Neue Rheinische Zeitung. Nr. 59. Köln, 29. Juli 1848.[Spaltenumbruch] werde von meinem historischen Völkerrecht. Ein großes Unglück will ich verhüten. (Bravo und Zischen. Abtritt des Redners). Löwe aus Posen,tritt für seine deutschenKommitenten auf. Man kenne des vorigen Redners Ansichten als Schriftsteller. (Präsident: Lassen Sie dies hier außer Betracht, hier ist nicht der Ort einen Mann über seine Wirksamkeit als Schriftsteller zur Verantwortung zu ziehen, sondern über seine Wirksamkeit als Abgeordneter. Bravo!) Hr. Löwe ist furchtbar erbost über den harmlosen Ruge, der nur "seinen" Begriff vom historischen Völkerrecht zu Ehren bringen will, und meint dieser habe einstmals das deutsche Volk ein niederträchtiges genannt. (Erhält einen Rüffel vom Präsidenten). Zur Sache kommend legt sich des Redners Wuth, und er spricht undeutlich. - Weist hin auf ein Schreiben von Niegolewsky's, worin dieser sagt, man werde sich nicht mit Posens Wiedererwerb begnügen, sondern Westpreußen wiederhaben wollen. - (Der weitere Verfolg seiner Rede bietet nur Altes, und Ihre Zeitung müßte 10fach so dick sein, wenn ich Ihnen all den wiederkäuenden Schwall zum Druck schicken wollte) Kommt gegen das Ende auf die Juden. An diese müsse man eher denken als an die Polen. Es sei gewiß für die Polen besser wenn sie preußisch würden. Sie wollen es auch größten Theils. Der kleine den Polen zu lassende Antheil könne ja eine Wiege der etwaigen polnischen Zukunft werden. "Wir sollen der Freiheit einen Tempel bauen, schützen wir die östliche Mauer dieses Tempels. " (Bravo rechts.) Wiesner(Oesterreich). Mit tiefster Wehmuth spreche ich es aus: noch vor einigen Monden ist das begangne Unrecht im Vorparlament begeistert zurückgewiesen worden, und schon wollen wir jene Ansicht stürzen. Wir wollen schon eine neue Theilung Posens. (Rechts werden alle Bänke leer). Nach einer dreitägigen Debatte, hat man noch nicht den Sieg errungen den das Vorparlament in wenig Minuten errang. (Bravo). Es frägt sich erstens sind denn unsre deutschen Brüder in Posen in Gefahr? Diese Herren (rechts) sagen ja! ich sage nein. So eine Gefahr kann von der ganzen preußischen Militärmacht nicht verhindert werden! Gegenwärtig werben fast alle Völker um das Bündniß mit Deutschland, Rußland möchte gern wieder sich mit Deutschland (aber zu was?) verbinden, Frankreich auch,- und da sprechen sie ewig von neuer Gefahr, von Vermehrung der Heerkraft; und fordern außer dem Geld des deutschen Volks auch sein Gewissen. Um den letzten Fetzen des polnischen Königsmantels (Krakau) hat man sich letzt noch gerissen; Preußen hielt sich von diesem Raub fern, jetzt scheint es sich wegen dieser Schonung entschädigen zu wollen. An dem Gewaltgrund: wir müssen Posen haben, wird Deutschland verbluten wie an Irland England. - Man hätte sogar einst (wenn nicht Kaiser Franz dagegen gewesen wäre), das lombardisch-venetianische Königreich Deutschland einverleibt;- dann hätten wir jetzt einen deutschen Krieg in Italien. - Mit Posen wird es ebenso gehen. (Die Kirche ist so leer, daß kaum 100 Abgeordnete da sitzen). Auch hätte Frankreich ein Recht mitzureden in dieser europäischen Frage. Glauben sie, es werde sich dieses Rechts begeben, weil hier ein Abgeordneter dagegen spricht? - (Lychnowsky.) Was derselbe Abgeordnete dem polnischen Adel vorgeworfen, daß er bei jeder Empörung vorgekämpft, wäre es dem Redner doch lieber, der polnische Adel kämpfe auf Barrikaden, als der deutsche überall da, wo man sich gegen die Freiheit schlägt. v. Sänger(pommer'scher Gutsbesitzer) spricht natürlich gegen die Freiheit der Polen und stellt sich dabei nach seiner Ansicht auf den allgemeinen (pommer'schen) Standpunkt. Man will ein Gebiet fortgeben, in dessen vollständigem Besitz man ist. - Die Versammlung werde einen Ausspruch in dieser Sache thun; wehe wer ihn antastet. (Leise Hinweisung auf die bekannten pommer'schen Kolbenschläge) Thinnes. (Domkapitular aus Baiern.) Er sei gegen die Ausschußanträge und gegen die Einverleibung nicht bloß aus konfessionellen Rücksichten. Diese konfessionellen Einflüsse seien übrigens in Posen nicht wegzuläugnen. - Er ist gegen jede neue Theilung, weil er sogar den Schein des Unrechts meiden wolle. Schließt sich an die Anträge: die Demarkationslinie nicht anzuerkennen, die Wahlen der Posener Abgeordneten desgleichen nicht, die Einverleibung rückgängig zu machen u. s. w. - Wenn dieser Antrag aber fiele, dann beantrage er: Ganz Posen einzuverleiben. Giskra. (Mähren.) Der polnische Adel, nicht das Volk wolle jetzt die Wiederherstellung. Wäre Polen auch reif (links: längst reif!), so müsse man doch seine Sympathien beschränken. Die Schuld der Ahnen zu sühnen, das gelte allenfalls in Familien, aber das sei keine Völkersache. Die Philosophen werden mich auslachen, die Schwärmer klagen, aber die Patrioten werden mir zujauchzen! (Alle Patrioten brüllen Bravo.) Der Redner echaufirt sich fürchterlich in patriotischen Tiraden, worauf ein Bravo nach dem andern erfolgt. Man hat gesagt, die Polen hätten nicht frei wählen können, wegen des Martialgesetzes, hätten etwa nicht auch die Böhmen unter Kanonendonner ihre Wahlen bewerkstelligt? (Bravo rechts.) Wir haben schon darum gegen die Polen recht, weil wir ein höheres Element, das National-Element gegen ihr Territorial-Element vertheidigen. Das Vorparlament habe nicht sein Wort in dieser Sache verpfändet, es habe nur die Frage offen gelassen, hätte der Fünfziger-Ausschuß weiter gehen können? Hätte er das, so hätte er sein Mandat verletzt. Und das Argument, daß die Polen und Slawen in Folge dieser Einverleibung, die Deutschen bitter hassen würden, sei nichts, dieser Haß bestände bereits auf das bitterste. Für den Antrag, eine neue Untersuchungs-Kommission zu verordnen, könne er nicht sein. Wozu diese? Sie wird wieder Deutsche und Polen verhören, und nichts Neues bringen. Und wenn wirklich die neue Untersuchung der Anzahl der Polen und Deutschen in Posen 100,000 mehr für Polen herausbringt, ihm(dem Redner) käme es auf ein paarmal 100,000 nicht an. Ihm scheint, man will durch die Kommission nur die Sache verzögern. Sein Gewissen, und das der deutschen Männer in dieser Versammlung (Bravo rechts) sei in dieser Sache im Klaren. Er stellt einen Zusatz-Antrag zum Ausschuß und schließt mit der Bemerkung, über die Ansicht des Auslandes in dieser Sache können wir ruhig sein. (Bravo!) Venedey(mit sehr bescheidener Stimme): Er müsse sprechen trotz so lange ermüdender Reden. Verbreitet sich über die gesunkenen Sympathien und das Unrecht, was darin liegt. Er selbst (nämlich Venedey) wird jeden Augenblick auf die Barrikaden treten, wenn Deutschland in der Lage wäre wie Polen. Venedey's Rede bietet in der Einzelheit ihrer Daten nichts Neues, trotzdem sie sehr, sehr lange dauert. Sie geht auch sehr still vorüber, wie ein sanft hinrauschender Kiesbach, nur ist es bemerkenswerth, daß dem Redner, der in dieser Sache mit der Linken spricht, nicht die Linke, sondern nur die Rechte bisweilen Beifall klatscht. Schließlich schließt er sich Blum's Antrag um eine Untersuchungs-Kommission an, Zuletzt sagt Herr Venedey: Durch meine (im Verlauf der Rede gemachte) Bemerkung, meine hart scheinende Bemerkung, die Polen seien untergegangen, weil sie nicht zu gehorchen verstanden, weise ich den Vorwurf der Sentimentalität in dieser Sache, den man mir machen könnte, zurück. Nach Venedey wird das Toben nach Schluß immer stärker. Gagern läßt das Heißblut der Patrioten etwas austoben, dann sagt er: So viel Geduld sie haben zu toben, so viel habe ich, es abzuwarten, bis Ruhe wird. Man solle wenigstens noch einen Redner hören. Darauf geht man zur Noth ein. Es spricht Hr. Viebig (ein preußischer Regierungsrath aus Posen). Posens Magistrat und Stadtverordneten (warum vergißt der Redner die preußischen Regierungsräthe) wollen entschieden deutsch sein. Schließt mit einem gemeinen Ausfall auf Janiczewski, beschuldigt diesen der Lüge und meint, dem Janiczewsky müsse es allerdings seltsam vorkommen, von einem Slawenkongreß in diese Versammlung zu kommen. Nach diesen Denunziationen schließt er geistreich: Janiczewsky habe gesagt, man könne die Polen verschlucken,aber nicht verdauen; ersage, die Polen werden jene 1 1/2 Mill. Deutsche in Posen auch nichtverdauen, weil sie sie nicht verschlucken würden. Janiczewsky widerlegt den preußischen Regierungsrath und beweist, daß er ihn fälschlich der Lüge gezeiht. Ferner sei es falsch, zu behaupten, er käme vom Slawenkongreß in die deutsche National-Versammlung. Er war zwar in Prag (Hohnlachen rechts), aber nicht beim Slawenkongreß. Das Unwahre und Unmögliche dieser Behauptung würde er dem Präsidenten eröffnen, der Versammlung gegenüber sey es unnöthig. Uebrigens wenn er wüßte seinen armen Brüdern die Freiheit wiederzuholen, würde er nicht blos nach Prag gehen, sondern den Pilgerstab selbst bis China tragen. (Langes, schallendes Bravo und Händeklatschen der Gallerien und Linken). Präsident: Schmidt aus Löwenberg wolle der Versammlung eine Erklärung geben, ob man ihn hören wolle? Die Versammlung, besonders rechts, nein! Präsident: Hr. Flotwell ditto; ob man ihn hören wolle? Die Versammlung, besonders links, nein! Präsident: Es haben 20 Mitglieder den Antrag um Schluß der Debatte gestellt, ich muß also darüber abstimmen lassen, wünschte aber meinerseits, man möge in dieser wichtigen Sache morgen noch zwei Redner von jeder Seite hören. Will die Versammlung dies? (Nein! Nein! besonders rechts). Hierauf folgt die Abstimmung über den Schluß der Debatte. Schluß angenommen nur die Linke war dagegen. Platheer (Halberstadt) beantragt noch namentliche Abstimmung über alle Punkte dieser Frage, und Blum namentliche Abstimmung über seinen Untersuchungs-Kommissions-Antrag. Beide Anträge sind reichlich unterstützt. Hierauf Schluß der Sitzung um 3 1/4 Uhr. Die Abstimmung auf morgen 9 Uhr vertagt. 103 Berlin, 26.Juli. Die Spaltung in der hiesigen Bevölkerung tritt täglich entschiedener hervor. Die Frage über die deutsche Centralgewalt hat Berlin in zwei Lager getheilt. Nur die entschieden demokratische Partei will daß " Preußen in Deutschland aufgehe." Dagegen erklären alle anderen mehr oder weniger konstitutionellen oder contrerevolutionären Parteien die "unausführbaren Zumuthungen," wie sie es nennen, die man von Frankfurt aus stellt, für unvereinbar mit der Würde des preußischen Staates. Preußen, diese Großmacht, könne sich keine Bedingungen von Frankfurt aus vorschreiben lassen. Besonders ergrimmt ist unsere Bourgevisie über den Entwurf über die definitive Centralgewalt, wonach die einzelnen deutschen Regierungen fortan nicht mehr das Recht haben, ständige Gesandschaften im In- und Auslande zu halten u. s. w. Diese Stockpreußen reißen bereits die deutschen Kokarden von ihren Hüten, sie wollen Preußen sein, nichts als Preußen und keine Deutschen. Auch unter den Soldaten hat man bereits eine gewisse Aufregung, hinsichtlich der dem Reichsverweser zugedachten Huldigung zu verbreiten gewußt. Nicht wenige Offiziere und Soldaten weigern sich bestimmt, dem "östreichischen Prinzen" zu huldigen. Die Soldaten des 24. Regiments sollen übereingekommen sein, zu dem am 6. August festgesetzten Huldigungstage, drei Hurrah's zu bringen. Das erste Hurrah dem Könige, das zweite dem Prinzen von Preußen und das dritte dem preußischen Volke. Auch unsere gesammte Presse, mit Ausnahme der demokratischen Blätter, sprechen sich im Sinne des spezifischen Preußenthums aus. Das Ministerium soll keine erheblichen Einwendungen gegen den Verfassungsentwurf, wie er jetzt von der Kommission entworfen ist, machen wollen. Vielmehr soll es entschlossen sein den Verfassungsentwurf, das Kommunal- und Bürgerwehrgesetz so schnell wie möglich vereinbaren zu lassen und alsdann die Vereinbarer nach Hause zu schicken. Es sollen dann sogleich die zwei verfassungsmäßigen Kammern einberufen und ihnen alle anderen Gesetze vorgelegt werden. Das Ministerium hat eine Deputation, bestehend aus zwei Kammergerichtsräthen und zwei Räthen aus dem Ministerium des Innern, nach dem Großherzogthum Posen mit den ausgedehntesten Vollmachten abgesandt. Sie soll die ganze Provinz durchreisen, und sich überall von den Anklagen gegen die politischen Gefangenen genaue Kenntniß verschaffen; wo nicht ganz gravirende Thatsachen vorliegen soll sie die sofortige Entlassung der Gefangenen bewirken.- Das Ministerium scheint der von der Vereinbarer-Versammlung eingesetzten Kommission zur Untersuchung der polnischen Angelegenheiten zuvorkommen zu wollen. Der frühere Handelsminister, Herr v. Patow, soll die Stelle des Regierungspräsidenten in Potsdam, oder wie Einige sagen, des Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg angenommen haben. Die verfassungswidrige Hereinziehung des Militärs in die Hauptstat hat zu einer furchtbaren Erbitterung zwischen Bürgern und Soldaten geführt. Schon mehrmals ist es seit einigen Wochen zu Konflikten gekommen und kleine Neckereien geben zu förmlichen Kämpfen Veranlassung. Die Soldaten werden von den Offizieren gegen Bürger und Volk aufgehetzt. Die Reaktion hofft schon im Stillen durch einen großen Schlag bald wieder an's Ruder zu kommen. 7 Berlin, 26. Juli. In Paris soll es an 70,000 Spießbürger gegeben haben, an denen die große Revolution gänzlich spurlos vorüberging, ohne sie zu berühren. Daß es in unserer lieben Stadt auch eine gute Anzahl solcher Leute giebt (sie bilden den Kern "meiner lieben Berliner"), das beweist dieVoss. Ztg. täglich. Wie der Berliner Weißbierphilister kannegießert, beweist unter Anderem folgendes Citat der "Vossischen": - Die Aufhebung des eximirten Gerichtsstandes für Kriminalsachen ist von dem Justizminister Hrn. Märker augenscheinlich deßhalbbeantragt worden, um die Einführung der Geschwornengerichte vorzubereiten, da es zu viele Schwierigkeiten machen würde, wenn man besondere Geschwornengerichte für Eximirte und für Nicht-Eximirte einrichten wollte!!! Wie sehr übrigens das "Ministerium der That" sich mit der Ausführung der Märzversprechungen zu beschäftigen gedenkt, geht ebenfalls aus folgender Nachricht der Voss. Ztg. hervor: - Dem Vernehmen nach wird das Institut der Geschwornengerichte zunächst, eben so wie es mit dem durch das Gesetz vom 17. Juli 1846 eingeführten öffentlichen und mündlichen Gerichtsverfahren der Fall gewesen ist, nur für die Residenz Berlin versuchsweise eingeführt werden. Die Ausdehnung dieses Gerichtsverfahrens auf die Provinzen ist noch mit zu großen Lokal-und Personalschwierigkeiten verknüpft (!) Ueberdies hängt die Bildung der Geschwornengerichte selbst noch wesentlich von der Vollendung der Kommunalverfassungen (!!) und der Bürgerwehrordnung (!!) ab. 34 Aus dem Osnabrück'schen, 23. Juli. Hr. Dettmold hat von seinen Wählern folgendes Sendschreiben erhalten: Hochzuverehrender Herr Abgeordneter! Als im Mai d. J. die erste Nachricht von der für unseren Bezirk auf Sie gefallenen Wahl zur Abgeordnetenstelle nach Frankfurt in unsere Gegend gelangte: da ergriff sofort die Mehrheit Ihrer im hiesigen Kirchspiel wohnenden und nicht einst unzahlreichen Mandanten sein mit Unmuth gepaartes Mißtrauen darob, daß man unter Uebergehung uns näher stehender und besser bekannter Persönlichkeiten in Ihnen einen uns so fern stehenden und bis dahin von uns so wenig gekannten Mann zu jener Stelle empfohlen und ausersehen hatte. Dieses Mißtrauen wurde auch nicht gemindert durch die von einer Seite vorzugsweise ausgehende und fast ungestüme Hinweisung auf Ihre politischen Antecendentien, Ihre einstige oppositionelle Stellung zu unserer früheren verhaßten Regierung, so wie durch die besondere Hervorhebung Ihres laugenhaften Witzes, womit sie die Bestrebungen jener Regierung gelegentlich gegeisselt haben mochten, da wir uns keinen Augenblick verhehlten, welche untergeordnete Rolle gerade diese letzte Geisteskraft unter den Kardinaltugenden eines guten Abgeordneten stets spielen müsse. Der letzte Rest der wenigen auf Ihre künftige Wirksamkeit gesetzten Hoffnungen wurde aber vollends vernichtet, als kurz nach Ihrer Wahl das durch den baldigen Verzicht Ihres Vormannes anscheinend bestätigte Gerücht sich verbreitete, Ihre Wahl sei das künstliche und unerfreuliche Ergebniß von gewissen, im hohen Grade hier unbeliebten reaktionären Bestrebungen. Unsere Befürchtungen, welche wir von Anfang an in Beziehung auf Ihr künftiges Verhalten gehegt haben, sind durch Ihr bisheriges Auftreten in der Frankfurter National-Versammlung in bedauerlicher Weise gerechtfertigt worden! Hingesandt, um die bis dahin mit Füßen getretenen Rechte des Volks zu wahren und zu festigen, haben Sie sicherm Vernehmen nach sich alldort einer Partei zugestellt, (wir meinen die äußerste rechte Seite) deren Interessen und Wünsche unserer festen Ueberzeugung nach, wenn sie eine Wahrheit würden, erneuerte Bedrängnisse auf das Volk herniederwälzen müßten, einer Partei welche weit entfernt, die Rechte des letzteren zu vertreten, es sich zur Hauptaufgabe gemacht zu haben scheint, reaktionären Regierungen und fürstlichen Sonderinteressen mit maßloser Hingebung zu dienen und das Volk einer neuen Knechtschaft entgegenzuführen. Doch das Höchste von allem denjenigen, was Sie bis lang in diesem Genre geleistet haben, schien uns dieser Tage in der Art vorbehalten zu sein, wie Sie sich zu der bekannten Erklärung des Gesammtministerii vom 7. Juli verhalten zu müssen geglaubt haben, indem Sie die Verwahrung der übrigen Hannoverschen Abgeordneten gegen jene Erklärung ohne Angabe von Gründen zu unterzeichnen sich weigerten. Diese Handlung, in ihren Motiven vorläufig noch unaufgeklärt und jener Klarheit und Offenheit durchaus entbehrend, womit ein Volksabgeordneter dem Volke über sein Thun Rechnung zu tragen immer verpflichtet sein möchte, berechtigt uns nach Ihrem bisherigen Verhalten mindestens zu der Vermuthung, daß Sie immer da eine beklagenswerthe Passivität zu verrathen geneigt sind, wo ein kräftiges und rücksichtsloses Auftreten gegen die Uebergriffe der Fürsten und ihrer Räthe allein am Orte wäre. In dieser Veranlassung können wir Ihnen nicht vorenthalten, daß Sie für Ihre Bemühungen, in Verbindung mit der obengenannten Partei etwa die Sonderinteressen von Fürsten und reaktionären Regierungen auf Kosten des Volks und seiner wohl erworbenen Rechte zu fördern, sich diesseitigen Verlangens und Wünschens nach einem andern Prätexte umsehen mögen, als den jedenfalls fehlsamen unserer Abgeordneten- und Mandatschaft und daß - wir bezweifeln nicht im noch zu verlautbarenden Einverständniß mit sämmtlichen übrigen Mitmandanten - wir demnach keinen Tag froher begrüßen werden, als den, welcher uns die Kunde bringt, daß Sie Ihr auch von uns Ihnen übertragenes Mandat niedergelegt haben. Nach dieser unumwundenen Erklärung wissen Sie, was Sie zu thun haben! Sie werden insbesondere nicht des verwegenen Gedankens sein, daß die Stellung eines Abgeordneten als ein reines Geschenk zu betrachten sei, welches, einmal erhascht, man um jeden Preis, mit Zähigkeit und auch selbst dann behalten dürfe, wenn man das Vertrauen der Uebertragenden nicht mehr besitzt und diese es zurückverlangen. Denn unseres Erachtens giebt es für einen Abgeordneten seinen Mandanten gegenüber auch Pflichten, deren oberste die ist, die billigen Wünsche und Interessen derselben nicht zu verhöhnen, sondern zu berücksichtigen. In der Voraussetzung, daß Sie zum wenigsten in diesem Punkte mit Ihren Mandanten übereinstimmen werden, erwarten wir von Ihrer Ehrenhaftigkeit, daß Sie unbekümmert um etwa entgegengesetzte Interessen und Wünsche Solcher, welche hier mitzureden nicht berufen sind, sich beeilen werden einen Sitz aufzugeben, auf welchem Sie nach der bestimmten Ansicht von einer großen, in ihrer Gesammtheit allhier noch nicht einmal aufgetretenen Anzahl Solcher, in deren Namen Sie dazu berufen sind, nicht ferner mit Segen wirken können. * Breslau, 24. Juli. Hier circulirt eine Illustration, worin Wiljalba Frickel, Hofkünstler, Ritter etc. abgebildet ist. Er steht auf einer Bühne und macht dem Publikum Künste vor. Hofkünstler. Wie Sie wissen, meine Herrschaften, wurden in diese Sparbüchse 60 Millionen gelegt? Publikum. Ja! Hofkünstler. Nun so passen Sie gefälligst auf! Aber sehen Sie nur nach - Alles fest verschlossen - nichts vorbereitet; - Alles ohne Apparat. - 1! 2! 3! - Allons! futscht! - Bitte, wollen Sie gefälligst nachsetzen? - Es ist nichts mehr darin! - Alles leer! Publikum. Da Capo! Da Capo! Hofkünstler. Da bitte ich ein so gütiges und nachsichtiges Publikum, die Büchse durch milde Beiträge wieder zu füllen, und dann werde ich mir erlauben, das Kunststück sofort zu wiederholen! Posen, 24. Juli. Die Gazeta Polska berichtet: Wir erfahren, daß Ludwig Mieroslawski in dieser Nacht um 11 1/2 Uhr mit Postpferden von der Posener Festung weggefahren wurde. Wohin? Das ist ungewiß; man meint, nach Frankreich. Altona, 25. Juli. Morgen Abend werden Beseler und Prof. Christiansen (nicht Graf Rev.-Preetz) über Altona, wo sich ihnen der Abg. Kaufmann Semper anschließen wird, nach Frankfurt reisen, um die Centralgewalt zur energischen Wiederaufnahme des Krieges zu bewegen. Die Grafen Pourtales und Münster sind heute hier durch nach Berlin gegangen. Altona, 26. Juli. Bis jetzt bloßes Gerücht ist, daß die Dänen gestern bei Schleimünde, in der Nähe von Cappeln, gelandet und deshalb in Schleswig Generalmarsch geschlagen worden.- (H. B. H.) * Rendsburg, 26. Juli. Die heutige "Schleswig-Holst. Zeitung" enthält die offizielle Proklamation der Regierung, daß die Unterhandlungen abgebrochen sind und die Feindseligkeiten wieder begonnen haben.- Ferner ein definitives Preßgesetz, wonach die Preßvergehen nach den gewöhnlichen Gesetzen beurtheilt werden. Wiesbaden, 26. Juli. Aus glaubwürdiger Quelle wird mir soeben versichert, daß die Nassauischen Truppen, welche letzthin ihre Mitwirkung bei Entwaffnung der hiesigen Bürgerwehr verweigerten, durch Beschluß des Reichsministeriums nach dem Bundesland Limburg gesendet und preußische Regimenter (wahrscheinlich aus Posen?) nach Nassau gelegt werden sollten. München, 22. Juli. In den letzten Tagen dieser Woche waren je ein Kommando von 100 Mann der hiesigen Garnison nach den Dörfern Pasing und Ismanning abgegangen, um als Exekutionstruppen in genannte Ortschaften und Umgegend verlegt zu werden, weil daselbst seit einiger Zeit beharrlich die Steuerzahlung verweigert worden war. Dieselben kehrten aber, da die Widerspänstigen sich bereit erklärten ihren Verpflichtungen nachzukommen, bereits gestern Abend wieder hieher zurück. (A. A. Z.) * Wien, 22. Juli. Der Hofkurier aus Innsbruck versichert, daß der Kaiser und die Kaiserin zur Herreise bereit sind und daß sie nächsten Donnerstag oder Freitag hier eintreffen werden. Mit [Spaltenumbruch] werde von meinem historischen Völkerrecht. Ein großes Unglück will ich verhüten. (Bravo und Zischen. Abtritt des Redners). Löwe aus Posen,tritt für seine deutschenKommitenten auf. Man kenne des vorigen Redners Ansichten als Schriftsteller. (Präsident: Lassen Sie dies hier außer Betracht, hier ist nicht der Ort einen Mann über seine Wirksamkeit als Schriftsteller zur Verantwortung zu ziehen, sondern über seine Wirksamkeit als Abgeordneter. Bravo!) Hr. Löwe ist furchtbar erbost über den harmlosen Ruge, der nur „seinen“ Begriff vom historischen Völkerrecht zu Ehren bringen will, und meint dieser habe einstmals das deutsche Volk ein niederträchtiges genannt. (Erhält einen Rüffel vom Präsidenten). Zur Sache kommend legt sich des Redners Wuth, und er spricht undeutlich. ‒ Weist hin auf ein Schreiben von Niegolewsky's, worin dieser sagt, man werde sich nicht mit Posens Wiedererwerb begnügen, sondern Westpreußen wiederhaben wollen. ‒ (Der weitere Verfolg seiner Rede bietet nur Altes, und Ihre Zeitung müßte 10fach so dick sein, wenn ich Ihnen all den wiederkäuenden Schwall zum Druck schicken wollte) Kommt gegen das Ende auf die Juden. An diese müsse man eher denken als an die Polen. Es sei gewiß für die Polen besser wenn sie preußisch würden. Sie wollen es auch größten Theils. Der kleine den Polen zu lassende Antheil könne ja eine Wiege der etwaigen polnischen Zukunft werden. „Wir sollen der Freiheit einen Tempel bauen, schützen wir die östliche Mauer dieses Tempels. “ (Bravo rechts.) Wiesner(Oesterreich). Mit tiefster Wehmuth spreche ich es aus: noch vor einigen Monden ist das begangne Unrecht im Vorparlament begeistert zurückgewiesen worden, und schon wollen wir jene Ansicht stürzen. Wir wollen schon eine neue Theilung Posens. (Rechts werden alle Bänke leer). Nach einer dreitägigen Debatte, hat man noch nicht den Sieg errungen den das Vorparlament in wenig Minuten errang. (Bravo). Es frägt sich erstens sind denn unsre deutschen Brüder in Posen in Gefahr? Diese Herren (rechts) sagen ja! ich sage nein. So eine Gefahr kann von der ganzen preußischen Militärmacht nicht verhindert werden! Gegenwärtig werben fast alle Völker um das Bündniß mit Deutschland, Rußland möchte gern wieder sich mit Deutschland (aber zu was?) verbinden, Frankreich auch,‒ und da sprechen sie ewig von neuer Gefahr, von Vermehrung der Heerkraft; und fordern außer dem Geld des deutschen Volks auch sein Gewissen. Um den letzten Fetzen des polnischen Königsmantels (Krakau) hat man sich letzt noch gerissen; Preußen hielt sich von diesem Raub fern, jetzt scheint es sich wegen dieser Schonung entschädigen zu wollen. An dem Gewaltgrund: wir müssen Posen haben, wird Deutschland verbluten wie an Irland England. ‒ Man hätte sogar einst (wenn nicht Kaiser Franz dagegen gewesen wäre), das lombardisch-venetianische Königreich Deutschland einverleibt;‒ dann hätten wir jetzt einen deutschen Krieg in Italien. ‒ Mit Posen wird es ebenso gehen. (Die Kirche ist so leer, daß kaum 100 Abgeordnete da sitzen). Auch hätte Frankreich ein Recht mitzureden in dieser europäischen Frage. Glauben sie, es werde sich dieses Rechts begeben, weil hier ein Abgeordneter dagegen spricht? ‒ (Lychnowsky.) Was derselbe Abgeordnete dem polnischen Adel vorgeworfen, daß er bei jeder Empörung vorgekämpft, wäre es dem Redner doch lieber, der polnische Adel kämpfe auf Barrikaden, als der deutsche überall da, wo man sich gegen die Freiheit schlägt. v. Sänger(pommer'scher Gutsbesitzer) spricht natürlich gegen die Freiheit der Polen und stellt sich dabei nach seiner Ansicht auf den allgemeinen (pommer'schen) Standpunkt. Man will ein Gebiet fortgeben, in dessen vollständigem Besitz man ist. ‒ Die Versammlung werde einen Ausspruch in dieser Sache thun; wehe wer ihn antastet. (Leise Hinweisung auf die bekannten pommer'schen Kolbenschläge) Thinnes. (Domkapitular aus Baiern.) Er sei gegen die Ausschußanträge und gegen die Einverleibung nicht bloß aus konfessionellen Rücksichten. Diese konfessionellen Einflüsse seien übrigens in Posen nicht wegzuläugnen. ‒ Er ist gegen jede neue Theilung, weil er sogar den Schein des Unrechts meiden wolle. Schließt sich an die Anträge: die Demarkationslinie nicht anzuerkennen, die Wahlen der Posener Abgeordneten desgleichen nicht, die Einverleibung rückgängig zu machen u. s. w. ‒ Wenn dieser Antrag aber fiele, dann beantrage er: Ganz Posen einzuverleiben. Giskra. (Mähren.) Der polnische Adel, nicht das Volk wolle jetzt die Wiederherstellung. Wäre Polen auch reif (links: längst reif!), so müsse man doch seine Sympathien beschränken. Die Schuld der Ahnen zu sühnen, das gelte allenfalls in Familien, aber das sei keine Völkersache. Die Philosophen werden mich auslachen, die Schwärmer klagen, aber die Patrioten werden mir zujauchzen! (Alle Patrioten brüllen Bravo.) Der Redner echaufirt sich fürchterlich in patriotischen Tiraden, worauf ein Bravo nach dem andern erfolgt. Man hat gesagt, die Polen hätten nicht frei wählen können, wegen des Martialgesetzes, hätten etwa nicht auch die Böhmen unter Kanonendonner ihre Wahlen bewerkstelligt? (Bravo rechts.) Wir haben schon darum gegen die Polen recht, weil wir ein höheres Element, das National-Element gegen ihr Territorial-Element vertheidigen. Das Vorparlament habe nicht sein Wort in dieser Sache verpfändet, es habe nur die Frage offen gelassen, hätte der Fünfziger-Ausschuß weiter gehen können? Hätte er das, so hätte er sein Mandat verletzt. Und das Argument, daß die Polen und Slawen in Folge dieser Einverleibung, die Deutschen bitter hassen würden, sei nichts, dieser Haß bestände bereits auf das bitterste. Für den Antrag, eine neue Untersuchungs-Kommission zu verordnen, könne er nicht sein. Wozu diese? Sie wird wieder Deutsche und Polen verhören, und nichts Neues bringen. Und wenn wirklich die neue Untersuchung der Anzahl der Polen und Deutschen in Posen 100,000 mehr für Polen herausbringt, ihm(dem Redner) käme es auf ein paarmal 100,000 nicht an. Ihm scheint, man will durch die Kommission nur die Sache verzögern. Sein Gewissen, und das der deutschen Männer in dieser Versammlung (Bravo rechts) sei in dieser Sache im Klaren. Er stellt einen Zusatz-Antrag zum Ausschuß und schließt mit der Bemerkung, über die Ansicht des Auslandes in dieser Sache können wir ruhig sein. (Bravo!) Venedey(mit sehr bescheidener Stimme): Er müsse sprechen trotz so lange ermüdender Reden. Verbreitet sich über die gesunkenen Sympathien und das Unrecht, was darin liegt. Er selbst (nämlich Venedey) wird jeden Augenblick auf die Barrikaden treten, wenn Deutschland in der Lage wäre wie Polen. Venedey's Rede bietet in der Einzelheit ihrer Daten nichts Neues, trotzdem sie sehr, sehr lange dauert. Sie geht auch sehr still vorüber, wie ein sanft hinrauschender Kiesbach, nur ist es bemerkenswerth, daß dem Redner, der in dieser Sache mit der Linken spricht, nicht die Linke, sondern nur die Rechte bisweilen Beifall klatscht. Schließlich schließt er sich Blum's Antrag um eine Untersuchungs-Kommission an, Zuletzt sagt Herr Venedey: Durch meine (im Verlauf der Rede gemachte) Bemerkung, meine hart scheinende Bemerkung, die Polen seien untergegangen, weil sie nicht zu gehorchen verstanden, weise ich den Vorwurf der Sentimentalität in dieser Sache, den man mir machen könnte, zurück. Nach Venedey wird das Toben nach Schluß immer stärker. Gagern läßt das Heißblut der Patrioten etwas austoben, dann sagt er: So viel Geduld sie haben zu toben, so viel habe ich, es abzuwarten, bis Ruhe wird. Man solle wenigstens noch einen Redner hören. Darauf geht man zur Noth ein. Es spricht Hr. Viebig (ein preußischer Regierungsrath aus Posen). Posens Magistrat und Stadtverordneten (warum vergißt der Redner die preußischen Regierungsräthe) wollen entschieden deutsch sein. Schließt mit einem gemeinen Ausfall auf Janiczewski, beschuldigt diesen der Lüge und meint, dem Janiczewsky müsse es allerdings seltsam vorkommen, von einem Slawenkongreß in diese Versammlung zu kommen. Nach diesen Denunziationen schließt er geistreich: Janiczewsky habe gesagt, man könne die Polen verschlucken,aber nicht verdauen; ersage, die Polen werden jene 1 1/2 Mill. Deutsche in Posen auch nichtverdauen, weil sie sie nicht verschlucken würden. Janiczewsky widerlegt den preußischen Regierungsrath und beweist, daß er ihn fälschlich der Lüge gezeiht. Ferner sei es falsch, zu behaupten, er käme vom Slawenkongreß in die deutsche National-Versammlung. Er war zwar in Prag (Hohnlachen rechts), aber nicht beim Slawenkongreß. Das Unwahre und Unmögliche dieser Behauptung würde er dem Präsidenten eröffnen, der Versammlung gegenüber sey es unnöthig. Uebrigens wenn er wüßte seinen armen Brüdern die Freiheit wiederzuholen, würde er nicht blos nach Prag gehen, sondern den Pilgerstab selbst bis China tragen. (Langes, schallendes Bravo und Händeklatschen der Gallerien und Linken). Präsident: Schmidt aus Löwenberg wolle der Versammlung eine Erklärung geben, ob man ihn hören wolle? Die Versammlung, besonders rechts, nein! Präsident: Hr. Flotwell ditto; ob man ihn hören wolle? Die Versammlung, besonders links, nein! Präsident: Es haben 20 Mitglieder den Antrag um Schluß der Debatte gestellt, ich muß also darüber abstimmen lassen, wünschte aber meinerseits, man möge in dieser wichtigen Sache morgen noch zwei Redner von jeder Seite hören. Will die Versammlung dies? (Nein! Nein! besonders rechts). Hierauf folgt die Abstimmung über den Schluß der Debatte. Schluß angenommen nur die Linke war dagegen. Platheer (Halberstadt) beantragt noch namentliche Abstimmung über alle Punkte dieser Frage, und Blum namentliche Abstimmung über seinen Untersuchungs-Kommissions-Antrag. Beide Anträge sind reichlich unterstützt. Hierauf Schluß der Sitzung um 3 1/4 Uhr. Die Abstimmung auf morgen 9 Uhr vertagt. 103 Berlin, 26.Juli. Die Spaltung in der hiesigen Bevölkerung tritt täglich entschiedener hervor. Die Frage über die deutsche Centralgewalt hat Berlin in zwei Lager getheilt. Nur die entschieden demokratische Partei will daß „ Preußen in Deutschland aufgehe.“ Dagegen erklären alle anderen mehr oder weniger konstitutionellen oder contrerevolutionären Parteien die „unausführbaren Zumuthungen,“ wie sie es nennen, die man von Frankfurt aus stellt, für unvereinbar mit der Würde des preußischen Staates. Preußen, diese Großmacht, könne sich keine Bedingungen von Frankfurt aus vorschreiben lassen. Besonders ergrimmt ist unsere Bourgevisie über den Entwurf über die definitive Centralgewalt, wonach die einzelnen deutschen Regierungen fortan nicht mehr das Recht haben, ständige Gesandschaften im In- und Auslande zu halten u. s. w. Diese Stockpreußen reißen bereits die deutschen Kokarden von ihren Hüten, sie wollen Preußen sein, nichts als Preußen und keine Deutschen. Auch unter den Soldaten hat man bereits eine gewisse Aufregung, hinsichtlich der dem Reichsverweser zugedachten Huldigung zu verbreiten gewußt. Nicht wenige Offiziere und Soldaten weigern sich bestimmt, dem „östreichischen Prinzen“ zu huldigen. Die Soldaten des 24. Regiments sollen übereingekommen sein, zu dem am 6. August festgesetzten Huldigungstage, drei Hurrah's zu bringen. Das erste Hurrah dem Könige, das zweite dem Prinzen von Preußen und das dritte dem preußischen Volke. Auch unsere gesammte Presse, mit Ausnahme der demokratischen Blätter, sprechen sich im Sinne des spezifischen Preußenthums aus. Das Ministerium soll keine erheblichen Einwendungen gegen den Verfassungsentwurf, wie er jetzt von der Kommission entworfen ist, machen wollen. Vielmehr soll es entschlossen sein den Verfassungsentwurf, das Kommunal- und Bürgerwehrgesetz so schnell wie möglich vereinbaren zu lassen und alsdann die Vereinbarer nach Hause zu schicken. Es sollen dann sogleich die zwei verfassungsmäßigen Kammern einberufen und ihnen alle anderen Gesetze vorgelegt werden. Das Ministerium hat eine Deputation, bestehend aus zwei Kammergerichtsräthen und zwei Räthen aus dem Ministerium des Innern, nach dem Großherzogthum Posen mit den ausgedehntesten Vollmachten abgesandt. Sie soll die ganze Provinz durchreisen, und sich überall von den Anklagen gegen die politischen Gefangenen genaue Kenntniß verschaffen; wo nicht ganz gravirende Thatsachen vorliegen soll sie die sofortige Entlassung der Gefangenen bewirken.‒ Das Ministerium scheint der von der Vereinbarer-Versammlung eingesetzten Kommission zur Untersuchung der polnischen Angelegenheiten zuvorkommen zu wollen. Der frühere Handelsminister, Herr v. Patow, soll die Stelle des Regierungspräsidenten in Potsdam, oder wie Einige sagen, des Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg angenommen haben. Die verfassungswidrige Hereinziehung des Militärs in die Hauptstat hat zu einer furchtbaren Erbitterung zwischen Bürgern und Soldaten geführt. Schon mehrmals ist es seit einigen Wochen zu Konflikten gekommen und kleine Neckereien geben zu förmlichen Kämpfen Veranlassung. Die Soldaten werden von den Offizieren gegen Bürger und Volk aufgehetzt. Die Reaktion hofft schon im Stillen durch einen großen Schlag bald wieder an's Ruder zu kommen. 7 Berlin, 26. Juli. In Paris soll es an 70,000 Spießbürger gegeben haben, an denen die große Revolution gänzlich spurlos vorüberging, ohne sie zu berühren. Daß es in unserer lieben Stadt auch eine gute Anzahl solcher Leute giebt (sie bilden den Kern „meiner lieben Berliner“), das beweist dieVoss. Ztg. täglich. Wie der Berliner Weißbierphilister kannegießert, beweist unter Anderem folgendes Citat der „Vossischen“: ‒ Die Aufhebung des eximirten Gerichtsstandes für Kriminalsachen ist von dem Justizminister Hrn. Märker augenscheinlich deßhalbbeantragt worden, um die Einführung der Geschwornengerichte vorzubereiten, da es zu viele Schwierigkeiten machen würde, wenn man besondere Geschwornengerichte für Eximirte und für Nicht-Eximirte einrichten wollte!!! Wie sehr übrigens das „Ministerium der That“ sich mit der Ausführung der Märzversprechungen zu beschäftigen gedenkt, geht ebenfalls aus folgender Nachricht der Voss. Ztg. hervor: ‒ Dem Vernehmen nach wird das Institut der Geschwornengerichte zunächst, eben so wie es mit dem durch das Gesetz vom 17. Juli 1846 eingeführten öffentlichen und mündlichen Gerichtsverfahren der Fall gewesen ist, nur für die Residenz Berlin versuchsweise eingeführt werden. Die Ausdehnung dieses Gerichtsverfahrens auf die Provinzen ist noch mit zu großen Lokal-und Personalschwierigkeiten verknüpft (!) Ueberdies hängt die Bildung der Geschwornengerichte selbst noch wesentlich von der Vollendung der Kommunalverfassungen (!!) und der Bürgerwehrordnung (!!) ab. 34 Aus dem Osnabrück'schen, 23. Juli. Hr. Dettmold hat von seinen Wählern folgendes Sendschreiben erhalten: Hochzuverehrender Herr Abgeordneter! Als im Mai d. J. die erste Nachricht von der für unseren Bezirk auf Sie gefallenen Wahl zur Abgeordnetenstelle nach Frankfurt in unsere Gegend gelangte: da ergriff sofort die Mehrheit Ihrer im hiesigen Kirchspiel wohnenden und nicht einst unzahlreichen Mandanten sein mit Unmuth gepaartes Mißtrauen darob, daß man unter Uebergehung uns näher stehender und besser bekannter Persönlichkeiten in Ihnen einen uns so fern stehenden und bis dahin von uns so wenig gekannten Mann zu jener Stelle empfohlen und ausersehen hatte. Dieses Mißtrauen wurde auch nicht gemindert durch die von einer Seite vorzugsweise ausgehende und fast ungestüme Hinweisung auf Ihre politischen Antecendentien, Ihre einstige oppositionelle Stellung zu unserer früheren verhaßten Regierung, so wie durch die besondere Hervorhebung Ihres laugenhaften Witzes, womit sie die Bestrebungen jener Regierung gelegentlich gegeisselt haben mochten, da wir uns keinen Augenblick verhehlten, welche untergeordnete Rolle gerade diese letzte Geisteskraft unter den Kardinaltugenden eines guten Abgeordneten stets spielen müsse. Der letzte Rest der wenigen auf Ihre künftige Wirksamkeit gesetzten Hoffnungen wurde aber vollends vernichtet, als kurz nach Ihrer Wahl das durch den baldigen Verzicht Ihres Vormannes anscheinend bestätigte Gerücht sich verbreitete, Ihre Wahl sei das künstliche und unerfreuliche Ergebniß von gewissen, im hohen Grade hier unbeliebten reaktionären Bestrebungen. Unsere Befürchtungen, welche wir von Anfang an in Beziehung auf Ihr künftiges Verhalten gehegt haben, sind durch Ihr bisheriges Auftreten in der Frankfurter National-Versammlung in bedauerlicher Weise gerechtfertigt worden! Hingesandt, um die bis dahin mit Füßen getretenen Rechte des Volks zu wahren und zu festigen, haben Sie sicherm Vernehmen nach sich alldort einer Partei zugestellt, (wir meinen die äußerste rechte Seite) deren Interessen und Wünsche unserer festen Ueberzeugung nach, wenn sie eine Wahrheit würden, erneuerte Bedrängnisse auf das Volk herniederwälzen müßten, einer Partei welche weit entfernt, die Rechte des letzteren zu vertreten, es sich zur Hauptaufgabe gemacht zu haben scheint, reaktionären Regierungen und fürstlichen Sonderinteressen mit maßloser Hingebung zu dienen und das Volk einer neuen Knechtschaft entgegenzuführen. Doch das Höchste von allem denjenigen, was Sie bis lang in diesem Genre geleistet haben, schien uns dieser Tage in der Art vorbehalten zu sein, wie Sie sich zu der bekannten Erklärung des Gesammtministerii vom 7. Juli verhalten zu müssen geglaubt haben, indem Sie die Verwahrung der übrigen Hannoverschen Abgeordneten gegen jene Erklärung ohne Angabe von Gründen zu unterzeichnen sich weigerten. Diese Handlung, in ihren Motiven vorläufig noch unaufgeklärt und jener Klarheit und Offenheit durchaus entbehrend, womit ein Volksabgeordneter dem Volke über sein Thun Rechnung zu tragen immer verpflichtet sein möchte, berechtigt uns nach Ihrem bisherigen Verhalten mindestens zu der Vermuthung, daß Sie immer da eine beklagenswerthe Passivität zu verrathen geneigt sind, wo ein kräftiges und rücksichtsloses Auftreten gegen die Uebergriffe der Fürsten und ihrer Räthe allein am Orte wäre. In dieser Veranlassung können wir Ihnen nicht vorenthalten, daß Sie für Ihre Bemühungen, in Verbindung mit der obengenannten Partei etwa die Sonderinteressen von Fürsten und reaktionären Regierungen auf Kosten des Volks und seiner wohl erworbenen Rechte zu fördern, sich diesseitigen Verlangens und Wünschens nach einem andern Prätexte umsehen mögen, als den jedenfalls fehlsamen unserer Abgeordneten- und Mandatschaft und daß ‒ wir bezweifeln nicht im noch zu verlautbarenden Einverständniß mit sämmtlichen übrigen Mitmandanten ‒ wir demnach keinen Tag froher begrüßen werden, als den, welcher uns die Kunde bringt, daß Sie Ihr auch von uns Ihnen übertragenes Mandat niedergelegt haben. Nach dieser unumwundenen Erklärung wissen Sie, was Sie zu thun haben! Sie werden insbesondere nicht des verwegenen Gedankens sein, daß die Stellung eines Abgeordneten als ein reines Geschenk zu betrachten sei, welches, einmal erhascht, man um jeden Preis, mit Zähigkeit und auch selbst dann behalten dürfe, wenn man das Vertrauen der Uebertragenden nicht mehr besitzt und diese es zurückverlangen. Denn unseres Erachtens giebt es für einen Abgeordneten seinen Mandanten gegenüber auch Pflichten, deren oberste die ist, die billigen Wünsche und Interessen derselben nicht zu verhöhnen, sondern zu berücksichtigen. In der Voraussetzung, daß Sie zum wenigsten in diesem Punkte mit Ihren Mandanten übereinstimmen werden, erwarten wir von Ihrer Ehrenhaftigkeit, daß Sie unbekümmert um etwa entgegengesetzte Interessen und Wünsche Solcher, welche hier mitzureden nicht berufen sind, sich beeilen werden einen Sitz aufzugeben, auf welchem Sie nach der bestimmten Ansicht von einer großen, in ihrer Gesammtheit allhier noch nicht einmal aufgetretenen Anzahl Solcher, in deren Namen Sie dazu berufen sind, nicht ferner mit Segen wirken können. * Breslau, 24. Juli. Hier circulirt eine Illustration, worin Wiljalba Frickel, Hofkünstler, Ritter etc. abgebildet ist. Er steht auf einer Bühne und macht dem Publikum Künste vor. Hofkünstler. Wie Sie wissen, meine Herrschaften, wurden in diese Sparbüchse 60 Millionen gelegt? Publikum. Ja! Hofkünstler. Nun so passen Sie gefälligst auf! Aber sehen Sie nur nach ‒ Alles fest verschlossen ‒ nichts vorbereitet; ‒ Alles ohne Apparat. ‒ 1! 2! 3! ‒ Allons! futscht! ‒ Bitte, wollen Sie gefälligst nachsetzen? ‒ Es ist nichts mehr darin! ‒ Alles leer! Publikum. Da Capo! Da Capo! Hofkünstler. Da bitte ich ein so gütiges und nachsichtiges Publikum, die Büchse durch milde Beiträge wieder zu füllen, und dann werde ich mir erlauben, das Kunststück sofort zu wiederholen! Posen, 24. Juli. Die Gazeta Polska berichtet: Wir erfahren, daß Ludwig Mieroslawski in dieser Nacht um 11 1/2 Uhr mit Postpferden von der Posener Festung weggefahren wurde. Wohin? Das ist ungewiß; man meint, nach Frankreich. Altona, 25. Juli. Morgen Abend werden Beseler und Prof. Christiansen (nicht Graf Rev.-Preetz) über Altona, wo sich ihnen der Abg. Kaufmann Semper anschließen wird, nach Frankfurt reisen, um die Centralgewalt zur energischen Wiederaufnahme des Krieges zu bewegen. Die Grafen Pourtales und Münster sind heute hier durch nach Berlin gegangen. Altona, 26. Juli. Bis jetzt bloßes Gerücht ist, daß die Dänen gestern bei Schleimünde, in der Nähe von Cappeln, gelandet und deshalb in Schleswig Generalmarsch geschlagen worden.‒ (H. B. H.) * Rendsburg, 26. Juli. Die heutige „Schleswig-Holst. Zeitung“ enthält die offizielle Proklamation der Regierung, daß die Unterhandlungen abgebrochen sind und die Feindseligkeiten wieder begonnen haben.‒ Ferner ein definitives Preßgesetz, wonach die Preßvergehen nach den gewöhnlichen Gesetzen beurtheilt werden. Wiesbaden, 26. Juli. Aus glaubwürdiger Quelle wird mir soeben versichert, daß die Nassauischen Truppen, welche letzthin ihre Mitwirkung bei Entwaffnung der hiesigen Bürgerwehr verweigerten, durch Beschluß des Reichsministeriums nach dem Bundesland Limburg gesendet und preußische Regimenter (wahrscheinlich aus Posen?) nach Nassau gelegt werden sollten. München, 22. Juli. In den letzten Tagen dieser Woche waren je ein Kommando von 100 Mann der hiesigen Garnison nach den Dörfern Pasing und Ismanning abgegangen, um als Exekutionstruppen in genannte Ortschaften und Umgegend verlegt zu werden, weil daselbst seit einiger Zeit beharrlich die Steuerzahlung verweigert worden war. Dieselben kehrten aber, da die Widerspänstigen sich bereit erklärten ihren Verpflichtungen nachzukommen, bereits gestern Abend wieder hieher zurück. (A. A. Z.) * Wien, 22. Juli. Der Hofkurier aus Innsbruck versichert, daß der Kaiser und die Kaiserin zur Herreise bereit sind und daß sie nächsten Donnerstag oder Freitag hier eintreffen werden. Mit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar059_004" type="jArticle"> <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0002" n="0294"/><cb n="1"/> werde von meinem historischen</hi> Völkerrecht. Ein großes Unglück will ich verhüten. (Bravo und Zischen. Abtritt des Redners).</p> <p><hi rendition="#g">Löwe aus Posen,</hi>tritt für seine <hi rendition="#g">deutschen</hi>Kommitenten auf. Man kenne des vorigen Redners Ansichten als Schriftsteller. (Präsident: Lassen Sie dies hier außer Betracht, hier ist nicht der Ort einen Mann über seine Wirksamkeit als Schriftsteller zur Verantwortung zu ziehen, sondern über seine Wirksamkeit als Abgeordneter. <hi rendition="#g">Bravo!)</hi> </p> <p>Hr. Löwe ist furchtbar erbost über den harmlosen Ruge, der nur „seinen“ Begriff vom historischen Völkerrecht zu Ehren bringen will, und meint dieser habe einstmals das deutsche Volk ein niederträchtiges genannt. (Erhält einen Rüffel vom Präsidenten). Zur Sache kommend legt sich des Redners Wuth, und er spricht undeutlich. ‒ Weist hin auf ein Schreiben von Niegolewsky's, worin dieser sagt, man werde sich nicht mit Posens Wiedererwerb begnügen, sondern Westpreußen wiederhaben wollen. ‒ (Der weitere Verfolg seiner Rede bietet nur Altes, und Ihre Zeitung müßte 10fach so dick sein, wenn ich Ihnen all den wiederkäuenden Schwall zum Druck schicken wollte) Kommt gegen das Ende auf die Juden. An diese müsse man eher denken als an die Polen. Es sei gewiß für die Polen besser wenn sie preußisch würden. Sie wollen es auch größten Theils. Der kleine den Polen zu lassende Antheil könne ja eine Wiege der etwaigen polnischen Zukunft werden. „Wir sollen der Freiheit einen Tempel bauen, schützen wir die östliche Mauer dieses Tempels. “ (Bravo <hi rendition="#g">rechts</hi>.)</p> <p><hi rendition="#g">Wiesner</hi>(Oesterreich). Mit tiefster Wehmuth spreche ich es aus: noch vor einigen Monden ist das begangne Unrecht im Vorparlament begeistert zurückgewiesen worden, und <hi rendition="#g">schon</hi> wollen <hi rendition="#g">wir</hi> jene Ansicht stürzen. Wir wollen schon eine neue Theilung Posens. (Rechts werden alle Bänke leer). Nach <hi rendition="#g">einer dreitägigen Debatte,</hi> hat man noch nicht <hi rendition="#g">den Sieg</hi> errungen den das Vorparlament in wenig Minuten errang. (Bravo). Es frägt sich erstens sind denn unsre deutschen Brüder in Posen in Gefahr?</p> <p>Diese Herren <hi rendition="#g">(rechts)</hi> sagen ja! ich sage nein. So eine Gefahr kann von der ganzen preußischen Militärmacht nicht verhindert werden!</p> <p>Gegenwärtig werben fast alle Völker um das Bündniß mit Deutschland, Rußland möchte gern wieder sich mit Deutschland (aber zu was?) verbinden, Frankreich auch,‒ und da sprechen sie ewig von neuer Gefahr, von Vermehrung der Heerkraft; und fordern außer dem Geld des deutschen Volks auch sein Gewissen. Um den letzten Fetzen des polnischen Königsmantels (Krakau) hat man sich letzt noch gerissen; Preußen hielt sich von <hi rendition="#g">diesem</hi> Raub fern, jetzt scheint es sich wegen dieser Schonung entschädigen zu wollen. An dem Gewaltgrund: wir müssen Posen haben, wird Deutschland verbluten wie an Irland England. ‒ Man hätte sogar einst (wenn nicht Kaiser Franz dagegen gewesen wäre), das lombardisch-venetianische Königreich Deutschland einverleibt;‒ dann hätten wir jetzt einen <hi rendition="#g">deutschen</hi> Krieg in Italien. ‒ Mit Posen wird es ebenso gehen. (Die Kirche ist so leer, daß kaum 100 Abgeordnete da sitzen).</p> <p>Auch hätte Frankreich ein Recht mitzureden in dieser europäischen Frage. Glauben sie, es werde sich dieses Rechts begeben, weil hier ein Abgeordneter dagegen spricht? ‒ (Lychnowsky.) Was derselbe Abgeordnete dem polnischen <hi rendition="#g">Adel vorgeworfen,</hi> daß er bei jeder <hi rendition="#g">Empörung vorgekämpft, wäre es dem Redner doch lieber, der polnische Adel kämpfe auf Barrikaden, als der deutsche überall da, wo man sich gegen die Freiheit schlägt.</hi> </p> <p><hi rendition="#g">v. Sänger</hi>(pommer'scher Gutsbesitzer) spricht natürlich gegen die Freiheit der Polen und stellt sich dabei nach seiner Ansicht auf den allgemeinen (pommer'schen) Standpunkt. Man will ein Gebiet fortgeben, in dessen vollständigem Besitz man ist. ‒ Die Versammlung werde einen Ausspruch in dieser Sache thun; wehe wer ihn antastet. (Leise Hinweisung auf die bekannten pommer'schen Kolbenschläge)</p> <p><hi rendition="#g">Thinnes.</hi> (Domkapitular aus Baiern.) Er sei <hi rendition="#g">gegen</hi> die Ausschußanträge und gegen die Einverleibung nicht bloß aus konfessionellen Rücksichten. Diese konfessionellen Einflüsse seien übrigens in Posen nicht wegzuläugnen. ‒ Er ist gegen jede neue Theilung, weil er sogar den Schein des Unrechts meiden wolle. Schließt sich an die Anträge: die Demarkationslinie nicht anzuerkennen, die Wahlen der Posener Abgeordneten desgleichen nicht, die Einverleibung rückgängig zu machen u. s. w. ‒ Wenn dieser Antrag aber fiele, dann beantrage er: <hi rendition="#g">Ganz</hi> Posen einzuverleiben.</p> <p><hi rendition="#g">Giskra.</hi> (Mähren.) Der polnische Adel, nicht das Volk wolle jetzt die Wiederherstellung. Wäre Polen auch reif (links: längst reif!), so müsse man doch seine Sympathien beschränken. Die Schuld der Ahnen zu sühnen, das gelte allenfalls in Familien, aber das sei keine Völkersache. Die Philosophen werden mich auslachen, die Schwärmer klagen, aber die Patrioten werden mir zujauchzen! (Alle Patrioten brüllen Bravo.) Der Redner echaufirt sich fürchterlich in patriotischen Tiraden, worauf ein Bravo nach dem andern erfolgt. Man hat gesagt, die Polen hätten nicht frei wählen können, wegen des Martialgesetzes, hätten etwa nicht auch die Böhmen unter Kanonendonner ihre Wahlen bewerkstelligt? (Bravo rechts.) Wir haben schon darum gegen die Polen recht, weil wir ein höheres Element, das National-Element gegen ihr Territorial-Element vertheidigen. Das Vorparlament habe nicht sein Wort in dieser Sache verpfändet, es habe nur die Frage offen gelassen, hätte der Fünfziger-Ausschuß weiter gehen können? Hätte er das, so hätte er sein Mandat verletzt. Und das Argument, daß die Polen und Slawen in Folge dieser Einverleibung, die Deutschen bitter hassen würden, sei nichts, dieser Haß bestände bereits auf das bitterste. Für den Antrag, eine neue Untersuchungs-Kommission zu verordnen, könne er nicht sein. Wozu diese? Sie wird wieder Deutsche und Polen verhören, und nichts Neues bringen. Und wenn wirklich die neue Untersuchung der Anzahl der Polen und Deutschen in Posen 100,000 mehr für Polen herausbringt, ihm(dem Redner) käme es auf ein paarmal 100,000 nicht an. Ihm scheint, man will durch die Kommission nur die Sache verzögern. Sein Gewissen, und das der deutschen Männer in dieser Versammlung (Bravo rechts) sei in dieser Sache im Klaren. Er stellt einen Zusatz-Antrag zum Ausschuß und schließt mit der Bemerkung, über die Ansicht des Auslandes in dieser Sache können wir ruhig sein. (Bravo!)</p> <p><hi rendition="#g">Venedey</hi>(mit sehr bescheidener Stimme): Er müsse sprechen trotz so lange ermüdender Reden. Verbreitet sich über die gesunkenen Sympathien und das Unrecht, was darin liegt. Er selbst (nämlich Venedey) wird jeden Augenblick auf die Barrikaden treten, wenn Deutschland in der Lage wäre wie Polen. Venedey's Rede bietet in der Einzelheit ihrer Daten nichts Neues, trotzdem sie sehr, sehr lange dauert. Sie geht auch sehr still vorüber, wie ein sanft hinrauschender Kiesbach, nur ist es bemerkenswerth, daß dem Redner, der in dieser Sache mit der Linken spricht, nicht die Linke, sondern nur die Rechte bisweilen Beifall klatscht. Schließlich schließt er sich Blum's Antrag um eine Untersuchungs-Kommission an,</p> <p>Zuletzt sagt Herr <hi rendition="#g">Venedey:</hi> Durch meine (im Verlauf der Rede gemachte) Bemerkung, meine hart scheinende Bemerkung, die Polen seien untergegangen, weil sie nicht zu gehorchen verstanden, weise ich den Vorwurf der Sentimentalität in dieser Sache, den man mir machen könnte, zurück.</p> <p>Nach Venedey wird das Toben nach <hi rendition="#g">Schluß</hi> immer stärker. Gagern läßt das Heißblut der Patrioten etwas austoben, dann sagt er: So viel Geduld sie haben zu toben, so viel habe ich, es abzuwarten, bis Ruhe wird. Man solle wenigstens noch einen Redner hören. Darauf geht man zur Noth ein.</p> <p>Es spricht Hr. <hi rendition="#g">Viebig</hi> (ein preußischer Regierungsrath aus Posen). Posens Magistrat und Stadtverordneten (warum vergißt der Redner die preußischen Regierungsräthe) wollen entschieden deutsch sein. Schließt mit einem gemeinen Ausfall auf Janiczewski, beschuldigt diesen der Lüge und meint, dem Janiczewsky müsse es allerdings seltsam vorkommen, von einem Slawenkongreß in diese Versammlung zu kommen. Nach diesen Denunziationen schließt er geistreich: Janiczewsky habe gesagt, man könne die Polen <hi rendition="#g">verschlucken,</hi>aber nicht <hi rendition="#g">verdauen; er</hi>sage, die Polen werden jene 1 1/2 Mill. Deutsche in Posen auch <hi rendition="#g">nicht</hi>verdauen, <hi rendition="#g">weil</hi> sie sie <hi rendition="#g">nicht</hi> verschlucken würden.</p> <p><hi rendition="#g">Janiczewsky</hi> widerlegt den preußischen Regierungsrath und beweist, daß er ihn <hi rendition="#g">fälschlich</hi> der Lüge gezeiht. Ferner sei es falsch, zu behaupten, er käme vom Slawenkongreß in die deutsche National-Versammlung. Er war zwar in Prag (Hohnlachen rechts), aber nicht beim Slawenkongreß. Das Unwahre und Unmögliche dieser Behauptung würde er dem Präsidenten eröffnen, der Versammlung gegenüber sey es unnöthig. Uebrigens wenn er wüßte seinen armen Brüdern die Freiheit wiederzuholen, würde er nicht blos nach Prag gehen, sondern den Pilgerstab selbst bis China tragen. (Langes, schallendes Bravo und Händeklatschen der Gallerien und Linken).</p> <p><hi rendition="#g">Präsident:</hi> Schmidt aus Löwenberg wolle der Versammlung eine Erklärung geben, ob man ihn hören wolle?</p> <p>Die Versammlung, besonders rechts, nein!</p> <p><hi rendition="#g">Präsident:</hi> Hr. Flotwell ditto; ob man ihn hören wolle?</p> <p>Die Versammlung, besonders links, nein!</p> <p><hi rendition="#g">Präsident:</hi> Es haben 20 Mitglieder den Antrag um Schluß der Debatte gestellt, ich muß also darüber abstimmen lassen, wünschte aber meinerseits, man möge in dieser wichtigen Sache morgen noch zwei Redner von jeder Seite hören. Will die Versammlung dies? (Nein! Nein! besonders rechts).</p> <p>Hierauf folgt die Abstimmung über den Schluß der Debatte. Schluß <hi rendition="#g">angenommen</hi> nur die Linke war dagegen.</p> <p><hi rendition="#g">Platheer</hi> (Halberstadt) beantragt noch namentliche Abstimmung über alle Punkte dieser Frage, und <hi rendition="#g">Blum</hi> namentliche Abstimmung über seinen Untersuchungs-Kommissions-Antrag.</p> <p>Beide Anträge sind reichlich unterstützt.</p> <p>Hierauf Schluß der Sitzung um 3 1/4 Uhr. Die Abstimmung auf morgen 9 Uhr vertagt.</p> </div> <div xml:id="ar059_005" type="jArticle"> <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 26.Juli.</head> <p>Die Spaltung in der hiesigen Bevölkerung tritt täglich entschiedener hervor. Die Frage über die deutsche Centralgewalt hat Berlin in zwei Lager getheilt. Nur die entschieden demokratische Partei will daß „ Preußen in Deutschland aufgehe.“ Dagegen erklären alle anderen mehr oder weniger konstitutionellen oder contrerevolutionären Parteien die „unausführbaren Zumuthungen,“ wie sie es nennen, die man von Frankfurt aus stellt, für unvereinbar mit der Würde des preußischen Staates. Preußen, diese Großmacht, könne sich keine Bedingungen von Frankfurt aus vorschreiben lassen. Besonders ergrimmt ist unsere Bourgevisie über den Entwurf über die definitive Centralgewalt, wonach die einzelnen deutschen Regierungen fortan nicht mehr das Recht haben, ständige Gesandschaften im In- und Auslande zu halten u. s. w. Diese Stockpreußen reißen bereits die deutschen Kokarden von ihren Hüten, sie wollen Preußen sein, nichts als Preußen und keine Deutschen.</p> <p>Auch unter den Soldaten hat man bereits eine gewisse Aufregung, hinsichtlich der dem Reichsverweser zugedachten Huldigung zu verbreiten gewußt. Nicht wenige Offiziere und Soldaten weigern sich bestimmt, dem „östreichischen Prinzen“ zu huldigen. Die Soldaten des 24. Regiments sollen übereingekommen sein, zu dem am 6. August festgesetzten Huldigungstage, drei Hurrah's zu bringen. Das erste Hurrah dem Könige, das zweite dem Prinzen von Preußen und das dritte dem preußischen Volke. Auch unsere gesammte Presse, mit Ausnahme der demokratischen Blätter, sprechen sich im Sinne des spezifischen Preußenthums aus.</p> <p>Das Ministerium soll keine erheblichen Einwendungen gegen den Verfassungsentwurf, wie er jetzt von der Kommission entworfen ist, machen wollen. Vielmehr soll es entschlossen sein den Verfassungsentwurf, das Kommunal- und Bürgerwehrgesetz so schnell wie möglich vereinbaren zu lassen und alsdann die Vereinbarer nach Hause zu schicken. Es sollen dann sogleich die zwei verfassungsmäßigen Kammern einberufen und ihnen alle anderen Gesetze vorgelegt werden.</p> <p>Das Ministerium hat eine Deputation, bestehend aus zwei Kammergerichtsräthen und zwei Räthen aus dem Ministerium des Innern, nach dem Großherzogthum Posen mit den ausgedehntesten Vollmachten abgesandt. Sie soll die ganze Provinz durchreisen, und sich überall von den Anklagen gegen die politischen Gefangenen genaue Kenntniß verschaffen; wo nicht ganz gravirende Thatsachen vorliegen soll sie die sofortige Entlassung der Gefangenen bewirken.‒ Das Ministerium scheint der von der Vereinbarer-Versammlung eingesetzten Kommission zur Untersuchung der polnischen Angelegenheiten zuvorkommen zu wollen.</p> <p>Der frühere Handelsminister, <hi rendition="#g">Herr v. Patow,</hi> soll die Stelle des Regierungspräsidenten in Potsdam, oder wie Einige sagen, des Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg angenommen haben.</p> <p>Die verfassungswidrige Hereinziehung des Militärs in die Hauptstat hat zu einer furchtbaren Erbitterung zwischen Bürgern und Soldaten geführt. Schon mehrmals ist es seit einigen Wochen zu Konflikten gekommen und kleine Neckereien geben zu förmlichen Kämpfen Veranlassung. Die Soldaten werden von den Offizieren gegen Bürger und Volk aufgehetzt. Die Reaktion hofft schon im Stillen durch einen großen Schlag bald wieder an's Ruder zu kommen.</p> </div> <div xml:id="ar059_006" type="jArticle"> <head><bibl><author>7</author></bibl> Berlin, 26. Juli.</head> <p>In Paris soll es an 70,000 Spießbürger gegeben haben, an denen die große Revolution gänzlich spurlos vorüberging, ohne sie zu berühren. Daß es in unserer lieben Stadt auch eine gute Anzahl solcher Leute giebt (sie bilden den Kern „meiner lieben Berliner“), das beweist die<hi rendition="#g">Voss. Ztg.</hi> täglich. Wie der Berliner Weißbierphilister kannegießert, beweist unter Anderem folgendes Citat der „Vossischen“:</p> <p>‒ Die Aufhebung des eximirten Gerichtsstandes für Kriminalsachen ist von dem Justizminister Hrn. Märker augenscheinlich <hi rendition="#g">deßhalb</hi>beantragt worden, um die Einführung der <hi rendition="#g">Geschwornengerichte</hi> vorzubereiten, da es zu viele Schwierigkeiten machen würde, wenn man besondere Geschwornengerichte für Eximirte und für Nicht-Eximirte einrichten wollte!!!</p> <p>Wie sehr übrigens das „Ministerium der That“ sich mit der Ausführung der Märzversprechungen zu beschäftigen gedenkt, geht ebenfalls aus folgender Nachricht der Voss. Ztg. hervor:</p> <p>‒ Dem Vernehmen nach wird das Institut der Geschwornengerichte zunächst, eben so wie es mit dem durch das Gesetz vom 17. Juli 1846 eingeführten öffentlichen und mündlichen Gerichtsverfahren der Fall gewesen ist, <hi rendition="#g"> nur für die Residenz Berlin versuchsweise</hi> eingeführt werden. Die Ausdehnung dieses Gerichtsverfahrens auf die Provinzen ist noch mit zu großen Lokal-und Personalschwierigkeiten verknüpft (!) Ueberdies hängt die Bildung der Geschwornengerichte selbst noch wesentlich von der Vollendung der Kommunalverfassungen (!!) und der Bürgerwehrordnung (!!) ab.</p> </div> <div xml:id="ar059_007" type="jArticle"> <head><bibl><author>34</author></bibl> Aus dem Osnabrück'schen, 23. Juli.</head> <p>Hr. <hi rendition="#g">Dettmold</hi> hat von seinen Wählern folgendes Sendschreiben erhalten:</p> <p>Hochzuverehrender Herr Abgeordneter!</p> <p>Als im Mai d. J. die erste Nachricht von der für unseren Bezirk auf Sie gefallenen Wahl zur Abgeordnetenstelle nach Frankfurt in unsere Gegend gelangte: da ergriff sofort die Mehrheit Ihrer im hiesigen Kirchspiel wohnenden und nicht einst unzahlreichen Mandanten sein mit Unmuth gepaartes Mißtrauen darob, daß man unter Uebergehung uns näher stehender und besser bekannter Persönlichkeiten in Ihnen einen uns so fern stehenden und bis dahin von uns so wenig gekannten Mann zu jener Stelle empfohlen und ausersehen hatte. Dieses Mißtrauen wurde auch nicht gemindert durch die von <hi rendition="#g">einer Seite</hi> vorzugsweise ausgehende und fast ungestüme Hinweisung auf Ihre politischen Antecendentien, Ihre einstige oppositionelle Stellung zu unserer früheren verhaßten Regierung, so wie durch die besondere Hervorhebung Ihres laugenhaften Witzes, womit sie die Bestrebungen jener Regierung gelegentlich gegeisselt haben mochten, da wir uns keinen Augenblick verhehlten, welche untergeordnete Rolle gerade diese letzte Geisteskraft unter den Kardinaltugenden eines guten Abgeordneten stets spielen müsse. Der letzte Rest der wenigen auf Ihre künftige Wirksamkeit gesetzten Hoffnungen wurde aber vollends vernichtet, als kurz nach Ihrer Wahl das durch den baldigen Verzicht Ihres Vormannes anscheinend bestätigte Gerücht sich verbreitete, Ihre Wahl sei das künstliche und unerfreuliche Ergebniß von gewissen, im hohen Grade hier unbeliebten reaktionären Bestrebungen.</p> <p>Unsere Befürchtungen, welche wir von Anfang an in Beziehung auf Ihr künftiges Verhalten gehegt haben, sind durch Ihr bisheriges Auftreten in der Frankfurter National-Versammlung in bedauerlicher Weise gerechtfertigt worden!</p> <p>Hingesandt, um die bis dahin mit Füßen getretenen Rechte des Volks zu wahren und zu festigen, haben Sie sicherm Vernehmen nach sich alldort einer Partei zugestellt, (wir meinen die äußerste rechte Seite) deren Interessen und Wünsche unserer festen Ueberzeugung nach, wenn sie eine Wahrheit würden, erneuerte Bedrängnisse auf das Volk herniederwälzen müßten, einer Partei welche weit entfernt, die Rechte des letzteren zu vertreten, es sich zur Hauptaufgabe gemacht zu haben scheint, reaktionären Regierungen und fürstlichen Sonderinteressen mit maßloser Hingebung zu dienen und das Volk einer neuen Knechtschaft entgegenzuführen.</p> <p>Doch das Höchste von allem denjenigen, was Sie bis lang in diesem Genre geleistet haben, schien uns dieser Tage in der Art vorbehalten zu sein, wie Sie sich zu der bekannten Erklärung des Gesammtministerii vom 7. Juli verhalten zu müssen geglaubt haben, indem Sie die Verwahrung der übrigen Hannoverschen Abgeordneten gegen jene Erklärung ohne Angabe von Gründen zu unterzeichnen sich weigerten.</p> <p>Diese Handlung, in ihren Motiven vorläufig noch unaufgeklärt und jener Klarheit und Offenheit durchaus entbehrend, womit ein Volksabgeordneter dem Volke über sein Thun Rechnung zu tragen immer verpflichtet sein möchte, berechtigt uns nach Ihrem bisherigen Verhalten mindestens zu der Vermuthung, daß Sie immer da eine beklagenswerthe Passivität zu verrathen geneigt sind, wo ein kräftiges und rücksichtsloses Auftreten gegen die Uebergriffe der Fürsten und ihrer Räthe allein am Orte wäre.</p> <p>In dieser Veranlassung können wir Ihnen nicht vorenthalten, daß Sie für Ihre Bemühungen, in Verbindung mit der obengenannten Partei etwa die Sonderinteressen von Fürsten und reaktionären Regierungen auf Kosten des Volks und seiner wohl erworbenen Rechte zu fördern, sich diesseitigen Verlangens und Wünschens nach einem andern Prätexte umsehen mögen, als den jedenfalls fehlsamen unserer Abgeordneten- und Mandatschaft und daß ‒ wir bezweifeln nicht im noch zu verlautbarenden Einverständniß mit sämmtlichen übrigen Mitmandanten ‒ wir demnach keinen Tag froher begrüßen werden, als den, welcher uns die Kunde bringt, daß Sie Ihr auch von uns Ihnen übertragenes Mandat niedergelegt haben.</p> <p>Nach dieser unumwundenen Erklärung wissen Sie, was Sie zu thun haben! Sie werden insbesondere nicht des verwegenen Gedankens sein, daß die Stellung eines Abgeordneten als ein reines Geschenk zu betrachten sei, welches, einmal erhascht, man um jeden Preis, mit Zähigkeit und auch selbst dann behalten dürfe, wenn man das Vertrauen der Uebertragenden nicht mehr besitzt und diese es zurückverlangen. Denn unseres Erachtens giebt es für einen Abgeordneten seinen Mandanten gegenüber auch Pflichten, deren oberste die ist, die billigen Wünsche und Interessen derselben nicht zu verhöhnen, sondern zu berücksichtigen. In der Voraussetzung, daß Sie zum wenigsten in diesem Punkte mit Ihren Mandanten übereinstimmen werden, erwarten wir von Ihrer Ehrenhaftigkeit, daß Sie unbekümmert um etwa entgegengesetzte Interessen und Wünsche Solcher, welche hier mitzureden nicht berufen sind, sich beeilen werden einen Sitz aufzugeben, auf welchem Sie nach der bestimmten Ansicht von einer großen, in ihrer Gesammtheit allhier noch nicht einmal aufgetretenen Anzahl Solcher, in deren Namen Sie dazu berufen sind, nicht ferner mit Segen wirken können.</p> </div> <div xml:id="ar059_008" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Breslau, 24. Juli.</head> <p>Hier circulirt eine Illustration, worin Wiljalba Frickel, Hofkünstler, Ritter etc. abgebildet ist. Er steht auf einer Bühne und macht dem Publikum Künste vor.</p> <p><hi rendition="#g">Hofkünstler.</hi> Wie Sie wissen, meine Herrschaften, wurden in diese Sparbüchse 60 Millionen gelegt?</p> <p><hi rendition="#g">Publikum.</hi> Ja!</p> <p><hi rendition="#g">Hofkünstler.</hi> Nun so passen Sie gefälligst auf! Aber sehen Sie nur nach ‒ Alles fest verschlossen ‒ nichts vorbereitet; ‒ Alles ohne Apparat. ‒ 1! 2! 3! ‒ Allons! futscht! ‒ Bitte, wollen Sie gefälligst nachsetzen? ‒ Es ist nichts mehr darin! ‒ Alles leer!</p> <p><hi rendition="#g">Publikum.</hi> Da Capo! Da Capo!</p> <p><hi rendition="#g">Hofkünstler.</hi> Da bitte ich ein so gütiges und nachsichtiges Publikum, die Büchse durch milde Beiträge wieder zu füllen, und dann werde ich mir erlauben, das Kunststück sofort zu wiederholen!</p> </div> <div xml:id="ar059_009" type="jArticle"> <head>Posen, 24. Juli.</head> <p>Die Gazeta Polska berichtet: Wir erfahren, daß Ludwig Mieroslawski in dieser Nacht um 11 1/2 Uhr mit Postpferden von der Posener Festung weggefahren wurde. Wohin? Das ist ungewiß; man meint, nach Frankreich.</p> </div> <div xml:id="ar059_010" type="jArticle"> <head>Altona, 25. Juli.</head> <p>Morgen Abend werden Beseler und Prof. Christiansen (nicht Graf Rev.-Preetz) über Altona, wo sich ihnen der Abg. Kaufmann Semper anschließen wird, nach Frankfurt reisen, um die Centralgewalt zur energischen Wiederaufnahme des Krieges zu bewegen. Die Grafen Pourtales und Münster sind heute hier durch nach Berlin gegangen.</p> </div> <div xml:id="ar059_011" type="jArticle"> <head>Altona, 26. Juli.</head> <p>Bis jetzt bloßes Gerücht ist, daß die Dänen gestern bei Schleimünde, in der Nähe von Cappeln, gelandet und deshalb in Schleswig Generalmarsch geschlagen worden.‒</p> <bibl>(H. B. H.)</bibl> </div> <div xml:id="ar059_012" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Rendsburg, 26. Juli.</head> <p>Die heutige „Schleswig-Holst. Zeitung“ enthält die offizielle Proklamation der Regierung, daß <hi rendition="#g">die Unterhandlungen abgebrochen sind und die Feindseligkeiten wieder begonnen haben.</hi>‒ Ferner ein definitives Preßgesetz, wonach die Preßvergehen nach den gewöhnlichen Gesetzen beurtheilt werden.</p> </div> <div xml:id="ar059_013" type="jArticle"> <head>Wiesbaden, 26. Juli.</head> <p>Aus glaubwürdiger Quelle wird mir soeben versichert, daß die Nassauischen Truppen, welche letzthin ihre Mitwirkung bei Entwaffnung der hiesigen Bürgerwehr verweigerten, durch Beschluß des <hi rendition="#g">Reichsministeriums</hi> nach dem Bundesland Limburg gesendet und preußische Regimenter (wahrscheinlich aus Posen?) nach Nassau gelegt werden sollten.</p> </div> <div xml:id="ar059_014" type="jArticle"> <head>München, 22. Juli.</head> <p> In den letzten Tagen dieser Woche waren je ein Kommando von 100 Mann der hiesigen Garnison nach den Dörfern Pasing und Ismanning abgegangen, um als Exekutionstruppen in genannte Ortschaften und Umgegend verlegt zu werden, weil daselbst seit einiger Zeit beharrlich die Steuerzahlung verweigert worden war. Dieselben kehrten aber, da die Widerspänstigen sich bereit erklärten ihren Verpflichtungen nachzukommen, bereits gestern Abend wieder hieher zurück.</p> <bibl>(A. A. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar059_015" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Wien, 22. Juli.</head> <p>Der Hofkurier aus Innsbruck versichert, daß der Kaiser und die Kaiserin zur Herreise bereit sind und daß sie nächsten Donnerstag oder Freitag hier eintreffen werden. Mit </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0294/0002]
werde von meinem historischen Völkerrecht. Ein großes Unglück will ich verhüten. (Bravo und Zischen. Abtritt des Redners).
Löwe aus Posen,tritt für seine deutschenKommitenten auf. Man kenne des vorigen Redners Ansichten als Schriftsteller. (Präsident: Lassen Sie dies hier außer Betracht, hier ist nicht der Ort einen Mann über seine Wirksamkeit als Schriftsteller zur Verantwortung zu ziehen, sondern über seine Wirksamkeit als Abgeordneter. Bravo!)
Hr. Löwe ist furchtbar erbost über den harmlosen Ruge, der nur „seinen“ Begriff vom historischen Völkerrecht zu Ehren bringen will, und meint dieser habe einstmals das deutsche Volk ein niederträchtiges genannt. (Erhält einen Rüffel vom Präsidenten). Zur Sache kommend legt sich des Redners Wuth, und er spricht undeutlich. ‒ Weist hin auf ein Schreiben von Niegolewsky's, worin dieser sagt, man werde sich nicht mit Posens Wiedererwerb begnügen, sondern Westpreußen wiederhaben wollen. ‒ (Der weitere Verfolg seiner Rede bietet nur Altes, und Ihre Zeitung müßte 10fach so dick sein, wenn ich Ihnen all den wiederkäuenden Schwall zum Druck schicken wollte) Kommt gegen das Ende auf die Juden. An diese müsse man eher denken als an die Polen. Es sei gewiß für die Polen besser wenn sie preußisch würden. Sie wollen es auch größten Theils. Der kleine den Polen zu lassende Antheil könne ja eine Wiege der etwaigen polnischen Zukunft werden. „Wir sollen der Freiheit einen Tempel bauen, schützen wir die östliche Mauer dieses Tempels. “ (Bravo rechts.)
Wiesner(Oesterreich). Mit tiefster Wehmuth spreche ich es aus: noch vor einigen Monden ist das begangne Unrecht im Vorparlament begeistert zurückgewiesen worden, und schon wollen wir jene Ansicht stürzen. Wir wollen schon eine neue Theilung Posens. (Rechts werden alle Bänke leer). Nach einer dreitägigen Debatte, hat man noch nicht den Sieg errungen den das Vorparlament in wenig Minuten errang. (Bravo). Es frägt sich erstens sind denn unsre deutschen Brüder in Posen in Gefahr?
Diese Herren (rechts) sagen ja! ich sage nein. So eine Gefahr kann von der ganzen preußischen Militärmacht nicht verhindert werden!
Gegenwärtig werben fast alle Völker um das Bündniß mit Deutschland, Rußland möchte gern wieder sich mit Deutschland (aber zu was?) verbinden, Frankreich auch,‒ und da sprechen sie ewig von neuer Gefahr, von Vermehrung der Heerkraft; und fordern außer dem Geld des deutschen Volks auch sein Gewissen. Um den letzten Fetzen des polnischen Königsmantels (Krakau) hat man sich letzt noch gerissen; Preußen hielt sich von diesem Raub fern, jetzt scheint es sich wegen dieser Schonung entschädigen zu wollen. An dem Gewaltgrund: wir müssen Posen haben, wird Deutschland verbluten wie an Irland England. ‒ Man hätte sogar einst (wenn nicht Kaiser Franz dagegen gewesen wäre), das lombardisch-venetianische Königreich Deutschland einverleibt;‒ dann hätten wir jetzt einen deutschen Krieg in Italien. ‒ Mit Posen wird es ebenso gehen. (Die Kirche ist so leer, daß kaum 100 Abgeordnete da sitzen).
Auch hätte Frankreich ein Recht mitzureden in dieser europäischen Frage. Glauben sie, es werde sich dieses Rechts begeben, weil hier ein Abgeordneter dagegen spricht? ‒ (Lychnowsky.) Was derselbe Abgeordnete dem polnischen Adel vorgeworfen, daß er bei jeder Empörung vorgekämpft, wäre es dem Redner doch lieber, der polnische Adel kämpfe auf Barrikaden, als der deutsche überall da, wo man sich gegen die Freiheit schlägt.
v. Sänger(pommer'scher Gutsbesitzer) spricht natürlich gegen die Freiheit der Polen und stellt sich dabei nach seiner Ansicht auf den allgemeinen (pommer'schen) Standpunkt. Man will ein Gebiet fortgeben, in dessen vollständigem Besitz man ist. ‒ Die Versammlung werde einen Ausspruch in dieser Sache thun; wehe wer ihn antastet. (Leise Hinweisung auf die bekannten pommer'schen Kolbenschläge)
Thinnes. (Domkapitular aus Baiern.) Er sei gegen die Ausschußanträge und gegen die Einverleibung nicht bloß aus konfessionellen Rücksichten. Diese konfessionellen Einflüsse seien übrigens in Posen nicht wegzuläugnen. ‒ Er ist gegen jede neue Theilung, weil er sogar den Schein des Unrechts meiden wolle. Schließt sich an die Anträge: die Demarkationslinie nicht anzuerkennen, die Wahlen der Posener Abgeordneten desgleichen nicht, die Einverleibung rückgängig zu machen u. s. w. ‒ Wenn dieser Antrag aber fiele, dann beantrage er: Ganz Posen einzuverleiben.
Giskra. (Mähren.) Der polnische Adel, nicht das Volk wolle jetzt die Wiederherstellung. Wäre Polen auch reif (links: längst reif!), so müsse man doch seine Sympathien beschränken. Die Schuld der Ahnen zu sühnen, das gelte allenfalls in Familien, aber das sei keine Völkersache. Die Philosophen werden mich auslachen, die Schwärmer klagen, aber die Patrioten werden mir zujauchzen! (Alle Patrioten brüllen Bravo.) Der Redner echaufirt sich fürchterlich in patriotischen Tiraden, worauf ein Bravo nach dem andern erfolgt. Man hat gesagt, die Polen hätten nicht frei wählen können, wegen des Martialgesetzes, hätten etwa nicht auch die Böhmen unter Kanonendonner ihre Wahlen bewerkstelligt? (Bravo rechts.) Wir haben schon darum gegen die Polen recht, weil wir ein höheres Element, das National-Element gegen ihr Territorial-Element vertheidigen. Das Vorparlament habe nicht sein Wort in dieser Sache verpfändet, es habe nur die Frage offen gelassen, hätte der Fünfziger-Ausschuß weiter gehen können? Hätte er das, so hätte er sein Mandat verletzt. Und das Argument, daß die Polen und Slawen in Folge dieser Einverleibung, die Deutschen bitter hassen würden, sei nichts, dieser Haß bestände bereits auf das bitterste. Für den Antrag, eine neue Untersuchungs-Kommission zu verordnen, könne er nicht sein. Wozu diese? Sie wird wieder Deutsche und Polen verhören, und nichts Neues bringen. Und wenn wirklich die neue Untersuchung der Anzahl der Polen und Deutschen in Posen 100,000 mehr für Polen herausbringt, ihm(dem Redner) käme es auf ein paarmal 100,000 nicht an. Ihm scheint, man will durch die Kommission nur die Sache verzögern. Sein Gewissen, und das der deutschen Männer in dieser Versammlung (Bravo rechts) sei in dieser Sache im Klaren. Er stellt einen Zusatz-Antrag zum Ausschuß und schließt mit der Bemerkung, über die Ansicht des Auslandes in dieser Sache können wir ruhig sein. (Bravo!)
Venedey(mit sehr bescheidener Stimme): Er müsse sprechen trotz so lange ermüdender Reden. Verbreitet sich über die gesunkenen Sympathien und das Unrecht, was darin liegt. Er selbst (nämlich Venedey) wird jeden Augenblick auf die Barrikaden treten, wenn Deutschland in der Lage wäre wie Polen. Venedey's Rede bietet in der Einzelheit ihrer Daten nichts Neues, trotzdem sie sehr, sehr lange dauert. Sie geht auch sehr still vorüber, wie ein sanft hinrauschender Kiesbach, nur ist es bemerkenswerth, daß dem Redner, der in dieser Sache mit der Linken spricht, nicht die Linke, sondern nur die Rechte bisweilen Beifall klatscht. Schließlich schließt er sich Blum's Antrag um eine Untersuchungs-Kommission an,
Zuletzt sagt Herr Venedey: Durch meine (im Verlauf der Rede gemachte) Bemerkung, meine hart scheinende Bemerkung, die Polen seien untergegangen, weil sie nicht zu gehorchen verstanden, weise ich den Vorwurf der Sentimentalität in dieser Sache, den man mir machen könnte, zurück.
Nach Venedey wird das Toben nach Schluß immer stärker. Gagern läßt das Heißblut der Patrioten etwas austoben, dann sagt er: So viel Geduld sie haben zu toben, so viel habe ich, es abzuwarten, bis Ruhe wird. Man solle wenigstens noch einen Redner hören. Darauf geht man zur Noth ein.
Es spricht Hr. Viebig (ein preußischer Regierungsrath aus Posen). Posens Magistrat und Stadtverordneten (warum vergißt der Redner die preußischen Regierungsräthe) wollen entschieden deutsch sein. Schließt mit einem gemeinen Ausfall auf Janiczewski, beschuldigt diesen der Lüge und meint, dem Janiczewsky müsse es allerdings seltsam vorkommen, von einem Slawenkongreß in diese Versammlung zu kommen. Nach diesen Denunziationen schließt er geistreich: Janiczewsky habe gesagt, man könne die Polen verschlucken,aber nicht verdauen; ersage, die Polen werden jene 1 1/2 Mill. Deutsche in Posen auch nichtverdauen, weil sie sie nicht verschlucken würden.
Janiczewsky widerlegt den preußischen Regierungsrath und beweist, daß er ihn fälschlich der Lüge gezeiht. Ferner sei es falsch, zu behaupten, er käme vom Slawenkongreß in die deutsche National-Versammlung. Er war zwar in Prag (Hohnlachen rechts), aber nicht beim Slawenkongreß. Das Unwahre und Unmögliche dieser Behauptung würde er dem Präsidenten eröffnen, der Versammlung gegenüber sey es unnöthig. Uebrigens wenn er wüßte seinen armen Brüdern die Freiheit wiederzuholen, würde er nicht blos nach Prag gehen, sondern den Pilgerstab selbst bis China tragen. (Langes, schallendes Bravo und Händeklatschen der Gallerien und Linken).
Präsident: Schmidt aus Löwenberg wolle der Versammlung eine Erklärung geben, ob man ihn hören wolle?
Die Versammlung, besonders rechts, nein!
Präsident: Hr. Flotwell ditto; ob man ihn hören wolle?
Die Versammlung, besonders links, nein!
Präsident: Es haben 20 Mitglieder den Antrag um Schluß der Debatte gestellt, ich muß also darüber abstimmen lassen, wünschte aber meinerseits, man möge in dieser wichtigen Sache morgen noch zwei Redner von jeder Seite hören. Will die Versammlung dies? (Nein! Nein! besonders rechts).
Hierauf folgt die Abstimmung über den Schluß der Debatte. Schluß angenommen nur die Linke war dagegen.
Platheer (Halberstadt) beantragt noch namentliche Abstimmung über alle Punkte dieser Frage, und Blum namentliche Abstimmung über seinen Untersuchungs-Kommissions-Antrag.
Beide Anträge sind reichlich unterstützt.
Hierauf Schluß der Sitzung um 3 1/4 Uhr. Die Abstimmung auf morgen 9 Uhr vertagt.
103 Berlin, 26.Juli. Die Spaltung in der hiesigen Bevölkerung tritt täglich entschiedener hervor. Die Frage über die deutsche Centralgewalt hat Berlin in zwei Lager getheilt. Nur die entschieden demokratische Partei will daß „ Preußen in Deutschland aufgehe.“ Dagegen erklären alle anderen mehr oder weniger konstitutionellen oder contrerevolutionären Parteien die „unausführbaren Zumuthungen,“ wie sie es nennen, die man von Frankfurt aus stellt, für unvereinbar mit der Würde des preußischen Staates. Preußen, diese Großmacht, könne sich keine Bedingungen von Frankfurt aus vorschreiben lassen. Besonders ergrimmt ist unsere Bourgevisie über den Entwurf über die definitive Centralgewalt, wonach die einzelnen deutschen Regierungen fortan nicht mehr das Recht haben, ständige Gesandschaften im In- und Auslande zu halten u. s. w. Diese Stockpreußen reißen bereits die deutschen Kokarden von ihren Hüten, sie wollen Preußen sein, nichts als Preußen und keine Deutschen.
Auch unter den Soldaten hat man bereits eine gewisse Aufregung, hinsichtlich der dem Reichsverweser zugedachten Huldigung zu verbreiten gewußt. Nicht wenige Offiziere und Soldaten weigern sich bestimmt, dem „östreichischen Prinzen“ zu huldigen. Die Soldaten des 24. Regiments sollen übereingekommen sein, zu dem am 6. August festgesetzten Huldigungstage, drei Hurrah's zu bringen. Das erste Hurrah dem Könige, das zweite dem Prinzen von Preußen und das dritte dem preußischen Volke. Auch unsere gesammte Presse, mit Ausnahme der demokratischen Blätter, sprechen sich im Sinne des spezifischen Preußenthums aus.
Das Ministerium soll keine erheblichen Einwendungen gegen den Verfassungsentwurf, wie er jetzt von der Kommission entworfen ist, machen wollen. Vielmehr soll es entschlossen sein den Verfassungsentwurf, das Kommunal- und Bürgerwehrgesetz so schnell wie möglich vereinbaren zu lassen und alsdann die Vereinbarer nach Hause zu schicken. Es sollen dann sogleich die zwei verfassungsmäßigen Kammern einberufen und ihnen alle anderen Gesetze vorgelegt werden.
Das Ministerium hat eine Deputation, bestehend aus zwei Kammergerichtsräthen und zwei Räthen aus dem Ministerium des Innern, nach dem Großherzogthum Posen mit den ausgedehntesten Vollmachten abgesandt. Sie soll die ganze Provinz durchreisen, und sich überall von den Anklagen gegen die politischen Gefangenen genaue Kenntniß verschaffen; wo nicht ganz gravirende Thatsachen vorliegen soll sie die sofortige Entlassung der Gefangenen bewirken.‒ Das Ministerium scheint der von der Vereinbarer-Versammlung eingesetzten Kommission zur Untersuchung der polnischen Angelegenheiten zuvorkommen zu wollen.
Der frühere Handelsminister, Herr v. Patow, soll die Stelle des Regierungspräsidenten in Potsdam, oder wie Einige sagen, des Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg angenommen haben.
Die verfassungswidrige Hereinziehung des Militärs in die Hauptstat hat zu einer furchtbaren Erbitterung zwischen Bürgern und Soldaten geführt. Schon mehrmals ist es seit einigen Wochen zu Konflikten gekommen und kleine Neckereien geben zu förmlichen Kämpfen Veranlassung. Die Soldaten werden von den Offizieren gegen Bürger und Volk aufgehetzt. Die Reaktion hofft schon im Stillen durch einen großen Schlag bald wieder an's Ruder zu kommen.
7 Berlin, 26. Juli. In Paris soll es an 70,000 Spießbürger gegeben haben, an denen die große Revolution gänzlich spurlos vorüberging, ohne sie zu berühren. Daß es in unserer lieben Stadt auch eine gute Anzahl solcher Leute giebt (sie bilden den Kern „meiner lieben Berliner“), das beweist dieVoss. Ztg. täglich. Wie der Berliner Weißbierphilister kannegießert, beweist unter Anderem folgendes Citat der „Vossischen“:
‒ Die Aufhebung des eximirten Gerichtsstandes für Kriminalsachen ist von dem Justizminister Hrn. Märker augenscheinlich deßhalbbeantragt worden, um die Einführung der Geschwornengerichte vorzubereiten, da es zu viele Schwierigkeiten machen würde, wenn man besondere Geschwornengerichte für Eximirte und für Nicht-Eximirte einrichten wollte!!!
Wie sehr übrigens das „Ministerium der That“ sich mit der Ausführung der Märzversprechungen zu beschäftigen gedenkt, geht ebenfalls aus folgender Nachricht der Voss. Ztg. hervor:
‒ Dem Vernehmen nach wird das Institut der Geschwornengerichte zunächst, eben so wie es mit dem durch das Gesetz vom 17. Juli 1846 eingeführten öffentlichen und mündlichen Gerichtsverfahren der Fall gewesen ist, nur für die Residenz Berlin versuchsweise eingeführt werden. Die Ausdehnung dieses Gerichtsverfahrens auf die Provinzen ist noch mit zu großen Lokal-und Personalschwierigkeiten verknüpft (!) Ueberdies hängt die Bildung der Geschwornengerichte selbst noch wesentlich von der Vollendung der Kommunalverfassungen (!!) und der Bürgerwehrordnung (!!) ab.
34 Aus dem Osnabrück'schen, 23. Juli. Hr. Dettmold hat von seinen Wählern folgendes Sendschreiben erhalten:
Hochzuverehrender Herr Abgeordneter!
Als im Mai d. J. die erste Nachricht von der für unseren Bezirk auf Sie gefallenen Wahl zur Abgeordnetenstelle nach Frankfurt in unsere Gegend gelangte: da ergriff sofort die Mehrheit Ihrer im hiesigen Kirchspiel wohnenden und nicht einst unzahlreichen Mandanten sein mit Unmuth gepaartes Mißtrauen darob, daß man unter Uebergehung uns näher stehender und besser bekannter Persönlichkeiten in Ihnen einen uns so fern stehenden und bis dahin von uns so wenig gekannten Mann zu jener Stelle empfohlen und ausersehen hatte. Dieses Mißtrauen wurde auch nicht gemindert durch die von einer Seite vorzugsweise ausgehende und fast ungestüme Hinweisung auf Ihre politischen Antecendentien, Ihre einstige oppositionelle Stellung zu unserer früheren verhaßten Regierung, so wie durch die besondere Hervorhebung Ihres laugenhaften Witzes, womit sie die Bestrebungen jener Regierung gelegentlich gegeisselt haben mochten, da wir uns keinen Augenblick verhehlten, welche untergeordnete Rolle gerade diese letzte Geisteskraft unter den Kardinaltugenden eines guten Abgeordneten stets spielen müsse. Der letzte Rest der wenigen auf Ihre künftige Wirksamkeit gesetzten Hoffnungen wurde aber vollends vernichtet, als kurz nach Ihrer Wahl das durch den baldigen Verzicht Ihres Vormannes anscheinend bestätigte Gerücht sich verbreitete, Ihre Wahl sei das künstliche und unerfreuliche Ergebniß von gewissen, im hohen Grade hier unbeliebten reaktionären Bestrebungen.
Unsere Befürchtungen, welche wir von Anfang an in Beziehung auf Ihr künftiges Verhalten gehegt haben, sind durch Ihr bisheriges Auftreten in der Frankfurter National-Versammlung in bedauerlicher Weise gerechtfertigt worden!
Hingesandt, um die bis dahin mit Füßen getretenen Rechte des Volks zu wahren und zu festigen, haben Sie sicherm Vernehmen nach sich alldort einer Partei zugestellt, (wir meinen die äußerste rechte Seite) deren Interessen und Wünsche unserer festen Ueberzeugung nach, wenn sie eine Wahrheit würden, erneuerte Bedrängnisse auf das Volk herniederwälzen müßten, einer Partei welche weit entfernt, die Rechte des letzteren zu vertreten, es sich zur Hauptaufgabe gemacht zu haben scheint, reaktionären Regierungen und fürstlichen Sonderinteressen mit maßloser Hingebung zu dienen und das Volk einer neuen Knechtschaft entgegenzuführen.
Doch das Höchste von allem denjenigen, was Sie bis lang in diesem Genre geleistet haben, schien uns dieser Tage in der Art vorbehalten zu sein, wie Sie sich zu der bekannten Erklärung des Gesammtministerii vom 7. Juli verhalten zu müssen geglaubt haben, indem Sie die Verwahrung der übrigen Hannoverschen Abgeordneten gegen jene Erklärung ohne Angabe von Gründen zu unterzeichnen sich weigerten.
Diese Handlung, in ihren Motiven vorläufig noch unaufgeklärt und jener Klarheit und Offenheit durchaus entbehrend, womit ein Volksabgeordneter dem Volke über sein Thun Rechnung zu tragen immer verpflichtet sein möchte, berechtigt uns nach Ihrem bisherigen Verhalten mindestens zu der Vermuthung, daß Sie immer da eine beklagenswerthe Passivität zu verrathen geneigt sind, wo ein kräftiges und rücksichtsloses Auftreten gegen die Uebergriffe der Fürsten und ihrer Räthe allein am Orte wäre.
In dieser Veranlassung können wir Ihnen nicht vorenthalten, daß Sie für Ihre Bemühungen, in Verbindung mit der obengenannten Partei etwa die Sonderinteressen von Fürsten und reaktionären Regierungen auf Kosten des Volks und seiner wohl erworbenen Rechte zu fördern, sich diesseitigen Verlangens und Wünschens nach einem andern Prätexte umsehen mögen, als den jedenfalls fehlsamen unserer Abgeordneten- und Mandatschaft und daß ‒ wir bezweifeln nicht im noch zu verlautbarenden Einverständniß mit sämmtlichen übrigen Mitmandanten ‒ wir demnach keinen Tag froher begrüßen werden, als den, welcher uns die Kunde bringt, daß Sie Ihr auch von uns Ihnen übertragenes Mandat niedergelegt haben.
Nach dieser unumwundenen Erklärung wissen Sie, was Sie zu thun haben! Sie werden insbesondere nicht des verwegenen Gedankens sein, daß die Stellung eines Abgeordneten als ein reines Geschenk zu betrachten sei, welches, einmal erhascht, man um jeden Preis, mit Zähigkeit und auch selbst dann behalten dürfe, wenn man das Vertrauen der Uebertragenden nicht mehr besitzt und diese es zurückverlangen. Denn unseres Erachtens giebt es für einen Abgeordneten seinen Mandanten gegenüber auch Pflichten, deren oberste die ist, die billigen Wünsche und Interessen derselben nicht zu verhöhnen, sondern zu berücksichtigen. In der Voraussetzung, daß Sie zum wenigsten in diesem Punkte mit Ihren Mandanten übereinstimmen werden, erwarten wir von Ihrer Ehrenhaftigkeit, daß Sie unbekümmert um etwa entgegengesetzte Interessen und Wünsche Solcher, welche hier mitzureden nicht berufen sind, sich beeilen werden einen Sitz aufzugeben, auf welchem Sie nach der bestimmten Ansicht von einer großen, in ihrer Gesammtheit allhier noch nicht einmal aufgetretenen Anzahl Solcher, in deren Namen Sie dazu berufen sind, nicht ferner mit Segen wirken können.
* Breslau, 24. Juli. Hier circulirt eine Illustration, worin Wiljalba Frickel, Hofkünstler, Ritter etc. abgebildet ist. Er steht auf einer Bühne und macht dem Publikum Künste vor.
Hofkünstler. Wie Sie wissen, meine Herrschaften, wurden in diese Sparbüchse 60 Millionen gelegt?
Publikum. Ja!
Hofkünstler. Nun so passen Sie gefälligst auf! Aber sehen Sie nur nach ‒ Alles fest verschlossen ‒ nichts vorbereitet; ‒ Alles ohne Apparat. ‒ 1! 2! 3! ‒ Allons! futscht! ‒ Bitte, wollen Sie gefälligst nachsetzen? ‒ Es ist nichts mehr darin! ‒ Alles leer!
Publikum. Da Capo! Da Capo!
Hofkünstler. Da bitte ich ein so gütiges und nachsichtiges Publikum, die Büchse durch milde Beiträge wieder zu füllen, und dann werde ich mir erlauben, das Kunststück sofort zu wiederholen!
Posen, 24. Juli. Die Gazeta Polska berichtet: Wir erfahren, daß Ludwig Mieroslawski in dieser Nacht um 11 1/2 Uhr mit Postpferden von der Posener Festung weggefahren wurde. Wohin? Das ist ungewiß; man meint, nach Frankreich.
Altona, 25. Juli. Morgen Abend werden Beseler und Prof. Christiansen (nicht Graf Rev.-Preetz) über Altona, wo sich ihnen der Abg. Kaufmann Semper anschließen wird, nach Frankfurt reisen, um die Centralgewalt zur energischen Wiederaufnahme des Krieges zu bewegen. Die Grafen Pourtales und Münster sind heute hier durch nach Berlin gegangen.
Altona, 26. Juli. Bis jetzt bloßes Gerücht ist, daß die Dänen gestern bei Schleimünde, in der Nähe von Cappeln, gelandet und deshalb in Schleswig Generalmarsch geschlagen worden.‒
(H. B. H.) * Rendsburg, 26. Juli. Die heutige „Schleswig-Holst. Zeitung“ enthält die offizielle Proklamation der Regierung, daß die Unterhandlungen abgebrochen sind und die Feindseligkeiten wieder begonnen haben.‒ Ferner ein definitives Preßgesetz, wonach die Preßvergehen nach den gewöhnlichen Gesetzen beurtheilt werden.
Wiesbaden, 26. Juli. Aus glaubwürdiger Quelle wird mir soeben versichert, daß die Nassauischen Truppen, welche letzthin ihre Mitwirkung bei Entwaffnung der hiesigen Bürgerwehr verweigerten, durch Beschluß des Reichsministeriums nach dem Bundesland Limburg gesendet und preußische Regimenter (wahrscheinlich aus Posen?) nach Nassau gelegt werden sollten.
München, 22. Juli. In den letzten Tagen dieser Woche waren je ein Kommando von 100 Mann der hiesigen Garnison nach den Dörfern Pasing und Ismanning abgegangen, um als Exekutionstruppen in genannte Ortschaften und Umgegend verlegt zu werden, weil daselbst seit einiger Zeit beharrlich die Steuerzahlung verweigert worden war. Dieselben kehrten aber, da die Widerspänstigen sich bereit erklärten ihren Verpflichtungen nachzukommen, bereits gestern Abend wieder hieher zurück.
(A. A. Z.) * Wien, 22. Juli. Der Hofkurier aus Innsbruck versichert, daß der Kaiser und die Kaiserin zur Herreise bereit sind und daß sie nächsten Donnerstag oder Freitag hier eintreffen werden. Mit
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