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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 59. Köln, 29. Juli 1848.

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Neue Rheinische Zeitung.
Organ der Demokratie.
No 59. Köln, Samstag 29. Juli 1848.

Die "Neue Rheinische Zeitung" erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an. Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr G. A. Alexander, Nr. 28, Brandgasse in Straßburg, und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die H. H. J. J. Ewer & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich.

Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Dänisches Komplott gegen die Hamburger Post. - Friedrich VII. und der Jude Hambro). Frankfurt. (Die Thurn-und Taxis'sche Post. - Nationalversammlung vom 26. Juli). Berlin. (Deutschland und Preußen. - Ministerielle Absichten. - Deputation nach Posen. - Civil und Militär. - Die Vossische Zeitung über den eximirten Gerichtsstand). Breslau. (Ein Hofkünstler). Posen. (Mieroslawski abgeführt). Altona. (Deputation nach Frankfurt). Rendsburg. (Erneuerung des Kriegs offiziell). Wiesbaden. (Die Truppen). München. (Steuerverweigerung). Wien. (Rückkehr des Kaisers erwartet. - Ausschußproklamation gegen die Excesse der Nationalgarden).

Holland.

Maestricht. (Befestigung der Stadt. - Beschluß des Stadtraths in Betreff Limburgs und der Frankfurter Nationalversammlung).

Italien.

Mirandola. (Kanonade von Mantua her. - Die Reaktionären in Modena). Florenz. ("L'Alba" über die russische Invasion in die Moldau. - Kriegscomite in Bologna. - Deputirte aus der Romagna. - Oestreichische Plünderung. - Neapolitanischer Courier). Rom Kammerdebatten. - Erklärung Mamiani's). Neapel. (Ministerielles. - Aufständisches. - Abfahrt der Geschwader Englands und Frankreichs. - Entschädigung der Franzosen. - Häupter der Insurgenten gefangen. - Versiegelung einer Druckerei. - Erklärung der "Unione").

Großbritannien. London. (Parlament). Dublin. (Auflösung der Klubs. - Nation und Felon).

Französische Republik. Paris. (Goudchaux, der National und die Course. - Nationalversammlung. - Vermischtes. - Der Verein des Palais national).

Türkei. Konstantinopel. (Die Donaufürstenthümer. - Rüstung. - Räuberbanden. - Die Pest).

Deutschland.
* Köln, 28. Juli.

Wir können unseren Lesern folgenden Brief eines Freundes aus Kopenhagen nicht vorenthalten:

14 Kopenhagen, 23. Juli.

Sie wissen, geehrter Freund, ich bin nie ein großer Patriot gewesen, habe nie in der deutschen Geschichte viel Glorie und Herrlichkeit entdecken können, und

Schleswig-Holstein stammverwandt

Blieb mir immer unbekannt.

Aber soviel ist gewiß, wenn ich kein Deutscher wäre, so möchte ich wenigstens um Alles in der Welt kein Däne sein. Ich wünschte nur, die christlich-germanischen Ritter von der Contrerevolution, die Herren Bincke, Radowitz, Lychnowski und Consorten kämen einmal herüber nach Dänemark; sie würden sofort den Krieg einstellen und Gott danken, wenn die Dänen Schleswig nur behielten. Denn hier, im frommen Lande Dänemark, hier blüht noch die alte Zucht und Sitte, die in Deutschland vom Gift französischer Verderbtheit angenagt, vom Sturmwind gottloser Revolutionen erschüttert worden ist. Hier finden Sie eine tüchtige Büreaukratie, einen mächtigen Adel, einen ehrsamen, zünftigen Bürgerstand, kernhafte Bauern, ein kräftiges Ständewesen, unerschütterliche Treue gegen den Fürsten, hier finden Sie wenig Talent und viel Charakter, Gastfreiheit, Biederkeit, Familiensinn, Gemüthlichkeit und Behäbigkeit im vollsten Maße. In der That, muß man nicht wünschen, daß Schleswig bei Dänemark bleibt, damit es den modernen, verwerflichen, leider auch in Deutschland mächtigen revolutionären Einflüssen entzogen werde? Dänemark ist das Land, wo ein deutscher kontrerevolutionärer Patriot unpatriotisch, wo ein unpatriotischer deutscher Revolutionär Patriot werden muß, das Land, wo der alte Arndt singen würde, des Deutschen wahres Vaterland gehe soweit die dänische Zunge klingt. Und welche Nation kann deutscher sein als diejenige, der die Deutschen noch nicht deutsch genug, der sie "deutsche Windbeutel" sind?

Wenn der Fuchs die Flöhe los werden will, so geht er rückwärts in's Wasser mit einem Büschel Moos im Maul, und die Flöhe, von der Ueberschwemmung getrieben, hüpfen immer weiter vorwärts, bis sie endlich alle auf dem Büschel Moos sitzen, und dann wirft der Fuchs Moos und Flöhe in's Wasser, und die armen Flöhe ersaufen elendiglich. So sagt die Fabel. Deutschland hat zwar von der Fuchsnatur bisher wenig mehr als die rothen Haare. Wenn es aber einmal so stark von den christlich-germanischen Flöhen gebissen wird, daß es mit Todesverachtung rückwärts in den Revolutionsstrom geht bis an die Schnauze, dann wird Dänemark das Büschel Moos sein, auf dem sich alle die kontrerevolutionären Flöhe versammeln, und wo sie mit Einem Schlage untergetaucht werden.

Sie meinen, ich scherze? Keineswegs. Ich versich're Sie, ich bin hier deutscher Patriot vom reinsten Wasser geworden. Gegen diese biederben Barbaren sind wir Deutsche wahrlich leichtsinnige, civilisirte Franzosen. Was Paris und London für Deutschland, das ist Hamburg, sage Hamburg für Dänemark. Diese winzigen dänischen Schreier, die einen so merkwürdigen Lärm gegen Deutschland erhoben haben, poltern im Grunde nur deßwegen so laut, weil sie materiell und intellektuell von uns abhängig sind. Lesen Sie die Berlingske Tidende (die "Kölnische Zeitung" von Kopenhagen), ob nicht der dritte Theil der Annoncen in deutscher Sprache, ob nicht drei Viertel der angezeigten Bücher deutsche Bücher, ob nicht die Masse der Kaufmannsnamen deutsche Namen sind. Deutsche besorgen hier den Detailhandel, Juden den Geld- und Kornhandel, an ihrer Spitze der reiche Jude Hambro, der mit ein paar lumpigen Millionen Reichsbankthaler ganz Kopenhagen in die Tasche steckt, und hier mehr ist, als Rothschild in Paris. Lesen Sie die Politik und die Handelsberichte unsrer Tagesblätter, ob nicht alles von der Hamburger Post abhängt, der einzigen Vermittlerin zwischen Kopenhagen und der civilisirten Welt, ob nicht selbst die Berlingsche Hofzeitung viel genauere Bülletins über Ankunft, Ausbleiben und Störungen "Hamborgerpostens" gibt als über "Kong Fredriks den syvendes" erwünschtes allerhöchstes Wohlsein?

In der That, die Dänen mögen sich sperren wie sie wollen gegen Deutschland, sie mögen ihrem Könige noch so laut zurufen: "Führe uns nicht in den deutschen Bund!" (das bekannte dänische Vaterunser) - sie sind im deutschen Bunde Kraft der Hamburger Post und die Hamburger Post ist stärker als Fredrik VII. und Orla Lehmann, der Deutschenfresser. Darum bildet sich jetzt ein großes Komplott in Kopenhagen, um Dänemark von der Hamburger Post unabhängig zu machen. Die Spießbürger mehrerer Städte empören sich gegen die Hamburger Post, und Fädrelandet läßt sich einen ingrimmigen Brief "eines im Auslande ansässigen Jüten", schreiben in dem der ganze Feldzugsplan enthalten ist.

Die Jüten sind sonst die dänischen Pommern, und da die Dänen selbst gewissermaßen Pommern auf der zweiten Potenz sind, so kann man sich denken, welche gedankenschweren Köpfe diese Jüten besitzen. "Ein Jüte" in einer dänischen Zeitung hätte noch vor Kurzem in ganz Kopenhagen dasselbe Gelächter erregt, wie "ein Pommer" in deutschen Blättern. Aber wie die Pommern durch die Berliner Revolution, so sind die Jüten durch den deutschen Krieg zu Ehren gekommen und Fädrelandet muß jetzt jede Woche wenigstens drei Briefe von Jüten enthalten. Doch geben Sie Acht, was der Jüte sagt.

Der Jüte ereifert sich zuerst darüber, daß dies Hamburg, das jährlich an 3 Millionen Mark Banko reinen Gewinn aus Dänemark ziehe, undankbar genug sei, die deutschen Truppen mit offnen Armen aufzunehmen, Freischaaren zu bilden, Geldbeiträge für die "Aufrührer" zu sammeln, durch Verläumdungen und Unwahrheiten den König, die Regierung, die Handlungsweise und den Charakter der Dänen vor aller Welt schändlich anzuschwärzen und schließlich mit ächt hamburgischer Biederkeit sich für neutral zu erklären!

Es versteht sich nun von selbst für den entrüsteten Jüten, daß Dänemark blutige Rache an dem verrätherischen Hamburg nehmen und alle Geschäftsverbindung mit ihm abbrechen muß. Es kann dies sehr gut, "weil es keine Seestadt im nördlichen Europa gibt, die zum Handel so günstig gelegen ist, wie Kopenhagen".

Der Jute hat sich schon darüber gefreut, daß die Dänen massenweise erklärt haben, kein Loth Waare mehr von Hamburg zu beziehen, sondern sich in Zukunft direkt nach Frankreich, England etc. zu wenden. Aber er weiß, was er von diesen, "in der Warme des Enthusiasmus ausgesprochenen Gelübden" zu halten hat:

"Sowie der Friede wieder über unser theures Land hinlächelt, so kommen die Hamburger und andere deutschen Reisenden wieder in Menge. Da sucht jeder zuerst anzukommen. Jeder ist freundschaftlich, "mild", zuvorkommend mit Credit und Facilitäten aller Art und versichert seinem Kunden; er sei stets neutral gewesen, ja, er nimmt keinen Anstand, obgleich er uns zu Hause verdammt und verlästert hat, den Muth und die Tapferkeit der Dänen herauszustreichen und ihre Sache die einzig gerechte zu nennen. Ein Reisender bietet noch wohlfeilere Waare an als der andere und rechnet dem dänischen Kaufmann vor, wie viel annehmlicher es ist, seine Waaren in kleinen Parthien von Hamburg nach den vorgelegten Mustern zu verschreiben, als sie direkt kommen zu lassen etc. etc. - Das ist zu viel für die dänische Gutmüthigkeit, und leider ! auch für die dänische Gemächlichkeit. Der Däne vergisst alle Feindschaft und Ungerechtigkeit und bestellt seine Waaren wieder bei den Deutschen, die weiter reisen, und wenn sie nach Hause kommen, "lachen sie dummen Dänen wieder aus" (diese letzten Worten im Original deutsch).

"Der dänische Kaufmann raisonnirt dabei wie folgt: Da brauche ich keine Briefe zu schreiben, nicht eine Zeile, um neue Verbindungen einzuleiten und meine Waaren vom Ausland zu verschreiben, ich brauche keine Rimessen zu besorgen oder Tratten zu decken, da ich weiß um welche Zeit der Hamburger Reisende kommt das Geld einzukassiren und wieder Aufträge aufzunehmen. Alle diese Briefschreiberei macht Mühe und Porto, denkt der Kaufmann.

"Aber er bedenkt nicht, daß die Reisen der Hamburger auch Geld kosten, und daß diese Reisekosten bezahlt werden, nicht von den Hamburgern, sondern von den Dänen, welchen sie auf den Waarenpreis geschlagen werden. Wenn man bedenkt, wie viel der große Schwarm deutscher Reisender jedes Frühjahr und Spätjahr in Dänemark verreist, so muß man sich erst recht wundern, warum die Dänen nicht längst ihre Waaren direkt aus Frankreich, England u. s. w. beziehen, da die meisten Reisenden nicht mit deutschen Produkten handeln."

Der Jüte ist, wie man sieht, ein sehr braver Patriot, aber ein schlechter Oekonom. Sollen die Kleinkrämer und Philister von Aarhuus, Viborg und Odense, Städtchen von 2 - 10,000 Einwohnern, ihre Waaren direkt von London und Havre beziehen? Lars Janssen Peders Son hat keinen Kredit außer bei seinem Hamburger Reisenden, der ihn, seine Frau, seine Kinder, Knechte und Mägde persönlich aufs Genaueste kennt. Oder soll er sie von Kopenhagenern beziehen, die sie direkt kommen lassen? An welcher Börse kennt man Kopenhagen, und wo ist ein Kopenhagener Haus, dessen Kredit weiter geht als von Stockholm nach Hamburg - den "Juden Hambro" natürlich ausgenommen!

Kurz, das geht nicht. Die Fracht- und Assekuranzkosten, die Kommission, der mangelnde Kredit, Alles steht ihm im Wege. Der Jüte sieht es ein, es geht nicht. Daher muß sich die Regierung ins Mittel legen. Die Regierung muß Kopenhagen zu einem Wechselplatz erklären, so daß der Cours für englische und französische Wechsel notirt wird, damit diese in London und Paris zu einem notirten dänischen Cours negociirt werden und umgekehrt englisches und französisches Papier in Kopenhagen umgesetzt werden kann. Dann muß die Nationalbank das Vorhaben der Regierung unterstützen und dänische Wechsel auf das Ausland und fremdes Papier auf Kopenhagen willig entgegennehmen.

Das wird fruchten. Kopenhagen wird durch Dekret Fredriks VII., contrasignirt Orla Lehmann, zum ersten Handelsplatz von Nord-Europa ernannt. An jedem Wechselplatz, wo dänisches Papier zur Annahme verweigert, wo kein Cours auf Kopenhagen notirt wird, fordert der dänische Gesandte sofort seine Pässe. Endlich eine Maßregel, die dem Hamburger Handel den Todesstoß versetzen wird:

"Endlich muß die dänische Nationalbank nicht länger, wie bisher, ihre Wechsel auf Deutsch ausstellen oder endossiren, sondern auf Dänisch."

Wenn das nicht hilft, so ist alle Biederkeit, Vaterlandsliebe, Treu und Glauben aus der Welt verschwunden.

Aber es wird nicht helfen. Das Einzige, das helfen könnte, wäre eine Deputation an den "Juden Hambro" : er möge die Sache in seine Hände nehmen und seine Kapitalien zur direkten Einfuhr ausländischer Waaren nach Dänemark, mit Umgehung Hamburgs, verwenden. Und da würde der Jude Hambro antworten: ich werde mich hüten, denn erstens würde ich die Waaren über Hamburg billiger beziehen, und zweitens stehe ich mich besser dabei, wenn ich fortfahre, Euch "dummen Dänen" auf den Cours zu schneiden, wie ich es gethan habe und meine Väter vor mir, Sela!

Und was der Jude Hambro sagt, das gilt mehr als alle Kabinetsordres Fredriks VII. und Orla Lehmanns, und darum wird es dabei sein Bewenden haben, daß "Hamborgerposten" der souveräne Herrscher von Dänemark bleibt.

19 Frankfurt, 26. Juli.

Seit der Mitte dieses Monats vernimmt man in seltsamer Uebereinstimmung von allen Orten Beschwerden, daß die demokratischen Zeitungen höchst unregelmäßig und mangelhaft an die Abonnenten gelangen. Die "Reichstagszeitung" von Robert Blum, die "Neue Zeitung", die badischen und norddeutschen Blätter haben fast gleichzeitig diese Klage erhoben. (Die "Neue Rhein. Ztg." wird ihrerseits binnen Kurzem Protokolle über die Postverschleifungen und Umtriebe veröffentlichen.) Bei dieser Gelegenheit glaube ich sie namentlich auch auf die hiesige Thurn- und Taxis'sche Postverwaltung aufmerksam machen zu müssen, welche u. A. die in 1/4 jährigem Abonnement erscheinenden Zeitungen wenigstens halbjährig anbestellt und vorausbezahlt haben will. Die Familie Taxis-Dörnberg behauptet zwar, ihrer "Selbstständigkeit wegen", dem Publikum größere Garantien als eine Staatspost zu bieten, indeß kennt man die Nachsicht, welche Hr. Dörnberg, der Stellvertreter und Schwager des Fürsten Taxis, dem Verkehr der Diplomaten in seinem Hause eingeräumt hat; man weiß auch, welches Interesse die Taxis'sche Post an dem Fortbestehen der monarchischen Staatsform hat, da in jedem andern Fall die Besteuerung des Volkes durch einen Privatmann, wie sie durch den Fürsten Taxis geübt wird, ein Ende nehmen würde. An den Schaltern läßt daher die Taxis'sche Postverwaltung, welche alle Ursuche hat, dem bestehenden Reaktionssystem liebreich entgegenzukommen, den Anbestellern demokratischer Zeitungen die größtmöglichsten Schwierigkeiten bereiten, und ihnen sogar andere, nicht demokratische Blätter mit wahrhaft jüdischer Marktschreierei anpreisen. Den Bestellern der "Neuen Rheinischen Zeitung" ist mehrfach statt dessen die "Kölner Zeitung" auf den Hals geladen worden und dem Heckerschen Volksfreund hat die hiesige Zeitungsexpedition direkt die Annahme von Bestellungen verweigert. Alle diese Umtriebe können nur zum Zweck haben, zu verhindern, daß nicht schon von den jetzt bestehenden Regierungen das mittelalterliche Postmonopol der Familie Taxis-Dörnberg aufgehoben werde. Das Verlangen einer halbjährigen Pränumeration auf die in 1/4 jährigem Abonnement erscheinenden Zeitungen ist dagegen bloße Epicierspekulation, die Mehreinnahme, zum Privatvortheil der Familie Taxis-Dörnberg in "Cirkulation" zu setzen. Wir begreifen übrigens nicht, daß in keiner der deutschen National-und Vereinbarungsversammlungen bis jetzt der Antrag zur Sprache gebracht ist, eine Privatpost wie die des Hrn. Taxis aufzuheben, welche das Publikum durch ihre profitwüthige Uebervortheilung mehr als jede andere Anstalt exploitirt hat. Vielleicht wird der Reichsverweser noch eine Vereinbarung mit diesem kleinen Ueberbleibsel mittelalterlicher Piraterie nöthig haben, welches gleich dem Sundzoll und den marokkanischen Seeräubern unserm civilisirten Jahrhundert gleich große Ehre macht.

!!! Frankfurt, 26. Juli.

48. Sitzung der Nationalversammlung. - Beginn 9 1/4 Uhr. - Präsident v. Gagern. Tagesordnung: Fortsetzung der Polen-Debatte:

In der Reihe der Redner kommt:

Ruge: Er wird noch einmal Frieden predigen in dieser europäischen Zerwürfnis-Angelegenheit. Er macht darauf aufmerksam, daß das polnische Volk stehend auf dem Punkt (?) humaner Entwicklung, von drei Despoten zerrissen worden ist. (Nein). Diese drei Despoten haben die Polen (mit etwaiger Ausnahme Preußens) vernachlässigt. (Preußen hat sich sogar um ihre Frisur bemüht). Die Intervention der Tyrannei ist überall unrecht. (Glänzend). Dagegen die geistige Propaganda überall Recht. (Wenn sie Geist hat).

Lobrede auf Janiczewsky's Rede. (Hier ist Ruge in seinem alten Fach, panegyrische Aneignung fremder Leistungen). Die Polen sind nicht todt wie auch nicht die Juden; diese leben fort in einzelnen großen Männern: Spinoza, Heine, Börne (und Rothschild). Sie sind deshalb nicht auszustreichen, sondern zu reorganisiren. (Sollen die "Juden" reorganisirt werden?) Der 50ger Ausschuß hat seine Ehre für diese Sache verpfändet; - dieser 50ger Ausschuß und das Vorparlament sind unsere legale revolutionäre Vorbehörde. (Verwunderung und Bravo).

Das historische Recht für heute ist das neue Völkerrecht, dies ist das einzige historische Recht. Ruge stellt nun die Anträge von ihm und seinen Freunden. Die National-Versammlung wolle in Erwägung verschiedener Dinge keinen Theil des Großherzogthums in den deutschen Bund aufnehmen, keinen Deputirten von daher in die Versammlung aufnehmen, dagegen dahin wirken, daß ein Kongreß berufen werde, bestehend aus England, Frankreich, Deutschland, worin alle betheiligten Mächte durch Gesandte vertreten, um die Polenfrage zu entscheiden. Denn es ist dies eine europäische Frage. - Jetzt ist es Zeit, die Wiener Verträge zu realisiren, (oder vielmehr zu zerreissen?) Wir müssen den Muth und Verstand dazu haben, und wir können es, trotz des bösen Willens der Fürsten die zu uns gehören, und einiger kleiner Fürsten die nicht zu uns gehören. (Tumult).

Ruge kommt auf den Schimpf zu sprechen, den, die deutsche Nation jetzt in Italien unter den Radetzky's erlebe. Bei Entwickelung dieser Ansicht erhebt sich ein furchtbares Getümmel und Stürmen in dieser patriotischen Versammlung. Ich unterscheide links billigendes Geschrei und Geschrei zur Ruhe. Rechts furchtbares Wuthgeschrei und Getrommel wie etwa Scholaren einen Conrektor austrommeln. Der Gott des Sturmes (Präsid.): mit gerührter hohler Stimme: Meine Herren ich werde den Redner nicht zur Ordnung rufen, denn man muß ihn seine Weltanschauung aussprechen lassen, aber mit tiefer bitterer Wehmuth höre ich dieselbe. (Laut schallendes Bravo begrüßt die Worte des Gottes). Hierauf aber bricht wieder die patriotische Wuth und das Getrommel los. Ruge will weiterreden, Stedtmann quackt vom Platze: lächerlich! Ruge: Polen muß frei werden. Erneuertes Getrommel. Gagern macht wieder Ruhe. Ruge bringt wieder zur Verständlichkeit indem sich das patriotische Toben nach und nach vereinzelt. Er erinnert an die Einverleibung Krakaus in Oesterreich, und an die daraus entstandenen politischen Folgen - die Revolution. (Widerspruch. Zur Sache! Schluß!) Ruge: ich schließe nicht eher bis ich sie möglichst überzeugt haben

Neue Rheinische Zeitung.
Organ der Demokratie.
No 59. Köln, Samstag 29. Juli 1848.

Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an. Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr G. A. Alexander, Nr. 28, Brandgasse in Straßburg, und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die H. H. J. J. Ewer & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich.

Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Dänisches Komplott gegen die Hamburger Post. ‒ Friedrich VII. und der Jude Hambro). Frankfurt. (Die Thurn-und Taxis'sche Post. ‒ Nationalversammlung vom 26. Juli). Berlin. (Deutschland und Preußen. ‒ Ministerielle Absichten. ‒ Deputation nach Posen. ‒ Civil und Militär. ‒ Die Vossische Zeitung über den eximirten Gerichtsstand). Breslau. (Ein Hofkünstler). Posen. (Mieroslawski abgeführt). Altona. (Deputation nach Frankfurt). Rendsburg. (Erneuerung des Kriegs offiziell). Wiesbaden. (Die Truppen). München. (Steuerverweigerung). Wien. (Rückkehr des Kaisers erwartet. ‒ Ausschußproklamation gegen die Excesse der Nationalgarden).

Holland.

Maestricht. (Befestigung der Stadt. ‒ Beschluß des Stadtraths in Betreff Limburgs und der Frankfurter Nationalversammlung).

Italien.

Mirandola. (Kanonade von Mantua her. ‒ Die Reaktionären in Modena). Florenz. („L'Alba“ über die russische Invasion in die Moldau. ‒ Kriegscomité in Bologna. ‒ Deputirte aus der Romagna. ‒ Oestreichische Plünderung. ‒ Neapolitanischer Courier). Rom Kammerdebatten. ‒ Erklärung Mamiani's). Neapel. (Ministerielles. ‒ Aufständisches. ‒ Abfahrt der Geschwader Englands und Frankreichs. ‒ Entschädigung der Franzosen. ‒ Häupter der Insurgenten gefangen. ‒ Versiegelung einer Druckerei. ‒ Erklärung der „Unione“).

Großbritannien. London. (Parlament). Dublin. (Auflösung der Klubs. ‒ Nation und Felon).

Französische Republik. Paris. (Goudchaux, der National und die Course. ‒ Nationalversammlung. ‒ Vermischtes. ‒ Der Verein des Palais national).

Türkei. Konstantinopel. (Die Donaufürstenthümer. ‒ Rüstung. ‒ Räuberbanden. ‒ Die Pest).

Deutschland.
* Köln, 28. Juli.

Wir können unseren Lesern folgenden Brief eines Freundes aus Kopenhagen nicht vorenthalten:

14 Kopenhagen, 23. Juli.

Sie wissen, geehrter Freund, ich bin nie ein großer Patriot gewesen, habe nie in der deutschen Geschichte viel Glorie und Herrlichkeit entdecken können, und

Schleswig-Holstein stammverwandt

Blieb mir immer unbekannt.

Aber soviel ist gewiß, wenn ich kein Deutscher wäre, so möchte ich wenigstens um Alles in der Welt kein Däne sein. Ich wünschte nur, die christlich-germanischen Ritter von der Contrerevolution, die Herren Bincke, Radowitz, Lychnowski und Consorten kämen einmal herüber nach Dänemark; sie würden sofort den Krieg einstellen und Gott danken, wenn die Dänen Schleswig nur behielten. Denn hier, im frommen Lande Dänemark, hier blüht noch die alte Zucht und Sitte, die in Deutschland vom Gift französischer Verderbtheit angenagt, vom Sturmwind gottloser Revolutionen erschüttert worden ist. Hier finden Sie eine tüchtige Büreaukratie, einen mächtigen Adel, einen ehrsamen, zünftigen Bürgerstand, kernhafte Bauern, ein kräftiges Ständewesen, unerschütterliche Treue gegen den Fürsten, hier finden Sie wenig Talent und viel Charakter, Gastfreiheit, Biederkeit, Familiensinn, Gemüthlichkeit und Behäbigkeit im vollsten Maße. In der That, muß man nicht wünschen, daß Schleswig bei Dänemark bleibt, damit es den modernen, verwerflichen, leider auch in Deutschland mächtigen revolutionären Einflüssen entzogen werde? Dänemark ist das Land, wo ein deutscher kontrerevolutionärer Patriot unpatriotisch, wo ein unpatriotischer deutscher Revolutionär Patriot werden muß, das Land, wo der alte Arndt singen würde, des Deutschen wahres Vaterland gehe soweit die dänische Zunge klingt. Und welche Nation kann deutscher sein als diejenige, der die Deutschen noch nicht deutsch genug, der sie „deutsche Windbeutel“ sind?

Wenn der Fuchs die Flöhe los werden will, so geht er rückwärts in's Wasser mit einem Büschel Moos im Maul, und die Flöhe, von der Ueberschwemmung getrieben, hüpfen immer weiter vorwärts, bis sie endlich alle auf dem Büschel Moos sitzen, und dann wirft der Fuchs Moos und Flöhe in's Wasser, und die armen Flöhe ersaufen elendiglich. So sagt die Fabel. Deutschland hat zwar von der Fuchsnatur bisher wenig mehr als die rothen Haare. Wenn es aber einmal so stark von den christlich-germanischen Flöhen gebissen wird, daß es mit Todesverachtung rückwärts in den Revolutionsstrom geht bis an die Schnauze, dann wird Dänemark das Büschel Moos sein, auf dem sich alle die kontrerevolutionären Flöhe versammeln, und wo sie mit Einem Schlage untergetaucht werden.

Sie meinen, ich scherze? Keineswegs. Ich versich're Sie, ich bin hier deutscher Patriot vom reinsten Wasser geworden. Gegen diese biederben Barbaren sind wir Deutsche wahrlich leichtsinnige, civilisirte Franzosen. Was Paris und London für Deutschland, das ist Hamburg, sage Hamburg für Dänemark. Diese winzigen dänischen Schreier, die einen so merkwürdigen Lärm gegen Deutschland erhoben haben, poltern im Grunde nur deßwegen so laut, weil sie materiell und intellektuell von uns abhängig sind. Lesen Sie die Berlingske Tidende (die „Kölnische Zeitung“ von Kopenhagen), ob nicht der dritte Theil der Annoncen in deutscher Sprache, ob nicht drei Viertel der angezeigten Bücher deutsche Bücher, ob nicht die Masse der Kaufmannsnamen deutsche Namen sind. Deutsche besorgen hier den Detailhandel, Juden den Geld- und Kornhandel, an ihrer Spitze der reiche Jude Hambro, der mit ein paar lumpigen Millionen Reichsbankthaler ganz Kopenhagen in die Tasche steckt, und hier mehr ist, als Rothschild in Paris. Lesen Sie die Politik und die Handelsberichte unsrer Tagesblätter, ob nicht alles von der Hamburger Post abhängt, der einzigen Vermittlerin zwischen Kopenhagen und der civilisirten Welt, ob nicht selbst die Berlingsche Hofzeitung viel genauere Bülletins über Ankunft, Ausbleiben und Störungen „Hamborgerpostens“ gibt als über „Kong Fredriks den syvendes“ erwünschtes allerhöchstes Wohlsein?

In der That, die Dänen mögen sich sperren wie sie wollen gegen Deutschland, sie mögen ihrem Könige noch so laut zurufen: „Führe uns nicht in den deutschen Bund!“ (das bekannte dänische Vaterunser) ‒ sie sind im deutschen Bunde Kraft der Hamburger Post und die Hamburger Post ist stärker als Fredrik VII. und Orla Lehmann, der Deutschenfresser. Darum bildet sich jetzt ein großes Komplott in Kopenhagen, um Dänemark von der Hamburger Post unabhängig zu machen. Die Spießbürger mehrerer Städte empören sich gegen die Hamburger Post, und Fädrelandet läßt sich einen ingrimmigen Brief „eines im Auslande ansässigen Jüten“, schreiben in dem der ganze Feldzugsplan enthalten ist.

Die Jüten sind sonst die dänischen Pommern, und da die Dänen selbst gewissermaßen Pommern auf der zweiten Potenz sind, so kann man sich denken, welche gedankenschweren Köpfe diese Jüten besitzen. „Ein Jüte“ in einer dänischen Zeitung hätte noch vor Kurzem in ganz Kopenhagen dasselbe Gelächter erregt, wie „ein Pommer“ in deutschen Blättern. Aber wie die Pommern durch die Berliner Revolution, so sind die Jüten durch den deutschen Krieg zu Ehren gekommen und Fädrelandet muß jetzt jede Woche wenigstens drei Briefe von Jüten enthalten. Doch geben Sie Acht, was der Jüte sagt.

Der Jüte ereifert sich zuerst darüber, daß dies Hamburg, das jährlich an 3 Millionen Mark Banko reinen Gewinn aus Dänemark ziehe, undankbar genug sei, die deutschen Truppen mit offnen Armen aufzunehmen, Freischaaren zu bilden, Geldbeiträge für die „Aufrührer“ zu sammeln, durch Verläumdungen und Unwahrheiten den König, die Regierung, die Handlungsweise und den Charakter der Dänen vor aller Welt schändlich anzuschwärzen und schließlich mit ächt hamburgischer Biederkeit sich für neutral zu erklären!

Es versteht sich nun von selbst für den entrüsteten Jüten, daß Dänemark blutige Rache an dem verrätherischen Hamburg nehmen und alle Geschäftsverbindung mit ihm abbrechen muß. Es kann dies sehr gut, „weil es keine Seestadt im nördlichen Europa gibt, die zum Handel so günstig gelegen ist, wie Kopenhagen“.

Der Jute hat sich schon darüber gefreut, daß die Dänen massenweise erklärt haben, kein Loth Waare mehr von Hamburg zu beziehen, sondern sich in Zukunft direkt nach Frankreich, England etc. zu wenden. Aber er weiß, was er von diesen, „in der Warme des Enthusiasmus ausgesprochenen Gelübden“ zu halten hat:

„Sowie der Friede wieder über unser theures Land hinlächelt, so kommen die Hamburger und andere deutschen Reisenden wieder in Menge. Da sucht jeder zuerst anzukommen. Jeder ist freundschaftlich, „mild“, zuvorkommend mit Credit und Facilitäten aller Art und versichert seinem Kunden; er sei stets neutral gewesen, ja, er nimmt keinen Anstand, obgleich er uns zu Hause verdammt und verlästert hat, den Muth und die Tapferkeit der Dänen herauszustreichen und ihre Sache die einzig gerechte zu nennen. Ein Reisender bietet noch wohlfeilere Waare an als der andere und rechnet dem dänischen Kaufmann vor, wie viel annehmlicher es ist, seine Waaren in kleinen Parthien von Hamburg nach den vorgelegten Mustern zu verschreiben, als sie direkt kommen zu lassen etc. etc. ‒ Das ist zu viel für die dänische Gutmüthigkeit, und leider ! auch für die dänische Gemächlichkeit. Der Däne vergisst alle Feindschaft und Ungerechtigkeit und bestellt seine Waaren wieder bei den Deutschen, die weiter reisen, und wenn sie nach Hause kommen, „lachen sie dummen Dänen wieder aus“ (diese letzten Worten im Original deutsch).

„Der dänische Kaufmann raisonnirt dabei wie folgt: Da brauche ich keine Briefe zu schreiben, nicht eine Zeile, um neue Verbindungen einzuleiten und meine Waaren vom Ausland zu verschreiben, ich brauche keine Rimessen zu besorgen oder Tratten zu decken, da ich weiß um welche Zeit der Hamburger Reisende kommt das Geld einzukassiren und wieder Aufträge aufzunehmen. Alle diese Briefschreiberei macht Mühe und Porto, denkt der Kaufmann.

„Aber er bedenkt nicht, daß die Reisen der Hamburger auch Geld kosten, und daß diese Reisekosten bezahlt werden, nicht von den Hamburgern, sondern von den Dänen, welchen sie auf den Waarenpreis geschlagen werden. Wenn man bedenkt, wie viel der große Schwarm deutscher Reisender jedes Frühjahr und Spätjahr in Dänemark verreist, so muß man sich erst recht wundern, warum die Dänen nicht längst ihre Waaren direkt aus Frankreich, England u. s. w. beziehen, da die meisten Reisenden nicht mit deutschen Produkten handeln.“

Der Jüte ist, wie man sieht, ein sehr braver Patriot, aber ein schlechter Oekonom. Sollen die Kleinkrämer und Philister von Aarhuus, Viborg und Odense, Städtchen von 2 - 10,000 Einwohnern, ihre Waaren direkt von London und Havre beziehen? Lars Janssen Peders Son hat keinen Kredit außer bei seinem Hamburger Reisenden, der ihn, seine Frau, seine Kinder, Knechte und Mägde persönlich aufs Genaueste kennt. Oder soll er sie von Kopenhagenern beziehen, die sie direkt kommen lassen? An welcher Börse kennt man Kopenhagen, und wo ist ein Kopenhagener Haus, dessen Kredit weiter geht als von Stockholm nach Hamburg ‒ den „Juden Hambro“ natürlich ausgenommen!

Kurz, das geht nicht. Die Fracht- und Assekuranzkosten, die Kommission, der mangelnde Kredit, Alles steht ihm im Wege. Der Jüte sieht es ein, es geht nicht. Daher muß sich die Regierung ins Mittel legen. Die Regierung muß Kopenhagen zu einem Wechselplatz erklären, so daß der Cours für englische und französische Wechsel notirt wird, damit diese in London und Paris zu einem notirten dänischen Cours negociirt werden und umgekehrt englisches und französisches Papier in Kopenhagen umgesetzt werden kann. Dann muß die Nationalbank das Vorhaben der Regierung unterstützen und dänische Wechsel auf das Ausland und fremdes Papier auf Kopenhagen willig entgegennehmen.

Das wird fruchten. Kopenhagen wird durch Dekret Fredriks VII., contrasignirt Orla Lehmann, zum ersten Handelsplatz von Nord-Europa ernannt. An jedem Wechselplatz, wo dänisches Papier zur Annahme verweigert, wo kein Cours auf Kopenhagen notirt wird, fordert der dänische Gesandte sofort seine Pässe. Endlich eine Maßregel, die dem Hamburger Handel den Todesstoß versetzen wird:

„Endlich muß die dänische Nationalbank nicht länger, wie bisher, ihre Wechsel auf Deutsch ausstellen oder endossiren, sondern auf Dänisch.

Wenn das nicht hilft, so ist alle Biederkeit, Vaterlandsliebe, Treu und Glauben aus der Welt verschwunden.

Aber es wird nicht helfen. Das Einzige, das helfen könnte, wäre eine Deputation an den „Juden Hambro“ : er möge die Sache in seine Hände nehmen und seine Kapitalien zur direkten Einfuhr ausländischer Waaren nach Dänemark, mit Umgehung Hamburgs, verwenden. Und da würde der Jude Hambro antworten: ich werde mich hüten, denn erstens würde ich die Waaren über Hamburg billiger beziehen, und zweitens stehe ich mich besser dabei, wenn ich fortfahre, Euch „dummen Dänen“ auf den Cours zu schneiden, wie ich es gethan habe und meine Väter vor mir, Sela!

Und was der Jude Hambro sagt, das gilt mehr als alle Kabinetsordres Fredriks VII. und Orla Lehmanns, und darum wird es dabei sein Bewenden haben, daß „Hamborgerposten“ der souveräne Herrscher von Dänemark bleibt.

19 Frankfurt, 26. Juli.

Seit der Mitte dieses Monats vernimmt man in seltsamer Uebereinstimmung von allen Orten Beschwerden, daß die demokratischen Zeitungen höchst unregelmäßig und mangelhaft an die Abonnenten gelangen. Die „Reichstagszeitung“ von Robert Blum, die „Neue Zeitung“, die badischen und norddeutschen Blätter haben fast gleichzeitig diese Klage erhoben. (Die „Neue Rhein. Ztg.“ wird ihrerseits binnen Kurzem Protokolle über die Postverschleifungen und Umtriebe veröffentlichen.) Bei dieser Gelegenheit glaube ich sie namentlich auch auf die hiesige Thurn- und Taxis'sche Postverwaltung aufmerksam machen zu müssen, welche u. A. die in 1/4 jährigem Abonnement erscheinenden Zeitungen wenigstens halbjährig anbestellt und vorausbezahlt haben will. Die Familie Taxis-Dörnberg behauptet zwar, ihrer „Selbstständigkeit wegen“, dem Publikum größere Garantien als eine Staatspost zu bieten, indeß kennt man die Nachsicht, welche Hr. Dörnberg, der Stellvertreter und Schwager des Fürsten Taxis, dem Verkehr der Diplomaten in seinem Hause eingeräumt hat; man weiß auch, welches Interesse die Taxis'sche Post an dem Fortbestehen der monarchischen Staatsform hat, da in jedem andern Fall die Besteuerung des Volkes durch einen Privatmann, wie sie durch den Fürsten Taxis geübt wird, ein Ende nehmen würde. An den Schaltern läßt daher die Taxis'sche Postverwaltung, welche alle Ursuche hat, dem bestehenden Reaktionssystem liebreich entgegenzukommen, den Anbestellern demokratischer Zeitungen die größtmöglichsten Schwierigkeiten bereiten, und ihnen sogar andere, nicht demokratische Blätter mit wahrhaft jüdischer Marktschreierei anpreisen. Den Bestellern der „Neuen Rheinischen Zeitung“ ist mehrfach statt dessen die „Kölner Zeitung“ auf den Hals geladen worden und dem Heckerschen Volksfreund hat die hiesige Zeitungsexpedition direkt die Annahme von Bestellungen verweigert. Alle diese Umtriebe können nur zum Zweck haben, zu verhindern, daß nicht schon von den jetzt bestehenden Regierungen das mittelalterliche Postmonopol der Familie Taxis-Dörnberg aufgehoben werde. Das Verlangen einer halbjährigen Pränumeration auf die in 1/4 jährigem Abonnement erscheinenden Zeitungen ist dagegen bloße Epicierspekulation, die Mehreinnahme, zum Privatvortheil der Familie Taxis-Dörnberg in „Cirkulation“ zu setzen. Wir begreifen übrigens nicht, daß in keiner der deutschen National-und Vereinbarungsversammlungen bis jetzt der Antrag zur Sprache gebracht ist, eine Privatpost wie die des Hrn. Taxis aufzuheben, welche das Publikum durch ihre profitwüthige Uebervortheilung mehr als jede andere Anstalt exploitirt hat. Vielleicht wird der Reichsverweser noch eine Vereinbarung mit diesem kleinen Ueberbleibsel mittelalterlicher Piraterie nöthig haben, welches gleich dem Sundzoll und den marokkanischen Seeräubern unserm civilisirten Jahrhundert gleich große Ehre macht.

!!! Frankfurt, 26. Juli.

48. Sitzung der Nationalversammlung. ‒ Beginn 9 1/4 Uhr. ‒ Präsident v. Gagern. Tagesordnung: Fortsetzung der Polen-Debatte:

In der Reihe der Redner kommt:

Ruge: Er wird noch einmal Frieden predigen in dieser europäischen Zerwürfnis-Angelegenheit. Er macht darauf aufmerksam, daß das polnische Volk stehend auf dem Punkt (?) humaner Entwicklung, von drei Despoten zerrissen worden ist. (Nein). Diese drei Despoten haben die Polen (mit etwaiger Ausnahme Preußens) vernachlässigt. (Preußen hat sich sogar um ihre Frisur bemüht). Die Intervention der Tyrannei ist überall unrecht. (Glänzend). Dagegen die geistige Propaganda überall Recht. (Wenn sie Geist hat).

Lobrede auf Janiczewsky's Rede. (Hier ist Ruge in seinem alten Fach, panegyrische Aneignung fremder Leistungen). Die Polen sind nicht todt wie auch nicht die Juden; diese leben fort in einzelnen großen Männern: Spinoza, Heine, Börne (und Rothschild). Sie sind deshalb nicht auszustreichen, sondern zu reorganisiren. (Sollen die „Juden“ reorganisirt werden?) Der 50ger Ausschuß hat seine Ehre für diese Sache verpfändet; ‒ dieser 50ger Ausschuß und das Vorparlament sind unsere legale revolutionäre Vorbehörde. (Verwunderung und Bravo).

Das historische Recht für heute ist das neue Völkerrecht, dies ist das einzige historische Recht. Ruge stellt nun die Anträge von ihm und seinen Freunden. Die National-Versammlung wolle in Erwägung verschiedener Dinge keinen Theil des Großherzogthums in den deutschen Bund aufnehmen, keinen Deputirten von daher in die Versammlung aufnehmen, dagegen dahin wirken, daß ein Kongreß berufen werde, bestehend aus England, Frankreich, Deutschland, worin alle betheiligten Mächte durch Gesandte vertreten, um die Polenfrage zu entscheiden. Denn es ist dies eine europäische Frage. ‒ Jetzt ist es Zeit, die Wiener Verträge zu realisiren, (oder vielmehr zu zerreissen?) Wir müssen den Muth und Verstand dazu haben, und wir können es, trotz des bösen Willens der Fürsten die zu uns gehören, und einiger kleiner Fürsten die nicht zu uns gehören. (Tumult).

Ruge kommt auf den Schimpf zu sprechen, den, die deutsche Nation jetzt in Italien unter den Radetzky's erlebe. Bei Entwickelung dieser Ansicht erhebt sich ein furchtbares Getümmel und Stürmen in dieser patriotischen Versammlung. Ich unterscheide links billigendes Geschrei und Geschrei zur Ruhe. Rechts furchtbares Wuthgeschrei und Getrommel wie etwa Scholaren einen Conrektor austrommeln. Der Gott des Sturmes (Präsid.): mit gerührter hohler Stimme: Meine Herren ich werde den Redner nicht zur Ordnung rufen, denn man muß ihn seine Weltanschauung aussprechen lassen, aber mit tiefer bitterer Wehmuth höre ich dieselbe. (Laut schallendes Bravo begrüßt die Worte des Gottes). Hierauf aber bricht wieder die patriotische Wuth und das Getrommel los. Ruge will weiterreden, Stedtmann quackt vom Platze: lächerlich! Ruge: Polen muß frei werden. Erneuertes Getrommel. Gagern macht wieder Ruhe. Ruge bringt wieder zur Verständlichkeit indem sich das patriotische Toben nach und nach vereinzelt. Er erinnert an die Einverleibung Krakaus in Oesterreich, und an die daraus entstandenen politischen Folgen ‒ die Revolution. (Widerspruch. Zur Sache! Schluß!) Ruge: ich schließe nicht eher bis ich sie möglichst überzeugt haben

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        <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung.</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
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          <docDate>No 59. Köln, Samstag 29. Juli 1848.</docDate>
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        <p>Die &#x201E;Neue Rheinische Zeitung&#x201C; erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für dies      Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen      Bestellungen an. Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr <hi rendition="#g">G. A.       Alexander,</hi> Nr. 28, Brandgasse in <hi rendition="#g">Straßburg,</hi> und 23, rue Notre      Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die <hi rendition="#g">H. H. J. J. Ewer &amp; Comp.</hi> 72, Newgate Street in London. Für Belgien und      Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich.</p>
        <p>Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2      Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. <hi rendition="#g">Inserate:</hi> die vierspaltige Petitzeile oder deren      Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die      weiteste Verbreitung.</p>
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        <head>Uebersicht.</head>
        <p><hi rendition="#g">Deutschland.</hi> Köln. (Dänisches Komplott gegen die Hamburger Post. &#x2012;      Friedrich VII. und der Jude Hambro). Frankfurt. (Die Thurn-und Taxis'sche Post. &#x2012;      Nationalversammlung vom 26. Juli). Berlin. (Deutschland und Preußen. &#x2012; Ministerielle Absichten.      &#x2012; Deputation nach Posen. &#x2012; Civil und Militär. &#x2012; Die Vossische Zeitung über den eximirten      Gerichtsstand). Breslau. (Ein Hofkünstler). Posen. (Mieroslawski abgeführt). Altona.      (Deputation nach Frankfurt). Rendsburg. (Erneuerung des Kriegs offiziell). Wiesbaden. (Die      Truppen). München. (Steuerverweigerung). Wien. (Rückkehr des Kaisers erwartet. &#x2012;      Ausschußproklamation gegen die Excesse der Nationalgarden).</p>
        <p> <hi rendition="#g">Holland.</hi> </p>
        <p>Maestricht. (Befestigung der Stadt. &#x2012; Beschluß des Stadtraths in Betreff Limburgs und der      Frankfurter Nationalversammlung).</p>
        <p> <hi rendition="#g">Italien.</hi> </p>
        <p>Mirandola. (Kanonade von Mantua her. &#x2012; Die Reaktionären in Modena). Florenz. (&#x201E;L'Alba&#x201C; über      die russische Invasion in die Moldau. &#x2012; Kriegscomité in Bologna. &#x2012; Deputirte aus der Romagna. &#x2012;      Oestreichische Plünderung. &#x2012; Neapolitanischer Courier). Rom Kammerdebatten. &#x2012; Erklärung      Mamiani's). Neapel. (Ministerielles. &#x2012; Aufständisches. &#x2012; Abfahrt der Geschwader Englands und      Frankreichs. &#x2012; Entschädigung der Franzosen. &#x2012; Häupter der Insurgenten gefangen. &#x2012; Versiegelung      einer Druckerei. &#x2012; Erklärung der &#x201E;Unione&#x201C;). </p>
        <p><hi rendition="#g">Großbritannien.</hi> London. (Parlament). Dublin. (Auflösung der Klubs. &#x2012;      Nation und Felon).</p>
        <p><hi rendition="#g">Französische Republik.</hi> Paris. (Goudchaux, der National und die      Course. &#x2012; Nationalversammlung. &#x2012; Vermischtes. &#x2012; Der Verein des Palais national).</p>
        <p><hi rendition="#g">Türkei.</hi> Konstantinopel. (Die Donaufürstenthümer. &#x2012; Rüstung. &#x2012;      Räuberbanden. &#x2012; Die Pest). </p>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Deutschland.</head>
        <div xml:id="ar059_001" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 28. Juli. </head>
          <p>Wir können unseren Lesern folgenden Brief eines Freundes aus Kopenhagen nicht       vorenthalten:</p>
        </div>
        <div xml:id="ar059_002" type="jArticle">
          <head><bibl><author>14</author></bibl> Kopenhagen, 23. Juli. </head>
          <p>Sie wissen, geehrter Freund, ich bin nie ein großer Patriot gewesen, habe nie in der       deutschen Geschichte viel Glorie und Herrlichkeit entdecken können, und </p>
          <p>Schleswig-Holstein stammverwandt</p>
          <p>Blieb mir immer unbekannt.</p>
          <p>Aber soviel ist gewiß, wenn ich kein Deutscher wäre, so möchte ich wenigstens um Alles in       der Welt kein Däne sein. Ich wünschte nur, die christlich-germanischen Ritter von der       Contrerevolution, die Herren Bincke, Radowitz, Lychnowski und Consorten kämen einmal herüber       nach Dänemark; sie würden sofort den Krieg einstellen und Gott danken, wenn die Dänen       Schleswig nur behielten. Denn hier, im frommen Lande Dänemark, hier blüht noch die alte Zucht       und Sitte, die in Deutschland vom Gift französischer Verderbtheit angenagt, vom Sturmwind       gottloser Revolutionen erschüttert worden ist. Hier finden Sie eine tüchtige Büreaukratie,       einen mächtigen Adel, einen ehrsamen, zünftigen Bürgerstand, kernhafte Bauern, ein kräftiges       Ständewesen, unerschütterliche Treue gegen den Fürsten, hier finden Sie wenig Talent und viel       Charakter, Gastfreiheit, Biederkeit, Familiensinn, Gemüthlichkeit und Behäbigkeit im vollsten       Maße. In der That, muß man nicht wünschen, daß Schleswig bei Dänemark bleibt, damit es den       modernen, verwerflichen, leider auch in Deutschland mächtigen revolutionären Einflüssen       entzogen werde? Dänemark ist das Land, wo ein deutscher kontrerevolutionärer Patriot       unpatriotisch, wo ein unpatriotischer deutscher Revolutionär Patriot werden muß, das Land, wo       der alte Arndt singen würde, des Deutschen wahres Vaterland gehe soweit die <hi rendition="#g">dänische</hi> Zunge klingt. Und welche Nation kann deutscher sein als diejenige, der die       Deutschen noch nicht deutsch genug, der sie &#x201E;<hi rendition="#g">deutsche Windbeutel</hi>&#x201C;       sind?</p>
          <p>Wenn der Fuchs die Flöhe los werden will, so geht er rückwärts in's Wasser mit einem Büschel       Moos im Maul, und die Flöhe, von der Ueberschwemmung getrieben, hüpfen immer weiter vorwärts,       bis sie endlich alle auf dem Büschel Moos sitzen, und dann wirft der Fuchs Moos und Flöhe in's       Wasser, und die armen Flöhe ersaufen elendiglich. So sagt die Fabel. Deutschland hat zwar von       der Fuchsnatur bisher wenig mehr als die rothen Haare. Wenn es aber einmal so stark von den       christlich-germanischen Flöhen gebissen wird, daß es mit Todesverachtung rückwärts in den       Revolutionsstrom geht bis an die Schnauze, dann wird Dänemark das Büschel Moos sein, auf dem       sich alle die kontrerevolutionären Flöhe versammeln, und wo sie mit Einem Schlage       untergetaucht werden.</p>
          <p>Sie meinen, ich scherze? Keineswegs. Ich versich're Sie, ich bin hier deutscher Patriot vom       reinsten Wasser geworden. Gegen diese biederben Barbaren sind wir Deutsche wahrlich       leichtsinnige, civilisirte Franzosen. Was Paris und London für Deutschland, das ist Hamburg,       sage Hamburg für Dänemark. Diese winzigen dänischen Schreier, die einen so merkwürdigen Lärm       gegen Deutschland erhoben haben, poltern im Grunde nur deßwegen so laut, weil sie materiell       und intellektuell von uns abhängig sind. Lesen Sie die Berlingske Tidende (die &#x201E;Kölnische       Zeitung&#x201C; von Kopenhagen), ob nicht der dritte Theil der Annoncen in deutscher Sprache, ob       nicht drei Viertel der angezeigten Bücher deutsche Bücher, ob nicht die Masse der       Kaufmannsnamen deutsche Namen sind. Deutsche besorgen hier den Detailhandel, Juden den Geld-       und Kornhandel, an ihrer Spitze der reiche Jude Hambro, der mit ein paar lumpigen Millionen       Reichsbankthaler ganz Kopenhagen in die Tasche steckt, und hier mehr ist, als Rothschild in       Paris. Lesen Sie die Politik und die Handelsberichte unsrer Tagesblätter, ob nicht alles von       der Hamburger Post abhängt, der einzigen Vermittlerin zwischen Kopenhagen und der civilisirten       Welt, ob nicht selbst die Berlingsche Hofzeitung viel genauere Bülletins über Ankunft,       Ausbleiben und Störungen &#x201E;Hamborgerpostens&#x201C; gibt als über &#x201E;Kong Fredriks den syvendes&#x201C;       erwünschtes allerhöchstes Wohlsein?</p>
          <p>In der That, die Dänen mögen sich sperren wie sie wollen gegen Deutschland, sie mögen ihrem       Könige noch so laut zurufen: &#x201E;Führe uns nicht in den deutschen Bund!&#x201C; (das bekannte dänische       Vaterunser) &#x2012; sie <hi rendition="#g">sind</hi> im deutschen Bunde Kraft der Hamburger Post und       die Hamburger Post ist stärker als Fredrik VII. und Orla Lehmann, der Deutschenfresser. Darum       bildet sich jetzt ein großes Komplott in Kopenhagen, um Dänemark von der Hamburger Post       unabhängig zu machen. Die Spießbürger mehrerer Städte empören sich gegen die Hamburger Post,       und Fädrelandet läßt sich einen ingrimmigen Brief &#x201E;eines im Auslande ansässigen Jüten&#x201C;,       schreiben in dem der ganze Feldzugsplan enthalten ist.</p>
          <p>Die Jüten sind sonst die dänischen Pommern, und da die Dänen selbst gewissermaßen Pommern       auf der zweiten Potenz sind, so kann man sich denken, welche gedankenschweren Köpfe diese       Jüten besitzen. &#x201E;Ein Jüte&#x201C; in einer dänischen Zeitung hätte noch vor Kurzem in ganz Kopenhagen       dasselbe Gelächter erregt, wie &#x201E;ein Pommer&#x201C; in deutschen Blättern. Aber wie die Pommern durch       die Berliner Revolution, so sind die Jüten durch den deutschen Krieg zu Ehren gekommen und       Fädrelandet muß jetzt jede Woche wenigstens drei Briefe von Jüten enthalten. Doch geben Sie       Acht, was der Jüte sagt.</p>
          <p>Der Jüte ereifert sich zuerst darüber, daß dies Hamburg, das jährlich an 3 Millionen Mark       Banko reinen Gewinn aus Dänemark ziehe, undankbar genug sei, die deutschen Truppen mit offnen       Armen aufzunehmen, Freischaaren zu bilden, Geldbeiträge für die &#x201E;Aufrührer&#x201C; zu sammeln, durch       Verläumdungen und Unwahrheiten den König, die Regierung, die Handlungsweise und den Charakter       der Dänen vor aller Welt schändlich anzuschwärzen und schließlich mit ächt hamburgischer       Biederkeit sich <hi rendition="#g">für neutral zu erklären!</hi> </p>
          <p>Es versteht sich nun von selbst für den entrüsteten Jüten, daß Dänemark blutige Rache an dem       verrätherischen Hamburg nehmen und alle Geschäftsverbindung mit ihm abbrechen muß. Es kann       dies sehr gut, &#x201E;weil es keine Seestadt im nördlichen Europa gibt, die zum Handel so günstig       gelegen ist, wie Kopenhagen&#x201C;.</p>
          <p>Der Jute hat sich schon darüber gefreut, daß die Dänen massenweise erklärt haben, kein Loth       Waare mehr von Hamburg zu beziehen, sondern sich in Zukunft direkt nach Frankreich, England       etc. zu wenden. Aber er weiß, was er von diesen, &#x201E;in der Warme des Enthusiasmus       ausgesprochenen Gelübden&#x201C; zu halten hat:</p>
          <p>&#x201E;Sowie der Friede wieder über unser theures Land hinlächelt, so kommen die Hamburger und       andere deutschen Reisenden wieder in Menge. Da sucht jeder zuerst anzukommen. Jeder ist       freundschaftlich, &#x201E;mild&#x201C;, zuvorkommend mit Credit und Facilitäten aller Art und versichert       seinem Kunden; er sei stets neutral gewesen, ja, er nimmt keinen Anstand, obgleich er uns zu       Hause verdammt und verlästert hat, den Muth und die Tapferkeit der Dänen herauszustreichen und       ihre Sache die einzig gerechte zu nennen. Ein Reisender bietet noch wohlfeilere Waare an als       der andere und rechnet dem dänischen Kaufmann vor, wie viel annehmlicher es ist, seine Waaren       in kleinen Parthien von Hamburg nach den vorgelegten Mustern zu verschreiben, als sie direkt       kommen zu lassen etc. etc. &#x2012; Das ist zu viel für die dänische Gutmüthigkeit, und leider ! auch       für die dänische Gemächlichkeit. Der Däne vergisst alle Feindschaft und Ungerechtigkeit und       bestellt seine Waaren wieder bei den Deutschen, die weiter reisen, und wenn sie nach Hause       kommen, &#x201E;lachen sie dummen Dänen wieder aus&#x201C; (diese letzten Worten im Original deutsch). </p>
          <p>&#x201E;Der dänische Kaufmann raisonnirt dabei wie folgt: Da brauche ich keine Briefe zu schreiben,       nicht eine Zeile, um neue Verbindungen einzuleiten und meine Waaren vom Ausland zu       verschreiben, ich brauche keine Rimessen zu besorgen oder Tratten zu decken, da ich weiß um       welche Zeit der Hamburger Reisende kommt das Geld einzukassiren und wieder Aufträge       aufzunehmen. Alle diese Briefschreiberei macht Mühe und Porto, denkt der Kaufmann. </p>
          <p>&#x201E;Aber er bedenkt nicht, daß die Reisen der Hamburger auch Geld kosten, und daß diese       Reisekosten bezahlt werden, nicht von den Hamburgern, sondern von den Dänen, welchen sie auf       den Waarenpreis geschlagen werden. Wenn man bedenkt, wie viel der große Schwarm deutscher       Reisender jedes Frühjahr und Spätjahr in Dänemark verreist, so muß man sich erst recht       wundern, warum die Dänen nicht längst ihre Waaren direkt aus Frankreich, England u. s. w.       beziehen, da die meisten Reisenden nicht mit deutschen Produkten handeln.&#x201C; </p>
          <p>Der Jüte ist, wie man sieht, ein sehr braver Patriot, aber ein schlechter Oekonom. Sollen       die Kleinkrämer und Philister von Aarhuus, Viborg und Odense, Städtchen von 2 - 10,000       Einwohnern, ihre Waaren direkt von London und Havre beziehen? Lars Janssen Peders Son hat       keinen Kredit außer bei seinem Hamburger Reisenden, der ihn, seine Frau, seine Kinder, Knechte       und Mägde persönlich aufs Genaueste kennt. Oder soll er sie von Kopenhagenern beziehen, die       sie direkt kommen lassen? An welcher Börse kennt man Kopenhagen, und wo ist ein Kopenhagener       Haus, dessen Kredit weiter geht als von Stockholm nach Hamburg &#x2012; den &#x201E;Juden Hambro&#x201C; natürlich       ausgenommen!</p>
          <p>Kurz, das geht nicht. Die Fracht- und Assekuranzkosten, die Kommission, der mangelnde       Kredit, Alles steht ihm im Wege. Der Jüte sieht es ein, es geht nicht. Daher muß sich die       Regierung ins Mittel legen. Die Regierung muß <hi rendition="#g">Kopenhagen zu einem        Wechselplatz erklären,</hi> so daß der Cours für englische und französische Wechsel notirt       wird, damit diese in London und Paris zu einem notirten dänischen Cours negociirt werden und       umgekehrt englisches und französisches Papier in Kopenhagen umgesetzt werden kann. Dann muß       die Nationalbank das Vorhaben der Regierung unterstützen und dänische Wechsel auf das Ausland       und fremdes Papier auf Kopenhagen willig entgegennehmen.</p>
          <p>Das wird fruchten. Kopenhagen wird durch Dekret Fredriks VII., contrasignirt Orla Lehmann,       zum ersten Handelsplatz von Nord-Europa ernannt. An jedem Wechselplatz, wo dänisches Papier       zur Annahme verweigert, wo kein Cours auf Kopenhagen notirt wird, fordert der dänische       Gesandte sofort seine Pässe. Endlich eine Maßregel, die dem Hamburger Handel den Todesstoß       versetzen wird: </p>
          <p>&#x201E;Endlich muß die dänische Nationalbank nicht länger, wie bisher, <hi rendition="#g">ihre        Wechsel auf Deutsch ausstellen oder endossiren, </hi> sondern auf <hi rendition="#g">Dänisch.</hi>&#x201C; </p>
          <p>Wenn das nicht hilft, so ist alle Biederkeit, Vaterlandsliebe, Treu und Glauben aus der Welt       verschwunden.</p>
          <p>Aber es wird nicht helfen. Das Einzige, das helfen könnte, wäre eine Deputation an den       &#x201E;Juden Hambro&#x201C; : er möge die Sache in seine Hände nehmen und seine Kapitalien zur direkten       Einfuhr ausländischer Waaren nach Dänemark, mit Umgehung Hamburgs, verwenden. Und da würde der       Jude Hambro antworten: ich werde mich hüten, denn erstens würde ich die Waaren über Hamburg       billiger beziehen, und zweitens stehe ich mich besser dabei, wenn ich fortfahre, Euch &#x201E;dummen       Dänen&#x201C; auf den Cours zu schneiden, wie ich es gethan habe und meine Väter vor mir, Sela! </p>
          <p>Und was der Jude Hambro sagt, das gilt mehr als alle Kabinetsordres Fredriks VII. und Orla       Lehmanns, und darum wird es dabei sein Bewenden haben, daß &#x201E;Hamborgerposten&#x201C; der souveräne       Herrscher von Dänemark bleibt.</p>
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          <head><bibl><author>19</author></bibl> Frankfurt, 26. Juli.</head>
          <p>Seit der Mitte dieses Monats vernimmt man in seltsamer Uebereinstimmung von allen Orten       Beschwerden, daß die demokratischen Zeitungen höchst unregelmäßig und mangelhaft an die       Abonnenten gelangen. Die &#x201E;Reichstagszeitung&#x201C; von Robert Blum, die &#x201E;Neue Zeitung&#x201C;, die       badischen und norddeutschen Blätter haben fast gleichzeitig diese Klage erhoben. (Die &#x201E;Neue       Rhein. Ztg.&#x201C; wird ihrerseits binnen Kurzem Protokolle über die Postverschleifungen und       Umtriebe veröffentlichen.) Bei dieser Gelegenheit glaube ich sie namentlich auch auf die       hiesige Thurn- und Taxis'sche Postverwaltung aufmerksam machen zu müssen, welche u. A. die in       1/4 jährigem Abonnement erscheinenden Zeitungen wenigstens halbjährig anbestellt und       vorausbezahlt haben will. Die Familie Taxis-Dörnberg behauptet zwar, ihrer &#x201E;Selbstständigkeit       wegen&#x201C;, dem Publikum größere Garantien als eine Staatspost zu bieten, indeß kennt man die       Nachsicht, welche Hr. Dörnberg, der Stellvertreter und Schwager des Fürsten Taxis, dem Verkehr       der Diplomaten in seinem Hause eingeräumt hat; man weiß auch, welches Interesse die Taxis'sche       Post an dem Fortbestehen der monarchischen Staatsform hat, da in jedem andern Fall die       Besteuerung des Volkes durch einen Privatmann, wie sie durch den Fürsten Taxis geübt wird, ein       Ende nehmen würde. An den Schaltern läßt daher die Taxis'sche Postverwaltung, welche alle       Ursuche hat, dem bestehenden Reaktionssystem liebreich entgegenzukommen, den Anbestellern       demokratischer Zeitungen die größtmöglichsten Schwierigkeiten bereiten, und ihnen sogar       andere, nicht demokratische Blätter mit wahrhaft jüdischer Marktschreierei anpreisen. Den       Bestellern der &#x201E;Neuen Rheinischen Zeitung&#x201C; ist mehrfach statt dessen die &#x201E;Kölner Zeitung&#x201C; auf       den Hals geladen worden und dem Heckerschen Volksfreund hat die hiesige Zeitungsexpedition       direkt die Annahme von Bestellungen verweigert. Alle diese Umtriebe können nur zum Zweck       haben, zu verhindern, daß nicht schon von den jetzt bestehenden Regierungen das       mittelalterliche Postmonopol der Familie Taxis-Dörnberg aufgehoben werde. Das Verlangen einer       halbjährigen Pränumeration auf die in 1/4 jährigem Abonnement erscheinenden Zeitungen ist       dagegen bloße Epicierspekulation, die Mehreinnahme, zum Privatvortheil der Familie       Taxis-Dörnberg in &#x201E;Cirkulation&#x201C; zu setzen. Wir begreifen übrigens nicht, daß in keiner der       deutschen National-und Vereinbarungsversammlungen bis jetzt der Antrag zur Sprache gebracht       ist, eine Privatpost wie die des Hrn. Taxis aufzuheben, welche das Publikum durch ihre       profitwüthige Uebervortheilung mehr als jede andere Anstalt exploitirt hat. Vielleicht wird       der Reichsverweser noch eine Vereinbarung mit diesem kleinen Ueberbleibsel mittelalterlicher       Piraterie nöthig haben, welches gleich dem Sundzoll und den marokkanischen Seeräubern unserm       civilisirten Jahrhundert gleich große Ehre macht.</p>
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          <head><bibl><author>!!!</author></bibl> Frankfurt, 26. Juli.</head>
          <p>48. <hi rendition="#g">Sitzung der Nationalversammlung. </hi> &#x2012; Beginn 9 1/4 Uhr. &#x2012;       Präsident v. Gagern. Tagesordnung: Fortsetzung der Polen-Debatte:</p>
          <p>In der Reihe der Redner kommt:</p>
          <p><hi rendition="#g">Ruge:</hi> Er wird noch einmal Frieden predigen in dieser europäischen       Zerwürfnis-Angelegenheit. Er macht darauf aufmerksam, daß das polnische Volk stehend auf dem <hi rendition="#g">Punkt (?)</hi> humaner Entwicklung, von drei Despoten zerrissen worden       ist. (Nein). Diese drei Despoten haben die Polen (mit etwaiger Ausnahme Preußens)       vernachlässigt. (Preußen hat sich sogar um ihre Frisur bemüht). Die Intervention der Tyrannei       ist überall unrecht. (Glänzend). Dagegen die geistige Propaganda überall Recht. (Wenn sie       Geist hat).</p>
          <p>Lobrede auf Janiczewsky's Rede. (Hier ist Ruge in seinem alten Fach, panegyrische Aneignung       fremder Leistungen). Die Polen sind nicht <hi rendition="#g">todt</hi> wie auch nicht die       Juden; diese leben fort in einzelnen großen Männern: Spinoza, Heine, Börne (und Rothschild).       Sie sind deshalb nicht auszustreichen, sondern zu reorganisiren. (Sollen die &#x201E;Juden&#x201C;       reorganisirt werden?) Der 50ger Ausschuß hat seine Ehre für diese Sache verpfändet; &#x2012; dieser       50ger Ausschuß und das Vorparlament sind unsere <hi rendition="#g">legale revolutionäre</hi> Vorbehörde. (Verwunderung und Bravo).</p>
          <p>Das <hi rendition="#g">historische Recht für heute</hi> ist das neue Völkerrecht, dies ist <hi rendition="#g">das einzige historische</hi> Recht. Ruge stellt nun die <hi rendition="#g">Anträge</hi> von ihm und seinen Freunden. Die National-Versammlung wolle in Erwägung       verschiedener Dinge keinen Theil des Großherzogthums in den deutschen Bund aufnehmen, keinen       Deputirten von daher in die Versammlung aufnehmen, dagegen dahin wirken, daß ein Kongreß       berufen werde, bestehend aus England, Frankreich, Deutschland, worin alle betheiligten Mächte       durch Gesandte vertreten, um die Polenfrage zu entscheiden. Denn es ist dies eine europäische       Frage. &#x2012; Jetzt ist es Zeit, die Wiener Verträge zu realisiren, (oder vielmehr zu zerreissen?)       Wir müssen den Muth und Verstand dazu haben, und wir können es, trotz des bösen <hi rendition="#g">Willens der Fürsten die zu uns gehören, und einiger kleiner Fürsten die nicht        zu uns gehören.</hi> (Tumult).</p>
          <p><hi rendition="#g">Ruge</hi> kommt auf den <hi rendition="#g">Schimpf</hi> zu sprechen, den,       die <hi rendition="#g">deutsche</hi> Nation jetzt in <hi rendition="#g">Italien</hi> unter den <hi rendition="#g">Radetzky's erlebe.</hi> Bei Entwickelung dieser Ansicht erhebt sich ein       furchtbares Getümmel und Stürmen in dieser patriotischen Versammlung. Ich unterscheide <hi rendition="#g">links</hi> billigendes Geschrei und Geschrei zur Ruhe. <hi rendition="#g">Rechts</hi> furchtbares Wuthgeschrei und Getrommel wie etwa Scholaren einen Conrektor       austrommeln. Der <hi rendition="#g">Gott des Sturmes</hi> (Präsid.): mit gerührter hohler       Stimme: Meine Herren ich werde den Redner nicht zur Ordnung rufen, denn man muß ihn seine       Weltanschauung aussprechen lassen, aber mit tiefer bitterer Wehmuth höre ich dieselbe. (Laut       schallendes Bravo begrüßt die Worte des Gottes). Hierauf aber bricht wieder die patriotische       Wuth und das Getrommel los. Ruge will weiterreden, <hi rendition="#g">Stedtmann</hi> quackt       vom Platze: lächerlich! <hi rendition="#g">Ruge:</hi> Polen <hi rendition="#g">muß frei</hi> werden. Erneuertes Getrommel. Gagern macht wieder Ruhe. Ruge bringt wieder zur       Verständlichkeit indem sich das patriotische Toben nach und nach vereinzelt. Er erinnert an       die Einverleibung Krakaus in Oesterreich, und an die daraus entstandenen politischen Folgen &#x2012;       die Revolution. (Widerspruch. Zur Sache! Schluß!) <hi rendition="#g">Ruge:</hi> ich <hi rendition="#g">schließe nicht eher bis ich sie möglichst überzeugt haben
</hi></p>
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[0293/0001] Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No 59. Köln, Samstag 29. Juli 1848. Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an. Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr G. A. Alexander, Nr. 28, Brandgasse in Straßburg, und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die H. H. J. J. Ewer & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich. Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Dänisches Komplott gegen die Hamburger Post. ‒ Friedrich VII. und der Jude Hambro). Frankfurt. (Die Thurn-und Taxis'sche Post. ‒ Nationalversammlung vom 26. Juli). Berlin. (Deutschland und Preußen. ‒ Ministerielle Absichten. ‒ Deputation nach Posen. ‒ Civil und Militär. ‒ Die Vossische Zeitung über den eximirten Gerichtsstand). Breslau. (Ein Hofkünstler). Posen. (Mieroslawski abgeführt). Altona. (Deputation nach Frankfurt). Rendsburg. (Erneuerung des Kriegs offiziell). Wiesbaden. (Die Truppen). München. (Steuerverweigerung). Wien. (Rückkehr des Kaisers erwartet. ‒ Ausschußproklamation gegen die Excesse der Nationalgarden). Holland. Maestricht. (Befestigung der Stadt. ‒ Beschluß des Stadtraths in Betreff Limburgs und der Frankfurter Nationalversammlung). Italien. Mirandola. (Kanonade von Mantua her. ‒ Die Reaktionären in Modena). Florenz. („L'Alba“ über die russische Invasion in die Moldau. ‒ Kriegscomité in Bologna. ‒ Deputirte aus der Romagna. ‒ Oestreichische Plünderung. ‒ Neapolitanischer Courier). Rom Kammerdebatten. ‒ Erklärung Mamiani's). Neapel. (Ministerielles. ‒ Aufständisches. ‒ Abfahrt der Geschwader Englands und Frankreichs. ‒ Entschädigung der Franzosen. ‒ Häupter der Insurgenten gefangen. ‒ Versiegelung einer Druckerei. ‒ Erklärung der „Unione“). Großbritannien. London. (Parlament). Dublin. (Auflösung der Klubs. ‒ Nation und Felon). Französische Republik. Paris. (Goudchaux, der National und die Course. ‒ Nationalversammlung. ‒ Vermischtes. ‒ Der Verein des Palais national). Türkei. Konstantinopel. (Die Donaufürstenthümer. ‒ Rüstung. ‒ Räuberbanden. ‒ Die Pest). Deutschland. * Köln, 28. Juli. Wir können unseren Lesern folgenden Brief eines Freundes aus Kopenhagen nicht vorenthalten: 14 Kopenhagen, 23. Juli. Sie wissen, geehrter Freund, ich bin nie ein großer Patriot gewesen, habe nie in der deutschen Geschichte viel Glorie und Herrlichkeit entdecken können, und Schleswig-Holstein stammverwandt Blieb mir immer unbekannt. Aber soviel ist gewiß, wenn ich kein Deutscher wäre, so möchte ich wenigstens um Alles in der Welt kein Däne sein. Ich wünschte nur, die christlich-germanischen Ritter von der Contrerevolution, die Herren Bincke, Radowitz, Lychnowski und Consorten kämen einmal herüber nach Dänemark; sie würden sofort den Krieg einstellen und Gott danken, wenn die Dänen Schleswig nur behielten. Denn hier, im frommen Lande Dänemark, hier blüht noch die alte Zucht und Sitte, die in Deutschland vom Gift französischer Verderbtheit angenagt, vom Sturmwind gottloser Revolutionen erschüttert worden ist. Hier finden Sie eine tüchtige Büreaukratie, einen mächtigen Adel, einen ehrsamen, zünftigen Bürgerstand, kernhafte Bauern, ein kräftiges Ständewesen, unerschütterliche Treue gegen den Fürsten, hier finden Sie wenig Talent und viel Charakter, Gastfreiheit, Biederkeit, Familiensinn, Gemüthlichkeit und Behäbigkeit im vollsten Maße. In der That, muß man nicht wünschen, daß Schleswig bei Dänemark bleibt, damit es den modernen, verwerflichen, leider auch in Deutschland mächtigen revolutionären Einflüssen entzogen werde? Dänemark ist das Land, wo ein deutscher kontrerevolutionärer Patriot unpatriotisch, wo ein unpatriotischer deutscher Revolutionär Patriot werden muß, das Land, wo der alte Arndt singen würde, des Deutschen wahres Vaterland gehe soweit die dänische Zunge klingt. Und welche Nation kann deutscher sein als diejenige, der die Deutschen noch nicht deutsch genug, der sie „deutsche Windbeutel“ sind? Wenn der Fuchs die Flöhe los werden will, so geht er rückwärts in's Wasser mit einem Büschel Moos im Maul, und die Flöhe, von der Ueberschwemmung getrieben, hüpfen immer weiter vorwärts, bis sie endlich alle auf dem Büschel Moos sitzen, und dann wirft der Fuchs Moos und Flöhe in's Wasser, und die armen Flöhe ersaufen elendiglich. So sagt die Fabel. Deutschland hat zwar von der Fuchsnatur bisher wenig mehr als die rothen Haare. Wenn es aber einmal so stark von den christlich-germanischen Flöhen gebissen wird, daß es mit Todesverachtung rückwärts in den Revolutionsstrom geht bis an die Schnauze, dann wird Dänemark das Büschel Moos sein, auf dem sich alle die kontrerevolutionären Flöhe versammeln, und wo sie mit Einem Schlage untergetaucht werden. Sie meinen, ich scherze? Keineswegs. Ich versich're Sie, ich bin hier deutscher Patriot vom reinsten Wasser geworden. Gegen diese biederben Barbaren sind wir Deutsche wahrlich leichtsinnige, civilisirte Franzosen. Was Paris und London für Deutschland, das ist Hamburg, sage Hamburg für Dänemark. Diese winzigen dänischen Schreier, die einen so merkwürdigen Lärm gegen Deutschland erhoben haben, poltern im Grunde nur deßwegen so laut, weil sie materiell und intellektuell von uns abhängig sind. Lesen Sie die Berlingske Tidende (die „Kölnische Zeitung“ von Kopenhagen), ob nicht der dritte Theil der Annoncen in deutscher Sprache, ob nicht drei Viertel der angezeigten Bücher deutsche Bücher, ob nicht die Masse der Kaufmannsnamen deutsche Namen sind. Deutsche besorgen hier den Detailhandel, Juden den Geld- und Kornhandel, an ihrer Spitze der reiche Jude Hambro, der mit ein paar lumpigen Millionen Reichsbankthaler ganz Kopenhagen in die Tasche steckt, und hier mehr ist, als Rothschild in Paris. Lesen Sie die Politik und die Handelsberichte unsrer Tagesblätter, ob nicht alles von der Hamburger Post abhängt, der einzigen Vermittlerin zwischen Kopenhagen und der civilisirten Welt, ob nicht selbst die Berlingsche Hofzeitung viel genauere Bülletins über Ankunft, Ausbleiben und Störungen „Hamborgerpostens“ gibt als über „Kong Fredriks den syvendes“ erwünschtes allerhöchstes Wohlsein? In der That, die Dänen mögen sich sperren wie sie wollen gegen Deutschland, sie mögen ihrem Könige noch so laut zurufen: „Führe uns nicht in den deutschen Bund!“ (das bekannte dänische Vaterunser) ‒ sie sind im deutschen Bunde Kraft der Hamburger Post und die Hamburger Post ist stärker als Fredrik VII. und Orla Lehmann, der Deutschenfresser. Darum bildet sich jetzt ein großes Komplott in Kopenhagen, um Dänemark von der Hamburger Post unabhängig zu machen. Die Spießbürger mehrerer Städte empören sich gegen die Hamburger Post, und Fädrelandet läßt sich einen ingrimmigen Brief „eines im Auslande ansässigen Jüten“, schreiben in dem der ganze Feldzugsplan enthalten ist. Die Jüten sind sonst die dänischen Pommern, und da die Dänen selbst gewissermaßen Pommern auf der zweiten Potenz sind, so kann man sich denken, welche gedankenschweren Köpfe diese Jüten besitzen. „Ein Jüte“ in einer dänischen Zeitung hätte noch vor Kurzem in ganz Kopenhagen dasselbe Gelächter erregt, wie „ein Pommer“ in deutschen Blättern. Aber wie die Pommern durch die Berliner Revolution, so sind die Jüten durch den deutschen Krieg zu Ehren gekommen und Fädrelandet muß jetzt jede Woche wenigstens drei Briefe von Jüten enthalten. Doch geben Sie Acht, was der Jüte sagt. Der Jüte ereifert sich zuerst darüber, daß dies Hamburg, das jährlich an 3 Millionen Mark Banko reinen Gewinn aus Dänemark ziehe, undankbar genug sei, die deutschen Truppen mit offnen Armen aufzunehmen, Freischaaren zu bilden, Geldbeiträge für die „Aufrührer“ zu sammeln, durch Verläumdungen und Unwahrheiten den König, die Regierung, die Handlungsweise und den Charakter der Dänen vor aller Welt schändlich anzuschwärzen und schließlich mit ächt hamburgischer Biederkeit sich für neutral zu erklären! Es versteht sich nun von selbst für den entrüsteten Jüten, daß Dänemark blutige Rache an dem verrätherischen Hamburg nehmen und alle Geschäftsverbindung mit ihm abbrechen muß. Es kann dies sehr gut, „weil es keine Seestadt im nördlichen Europa gibt, die zum Handel so günstig gelegen ist, wie Kopenhagen“. Der Jute hat sich schon darüber gefreut, daß die Dänen massenweise erklärt haben, kein Loth Waare mehr von Hamburg zu beziehen, sondern sich in Zukunft direkt nach Frankreich, England etc. zu wenden. Aber er weiß, was er von diesen, „in der Warme des Enthusiasmus ausgesprochenen Gelübden“ zu halten hat: „Sowie der Friede wieder über unser theures Land hinlächelt, so kommen die Hamburger und andere deutschen Reisenden wieder in Menge. Da sucht jeder zuerst anzukommen. Jeder ist freundschaftlich, „mild“, zuvorkommend mit Credit und Facilitäten aller Art und versichert seinem Kunden; er sei stets neutral gewesen, ja, er nimmt keinen Anstand, obgleich er uns zu Hause verdammt und verlästert hat, den Muth und die Tapferkeit der Dänen herauszustreichen und ihre Sache die einzig gerechte zu nennen. Ein Reisender bietet noch wohlfeilere Waare an als der andere und rechnet dem dänischen Kaufmann vor, wie viel annehmlicher es ist, seine Waaren in kleinen Parthien von Hamburg nach den vorgelegten Mustern zu verschreiben, als sie direkt kommen zu lassen etc. etc. ‒ Das ist zu viel für die dänische Gutmüthigkeit, und leider ! auch für die dänische Gemächlichkeit. Der Däne vergisst alle Feindschaft und Ungerechtigkeit und bestellt seine Waaren wieder bei den Deutschen, die weiter reisen, und wenn sie nach Hause kommen, „lachen sie dummen Dänen wieder aus“ (diese letzten Worten im Original deutsch). „Der dänische Kaufmann raisonnirt dabei wie folgt: Da brauche ich keine Briefe zu schreiben, nicht eine Zeile, um neue Verbindungen einzuleiten und meine Waaren vom Ausland zu verschreiben, ich brauche keine Rimessen zu besorgen oder Tratten zu decken, da ich weiß um welche Zeit der Hamburger Reisende kommt das Geld einzukassiren und wieder Aufträge aufzunehmen. Alle diese Briefschreiberei macht Mühe und Porto, denkt der Kaufmann. „Aber er bedenkt nicht, daß die Reisen der Hamburger auch Geld kosten, und daß diese Reisekosten bezahlt werden, nicht von den Hamburgern, sondern von den Dänen, welchen sie auf den Waarenpreis geschlagen werden. Wenn man bedenkt, wie viel der große Schwarm deutscher Reisender jedes Frühjahr und Spätjahr in Dänemark verreist, so muß man sich erst recht wundern, warum die Dänen nicht längst ihre Waaren direkt aus Frankreich, England u. s. w. beziehen, da die meisten Reisenden nicht mit deutschen Produkten handeln.“ Der Jüte ist, wie man sieht, ein sehr braver Patriot, aber ein schlechter Oekonom. Sollen die Kleinkrämer und Philister von Aarhuus, Viborg und Odense, Städtchen von 2 - 10,000 Einwohnern, ihre Waaren direkt von London und Havre beziehen? Lars Janssen Peders Son hat keinen Kredit außer bei seinem Hamburger Reisenden, der ihn, seine Frau, seine Kinder, Knechte und Mägde persönlich aufs Genaueste kennt. Oder soll er sie von Kopenhagenern beziehen, die sie direkt kommen lassen? An welcher Börse kennt man Kopenhagen, und wo ist ein Kopenhagener Haus, dessen Kredit weiter geht als von Stockholm nach Hamburg ‒ den „Juden Hambro“ natürlich ausgenommen! Kurz, das geht nicht. Die Fracht- und Assekuranzkosten, die Kommission, der mangelnde Kredit, Alles steht ihm im Wege. Der Jüte sieht es ein, es geht nicht. Daher muß sich die Regierung ins Mittel legen. Die Regierung muß Kopenhagen zu einem Wechselplatz erklären, so daß der Cours für englische und französische Wechsel notirt wird, damit diese in London und Paris zu einem notirten dänischen Cours negociirt werden und umgekehrt englisches und französisches Papier in Kopenhagen umgesetzt werden kann. Dann muß die Nationalbank das Vorhaben der Regierung unterstützen und dänische Wechsel auf das Ausland und fremdes Papier auf Kopenhagen willig entgegennehmen. Das wird fruchten. Kopenhagen wird durch Dekret Fredriks VII., contrasignirt Orla Lehmann, zum ersten Handelsplatz von Nord-Europa ernannt. An jedem Wechselplatz, wo dänisches Papier zur Annahme verweigert, wo kein Cours auf Kopenhagen notirt wird, fordert der dänische Gesandte sofort seine Pässe. Endlich eine Maßregel, die dem Hamburger Handel den Todesstoß versetzen wird: „Endlich muß die dänische Nationalbank nicht länger, wie bisher, ihre Wechsel auf Deutsch ausstellen oder endossiren, sondern auf Dänisch.“ Wenn das nicht hilft, so ist alle Biederkeit, Vaterlandsliebe, Treu und Glauben aus der Welt verschwunden. Aber es wird nicht helfen. Das Einzige, das helfen könnte, wäre eine Deputation an den „Juden Hambro“ : er möge die Sache in seine Hände nehmen und seine Kapitalien zur direkten Einfuhr ausländischer Waaren nach Dänemark, mit Umgehung Hamburgs, verwenden. Und da würde der Jude Hambro antworten: ich werde mich hüten, denn erstens würde ich die Waaren über Hamburg billiger beziehen, und zweitens stehe ich mich besser dabei, wenn ich fortfahre, Euch „dummen Dänen“ auf den Cours zu schneiden, wie ich es gethan habe und meine Väter vor mir, Sela! Und was der Jude Hambro sagt, das gilt mehr als alle Kabinetsordres Fredriks VII. und Orla Lehmanns, und darum wird es dabei sein Bewenden haben, daß „Hamborgerposten“ der souveräne Herrscher von Dänemark bleibt. 19 Frankfurt, 26. Juli. Seit der Mitte dieses Monats vernimmt man in seltsamer Uebereinstimmung von allen Orten Beschwerden, daß die demokratischen Zeitungen höchst unregelmäßig und mangelhaft an die Abonnenten gelangen. Die „Reichstagszeitung“ von Robert Blum, die „Neue Zeitung“, die badischen und norddeutschen Blätter haben fast gleichzeitig diese Klage erhoben. (Die „Neue Rhein. Ztg.“ wird ihrerseits binnen Kurzem Protokolle über die Postverschleifungen und Umtriebe veröffentlichen.) Bei dieser Gelegenheit glaube ich sie namentlich auch auf die hiesige Thurn- und Taxis'sche Postverwaltung aufmerksam machen zu müssen, welche u. A. die in 1/4 jährigem Abonnement erscheinenden Zeitungen wenigstens halbjährig anbestellt und vorausbezahlt haben will. Die Familie Taxis-Dörnberg behauptet zwar, ihrer „Selbstständigkeit wegen“, dem Publikum größere Garantien als eine Staatspost zu bieten, indeß kennt man die Nachsicht, welche Hr. Dörnberg, der Stellvertreter und Schwager des Fürsten Taxis, dem Verkehr der Diplomaten in seinem Hause eingeräumt hat; man weiß auch, welches Interesse die Taxis'sche Post an dem Fortbestehen der monarchischen Staatsform hat, da in jedem andern Fall die Besteuerung des Volkes durch einen Privatmann, wie sie durch den Fürsten Taxis geübt wird, ein Ende nehmen würde. An den Schaltern läßt daher die Taxis'sche Postverwaltung, welche alle Ursuche hat, dem bestehenden Reaktionssystem liebreich entgegenzukommen, den Anbestellern demokratischer Zeitungen die größtmöglichsten Schwierigkeiten bereiten, und ihnen sogar andere, nicht demokratische Blätter mit wahrhaft jüdischer Marktschreierei anpreisen. Den Bestellern der „Neuen Rheinischen Zeitung“ ist mehrfach statt dessen die „Kölner Zeitung“ auf den Hals geladen worden und dem Heckerschen Volksfreund hat die hiesige Zeitungsexpedition direkt die Annahme von Bestellungen verweigert. Alle diese Umtriebe können nur zum Zweck haben, zu verhindern, daß nicht schon von den jetzt bestehenden Regierungen das mittelalterliche Postmonopol der Familie Taxis-Dörnberg aufgehoben werde. Das Verlangen einer halbjährigen Pränumeration auf die in 1/4 jährigem Abonnement erscheinenden Zeitungen ist dagegen bloße Epicierspekulation, die Mehreinnahme, zum Privatvortheil der Familie Taxis-Dörnberg in „Cirkulation“ zu setzen. Wir begreifen übrigens nicht, daß in keiner der deutschen National-und Vereinbarungsversammlungen bis jetzt der Antrag zur Sprache gebracht ist, eine Privatpost wie die des Hrn. Taxis aufzuheben, welche das Publikum durch ihre profitwüthige Uebervortheilung mehr als jede andere Anstalt exploitirt hat. Vielleicht wird der Reichsverweser noch eine Vereinbarung mit diesem kleinen Ueberbleibsel mittelalterlicher Piraterie nöthig haben, welches gleich dem Sundzoll und den marokkanischen Seeräubern unserm civilisirten Jahrhundert gleich große Ehre macht. !!! Frankfurt, 26. Juli. 48. Sitzung der Nationalversammlung. ‒ Beginn 9 1/4 Uhr. ‒ Präsident v. Gagern. Tagesordnung: Fortsetzung der Polen-Debatte: In der Reihe der Redner kommt: Ruge: Er wird noch einmal Frieden predigen in dieser europäischen Zerwürfnis-Angelegenheit. Er macht darauf aufmerksam, daß das polnische Volk stehend auf dem Punkt (?) humaner Entwicklung, von drei Despoten zerrissen worden ist. (Nein). Diese drei Despoten haben die Polen (mit etwaiger Ausnahme Preußens) vernachlässigt. (Preußen hat sich sogar um ihre Frisur bemüht). Die Intervention der Tyrannei ist überall unrecht. (Glänzend). Dagegen die geistige Propaganda überall Recht. (Wenn sie Geist hat). Lobrede auf Janiczewsky's Rede. (Hier ist Ruge in seinem alten Fach, panegyrische Aneignung fremder Leistungen). Die Polen sind nicht todt wie auch nicht die Juden; diese leben fort in einzelnen großen Männern: Spinoza, Heine, Börne (und Rothschild). Sie sind deshalb nicht auszustreichen, sondern zu reorganisiren. (Sollen die „Juden“ reorganisirt werden?) Der 50ger Ausschuß hat seine Ehre für diese Sache verpfändet; ‒ dieser 50ger Ausschuß und das Vorparlament sind unsere legale revolutionäre Vorbehörde. (Verwunderung und Bravo). Das historische Recht für heute ist das neue Völkerrecht, dies ist das einzige historische Recht. Ruge stellt nun die Anträge von ihm und seinen Freunden. Die National-Versammlung wolle in Erwägung verschiedener Dinge keinen Theil des Großherzogthums in den deutschen Bund aufnehmen, keinen Deputirten von daher in die Versammlung aufnehmen, dagegen dahin wirken, daß ein Kongreß berufen werde, bestehend aus England, Frankreich, Deutschland, worin alle betheiligten Mächte durch Gesandte vertreten, um die Polenfrage zu entscheiden. Denn es ist dies eine europäische Frage. ‒ Jetzt ist es Zeit, die Wiener Verträge zu realisiren, (oder vielmehr zu zerreissen?) Wir müssen den Muth und Verstand dazu haben, und wir können es, trotz des bösen Willens der Fürsten die zu uns gehören, und einiger kleiner Fürsten die nicht zu uns gehören. (Tumult). Ruge kommt auf den Schimpf zu sprechen, den, die deutsche Nation jetzt in Italien unter den Radetzky's erlebe. Bei Entwickelung dieser Ansicht erhebt sich ein furchtbares Getümmel und Stürmen in dieser patriotischen Versammlung. Ich unterscheide links billigendes Geschrei und Geschrei zur Ruhe. Rechts furchtbares Wuthgeschrei und Getrommel wie etwa Scholaren einen Conrektor austrommeln. Der Gott des Sturmes (Präsid.): mit gerührter hohler Stimme: Meine Herren ich werde den Redner nicht zur Ordnung rufen, denn man muß ihn seine Weltanschauung aussprechen lassen, aber mit tiefer bitterer Wehmuth höre ich dieselbe. (Laut schallendes Bravo begrüßt die Worte des Gottes). Hierauf aber bricht wieder die patriotische Wuth und das Getrommel los. Ruge will weiterreden, Stedtmann quackt vom Platze: lächerlich! Ruge: Polen muß frei werden. Erneuertes Getrommel. Gagern macht wieder Ruhe. Ruge bringt wieder zur Verständlichkeit indem sich das patriotische Toben nach und nach vereinzelt. Er erinnert an die Einverleibung Krakaus in Oesterreich, und an die daraus entstandenen politischen Folgen ‒ die Revolution. (Widerspruch. Zur Sache! Schluß!) Ruge: ich schließe nicht eher bis ich sie möglichst überzeugt haben

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 59. Köln, 29. Juli 1848, S. 0293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz059_1848/1>, abgerufen am 29.03.2024.