Neue Rheinische Zeitung. Nr. 69. Köln, 8. August 1848.Phrase begleitete er so ausdrucksvoll mit der schneeweißen Hand, daß die arme Gräfin zuletzt nicht mehr widerstehen konnte und sich ihrem Husaren auf Gnade und Ungnade ergab. Glücklicher Ritter! Er durfte seinen jungen Schnurrbart auf die kußlichsten Lippen ganz Schlesiens drücken. Kaum der Schule entlaufen und schon ein Alexander, der eine Welt, ein Herz, eroberte! So weit war Alles gut. Daß Schnapphahnski ein gräfliches Herz stahl: Niemand wird ihm das verdenken; und daß er seine Gräfin küßte: nun, das war seine verfluchte Schuldigkeit. Denn der Mensch soll küssen! In flammender Frakturschrift steht dies geschrieben in den rosigen Abend- und Morgenwolken. Der Mensch soll küssen! In kleiner Schrift steht es geschrieben auf dem Blatt jeder Rose, jeder Lilie. Schnapphahnski küßte und er gehorchte dem Gesetz, das mehr als die Frakturschrift der brennenden Wolken und mehr als die kleine Schrift der Lilien und der Rosen die Lippen einer Gräfin verkündigten, einer liebenswürdigen schlesischen Gräfin. Wie gesagt, bis zu diesem Augenblicke konnte man Schnapphahnski nicht den geringsten Vorwurf machen: er liebte und er ward geliebt, er küßte und er wurde geküßt. Der edle Ritter war aber nicht zufrieden mit dem Schicksal gewöhnlicher Sterblicher; abenteuerlich juckte es in seinen Knochen; er überredete die Gräfin zur Flucht, er entführte sie. - Der Ritter stand also in der dritten Phase seines Unternehmens. Zuerst geliebt, dann geküßt und nun entführt. - Alle Ehemänner werden ihn des letztern wegen ernstlich tadeln; so etwas ist unhöflich - ein Weib entführen: das ist nicht recht - einen armen Ehemann mit seinen Hörnern und mit seinem Gram allein zurückzulassen, das ist hartherzig und unpolitisch; namentlich unpolitisch, denn wollte man jede Helena entführen, wie viele Städte würden da nicht das Schicksal Trojas theilen? welches Elend würde über die Welt kommen? Paris, Wien und Berlin würden in Rauch und Flammen untergehn - aller Spaß hörte auf, mit den Nationalversammlungen hätte es ein Ende und mancher edle Ritter Schnapphahnski würde vergebens seine Beredsamkeit an den Mann zu bringen suchen. Aber unser brauner Husar, mit den prallen jugendlichen Schenkeln und den lüsternen Augen, dachte weder an die Vergangenheit noch an die Zukunft, als er die schlesische Helena lächelnd hinauf in den Wagen hob, um eiligst das Weite zu suchen. Weshalb sollte er auch an die Zukunft denken? War die Gegenwart nicht schön genug? Ach, so herrlich fuhr es sich an der Seite des himmlischen Weibes. Die Vögel sangen, die Blumen schauten verwundert zu den Liebenden empor und die Rosse trabten hinweg ventre-a-terre, und ihre Mähnen flatterten im Winde. Die Küsse, die man in solchen Augenblicken küßt, müssen nicht mit Millionen zu bezahlen sein. Glücklicher Schnapphahnski! Während er die Lust des Daseins schmeckte, lief dem geprellten Ehemanne gewiß bei jedem Kusse, ohne daß er wußte weshalb, ein eisiges Frösteln über den Nacken. Wo war doch dieser Ehemann? Es ist wirklich merkwürdig, die Ehemänner sind tausendmal zu Hause, wenn es sich um eine wahre Lumperei handelt, aber der Teufel weiß wie es kommt, daß sie stets abwesend sind, wenn es sich um ihre Frisur dreht. Wer weiß was aus der Frisur des Grafen S. geworden wäre, wenn nicht der Kutscher der Liebenden, ein tressengeschmückter Kerl, mit gewichstem Schnurrbart und schrägsitzendem Hute, plötzlich die Zügel der Rosse fest angezogen, und vom Bock hinunter und an den Wagenschlag springend, dem schönen Paris, dem braunen freiwilligen Husaren Schnapphahnski mitgetheilt hätte, daß ganz gegen die Fabel, der ehrenwerthe Ehemann, der Herr Menelaos, der Graf S. so eben im Begriff sei, ihnen auf's gemächlichste entgegen zu reiten. Man kann sich die Stimmung Schnapphahnski's denken; er begriff nicht, wie die unsterblichen Götter so unverschämt sein konnten, dem lustigsten Husaren ganz Schlesiens auf so erbärmliche Weise in den Weg zu treten. Aber in den gefährlichsten Momenten zeigt sich die Bravour eines sinnreichen Junkers am eklatantesten. "Gräfin" - sprach er zu der zitternden Helena - "ich werde dich ewig im Herzen tragen. Aber so wahr ich Schnapphahnski heiße und vom reinsten preußischen Adel bin: höhere Rücksichten gebieten mir, in diesem Augenblicke auf dich zu verzichten, damit nicht aus deinem Raube ein zweiter trojanischer Krieg entspringe, städteverwüstend und hinraffend der Edlen viel aus der preußischen Heerschaar. Steige daher hinab auf die Landstraße, wo dich ein zärtlicher Gatte mit den liebenden Armen umfangen wird um dich zurückzuführen gen O. in Schlesien, wo das 4. Regiment der braunen Husaren steht, ein Regiment, dem ich auf ewig Lebewohl sage." Schnapphahnski schwieg und sein Herz klopfte wilder - der Hr. Menelaos kam immer näher. Mochte die Thräne von den Wimpern der schönsten aller Frauen rieseln - galant bot ihr der kühne Ritter den schützenden Arm und hob sie hinab. Schnapphahnski selbst kehrte aber zurück in die harrende Karosse; der Kutscher strich seinen Bart und: Was sagen meine Leser zu dieser Geschichte? Ist sie nicht werth von einem preußischen Homer besungen zu werden? Der Raub der Helena unterscheidet sich von dem Raub der Gräfin S. nur durch die Pointe. Der erstere endete damit, daß Troja in Flammen aufging, der andere fand darin seinen Schluß, daß der Graf S., indem er seine Gemahlin nach Hause zurückführte, den jungen Schnapphahnski den - Stöcken seiner Lakaien empfahl. Armer Schnapphahnski - - Rächenden Gespenstern gleich stehen die Bedienten des Grafen S. bis zur Stunde vor der Seele den irrenden Ritters. In der Stille des Gemaches, in dem Lärm der Gassen hat er keine Rast und keine Ruh. - O, die Bedienten des Grafen S.! O, die verfluchten Lakaien aus O.! Die Jahre sind geschwunden und glücklich würde Schnapphahnski sein - sitzt er nicht mit den Männern des Jahrhunderts auf ein und derselben Bank? lauscht nicht ein ganzes Volk seinen tönenden Worten? Aber ach, will er sich seines Schicksals freuen, da zuckt er, da schrickt er zusammen, denn sieh, durch das Wogen der Versammlung, über die Köpfe seiner Bewundrer schaut es plötzlich wie ein Gesicht aus O., wie ein Bedienter des Grafen S. - und tief verhüllt der edle Ritter sein erbleichendes Antlitz. (Forts. folgt.) [Deutschland] [Fortsetzung] nisters v. Schreckenstein an die verschiedenen Generalkommando's abgesendet worden, welches folgendermaßen lautet: "Einem etc. Generalkommando übersende ich anbei vidimirte Abschrift des von Sr. Maj. dem Könige unter'm heutigen Dato wegen Errichtung der provisorischen Centralgewalt in Deutschland erlassenen Armeebefehls, mit dem ergebensten Ersuchen, solchen den Truppen und resp. Militärbehörden bekannt zu machen, indem ich nur noch bemerke, wie es nach der Lage der Umstände angemessen erscheint, daß diese Bekanntmachung nicht am 6. August und daß noch weniger an diesem Tage oder bei der Bekanntmachung überhaupt eine Parade stattfinde. Berlin, 29. Juli 1848. Der Kriegsminister, (gez.) Frhr. v. Schreckenstein." 125 Magdeburg, aus der Citadelle, 2. August. Wie lange werden die Parlamente ihre Zeitgenossen noch ungestraft Glauben machen dürfen, daß die Leute, welche getrieben von dem dunklen Bewußtsein ihres Elendes, nackt und waffenlos auf den Barrikaden die gerüstete Tyrannei überwanden, daß diese Leute geblutet haben, um sich von selbstgefälligen, unfruchtbaren Doktrinärs eine deutsche Kaiserposse aus längst begrabener Zeit mit dem Zusatze aller der politischen Institutionen aufdrängen zu lassen, die weit entfernt, im Kopfe und Herzen dieser deutschdümmelnden Michel zu wurzeln, die Früchte der französischen Revolution und nichts weiter sind, einer Revolution, die man um so weniger ehrt, je mehr man sie nachahmt, ohne sie zu verstehen. Was ist denn um Gotteswillen "deutsch" an der ganzen Episode von dem ersten Worte unserer Constituants an bis jetzt, bis zu ihren letzten "rühmlichen" Handlungen herab. Sie alle wetteifern, die unschuldigen Franzosen aufzuzehren; sie alle trampeln wie Wüthende gegen das arme Italien; sie alle begeifern Polen, nachdem sie es knebeln halfen; sie feiern Windisch-Grätz für die Erwürgung aufrührerischer "Czechen"; nun, so haben wir doch ein Recht zu fragen, was sie uns bieten werden, um uns Deutschland theuer zu machen. Haben sie Ideen bereit, die einem deutschen Geiste alleinig zugehören und nur in Deutschlands politischen Gränzen verwirklicht werden können; bringen sie uns die Freiheit von einem Tyrannen oder einer ganzen Kaste, deren Willkühr uns empörte; bringen sie uns eine neue Freiheit, die wir als Deutsche zu begrüßen ein volles Recht hätten? Nein, bewahre! sie bringen uns einen neuen Herrn, neue Heere und eine "Verfassung", eine Magna Charta, über die wir weiter ein Wörtlein reden wollen, und das ist Alles! Also die Freiheit einer "Charte", die schon die britischen Reichsbarone vor 652 Jahren beseligte, mit einigen Abänderungen, die man von Frankreich gelernt, und deren Verdienst es ist, die Herrschaft aus den grauen Stammbäumen heraus in die goldenen Truhen reicher Philister zu verlegen; die Freiheit einer solchen Charte, die weder eine Spur schöpferischer Kraft noch das geringste Maaß geschichtlichen Verständnisses an sich trägt, das soll die originelle Quelle eines neuen "Deutschlands" sein! Nein Ihr Herren, die wir des Schlendrians zeihen, Ihr werdet den Völkern nicht die Garantieen schmutziger Intreressen als eine nationale Freiheit aufhalsen wollen; Ihr werdet nicht Hermann's Lorbeere erndten; denn Ihr seid keine Hermanns und vor Allem, wir sind keine Cherusker, keine Barbaren. Es ist eine unerträgliche Heuchelei in diesen parlamentarischen Majoritäten, die, theils berüchtigte Werkzeuge einer wenig volksthümlichen Knuten-Diplomatie, theils die gelehrten, aber wahrlich wenig geistreichen Talleyrand's des reichen Bürgerthums, die, wiederholen wir, in dieser Zusammensetzung das arme deutsche Volk zu einem Jubel, einem Feste einladen, wobei die Wohlfahrt des verrathenen Proletariats als Opferlamm dem restaurirten Geldstaate geschlachtet wird. Dasselbe Volk, das die Fürsten überwand, wird sich nicht auf einen Schlag ein deutsches Britanien, d. h. eine feste Burg der industriellen Aristokratie erschaffen lassen, eine Verfassung, an deren Ruin die Volksfreunde über dem Kanal so eifrig arbeiten. Herr Gervinus, dieser schwindsüchtige ideenlose Professor als Redakteur einer deutschen Times, wenn er das Zeug selbst dazu hätte, das ist es, Ihr Männer der Barrikaden, wofür Ihr geblutet habt! Die deutsche Flotte, die Garantie der Geldherrschaft, die 900,000 Mann Soldaten und die 38 Zweikammersysteme, hört Ihr's, das ist der Inhalt deutscher Nationalität, die geliebte Hoffnung deutscher Börsenmänner, das Spielwerk für politische Kinder! das mit einem farbigen deutschen Bande zugeschnürt, mit Gensd'armen bewacht und durch die blutigen Heldenthaten der Generale bestätigt, das ist deutsche Freiheit, die, wie ein verbürgtes Gerücht wissen will, der förmlichen Anerkennung des russischen Nachbarn entgegen zu sehen hat (ist erfolgt in der Note von Nesselrode). Wenn, was wir nicht glauben, die deutsche Zukunft der deutschen Gegenwart entspricht, welche Aussicht! Eine gesetzgebende Versammlung. Was da geschieht, wer zweifelt, wird sich in einer künstlichen Censur, in einem Redeverbot, erneuten Anklagen, Unterdrückungen und, was das Positive, in einem Kampfe der Schutzzöllner mit den Handelsfreien, d. h. der deutschen Fabrikanten mit den deutschen Banquiers zusammenfassen lassen. Diese Interessen werden sich die Hand reichen gegen die des Volkes, sie werden sich trennen sobald der Pöbel die "Arbeitskraft" hungert ohne zu murren. Dazwischen der deutschen Altväter, d. h. der deutschen Fürsten absolutistische Melodie als Zwischengesang, die unerquicklichen Zänkereien zwischen Oestreich und Preußen, und ein Stück Australien von England abgetreten als "Asyl" für den überflüssigen, verbrecherischen Auswurf eines versorgten Kapital-Organismus, das ist das moderne deutsche Kaiserreich sammt seinen herrlichen Hanse-Aspekten. Dabei fehlt den deutschen Professoren, die in Frankfurt den Kato spielen, nichts als einige Kourage von diesem römischen Haudegen und wir können mit Stolz sagen, mir nichts, dir nichts ein Jahrtausend verschlafen zu haben. 24 Aus der Provinz Sachsen, 5. August. Die Skandale in unserer Provinz, provocirt durch Beamte und Militär, nehmen immer mehr zu, und der Oberpräsident v. Bonin und der Polizeiminister Kühlwetter scheinen keine Notiz davon zu nehmen. Das Recht der Stärke ist bei der Reaktion, welche Polizei und Militär zur Verfügung hat. Aus Erfurt vom 26. Juli berichtet die Thüringer Zeitung: als heute ein Zimmergesell den General v. Voß, Kommandant in Erfurt, auf der Straße mündlich um Gerechtigkeit hat wegen einer ihm zugefügten Beleidigung, wies ihn der General zurück: er solle schriftlich einkommen; als aber der Geselle sich nicht bescheiden wollte, entstand ein Wortwechsel, in Folge dessen der Bittende ausreißen zu müssen glaubte. Da, in seinem ritterlichen Heldenmuthe, zog ein den General begleitender Offizier den Degen und verfolgte so den Fliehenden. Der Hauptmann des 31. Regiments, welcher unlängst einen achtbaren Bürger in einer großen öffentlichen Versammlung an den Kopf geschlagen und auf eine gemeine Weise beschimpft hat, um ihn zu zwingen "ich bin ein Preuße" zu singen, geht unangefochten umher. Aus Schkölen bei Naumburg berichtet man von einer erschrecklichen Polizeiwirthschaft. Einem ehrenwerthen, freisinnigen Manne wurde von der Regierung in Merseburg aufgegeben, sich aller mündlichen und schriftlichen Aeußerungen über Staats- und Kommunalangelegenheiten zu enthalten, widrigenfalls er des Landes verwiesen werden würde. Dem Bedrohten, welcher früher in England und Nord-Amerika und dann einige Jahre in Schkölen lebte, und hier seiner Mutter in einem kaufmännischen Geschäfte beistand, war von der Stadtverordnetenversammlung zu Schkölen das Ehrenbürgerrecht verliehen worden. Indessen hatte die Polizei ermittelt, daß eigentlich seine Heimath Camburg im Meiningschen, eine Stunde von Schkölen, sei. Die Landesverweisung sollte nun vor einigen Tagen wirklich vollstreckt werden. Hr. Berlet, (so heißt der Polizei-Verfolgte), wurde verhaftet, die Einwohnerschaft befreite ihn aber mit Gewalt. Die Einwohnerschaft und die Stadtverordneten hahen sich an den Minister Kühlwetter gewandt, und noch andere gräuliche Dinge des noch immer fortwühlenden Bureaukratismus zur Sprache gebracht. Hr. Kühlwetter will Thatsachen, einen Vertrauensmesser für seine Beamten hat er nicht, wie er in der Kammer sagte, indessen scheinen doch die "Berichte" seiner getreuen Beamten einen Vertrauensmesser für ihn abzugeben. Die Berichte über die blutigen Ereignisse von Schweidnitz, Charlottenburg und Erfurt sollen ganz vortrefflich ausgefallen sein. ! Kassel, 8. August. Die Kurhessische Ständekammer fährt fort fortzufahren - in alter guter Weise nämlich. Das alte Wahlgesetz mit seinen indirekten Wahlen, mit den Altersbestimmung von 30 Jahren für aktive und passive Wählbarkeit, mit seinem hohen Zensus - ist geblieben. Ja sogar der Adel hat das altständische Vorrecht behalten besonders vertreten zu werden. Prinzen, Standesherrn und 8 Deputirte der Ritterschaft, ein Stellvertreter adlicher Stifter, und ein Stellvertreter der Universität, den man als Prälat dazu rechnen muß - sie bilden den dritten Theil der Kurhessischen Volksvertreter. Und wen und was vertreten sie? Ein paar adliche Familien und einige Hufen Landes, denn mit großem Grundbesitz ist der hessische Adel eben nicht gesegnet. Daß auch ihm nicht großer Verstand bescheert worden geht daraus hervor, daß er selbst sogar an sich selber den Mangel an Ueberfluß bemerkt. Er hat es durchgesetzt, daß auch Bürgerliche als Stellvertreter des Adels gewählt werden können. Diese bürgerlichen Köpfe sollen ausrichten was die adlichen nicht vermochten - denn Hannibal ante portas. In Preußen soll der Adel fort - in Frankfurt ebenfalls - dem hessischen wird übel zu Muthe. Alle Petitionen an die Ständekammer um ein neues Wahlgesetz haben Nichts gefruchtet. Der Herr Nebelthau wieß sie zurück und koste es seine Popularität. Welche Einbildungskraft! Der Mann will's sich Etwas kosten lassen, was er längst nicht mehr hat. - Der Herr König, der Dichter, "der Mann des Fortschritts" meinte, es seien eher ältere Leute nöthig als jüngere, eher ein Zügel (warum nicht ein Hemmschuh?) als ein Sporn. Der Abg. Thon, ein langweiliger trivialer süßlicher Mensch, der aus Allem einen Brei macht, und überall dabei ist - dieser Herr that diesmal etwas Uebriges; er stellte der Ständeversammlung gerade zu ein testimonium paupertatis aus. Man brauche, sagte er, gar keine Intelligenz, nur Praxis und Erfahrung. Die Intelligenz gehöre nach Frankfurt. - Herr Thon gehört weder nach Frankfurt, noch nach Kassel. Der Abgeordnete Henkel ist eigentlich der einzige der Opposition macht, und mit ihm Knobel. Henkel war auch in Frankfurt; dort fand sein Ehrgeiz keine Befriedigung; er kehrte zu den väterlichen Laren zurück, wo die Köpfe noch seltener (unmöglich!) und also gesuchter sind, als in Frankfurt. Der Vicepräsident Schwarzenberg aber zieht vor Stellvertreter von Deutschland und von Kurhessen zugleich zu sein; einmal ist er hier, einmal dort; d. h. einmal in Frankfurt, einmal in Kassel. Wenn er in Deutschland ist, werden wir nicht viel von ihm gewahr; und wenn er in Hessen ist, auch nicht. Henkel hat ihn vergebens aufgefordert die Frankfurter Stelle aufzugeben, er erklärte sich für nothwendig hier und dort; und Henkel trug Nichts davon, als schiefe Gesichter, weil er gegen die Pietät gesündigt habe. Die Pietät ist die verfluchteste Tugend, von den tausenden, die unser guter Michel im Herzen trägt. Jetzt versucht man von Hanau und Marburg aus einen neuen Sturm gegen das alte Wahlgesetz. Aber es giebt ein Drudenfüßchen in der Verfassung, darüber kann kein Hesse hinaus. Das ist der §. worin zu jeder Abänderung der Verfassung Einstimmigkeit verlangt wird, oder drei viertel der Stimmen auf 2 hintereinander folgenden Landtagen. Sobald also irgend ein guter Pfahlbürger sagt, Ich will nicht, so stehn die sämmtlichen - Landstände am Berge und sagen - das nächste mal, in 3 Jahren. In 3 Jahren! Die Konstitutionellen ex professo, die Staatsdiener u. dgl. lachen die sich neuerhebende Wahlagitation aus; namentlich thut das ihr geistloses Organ, die Neue Hessische Zeitung. Die Kassler Konstitutionellen rüsten sich zu einem ungeheuren Feste für den 6. August. Heer, Bürgerwehr, Schutzwache soll dem Reichsverweser Hurrah bringen; Ball, Volksfest u. s. w. Daneben macht es sich ganz gut, daß der Kriegsminister abgedankt hat und sich kein neuer auffinden läßt - wer erfährt, daß ihm das Glück werden könnte, legt sich sofort ins Bett. Endlich sollen sie einen alten pensionirten gichtbrüchigen General dazu bestimmt haben; - der will nun wieder keine Uniform tragen und auf keine Parade gehn. Kann der Kriegsminister werden? 43 Marburg, 1. Aug. Wohl nirgends war man, freilich nach früherer desto hartnäckigerer Weigerung so nachgiebig geworden von Seiten der Regierung als in Kurhessen. Alles Mögliche ward zugestanden - und der Philister hielt eine Reihe von Fest- und Zweckessen. Nur hin und wieder hörte man eine einzelne Stimme, die man jedoch damals als albern nicht beachtete, welche sagte: im Jahr 1831 betrog uns die Büreaukratie, und heute betrügt uns die Bourgeoisie. Doch ist die Stimme jetzt durch die Thatsachen gerechtfertigt. Preßfreiheit ist uns gewährt, da thun sich alle Buchhändler und Drucker Kassels, mit Ausnahme zweier ehrenwerther Männer, zusammen, um mit konstitutionellem Takte eine freiwillige Censur einzuführen, und stellen an ihre Spitze den früheren Censor Arch. Dr. Rommel! Ja, bei uns geschieht Unerhörtes! - Unsere Verfassung ist mangelhaft, unsere Gesetze sind schlecht, sie sollen auf verfassungsmäßigem Wege gemäß der Zugeständnisse des Monats März verbessert werden. Man läßt die alten, unter dem Einflusse Scheffers gewählten Stände zusammentreten, in der Hoffnung, sie würden schnell ein volksthümliches Wahlgesetz abfassen, und dann durch ihre Auflösung eine im Volke wurzelnde Kammer möglich machen. Statt dessen sitzen sie schon vier Monate zusammen, halten die Woche zwei Sitzungen, und das harrende Volk harrt vergeblich. Da endlich wird über das neue Wahlgesetz diskutirt - und welches Monstrum wird geboren! Ein Drittel der Deputirten sendet der Ritterstand, der, abgesehen davon, daß er nach Aufhebung der Lehensverhältnisse auch nicht einmal den geringsten juristischen Anspruch darauf machen kann, noch weniger sich durch seinen Grundbesitz und seine Intelligenz dazu befähigt. Und wenn nun das Volk noch seine zwei Drittel frei wählen könnte; aber da ist wieder die Eintheilung in zwei Kurien, in Städter und Bauern; jeder Theil schickt 16 Deputirte, die er indirekt wählen muß; und die Wahlmänner müssen zu den höchst Besteuerten gehören. Horribile dictu! Und Alles dies geschieht von den Ständen selbst in einem Lande, wo die Regierung im Monat März die Volkssouveränetät anerkannt hat! Um dies Gesetz wieder zu vernichten und ein volksthümliches Wahlgesetz zu erzielen, hat eine Volksversammlung hierselbst ein Comite gewählt, welches Behufs dieser Angelegenheit die Agitation im ganzen Lande betreiben und sich nicht eher auflösen soll, als bis der Zweck erreicht ist. (In diesem Comite befinden sich: die Prof. Bayrhoffer, Fick, Hinkel, v. Sybel, Dr. Wild, Dr. Falck, Dr. Eichelberg, Müller, Eberhard, Sternberg, Trabert, Dronke, W. Schmidt.) Der erste Schritt, den das Comite beabsichtigt, ist folgende Petition im ganzen Lande zu verbreiten und sie dann als Monsterpetition abzuschicken. Kurfürstliches Ministerium des Innern! Die Endesunterzeichneten Einwohner Marburgs bitten nach Inhalt. Das Kurhessische Volk hatte sich in den Märztagen gegen eine sofortige Auflösung der Ständeversammlung in der sicheren Erwartung erklärt, dieselbe werde auf der von Deutschland eingeschlagenen Bahn einer freien, volksthümlichen Entwickelung fortgehen und alsbald eine zeitgemäße Umgestaltung der Verfassung auf Grundlage des im März thatsächlich errungenen Standpunkts der Volkssouveränität vornehmen. Die Ständeversammlung hat dieses Vertrauen nicht gerechtfertigt; sie hat sogar das alte Wahlgesetz bis auf einige unwesentliche Abänderungen beibehalten, und dadurch auch für die Zukunft die nothwendige Umgestaltung unserer Verfassung unmöglich gemacht. Das abgeänderte Wahlgesetz behält den indirekten Wahlmodus bei, welcher, namentlich in einer Zeit der politischen Bewegung und einer rasch fortschreitenden Entwickelung, wie der unserigen, eine Einrichtung der Unmündigkeit, der Bevormundung und, wie die früheren Jahre gezeigt haben, der Intrigue ist. Insbesondere widerspricht es auch der Art unserer eigenen Parlamentswahlen. Nachdem das Borparlament, als der unmittelbare Ausdruck des Volkswillens, im Bewußtsein der Mündigkeit des deutschen Volks die direkte Wahl als Prinzip für ganz Deutschland ausgesprochen und die aktive und passive Wahlfähigkeit ohne Unterschied des Standes und Vermögens jedem Phrase begleitete er so ausdrucksvoll mit der schneeweißen Hand, daß die arme Gräfin zuletzt nicht mehr widerstehen konnte und sich ihrem Husaren auf Gnade und Ungnade ergab. Glücklicher Ritter! Er durfte seinen jungen Schnurrbart auf die kußlichsten Lippen ganz Schlesiens drücken. Kaum der Schule entlaufen und schon ein Alexander, der eine Welt, ein Herz, eroberte! So weit war Alles gut. Daß Schnapphahnski ein gräfliches Herz stahl: Niemand wird ihm das verdenken; und daß er seine Gräfin küßte: nun, das war seine verfluchte Schuldigkeit. Denn der Mensch soll küssen! In flammender Frakturschrift steht dies geschrieben in den rosigen Abend- und Morgenwolken. Der Mensch soll küssen! In kleiner Schrift steht es geschrieben auf dem Blatt jeder Rose, jeder Lilie. Schnapphahnski küßte und er gehorchte dem Gesetz, das mehr als die Frakturschrift der brennenden Wolken und mehr als die kleine Schrift der Lilien und der Rosen die Lippen einer Gräfin verkündigten, einer liebenswürdigen schlesischen Gräfin. Wie gesagt, bis zu diesem Augenblicke konnte man Schnapphahnski nicht den geringsten Vorwurf machen: er liebte und er ward geliebt, er küßte und er wurde geküßt. Der edle Ritter war aber nicht zufrieden mit dem Schicksal gewöhnlicher Sterblicher; abenteuerlich juckte es in seinen Knochen; er überredete die Gräfin zur Flucht, er entführte sie. ‒ Der Ritter stand also in der dritten Phase seines Unternehmens. Zuerst geliebt, dann geküßt und nun entführt. ‒ Alle Ehemänner werden ihn des letztern wegen ernstlich tadeln; so etwas ist unhöflich ‒ ein Weib entführen: das ist nicht recht ‒ einen armen Ehemann mit seinen Hörnern und mit seinem Gram allein zurückzulassen, das ist hartherzig und unpolitisch; namentlich unpolitisch, denn wollte man jede Helena entführen, wie viele Städte würden da nicht das Schicksal Trojas theilen? welches Elend würde über die Welt kommen? Paris, Wien und Berlin würden in Rauch und Flammen untergehn ‒ aller Spaß hörte auf, mit den Nationalversammlungen hätte es ein Ende und mancher edle Ritter Schnapphahnski würde vergebens seine Beredsamkeit an den Mann zu bringen suchen. Aber unser brauner Husar, mit den prallen jugendlichen Schenkeln und den lüsternen Augen, dachte weder an die Vergangenheit noch an die Zukunft, als er die schlesische Helena lächelnd hinauf in den Wagen hob, um eiligst das Weite zu suchen. Weshalb sollte er auch an die Zukunft denken? War die Gegenwart nicht schön genug? Ach, so herrlich fuhr es sich an der Seite des himmlischen Weibes. Die Vögel sangen, die Blumen schauten verwundert zu den Liebenden empor und die Rosse trabten hinweg ventre-à-terre, und ihre Mähnen flatterten im Winde. Die Küsse, die man in solchen Augenblicken küßt, müssen nicht mit Millionen zu bezahlen sein. Glücklicher Schnapphahnski! Während er die Lust des Daseins schmeckte, lief dem geprellten Ehemanne gewiß bei jedem Kusse, ohne daß er wußte weshalb, ein eisiges Frösteln über den Nacken. Wo war doch dieser Ehemann? Es ist wirklich merkwürdig, die Ehemänner sind tausendmal zu Hause, wenn es sich um eine wahre Lumperei handelt, aber der Teufel weiß wie es kommt, daß sie stets abwesend sind, wenn es sich um ihre Frisur dreht. Wer weiß was aus der Frisur des Grafen S. geworden wäre, wenn nicht der Kutscher der Liebenden, ein tressengeschmückter Kerl, mit gewichstem Schnurrbart und schrägsitzendem Hute, plötzlich die Zügel der Rosse fest angezogen, und vom Bock hinunter und an den Wagenschlag springend, dem schönen Paris, dem braunen freiwilligen Husaren Schnapphahnski mitgetheilt hätte, daß ganz gegen die Fabel, der ehrenwerthe Ehemann, der Herr Menelaos, der Graf S. so eben im Begriff sei, ihnen auf's gemächlichste entgegen zu reiten. Man kann sich die Stimmung Schnapphahnski's denken; er begriff nicht, wie die unsterblichen Götter so unverschämt sein konnten, dem lustigsten Husaren ganz Schlesiens auf so erbärmliche Weise in den Weg zu treten. Aber in den gefährlichsten Momenten zeigt sich die Bravour eines sinnreichen Junkers am eklatantesten. „Gräfin“ ‒ sprach er zu der zitternden Helena ‒ „ich werde dich ewig im Herzen tragen. Aber so wahr ich Schnapphahnski heiße und vom reinsten preußischen Adel bin: höhere Rücksichten gebieten mir, in diesem Augenblicke auf dich zu verzichten, damit nicht aus deinem Raube ein zweiter trojanischer Krieg entspringe, städteverwüstend und hinraffend der Edlen viel aus der preußischen Heerschaar. Steige daher hinab auf die Landstraße, wo dich ein zärtlicher Gatte mit den liebenden Armen umfangen wird um dich zurückzuführen gen O. in Schlesien, wo das 4. Regiment der braunen Husaren steht, ein Regiment, dem ich auf ewig Lebewohl sage.“ Schnapphahnski schwieg und sein Herz klopfte wilder ‒ der Hr. Menelaos kam immer näher. Mochte die Thräne von den Wimpern der schönsten aller Frauen rieseln ‒ galant bot ihr der kühne Ritter den schützenden Arm und hob sie hinab. Schnapphahnski selbst kehrte aber zurück in die harrende Karosse; der Kutscher strich seinen Bart und: Was sagen meine Leser zu dieser Geschichte? Ist sie nicht werth von einem preußischen Homer besungen zu werden? Der Raub der Helena unterscheidet sich von dem Raub der Gräfin S. nur durch die Pointe. Der erstere endete damit, daß Troja in Flammen aufging, der andere fand darin seinen Schluß, daß der Graf S., indem er seine Gemahlin nach Hause zurückführte, den jungen Schnapphahnski den ‒ Stöcken seiner Lakaien empfahl. Armer Schnapphahnski ‒ ‒ Rächenden Gespenstern gleich stehen die Bedienten des Grafen S. bis zur Stunde vor der Seele den irrenden Ritters. In der Stille des Gemaches, in dem Lärm der Gassen hat er keine Rast und keine Ruh. ‒ O, die Bedienten des Grafen S.! O, die verfluchten Lakaien aus O.! Die Jahre sind geschwunden und glücklich würde Schnapphahnski sein ‒ sitzt er nicht mit den Männern des Jahrhunderts auf ein und derselben Bank? lauscht nicht ein ganzes Volk seinen tönenden Worten? Aber ach, will er sich seines Schicksals freuen, da zuckt er, da schrickt er zusammen, denn sieh, durch das Wogen der Versammlung, über die Köpfe seiner Bewundrer schaut es plötzlich wie ein Gesicht aus O., wie ein Bedienter des Grafen S. ‒ und tief verhüllt der edle Ritter sein erbleichendes Antlitz. (Forts. folgt.) [Deutschland] [Fortsetzung] nisters v. Schreckenstein an die verschiedenen Generalkommando's abgesendet worden, welches folgendermaßen lautet: „Einem etc. Generalkommando übersende ich anbei vidimirte Abschrift des von Sr. Maj. dem Könige unter'm heutigen Dato wegen Errichtung der provisorischen Centralgewalt in Deutschland erlassenen Armeebefehls, mit dem ergebensten Ersuchen, solchen den Truppen und resp. Militärbehörden bekannt zu machen, indem ich nur noch bemerke, wie es nach der Lage der Umstände angemessen erscheint, daß diese Bekanntmachung nicht am 6. August und daß noch weniger an diesem Tage oder bei der Bekanntmachung überhaupt eine Parade stattfinde. Berlin, 29. Juli 1848. Der Kriegsminister, (gez.) Frhr. v. Schreckenstein.“ 125 Magdeburg, aus der Citadelle, 2. August. Wie lange werden die Parlamente ihre Zeitgenossen noch ungestraft Glauben machen dürfen, daß die Leute, welche getrieben von dem dunklen Bewußtsein ihres Elendes, nackt und waffenlos auf den Barrikaden die gerüstete Tyrannei überwanden, daß diese Leute geblutet haben, um sich von selbstgefälligen, unfruchtbaren Doktrinärs eine deutsche Kaiserposse aus längst begrabener Zeit mit dem Zusatze aller der politischen Institutionen aufdrängen zu lassen, die weit entfernt, im Kopfe und Herzen dieser deutschdümmelnden Michel zu wurzeln, die Früchte der französischen Revolution und nichts weiter sind, einer Revolution, die man um so weniger ehrt, je mehr man sie nachahmt, ohne sie zu verstehen. Was ist denn um Gotteswillen „deutsch“ an der ganzen Episode von dem ersten Worte unserer Constituants an bis jetzt, bis zu ihren letzten „rühmlichen“ Handlungen herab. Sie alle wetteifern, die unschuldigen Franzosen aufzuzehren; sie alle trampeln wie Wüthende gegen das arme Italien; sie alle begeifern Polen, nachdem sie es knebeln halfen; sie feiern Windisch-Grätz für die Erwürgung aufrührerischer „Czechen“; nun, so haben wir doch ein Recht zu fragen, was sie uns bieten werden, um uns Deutschland theuer zu machen. Haben sie Ideen bereit, die einem deutschen Geiste alleinig zugehören und nur in Deutschlands politischen Gränzen verwirklicht werden können; bringen sie uns die Freiheit von einem Tyrannen oder einer ganzen Kaste, deren Willkühr uns empörte; bringen sie uns eine neue Freiheit, die wir als Deutsche zu begrüßen ein volles Recht hätten? Nein, bewahre! sie bringen uns einen neuen Herrn, neue Heere und eine „Verfassung“, eine Magna Charta, über die wir weiter ein Wörtlein reden wollen, und das ist Alles! Also die Freiheit einer „Charte“, die schon die britischen Reichsbarone vor 652 Jahren beseligte, mit einigen Abänderungen, die man von Frankreich gelernt, und deren Verdienst es ist, die Herrschaft aus den grauen Stammbäumen heraus in die goldenen Truhen reicher Philister zu verlegen; die Freiheit einer solchen Charte, die weder eine Spur schöpferischer Kraft noch das geringste Maaß geschichtlichen Verständnisses an sich trägt, das soll die originelle Quelle eines neuen „Deutschlands“ sein! Nein Ihr Herren, die wir des Schlendrians zeihen, Ihr werdet den Völkern nicht die Garantieen schmutziger Intreressen als eine nationale Freiheit aufhalsen wollen; Ihr werdet nicht Hermann's Lorbeere erndten; denn Ihr seid keine Hermanns und vor Allem, wir sind keine Cherusker, keine Barbaren. Es ist eine unerträgliche Heuchelei in diesen parlamentarischen Majoritäten, die, theils berüchtigte Werkzeuge einer wenig volksthümlichen Knuten-Diplomatie, theils die gelehrten, aber wahrlich wenig geistreichen Talleyrand's des reichen Bürgerthums, die, wiederholen wir, in dieser Zusammensetzung das arme deutsche Volk zu einem Jubel, einem Feste einladen, wobei die Wohlfahrt des verrathenen Proletariats als Opferlamm dem restaurirten Geldstaate geschlachtet wird. Dasselbe Volk, das die Fürsten überwand, wird sich nicht auf einen Schlag ein deutsches Britanien, d. h. eine feste Burg der industriellen Aristokratie erschaffen lassen, eine Verfassung, an deren Ruin die Volksfreunde über dem Kanal so eifrig arbeiten. Herr Gervinus, dieser schwindsüchtige ideenlose Professor als Redakteur einer deutschen Times, wenn er das Zeug selbst dazu hätte, das ist es, Ihr Männer der Barrikaden, wofür Ihr geblutet habt! Die deutsche Flotte, die Garantie der Geldherrschaft, die 900,000 Mann Soldaten und die 38 Zweikammersysteme, hört Ihr's, das ist der Inhalt deutscher Nationalität, die geliebte Hoffnung deutscher Börsenmänner, das Spielwerk für politische Kinder! das mit einem farbigen deutschen Bande zugeschnürt, mit Gensd'armen bewacht und durch die blutigen Heldenthaten der Generale bestätigt, das ist deutsche Freiheit, die, wie ein verbürgtes Gerücht wissen will, der förmlichen Anerkennung des russischen Nachbarn entgegen zu sehen hat (ist erfolgt in der Note von Nesselrode). Wenn, was wir nicht glauben, die deutsche Zukunft der deutschen Gegenwart entspricht, welche Aussicht! Eine gesetzgebende Versammlung. Was da geschieht, wer zweifelt, wird sich in einer künstlichen Censur, in einem Redeverbot, erneuten Anklagen, Unterdrückungen und, was das Positive, in einem Kampfe der Schutzzöllner mit den Handelsfreien, d. h. der deutschen Fabrikanten mit den deutschen Banquiers zusammenfassen lassen. Diese Interessen werden sich die Hand reichen gegen die des Volkes, sie werden sich trennen sobald der Pöbel die „Arbeitskraft“ hungert ohne zu murren. Dazwischen der deutschen Altväter, d. h. der deutschen Fürsten absolutistische Melodie als Zwischengesang, die unerquicklichen Zänkereien zwischen Oestreich und Preußen, und ein Stück Australien von England abgetreten als „Asyl“ für den überflüssigen, verbrecherischen Auswurf eines versorgten Kapital-Organismus, das ist das moderne deutsche Kaiserreich sammt seinen herrlichen Hanse-Aspekten. Dabei fehlt den deutschen Professoren, die in Frankfurt den Kato spielen, nichts als einige Kourage von diesem römischen Haudegen und wir können mit Stolz sagen, mir nichts, dir nichts ein Jahrtausend verschlafen zu haben. 24 Aus der Provinz Sachsen, 5. August. Die Skandale in unserer Provinz, provocirt durch Beamte und Militär, nehmen immer mehr zu, und der Oberpräsident v. Bonin und der Polizeiminister Kühlwetter scheinen keine Notiz davon zu nehmen. Das Recht der Stärke ist bei der Reaktion, welche Polizei und Militär zur Verfügung hat. Aus Erfurt vom 26. Juli berichtet die Thüringer Zeitung: als heute ein Zimmergesell den General v. Voß, Kommandant in Erfurt, auf der Straße mündlich um Gerechtigkeit hat wegen einer ihm zugefügten Beleidigung, wies ihn der General zurück: er solle schriftlich einkommen; als aber der Geselle sich nicht bescheiden wollte, entstand ein Wortwechsel, in Folge dessen der Bittende ausreißen zu müssen glaubte. Da, in seinem ritterlichen Heldenmuthe, zog ein den General begleitender Offizier den Degen und verfolgte so den Fliehenden. Der Hauptmann des 31. Regiments, welcher unlängst einen achtbaren Bürger in einer großen öffentlichen Versammlung an den Kopf geschlagen und auf eine gemeine Weise beschimpft hat, um ihn zu zwingen „ich bin ein Preuße“ zu singen, geht unangefochten umher. Aus Schkölen bei Naumburg berichtet man von einer erschrecklichen Polizeiwirthschaft. Einem ehrenwerthen, freisinnigen Manne wurde von der Regierung in Merseburg aufgegeben, sich aller mündlichen und schriftlichen Aeußerungen über Staats- und Kommunalangelegenheiten zu enthalten, widrigenfalls er des Landes verwiesen werden würde. Dem Bedrohten, welcher früher in England und Nord-Amerika und dann einige Jahre in Schkölen lebte, und hier seiner Mutter in einem kaufmännischen Geschäfte beistand, war von der Stadtverordnetenversammlung zu Schkölen das Ehrenbürgerrecht verliehen worden. Indessen hatte die Polizei ermittelt, daß eigentlich seine Heimath Camburg im Meiningschen, eine Stunde von Schkölen, sei. Die Landesverweisung sollte nun vor einigen Tagen wirklich vollstreckt werden. Hr. Berlet, (so heißt der Polizei-Verfolgte), wurde verhaftet, die Einwohnerschaft befreite ihn aber mit Gewalt. Die Einwohnerschaft und die Stadtverordneten hahen sich an den Minister Kühlwetter gewandt, und noch andere gräuliche Dinge des noch immer fortwühlenden Bureaukratismus zur Sprache gebracht. Hr. Kühlwetter will Thatsachen, einen Vertrauensmesser für seine Beamten hat er nicht, wie er in der Kammer sagte, indessen scheinen doch die „Berichte“ seiner getreuen Beamten einen Vertrauensmesser für ihn abzugeben. Die Berichte über die blutigen Ereignisse von Schweidnitz, Charlottenburg und Erfurt sollen ganz vortrefflich ausgefallen sein. ! Kassel, 8. August. Die Kurhessische Ständekammer fährt fort fortzufahren ‒ in alter guter Weise nämlich. Das alte Wahlgesetz mit seinen indirekten Wahlen, mit den Altersbestimmung von 30 Jahren für aktive und passive Wählbarkeit, mit seinem hohen Zensus ‒ ist geblieben. Ja sogar der Adel hat das altständische Vorrecht behalten besonders vertreten zu werden. Prinzen, Standesherrn und 8 Deputirte der Ritterschaft, ein Stellvertreter adlicher Stifter, und ein Stellvertreter der Universität, den man als Prälat dazu rechnen muß ‒ sie bilden den dritten Theil der Kurhessischen Volksvertreter. Und wen und was vertreten sie? Ein paar adliche Familien und einige Hufen Landes, denn mit großem Grundbesitz ist der hessische Adel eben nicht gesegnet. Daß auch ihm nicht großer Verstand bescheert worden geht daraus hervor, daß er selbst sogar an sich selber den Mangel an Ueberfluß bemerkt. Er hat es durchgesetzt, daß auch Bürgerliche als Stellvertreter des Adels gewählt werden können. Diese bürgerlichen Köpfe sollen ausrichten was die adlichen nicht vermochten ‒ denn Hannibal ante portas. In Preußen soll der Adel fort ‒ in Frankfurt ebenfalls ‒ dem hessischen wird übel zu Muthe. Alle Petitionen an die Ständekammer um ein neues Wahlgesetz haben Nichts gefruchtet. Der Herr Nebelthau wieß sie zurück und koste es seine Popularität. Welche Einbildungskraft! Der Mann will's sich Etwas kosten lassen, was er längst nicht mehr hat. ‒ Der Herr König, der Dichter, „der Mann des Fortschritts“ meinte, es seien eher ältere Leute nöthig als jüngere, eher ein Zügel (warum nicht ein Hemmschuh?) als ein Sporn. Der Abg. Thon, ein langweiliger trivialer süßlicher Mensch, der aus Allem einen Brei macht, und überall dabei ist ‒ dieser Herr that diesmal etwas Uebriges; er stellte der Ständeversammlung gerade zu ein testimonium paupertatis aus. Man brauche, sagte er, gar keine Intelligenz, nur Praxis und Erfahrung. Die Intelligenz gehöre nach Frankfurt. ‒ Herr Thon gehört weder nach Frankfurt, noch nach Kassel. Der Abgeordnete Henkel ist eigentlich der einzige der Opposition macht, und mit ihm Knobel. Henkel war auch in Frankfurt; dort fand sein Ehrgeiz keine Befriedigung; er kehrte zu den väterlichen Laren zurück, wo die Köpfe noch seltener (unmöglich!) und also gesuchter sind, als in Frankfurt. Der Vicepräsident Schwarzenberg aber zieht vor Stellvertreter von Deutschland und von Kurhessen zugleich zu sein; einmal ist er hier, einmal dort; d. h. einmal in Frankfurt, einmal in Kassel. Wenn er in Deutschland ist, werden wir nicht viel von ihm gewahr; und wenn er in Hessen ist, auch nicht. Henkel hat ihn vergebens aufgefordert die Frankfurter Stelle aufzugeben, er erklärte sich für nothwendig hier und dort; und Henkel trug Nichts davon, als schiefe Gesichter, weil er gegen die Pietät gesündigt habe. Die Pietät ist die verfluchteste Tugend, von den tausenden, die unser guter Michel im Herzen trägt. Jetzt versucht man von Hanau und Marburg aus einen neuen Sturm gegen das alte Wahlgesetz. Aber es giebt ein Drudenfüßchen in der Verfassung, darüber kann kein Hesse hinaus. Das ist der §. worin zu jeder Abänderung der Verfassung Einstimmigkeit verlangt wird, oder drei viertel der Stimmen auf 2 hintereinander folgenden Landtagen. Sobald also irgend ein guter Pfahlbürger sagt, Ich will nicht, so stehn die sämmtlichen ‒ Landstände am Berge und sagen ‒ das nächste mal, in 3 Jahren. In 3 Jahren! Die Konstitutionellen ex professo, die Staatsdiener u. dgl. lachen die sich neuerhebende Wahlagitation aus; namentlich thut das ihr geistloses Organ, die Neue Hessische Zeitung. Die Kassler Konstitutionellen rüsten sich zu einem ungeheuren Feste für den 6. August. Heer, Bürgerwehr, Schutzwache soll dem Reichsverweser Hurrah bringen; Ball, Volksfest u. s. w. Daneben macht es sich ganz gut, daß der Kriegsminister abgedankt hat und sich kein neuer auffinden läßt ‒ wer erfährt, daß ihm das Glück werden könnte, legt sich sofort ins Bett. Endlich sollen sie einen alten pensionirten gichtbrüchigen General dazu bestimmt haben; ‒ der will nun wieder keine Uniform tragen und auf keine Parade gehn. Kann der Kriegsminister werden? 43 Marburg, 1. Aug. Wohl nirgends war man, freilich nach früherer desto hartnäckigerer Weigerung so nachgiebig geworden von Seiten der Regierung als in Kurhessen. Alles Mögliche ward zugestanden ‒ und der Philister hielt eine Reihe von Fest- und Zweckessen. Nur hin und wieder hörte man eine einzelne Stimme, die man jedoch damals als albern nicht beachtete, welche sagte: im Jahr 1831 betrog uns die Büreaukratie, und heute betrügt uns die Bourgeoisie. Doch ist die Stimme jetzt durch die Thatsachen gerechtfertigt. Preßfreiheit ist uns gewährt, da thun sich alle Buchhändler und Drucker Kassels, mit Ausnahme zweier ehrenwerther Männer, zusammen, um mit konstitutionellem Takte eine freiwillige Censur einzuführen, und stellen an ihre Spitze den früheren Censor Arch. Dr. Rommel! Ja, bei uns geschieht Unerhörtes! ‒ Unsere Verfassung ist mangelhaft, unsere Gesetze sind schlecht, sie sollen auf verfassungsmäßigem Wege gemäß der Zugeständnisse des Monats März verbessert werden. Man läßt die alten, unter dem Einflusse Scheffers gewählten Stände zusammentreten, in der Hoffnung, sie würden schnell ein volksthümliches Wahlgesetz abfassen, und dann durch ihre Auflösung eine im Volke wurzelnde Kammer möglich machen. Statt dessen sitzen sie schon vier Monate zusammen, halten die Woche zwei Sitzungen, und das harrende Volk harrt vergeblich. Da endlich wird über das neue Wahlgesetz diskutirt ‒ und welches Monstrum wird geboren! Ein Drittel der Deputirten sendet der Ritterstand, der, abgesehen davon, daß er nach Aufhebung der Lehensverhältnisse auch nicht einmal den geringsten juristischen Anspruch darauf machen kann, noch weniger sich durch seinen Grundbesitz und seine Intelligenz dazu befähigt. Und wenn nun das Volk noch seine zwei Drittel frei wählen könnte; aber da ist wieder die Eintheilung in zwei Kurien, in Städter und Bauern; jeder Theil schickt 16 Deputirte, die er indirekt wählen muß; und die Wahlmänner müssen zu den höchst Besteuerten gehören. Horribile dictu! Und Alles dies geschieht von den Ständen selbst in einem Lande, wo die Regierung im Monat März die Volkssouveränetät anerkannt hat! Um dies Gesetz wieder zu vernichten und ein volksthümliches Wahlgesetz zu erzielen, hat eine Volksversammlung hierselbst ein Comite gewählt, welches Behufs dieser Angelegenheit die Agitation im ganzen Lande betreiben und sich nicht eher auflösen soll, als bis der Zweck erreicht ist. (In diesem Comite befinden sich: die Prof. Bayrhoffer, Fick, Hinkel, v. Sybel, Dr. Wild, Dr. Falck, Dr. Eichelberg, Müller, Eberhard, Sternberg, Trabert, Dronke, W. Schmidt.) Der erste Schritt, den das Comite beabsichtigt, ist folgende Petition im ganzen Lande zu verbreiten und sie dann als Monsterpetition abzuschicken. Kurfürstliches Ministerium des Innern! Die Endesunterzeichneten Einwohner Marburgs bitten nach Inhalt. Das Kurhessische Volk hatte sich in den Märztagen gegen eine sofortige Auflösung der Ständeversammlung in der sicheren Erwartung erklärt, dieselbe werde auf der von Deutschland eingeschlagenen Bahn einer freien, volksthümlichen Entwickelung fortgehen und alsbald eine zeitgemäße Umgestaltung der Verfassung auf Grundlage des im März thatsächlich errungenen Standpunkts der Volkssouveränität vornehmen. Die Ständeversammlung hat dieses Vertrauen nicht gerechtfertigt; sie hat sogar das alte Wahlgesetz bis auf einige unwesentliche Abänderungen beibehalten, und dadurch auch für die Zukunft die nothwendige Umgestaltung unserer Verfassung unmöglich gemacht. Das abgeänderte Wahlgesetz behält den indirekten Wahlmodus bei, welcher, namentlich in einer Zeit der politischen Bewegung und einer rasch fortschreitenden Entwickelung, wie der unserigen, eine Einrichtung der Unmündigkeit, der Bevormundung und, wie die früheren Jahre gezeigt haben, der Intrigue ist. Insbesondere widerspricht es auch der Art unserer eigenen Parlamentswahlen. Nachdem das Borparlament, als der unmittelbare Ausdruck des Volkswillens, im Bewußtsein der Mündigkeit des deutschen Volks die direkte Wahl als Prinzip für ganz Deutschland ausgesprochen und die aktive und passive Wahlfähigkeit ohne Unterschied des Standes und Vermögens jedem <TEI> <text> <body> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="ar069_005" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0002" n="0346"/> Phrase begleitete er so ausdrucksvoll mit der schneeweißen Hand, daß die arme Gräfin zuletzt nicht mehr widerstehen konnte und sich ihrem Husaren auf Gnade und Ungnade ergab. Glücklicher Ritter! Er durfte seinen jungen Schnurrbart auf die kußlichsten Lippen ganz Schlesiens drücken. Kaum der Schule entlaufen und schon ein Alexander, der eine Welt, ein Herz, eroberte!</p> <p>So weit war Alles gut. Daß Schnapphahnski ein gräfliches Herz stahl: Niemand wird ihm das verdenken; und daß er seine Gräfin küßte: nun, das war seine verfluchte Schuldigkeit. Denn der Mensch soll küssen! In flammender Frakturschrift steht dies geschrieben in den rosigen Abend- und Morgenwolken. Der Mensch soll küssen! In kleiner Schrift steht es geschrieben auf dem Blatt jeder Rose, jeder Lilie.</p> <p>Schnapphahnski küßte und er gehorchte dem Gesetz, das mehr als die Frakturschrift der brennenden Wolken und mehr als die kleine Schrift der Lilien und der Rosen die Lippen einer Gräfin verkündigten, einer liebenswürdigen schlesischen Gräfin.</p> <p>Wie gesagt, bis zu diesem Augenblicke konnte man Schnapphahnski nicht den geringsten Vorwurf machen: er liebte und er ward geliebt, er küßte und er wurde geküßt.</p> <p>Der edle Ritter war aber nicht zufrieden mit dem Schicksal gewöhnlicher Sterblicher; abenteuerlich juckte es in seinen Knochen; er überredete die Gräfin zur Flucht, er entführte sie. ‒ Der Ritter stand also in der dritten Phase seines Unternehmens. Zuerst geliebt, dann geküßt und nun entführt. ‒ Alle Ehemänner werden ihn des letztern wegen ernstlich tadeln; so etwas ist unhöflich ‒ ein Weib entführen: das ist nicht recht ‒ einen armen Ehemann mit seinen Hörnern und mit seinem Gram allein zurückzulassen, das ist hartherzig und unpolitisch; namentlich unpolitisch, denn wollte man jede Helena entführen, wie viele Städte würden da nicht das Schicksal Trojas theilen? welches Elend würde über die Welt kommen? Paris, Wien und Berlin würden in Rauch und Flammen untergehn ‒ aller Spaß hörte auf, mit den Nationalversammlungen hätte es ein Ende und mancher edle Ritter Schnapphahnski würde vergebens seine Beredsamkeit an den Mann zu bringen suchen.</p> <p>Aber unser brauner Husar, mit den prallen jugendlichen Schenkeln und den lüsternen Augen, dachte weder an die Vergangenheit noch an die Zukunft, als er die schlesische Helena lächelnd hinauf in den Wagen hob, um eiligst das Weite zu suchen.</p> <p>Weshalb sollte er auch an die Zukunft denken? War die Gegenwart nicht schön genug? Ach, so herrlich fuhr es sich an der Seite des himmlischen Weibes. Die Vögel sangen, die Blumen schauten verwundert zu den Liebenden empor und die Rosse trabten hinweg ventre-à-terre, und ihre Mähnen flatterten im Winde.</p> <p>Die Küsse, die man in solchen Augenblicken küßt, müssen nicht mit Millionen zu bezahlen sein. Glücklicher Schnapphahnski! Während er die Lust des Daseins schmeckte, lief dem geprellten Ehemanne gewiß bei jedem Kusse, ohne daß er wußte weshalb, ein eisiges Frösteln über den Nacken.</p> <p>Wo war doch dieser Ehemann? Es ist wirklich merkwürdig, die Ehemänner sind tausendmal zu Hause, wenn es sich um eine wahre Lumperei handelt, aber der Teufel weiß wie es kommt, daß sie stets abwesend sind, wenn es sich um ihre Frisur dreht.</p> <p>Wer weiß was aus der Frisur des Grafen S. geworden wäre, wenn nicht der Kutscher der Liebenden, ein tressengeschmückter Kerl, mit gewichstem Schnurrbart und schrägsitzendem Hute, plötzlich die Zügel der Rosse fest angezogen, und vom Bock hinunter und an den Wagenschlag springend, dem schönen Paris, dem braunen freiwilligen Husaren Schnapphahnski mitgetheilt hätte, daß ganz gegen die Fabel, der ehrenwerthe Ehemann, der Herr Menelaos, der Graf S. so eben im Begriff sei, ihnen auf's gemächlichste entgegen zu reiten.</p> <p>Man kann sich die Stimmung Schnapphahnski's denken; er begriff nicht, wie die unsterblichen Götter so unverschämt sein konnten, dem lustigsten Husaren ganz Schlesiens auf so erbärmliche Weise in den Weg zu treten. Aber in den gefährlichsten Momenten zeigt sich die Bravour eines sinnreichen Junkers am eklatantesten.</p> <p>„Gräfin“ ‒ sprach er zu der zitternden Helena ‒ „ich werde dich ewig im Herzen tragen. Aber so wahr ich Schnapphahnski heiße und vom reinsten preußischen Adel bin: höhere Rücksichten gebieten mir, in diesem Augenblicke auf dich zu verzichten, damit nicht aus deinem Raube ein zweiter trojanischer Krieg entspringe, städteverwüstend und hinraffend der Edlen viel aus der preußischen Heerschaar. Steige daher hinab auf die Landstraße, wo dich ein zärtlicher Gatte mit den liebenden Armen umfangen wird um dich zurückzuführen gen O. in Schlesien, wo das 4. Regiment der braunen Husaren steht, ein Regiment, dem ich auf ewig Lebewohl sage.“</p> <p>Schnapphahnski schwieg und sein Herz klopfte wilder ‒ der Hr. Menelaos kam immer näher. Mochte die Thräne von den Wimpern der schönsten aller Frauen rieseln ‒ galant bot ihr der kühne Ritter den schützenden Arm und hob sie hinab.</p> <p>Schnapphahnski selbst kehrte aber zurück in die harrende Karosse; der Kutscher strich seinen Bart und:<lb/><hi rendition="#et">„Treibend schwang er die Geißel und rasch hin trabten die Rosse“</hi><lb/> und Schnapphahnski ward nicht mehr gesehen.</p> <p>Was sagen meine Leser zu dieser Geschichte? Ist sie nicht werth von einem preußischen Homer besungen zu werden?</p> <p>Der Raub der Helena unterscheidet sich von dem Raub der Gräfin S. nur durch die Pointe. Der erstere endete damit, daß Troja in Flammen aufging, der andere fand darin seinen Schluß, daß der Graf S., indem er seine Gemahlin nach Hause zurückführte, den jungen Schnapphahnski den ‒ Stöcken seiner Lakaien empfahl.</p> <p>Armer Schnapphahnski ‒ ‒ Rächenden Gespenstern gleich stehen die Bedienten des Grafen S. bis zur Stunde vor der Seele den irrenden Ritters. In der Stille des Gemaches, in dem Lärm der Gassen hat er keine Rast und keine Ruh. ‒ O, die Bedienten des Grafen S.! O, die verfluchten Lakaien aus O.! Die Jahre sind geschwunden und glücklich würde Schnapphahnski sein ‒ sitzt er nicht mit den Männern des Jahrhunderts auf ein und derselben Bank? lauscht nicht ein ganzes Volk seinen tönenden Worten? Aber ach, will er sich seines Schicksals freuen, da zuckt er, da schrickt er zusammen, denn sieh, durch das Wogen der Versammlung, über die Köpfe seiner Bewundrer schaut es plötzlich wie ein Gesicht aus O., wie ein Bedienter des Grafen S. ‒ und tief verhüllt der edle Ritter sein erbleichendes Antlitz.</p> <p> <ref type="link">(Forts. folgt.)</ref> </p> </div> </div> <div n="1"> <head>[Deutschland]</head> <div xml:id="ar069_006" type="jArticle"> <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> nisters v. Schreckenstein an die verschiedenen Generalkommando's abgesendet worden, welches folgendermaßen lautet:</p> <p>„Einem etc. Generalkommando übersende ich anbei vidimirte Abschrift des von Sr. Maj. dem Könige unter'm heutigen Dato wegen Errichtung der provisorischen Centralgewalt in Deutschland erlassenen Armeebefehls, mit dem ergebensten Ersuchen, solchen den Truppen und resp. Militärbehörden bekannt zu machen, indem ich nur noch bemerke, wie es nach der Lage der Umstände angemessen erscheint, daß diese Bekanntmachung nicht am 6. August und daß noch weniger an diesem Tage oder bei der Bekanntmachung überhaupt eine Parade stattfinde.</p> <p>Berlin, 29. Juli 1848.</p> <p>Der Kriegsminister, (gez.) Frhr. v. <hi rendition="#g">Schreckenstein.“</hi> </p> </div> <div xml:id="ar069_007" type="jArticle"> <head><bibl><author>125</author></bibl> Magdeburg, aus der Citadelle, 2. August.</head> <p>Wie lange werden die Parlamente ihre Zeitgenossen noch ungestraft Glauben machen dürfen, daß die Leute, welche getrieben von dem dunklen Bewußtsein ihres Elendes, nackt und waffenlos auf den Barrikaden die gerüstete Tyrannei überwanden, daß diese Leute geblutet haben, um sich von selbstgefälligen, unfruchtbaren Doktrinärs eine deutsche Kaiserposse aus längst begrabener Zeit mit dem Zusatze aller der politischen Institutionen aufdrängen zu lassen, die weit entfernt, im Kopfe und Herzen dieser deutschdümmelnden Michel zu wurzeln, die Früchte der französischen Revolution und nichts weiter sind, einer Revolution, die man um so weniger ehrt, je mehr man sie nachahmt, ohne sie zu verstehen. Was ist denn um Gotteswillen <hi rendition="#g">„deutsch“</hi> an der ganzen Episode von dem ersten Worte unserer Constituants an bis jetzt, bis zu ihren letzten „rühmlichen“ Handlungen herab. Sie alle wetteifern, die unschuldigen Franzosen aufzuzehren; sie alle trampeln wie Wüthende gegen das arme Italien; sie alle begeifern Polen, nachdem sie es knebeln halfen; sie feiern Windisch-Grätz für die Erwürgung aufrührerischer „Czechen“; nun, so haben wir doch ein Recht zu fragen, was sie uns bieten werden, um uns Deutschland theuer zu machen. Haben sie Ideen bereit, die einem deutschen Geiste alleinig zugehören und nur in Deutschlands politischen Gränzen verwirklicht werden können; bringen sie uns die Freiheit von einem Tyrannen oder einer ganzen Kaste, deren Willkühr uns empörte; bringen sie uns eine <hi rendition="#g">neue Freiheit,</hi> die wir als <hi rendition="#g">Deutsche</hi> zu begrüßen ein volles Recht hätten? Nein, bewahre! sie bringen uns einen neuen Herrn, neue Heere und eine <hi rendition="#g">„Verfassung“,</hi> eine Magna Charta, über die wir weiter ein Wörtlein reden wollen, und das ist Alles! Also die Freiheit einer <hi rendition="#g">„Charte“,</hi> die schon die britischen Reichsbarone vor 652 Jahren beseligte, mit einigen Abänderungen, die man von Frankreich gelernt, und deren Verdienst es ist, die Herrschaft aus den grauen Stammbäumen heraus in die goldenen Truhen reicher Philister zu verlegen; die Freiheit einer solchen Charte, die weder eine Spur schöpferischer Kraft noch das geringste Maaß geschichtlichen Verständnisses an sich trägt, das soll die originelle Quelle eines neuen <hi rendition="#g">„Deutschlands“</hi> sein!</p> <p>Nein Ihr Herren, die wir des Schlendrians zeihen, Ihr werdet den Völkern nicht die Garantieen schmutziger Intreressen als eine <hi rendition="#g">nationale Freiheit</hi> aufhalsen wollen; Ihr werdet nicht Hermann's Lorbeere erndten; denn Ihr seid keine Hermanns und vor Allem, wir sind keine Cherusker, keine Barbaren. Es ist eine unerträgliche Heuchelei in diesen parlamentarischen Majoritäten, die, theils berüchtigte Werkzeuge einer wenig volksthümlichen Knuten-Diplomatie, theils die gelehrten, aber wahrlich wenig geistreichen Talleyrand's des reichen Bürgerthums, die, wiederholen wir, in dieser Zusammensetzung das arme deutsche Volk zu einem Jubel, einem Feste einladen, wobei die Wohlfahrt des verrathenen Proletariats als Opferlamm dem restaurirten Geldstaate geschlachtet wird. Dasselbe Volk, das die Fürsten überwand, wird sich nicht auf einen Schlag ein deutsches Britanien, d. h. eine feste Burg der industriellen Aristokratie erschaffen lassen, eine Verfassung, an deren Ruin die Volksfreunde über dem Kanal so eifrig arbeiten. Herr Gervinus, dieser schwindsüchtige ideenlose Professor als Redakteur einer deutschen Times, wenn er das Zeug selbst <hi rendition="#g">dazu</hi> hätte, das ist es, Ihr Männer der Barrikaden, wofür Ihr geblutet habt! 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Was da geschieht, wer zweifelt, wird sich in einer künstlichen Censur, in einem Redeverbot, erneuten Anklagen, Unterdrückungen und, was das Positive, in einem Kampfe der Schutzzöllner mit den Handelsfreien, d. h. der deutschen Fabrikanten mit den deutschen Banquiers zusammenfassen lassen. Diese Interessen werden sich die Hand reichen gegen die des Volkes, sie werden sich trennen sobald der Pöbel die <hi rendition="#g">„Arbeitskraft“</hi> hungert ohne zu murren. Dazwischen der deutschen Altväter, d. h. der deutschen Fürsten absolutistische Melodie als Zwischengesang, die unerquicklichen Zänkereien zwischen Oestreich und Preußen, und ein Stück Australien von England abgetreten als „Asyl“ für den überflüssigen, verbrecherischen Auswurf eines versorgten Kapital-Organismus, das ist das moderne deutsche Kaiserreich sammt seinen herrlichen Hanse-Aspekten. 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Voß, Kommandant in Erfurt, auf der Straße mündlich um Gerechtigkeit hat wegen einer ihm zugefügten Beleidigung, wies ihn der General zurück: er solle schriftlich einkommen; als aber der Geselle sich nicht bescheiden wollte, entstand ein Wortwechsel, in Folge dessen der Bittende ausreißen zu müssen glaubte. Da, in seinem ritterlichen Heldenmuthe, zog ein den General begleitender Offizier den Degen und verfolgte so den Fliehenden. Der Hauptmann des 31. Regiments, welcher unlängst einen achtbaren Bürger in einer großen öffentlichen Versammlung an den Kopf geschlagen und auf eine gemeine Weise beschimpft hat, um ihn zu zwingen „ich bin ein Preuße“ zu singen, geht unangefochten umher. Aus Schkölen bei Naumburg berichtet man von einer erschrecklichen Polizeiwirthschaft. 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Die Einwohnerschaft und die Stadtverordneten hahen sich an den Minister Kühlwetter gewandt, und noch andere gräuliche Dinge des noch immer fortwühlenden Bureaukratismus zur Sprache gebracht. Hr. Kühlwetter will Thatsachen, einen Vertrauensmesser für seine Beamten hat er nicht, wie er in der Kammer sagte, indessen scheinen doch die „Berichte“ seiner getreuen Beamten einen Vertrauensmesser für ihn abzugeben. Die Berichte über die blutigen Ereignisse von Schweidnitz, Charlottenburg und Erfurt sollen ganz vortrefflich ausgefallen sein.</p> </div> <div xml:id="ar069_009" type="jArticle"> <head><bibl><author>!</author></bibl> Kassel, 8. August.</head> <p>Die Kurhessische Ständekammer fährt fort fortzufahren ‒ in alter guter Weise nämlich. Das alte Wahlgesetz mit seinen indirekten Wahlen, mit den Altersbestimmung von 30 Jahren für <hi rendition="#g">aktive</hi> und <hi rendition="#g">passive</hi> Wählbarkeit, mit seinem hohen Zensus ‒ ist geblieben. 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In Preußen soll der Adel fort ‒ in Frankfurt ebenfalls ‒ dem hessischen wird übel zu Muthe.</p> <p>Alle Petitionen an die Ständekammer um ein neues Wahlgesetz haben Nichts gefruchtet. Der Herr <hi rendition="#g">Nebelthau</hi> wieß sie zurück und koste es seine Popularität. Welche Einbildungskraft! Der Mann will's sich Etwas kosten lassen, was er längst nicht mehr hat. ‒ Der Herr <hi rendition="#g">König,</hi> der Dichter, „der Mann des Fortschritts“ meinte, es seien eher ältere Leute nöthig als jüngere, eher ein Zügel (warum nicht ein Hemmschuh?) als ein Sporn. Der Abg. <hi rendition="#g">Thon,</hi> ein langweiliger trivialer süßlicher Mensch, der aus Allem einen Brei macht, und überall dabei ist ‒ dieser Herr that diesmal etwas Uebriges; er stellte der Ständeversammlung gerade zu ein testimonium paupertatis aus. Man brauche, sagte er, gar keine Intelligenz, nur Praxis und Erfahrung. Die Intelligenz gehöre nach Frankfurt. ‒ Herr Thon gehört weder nach Frankfurt, noch nach Kassel.</p> <p>Der Abgeordnete Henkel ist eigentlich der einzige der Opposition macht, und mit ihm Knobel. Henkel war auch in Frankfurt; dort fand sein Ehrgeiz keine Befriedigung; er kehrte zu den väterlichen Laren zurück, wo die Köpfe noch seltener (unmöglich!) und also <hi rendition="#g">gesuchter</hi> sind, als in Frankfurt. Der Vicepräsident Schwarzenberg aber zieht vor Stellvertreter von Deutschland und von Kurhessen zugleich zu sein; einmal ist er hier, einmal dort; d. h. einmal in Frankfurt, einmal in Kassel. Wenn er in Deutschland ist, werden wir nicht viel von ihm gewahr; und wenn er in Hessen ist, auch nicht. Henkel hat ihn vergebens aufgefordert die Frankfurter Stelle aufzugeben, er erklärte sich für nothwendig hier und dort; und Henkel trug Nichts davon, als schiefe Gesichter, weil er gegen die Pietät gesündigt habe. Die Pietät ist die verfluchteste Tugend, von den tausenden, die unser guter Michel im Herzen trägt.</p> <p>Jetzt versucht man von Hanau und Marburg aus einen neuen Sturm gegen das alte Wahlgesetz. Aber es giebt ein Drudenfüßchen in der Verfassung, darüber kann kein Hesse hinaus. Das ist der §. worin zu jeder Abänderung der Verfassung Einstimmigkeit verlangt wird, oder drei viertel der Stimmen auf 2 hintereinander folgenden Landtagen. Sobald also irgend ein guter Pfahlbürger sagt, Ich <hi rendition="#g">will nicht,</hi> so stehn die sämmtlichen ‒ Landstände am Berge und sagen ‒ das nächste mal, in 3 Jahren. In 3 Jahren!</p> <p>Die Konstitutionellen ex professo, die Staatsdiener u. dgl. lachen die sich neuerhebende Wahlagitation aus; namentlich thut das ihr geistloses Organ, die Neue Hessische Zeitung. Die Kassler Konstitutionellen rüsten sich zu einem ungeheuren Feste für den 6. August. Heer, Bürgerwehr, Schutzwache soll dem Reichsverweser Hurrah bringen; Ball, Volksfest u. s. w. Daneben macht es sich ganz gut, daß der Kriegsminister abgedankt hat und sich kein neuer auffinden läßt ‒ wer erfährt, daß ihm das Glück werden könnte, legt sich sofort ins Bett. Endlich sollen sie einen alten pensionirten gichtbrüchigen General dazu bestimmt haben; ‒ der will nun wieder keine Uniform tragen und auf keine Parade gehn. Kann <hi rendition="#g">der</hi> Kriegsminister werden?</p> </div> <div xml:id="ar069_010" type="jArticle"> <head><bibl><author>43</author></bibl> Marburg, 1. Aug.</head> <p>Wohl nirgends war man, freilich nach früherer desto hartnäckigerer Weigerung so nachgiebig geworden von Seiten der Regierung als in Kurhessen. Alles Mögliche ward zugestanden ‒ und der Philister hielt eine Reihe von Fest- und Zweckessen. Nur hin und wieder hörte man eine einzelne Stimme, die man jedoch damals als albern nicht beachtete, welche sagte: im Jahr 1831 betrog uns die Büreaukratie, und heute betrügt uns die Bourgeoisie. Doch ist die Stimme jetzt durch die Thatsachen gerechtfertigt. Preßfreiheit ist uns gewährt, da thun sich alle Buchhändler und Drucker Kassels, mit Ausnahme zweier ehrenwerther Männer, zusammen, um mit <hi rendition="#g">konstitutionellem Takte</hi> eine freiwillige Censur einzuführen, und stellen an ihre Spitze den früheren Censor Arch. Dr. Rommel! Ja, bei uns geschieht Unerhörtes! ‒ Unsere Verfassung ist mangelhaft, unsere Gesetze sind schlecht, sie sollen auf verfassungsmäßigem Wege gemäß der Zugeständnisse des Monats März verbessert werden. Man läßt die alten, unter dem Einflusse Scheffers gewählten Stände zusammentreten, in der Hoffnung, sie würden schnell ein volksthümliches Wahlgesetz abfassen, und dann durch ihre Auflösung eine im Volke wurzelnde Kammer möglich machen. Statt dessen sitzen sie schon vier Monate zusammen, halten die Woche zwei Sitzungen, und das harrende Volk harrt vergeblich. Da endlich wird über das neue Wahlgesetz diskutirt ‒ und welches Monstrum wird geboren! Ein Drittel der Deputirten sendet der Ritterstand, der, abgesehen davon, daß er nach Aufhebung der Lehensverhältnisse auch nicht einmal den geringsten juristischen Anspruch darauf machen kann, noch weniger sich durch seinen Grundbesitz und seine Intelligenz dazu befähigt. Und wenn nun das Volk noch seine zwei Drittel frei wählen könnte; aber da ist wieder die Eintheilung in zwei Kurien, in Städter und Bauern; jeder Theil schickt 16 Deputirte, die er <hi rendition="#g">indirekt</hi> wählen muß; und die Wahlmänner müssen zu den höchst Besteuerten gehören. Horribile dictu! Und Alles dies geschieht von den Ständen selbst in einem Lande, wo die Regierung im Monat März die Volkssouveränetät anerkannt hat! Um dies Gesetz wieder zu vernichten und ein volksthümliches Wahlgesetz zu erzielen, hat eine Volksversammlung hierselbst ein Comite gewählt, welches Behufs dieser Angelegenheit die Agitation im ganzen Lande betreiben und sich nicht eher auflösen soll, als bis der Zweck erreicht ist. (In diesem Comite befinden sich: die Prof. Bayrhoffer, Fick, Hinkel, v. Sybel, Dr. Wild, Dr. Falck, Dr. Eichelberg, Müller, Eberhard, Sternberg, Trabert, Dronke, W. Schmidt.) Der erste Schritt, den das Comite beabsichtigt, ist folgende Petition im ganzen Lande zu verbreiten und sie dann als Monsterpetition abzuschicken.</p> <p> <hi rendition="#g">Kurfürstliches Ministerium des Innern!</hi> </p> <p>Die Endesunterzeichneten Einwohner Marburgs bitten nach Inhalt.</p> <p>Das Kurhessische Volk hatte sich in den Märztagen gegen eine sofortige Auflösung der Ständeversammlung in der sicheren Erwartung erklärt, dieselbe werde auf der von Deutschland eingeschlagenen Bahn einer freien, volksthümlichen Entwickelung fortgehen und alsbald eine zeitgemäße Umgestaltung der Verfassung auf Grundlage des im März thatsächlich errungenen Standpunkts der Volkssouveränität vornehmen. Die Ständeversammlung hat dieses Vertrauen nicht gerechtfertigt; sie hat sogar das alte Wahlgesetz bis auf einige unwesentliche Abänderungen beibehalten, und dadurch auch für die Zukunft die nothwendige Umgestaltung unserer Verfassung unmöglich gemacht.</p> <p>Das abgeänderte Wahlgesetz behält den indirekten Wahlmodus bei, welcher, namentlich in einer Zeit der politischen Bewegung und einer rasch fortschreitenden Entwickelung, wie der unserigen, eine Einrichtung der Unmündigkeit, der Bevormundung und, wie die früheren Jahre gezeigt haben, der Intrigue ist. Insbesondere widerspricht es auch der Art unserer eigenen Parlamentswahlen. Nachdem das Borparlament, als der unmittelbare Ausdruck des Volkswillens, im Bewußtsein der Mündigkeit des deutschen Volks die direkte Wahl als Prinzip für ganz Deutschland ausgesprochen und die aktive und passive Wahlfähigkeit ohne Unterschied des Standes und Vermögens jedem </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0346/0002]
Phrase begleitete er so ausdrucksvoll mit der schneeweißen Hand, daß die arme Gräfin zuletzt nicht mehr widerstehen konnte und sich ihrem Husaren auf Gnade und Ungnade ergab. Glücklicher Ritter! Er durfte seinen jungen Schnurrbart auf die kußlichsten Lippen ganz Schlesiens drücken. Kaum der Schule entlaufen und schon ein Alexander, der eine Welt, ein Herz, eroberte!
So weit war Alles gut. Daß Schnapphahnski ein gräfliches Herz stahl: Niemand wird ihm das verdenken; und daß er seine Gräfin küßte: nun, das war seine verfluchte Schuldigkeit. Denn der Mensch soll küssen! In flammender Frakturschrift steht dies geschrieben in den rosigen Abend- und Morgenwolken. Der Mensch soll küssen! In kleiner Schrift steht es geschrieben auf dem Blatt jeder Rose, jeder Lilie.
Schnapphahnski küßte und er gehorchte dem Gesetz, das mehr als die Frakturschrift der brennenden Wolken und mehr als die kleine Schrift der Lilien und der Rosen die Lippen einer Gräfin verkündigten, einer liebenswürdigen schlesischen Gräfin.
Wie gesagt, bis zu diesem Augenblicke konnte man Schnapphahnski nicht den geringsten Vorwurf machen: er liebte und er ward geliebt, er küßte und er wurde geküßt.
Der edle Ritter war aber nicht zufrieden mit dem Schicksal gewöhnlicher Sterblicher; abenteuerlich juckte es in seinen Knochen; er überredete die Gräfin zur Flucht, er entführte sie. ‒ Der Ritter stand also in der dritten Phase seines Unternehmens. Zuerst geliebt, dann geküßt und nun entführt. ‒ Alle Ehemänner werden ihn des letztern wegen ernstlich tadeln; so etwas ist unhöflich ‒ ein Weib entführen: das ist nicht recht ‒ einen armen Ehemann mit seinen Hörnern und mit seinem Gram allein zurückzulassen, das ist hartherzig und unpolitisch; namentlich unpolitisch, denn wollte man jede Helena entführen, wie viele Städte würden da nicht das Schicksal Trojas theilen? welches Elend würde über die Welt kommen? Paris, Wien und Berlin würden in Rauch und Flammen untergehn ‒ aller Spaß hörte auf, mit den Nationalversammlungen hätte es ein Ende und mancher edle Ritter Schnapphahnski würde vergebens seine Beredsamkeit an den Mann zu bringen suchen.
Aber unser brauner Husar, mit den prallen jugendlichen Schenkeln und den lüsternen Augen, dachte weder an die Vergangenheit noch an die Zukunft, als er die schlesische Helena lächelnd hinauf in den Wagen hob, um eiligst das Weite zu suchen.
Weshalb sollte er auch an die Zukunft denken? War die Gegenwart nicht schön genug? Ach, so herrlich fuhr es sich an der Seite des himmlischen Weibes. Die Vögel sangen, die Blumen schauten verwundert zu den Liebenden empor und die Rosse trabten hinweg ventre-à-terre, und ihre Mähnen flatterten im Winde.
Die Küsse, die man in solchen Augenblicken küßt, müssen nicht mit Millionen zu bezahlen sein. Glücklicher Schnapphahnski! Während er die Lust des Daseins schmeckte, lief dem geprellten Ehemanne gewiß bei jedem Kusse, ohne daß er wußte weshalb, ein eisiges Frösteln über den Nacken.
Wo war doch dieser Ehemann? Es ist wirklich merkwürdig, die Ehemänner sind tausendmal zu Hause, wenn es sich um eine wahre Lumperei handelt, aber der Teufel weiß wie es kommt, daß sie stets abwesend sind, wenn es sich um ihre Frisur dreht.
Wer weiß was aus der Frisur des Grafen S. geworden wäre, wenn nicht der Kutscher der Liebenden, ein tressengeschmückter Kerl, mit gewichstem Schnurrbart und schrägsitzendem Hute, plötzlich die Zügel der Rosse fest angezogen, und vom Bock hinunter und an den Wagenschlag springend, dem schönen Paris, dem braunen freiwilligen Husaren Schnapphahnski mitgetheilt hätte, daß ganz gegen die Fabel, der ehrenwerthe Ehemann, der Herr Menelaos, der Graf S. so eben im Begriff sei, ihnen auf's gemächlichste entgegen zu reiten.
Man kann sich die Stimmung Schnapphahnski's denken; er begriff nicht, wie die unsterblichen Götter so unverschämt sein konnten, dem lustigsten Husaren ganz Schlesiens auf so erbärmliche Weise in den Weg zu treten. Aber in den gefährlichsten Momenten zeigt sich die Bravour eines sinnreichen Junkers am eklatantesten.
„Gräfin“ ‒ sprach er zu der zitternden Helena ‒ „ich werde dich ewig im Herzen tragen. Aber so wahr ich Schnapphahnski heiße und vom reinsten preußischen Adel bin: höhere Rücksichten gebieten mir, in diesem Augenblicke auf dich zu verzichten, damit nicht aus deinem Raube ein zweiter trojanischer Krieg entspringe, städteverwüstend und hinraffend der Edlen viel aus der preußischen Heerschaar. Steige daher hinab auf die Landstraße, wo dich ein zärtlicher Gatte mit den liebenden Armen umfangen wird um dich zurückzuführen gen O. in Schlesien, wo das 4. Regiment der braunen Husaren steht, ein Regiment, dem ich auf ewig Lebewohl sage.“
Schnapphahnski schwieg und sein Herz klopfte wilder ‒ der Hr. Menelaos kam immer näher. Mochte die Thräne von den Wimpern der schönsten aller Frauen rieseln ‒ galant bot ihr der kühne Ritter den schützenden Arm und hob sie hinab.
Schnapphahnski selbst kehrte aber zurück in die harrende Karosse; der Kutscher strich seinen Bart und:
„Treibend schwang er die Geißel und rasch hin trabten die Rosse“
und Schnapphahnski ward nicht mehr gesehen.
Was sagen meine Leser zu dieser Geschichte? Ist sie nicht werth von einem preußischen Homer besungen zu werden?
Der Raub der Helena unterscheidet sich von dem Raub der Gräfin S. nur durch die Pointe. Der erstere endete damit, daß Troja in Flammen aufging, der andere fand darin seinen Schluß, daß der Graf S., indem er seine Gemahlin nach Hause zurückführte, den jungen Schnapphahnski den ‒ Stöcken seiner Lakaien empfahl.
Armer Schnapphahnski ‒ ‒ Rächenden Gespenstern gleich stehen die Bedienten des Grafen S. bis zur Stunde vor der Seele den irrenden Ritters. In der Stille des Gemaches, in dem Lärm der Gassen hat er keine Rast und keine Ruh. ‒ O, die Bedienten des Grafen S.! O, die verfluchten Lakaien aus O.! Die Jahre sind geschwunden und glücklich würde Schnapphahnski sein ‒ sitzt er nicht mit den Männern des Jahrhunderts auf ein und derselben Bank? lauscht nicht ein ganzes Volk seinen tönenden Worten? Aber ach, will er sich seines Schicksals freuen, da zuckt er, da schrickt er zusammen, denn sieh, durch das Wogen der Versammlung, über die Köpfe seiner Bewundrer schaut es plötzlich wie ein Gesicht aus O., wie ein Bedienter des Grafen S. ‒ und tief verhüllt der edle Ritter sein erbleichendes Antlitz.
(Forts. folgt.)
[Deutschland] [Fortsetzung] nisters v. Schreckenstein an die verschiedenen Generalkommando's abgesendet worden, welches folgendermaßen lautet:
„Einem etc. Generalkommando übersende ich anbei vidimirte Abschrift des von Sr. Maj. dem Könige unter'm heutigen Dato wegen Errichtung der provisorischen Centralgewalt in Deutschland erlassenen Armeebefehls, mit dem ergebensten Ersuchen, solchen den Truppen und resp. Militärbehörden bekannt zu machen, indem ich nur noch bemerke, wie es nach der Lage der Umstände angemessen erscheint, daß diese Bekanntmachung nicht am 6. August und daß noch weniger an diesem Tage oder bei der Bekanntmachung überhaupt eine Parade stattfinde.
Berlin, 29. Juli 1848.
Der Kriegsminister, (gez.) Frhr. v. Schreckenstein.“
125 Magdeburg, aus der Citadelle, 2. August. Wie lange werden die Parlamente ihre Zeitgenossen noch ungestraft Glauben machen dürfen, daß die Leute, welche getrieben von dem dunklen Bewußtsein ihres Elendes, nackt und waffenlos auf den Barrikaden die gerüstete Tyrannei überwanden, daß diese Leute geblutet haben, um sich von selbstgefälligen, unfruchtbaren Doktrinärs eine deutsche Kaiserposse aus längst begrabener Zeit mit dem Zusatze aller der politischen Institutionen aufdrängen zu lassen, die weit entfernt, im Kopfe und Herzen dieser deutschdümmelnden Michel zu wurzeln, die Früchte der französischen Revolution und nichts weiter sind, einer Revolution, die man um so weniger ehrt, je mehr man sie nachahmt, ohne sie zu verstehen. Was ist denn um Gotteswillen „deutsch“ an der ganzen Episode von dem ersten Worte unserer Constituants an bis jetzt, bis zu ihren letzten „rühmlichen“ Handlungen herab. Sie alle wetteifern, die unschuldigen Franzosen aufzuzehren; sie alle trampeln wie Wüthende gegen das arme Italien; sie alle begeifern Polen, nachdem sie es knebeln halfen; sie feiern Windisch-Grätz für die Erwürgung aufrührerischer „Czechen“; nun, so haben wir doch ein Recht zu fragen, was sie uns bieten werden, um uns Deutschland theuer zu machen. Haben sie Ideen bereit, die einem deutschen Geiste alleinig zugehören und nur in Deutschlands politischen Gränzen verwirklicht werden können; bringen sie uns die Freiheit von einem Tyrannen oder einer ganzen Kaste, deren Willkühr uns empörte; bringen sie uns eine neue Freiheit, die wir als Deutsche zu begrüßen ein volles Recht hätten? Nein, bewahre! sie bringen uns einen neuen Herrn, neue Heere und eine „Verfassung“, eine Magna Charta, über die wir weiter ein Wörtlein reden wollen, und das ist Alles! Also die Freiheit einer „Charte“, die schon die britischen Reichsbarone vor 652 Jahren beseligte, mit einigen Abänderungen, die man von Frankreich gelernt, und deren Verdienst es ist, die Herrschaft aus den grauen Stammbäumen heraus in die goldenen Truhen reicher Philister zu verlegen; die Freiheit einer solchen Charte, die weder eine Spur schöpferischer Kraft noch das geringste Maaß geschichtlichen Verständnisses an sich trägt, das soll die originelle Quelle eines neuen „Deutschlands“ sein!
Nein Ihr Herren, die wir des Schlendrians zeihen, Ihr werdet den Völkern nicht die Garantieen schmutziger Intreressen als eine nationale Freiheit aufhalsen wollen; Ihr werdet nicht Hermann's Lorbeere erndten; denn Ihr seid keine Hermanns und vor Allem, wir sind keine Cherusker, keine Barbaren. Es ist eine unerträgliche Heuchelei in diesen parlamentarischen Majoritäten, die, theils berüchtigte Werkzeuge einer wenig volksthümlichen Knuten-Diplomatie, theils die gelehrten, aber wahrlich wenig geistreichen Talleyrand's des reichen Bürgerthums, die, wiederholen wir, in dieser Zusammensetzung das arme deutsche Volk zu einem Jubel, einem Feste einladen, wobei die Wohlfahrt des verrathenen Proletariats als Opferlamm dem restaurirten Geldstaate geschlachtet wird. Dasselbe Volk, das die Fürsten überwand, wird sich nicht auf einen Schlag ein deutsches Britanien, d. h. eine feste Burg der industriellen Aristokratie erschaffen lassen, eine Verfassung, an deren Ruin die Volksfreunde über dem Kanal so eifrig arbeiten. Herr Gervinus, dieser schwindsüchtige ideenlose Professor als Redakteur einer deutschen Times, wenn er das Zeug selbst dazu hätte, das ist es, Ihr Männer der Barrikaden, wofür Ihr geblutet habt! Die deutsche Flotte, die Garantie der Geldherrschaft, die 900,000 Mann Soldaten und die 38 Zweikammersysteme, hört Ihr's, das ist der Inhalt deutscher Nationalität, die geliebte Hoffnung deutscher Börsenmänner, das Spielwerk für politische Kinder! das mit einem farbigen deutschen Bande zugeschnürt, mit Gensd'armen bewacht und durch die blutigen Heldenthaten der Generale bestätigt, das ist deutsche Freiheit, die, wie ein verbürgtes Gerücht wissen will, der förmlichen Anerkennung des russischen Nachbarn entgegen zu sehen hat (ist erfolgt in der Note von Nesselrode).
Wenn, was wir nicht glauben, die deutsche Zukunft der deutschen Gegenwart entspricht, welche Aussicht! Eine gesetzgebende Versammlung. Was da geschieht, wer zweifelt, wird sich in einer künstlichen Censur, in einem Redeverbot, erneuten Anklagen, Unterdrückungen und, was das Positive, in einem Kampfe der Schutzzöllner mit den Handelsfreien, d. h. der deutschen Fabrikanten mit den deutschen Banquiers zusammenfassen lassen. Diese Interessen werden sich die Hand reichen gegen die des Volkes, sie werden sich trennen sobald der Pöbel die „Arbeitskraft“ hungert ohne zu murren. Dazwischen der deutschen Altväter, d. h. der deutschen Fürsten absolutistische Melodie als Zwischengesang, die unerquicklichen Zänkereien zwischen Oestreich und Preußen, und ein Stück Australien von England abgetreten als „Asyl“ für den überflüssigen, verbrecherischen Auswurf eines versorgten Kapital-Organismus, das ist das moderne deutsche Kaiserreich sammt seinen herrlichen Hanse-Aspekten. Dabei fehlt den deutschen Professoren, die in Frankfurt den Kato spielen, nichts als einige Kourage von diesem römischen Haudegen und wir können mit Stolz sagen, mir nichts, dir nichts ein Jahrtausend verschlafen zu haben.
24 Aus der Provinz Sachsen, 5. August. Die Skandale in unserer Provinz, provocirt durch Beamte und Militär, nehmen immer mehr zu, und der Oberpräsident v. Bonin und der Polizeiminister Kühlwetter scheinen keine Notiz davon zu nehmen. Das Recht der Stärke ist bei der Reaktion, welche Polizei und Militär zur Verfügung hat. Aus Erfurt vom 26. Juli berichtet die Thüringer Zeitung: als heute ein Zimmergesell den General v. Voß, Kommandant in Erfurt, auf der Straße mündlich um Gerechtigkeit hat wegen einer ihm zugefügten Beleidigung, wies ihn der General zurück: er solle schriftlich einkommen; als aber der Geselle sich nicht bescheiden wollte, entstand ein Wortwechsel, in Folge dessen der Bittende ausreißen zu müssen glaubte. Da, in seinem ritterlichen Heldenmuthe, zog ein den General begleitender Offizier den Degen und verfolgte so den Fliehenden. Der Hauptmann des 31. Regiments, welcher unlängst einen achtbaren Bürger in einer großen öffentlichen Versammlung an den Kopf geschlagen und auf eine gemeine Weise beschimpft hat, um ihn zu zwingen „ich bin ein Preuße“ zu singen, geht unangefochten umher. Aus Schkölen bei Naumburg berichtet man von einer erschrecklichen Polizeiwirthschaft. Einem ehrenwerthen, freisinnigen Manne wurde von der Regierung in Merseburg aufgegeben, sich aller mündlichen und schriftlichen Aeußerungen über Staats- und Kommunalangelegenheiten zu enthalten, widrigenfalls er des Landes verwiesen werden würde. Dem Bedrohten, welcher früher in England und Nord-Amerika und dann einige Jahre in Schkölen lebte, und hier seiner Mutter in einem kaufmännischen Geschäfte beistand, war von der Stadtverordnetenversammlung zu Schkölen das Ehrenbürgerrecht verliehen worden. Indessen hatte die Polizei ermittelt, daß eigentlich seine Heimath Camburg im Meiningschen, eine Stunde von Schkölen, sei. Die Landesverweisung sollte nun vor einigen Tagen wirklich vollstreckt werden. Hr. Berlet, (so heißt der Polizei-Verfolgte), wurde verhaftet, die Einwohnerschaft befreite ihn aber mit Gewalt. Die Einwohnerschaft und die Stadtverordneten hahen sich an den Minister Kühlwetter gewandt, und noch andere gräuliche Dinge des noch immer fortwühlenden Bureaukratismus zur Sprache gebracht. Hr. Kühlwetter will Thatsachen, einen Vertrauensmesser für seine Beamten hat er nicht, wie er in der Kammer sagte, indessen scheinen doch die „Berichte“ seiner getreuen Beamten einen Vertrauensmesser für ihn abzugeben. Die Berichte über die blutigen Ereignisse von Schweidnitz, Charlottenburg und Erfurt sollen ganz vortrefflich ausgefallen sein.
! Kassel, 8. August. Die Kurhessische Ständekammer fährt fort fortzufahren ‒ in alter guter Weise nämlich. Das alte Wahlgesetz mit seinen indirekten Wahlen, mit den Altersbestimmung von 30 Jahren für aktive und passive Wählbarkeit, mit seinem hohen Zensus ‒ ist geblieben. Ja sogar der Adel hat das altständische Vorrecht behalten besonders vertreten zu werden. Prinzen, Standesherrn und 8 Deputirte der Ritterschaft, ein Stellvertreter adlicher Stifter, und ein Stellvertreter der Universität, den man als Prälat dazu rechnen muß ‒ sie bilden den dritten Theil der Kurhessischen Volksvertreter. Und wen und was vertreten sie? Ein paar adliche Familien und einige Hufen Landes, denn mit großem Grundbesitz ist der hessische Adel eben nicht gesegnet. Daß auch ihm nicht großer Verstand bescheert worden geht daraus hervor, daß er selbst sogar an sich selber den Mangel an Ueberfluß bemerkt. Er hat es durchgesetzt, daß auch Bürgerliche als Stellvertreter des Adels gewählt werden können. Diese bürgerlichen Köpfe sollen ausrichten was die adlichen nicht vermochten ‒ denn Hannibal ante portas. In Preußen soll der Adel fort ‒ in Frankfurt ebenfalls ‒ dem hessischen wird übel zu Muthe.
Alle Petitionen an die Ständekammer um ein neues Wahlgesetz haben Nichts gefruchtet. Der Herr Nebelthau wieß sie zurück und koste es seine Popularität. Welche Einbildungskraft! Der Mann will's sich Etwas kosten lassen, was er längst nicht mehr hat. ‒ Der Herr König, der Dichter, „der Mann des Fortschritts“ meinte, es seien eher ältere Leute nöthig als jüngere, eher ein Zügel (warum nicht ein Hemmschuh?) als ein Sporn. Der Abg. Thon, ein langweiliger trivialer süßlicher Mensch, der aus Allem einen Brei macht, und überall dabei ist ‒ dieser Herr that diesmal etwas Uebriges; er stellte der Ständeversammlung gerade zu ein testimonium paupertatis aus. Man brauche, sagte er, gar keine Intelligenz, nur Praxis und Erfahrung. Die Intelligenz gehöre nach Frankfurt. ‒ Herr Thon gehört weder nach Frankfurt, noch nach Kassel.
Der Abgeordnete Henkel ist eigentlich der einzige der Opposition macht, und mit ihm Knobel. Henkel war auch in Frankfurt; dort fand sein Ehrgeiz keine Befriedigung; er kehrte zu den väterlichen Laren zurück, wo die Köpfe noch seltener (unmöglich!) und also gesuchter sind, als in Frankfurt. Der Vicepräsident Schwarzenberg aber zieht vor Stellvertreter von Deutschland und von Kurhessen zugleich zu sein; einmal ist er hier, einmal dort; d. h. einmal in Frankfurt, einmal in Kassel. Wenn er in Deutschland ist, werden wir nicht viel von ihm gewahr; und wenn er in Hessen ist, auch nicht. Henkel hat ihn vergebens aufgefordert die Frankfurter Stelle aufzugeben, er erklärte sich für nothwendig hier und dort; und Henkel trug Nichts davon, als schiefe Gesichter, weil er gegen die Pietät gesündigt habe. Die Pietät ist die verfluchteste Tugend, von den tausenden, die unser guter Michel im Herzen trägt.
Jetzt versucht man von Hanau und Marburg aus einen neuen Sturm gegen das alte Wahlgesetz. Aber es giebt ein Drudenfüßchen in der Verfassung, darüber kann kein Hesse hinaus. Das ist der §. worin zu jeder Abänderung der Verfassung Einstimmigkeit verlangt wird, oder drei viertel der Stimmen auf 2 hintereinander folgenden Landtagen. Sobald also irgend ein guter Pfahlbürger sagt, Ich will nicht, so stehn die sämmtlichen ‒ Landstände am Berge und sagen ‒ das nächste mal, in 3 Jahren. In 3 Jahren!
Die Konstitutionellen ex professo, die Staatsdiener u. dgl. lachen die sich neuerhebende Wahlagitation aus; namentlich thut das ihr geistloses Organ, die Neue Hessische Zeitung. Die Kassler Konstitutionellen rüsten sich zu einem ungeheuren Feste für den 6. August. Heer, Bürgerwehr, Schutzwache soll dem Reichsverweser Hurrah bringen; Ball, Volksfest u. s. w. Daneben macht es sich ganz gut, daß der Kriegsminister abgedankt hat und sich kein neuer auffinden läßt ‒ wer erfährt, daß ihm das Glück werden könnte, legt sich sofort ins Bett. Endlich sollen sie einen alten pensionirten gichtbrüchigen General dazu bestimmt haben; ‒ der will nun wieder keine Uniform tragen und auf keine Parade gehn. Kann der Kriegsminister werden?
43 Marburg, 1. Aug. Wohl nirgends war man, freilich nach früherer desto hartnäckigerer Weigerung so nachgiebig geworden von Seiten der Regierung als in Kurhessen. Alles Mögliche ward zugestanden ‒ und der Philister hielt eine Reihe von Fest- und Zweckessen. Nur hin und wieder hörte man eine einzelne Stimme, die man jedoch damals als albern nicht beachtete, welche sagte: im Jahr 1831 betrog uns die Büreaukratie, und heute betrügt uns die Bourgeoisie. Doch ist die Stimme jetzt durch die Thatsachen gerechtfertigt. Preßfreiheit ist uns gewährt, da thun sich alle Buchhändler und Drucker Kassels, mit Ausnahme zweier ehrenwerther Männer, zusammen, um mit konstitutionellem Takte eine freiwillige Censur einzuführen, und stellen an ihre Spitze den früheren Censor Arch. Dr. Rommel! Ja, bei uns geschieht Unerhörtes! ‒ Unsere Verfassung ist mangelhaft, unsere Gesetze sind schlecht, sie sollen auf verfassungsmäßigem Wege gemäß der Zugeständnisse des Monats März verbessert werden. Man läßt die alten, unter dem Einflusse Scheffers gewählten Stände zusammentreten, in der Hoffnung, sie würden schnell ein volksthümliches Wahlgesetz abfassen, und dann durch ihre Auflösung eine im Volke wurzelnde Kammer möglich machen. Statt dessen sitzen sie schon vier Monate zusammen, halten die Woche zwei Sitzungen, und das harrende Volk harrt vergeblich. Da endlich wird über das neue Wahlgesetz diskutirt ‒ und welches Monstrum wird geboren! Ein Drittel der Deputirten sendet der Ritterstand, der, abgesehen davon, daß er nach Aufhebung der Lehensverhältnisse auch nicht einmal den geringsten juristischen Anspruch darauf machen kann, noch weniger sich durch seinen Grundbesitz und seine Intelligenz dazu befähigt. Und wenn nun das Volk noch seine zwei Drittel frei wählen könnte; aber da ist wieder die Eintheilung in zwei Kurien, in Städter und Bauern; jeder Theil schickt 16 Deputirte, die er indirekt wählen muß; und die Wahlmänner müssen zu den höchst Besteuerten gehören. Horribile dictu! Und Alles dies geschieht von den Ständen selbst in einem Lande, wo die Regierung im Monat März die Volkssouveränetät anerkannt hat! Um dies Gesetz wieder zu vernichten und ein volksthümliches Wahlgesetz zu erzielen, hat eine Volksversammlung hierselbst ein Comite gewählt, welches Behufs dieser Angelegenheit die Agitation im ganzen Lande betreiben und sich nicht eher auflösen soll, als bis der Zweck erreicht ist. (In diesem Comite befinden sich: die Prof. Bayrhoffer, Fick, Hinkel, v. Sybel, Dr. Wild, Dr. Falck, Dr. Eichelberg, Müller, Eberhard, Sternberg, Trabert, Dronke, W. Schmidt.) Der erste Schritt, den das Comite beabsichtigt, ist folgende Petition im ganzen Lande zu verbreiten und sie dann als Monsterpetition abzuschicken.
Kurfürstliches Ministerium des Innern!
Die Endesunterzeichneten Einwohner Marburgs bitten nach Inhalt.
Das Kurhessische Volk hatte sich in den Märztagen gegen eine sofortige Auflösung der Ständeversammlung in der sicheren Erwartung erklärt, dieselbe werde auf der von Deutschland eingeschlagenen Bahn einer freien, volksthümlichen Entwickelung fortgehen und alsbald eine zeitgemäße Umgestaltung der Verfassung auf Grundlage des im März thatsächlich errungenen Standpunkts der Volkssouveränität vornehmen. Die Ständeversammlung hat dieses Vertrauen nicht gerechtfertigt; sie hat sogar das alte Wahlgesetz bis auf einige unwesentliche Abänderungen beibehalten, und dadurch auch für die Zukunft die nothwendige Umgestaltung unserer Verfassung unmöglich gemacht.
Das abgeänderte Wahlgesetz behält den indirekten Wahlmodus bei, welcher, namentlich in einer Zeit der politischen Bewegung und einer rasch fortschreitenden Entwickelung, wie der unserigen, eine Einrichtung der Unmündigkeit, der Bevormundung und, wie die früheren Jahre gezeigt haben, der Intrigue ist. Insbesondere widerspricht es auch der Art unserer eigenen Parlamentswahlen. Nachdem das Borparlament, als der unmittelbare Ausdruck des Volkswillens, im Bewußtsein der Mündigkeit des deutschen Volks die direkte Wahl als Prinzip für ganz Deutschland ausgesprochen und die aktive und passive Wahlfähigkeit ohne Unterschied des Standes und Vermögens jedem
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(2017-03-20T13:08:10Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
(2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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