vom vereinigten Landtage sogar sehr stark angegriffen war. Der Finanzminister Hansemann antwortete: Ich werde mich bemühen kurz zu sein. Die Regierung hat schon früher erklärt, sowie die Verhältnisse günstiger würden, sowie das Vertrauen zurückkehre, würde sie großartige Arbeiten im ganzen Lande beginnen lassen, wo auch die Ostbahn berücksichtigt werden sollte. Die Verhältnisse haben sich gebessert, das Vertrauen hat sich wieder eingestellt. Die Regierung ist nun gegenwärtig beschäftigt einen Gesetzentwurf vorzubereiten und der Versammlung vorzulegen. Bei dieser Gelegenheit und nicht bei gegenwärtiger Interpellation wird das Ministerium in eine nähere Debatte über diese Frage eingehen. Bauer aus Krotoschin: Die Unternehmungen des Staates und die Unternehmungen der Privatgesellschaften sind sehr verschiedener Natur. Der Staat muß nur das Wohl der Gesammtheit im Auge haben, dagegen eine Privatgesellschaft den pecuniären Vortheil berücksichtigen muß. Die Richtung, welche die Regierung beim Bau der Ostbahn einschlagen läßt, nimmt aber keine Rücksicht auf das Gesammtwohl. Wir müssen darauf bestehen die Richtung der Bahn selbst festzustellen. Das Ministerium will uns zwar Vorlagen machen, hat aber die Richtung schon bestimmt und in Angriff genommen, demnach hätten wir nur noch über die Geldbewilligung zu bestimmen. Finanzminister Hansemann: Ich muß dabei bleiben, daß bei Vorlage des Gesetzes die Versammlung auch über die Richtung der Ostbahn bestimmen kann, da es ihr freisteht, das Geld für die Richtung zu bewilligen, die sie beliebt. Abg. Gladbach: Der Herr Finanzminister sagte uns, daß das Vertrauen zurückgekehrt sei, das will ich glauben, aber ich möchte den Punkt, wann das geschehen ist, kennen, da, wie ich glaube, die Arbeiten an der Ostbahn schon früher angefangen haben. Finanzm. Hansemann: Das Ministerium hat seine Pflicht immer erkannt und auf seine eigene Verantwortlichkeit die Arbeiten an der Ostbahn beschlossen, um brodlosen Arbeitern Beschäftigung zu geben. Hiermit ist diese Interpellation geschlossen. Der Abgeordnete Borchardt will einen dringenden Antrag, um Aufhebung der Gesetzesstellen über den frechen Tadel der Gesetze, und Suspendirung der auf Grund dieser Gesetzesstelle eingeleiteten Untersuchungen und Verhaftungen bis zur Revision der Strafgesetze. Dieser Antrag wird aber für nicht dringend gehalten und auf die Tagesordnung gesetzt. Der Vorsitzende der Verfassungs-Kommission, Abg. Waldeck, macht noch mehrere Mittheilungen über die bisherigen Arbeiten dieser Kommission. Außer vielen Mittheilungen, die wir schon in der letzten Zeit mitgetheilt haben, ist nur noch zu bemerken: Die Erblichkeit der königlichen Gewalt in der männlichen Linie, nach dem Rechte der Erstgeburt. Mündigkeit des Königs im achtzehnten Jahre. Die Regentschaft wird bei der Unmündigkeit des Königs durch ein Gesetz bestimmt. Die Regentschaft darf nur aus einer Person bestehen, welche auch denselben Eid auf die Verfassung leisten muß wie der König. Dem König steht die Verleihung von Orden und andern Auszeichnungen zu. Die Kammern werden regelmäßig im September jeden Jahres einberufen. Werden sie nicht berufen, so versammeln sich die Kammern am letzten Tage des Monats September von selbst. Ebenso zehn Tage nach dem Tode eines Königs. Die Verf.-Kommission fand es ferner nicht für angemessen, das Großherzogthum Posen von der Verfassung auszuschließen.‒ Schließlich ist noch zu bemerken, daß die Verfassungs-Kommission nur noch einige Sitzungen mit der Redaktion des Entwurfs und der Feststellung der Motive zu halten haben wird. Hierauf entwickelt sich eine sehr lange Verhandlung über den Kommissionsbericht die zur Geschäftsordnung eingegangenen Abänderungsvorschläge betreffend. Sie sind ohne alles Interesse, bis auf diejenigen die Einbringung und Behandlung der Interpellationen betreffend. Es waren mehrere Anträge eingegangen, wonach jede Interpellation von der Majorität oder von 50 bis 100 Mitgliedern unterstützt werden sollte, ehe sie gestellt werden könne. Besonders sprach der Abg. Baumstark sich stark gegen die Zulassung von Interpellationen aus, die nur wie bisher die Zustimmung von 25 Mitgliedern nöthig hätten. Er ist dagegen, weil, wie Andere sagen, die Interpellationen uns von der Berathung des Verfassungsentwurfs abhalten, und das Land mit Sehnsucht auf unsere eigentliche Thätigkeit harre. Dem kann ich nicht beistimmen. Wir haben sehr viel gethan. Wenn das Land und die Presse in unsere Abtheilungsarbeiten hineinsehen könnte, würden sie anders urtheilen. Es ist mir sogar sehr lieb, daß wir nicht gleich in den ersten Wochen die Verfassung berathen haben, denn die Versammlung mußte sich erst näher kennen lernen und sich in verschiedene Parteien theilen. Aber die Interpellationen haben uns bisher nichts genützt; aus den Antworten ist größtentheils nichts geworden, weil die Fragen nichts taugten. Abgeordneter Stein widerlegt alle Angriffe auf das unumschränkte Interpellationsrecht auf's Glänzendste. Man will die Interpellationen beschränken, weil einiger, Mißbrauch dabei vorkommen soll. Da dies nun geschehen, will man große Beschränkungen einführen, wie es die frühern Regierungen thaten, welche die Presse durch Einführung der Censur einschränkten, um den möglichen Mißbräuchen vorzubeugen. Sehen wir nach England, nach Frankreich und nach allen freien Staaten, sie haben das Recht der Interpellationen noch in viel ausgedehnterm Maße, sie knüpfen eine längere Debatte daran, bis die Frage vollständig erledigt scheint. Auch können wir keinen Unterschied machen, ob die Interpellationen inländische oder ausländische Gegenstände betreffen, wie das von einem geehrten Mitgliede beantragt ist. Der Präsident würde wohl manchmal in Verlegenheit kommen, wie er die Frage zu nehmen habe, und wie die inländische von der ausländischen zu scheiden sei. ‒ Ich bin für die Beibehaltung der bisherigen Ordnung und für den Zusatz, daß sich eine Debatte an die Interpellation knüpfen könne. Die Abstimmung entscheidet im Sinne der Linken, obgleich die Rechte bei der Fragstellung nochmals alles Mögliche versuchte, damit der Beschluß in ihrem Sinne ausfalle. Das unumschränkte Recht der Interpellation bleibt gewahrt. Nachdem noch mehrere andere vorgeschlagene Aenderungen der Geschäftsordnung verworfen worden sind, wird auch der Antrag auf Erbauung eines interimistischen Sitzungslokals für die Versammlung, da das jetzige, hinsichtlich des Zuhörerraumes, zu beschränkt sei, und noch andere Nachtheile mit sich führe, verworfen, dagegen der Antrag auf Erbauung eines Lokals für die Preußischen Kammern, in der Art angenommen, daß die Versammlung beschloß: „das hohe Staatsministerium zu ersuchen, die Herstellung eines hinlänglich geräumigen und angemessen eingerichteten Gebäudes für die Versammlungen der Preußischen Nationalvertretung baldigst vorzubereiten.“ Nachdem der Abgeordnete Dierschke an den Ministerpräsidenten noch die Bitte gerichtet hatte, den Kriegsminister zu ersuchen, in den nächsten Sitzungen anwesend zu sein, da er einige Interpellationen an denselben gestellt habe, die wahrscheinlich alsdann auf der Tagesordnung sein würden, der Kriegsminister aber seit einigen Wochen die Sitzungen mit seiner Gegenwart nicht beehrt habe, wurde die Sitzung geschlossen. Das Ministerium hat auch in der heutigen Sitzung noch keine Erklärung in Betreff seines Verhaltens zur deutschen Centralgewalt in Frankfurt, abgegeben. Die verschiedensten Gerüchte sind darüber im Umlauf, welche durch die eilige Berufung des Hrn. Camphausen und v. Beckerath noch vermehrt wurden. Die Ankunft des Herrn Staatsminister Camphausen veröffentlichte der Staatsanzeiger in seinem amtlichen Theile, und Hr. v. Beckerath wurde heute in der Singakademie ‒ dem Sitzungslokale der Vereinbarungsversammlung ‒ bemerkt. Die Angelegenheiten, für welche man den Rath solcher Männer einholt, müssen sehr dringender Natur sein. Der Aufenthalt dieser Männer in Frankfurt, hat ihnen natürlich den vollen Einblick in die dortige Lage der Dinge gestattet. Man behauptet hier sogar, daß es vorzüglich auf den Rath Camphausens geschehe, daß Preußen sich nicht der Souveränetät der Frankfurter Versammlung unterwirft. Nach den Ansichten des Herrn Camphausen hat die deutsche Nationalversammlung keine klare Vorstellung über den Begriff der Volkssouveränetät. Das Ministerium soll sich nun nach Berathung mit den Herren Camphausen und v. Beckerath dahin entschlossen haben, sich keinesfalls unter den rücksichtslosen Befehl der deutschen Reichsgewalt zu stellen. Um nun die Vermittlung zwischen Frankfurt und Preußen zu regeln, wird Herr Camphausen dorthin abgehn, und als preußischer Gesandter daselbst auftreten, in der Weise, daß er förmlich bei dem deutschen Reichsverweser akkreditirt wird. In der gestern Abend stattgefundenen Volksversammlung des demokratischen Klubs machte dessen Präsident Schramm die Anzeige, daß beschlossen worden sei, die Erlaubniß des Polizeipräsidenten zu den Volksversammlungen nicht einzuholen, da dieses nicht gesetzlich begründet sei, und man wollte es auf ein Erkenntniß des Polizeirichters ankommen lassen. Dieser Beschluß wurde mit großem Beifall von der versammelten Volksmenge aufgenommen, und man ist nun begierig, wie sich der Polizeipräsident in dieser Sache verhalten wird. Bekanntlich hat er eine Strafe von 5-50 Thlr. für jeden Redner festgesetzt, welche Verordnung auch vom Minister Kühlwetter bestätigt worden ist. Die Central-Abtheilung für das Heerwesen hat sich, ungeachtet sehr entschiedener und eifriger Gegenvorstellungen des Herrn v. Griesheim, als Stellvertreter des Kriegsministers für Aufhebung der Kadettenhäusererklärt. Es ist hier von einer Allianz zwischen Preußen, Baiern, Hannover und Braunschweig die Rede, welche den Zweck haben soll, die Selbstständigkeit der Einzelstaaten Deutschlands der Centralgewalt gegenüber zu wahren. Ein schöner Anfang zur Einheit Deutschlands! Vorgestern fand sich an den Straßenecken ein „Aufruf an das Volk“, vom hiesigen Preußenverein. Es wird das Aufgehen Preußens in Deutschland beklagt und zur offenen Widersetzlichkeit gegen die deutsche Nationalversammlung provocirt. Auf Antrag des Dr. Bracht aus Elberfeld hat der kostitutionelle Kongreß in seiner heutigen Sitzung folgenden Protest beschlossen und bereits veröffentlicht: „Der konstitutionelle Kongreß in Veranlassung eines „an das Volk“ erlassenenen Aufrufs unterzeichnet der„Preußenverein für konstitutionelles Königthum“ erklärt hiermit seine tiefste Entrüstung über diesen Versuch, die so herrlich angebahnte Einheit des deutschen Volkes, diese einzige Grundlage unserer Zukunft, zu stören; er erblickt darin eine Auflehnung gegen den gesetzlich ausgesprochenen Willen der Nation, die eben so gefährlich ist und eben so leicht zum Bürgerkriege führen würde, wie die selbstsüchtigen Bestrebungen der Anarchisten.“ Außer diesem Aufruf des Preußenvereins treten noch manche, bis jetzt allerdings nur vereinzelte Erscheinungen auf, welche eine Reaktion des specifischen Preußenthums gegen die Frankfurter Beschlüsse erwarten lassen. Die „Deutsche Wehrzeitung“, herausgegeben von einer Gesellschaft deutscher Offiziere und Militärbeamten, eine neue Zeitschrift, welche der militärischen Fraktion der Reaktionspartei in Potsdam, als Organ zu dienen bestimmt ist, spricht sich in gleicher Weise Namens der Armee unumwunden aus.„Die Armee werde zeigen, daß sie außer ihrer Treue und Anhänglichkeit auch einen Willen hat, einen Willen, dem sie nöthigenfalls auch Nachdruck zu geben entschlossen ist.“ Berlin, 25. Juli.
Die Angaben über die Summen der bereits für die freiwillig-gezwungene Anleihe geschehenen Einzahlungen sind sehr übertrieben worden. Die B. Z. bemerkt: „Es sind noch nicht drei Millionen eingegangen. Wenige bedenken, wie schwer es nur mechanisch ist, Zahlungen von Millionen in kurzer Zeit zu leisten. Wenn täglich fünfzigtausend Thaler eingezahlt werden, würde es doch (nach Abzug der Sonntage) eines vollen Jahres bedürfen, um fünfzehn Millionen einzuzahlen. Die großen Zeichnungen von zehn, zwanzig, dreißigtausend Thaler sind aber nicht so häufig, um in der schnellen Abwickelung des Geschäfts, die vielen kleinen zu übertragen.‒ Möge man daher noch immer eifrig beisteuern und nicht glauben, daß dieses bedeutende Geschäft (Siehe den Verfolg in der Beilage). <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar058_007" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0003" n="0289"/> pieren ist nichts Verfängliches gefunden. Weit entfernt, daß man ihn der Uebertretung des Art 102 überführen kann, liegt nicht einmal ein <hi rendition="#g">gegründeter</hi> Verdacht gegen ihn vor; es steht daher zu erwarten, daß er bald aus der Haft entlassen werden wird, wenn die Behörde ihm nicht aus der Verbreitung des „republikanischen Katechismus“ ein <hi rendition="#g">Verbrechen</hi> machen will.</p> </div> <div xml:id="ar058_008" type="jArticle"> <head><bibl><author>38</author></bibl> Bernkastel, 23. Juli.</head> <p>Gestern wurde hierselbst in Folge eines Preßvergehens die Verhaftung eines ansäßigen allgemein beliebten Bürgers, mit imponirendem Kraftaufwand vorgenommen. Der „Gefahndete“ hatte einige mißliebige Artikel in einem hiesigen Provinzialblatt veröffentlicht.</p> <p>Am Morgen unmittelbar nach der Ankunft des Staatsprokurators John und des Untersuchungsrichters Mathieu schritt die ganze exekutive Gewalt von Bernkastel, bestehend aus einem berittenen und einem Fuß-Gensdarmen, unter der persönlichen Leitung des genannten Staatsprokurators zu der Arrestation, die in einem fremden Hause statt fand, wo sich eben der Arrestant aufhielt.</p> <p>Bald nach dem Verhör wurde der Verhaftete auf einem andern Wege, als die zusammengelaufene Volksmenge erwartete, „nach Trier abgeführt.“</p> <p>Die Frauen drängten die Männer zur gewaltsamen Befreiung des Gefangenen. Die Männer widerstanden der lockenden „Verführung „auf das Anrathen Ihres Korrespondenten, beschlossen vielmehr eine Volksversammlung abzuhalten, welche heute statt fand und sehr zahlreich besucht war.“</p> <p>Man faßte den einstimmigen Beschluß, daß sofort für den unbemittelten Mitbürger die Kaution in Geld gestellt und seine provisorische Freilassung gefordert werden sollte, sowie, daß zur Beseitigung der zwei angeblich in den incriminirten Zeitungsartikeln verläumdeten Beamten (Friedensrichter Voll und Bürgermeister Schwan) die geeigneten Schritte gethan werden müßten.</p> </div> <div xml:id="ar058_009" type="jArticle"> <head><bibl><author>14</author></bibl> Herford, 26. Juli.</head> <p>Herr <hi rendition="#g">Dallmann,</hi> Colonus aus Elverdissen, dessen Einsicht bis dato über die bäuerlichen und pietistischen Angelegenheiten von Elverdissen nicht hinausging und der erst von der Reaktionspartei in Berlin erfuhr, er sei ein Mann von exceptionellen Geistesgaben und könne zum Winkelried an den Destruktiven werden. Herr Dallmann hat nachfolgende <hi rendition="#g">offene Erklärung an die Wähler des Kreises erlassen.</hi> Diese „<hi rendition="#g">offene</hi>“ Erklärung ist mit der größten <hi rendition="#g">Heimlichkeit</hi> an konservative Wähler vertheilt worden. Den Argusaugen des landräthlichen Bureaus sogar scheint sie entzogen worden zu sein.</p> <p>Offene Erklärung an die Wähler des Kreises.</p> <p>Die Deputirten der Provinz Westphalen haben ihren Sitz in der preußischen Nationalversammlung eingenommen, in der Ueberzeugung, daß das Wahlgesetz vom 8. April d. J. der Rechtsboden sei, auf dem sie stehen und daß ihre Vollmacht vorab dahin laute: eine Verfassung mit der Krone zu vereinbaren.</p> <p>Indem sie eine große geistige Bewegung Europas und des Vaterlandes anerkennen, verwerfen sie die <hi rendition="#g">sogenannte Berliner Revolution</hi> mit ihren gefährlichen Consequenzen der Volks<hi rendition="#g">souveränetät</hi> und Infragestellung aller Rechtszustände.</p> <p>Westphalen will keine Reaktion, sondern das <hi rendition="#g">volle Maaß gesetzlicher Freiheit</hi> auf den Grundlagen der Intelligenz und gesichert vor <hi rendition="#g">roher Gewalt.</hi> Die Provinz will nicht den Eid verletzen, welchen sie dem Könige geschworen hat, nicht von der Vergangenheit scheiden, wie der verlorene Sohn vom Hause seines Vaters; sie will das alte Kleinod der Treue bewahren auf dem freien Erbe ihrer Väter.</p> <p>Die Vertreter Westphalens haben das Ministerium Camphausen unterstützt wie <hi rendition="#g">ein</hi> Mann, im Interesse der Ordnung und Gesetzlichkeit, unter deren Schutz allein die Nahrungsquellen sich ergießen; sie haben es um so freudiger gethan, weil dieses Ministerium ihrer Ueberzeugung entsprach.</p> <p>Camphausen, der Mann von großer politischer Fähigkeit und trefflicher Gesinnung ist vom Schauplatz abgetreten als schlichter Bürger, begleitet von der Hochachtung aller Parteien, welche ihm als Votum des Vertrauens den Präsidentenstuhl in der Kammer angeboten. Darin liegt die Rechtfertigung unseres politischen Handelns dem Lande gegenüber.</p> <p>Das neue Ministerium Auerswald hat in seinem Programm eine Anerkennung der Märzrevolution in unbestimmten Ausdrücken ausgesprochen, welcher wir nicht beitreten können.</p> <p>Es ist auf rother Erde nicht Sitte, die Ueberzeugung des Mannes zu wechseln wie ein Kleid.</p> <p>Die hier erschienenen zahlreichen Deputationen aus Rheinland und Westphalen geben die feste Zusicherung, daß unsere Grundsätze die der entschiedenen Mehrzahl unserer Machtgeber sind, und ermahnen uns, gesinnungstreu auf dem bisherigen Rechtsboden zu verharren.</p> <p>Demgemäß erklären wir hiermit öffentlich, daß uns das Programm des Ministeriums Auerswald nicht genügt, in dem seine unklare Fassung unser politisches Glaubensbekenntniß nicht enthält.</p> <p>Insofern das Ministerium wirklich ein Ministerium der That sein wird, werden wir jede Maaßregel zur Herstellung der Ruhe und Ordnung und den Fortschritten der Zeit angemessenen Gesetzesvorschläge, ohne Parteirücksichten unterstützen.</p> <p>Auf welcher Seite des Hauses wir künftig auch sitzen mögen, wir werden folgerecht die ausgesprochene Gesinnung unseres Landes mit Ehren zu vertreten streben.</p> <p>Um in <hi rendition="#g">schwierigen Zeiten</hi>kein Aufsehen durch Kollektivunterschriften zu erregen, ist beschlossen worden, diese Erklärung von jedem einzelnen Deputirten an seine Wähler abgehen zu lassen.</p> <p>Berlin, 17. Juli 1848.</p> <p>gez. <hi rendition="#g">Dallmann.</hi> </p> </div> <div xml:id="ar058_010" type="jArticle"> <head><bibl><author>15</author></bibl> Berlin, 24. Juli. </head> <p><hi rendition="#g">Kuhr</hi> aus Preußen (zur Linken gehörend) ist beschuldigt worden, bei Gelegenheit des Zeughaussturmes am 14. Juni, Waffen aus dem Zeughause entnommen zu haben. Der bisherige Staatsanwalt beim Kammergericht, Herr v. Kirchmann hat, da nach dem neuen Gesetze die gerichtliche Verfolgung eines Deputirten ohne Genehmigung der Nationalversammlung nicht stattfinden darf, bei derselben einen Antrag eingereicht, welcher die Bewilligung, den erwähnten Abgeordneten in Anklagezustand versetzen zu dürfen, betrifft. Der Antrag wurde den Abtheilungen zur Vorberathung überwiesen; dieselben entschieden sich zum größten Theil dafür, und ebenso die aus den einzelnen Abtheilungen gebildete Central-Abtheilung. Wir werden also nächstens das interessante Schauspiel haben, wenn, wie zu erwarten, die Majorität der Nationalversammlung sich ebenfalls für gerichtliche Verfolgung ausspricht, einen des gemeinen Diebstahls beschuldigten Deputirten vor den Schranken des Gerichts gestellt und zu mehrjähriger Zuchthausstrafe verurtheilt zu sehen.</p> <p>Wie unsere Regierung die nationale Reorganisation des Großherzogthums Posen auffaßt, können Sie daraus ersehen, daß das polnische Gymnasium in Posen trotz aller Vorstellungen des Erzbischofs Przyluski und anderer Polen, noch immer geschlossen ist. Der frühere Kultusminister, Graf Schwerin, hatte die Eröffnung des Gymnasiums bereits befohlen, da protestirte der General Pfuel und der Oberpräsident Beurmann, ebenso die Posener Stadtbehörden. Schwerin trat ab und Rodbertus an seine Stelle. Dieser war dem Gymnasium günstiger, allein er fand bei den übrigen Ministern Widerspruch. Und so ist die Sache, nachdem Rodbertus abgetreten, noch immer unentschieden. Eine Bevölkerung von 18,000 Polen, die, selbst nach Angabe der Deutschen, in der Stadt Posen lebt, wird so verhindert, ihre Jugend unterrichten zu lassen. Und das nennt man Achtung der Nationalität! Freilich, die preußische Regierung erklärt, daß der ganze Kreis zum deutschen Bunde gehört; also sind mit einem Mal alle Polen daraus verschwunden, oder haben wenigstens plötzlich ihre Muttersprache verloren!</p> </div> <div xml:id="ar058_011" type="jArticle"> <head><bibl><author>14</author></bibl> Berlin, 25. Juli.</head> <p>Ueber den alten <hi rendition="#g">Polizeistaat</hi> ist jetzt mit Bestimmtheit entschieden, er ist gefallen, an seine Stelle der <hi rendition="#g">Konstablerstaat</hi> getreten. Seit gestern sind nämlich die früher militärisch gekleideten Polizeidiener verschwunden und die Straßen dicht mit bürgerlich gekleideten Konstablern besetzt. Die militärische Polizei hat der bürgerlichen Platz machen müssen, das wahre Zeichen des Umschwunges in Preußen, der die Bourgeoisie scheinbar zur Herrschaft gebracht. Diese bürgerliche Einrichtung kostet den Staat jährlich allein für die Stadt Berlin 300,000 Thlr. Doch was liegt den großen Kapitalisten daran, der Mittelstand und die Arbeiterklasse zahlen ja diese neue Sicherheit des Bourgeoisthums. Uebrigens eignet sich die Einrichtung ganz besonders zum Spioniren. Unter Boltshaufen und besonders am Abend sind diese Leute kaum zu erkennen. Gestern Abend war bei Gelegenheit der Einführung der Konstabler seit langer Zeit wieder einmal Lindenklub, d. h. jene zufällige Versammlung, die sich sonst Abends immer unter den Linden an der Ecke von Kranzler einfand. Ich drängte mich in die Masse hinein, die heftig über die Konstabler diskutirte, bemerkte aber bald, daß ein Theil dieses Klubs aus Konstablern selbst bestand, die mit dem ruhigsten Anschein der Diskussion zuhörten. Da die Konstabler den Straßenklub nachgerade auseinander sprengen wollten, kam es zu einigen Handgreiflichkeiten, denen sie weichen mußten. Begierig ist man nun, was die Regierung aus den frühern Polizeimannschaften und der Gendarmerie machen will. Einstweilen bestehen sie noch neben den Konstablern, vielleicht sollen die Provinzen damit beglückt werden?</p> </div> <div xml:id="ar058_012" type="jArticle"> <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 25. Juli.</head> <p>Nach Eröffnung der heutigen Sitzung der Vereinbarer-Versammlung wurde zuerst ein dringender Antrag des Abgeordneten <hi rendition="#g">von Unruh,</hi> über Bildung der Spezialkommission für die Verhältnisse des Handwerkerstandes und deren Verhältniß zu der Fachkommission für Handel, Gewerbe und Arbeit, wie sie sich vorkommenden Falls gegenseitig zu ergänzen haben, angenommen.</p> <p>Hierauf folgt eine dringliche Interpellation des Abgeordneten <hi rendition="#g">v. Pokrzywincki</hi> an das Staats-Ministerium, „ob das Ministerium geneigt sei über den Bau und die Richtung der Ostbahn der Versammlung die nöthigen Mittheilungen zu machen? und weßhalb das Ministerium den Bau der Ostbahn bei Driesen anfangen ließ, ohne vorher die Genehmigung wegen Richtung dieser Bahn von der Versammlung einzuholen?“</p> <p>Die Interpellation wurde dadurch motivirt, daß diese Bahn für die davon berührten Provinzen sehr wichtig sei. Bereits dem ersten vereinigten Landtage waren Vorlagen zum Baue dieser Bahn gemacht, ihre Nützlichkeit und Zweckmäßigkeit, sowie die Nothwendigkeit der Bahn für die Provinz Preußen wurde anerkannt, nur im Betreff der Geldbewilligung konnte man sich nicht einigen. Daß der Bau der Ostbahn bald zur Ausführung komme ist um so mehr nothwendig, da es in der Provinz Preußen mitunter noch an den nöthigen Kommunikationswegen fehlt und die Nothwendigkeit der schnellen Verbindung mit dieser Provinz anerkannt ist. Die Richtung, welche die Bahn nehmen soll, ist für die betreffenden Bezirke sehr wichtig. Die Regierung hat sich aber berufen gefühlt, die Arbeiten der Bahn an Punkten beginnen zu lassen, in einer Richtung, die vom vereinigten Landtage sogar sehr stark angegriffen war.</p> <p>Der Finanzminister <hi rendition="#g">Hansemann</hi> antwortete: Ich werde mich bemühen kurz zu sein. Die Regierung hat schon früher erklärt, sowie die Verhältnisse günstiger würden, sowie das Vertrauen zurückkehre, würde sie großartige Arbeiten im ganzen Lande beginnen lassen, wo auch die Ostbahn berücksichtigt werden sollte. Die Verhältnisse haben sich gebessert, das Vertrauen hat sich wieder eingestellt. Die Regierung ist nun gegenwärtig beschäftigt einen Gesetzentwurf vorzubereiten und der Versammlung vorzulegen. Bei dieser Gelegenheit und nicht bei gegenwärtiger Interpellation wird das Ministerium in eine nähere Debatte über diese Frage eingehen.</p> <p><hi rendition="#g">Bauer</hi> aus Krotoschin: Die Unternehmungen des Staates und die Unternehmungen der Privatgesellschaften sind sehr verschiedener Natur. Der Staat muß nur das Wohl der Gesammtheit im Auge haben, dagegen eine Privatgesellschaft den pecuniären Vortheil berücksichtigen muß. Die Richtung, welche die Regierung beim Bau der Ostbahn einschlagen läßt, nimmt aber keine Rücksicht auf das Gesammtwohl. Wir müssen darauf bestehen die Richtung der Bahn selbst festzustellen. Das Ministerium will uns zwar Vorlagen machen, hat aber die Richtung schon bestimmt und in Angriff genommen, demnach hätten wir nur noch über die Geldbewilligung zu bestimmen.</p> <p>Finanzminister <hi rendition="#g">Hansemann:</hi> Ich muß dabei bleiben, daß bei Vorlage des Gesetzes die Versammlung auch über die Richtung der Ostbahn bestimmen kann, da es ihr freisteht, das Geld für die Richtung zu bewilligen, die sie beliebt.</p> <p>Abg. <hi rendition="#g">Gladbach:</hi> Der Herr Finanzminister sagte uns, daß das Vertrauen zurückgekehrt sei, das will ich glauben, aber ich möchte den Punkt, wann das geschehen ist, kennen, da, wie ich glaube, die Arbeiten an der Ostbahn schon früher angefangen haben.</p> <p>Finanzm. <hi rendition="#g">Hansemann:</hi> Das Ministerium hat seine Pflicht immer erkannt und auf seine eigene Verantwortlichkeit die Arbeiten an der Ostbahn beschlossen, um brodlosen Arbeitern Beschäftigung zu geben.</p> <p>Hiermit ist diese Interpellation geschlossen. Der Abgeordnete <hi rendition="#g">Borchardt</hi> will einen dringenden Antrag, um Aufhebung der Gesetzesstellen über den frechen Tadel der Gesetze, und Suspendirung der auf Grund dieser Gesetzesstelle eingeleiteten Untersuchungen und Verhaftungen bis zur Revision der Strafgesetze. Dieser Antrag wird aber für nicht dringend gehalten und auf die Tagesordnung gesetzt.</p> <p>Der Vorsitzende der Verfassungs-Kommission, Abg. <hi rendition="#g">Waldeck,</hi> macht noch mehrere Mittheilungen über die bisherigen Arbeiten dieser Kommission. Außer vielen Mittheilungen, die wir schon in der letzten Zeit mitgetheilt haben, ist nur noch zu bemerken: Die Erblichkeit der königlichen Gewalt in der männlichen Linie, nach dem Rechte der Erstgeburt. Mündigkeit des Königs im achtzehnten Jahre. Die Regentschaft wird bei der Unmündigkeit des Königs durch ein Gesetz bestimmt. Die Regentschaft darf nur aus einer Person bestehen, welche auch denselben Eid auf die Verfassung leisten muß wie der König. Dem König steht die Verleihung von Orden und andern Auszeichnungen zu. Die Kammern werden regelmäßig im September jeden Jahres einberufen. Werden sie nicht berufen, so versammeln sich die Kammern am letzten Tage des Monats September von selbst. Ebenso zehn Tage nach dem Tode eines Königs. Die Verf.-Kommission fand es ferner nicht für angemessen, das Großherzogthum Posen von der Verfassung auszuschließen.‒ Schließlich ist noch zu bemerken, daß die Verfassungs-Kommission nur noch einige Sitzungen mit der Redaktion des Entwurfs und der Feststellung der Motive zu halten haben wird.</p> <p>Hierauf entwickelt sich eine sehr lange Verhandlung über den Kommissionsbericht die zur Geschäftsordnung eingegangenen Abänderungsvorschläge betreffend. Sie sind ohne alles Interesse, bis auf diejenigen die Einbringung und Behandlung der Interpellationen betreffend. Es waren mehrere Anträge eingegangen, wonach jede Interpellation von der Majorität oder von 50 bis 100 Mitgliedern unterstützt werden sollte, ehe sie gestellt werden könne. Besonders sprach der Abg. <hi rendition="#g">Baumstark</hi> sich stark gegen die Zulassung von Interpellationen aus, die nur wie bisher die Zustimmung von 25 Mitgliedern nöthig hätten. Er ist dagegen, weil, wie Andere sagen, die Interpellationen uns von der Berathung des Verfassungsentwurfs abhalten, und das Land mit Sehnsucht auf unsere eigentliche Thätigkeit harre. Dem kann ich nicht beistimmen. Wir haben sehr viel gethan. Wenn das Land und die Presse in unsere Abtheilungsarbeiten hineinsehen könnte, würden sie anders urtheilen. Es ist mir sogar sehr lieb, daß wir nicht gleich in den ersten Wochen die Verfassung berathen haben, denn die Versammlung mußte sich erst näher kennen lernen und sich in verschiedene Parteien theilen. Aber die Interpellationen haben uns bisher nichts genützt; aus den Antworten ist größtentheils nichts geworden, weil die Fragen nichts taugten.</p> <p>Abgeordneter <hi rendition="#g">Stein</hi> widerlegt alle Angriffe auf das unumschränkte Interpellationsrecht auf's Glänzendste. Man will die Interpellationen beschränken, weil einiger, Mißbrauch dabei vorkommen soll. Da dies nun geschehen, will man große Beschränkungen einführen, wie es die frühern Regierungen thaten, welche die Presse durch Einführung der Censur einschränkten, um den möglichen Mißbräuchen vorzubeugen. Sehen wir nach England, nach Frankreich und nach allen freien Staaten, sie haben das Recht der Interpellationen noch in viel ausgedehnterm Maße, sie knüpfen eine längere Debatte daran, bis die Frage vollständig erledigt scheint. Auch können wir keinen Unterschied machen, ob die Interpellationen inländische oder ausländische Gegenstände betreffen, wie das von einem geehrten Mitgliede beantragt ist. Der Präsident würde wohl manchmal in Verlegenheit kommen, wie er die Frage zu nehmen habe, und wie die inländische von der ausländischen zu scheiden sei. ‒ Ich bin für die Beibehaltung der bisherigen Ordnung und für den Zusatz, daß sich eine Debatte an die Interpellation knüpfen könne.</p> <p>Die Abstimmung entscheidet im Sinne der Linken, obgleich die Rechte bei der Fragstellung nochmals alles Mögliche versuchte, damit der Beschluß in ihrem Sinne ausfalle. Das unumschränkte Recht der Interpellation bleibt gewahrt.</p> <p>Nachdem noch mehrere andere vorgeschlagene Aenderungen der Geschäftsordnung verworfen worden sind, wird auch der Antrag auf Erbauung eines interimistischen Sitzungslokals für die Versammlung, da das jetzige, hinsichtlich des Zuhörerraumes, zu beschränkt sei, und noch andere Nachtheile mit sich führe, verworfen, dagegen der Antrag auf Erbauung eines Lokals für die Preußischen Kammern, in der Art angenommen, daß die Versammlung beschloß: „das hohe Staatsministerium zu ersuchen, die Herstellung eines hinlänglich geräumigen und angemessen eingerichteten Gebäudes für die Versammlungen der Preußischen Nationalvertretung baldigst vorzubereiten.“</p> <p>Nachdem der Abgeordnete <hi rendition="#g">Dierschke</hi> an den Ministerpräsidenten noch die Bitte gerichtet hatte, den Kriegsminister zu ersuchen, in den nächsten Sitzungen anwesend zu sein, da er einige Interpellationen an denselben gestellt habe, die wahrscheinlich alsdann auf der Tagesordnung sein würden, der Kriegsminister aber seit einigen Wochen die Sitzungen mit seiner Gegenwart nicht beehrt habe, wurde die Sitzung geschlossen.</p> <p>Das Ministerium hat auch in der heutigen Sitzung noch keine Erklärung in Betreff seines Verhaltens zur deutschen Centralgewalt in Frankfurt, abgegeben. Die verschiedensten Gerüchte sind darüber im Umlauf, welche durch die eilige Berufung des Hrn. <hi rendition="#g">Camphausen</hi> und v. <hi rendition="#g">Beckerath</hi> noch vermehrt wurden. Die Ankunft des Herrn Staatsminister Camphausen veröffentlichte der Staatsanzeiger in seinem amtlichen Theile, und Hr. v. Beckerath wurde heute in der Singakademie ‒ dem Sitzungslokale der Vereinbarungsversammlung ‒ bemerkt. Die Angelegenheiten, für welche man den Rath solcher Männer einholt, müssen sehr dringender Natur sein. Der Aufenthalt dieser Männer in Frankfurt, hat ihnen natürlich den vollen Einblick in die dortige Lage der Dinge gestattet. Man behauptet hier sogar, daß es vorzüglich auf den Rath <hi rendition="#g">Camphausens</hi> geschehe, daß Preußen sich nicht der Souveränetät der Frankfurter Versammlung unterwirft. Nach den Ansichten des Herrn Camphausen hat die deutsche Nationalversammlung keine klare Vorstellung über den Begriff der Volkssouveränetät.</p> <p>Das Ministerium soll sich nun nach Berathung mit den Herren Camphausen und v. Beckerath dahin entschlossen haben, sich keinesfalls unter den rücksichtslosen Befehl der deutschen Reichsgewalt zu stellen. Um nun die Vermittlung zwischen Frankfurt und Preußen zu regeln, wird Herr <hi rendition="#g">Camphausen</hi> dorthin abgehn, und als preußischer Gesandter daselbst auftreten, in der Weise, daß er förmlich bei dem deutschen Reichsverweser akkreditirt wird. In der gestern Abend stattgefundenen Volksversammlung des demokratischen Klubs machte dessen Präsident <hi rendition="#g">Schramm</hi> die Anzeige, daß beschlossen worden sei, die Erlaubniß des Polizeipräsidenten zu den Volksversammlungen nicht einzuholen, da dieses nicht gesetzlich begründet sei, und man wollte es auf ein Erkenntniß des Polizeirichters ankommen lassen. Dieser Beschluß wurde mit großem Beifall von der versammelten Volksmenge aufgenommen, und man ist nun begierig, wie sich der Polizeipräsident in dieser Sache verhalten wird. Bekanntlich hat er eine Strafe von 5-50 Thlr. für jeden Redner festgesetzt, welche Verordnung auch vom Minister Kühlwetter bestätigt worden ist.</p> <p>Die Central-Abtheilung für das Heerwesen hat sich, ungeachtet sehr entschiedener und eifriger Gegenvorstellungen des Herrn <hi rendition="#g">v. Griesheim,</hi> als Stellvertreter des Kriegsministers für <hi rendition="#g">Aufhebung der Kadettenhäuser</hi>erklärt.</p> <p>Es ist hier von einer Allianz zwischen Preußen, Baiern, Hannover und Braunschweig die Rede, welche den Zweck haben soll, die Selbstständigkeit der Einzelstaaten Deutschlands der Centralgewalt gegenüber zu wahren. Ein schöner Anfang zur Einheit Deutschlands!</p> <p>Vorgestern fand sich an den Straßenecken ein „Aufruf an das Volk“, vom hiesigen Preußenverein. Es wird das Aufgehen Preußens in Deutschland beklagt und zur offenen Widersetzlichkeit gegen die deutsche Nationalversammlung provocirt. Auf Antrag des Dr. Bracht aus Elberfeld hat der kostitutionelle Kongreß in seiner heutigen Sitzung folgenden Protest beschlossen und bereits veröffentlicht:</p> <p>„Der konstitutionelle Kongreß in Veranlassung eines „an das Volk“ erlassenenen Aufrufs unterzeichnet der„Preußenverein für konstitutionelles Königthum“ erklärt hiermit seine tiefste Entrüstung über diesen Versuch, die so herrlich angebahnte Einheit des deutschen Volkes, diese einzige Grundlage unserer Zukunft, zu stören; er erblickt darin eine Auflehnung gegen den gesetzlich ausgesprochenen Willen der Nation, die eben so gefährlich ist und eben so leicht zum Bürgerkriege führen würde, wie die selbstsüchtigen Bestrebungen der Anarchisten.“</p> <p>Außer diesem Aufruf des Preußenvereins treten noch manche, bis jetzt allerdings nur vereinzelte Erscheinungen auf, welche eine Reaktion des specifischen Preußenthums gegen die Frankfurter Beschlüsse erwarten lassen. Die „Deutsche Wehrzeitung“, herausgegeben von einer Gesellschaft deutscher Offiziere und Militärbeamten, eine neue Zeitschrift, welche der militärischen Fraktion der Reaktionspartei in Potsdam, als Organ zu dienen bestimmt ist, spricht sich in gleicher Weise Namens der Armee unumwunden aus.„Die Armee werde zeigen, daß sie außer ihrer Treue und Anhänglichkeit auch einen <hi rendition="#g">Willen</hi> hat, einen Willen, dem sie nöthigenfalls auch Nachdruck zu geben entschlossen ist.“</p> </div> <div xml:id="ar058_012a" type="jArticle"> <head>Berlin, 25. Juli.</head> <p>Die Angaben über die Summen der bereits für die freiwillig-gezwungene Anleihe geschehenen Einzahlungen sind sehr übertrieben worden. Die B. Z. bemerkt: „Es sind noch nicht drei Millionen eingegangen. Wenige bedenken, wie schwer es nur mechanisch ist, Zahlungen von Millionen in kurzer Zeit zu leisten. Wenn täglich fünfzigtausend Thaler eingezahlt werden, würde es doch (nach Abzug der Sonntage) eines vollen Jahres bedürfen, um fünfzehn Millionen einzuzahlen. Die großen Zeichnungen von zehn, zwanzig, dreißigtausend Thaler sind aber nicht so häufig, um in der schnellen Abwickelung des Geschäfts, die vielen kleinen zu übertragen.‒ Möge man daher noch immer eifrig beisteuern und nicht glauben, daß dieses bedeutende Geschäft</p> <p> <ref type="link">(Siehe den Verfolg in der Beilage).</ref> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0289/0003]
pieren ist nichts Verfängliches gefunden. Weit entfernt, daß man ihn der Uebertretung des Art 102 überführen kann, liegt nicht einmal ein gegründeter Verdacht gegen ihn vor; es steht daher zu erwarten, daß er bald aus der Haft entlassen werden wird, wenn die Behörde ihm nicht aus der Verbreitung des „republikanischen Katechismus“ ein Verbrechen machen will.
38 Bernkastel, 23. Juli. Gestern wurde hierselbst in Folge eines Preßvergehens die Verhaftung eines ansäßigen allgemein beliebten Bürgers, mit imponirendem Kraftaufwand vorgenommen. Der „Gefahndete“ hatte einige mißliebige Artikel in einem hiesigen Provinzialblatt veröffentlicht.
Am Morgen unmittelbar nach der Ankunft des Staatsprokurators John und des Untersuchungsrichters Mathieu schritt die ganze exekutive Gewalt von Bernkastel, bestehend aus einem berittenen und einem Fuß-Gensdarmen, unter der persönlichen Leitung des genannten Staatsprokurators zu der Arrestation, die in einem fremden Hause statt fand, wo sich eben der Arrestant aufhielt.
Bald nach dem Verhör wurde der Verhaftete auf einem andern Wege, als die zusammengelaufene Volksmenge erwartete, „nach Trier abgeführt.“
Die Frauen drängten die Männer zur gewaltsamen Befreiung des Gefangenen. Die Männer widerstanden der lockenden „Verführung „auf das Anrathen Ihres Korrespondenten, beschlossen vielmehr eine Volksversammlung abzuhalten, welche heute statt fand und sehr zahlreich besucht war.“
Man faßte den einstimmigen Beschluß, daß sofort für den unbemittelten Mitbürger die Kaution in Geld gestellt und seine provisorische Freilassung gefordert werden sollte, sowie, daß zur Beseitigung der zwei angeblich in den incriminirten Zeitungsartikeln verläumdeten Beamten (Friedensrichter Voll und Bürgermeister Schwan) die geeigneten Schritte gethan werden müßten.
14 Herford, 26. Juli. Herr Dallmann, Colonus aus Elverdissen, dessen Einsicht bis dato über die bäuerlichen und pietistischen Angelegenheiten von Elverdissen nicht hinausging und der erst von der Reaktionspartei in Berlin erfuhr, er sei ein Mann von exceptionellen Geistesgaben und könne zum Winkelried an den Destruktiven werden. Herr Dallmann hat nachfolgende offene Erklärung an die Wähler des Kreises erlassen. Diese „offene“ Erklärung ist mit der größten Heimlichkeit an konservative Wähler vertheilt worden. Den Argusaugen des landräthlichen Bureaus sogar scheint sie entzogen worden zu sein.
Offene Erklärung an die Wähler des Kreises.
Die Deputirten der Provinz Westphalen haben ihren Sitz in der preußischen Nationalversammlung eingenommen, in der Ueberzeugung, daß das Wahlgesetz vom 8. April d. J. der Rechtsboden sei, auf dem sie stehen und daß ihre Vollmacht vorab dahin laute: eine Verfassung mit der Krone zu vereinbaren.
Indem sie eine große geistige Bewegung Europas und des Vaterlandes anerkennen, verwerfen sie die sogenannte Berliner Revolution mit ihren gefährlichen Consequenzen der Volkssouveränetät und Infragestellung aller Rechtszustände.
Westphalen will keine Reaktion, sondern das volle Maaß gesetzlicher Freiheit auf den Grundlagen der Intelligenz und gesichert vor roher Gewalt. Die Provinz will nicht den Eid verletzen, welchen sie dem Könige geschworen hat, nicht von der Vergangenheit scheiden, wie der verlorene Sohn vom Hause seines Vaters; sie will das alte Kleinod der Treue bewahren auf dem freien Erbe ihrer Väter.
Die Vertreter Westphalens haben das Ministerium Camphausen unterstützt wie ein Mann, im Interesse der Ordnung und Gesetzlichkeit, unter deren Schutz allein die Nahrungsquellen sich ergießen; sie haben es um so freudiger gethan, weil dieses Ministerium ihrer Ueberzeugung entsprach.
Camphausen, der Mann von großer politischer Fähigkeit und trefflicher Gesinnung ist vom Schauplatz abgetreten als schlichter Bürger, begleitet von der Hochachtung aller Parteien, welche ihm als Votum des Vertrauens den Präsidentenstuhl in der Kammer angeboten. Darin liegt die Rechtfertigung unseres politischen Handelns dem Lande gegenüber.
Das neue Ministerium Auerswald hat in seinem Programm eine Anerkennung der Märzrevolution in unbestimmten Ausdrücken ausgesprochen, welcher wir nicht beitreten können.
Es ist auf rother Erde nicht Sitte, die Ueberzeugung des Mannes zu wechseln wie ein Kleid.
Die hier erschienenen zahlreichen Deputationen aus Rheinland und Westphalen geben die feste Zusicherung, daß unsere Grundsätze die der entschiedenen Mehrzahl unserer Machtgeber sind, und ermahnen uns, gesinnungstreu auf dem bisherigen Rechtsboden zu verharren.
Demgemäß erklären wir hiermit öffentlich, daß uns das Programm des Ministeriums Auerswald nicht genügt, in dem seine unklare Fassung unser politisches Glaubensbekenntniß nicht enthält.
Insofern das Ministerium wirklich ein Ministerium der That sein wird, werden wir jede Maaßregel zur Herstellung der Ruhe und Ordnung und den Fortschritten der Zeit angemessenen Gesetzesvorschläge, ohne Parteirücksichten unterstützen.
Auf welcher Seite des Hauses wir künftig auch sitzen mögen, wir werden folgerecht die ausgesprochene Gesinnung unseres Landes mit Ehren zu vertreten streben.
Um in schwierigen Zeitenkein Aufsehen durch Kollektivunterschriften zu erregen, ist beschlossen worden, diese Erklärung von jedem einzelnen Deputirten an seine Wähler abgehen zu lassen.
Berlin, 17. Juli 1848.
gez. Dallmann.
15 Berlin, 24. Juli. Kuhr aus Preußen (zur Linken gehörend) ist beschuldigt worden, bei Gelegenheit des Zeughaussturmes am 14. Juni, Waffen aus dem Zeughause entnommen zu haben. Der bisherige Staatsanwalt beim Kammergericht, Herr v. Kirchmann hat, da nach dem neuen Gesetze die gerichtliche Verfolgung eines Deputirten ohne Genehmigung der Nationalversammlung nicht stattfinden darf, bei derselben einen Antrag eingereicht, welcher die Bewilligung, den erwähnten Abgeordneten in Anklagezustand versetzen zu dürfen, betrifft. Der Antrag wurde den Abtheilungen zur Vorberathung überwiesen; dieselben entschieden sich zum größten Theil dafür, und ebenso die aus den einzelnen Abtheilungen gebildete Central-Abtheilung. Wir werden also nächstens das interessante Schauspiel haben, wenn, wie zu erwarten, die Majorität der Nationalversammlung sich ebenfalls für gerichtliche Verfolgung ausspricht, einen des gemeinen Diebstahls beschuldigten Deputirten vor den Schranken des Gerichts gestellt und zu mehrjähriger Zuchthausstrafe verurtheilt zu sehen.
Wie unsere Regierung die nationale Reorganisation des Großherzogthums Posen auffaßt, können Sie daraus ersehen, daß das polnische Gymnasium in Posen trotz aller Vorstellungen des Erzbischofs Przyluski und anderer Polen, noch immer geschlossen ist. Der frühere Kultusminister, Graf Schwerin, hatte die Eröffnung des Gymnasiums bereits befohlen, da protestirte der General Pfuel und der Oberpräsident Beurmann, ebenso die Posener Stadtbehörden. Schwerin trat ab und Rodbertus an seine Stelle. Dieser war dem Gymnasium günstiger, allein er fand bei den übrigen Ministern Widerspruch. Und so ist die Sache, nachdem Rodbertus abgetreten, noch immer unentschieden. Eine Bevölkerung von 18,000 Polen, die, selbst nach Angabe der Deutschen, in der Stadt Posen lebt, wird so verhindert, ihre Jugend unterrichten zu lassen. Und das nennt man Achtung der Nationalität! Freilich, die preußische Regierung erklärt, daß der ganze Kreis zum deutschen Bunde gehört; also sind mit einem Mal alle Polen daraus verschwunden, oder haben wenigstens plötzlich ihre Muttersprache verloren!
14 Berlin, 25. Juli. Ueber den alten Polizeistaat ist jetzt mit Bestimmtheit entschieden, er ist gefallen, an seine Stelle der Konstablerstaat getreten. Seit gestern sind nämlich die früher militärisch gekleideten Polizeidiener verschwunden und die Straßen dicht mit bürgerlich gekleideten Konstablern besetzt. Die militärische Polizei hat der bürgerlichen Platz machen müssen, das wahre Zeichen des Umschwunges in Preußen, der die Bourgeoisie scheinbar zur Herrschaft gebracht. Diese bürgerliche Einrichtung kostet den Staat jährlich allein für die Stadt Berlin 300,000 Thlr. Doch was liegt den großen Kapitalisten daran, der Mittelstand und die Arbeiterklasse zahlen ja diese neue Sicherheit des Bourgeoisthums. Uebrigens eignet sich die Einrichtung ganz besonders zum Spioniren. Unter Boltshaufen und besonders am Abend sind diese Leute kaum zu erkennen. Gestern Abend war bei Gelegenheit der Einführung der Konstabler seit langer Zeit wieder einmal Lindenklub, d. h. jene zufällige Versammlung, die sich sonst Abends immer unter den Linden an der Ecke von Kranzler einfand. Ich drängte mich in die Masse hinein, die heftig über die Konstabler diskutirte, bemerkte aber bald, daß ein Theil dieses Klubs aus Konstablern selbst bestand, die mit dem ruhigsten Anschein der Diskussion zuhörten. Da die Konstabler den Straßenklub nachgerade auseinander sprengen wollten, kam es zu einigen Handgreiflichkeiten, denen sie weichen mußten. Begierig ist man nun, was die Regierung aus den frühern Polizeimannschaften und der Gendarmerie machen will. Einstweilen bestehen sie noch neben den Konstablern, vielleicht sollen die Provinzen damit beglückt werden?
103 Berlin, 25. Juli.Nach Eröffnung der heutigen Sitzung der Vereinbarer-Versammlung wurde zuerst ein dringender Antrag des Abgeordneten von Unruh, über Bildung der Spezialkommission für die Verhältnisse des Handwerkerstandes und deren Verhältniß zu der Fachkommission für Handel, Gewerbe und Arbeit, wie sie sich vorkommenden Falls gegenseitig zu ergänzen haben, angenommen.
Hierauf folgt eine dringliche Interpellation des Abgeordneten v. Pokrzywincki an das Staats-Ministerium, „ob das Ministerium geneigt sei über den Bau und die Richtung der Ostbahn der Versammlung die nöthigen Mittheilungen zu machen? und weßhalb das Ministerium den Bau der Ostbahn bei Driesen anfangen ließ, ohne vorher die Genehmigung wegen Richtung dieser Bahn von der Versammlung einzuholen?“
Die Interpellation wurde dadurch motivirt, daß diese Bahn für die davon berührten Provinzen sehr wichtig sei. Bereits dem ersten vereinigten Landtage waren Vorlagen zum Baue dieser Bahn gemacht, ihre Nützlichkeit und Zweckmäßigkeit, sowie die Nothwendigkeit der Bahn für die Provinz Preußen wurde anerkannt, nur im Betreff der Geldbewilligung konnte man sich nicht einigen. Daß der Bau der Ostbahn bald zur Ausführung komme ist um so mehr nothwendig, da es in der Provinz Preußen mitunter noch an den nöthigen Kommunikationswegen fehlt und die Nothwendigkeit der schnellen Verbindung mit dieser Provinz anerkannt ist. Die Richtung, welche die Bahn nehmen soll, ist für die betreffenden Bezirke sehr wichtig. Die Regierung hat sich aber berufen gefühlt, die Arbeiten der Bahn an Punkten beginnen zu lassen, in einer Richtung, die vom vereinigten Landtage sogar sehr stark angegriffen war.
Der Finanzminister Hansemann antwortete: Ich werde mich bemühen kurz zu sein. Die Regierung hat schon früher erklärt, sowie die Verhältnisse günstiger würden, sowie das Vertrauen zurückkehre, würde sie großartige Arbeiten im ganzen Lande beginnen lassen, wo auch die Ostbahn berücksichtigt werden sollte. Die Verhältnisse haben sich gebessert, das Vertrauen hat sich wieder eingestellt. Die Regierung ist nun gegenwärtig beschäftigt einen Gesetzentwurf vorzubereiten und der Versammlung vorzulegen. Bei dieser Gelegenheit und nicht bei gegenwärtiger Interpellation wird das Ministerium in eine nähere Debatte über diese Frage eingehen.
Bauer aus Krotoschin: Die Unternehmungen des Staates und die Unternehmungen der Privatgesellschaften sind sehr verschiedener Natur. Der Staat muß nur das Wohl der Gesammtheit im Auge haben, dagegen eine Privatgesellschaft den pecuniären Vortheil berücksichtigen muß. Die Richtung, welche die Regierung beim Bau der Ostbahn einschlagen läßt, nimmt aber keine Rücksicht auf das Gesammtwohl. Wir müssen darauf bestehen die Richtung der Bahn selbst festzustellen. Das Ministerium will uns zwar Vorlagen machen, hat aber die Richtung schon bestimmt und in Angriff genommen, demnach hätten wir nur noch über die Geldbewilligung zu bestimmen.
Finanzminister Hansemann: Ich muß dabei bleiben, daß bei Vorlage des Gesetzes die Versammlung auch über die Richtung der Ostbahn bestimmen kann, da es ihr freisteht, das Geld für die Richtung zu bewilligen, die sie beliebt.
Abg. Gladbach: Der Herr Finanzminister sagte uns, daß das Vertrauen zurückgekehrt sei, das will ich glauben, aber ich möchte den Punkt, wann das geschehen ist, kennen, da, wie ich glaube, die Arbeiten an der Ostbahn schon früher angefangen haben.
Finanzm. Hansemann: Das Ministerium hat seine Pflicht immer erkannt und auf seine eigene Verantwortlichkeit die Arbeiten an der Ostbahn beschlossen, um brodlosen Arbeitern Beschäftigung zu geben.
Hiermit ist diese Interpellation geschlossen. Der Abgeordnete Borchardt will einen dringenden Antrag, um Aufhebung der Gesetzesstellen über den frechen Tadel der Gesetze, und Suspendirung der auf Grund dieser Gesetzesstelle eingeleiteten Untersuchungen und Verhaftungen bis zur Revision der Strafgesetze. Dieser Antrag wird aber für nicht dringend gehalten und auf die Tagesordnung gesetzt.
Der Vorsitzende der Verfassungs-Kommission, Abg. Waldeck, macht noch mehrere Mittheilungen über die bisherigen Arbeiten dieser Kommission. Außer vielen Mittheilungen, die wir schon in der letzten Zeit mitgetheilt haben, ist nur noch zu bemerken: Die Erblichkeit der königlichen Gewalt in der männlichen Linie, nach dem Rechte der Erstgeburt. Mündigkeit des Königs im achtzehnten Jahre. Die Regentschaft wird bei der Unmündigkeit des Königs durch ein Gesetz bestimmt. Die Regentschaft darf nur aus einer Person bestehen, welche auch denselben Eid auf die Verfassung leisten muß wie der König. Dem König steht die Verleihung von Orden und andern Auszeichnungen zu. Die Kammern werden regelmäßig im September jeden Jahres einberufen. Werden sie nicht berufen, so versammeln sich die Kammern am letzten Tage des Monats September von selbst. Ebenso zehn Tage nach dem Tode eines Königs. Die Verf.-Kommission fand es ferner nicht für angemessen, das Großherzogthum Posen von der Verfassung auszuschließen.‒ Schließlich ist noch zu bemerken, daß die Verfassungs-Kommission nur noch einige Sitzungen mit der Redaktion des Entwurfs und der Feststellung der Motive zu halten haben wird.
Hierauf entwickelt sich eine sehr lange Verhandlung über den Kommissionsbericht die zur Geschäftsordnung eingegangenen Abänderungsvorschläge betreffend. Sie sind ohne alles Interesse, bis auf diejenigen die Einbringung und Behandlung der Interpellationen betreffend. Es waren mehrere Anträge eingegangen, wonach jede Interpellation von der Majorität oder von 50 bis 100 Mitgliedern unterstützt werden sollte, ehe sie gestellt werden könne. Besonders sprach der Abg. Baumstark sich stark gegen die Zulassung von Interpellationen aus, die nur wie bisher die Zustimmung von 25 Mitgliedern nöthig hätten. Er ist dagegen, weil, wie Andere sagen, die Interpellationen uns von der Berathung des Verfassungsentwurfs abhalten, und das Land mit Sehnsucht auf unsere eigentliche Thätigkeit harre. Dem kann ich nicht beistimmen. Wir haben sehr viel gethan. Wenn das Land und die Presse in unsere Abtheilungsarbeiten hineinsehen könnte, würden sie anders urtheilen. Es ist mir sogar sehr lieb, daß wir nicht gleich in den ersten Wochen die Verfassung berathen haben, denn die Versammlung mußte sich erst näher kennen lernen und sich in verschiedene Parteien theilen. Aber die Interpellationen haben uns bisher nichts genützt; aus den Antworten ist größtentheils nichts geworden, weil die Fragen nichts taugten.
Abgeordneter Stein widerlegt alle Angriffe auf das unumschränkte Interpellationsrecht auf's Glänzendste. Man will die Interpellationen beschränken, weil einiger, Mißbrauch dabei vorkommen soll. Da dies nun geschehen, will man große Beschränkungen einführen, wie es die frühern Regierungen thaten, welche die Presse durch Einführung der Censur einschränkten, um den möglichen Mißbräuchen vorzubeugen. Sehen wir nach England, nach Frankreich und nach allen freien Staaten, sie haben das Recht der Interpellationen noch in viel ausgedehnterm Maße, sie knüpfen eine längere Debatte daran, bis die Frage vollständig erledigt scheint. Auch können wir keinen Unterschied machen, ob die Interpellationen inländische oder ausländische Gegenstände betreffen, wie das von einem geehrten Mitgliede beantragt ist. Der Präsident würde wohl manchmal in Verlegenheit kommen, wie er die Frage zu nehmen habe, und wie die inländische von der ausländischen zu scheiden sei. ‒ Ich bin für die Beibehaltung der bisherigen Ordnung und für den Zusatz, daß sich eine Debatte an die Interpellation knüpfen könne.
Die Abstimmung entscheidet im Sinne der Linken, obgleich die Rechte bei der Fragstellung nochmals alles Mögliche versuchte, damit der Beschluß in ihrem Sinne ausfalle. Das unumschränkte Recht der Interpellation bleibt gewahrt.
Nachdem noch mehrere andere vorgeschlagene Aenderungen der Geschäftsordnung verworfen worden sind, wird auch der Antrag auf Erbauung eines interimistischen Sitzungslokals für die Versammlung, da das jetzige, hinsichtlich des Zuhörerraumes, zu beschränkt sei, und noch andere Nachtheile mit sich führe, verworfen, dagegen der Antrag auf Erbauung eines Lokals für die Preußischen Kammern, in der Art angenommen, daß die Versammlung beschloß: „das hohe Staatsministerium zu ersuchen, die Herstellung eines hinlänglich geräumigen und angemessen eingerichteten Gebäudes für die Versammlungen der Preußischen Nationalvertretung baldigst vorzubereiten.“
Nachdem der Abgeordnete Dierschke an den Ministerpräsidenten noch die Bitte gerichtet hatte, den Kriegsminister zu ersuchen, in den nächsten Sitzungen anwesend zu sein, da er einige Interpellationen an denselben gestellt habe, die wahrscheinlich alsdann auf der Tagesordnung sein würden, der Kriegsminister aber seit einigen Wochen die Sitzungen mit seiner Gegenwart nicht beehrt habe, wurde die Sitzung geschlossen.
Das Ministerium hat auch in der heutigen Sitzung noch keine Erklärung in Betreff seines Verhaltens zur deutschen Centralgewalt in Frankfurt, abgegeben. Die verschiedensten Gerüchte sind darüber im Umlauf, welche durch die eilige Berufung des Hrn. Camphausen und v. Beckerath noch vermehrt wurden. Die Ankunft des Herrn Staatsminister Camphausen veröffentlichte der Staatsanzeiger in seinem amtlichen Theile, und Hr. v. Beckerath wurde heute in der Singakademie ‒ dem Sitzungslokale der Vereinbarungsversammlung ‒ bemerkt. Die Angelegenheiten, für welche man den Rath solcher Männer einholt, müssen sehr dringender Natur sein. Der Aufenthalt dieser Männer in Frankfurt, hat ihnen natürlich den vollen Einblick in die dortige Lage der Dinge gestattet. Man behauptet hier sogar, daß es vorzüglich auf den Rath Camphausens geschehe, daß Preußen sich nicht der Souveränetät der Frankfurter Versammlung unterwirft. Nach den Ansichten des Herrn Camphausen hat die deutsche Nationalversammlung keine klare Vorstellung über den Begriff der Volkssouveränetät.
Das Ministerium soll sich nun nach Berathung mit den Herren Camphausen und v. Beckerath dahin entschlossen haben, sich keinesfalls unter den rücksichtslosen Befehl der deutschen Reichsgewalt zu stellen. Um nun die Vermittlung zwischen Frankfurt und Preußen zu regeln, wird Herr Camphausen dorthin abgehn, und als preußischer Gesandter daselbst auftreten, in der Weise, daß er förmlich bei dem deutschen Reichsverweser akkreditirt wird. In der gestern Abend stattgefundenen Volksversammlung des demokratischen Klubs machte dessen Präsident Schramm die Anzeige, daß beschlossen worden sei, die Erlaubniß des Polizeipräsidenten zu den Volksversammlungen nicht einzuholen, da dieses nicht gesetzlich begründet sei, und man wollte es auf ein Erkenntniß des Polizeirichters ankommen lassen. Dieser Beschluß wurde mit großem Beifall von der versammelten Volksmenge aufgenommen, und man ist nun begierig, wie sich der Polizeipräsident in dieser Sache verhalten wird. Bekanntlich hat er eine Strafe von 5-50 Thlr. für jeden Redner festgesetzt, welche Verordnung auch vom Minister Kühlwetter bestätigt worden ist.
Die Central-Abtheilung für das Heerwesen hat sich, ungeachtet sehr entschiedener und eifriger Gegenvorstellungen des Herrn v. Griesheim, als Stellvertreter des Kriegsministers für Aufhebung der Kadettenhäusererklärt.
Es ist hier von einer Allianz zwischen Preußen, Baiern, Hannover und Braunschweig die Rede, welche den Zweck haben soll, die Selbstständigkeit der Einzelstaaten Deutschlands der Centralgewalt gegenüber zu wahren. Ein schöner Anfang zur Einheit Deutschlands!
Vorgestern fand sich an den Straßenecken ein „Aufruf an das Volk“, vom hiesigen Preußenverein. Es wird das Aufgehen Preußens in Deutschland beklagt und zur offenen Widersetzlichkeit gegen die deutsche Nationalversammlung provocirt. Auf Antrag des Dr. Bracht aus Elberfeld hat der kostitutionelle Kongreß in seiner heutigen Sitzung folgenden Protest beschlossen und bereits veröffentlicht:
„Der konstitutionelle Kongreß in Veranlassung eines „an das Volk“ erlassenenen Aufrufs unterzeichnet der„Preußenverein für konstitutionelles Königthum“ erklärt hiermit seine tiefste Entrüstung über diesen Versuch, die so herrlich angebahnte Einheit des deutschen Volkes, diese einzige Grundlage unserer Zukunft, zu stören; er erblickt darin eine Auflehnung gegen den gesetzlich ausgesprochenen Willen der Nation, die eben so gefährlich ist und eben so leicht zum Bürgerkriege führen würde, wie die selbstsüchtigen Bestrebungen der Anarchisten.“
Außer diesem Aufruf des Preußenvereins treten noch manche, bis jetzt allerdings nur vereinzelte Erscheinungen auf, welche eine Reaktion des specifischen Preußenthums gegen die Frankfurter Beschlüsse erwarten lassen. Die „Deutsche Wehrzeitung“, herausgegeben von einer Gesellschaft deutscher Offiziere und Militärbeamten, eine neue Zeitschrift, welche der militärischen Fraktion der Reaktionspartei in Potsdam, als Organ zu dienen bestimmt ist, spricht sich in gleicher Weise Namens der Armee unumwunden aus.„Die Armee werde zeigen, daß sie außer ihrer Treue und Anhänglichkeit auch einen Willen hat, einen Willen, dem sie nöthigenfalls auch Nachdruck zu geben entschlossen ist.“
Berlin, 25. Juli.Die Angaben über die Summen der bereits für die freiwillig-gezwungene Anleihe geschehenen Einzahlungen sind sehr übertrieben worden. Die B. Z. bemerkt: „Es sind noch nicht drei Millionen eingegangen. Wenige bedenken, wie schwer es nur mechanisch ist, Zahlungen von Millionen in kurzer Zeit zu leisten. Wenn täglich fünfzigtausend Thaler eingezahlt werden, würde es doch (nach Abzug der Sonntage) eines vollen Jahres bedürfen, um fünfzehn Millionen einzuzahlen. Die großen Zeichnungen von zehn, zwanzig, dreißigtausend Thaler sind aber nicht so häufig, um in der schnellen Abwickelung des Geschäfts, die vielen kleinen zu übertragen.‒ Möge man daher noch immer eifrig beisteuern und nicht glauben, daß dieses bedeutende Geschäft
(Siehe den Verfolg in der Beilage).
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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