Neue Rheinische Zeitung. Nr. 69. Köln, 8. August 1848.volljährigen und selbstständigen Staatsangehörigen zuerkannt hatte, wurde auch in Kurhessen die Form der direkten Wahl nicht blos als die geeignetste gewählt, sondern auch als zweckmäßig und wohlausführbar erprobt. Der Wahlmodus aber, welcher den Zwecken der Nationalversammlung entsprach, wird auch wohl für die Kurhessische Volksvertretung nicht falsch und gefahrbringend sein. Das neue Wahlgesetz behält sodann den Wahlcensus bei. Derselbe vernichtet aber vollkommen den Grundsatz der aus dem allgemein anerkannten Prinzip der Volkssouverainetät hervorgehenden gleichen politischen Berechtigung. Wo das Vermögen entscheidet, da kann die politische Befähigung, die Kraft der Intelligenz sich bei Feststellung der gesetzlichen Ordnung nicht frei entfalten; wo nur der Hochbesteuerte wählen und gewählt werden darf, da kann der politisch Hochbegabte, wenn ihn das Geschick nicht mit äußeren Glücksgütern beschenkt hat, von seiner politischen Freiheit keinen Gebrauch machen; er muß oft einem unfähigen Menschen nachstehen, dem, vielleicht ohne sein Verdienst, solche Güter zu Theil geworden sind; da machen am Ende der Besitz, das Geld und die Interessen des Geldes das Gesetz, aber nicht der Volksgeist; - und das ist eines freien Staates unwürdig. Das neue Gesetz hebt zwar den Census für die Abgeordneten auf; allein dies ist nur eine scheinbare Verbesserung, da der Census für die Wahlmänner geblieben ist. Wenn der Wähler die Wahlmänner nicht aus allen Bürgern herausnehmen kann, so ist es ihm ja ganz unmöglich, diejenigen zu wählen, welche er vielleicht gerade für die tüchtigsten hält, und wie läßt sich außerdem erwarten, daß die Kaste der hochbesteuerten Wahlmänner ihren Abgeordneten aus einer unter ihr stehenden, unberechtigten Kaste wählen wird? Das neue Gesetz hält ferner das Alter von 30 Jahren als Bedingung der Wählbarkeit fest. Die politische und moralische Befähigung eines Abgeordneten, welche bei den Wahlen allein in Betracht kommt, läßt sich nicht äußerlich einem bestimmten Lebensjahr bemessen; die persönliche Tüchtigkeit ist an kein bestimmtes Alter geknüpft. Die politische Selbstständigkeit, welche mit der Volljährigkeit erreicht wird, ist hier der allein richtige Maaßstab; unter den volljährigen Staatsbürgern mag der tüchtigste gewählt werden, sei dieser nun 25, 30 oder 40 Jahre alt. Was uns aber am meisten in Erstaunen gesetzt hat, ist die Festhaltung der Wahl nach Ständen, namentlich der besondern Vertretung der Ritterschaft etc., eine Einrichtung, die nur im Mittelalter einen Sinn hatte. In Frankreich hat man den Adel abgeschafft, der neue preußische Verfassungsentwurf hebt die Vorrechte des Adels auf und erkennt nur noch freie und gleichberechtigte Staatsbürger an. Das neue Wahlgesetz dagegen, anstatt durch eine angemessene Eintheilung des Landes in eine entsprechende Zahl von Wahlbezirken allen Staatsbürgern einen gleichen Antheil bei den Wahlen und damit bei der Gesetzgebung zu sichern, läßt einen Stand im Besitze eines veralteten Privilegs. Es setzt ihn demnach über die andern Staatsbürger und bringt wieder den Kampf und die Herrschaft der Standesinteressen in die volksvertretende Kammer, und jenes Standesbewußtsein, welches so vielen Anstoß in Hessen fand und doch nur die nothwendige Folge des Wahlgesetzes ist. Unter diesen Umständen fordern wir Kurfürstliches Ministerium des Innern auf: "der Ständeversammlung schleunigst ein neues Wahlgesetz nach den obigen Respektvoll zeichnen Kurfürstl. Ministeriums des Innern Marburg, 30. Juli. gehorsamste: Hannover. Der König von Hannover hat in Nachahmung des Königs von Preußen eine General-Ordre an die Armee in Bezug auf das Peucker'sche Circulair erlassen, welche mit andern Worten ungefähr dasselbe sagt, wie der preußische Armeebefehl. Die General-Ordre ist vom 6. August (ante-) datirt. Sie macht den Soldaten bekannt, daß der König seine Zustimmung zu der Wahl eines Reichsverwesers gegeben habe, und daß zu den Befugnissen desselben die Oberleitung der deutschen Heere ganz in derselben Weise, wie sie bisher dem Bundestage zugestanden habe, gehöre. Sobald es zum Schutze Deutschlands erforderlich sei, werde der König den Soldaten befehlen, sich den übrigen deutschen Heeresabtheilungen unter der Oberleitung des Reichsverwesers anzuschließen. Er sei überzeugt, daß sie unter dieser Oberleitung ihren alten Ruhm bewähren werden. Von einer Parade ist nicht die Rede und auch die Parade der Bürgerwehr ist (durch nicht zu beseitigende Aeußerlichkeiten, wie die "Morgenzeitung" berichtet) bis zur nächsten Woche verschoben worden. - In Braunschweig ist es zu unruhigen Auftritten gekommen. Die Bürger verlangten die militärische Huldigungsfeier; der Herzog versprach dem Beispiel der verbündeten Regierungen folgen zu wollen. Die Antwort genügte nicht; es wurde eine zweite Deputation abgeordnet. Der Erfolg derselben ist noch nicht bekannt. Prag, 2. Aug. Dr. Brauner ist - wie wir vernehmen - bereits für unschuldig erklärt, aber ganz im Widerspruch hiemit noch immer nicht freigelassen worden. Auch die Uebergabe der Gefangenen an das Civilgericht soll trotz Ministerialbefehls noch nicht stattgefunden haben. (Const. Bl. a. B.)Graf Buquoy hat folgende Erklärung veröffentlicht: "Nachdem sich bei der gegen mich eingeleiteten strengen Untersuchung über die mir zur Last gelegte Mitschuld an dem Verbrechen der Verschwörung und des Aufruhrs meine vollkommene Schuldlosigkeit herausgestellt hat, so bin ich Freitag den 28. Juli aus dem Untersuchungsverhafte auf dem Prager Schlosse entlassen worden. - Da ich den Fall allerdings für möglich erachte, daß diese meine Schuldlosigkeits-Erklärung, deren Veröffentlichung ich seiner Zeit von der Untersuchungs-Behörde mit Zuversicht erwarte, zu einer neuerlichen Veranlassung von Erbitterung und Aufregung benützt werden könnte, so finde ich mich im Interesse der Ruhe meiner Vaterstadt Prag und zum Beweise, daß mir, trotz der in meinem Verhafte ausgestandenen schweren Leiden, jedes Gefühl persönlicher Feindseligkeit oder der Rache fremd ist - bewogen, hiemit freiwillig und ungezwungen öffentlich zu erklären, daß nach denen mir im Laufe der Untersuchung zur Kenntniß gekommenen boshaften und rein erdichteten Denunciationen und absichtlich ausgestreuten Verläumdungen über meine vermeinte Theilnahme an den Prager Ereignissen, ich die von Seiten des kommandirenden Generals, Fürsten Windisch-Grätz über mich verhängte Verhaftung nicht nur allein für durchaus gerechtfertigt und im Gesetze gegründet finde, sondern daß ich auch gestehe, daß ich an seiner Stelle diese Verhaftung selber angeordnet haben würde. - Das gleiche Motiv: von meiner Seite jede Veranlassung, wodurch die Ruhe und der Friede meiner Mitbürger neuerlich gestört werden könnte, zu beseitigen, hat mich auch allein bewogen, sogleich nach Aufhebung meines Verhafts von Prag abzureisen, und ich ersuche meine lieben Mitbürger, meine vielleicht längere Entfernung aus ihrer Mitte nicht etwa als eine Mißachtung oder Feindseligkeit auszulegen, sondern sie lediglich dem Wunsche zuzuschreiben: hiedurch jede Veranlassung einer durch meine Anwesenheit vielleicht ohne mein Wissen entstehenden Aufregung zu entfernen. Schloß Rothenhaus, am 1. August 1848. 61 Wien, 3. August. Angeblich zu Ehren der in Italien gzfallenen Helden der k. k. Armee, im Grunde jedoch, um seiner Antipathie wider die neulich stattgehabte revolutionäre Trauerfeier durch eine ähnliche Feier kund zu geben, hat das hiesige Militär in der Hofkirche zu den Augustinern, heute ein durch und durch schwarzgelbes Requiem abgehalten, an welchem sich die eitelsten, zugleich aber demüthigsten Nationalgarde-Offiziere betheiligt haben. - Weder der Reichstag, noch der Ausschuß, noch auch die akademische Legion schienen mir in der Kirche vertreten zu sein. Wahrscheinlich hatte sie das Militär, welches in ihnen nur Rebellen erblickt, gar nicht eingeladen. Wie überall, so wurde auch hier das demüthig-wedelnde Bürgerthum der Nationalgarde vom Militär kaum beachtet. - Die Aufregung wächst in den Vorstädten und in den benachbarten Ortschaften. Fast täglich finden Katzenmusiken statt, die mitunter, wie es gestern in der Alservorstadt geschehen, in Krawalle ausarten. - Ein Bürger aus Linz hat eine eigene Reise hieher gemacht, um dem Sicherheitsausschusse von den drohenden Bewegungen des Militärs und von den Gerüchten Kenntniß zu geben, welche über die Pläne der Kamarilla in Oberöstreich verlauten. Man soll unter Anderm Willens sein, die Donau zu sperren. Daß es auf einen Schlag abgesehen, gewinnt in der Ueberzeugung des Publikums täglich mehr an Gewicht. - Das Ministerium ist theils ohnmächtig, theils liebäugelt es noch immer mit der Kamarilla; sonst wäre die Ansammlung des Militärs in und um Wien, das feige Auftreten gegen die Bureaukratie, ja die Thatlosigkeit dieses Ministeriums ein Räthsel. Mit dem Vertrauensvotum über die geforderte Rückkehr des Kaisers in der Tasche, glaubt es schlafen zu können. Seine Thätigkeit beschränkt sich fast nur auf die Beantwortung einiger unbedeutenden Interpellationen. - In Beziehung auf die Rückkehr des Kaisers äußert sich die öffentliche Meinung namentlich des Landvolks dahin, der Kaiser möge bleiben, wo er Lust habe, man brauche ihn nicht mehr. Die Aula soll dem Kaiser in einer eigenen Adresse die Erklärung gemacht haben, Oestreich würde sich selbst ein Oberhaupt wählen, wenn er keine Lust trage, sein Oberhaupt zu sein nach dem Willen des Volks. Die Berathung des § 34 der Geschäftsordnung hat den Reichstag in seiner Sitzung vom 31. Juli an einen zweiten Prüfungsstein gebracht, an welchem er nicht verfehlte, zu stolpern. Es handelte sich von der Frage, wie der Ausschuß zu bilden sei, welcher den Entwurf der Konstitution des Reichs, der Provinzen und Gemeinden zu bearbeiten habe. Der Reichstag beschloß nach einer konfusen Debatte darüber, daß dieser Ausschuß in der Art gebildet werde, daß hiezu die Abgeordneten der einzelnen zehn Gouvernements aus sich je drei Mitglieder, daher zusammen dreißig, wählen sollen. Die Folge dieses Beschlusses ist ein bedeutendes Uebergewicht des deutschen Elementes. Galizien mit 51/2 Mill. Einwohnern, Böhmen mit etwa 3 Millionen haben danach im Ausschuß nicht mehr Stimmen, als die kleinsten deutschen Provinzen von nur einigen hunderttausend Bewohnern. Der kleinen deutschen Provinzen gibt es aber viele, während Galizien nur eine große Provinz ist. Säße auch Ungarn im Wiener Reichstag, so würden seine 12 Mill. Seelen bei der Konstituirung des künftigen östreichischen Staatsrechts folgeweise ebenfalls nicht mehr zu sagen haben, als die 700,000 Seelen, welche das Erzherzogthum bewohnen. Die hiesige deutsche Partei hält die Annahme dieses § für einen Sieg; Vernünftigere sind dieser Meinung durchaus nicht. Kein Sieg, aber wohl ein im Namen des Deutschthums verübter Despotismus liegt darin. Es sitzen im Reichstage etwa 80 Abgeordnete, welche keine Silbe Deutsch verstehen und daher noch nicht wissen, was sie thun. Um keine ganz bedeutungslosen Gestalten zu bleiben, lassen sie sich als Werkzeuge verdollmetschender Anderer gebrauchen und dadurch mag denn jener Beschluß möglich geworden sein. Die Abgeordneten, denen das Germanenthum den Zwang der Sprache anthut, sind meistens polnisch-ruthenische Bauern aus Galizien. - Oestreich ist bisher nur eine politische Fiktion gewesen. Das Haus Habsburg hatte während Jahrhunderten einen Länderfetzen nach dem andern an das Erzherzogthum angepappt, hatte sogar das römisch-deutsche Kaiserthum daran gepappt und dieses Staaten-Chaos bis in die neueste Zeit mit den Gewalten antidiluvianischer Finsterniß so ziemlich zusammen zu halten gewußt. Jetzt aber ist es in diesem Chaos kühl geworden, die Bande fliegen auseinander, die Völker erkennen sich trotz des Wirrwar's und wollen sich auf die eigenen Beine stellen. Das Magyarenthum ist bereits mit einem entschiedenen Schritte vorangegangen, es hat sich vom erzherzoglichen Leibe losgerissen, und damit dem Fortbestand der Fiktion Oestreich, als dynastischem, einen Todesstoß gegeben. Die übrigen Völker werden, je mehr sie zur Erkenntniß ihrer eigenen Beine kommen, desgleichen thun und der Reichstag kann daher keine andere Folge haben, als den Todesstreich entweder vollends zu vollführen, oder ein ganz neues Oesterreich zu schaffen. Letzteres kann nur dann geschehen, wenn die verschiedenen Völker des gegenwärtigen Oesterreich ihrer Nationalität entsagen, um sich in einem demokratisch-künstlichen Staatenverbande eben so brüderlich zu umarmen, als sie sich in dem absolutistisch-künstlichen Staatenverbande ferngestanden haben. - Mit Rücksicht auf diese Zustände nenne ich den Sieg des Deutschthums in der Reichstagssitzung vom 31. Juli einen durchaus falschen, und muß ihn einen unhaltbaren nennen, wenn ich erwäge, wie lächerlich sich das Deutschthum in Frankfurt macht und wie wenig das österreichische Deutschthum daher im Stande sein wird, in dem neuen österreichischen Staatenvereine auf die Dauer Oberwasser zu bleiben. Die hiesige öffentliche Meinung will in Nesselrode's Note nichts Anderes erblicken, als das kombinirte Todesröcheln sämmtlicher von den Völkern Westeuropa's beschimpften Satrapen des Czaren. Wien, 1. Aug. Nach Inhalt eines mir so eben von dem Landrechte, als Preßgericht, zugekommenen Dekretes vom 31. Juli d. J. ist in Folge der von mir überreichten Klage Hr. Mathias Emanuel Löbenstein wegen des in dem Blatte Nr. 53 der von ihm redigirten "Wiener Allgemeinen Zeitung" enthaltenen Artikels: "Der Minister der Arbeit Ernst v. Schwarzer" wegen Ehrenbeleidigung auf Grund des §. 14 des Preßgesetzes, in den Anklagestand versetzt, und ihm auch bereits die Anzeige von dieser Klage in seinem Blatte aufgetragen worden. E. Schwarzer. * Wien, 1. Aug. Batthiany ist fort, eben so Jellachich; ob aber die beabsichtigte Vermittelung zwischen Ungarn und Kroatien gelungen oder nicht, darüber konnte man bisher nichts Sicheres erfahren. Wahrscheinlich ist, daß keine Pazifikation zu Stande gekommen, oder, wäre sie's auf dem Papier, daß sie von der Wirklichkeit bald wieder ausgelöscht würde. Wien. Sitzung der konstituirenden Reichsversammlung vom 1. August. Die in den Ausschuß für den Verfassungsentwurf getroffenen Wahlen werden vom präsidirenden Vizepräsidenten Strobach verlesen. Wiesenauer interpellirt das Ministerium in Betreff eines wüthenden Schmähartikels gegen ein Mitglied desselben. Der Arbeitsminister Schwarzer erwiedert, er habe be ider Alternative, die Sache vors Gericht zu bringen, oder zurückzutreten, das erstere vorgezogen. Vor dem Parlamente sich zu vertheidigen, hält er für unparlamentarisch; hier habe das Gericht zu verfahren und zu entscheiden. Er bittet schließlich das alte Ministerium, sich über das zwischen ihnen bestandene Verhältniß, zu erklären. Pillersdorf: Obgleich ihm der betreffende Zeitungsartikel unbekannt, so könne er sich doch, hierzu aufgefordert, über die literarische Verbindung unumwunden dahin aussprechen, daß er mit keinem Literaten in Verbindung gestanden. Er sei der Ansicht gewesen, die Presse selbst müsse die Irrthümer der Presse widerlegen; von ihm habe weder das eine noch das andere Journal eine Vergütung erhalten. Hiermit glaube er die gegen Hrn. Schwarzer vorgebrachte Beschuldigung hinreichend widerlegt, und bemerkt bloß noch, daß in solchen Fällen der Bestecher, nicht der Bestochene die härtere Strafe verdient. Finanzminister Kraus bezeugt, daß aus den Finanzen niemals etwas an das fragliche Journal geleistet worden. Dieses, die "Allgem. Oester. Ztg.," deren Redakteur Hr. Schwarzer gewesen, habe amtliche Mittheilungen und Neuigkeiten zu erhalten gewünscht, sonst aber niemals in irgend einer Beziehung zum Ministerium Pillersdorf gestanden. Der beste Beweis seien wohl die oft sehr scharfen Angriffe des Blattes auf das Ministerium gewesen. Lange interpellirt wegen Krakau's. Diese Stadt ist ohne Anlaß Seitens der Bürger bombardirt worden. Der Staat sei unter Anderm verpflichtet, Schadenersatz zu leisten. Einer Krakauer Deputation sei am 17. Mai zu Wien eine strenge Untersuchung des Militairverfahrens verheißen worden. Am 19. Mai sei auch die betreffende Anweisung an die Hofkommission nach Krakau abgegangen. Allein seit diesen drei Monaten höre man keine Silbe weiter. Dobblhoff theilt mit, daß er bereits Jemanden abgeordnet, die Angelegenheit rasch zu Ende zu führen. Lange: Ich fordere Genugthuung und trage nochmals auf Vorlage der Aktenstücke an. Auch wegen der Nationalgarde, die bekanntlich aufgelöst worden und die trotz aller Verheißungen noch nicht reorganisirt ist, interpellirt er und erhält vom Minister befriedigende Zusicherung. Wien. Sitzung des konstituirenden Reichstages am 2. August. Vorsitz: Vicepräsident Strobach. Die Sitzung beginnt um halb 11 Uhr. Minister Dobblhof giebt Auskunft über die gestern angeregten Verhältnisse wegen der Deputirten Dalmatiens. Zehn Wahlen seien, wie ihm nun bekannt, vollzogen, die eilfte in Cattaro noch nicht, und die Deputirten entschuldigten sich darum bisher noch nicht eingetroffen zu sein, da durch die Blockade Triests die Dampfbootverbindung gestört war. Minister Schwarzer antwortete auf die gestern von Neuwall gestellten Fragen. Es ist wahr, daß der modenesische Pallast dem Staate 500,000 fl. gekostet habe, aber es ist dem nicht so, daß ihn der Hof ganz benütze, sondern nur zum Theile; ein großer Theil ist öffentlichen Zwecken gewidmet, ein kleiner Theil vom Hofe zur Unterbringung von Möbeln benützt. Er überlasse es dem Schicklichkeitsgefühle der Reichsversammlung ob es an der Zeit sei, jetzt zu entscheiden, ob eine Trennung zwischen Civilliste und Staatsschatz stattfinden solle und glaube, daß diese Spezialfrage bis zur Entscheidung aufzuschieben wäre. Zum Justiz- und Handelsministerialgebäude wurde das Batthyanische Palais, mit dem bis 1851 ein Kontrakt abgeschlossen ist, verwendet. Das Lichtensteinische Palais sei den 15. Februar auf neue [#] Jahre gemiethet worden, und zwar nicht um jährlich 9 sondern 11,000 fl. Fürst Lichtenstein erklärt nur für die Justiz und es werde ihm daher das Gebäude wieder zurückgestellt oder etwa anderweitig benützt werden. Er, Schwarzer, werde die Papiere über die Dikasterialgebäude im Hause niederlegen. Trunner interpellirt den Minister Dobblhof. "Ich erlaube mir die Anfrage, ob es dem Minister des Innern bekannt, daß gestern Abends ein bedeutender Volksauflauf in der Hauptstraße der Alservorstadt stattgefunden habe, welcher Volksauflauf sich sogar der Person des Pfarrers bemächtigen wollte. Dieser Volksauflauf dauerte bis gegen Mitternacht, und ich behaupte, daß, wenn ein solcher Volksauflauf stattfinde, die Ruhe in Wien durch einen solchen Volksauflauf in Zweifel gesetzt sei. Ich erlaube mir zu fragen, ob der Herr Minister des Innern Maßregeln gegen diesen Volksauflauf bereits ergriffen hat oder gegen diesen Volksauflauf ergreifen wird, damit ein solcher Volksauflauf, wenn auch in Zukunft nicht unmöglich gemacht, doch wirksam erdrückt werde. Es sind gegen diesen Volksauflauf die strengsten Maßregeln unerläßlich, weil sonst die Reichsversammlung durch solche Volksaufläufe einer Unwahrheit gezeiht werden könnte, da sie in der abgesandten Adresse an Se. Majestät von Ruhe und Ordnung in Wien gesprochen habe. Es würde mich wundern, wenn die 40,000 Mann Nationalgarden und die Militärbesatzung in Wien nicht hinreichen sollten, einen solchen Volksauflauf zu unterdrücken. - Ich frage ferner den Minister der Justiz ob er gegen diesen Volksauflauf etwas veranlaßt hat, oder gegen diesen Volksauflauf veranlassen will, und die Anstifter bei diesem Volksauflauf zur Verantwortung ziehen wird. Ich meine das alte Gesetz steht noch aufrecht." Diese Rede wurde oft von Lachen und Zischen unterbrochen und der Präsident mußte mehrmals zur Ordnung rufen. Prestl erlaubt sich vor der Antwort des Ministers das Wort zu nehmen, und sagt unter Beifall, es stehe wohl jedem Abgeordneten das Recht der Frage nicht aber zugleich des Urtheiles zu. Er beantrage, daß man bloß fragen aber nicht ausführen dürfe, da es sonst Manchem einfallen könnte die Versammlung eine Stunde lang mit nichts hinzuhalten. Minister Doblhof. Der Fall sei ihm bekannt und es werden die Umstände erhoben. Bedenklich sei bei dem Falle nichts (Beifall), indem er nichts besonders Ernstes an sich habe und die ängstliche Besorgniß sei ganz ohne Anlaß. (Beifall.) Justizminister Bach drückt aus, daß wenn das Ministerium über jeden Vorfall von einem Abgeordneten befragt und dann aufgefordert werde zu handeln, es den Anschein habe, als ob das Ministerium nicht seine Pflicht thue und erst dazu aufgefordert werden müsse, zugleich beschäftigten sich dann Abgeordnete mehr mit Justiz als mit dem eigentlichen Reichstage. (Beifall.) Strobach will zur Tagesordnung übergehen, Sierokawsky das Ministerium interpelliren. Strohbach besteht auf Abstimmung über Tagesordnung. Abgestimmt; Majorität. Sierakowsky protestirt und sagt, das sei eine Gewalt gegen einen Einzelnen und verlangt Aufnahme des Protestes in das Protokoll. Loehner verlangt zugleich, daß die Stunde in das Protokoll verzeichnet werde, damit es sich zeige, daß die Versammlung die Ordnung beachtet habe. Es wird zur Tagesordnung übergegangen und über Ausdrücke und Bestimmungen in der Geschäftsordnung debattirt, welche nicht von Belang sind. Von der Eider, 1. Aug.
Aus guter Quelle erfahren wir, daß unsere Truppen nicht in Jütland einrücken, und man fügt hinzu, daß die Preußen durch das 9. Armeekorps ersetzt werden sollen. Das Hauptquartier des Generals Wrangel ist seit gestern nach Apenrade verlegt. Rußland soll neuerdings eine geheime Note an Preußen erlassen haben, wonach es das Einrücken der Deutschen in Jütland als casus belli ansehen würde. Holland. 20
Zwei Bataillone von Breda und Bergen-op-Zoom haben den Befehl erhalten, nach Limburg zu marschiren. - Uebeigens droht Deutschland große Gefahr. Die beiden Helden Rogier und Cha-a-azal vindiziren in ihrem Journal, "L'Independance" Limburg für Belgien! Schweiz. Chur, 3. Aug.
Die lombardischen Nachrichten lauten immer kläglicher. Nach der gänzlichen Einnahme der Minciolinie (wobei Peschiera im Sturm genommen sein soll) ist nun auch die Ogliolinie aufgegeben und die Linie der Adda wenigstens schon durchbrochen (bei Codogno). Den 31. Juli zogen die Oestreicher in Cremona ein, wo sie sogar einen freundlichen Empfang gefunden haben sollen. Ein anderes östreichisches Corps (unter d'Aspre) hat etwas nördlicher von Soncino her Crema überfallen. Karl Albert hat versprochen, Mailand um jeden Preis zu decken; Brescia hält sich noch; man organisirt ein allgemeines Aufgebot. - Der englische Gesandte am Turiner Hofe hat sich, wie es heißt, in Radetzky's Hauptquartier begeben, um durch Drohung mit einer englisch-französischen Intervention einen Waffenstillstand zu bewirken. (Republikano.)volljährigen und selbstständigen Staatsangehörigen zuerkannt hatte, wurde auch in Kurhessen die Form der direkten Wahl nicht blos als die geeignetste gewählt, sondern auch als zweckmäßig und wohlausführbar erprobt. Der Wahlmodus aber, welcher den Zwecken der Nationalversammlung entsprach, wird auch wohl für die Kurhessische Volksvertretung nicht falsch und gefahrbringend sein. Das neue Wahlgesetz behält sodann den Wahlcensus bei. Derselbe vernichtet aber vollkommen den Grundsatz der aus dem allgemein anerkannten Prinzip der Volkssouverainetät hervorgehenden gleichen politischen Berechtigung. Wo das Vermögen entscheidet, da kann die politische Befähigung, die Kraft der Intelligenz sich bei Feststellung der gesetzlichen Ordnung nicht frei entfalten; wo nur der Hochbesteuerte wählen und gewählt werden darf, da kann der politisch Hochbegabte, wenn ihn das Geschick nicht mit äußeren Glücksgütern beschenkt hat, von seiner politischen Freiheit keinen Gebrauch machen; er muß oft einem unfähigen Menschen nachstehen, dem, vielleicht ohne sein Verdienst, solche Güter zu Theil geworden sind; da machen am Ende der Besitz, das Geld und die Interessen des Geldes das Gesetz, aber nicht der Volksgeist; ‒ und das ist eines freien Staates unwürdig. Das neue Gesetz hebt zwar den Census für die Abgeordneten auf; allein dies ist nur eine scheinbare Verbesserung, da der Census für die Wahlmänner geblieben ist. Wenn der Wähler die Wahlmänner nicht aus allen Bürgern herausnehmen kann, so ist es ihm ja ganz unmöglich, diejenigen zu wählen, welche er vielleicht gerade für die tüchtigsten hält, und wie läßt sich außerdem erwarten, daß die Kaste der hochbesteuerten Wahlmänner ihren Abgeordneten aus einer unter ihr stehenden, unberechtigten Kaste wählen wird? Das neue Gesetz hält ferner das Alter von 30 Jahren als Bedingung der Wählbarkeit fest. Die politische und moralische Befähigung eines Abgeordneten, welche bei den Wahlen allein in Betracht kommt, läßt sich nicht äußerlich einem bestimmten Lebensjahr bemessen; die persönliche Tüchtigkeit ist an kein bestimmtes Alter geknüpft. Die politische Selbstständigkeit, welche mit der Volljährigkeit erreicht wird, ist hier der allein richtige Maaßstab; unter den volljährigen Staatsbürgern mag der tüchtigste gewählt werden, sei dieser nun 25, 30 oder 40 Jahre alt. Was uns aber am meisten in Erstaunen gesetzt hat, ist die Festhaltung der Wahl nach Ständen, namentlich der besondern Vertretung der Ritterschaft etc., eine Einrichtung, die nur im Mittelalter einen Sinn hatte. In Frankreich hat man den Adel abgeschafft, der neue preußische Verfassungsentwurf hebt die Vorrechte des Adels auf und erkennt nur noch freie und gleichberechtigte Staatsbürger an. Das neue Wahlgesetz dagegen, anstatt durch eine angemessene Eintheilung des Landes in eine entsprechende Zahl von Wahlbezirken allen Staatsbürgern einen gleichen Antheil bei den Wahlen und damit bei der Gesetzgebung zu sichern, läßt einen Stand im Besitze eines veralteten Privilegs. Es setzt ihn demnach über die andern Staatsbürger und bringt wieder den Kampf und die Herrschaft der Standesinteressen in die volksvertretende Kammer, und jenes Standesbewußtsein, welches so vielen Anstoß in Hessen fand und doch nur die nothwendige Folge des Wahlgesetzes ist. Unter diesen Umständen fordern wir Kurfürstliches Ministerium des Innern auf: „der Ständeversammlung schleunigst ein neues Wahlgesetz nach den obigen Respektvoll zeichnen Kurfürstl. Ministeriums des Innern Marburg, 30. Juli. gehorsamste: Hannover. Der König von Hannover hat in Nachahmung des Königs von Preußen eine General-Ordre an die Armee in Bezug auf das Peucker'sche Circulair erlassen, welche mit andern Worten ungefähr dasselbe sagt, wie der preußische Armeebefehl. Die General-Ordre ist vom 6. August (ante-) datirt. Sie macht den Soldaten bekannt, daß der König seine Zustimmung zu der Wahl eines Reichsverwesers gegeben habe, und daß zu den Befugnissen desselben die Oberleitung der deutschen Heere ganz in derselben Weise, wie sie bisher dem Bundestage zugestanden habe, gehöre. Sobald es zum Schutze Deutschlands erforderlich sei, werde der König den Soldaten befehlen, sich den übrigen deutschen Heeresabtheilungen unter der Oberleitung des Reichsverwesers anzuschließen. Er sei überzeugt, daß sie unter dieser Oberleitung ihren alten Ruhm bewähren werden. Von einer Parade ist nicht die Rede und auch die Parade der Bürgerwehr ist (durch nicht zu beseitigende Aeußerlichkeiten, wie die „Morgenzeitung“ berichtet) bis zur nächsten Woche verschoben worden. ‒ In Braunschweig ist es zu unruhigen Auftritten gekommen. Die Bürger verlangten die militärische Huldigungsfeier; der Herzog versprach dem Beispiel der verbündeten Regierungen folgen zu wollen. Die Antwort genügte nicht; es wurde eine zweite Deputation abgeordnet. Der Erfolg derselben ist noch nicht bekannt. Prag, 2. Aug. Dr. Brauner ist ‒ wie wir vernehmen ‒ bereits für unschuldig erklärt, aber ganz im Widerspruch hiemit noch immer nicht freigelassen worden. Auch die Uebergabe der Gefangenen an das Civilgericht soll trotz Ministerialbefehls noch nicht stattgefunden haben. (Const. Bl. a. B.)Graf Buquoy hat folgende Erklärung veröffentlicht: „Nachdem sich bei der gegen mich eingeleiteten strengen Untersuchung über die mir zur Last gelegte Mitschuld an dem Verbrechen der Verschwörung und des Aufruhrs meine vollkommene Schuldlosigkeit herausgestellt hat, so bin ich Freitag den 28. Juli aus dem Untersuchungsverhafte auf dem Prager Schlosse entlassen worden. ‒ Da ich den Fall allerdings für möglich erachte, daß diese meine Schuldlosigkeits-Erklärung, deren Veröffentlichung ich seiner Zeit von der Untersuchungs-Behörde mit Zuversicht erwarte, zu einer neuerlichen Veranlassung von Erbitterung und Aufregung benützt werden könnte, so finde ich mich im Interesse der Ruhe meiner Vaterstadt Prag und zum Beweise, daß mir, trotz der in meinem Verhafte ausgestandenen schweren Leiden, jedes Gefühl persönlicher Feindseligkeit oder der Rache fremd ist ‒ bewogen, hiemit freiwillig und ungezwungen öffentlich zu erklären, daß nach denen mir im Laufe der Untersuchung zur Kenntniß gekommenen boshaften und rein erdichteten Denunciationen und absichtlich ausgestreuten Verläumdungen über meine vermeinte Theilnahme an den Prager Ereignissen, ich die von Seiten des kommandirenden Generals, Fürsten Windisch-Grätz über mich verhängte Verhaftung nicht nur allein für durchaus gerechtfertigt und im Gesetze gegründet finde, sondern daß ich auch gestehe, daß ich an seiner Stelle diese Verhaftung selber angeordnet haben würde. ‒ Das gleiche Motiv: von meiner Seite jede Veranlassung, wodurch die Ruhe und der Friede meiner Mitbürger neuerlich gestört werden könnte, zu beseitigen, hat mich auch allein bewogen, sogleich nach Aufhebung meines Verhafts von Prag abzureisen, und ich ersuche meine lieben Mitbürger, meine vielleicht längere Entfernung aus ihrer Mitte nicht etwa als eine Mißachtung oder Feindseligkeit auszulegen, sondern sie lediglich dem Wunsche zuzuschreiben: hiedurch jede Veranlassung einer durch meine Anwesenheit vielleicht ohne mein Wissen entstehenden Aufregung zu entfernen. Schloß Rothenhaus, am 1. August 1848. 61 Wien, 3. August. Angeblich zu Ehren der in Italien gzfallenen Helden der k. k. Armee, im Grunde jedoch, um seiner Antipathie wider die neulich stattgehabte revolutionäre Trauerfeier durch eine ähnliche Feier kund zu geben, hat das hiesige Militär in der Hofkirche zu den Augustinern, heute ein durch und durch schwarzgelbes Requiem abgehalten, an welchem sich die eitelsten, zugleich aber demüthigsten Nationalgarde-Offiziere betheiligt haben. ‒ Weder der Reichstag, noch der Ausschuß, noch auch die akademische Legion schienen mir in der Kirche vertreten zu sein. Wahrscheinlich hatte sie das Militär, welches in ihnen nur Rebellen erblickt, gar nicht eingeladen. Wie überall, so wurde auch hier das demüthig-wedelnde Bürgerthum der Nationalgarde vom Militär kaum beachtet. ‒ Die Aufregung wächst in den Vorstädten und in den benachbarten Ortschaften. Fast täglich finden Katzenmusiken statt, die mitunter, wie es gestern in der Alservorstadt geschehen, in Krawalle ausarten. ‒ Ein Bürger aus Linz hat eine eigene Reise hieher gemacht, um dem Sicherheitsausschusse von den drohenden Bewegungen des Militärs und von den Gerüchten Kenntniß zu geben, welche über die Pläne der Kamarilla in Oberöstreich verlauten. Man soll unter Anderm Willens sein, die Donau zu sperren. Daß es auf einen Schlag abgesehen, gewinnt in der Ueberzeugung des Publikums täglich mehr an Gewicht. ‒ Das Ministerium ist theils ohnmächtig, theils liebäugelt es noch immer mit der Kamarilla; sonst wäre die Ansammlung des Militärs in und um Wien, das feige Auftreten gegen die Bureaukratie, ja die Thatlosigkeit dieses Ministeriums ein Räthsel. Mit dem Vertrauensvotum über die geforderte Rückkehr des Kaisers in der Tasche, glaubt es schlafen zu können. Seine Thätigkeit beschränkt sich fast nur auf die Beantwortung einiger unbedeutenden Interpellationen. ‒ In Beziehung auf die Rückkehr des Kaisers äußert sich die öffentliche Meinung namentlich des Landvolks dahin, der Kaiser möge bleiben, wo er Lust habe, man brauche ihn nicht mehr. Die Aula soll dem Kaiser in einer eigenen Adresse die Erklärung gemacht haben, Oestreich würde sich selbst ein Oberhaupt wählen, wenn er keine Lust trage, sein Oberhaupt zu sein nach dem Willen des Volks. Die Berathung des § 34 der Geschäftsordnung hat den Reichstag in seiner Sitzung vom 31. Juli an einen zweiten Prüfungsstein gebracht, an welchem er nicht verfehlte, zu stolpern. Es handelte sich von der Frage, wie der Ausschuß zu bilden sei, welcher den Entwurf der Konstitution des Reichs, der Provinzen und Gemeinden zu bearbeiten habe. Der Reichstag beschloß nach einer konfusen Debatte darüber, daß dieser Ausschuß in der Art gebildet werde, daß hiezu die Abgeordneten der einzelnen zehn Gouvernements aus sich je drei Mitglieder, daher zusammen dreißig, wählen sollen. Die Folge dieses Beschlusses ist ein bedeutendes Uebergewicht des deutschen Elementes. Galizien mit 51/2 Mill. Einwohnern, Böhmen mit etwa 3 Millionen haben danach im Ausschuß nicht mehr Stimmen, als die kleinsten deutschen Provinzen von nur einigen hunderttausend Bewohnern. Der kleinen deutschen Provinzen gibt es aber viele, während Galizien nur eine große Provinz ist. Säße auch Ungarn im Wiener Reichstag, so würden seine 12 Mill. Seelen bei der Konstituirung des künftigen östreichischen Staatsrechts folgeweise ebenfalls nicht mehr zu sagen haben, als die 700,000 Seelen, welche das Erzherzogthum bewohnen. Die hiesige deutsche Partei hält die Annahme dieses § für einen Sieg; Vernünftigere sind dieser Meinung durchaus nicht. Kein Sieg, aber wohl ein im Namen des Deutschthums verübter Despotismus liegt darin. Es sitzen im Reichstage etwa 80 Abgeordnete, welche keine Silbe Deutsch verstehen und daher noch nicht wissen, was sie thun. Um keine ganz bedeutungslosen Gestalten zu bleiben, lassen sie sich als Werkzeuge verdollmetschender Anderer gebrauchen und dadurch mag denn jener Beschluß möglich geworden sein. Die Abgeordneten, denen das Germanenthum den Zwang der Sprache anthut, sind meistens polnisch-ruthenische Bauern aus Galizien. ‒ Oestreich ist bisher nur eine politische Fiktion gewesen. Das Haus Habsburg hatte während Jahrhunderten einen Länderfetzen nach dem andern an das Erzherzogthum angepappt, hatte sogar das römisch-deutsche Kaiserthum daran gepappt und dieses Staaten-Chaos bis in die neueste Zeit mit den Gewalten antidiluvianischer Finsterniß so ziemlich zusammen zu halten gewußt. Jetzt aber ist es in diesem Chaos kühl geworden, die Bande fliegen auseinander, die Völker erkennen sich trotz des Wirrwar's und wollen sich auf die eigenen Beine stellen. Das Magyarenthum ist bereits mit einem entschiedenen Schritte vorangegangen, es hat sich vom erzherzoglichen Leibe losgerissen, und damit dem Fortbestand der Fiktion Oestreich, als dynastischem, einen Todesstoß gegeben. Die übrigen Völker werden, je mehr sie zur Erkenntniß ihrer eigenen Beine kommen, desgleichen thun und der Reichstag kann daher keine andere Folge haben, als den Todesstreich entweder vollends zu vollführen, oder ein ganz neues Oesterreich zu schaffen. Letzteres kann nur dann geschehen, wenn die verschiedenen Völker des gegenwärtigen Oesterreich ihrer Nationalität entsagen, um sich in einem demokratisch-künstlichen Staatenverbande eben so brüderlich zu umarmen, als sie sich in dem absolutistisch-künstlichen Staatenverbande ferngestanden haben. ‒ Mit Rücksicht auf diese Zustände nenne ich den Sieg des Deutschthums in der Reichstagssitzung vom 31. Juli einen durchaus falschen, und muß ihn einen unhaltbaren nennen, wenn ich erwäge, wie lächerlich sich das Deutschthum in Frankfurt macht und wie wenig das österreichische Deutschthum daher im Stande sein wird, in dem neuen österreichischen Staatenvereine auf die Dauer Oberwasser zu bleiben. Die hiesige öffentliche Meinung will in Nesselrode's Note nichts Anderes erblicken, als das kombinirte Todesröcheln sämmtlicher von den Völkern Westeuropa's beschimpften Satrapen des Czaren. Wien, 1. Aug. Nach Inhalt eines mir so eben von dem Landrechte, als Preßgericht, zugekommenen Dekretes vom 31. Juli d. J. ist in Folge der von mir überreichten Klage Hr. Mathias Emanuel Löbenstein wegen des in dem Blatte Nr. 53 der von ihm redigirten „Wiener Allgemeinen Zeitung“ enthaltenen Artikels: „Der Minister der Arbeit Ernst v. Schwarzer“ wegen Ehrenbeleidigung auf Grund des §. 14 des Preßgesetzes, in den Anklagestand versetzt, und ihm auch bereits die Anzeige von dieser Klage in seinem Blatte aufgetragen worden. E. Schwarzer. * Wien, 1. Aug. Batthiany ist fort, eben so Jellachich; ob aber die beabsichtigte Vermittelung zwischen Ungarn und Kroatien gelungen oder nicht, darüber konnte man bisher nichts Sicheres erfahren. Wahrscheinlich ist, daß keine Pazifikation zu Stande gekommen, oder, wäre sie's auf dem Papier, daß sie von der Wirklichkeit bald wieder ausgelöscht würde. Wien. Sitzung der konstituirenden Reichsversammlung vom 1. August. Die in den Ausschuß für den Verfassungsentwurf getroffenen Wahlen werden vom präsidirenden Vizepräsidenten Strobach verlesen. Wiesenauer interpellirt das Ministerium in Betreff eines wüthenden Schmähartikels gegen ein Mitglied desselben. Der Arbeitsminister Schwarzer erwiedert, er habe be ider Alternative, die Sache vors Gericht zu bringen, oder zurückzutreten, das erstere vorgezogen. Vor dem Parlamente sich zu vertheidigen, hält er für unparlamentarisch; hier habe das Gericht zu verfahren und zu entscheiden. Er bittet schließlich das alte Ministerium, sich über das zwischen ihnen bestandene Verhältniß, zu erklären. Pillersdorf: Obgleich ihm der betreffende Zeitungsartikel unbekannt, so könne er sich doch, hierzu aufgefordert, über die literarische Verbindung unumwunden dahin aussprechen, daß er mit keinem Literaten in Verbindung gestanden. Er sei der Ansicht gewesen, die Presse selbst müsse die Irrthümer der Presse widerlegen; von ihm habe weder das eine noch das andere Journal eine Vergütung erhalten. Hiermit glaube er die gegen Hrn. Schwarzer vorgebrachte Beschuldigung hinreichend widerlegt, und bemerkt bloß noch, daß in solchen Fällen der Bestecher, nicht der Bestochene die härtere Strafe verdient. Finanzminister Kraus bezeugt, daß aus den Finanzen niemals etwas an das fragliche Journal geleistet worden. Dieses, die „Allgem. Oester. Ztg.,“ deren Redakteur Hr. Schwarzer gewesen, habe amtliche Mittheilungen und Neuigkeiten zu erhalten gewünscht, sonst aber niemals in irgend einer Beziehung zum Ministerium Pillersdorf gestanden. Der beste Beweis seien wohl die oft sehr scharfen Angriffe des Blattes auf das Ministerium gewesen. Lange interpellirt wegen Krakau's. Diese Stadt ist ohne Anlaß Seitens der Bürger bombardirt worden. Der Staat sei unter Anderm verpflichtet, Schadenersatz zu leisten. Einer Krakauer Deputation sei am 17. Mai zu Wien eine strenge Untersuchung des Militairverfahrens verheißen worden. Am 19. Mai sei auch die betreffende Anweisung an die Hofkommission nach Krakau abgegangen. Allein seit diesen drei Monaten höre man keine Silbe weiter. Dobblhoff theilt mit, daß er bereits Jemanden abgeordnet, die Angelegenheit rasch zu Ende zu führen. Lange: Ich fordere Genugthuung und trage nochmals auf Vorlage der Aktenstücke an. Auch wegen der Nationalgarde, die bekanntlich aufgelöst worden und die trotz aller Verheißungen noch nicht reorganisirt ist, interpellirt er und erhält vom Minister befriedigende Zusicherung. Wien. Sitzung des konstituirenden Reichstages am 2. August. Vorsitz: Vicepräsident Strobach. Die Sitzung beginnt um halb 11 Uhr. Minister Dobblhof giebt Auskunft über die gestern angeregten Verhältnisse wegen der Deputirten Dalmatiens. Zehn Wahlen seien, wie ihm nun bekannt, vollzogen, die eilfte in Cattaro noch nicht, und die Deputirten entschuldigten sich darum bisher noch nicht eingetroffen zu sein, da durch die Blockade Triests die Dampfbootverbindung gestört war. Minister Schwarzer antwortete auf die gestern von Neuwall gestellten Fragen. Es ist wahr, daß der modenesische Pallast dem Staate 500,000 fl. gekostet habe, aber es ist dem nicht so, daß ihn der Hof ganz benütze, sondern nur zum Theile; ein großer Theil ist öffentlichen Zwecken gewidmet, ein kleiner Theil vom Hofe zur Unterbringung von Möbeln benützt. Er überlasse es dem Schicklichkeitsgefühle der Reichsversammlung ob es an der Zeit sei, jetzt zu entscheiden, ob eine Trennung zwischen Civilliste und Staatsschatz stattfinden solle und glaube, daß diese Spezialfrage bis zur Entscheidung aufzuschieben wäre. Zum Justiz- und Handelsministerialgebäude wurde das Batthyanische Palais, mit dem bis 1851 ein Kontrakt abgeschlossen ist, verwendet. Das Lichtensteinische Palais sei den 15. Februar auf neue [#] Jahre gemiethet worden, und zwar nicht um jährlich 9 sondern 11,000 fl. Fürst Lichtenstein erklärt nur für die Justiz und es werde ihm daher das Gebäude wieder zurückgestellt oder etwa anderweitig benützt werden. Er, Schwarzer, werde die Papiere über die Dikasterialgebäude im Hause niederlegen. Trunner interpellirt den Minister Dobblhof. „Ich erlaube mir die Anfrage, ob es dem Minister des Innern bekannt, daß gestern Abends ein bedeutender Volksauflauf in der Hauptstraße der Alservorstadt stattgefunden habe, welcher Volksauflauf sich sogar der Person des Pfarrers bemächtigen wollte. Dieser Volksauflauf dauerte bis gegen Mitternacht, und ich behaupte, daß, wenn ein solcher Volksauflauf stattfinde, die Ruhe in Wien durch einen solchen Volksauflauf in Zweifel gesetzt sei. Ich erlaube mir zu fragen, ob der Herr Minister des Innern Maßregeln gegen diesen Volksauflauf bereits ergriffen hat oder gegen diesen Volksauflauf ergreifen wird, damit ein solcher Volksauflauf, wenn auch in Zukunft nicht unmöglich gemacht, doch wirksam erdrückt werde. Es sind gegen diesen Volksauflauf die strengsten Maßregeln unerläßlich, weil sonst die Reichsversammlung durch solche Volksaufläufe einer Unwahrheit gezeiht werden könnte, da sie in der abgesandten Adresse an Se. Majestät von Ruhe und Ordnung in Wien gesprochen habe. Es würde mich wundern, wenn die 40,000 Mann Nationalgarden und die Militärbesatzung in Wien nicht hinreichen sollten, einen solchen Volksauflauf zu unterdrücken. ‒ Ich frage ferner den Minister der Justiz ob er gegen diesen Volksauflauf etwas veranlaßt hat, oder gegen diesen Volksauflauf veranlassen will, und die Anstifter bei diesem Volksauflauf zur Verantwortung ziehen wird. Ich meine das alte Gesetz steht noch aufrecht.“ Diese Rede wurde oft von Lachen und Zischen unterbrochen und der Präsident mußte mehrmals zur Ordnung rufen. Prestl erlaubt sich vor der Antwort des Ministers das Wort zu nehmen, und sagt unter Beifall, es stehe wohl jedem Abgeordneten das Recht der Frage nicht aber zugleich des Urtheiles zu. Er beantrage, daß man bloß fragen aber nicht ausführen dürfe, da es sonst Manchem einfallen könnte die Versammlung eine Stunde lang mit nichts hinzuhalten. Minister Doblhof. Der Fall sei ihm bekannt und es werden die Umstände erhoben. Bedenklich sei bei dem Falle nichts (Beifall), indem er nichts besonders Ernstes an sich habe und die ängstliche Besorgniß sei ganz ohne Anlaß. (Beifall.) Justizminister Bach drückt aus, daß wenn das Ministerium über jeden Vorfall von einem Abgeordneten befragt und dann aufgefordert werde zu handeln, es den Anschein habe, als ob das Ministerium nicht seine Pflicht thue und erst dazu aufgefordert werden müsse, zugleich beschäftigten sich dann Abgeordnete mehr mit Justiz als mit dem eigentlichen Reichstage. (Beifall.) Strobach will zur Tagesordnung übergehen, Sierokawsky das Ministerium interpelliren. Strohbach besteht auf Abstimmung über Tagesordnung. Abgestimmt; Majorität. Sierakowsky protestirt und sagt, das sei eine Gewalt gegen einen Einzelnen und verlangt Aufnahme des Protestes in das Protokoll. Loehner verlangt zugleich, daß die Stunde in das Protokoll verzeichnet werde, damit es sich zeige, daß die Versammlung die Ordnung beachtet habe. Es wird zur Tagesordnung übergegangen und über Ausdrücke und Bestimmungen in der Geschäftsordnung debattirt, welche nicht von Belang sind. Von der Eider, 1. Aug.
Aus guter Quelle erfahren wir, daß unsere Truppen nicht in Jütland einrücken, und man fügt hinzu, daß die Preußen durch das 9. Armeekorps ersetzt werden sollen. Das Hauptquartier des Generals Wrangel ist seit gestern nach Apenrade verlegt. Rußland soll neuerdings eine geheime Note an Preußen erlassen haben, wonach es das Einrücken der Deutschen in Jütland als casus belli ansehen würde. Holland. 20
Zwei Bataillone von Breda und Bergen-op-Zoom haben den Befehl erhalten, nach Limburg zu marschiren. ‒ Uebeigens droht Deutschland große Gefahr. Die beiden Helden Rogier und Cha-a-azal vindiziren in ihrem Journal, „L'Independance“ Limburg für Belgien! Schweiz. Chur, 3. Aug.
Die lombardischen Nachrichten lauten immer kläglicher. Nach der gänzlichen Einnahme der Minciolinie (wobei Peschiera im Sturm genommen sein soll) ist nun auch die Ogliolinie aufgegeben und die Linie der Adda wenigstens schon durchbrochen (bei Codogno). Den 31. Juli zogen die Oestreicher in Cremona ein, wo sie sogar einen freundlichen Empfang gefunden haben sollen. Ein anderes östreichisches Corps (unter d'Aspre) hat etwas nördlicher von Soncino her Crema überfallen. Karl Albert hat versprochen, Mailand um jeden Preis zu decken; Brescia hält sich noch; man organisirt ein allgemeines Aufgebot. ‒ Der englische Gesandte am Turiner Hofe hat sich, wie es heißt, in Radetzky's Hauptquartier begeben, um durch Drohung mit einer englisch-französischen Intervention einen Waffenstillstand zu bewirken. (Republikano.)<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar069_010" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0003" n="0347"/> volljährigen und selbstständigen Staatsangehörigen zuerkannt hatte, wurde auch in Kurhessen die Form der direkten Wahl nicht blos als die geeignetste gewählt, sondern auch als zweckmäßig und wohlausführbar erprobt. Der Wahlmodus aber, welcher den Zwecken der Nationalversammlung entsprach, wird auch wohl für die Kurhessische Volksvertretung nicht falsch und gefahrbringend sein.</p> <p>Das neue Wahlgesetz behält sodann den Wahlcensus bei. Derselbe vernichtet aber vollkommen den Grundsatz der aus dem allgemein anerkannten Prinzip der Volkssouverainetät hervorgehenden gleichen politischen Berechtigung. Wo das Vermögen entscheidet, da kann die politische Befähigung, die Kraft der Intelligenz sich bei Feststellung der gesetzlichen Ordnung nicht frei entfalten; wo nur der Hochbesteuerte wählen und gewählt werden darf, da kann der politisch Hochbegabte, wenn ihn das Geschick nicht mit äußeren Glücksgütern beschenkt hat, von seiner politischen Freiheit keinen Gebrauch machen; er muß oft einem unfähigen Menschen nachstehen, dem, vielleicht ohne sein Verdienst, solche Güter zu Theil geworden sind; da machen am Ende der Besitz, das Geld und die Interessen des Geldes das Gesetz, aber nicht der Volksgeist; ‒ und das ist eines freien Staates unwürdig. Das neue Gesetz hebt zwar den Census für die Abgeordneten auf; allein dies ist nur eine scheinbare Verbesserung, da der Census für die Wahlmänner geblieben ist. Wenn der Wähler die Wahlmänner nicht aus allen Bürgern herausnehmen kann, so ist es ihm ja ganz unmöglich, diejenigen zu wählen, welche er vielleicht gerade für die tüchtigsten hält, und wie läßt sich außerdem erwarten, daß die Kaste der hochbesteuerten Wahlmänner ihren Abgeordneten aus einer unter ihr stehenden, unberechtigten Kaste wählen wird?</p> <p>Das neue Gesetz hält ferner das Alter von 30 Jahren als Bedingung der Wählbarkeit fest. Die politische und moralische Befähigung eines Abgeordneten, welche bei den Wahlen allein in Betracht kommt, läßt sich nicht äußerlich einem bestimmten Lebensjahr bemessen; die persönliche Tüchtigkeit ist an kein bestimmtes Alter geknüpft. Die politische Selbstständigkeit, welche mit der Volljährigkeit erreicht wird, ist hier der allein richtige Maaßstab; unter den volljährigen Staatsbürgern mag der tüchtigste gewählt werden, sei dieser nun 25, 30 oder 40 Jahre alt.</p> <p>Was uns aber am meisten in Erstaunen gesetzt hat, ist die Festhaltung der Wahl nach Ständen, namentlich der besondern Vertretung der Ritterschaft etc., eine Einrichtung, die nur im Mittelalter einen Sinn hatte. In Frankreich hat man den Adel abgeschafft, der neue preußische Verfassungsentwurf hebt die Vorrechte des Adels auf und erkennt nur noch freie und gleichberechtigte Staatsbürger an. Das neue Wahlgesetz dagegen, anstatt durch eine angemessene Eintheilung des Landes in eine entsprechende Zahl von Wahlbezirken allen Staatsbürgern einen gleichen Antheil bei den Wahlen und damit bei der Gesetzgebung zu sichern, läßt einen Stand im Besitze eines veralteten Privilegs. Es setzt ihn demnach über die andern Staatsbürger und bringt wieder den Kampf und die Herrschaft der Standesinteressen in die volksvertretende Kammer, und jenes Standesbewußtsein, welches so vielen Anstoß in Hessen fand und doch nur die nothwendige Folge des Wahlgesetzes ist. Unter diesen Umständen fordern wir Kurfürstliches Ministerium des Innern auf:</p> <p rendition="#et">„der Ständeversammlung schleunigst ein neues Wahlgesetz nach den obigen<lb/> „Grundsätzen der direkten Wahl ohne Census, Standes- und Alters-<lb/> „beschränkungen vorzulegen und nach dessen Genehmigung die Stände-<lb/> „versammlung sofort aufzulösen und eine neue zu berufen, mit der<lb/> „Aufgabe, dem durch die politische Bewegung im März thatsächlich und<lb/> „moralisch errungenen Standpunkte der Volkssouverainetät gesetzliche<lb/> „Kraft zu geben.“</p> <p>Respektvoll zeichnen Kurfürstl. Ministeriums des Innern</p> <p><hi rendition="#g">Marburg,</hi> 30. Juli. gehorsamste:<lb/> (Folgen die Unterschriften.)</p> </div> <div xml:id="ar069_011" type="jArticle"> <head>Hannover.</head> <p>Der König von Hannover hat in Nachahmung des Königs von Preußen eine General-Ordre an die Armee in Bezug auf das Peucker'sche Circulair erlassen, welche mit andern Worten ungefähr dasselbe sagt, wie der preußische Armeebefehl. Die General-Ordre ist vom 6. August (ante-) datirt. Sie macht den Soldaten bekannt, daß der König seine Zustimmung zu der Wahl eines Reichsverwesers gegeben habe, und daß zu den Befugnissen desselben die Oberleitung der deutschen Heere ganz in derselben Weise, wie sie bisher dem Bundestage zugestanden habe, gehöre. Sobald es zum Schutze Deutschlands erforderlich sei, werde der König den Soldaten befehlen, sich den übrigen deutschen Heeresabtheilungen unter der Oberleitung des Reichsverwesers anzuschließen. Er sei überzeugt, daß sie unter dieser Oberleitung ihren alten Ruhm bewähren werden. Von einer Parade ist nicht die Rede und auch die Parade der Bürgerwehr ist (durch nicht zu beseitigende Aeußerlichkeiten, wie die „Morgenzeitung“ berichtet) bis zur nächsten Woche verschoben worden.</p> <p>‒ In <hi rendition="#b">Braunschweig</hi> ist es zu unruhigen Auftritten gekommen. Die Bürger verlangten die militärische Huldigungsfeier; der Herzog versprach dem Beispiel der verbündeten Regierungen folgen zu wollen. Die Antwort genügte nicht; es wurde eine zweite Deputation abgeordnet. Der Erfolg derselben ist noch nicht bekannt.</p> </div> <div xml:id="ar069_012" type="jArticle"> <head>Prag, 2. Aug.</head> <p>Dr. Brauner ist ‒ wie wir vernehmen ‒ bereits für unschuldig erklärt, aber ganz im Widerspruch hiemit noch immer nicht freigelassen worden. Auch die Uebergabe der Gefangenen an das Civilgericht soll trotz Ministerialbefehls noch nicht stattgefunden haben.</p> <bibl>(Const. Bl. a. B.)</bibl> <p>Graf Buquoy hat folgende Erklärung veröffentlicht:</p> <p>„Nachdem sich bei der gegen mich eingeleiteten strengen Untersuchung über die mir zur Last gelegte Mitschuld an dem Verbrechen der Verschwörung und des Aufruhrs meine vollkommene Schuldlosigkeit herausgestellt hat, so bin ich Freitag den 28. Juli aus dem Untersuchungsverhafte auf dem Prager Schlosse entlassen worden. ‒ Da ich den Fall allerdings für möglich erachte, daß diese meine Schuldlosigkeits-Erklärung, deren Veröffentlichung ich seiner Zeit von der Untersuchungs-Behörde mit Zuversicht erwarte, zu einer neuerlichen Veranlassung von Erbitterung und Aufregung benützt werden könnte, so finde ich mich im Interesse der Ruhe meiner Vaterstadt Prag und zum Beweise, daß mir, trotz der in meinem Verhafte ausgestandenen schweren Leiden, jedes Gefühl persönlicher Feindseligkeit oder der Rache fremd ist ‒ bewogen, hiemit freiwillig und ungezwungen öffentlich zu erklären, daß nach denen mir im Laufe der Untersuchung zur Kenntniß gekommenen boshaften und rein erdichteten Denunciationen und absichtlich ausgestreuten Verläumdungen über meine vermeinte Theilnahme an den Prager Ereignissen, ich die von Seiten des kommandirenden Generals, Fürsten Windisch-Grätz über mich verhängte Verhaftung nicht nur allein für durchaus gerechtfertigt und im Gesetze gegründet finde, sondern daß ich auch gestehe, daß ich an seiner Stelle diese Verhaftung selber angeordnet haben würde. ‒ Das gleiche Motiv: von meiner Seite jede Veranlassung, wodurch die Ruhe und der Friede meiner Mitbürger neuerlich gestört werden könnte, zu beseitigen, hat mich auch allein bewogen, sogleich nach Aufhebung meines Verhafts von Prag abzureisen, und ich ersuche meine lieben Mitbürger, meine vielleicht längere Entfernung aus ihrer Mitte nicht etwa als eine Mißachtung oder Feindseligkeit auszulegen, sondern sie lediglich dem Wunsche zuzuschreiben: hiedurch jede Veranlassung einer durch meine Anwesenheit vielleicht ohne mein Wissen entstehenden Aufregung zu entfernen.</p> <p>Schloß Rothenhaus, am 1. August 1848.</p> </div> <div xml:id="ar069_013" type="jArticle"> <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 3. August.</head> <p>Angeblich zu Ehren der in Italien gzfallenen Helden der k. k. Armee, im Grunde jedoch, um seiner Antipathie wider die neulich stattgehabte revolutionäre Trauerfeier durch eine ähnliche Feier kund zu geben, hat das hiesige Militär in der Hofkirche zu den Augustinern, heute ein durch und durch schwarzgelbes Requiem abgehalten, an welchem sich die eitelsten, zugleich aber demüthigsten Nationalgarde-Offiziere betheiligt haben. ‒ Weder der Reichstag, noch der Ausschuß, noch auch die akademische Legion schienen mir in der Kirche vertreten zu sein. Wahrscheinlich hatte sie das Militär, welches in ihnen nur Rebellen erblickt, gar nicht eingeladen. Wie überall, so wurde auch hier das demüthig-wedelnde Bürgerthum der Nationalgarde vom Militär kaum beachtet. ‒ Die Aufregung wächst in den Vorstädten und in den benachbarten Ortschaften. Fast täglich finden Katzenmusiken statt, die mitunter, wie es gestern in der Alservorstadt geschehen, in Krawalle ausarten. ‒ Ein Bürger aus Linz hat eine eigene Reise hieher gemacht, um dem Sicherheitsausschusse von den drohenden Bewegungen des Militärs und von den Gerüchten Kenntniß zu geben, welche über die Pläne der Kamarilla in Oberöstreich verlauten. Man soll unter Anderm Willens sein, die Donau zu sperren. Daß es auf einen Schlag abgesehen, gewinnt in der Ueberzeugung des Publikums täglich mehr an Gewicht. ‒ Das Ministerium ist theils ohnmächtig, theils liebäugelt es noch immer mit der Kamarilla; sonst wäre die Ansammlung des Militärs in und um Wien, das feige Auftreten gegen die Bureaukratie, ja die Thatlosigkeit dieses Ministeriums ein Räthsel. Mit dem Vertrauensvotum über die geforderte Rückkehr des Kaisers in der Tasche, glaubt es schlafen zu können. Seine Thätigkeit beschränkt sich fast nur auf die Beantwortung einiger unbedeutenden Interpellationen. ‒ In Beziehung auf die Rückkehr des Kaisers äußert sich die öffentliche Meinung namentlich des Landvolks dahin, der Kaiser möge bleiben, wo er Lust habe, man brauche ihn nicht mehr. Die Aula soll dem Kaiser in einer eigenen Adresse die Erklärung gemacht haben, Oestreich würde sich selbst ein Oberhaupt wählen, wenn er keine Lust trage, sein Oberhaupt zu sein nach dem Willen des Volks.</p> <p>Die Berathung des § 34 der Geschäftsordnung hat den Reichstag in seiner Sitzung vom 31. Juli an einen zweiten Prüfungsstein gebracht, an welchem er nicht verfehlte, zu stolpern. Es handelte sich von der Frage, wie der Ausschuß zu bilden sei, welcher den Entwurf der Konstitution des Reichs, <hi rendition="#g">der Provinzen</hi> und Gemeinden zu bearbeiten habe. Der Reichstag beschloß nach einer konfusen Debatte darüber, daß dieser Ausschuß in der Art gebildet werde, daß hiezu <hi rendition="#g">die Abgeordneten der einzelnen zehn Gouvernements aus sich je drei Mitglieder, daher zusammen dreißig, wählen sollen.</hi> </p> <p>Die Folge dieses Beschlusses ist ein bedeutendes Uebergewicht des deutschen Elementes. Galizien mit 51/2 Mill. Einwohnern, Böhmen mit etwa 3 Millionen haben danach im Ausschuß nicht mehr Stimmen, als die kleinsten deutschen Provinzen von nur einigen hunderttausend Bewohnern. Der kleinen deutschen Provinzen gibt es aber viele, während Galizien nur <hi rendition="#g">eine</hi> große Provinz ist. Säße auch Ungarn im Wiener Reichstag, so würden seine 12 Mill. Seelen bei der Konstituirung des künftigen östreichischen Staatsrechts folgeweise ebenfalls nicht mehr zu sagen haben, als die 700,000 Seelen, welche das Erzherzogthum bewohnen. Die hiesige deutsche Partei hält die Annahme dieses § für einen Sieg; Vernünftigere sind dieser Meinung durchaus nicht. Kein Sieg, aber wohl ein im Namen des Deutschthums verübter Despotismus liegt darin. Es sitzen im Reichstage etwa 80 Abgeordnete, welche keine Silbe Deutsch verstehen und daher noch nicht wissen, was sie thun. Um keine ganz bedeutungslosen Gestalten zu bleiben, lassen sie sich als Werkzeuge verdollmetschender Anderer gebrauchen und dadurch mag denn jener Beschluß möglich geworden sein. Die Abgeordneten, denen das Germanenthum den Zwang der Sprache anthut, sind meistens polnisch-ruthenische Bauern aus Galizien. ‒ Oestreich ist bisher nur eine politische Fiktion gewesen. Das Haus Habsburg hatte während Jahrhunderten einen Länderfetzen nach dem andern an das Erzherzogthum angepappt, hatte sogar das römisch-deutsche Kaiserthum daran gepappt und dieses Staaten-Chaos bis in die neueste Zeit mit den Gewalten antidiluvianischer Finsterniß so ziemlich zusammen zu halten gewußt.</p> <p>Jetzt aber ist es in diesem Chaos kühl geworden, die Bande fliegen auseinander, die Völker erkennen sich trotz des Wirrwar's und wollen sich auf die <hi rendition="#g">eigenen</hi> Beine stellen. Das Magyarenthum ist bereits mit einem entschiedenen Schritte vorangegangen, es hat sich vom erzherzoglichen Leibe losgerissen, und damit dem Fortbestand der Fiktion Oestreich, als dynastischem, einen Todesstoß gegeben. Die übrigen Völker werden, je mehr sie zur Erkenntniß ihrer eigenen Beine kommen, desgleichen thun und der Reichstag kann daher keine andere Folge haben, als den Todesstreich entweder vollends zu vollführen, oder ein ganz neues Oesterreich zu schaffen. Letzteres kann nur dann geschehen, wenn die verschiedenen Völker des gegenwärtigen Oesterreich ihrer Nationalität entsagen, um sich in einem demokratisch-künstlichen Staatenverbande eben so brüderlich zu umarmen, als sie sich in dem absolutistisch-künstlichen Staatenverbande ferngestanden haben. ‒ Mit Rücksicht auf diese Zustände nenne ich den Sieg des Deutschthums in der Reichstagssitzung vom 31. Juli einen durchaus falschen, und muß ihn einen unhaltbaren nennen, wenn ich erwäge, wie lächerlich sich das Deutschthum in Frankfurt macht und wie wenig das österreichische Deutschthum daher im Stande sein wird, in dem neuen österreichischen Staatenvereine auf die Dauer Oberwasser zu bleiben.</p> <p>Die hiesige öffentliche Meinung will in Nesselrode's Note nichts Anderes erblicken, als das kombinirte Todesröcheln sämmtlicher von den Völkern Westeuropa's beschimpften Satrapen des Czaren.</p> </div> <div xml:id="ar069_014" type="jArticle"> <head>Wien, 1. Aug.</head> <p>Nach Inhalt eines mir so eben von dem Landrechte, als Preßgericht, zugekommenen Dekretes vom 31. Juli d. J. ist in Folge der von mir überreichten Klage Hr. Mathias Emanuel Löbenstein wegen des in dem Blatte Nr. 53 der von ihm redigirten „Wiener Allgemeinen Zeitung“ enthaltenen Artikels: „Der Minister der Arbeit Ernst v. Schwarzer“ wegen Ehrenbeleidigung auf Grund des §. 14 des Preßgesetzes, in den Anklagestand versetzt, und ihm auch bereits die Anzeige von dieser Klage in seinem Blatte aufgetragen worden.</p> <p> <hi rendition="#g">E. Schwarzer.</hi> </p> </div> <div xml:id="ar069_015" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Wien, 1. Aug.</head> <p>Batthiany ist fort, eben so Jellachich; ob aber die beabsichtigte Vermittelung zwischen Ungarn und Kroatien gelungen oder nicht, darüber konnte man bisher nichts Sicheres erfahren. Wahrscheinlich ist, daß keine Pazifikation zu Stande gekommen, oder, wäre sie's auf dem Papier, daß sie von der Wirklichkeit bald wieder ausgelöscht würde.</p> </div> <div xml:id="ar069_016" type="jArticle"> <head>Wien. Sitzung der konstituirenden Reichsversammlung vom 1. August.</head> <p>Die in den Ausschuß für den Verfassungsentwurf getroffenen Wahlen werden vom präsidirenden Vizepräsidenten Strobach verlesen. <hi rendition="#g">Wiesenauer</hi> interpellirt das Ministerium in Betreff eines wüthenden Schmähartikels gegen ein Mitglied desselben. Der Arbeitsminister <hi rendition="#g">Schwarzer</hi> erwiedert, er habe be ider Alternative, die Sache vors Gericht zu bringen, oder zurückzutreten, das erstere vorgezogen. Vor dem Parlamente sich zu vertheidigen, hält er für unparlamentarisch; hier habe das <hi rendition="#g">Gericht</hi> zu verfahren und zu entscheiden. Er bittet schließlich das alte Ministerium, sich über das zwischen ihnen bestandene Verhältniß, zu erklären. <hi rendition="#g">Pillersdorf:</hi> Obgleich ihm der betreffende Zeitungsartikel unbekannt, so könne er sich doch, hierzu aufgefordert, über die literarische Verbindung unumwunden dahin aussprechen, daß er mit keinem Literaten in Verbindung gestanden. Er sei der Ansicht gewesen, die Presse selbst müsse die Irrthümer der Presse widerlegen; von ihm habe weder das eine noch das andere Journal eine Vergütung erhalten. Hiermit glaube er die gegen Hrn. Schwarzer vorgebrachte Beschuldigung hinreichend widerlegt, und bemerkt bloß noch, daß in solchen Fällen der Bestecher, nicht der Bestochene die härtere Strafe verdient.</p> <p>Finanzminister <hi rendition="#g">Kraus</hi> bezeugt, daß aus den Finanzen niemals etwas an das fragliche Journal geleistet worden. Dieses, die „Allgem. Oester. Ztg.,“ deren Redakteur Hr. Schwarzer gewesen, habe amtliche Mittheilungen und Neuigkeiten zu erhalten gewünscht, sonst aber niemals in irgend einer Beziehung zum Ministerium Pillersdorf gestanden. Der beste Beweis seien wohl die oft sehr scharfen Angriffe des Blattes auf das Ministerium gewesen. <hi rendition="#g">Lange</hi> interpellirt wegen Krakau's. Diese Stadt ist ohne Anlaß Seitens der Bürger bombardirt worden. Der Staat sei unter Anderm verpflichtet, Schadenersatz zu leisten. Einer Krakauer Deputation sei am 17. Mai zu Wien eine strenge Untersuchung des Militairverfahrens verheißen worden. Am 19. Mai sei auch die betreffende Anweisung an die Hofkommission nach Krakau abgegangen. Allein seit diesen drei Monaten höre man keine Silbe weiter. <hi rendition="#g">Dobblhoff</hi> theilt mit, daß er bereits Jemanden abgeordnet, die Angelegenheit rasch zu Ende zu führen. <hi rendition="#g">Lange:</hi> Ich fordere Genugthuung und trage nochmals auf Vorlage der Aktenstücke an. Auch wegen der Nationalgarde, die bekanntlich aufgelöst worden und die trotz aller Verheißungen noch nicht reorganisirt ist, interpellirt er und erhält vom Minister befriedigende Zusicherung.</p> </div> <div xml:id="ar069_017" type="jArticle"> <head>Wien. Sitzung des konstituirenden Reichstages am 2. August.</head> <p>Vorsitz: Vicepräsident Strobach.</p> <p>Die Sitzung beginnt um halb 11 Uhr.</p> <p>Minister Dobblhof giebt Auskunft über die gestern angeregten Verhältnisse wegen der Deputirten Dalmatiens. Zehn Wahlen seien, wie ihm nun bekannt, vollzogen, die eilfte in Cattaro noch nicht, und die Deputirten entschuldigten sich darum bisher noch nicht eingetroffen zu sein, da durch die Blockade Triests die Dampfbootverbindung gestört war.</p> <p>Minister Schwarzer antwortete auf die gestern von Neuwall gestellten Fragen. Es ist wahr, daß der modenesische Pallast dem Staate 500,000 fl. gekostet habe, aber es ist dem nicht so, daß ihn der Hof ganz benütze, sondern nur zum Theile; ein großer Theil ist öffentlichen Zwecken gewidmet, ein kleiner Theil vom Hofe zur Unterbringung von Möbeln benützt. Er überlasse es dem Schicklichkeitsgefühle der Reichsversammlung ob es an der Zeit sei, jetzt zu entscheiden, ob eine Trennung zwischen Civilliste und Staatsschatz stattfinden solle und glaube, daß diese Spezialfrage bis zur Entscheidung aufzuschieben wäre. Zum Justiz- und Handelsministerialgebäude wurde das Batthyanische Palais, mit dem bis 1851 ein Kontrakt abgeschlossen ist, verwendet. Das Lichtensteinische Palais sei den 15. Februar auf neue [#] Jahre gemiethet worden, und zwar nicht um jährlich 9 sondern 11,000 fl. Fürst Lichtenstein erklärt nur für die Justiz und es werde ihm daher das Gebäude wieder zurückgestellt oder etwa anderweitig benützt werden. Er, Schwarzer, werde die Papiere über die Dikasterialgebäude im Hause niederlegen.</p> <p>Trunner interpellirt den Minister Dobblhof. „Ich erlaube mir die Anfrage, ob es dem Minister des Innern bekannt, daß gestern Abends ein bedeutender Volksauflauf in der Hauptstraße der Alservorstadt stattgefunden habe, welcher Volksauflauf sich sogar der Person des Pfarrers bemächtigen wollte. Dieser Volksauflauf dauerte bis gegen Mitternacht, und ich behaupte, daß, wenn ein solcher Volksauflauf stattfinde, die Ruhe in Wien durch einen solchen Volksauflauf in Zweifel gesetzt sei. Ich erlaube mir zu fragen, ob der Herr Minister des Innern Maßregeln gegen diesen Volksauflauf bereits ergriffen hat oder gegen diesen Volksauflauf ergreifen wird, damit ein solcher Volksauflauf, wenn auch in Zukunft nicht unmöglich gemacht, doch wirksam erdrückt werde. Es sind gegen diesen Volksauflauf die strengsten Maßregeln unerläßlich, weil sonst die Reichsversammlung durch solche Volksaufläufe einer Unwahrheit gezeiht werden könnte, da sie in der abgesandten Adresse an Se. Majestät von Ruhe und Ordnung in Wien gesprochen habe.</p> <p>Es würde mich wundern, wenn die 40,000 Mann Nationalgarden und die Militärbesatzung in Wien nicht hinreichen sollten, einen solchen Volksauflauf zu unterdrücken. ‒ Ich frage ferner den Minister der Justiz ob er gegen diesen Volksauflauf etwas veranlaßt hat, oder gegen diesen Volksauflauf veranlassen will, und die Anstifter bei diesem Volksauflauf zur Verantwortung ziehen wird. Ich meine das alte Gesetz steht noch aufrecht.“</p> <p>Diese Rede wurde oft von Lachen und Zischen unterbrochen und der Präsident mußte mehrmals zur Ordnung rufen.</p> <p>Prestl erlaubt sich vor der Antwort des Ministers das Wort zu nehmen, und sagt unter Beifall, es stehe wohl jedem Abgeordneten das Recht der Frage nicht aber zugleich des Urtheiles zu. Er beantrage, daß man bloß fragen aber nicht ausführen dürfe, da es sonst Manchem einfallen könnte die Versammlung eine Stunde lang mit nichts hinzuhalten.</p> <p>Minister Doblhof. Der Fall sei ihm bekannt und es werden die Umstände erhoben. Bedenklich sei bei dem Falle nichts (Beifall), indem er nichts besonders Ernstes an sich habe und die ängstliche Besorgniß sei ganz ohne Anlaß. (Beifall.)</p> <p>Justizminister Bach drückt aus, daß wenn das Ministerium über jeden Vorfall von einem Abgeordneten befragt und dann aufgefordert werde zu handeln, es den Anschein habe, als ob das Ministerium nicht seine Pflicht thue und erst dazu aufgefordert werden müsse, zugleich beschäftigten sich dann Abgeordnete mehr mit Justiz als mit dem eigentlichen Reichstage. (Beifall.)</p> <p>Strobach will zur Tagesordnung übergehen, Sierokawsky das Ministerium interpelliren. Strohbach besteht auf Abstimmung über Tagesordnung. Abgestimmt; Majorität. Sierakowsky protestirt und sagt, das sei eine Gewalt gegen einen Einzelnen und verlangt Aufnahme des Protestes in das Protokoll.</p> <p>Loehner verlangt zugleich, daß die Stunde in das Protokoll verzeichnet werde, damit es sich zeige, daß die Versammlung die Ordnung beachtet habe.</p> <p>Es wird zur Tagesordnung übergegangen und über Ausdrücke und Bestimmungen in der Geschäftsordnung debattirt, welche nicht von Belang sind.</p> </div> <div xml:id="ar069_018" type="jArticle"> <head>Von der Eider, 1. Aug.</head> <p>Aus guter Quelle erfahren wir, daß unsere Truppen nicht in Jütland einrücken, und man fügt hinzu, daß die Preußen durch das 9. Armeekorps ersetzt werden sollen. Das Hauptquartier des Generals Wrangel ist seit gestern nach Apenrade verlegt. Rußland soll neuerdings eine geheime Note an Preußen erlassen haben, wonach es das Einrücken der Deutschen in Jütland als casus belli ansehen würde.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Holland.</head> <div xml:id="ar069_019" type="jArticle"> <head> <bibl> <author>20</author> </bibl> </head> <p>Zwei Bataillone von Breda und Bergen-op-Zoom haben den Befehl erhalten, nach Limburg zu marschiren. ‒ Uebeigens droht Deutschland große Gefahr. Die beiden Helden Rogier und Cha-a-azal vindiziren in ihrem Journal, „L'Independance“ Limburg für Belgien!</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Schweiz.</head> <div xml:id="ar069_020" type="jArticle"> <head>Chur, 3. Aug.</head> <p>Die lombardischen Nachrichten lauten immer kläglicher. Nach der gänzlichen Einnahme der Minciolinie (wobei Peschiera im Sturm genommen sein soll) ist nun auch die Ogliolinie aufgegeben und die Linie der Adda wenigstens schon durchbrochen (bei Codogno). Den 31. Juli zogen die Oestreicher in Cremona ein, wo sie sogar einen freundlichen Empfang gefunden haben sollen. Ein anderes östreichisches Corps (unter d'Aspre) hat etwas nördlicher von Soncino her Crema überfallen. Karl Albert hat versprochen, Mailand um jeden Preis zu decken; Brescia hält sich noch; man organisirt ein allgemeines Aufgebot. ‒ Der englische Gesandte am Turiner Hofe hat sich, wie es heißt, in Radetzky's Hauptquartier begeben, um durch Drohung mit einer englisch-französischen Intervention einen Waffenstillstand zu bewirken.</p> <bibl>(Republikano.)</bibl> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0347/0003]
volljährigen und selbstständigen Staatsangehörigen zuerkannt hatte, wurde auch in Kurhessen die Form der direkten Wahl nicht blos als die geeignetste gewählt, sondern auch als zweckmäßig und wohlausführbar erprobt. Der Wahlmodus aber, welcher den Zwecken der Nationalversammlung entsprach, wird auch wohl für die Kurhessische Volksvertretung nicht falsch und gefahrbringend sein.
Das neue Wahlgesetz behält sodann den Wahlcensus bei. Derselbe vernichtet aber vollkommen den Grundsatz der aus dem allgemein anerkannten Prinzip der Volkssouverainetät hervorgehenden gleichen politischen Berechtigung. Wo das Vermögen entscheidet, da kann die politische Befähigung, die Kraft der Intelligenz sich bei Feststellung der gesetzlichen Ordnung nicht frei entfalten; wo nur der Hochbesteuerte wählen und gewählt werden darf, da kann der politisch Hochbegabte, wenn ihn das Geschick nicht mit äußeren Glücksgütern beschenkt hat, von seiner politischen Freiheit keinen Gebrauch machen; er muß oft einem unfähigen Menschen nachstehen, dem, vielleicht ohne sein Verdienst, solche Güter zu Theil geworden sind; da machen am Ende der Besitz, das Geld und die Interessen des Geldes das Gesetz, aber nicht der Volksgeist; ‒ und das ist eines freien Staates unwürdig. Das neue Gesetz hebt zwar den Census für die Abgeordneten auf; allein dies ist nur eine scheinbare Verbesserung, da der Census für die Wahlmänner geblieben ist. Wenn der Wähler die Wahlmänner nicht aus allen Bürgern herausnehmen kann, so ist es ihm ja ganz unmöglich, diejenigen zu wählen, welche er vielleicht gerade für die tüchtigsten hält, und wie läßt sich außerdem erwarten, daß die Kaste der hochbesteuerten Wahlmänner ihren Abgeordneten aus einer unter ihr stehenden, unberechtigten Kaste wählen wird?
Das neue Gesetz hält ferner das Alter von 30 Jahren als Bedingung der Wählbarkeit fest. Die politische und moralische Befähigung eines Abgeordneten, welche bei den Wahlen allein in Betracht kommt, läßt sich nicht äußerlich einem bestimmten Lebensjahr bemessen; die persönliche Tüchtigkeit ist an kein bestimmtes Alter geknüpft. Die politische Selbstständigkeit, welche mit der Volljährigkeit erreicht wird, ist hier der allein richtige Maaßstab; unter den volljährigen Staatsbürgern mag der tüchtigste gewählt werden, sei dieser nun 25, 30 oder 40 Jahre alt.
Was uns aber am meisten in Erstaunen gesetzt hat, ist die Festhaltung der Wahl nach Ständen, namentlich der besondern Vertretung der Ritterschaft etc., eine Einrichtung, die nur im Mittelalter einen Sinn hatte. In Frankreich hat man den Adel abgeschafft, der neue preußische Verfassungsentwurf hebt die Vorrechte des Adels auf und erkennt nur noch freie und gleichberechtigte Staatsbürger an. Das neue Wahlgesetz dagegen, anstatt durch eine angemessene Eintheilung des Landes in eine entsprechende Zahl von Wahlbezirken allen Staatsbürgern einen gleichen Antheil bei den Wahlen und damit bei der Gesetzgebung zu sichern, läßt einen Stand im Besitze eines veralteten Privilegs. Es setzt ihn demnach über die andern Staatsbürger und bringt wieder den Kampf und die Herrschaft der Standesinteressen in die volksvertretende Kammer, und jenes Standesbewußtsein, welches so vielen Anstoß in Hessen fand und doch nur die nothwendige Folge des Wahlgesetzes ist. Unter diesen Umständen fordern wir Kurfürstliches Ministerium des Innern auf:
„der Ständeversammlung schleunigst ein neues Wahlgesetz nach den obigen
„Grundsätzen der direkten Wahl ohne Census, Standes- und Alters-
„beschränkungen vorzulegen und nach dessen Genehmigung die Stände-
„versammlung sofort aufzulösen und eine neue zu berufen, mit der
„Aufgabe, dem durch die politische Bewegung im März thatsächlich und
„moralisch errungenen Standpunkte der Volkssouverainetät gesetzliche
„Kraft zu geben.“
Respektvoll zeichnen Kurfürstl. Ministeriums des Innern
Marburg, 30. Juli. gehorsamste:
(Folgen die Unterschriften.)
Hannover. Der König von Hannover hat in Nachahmung des Königs von Preußen eine General-Ordre an die Armee in Bezug auf das Peucker'sche Circulair erlassen, welche mit andern Worten ungefähr dasselbe sagt, wie der preußische Armeebefehl. Die General-Ordre ist vom 6. August (ante-) datirt. Sie macht den Soldaten bekannt, daß der König seine Zustimmung zu der Wahl eines Reichsverwesers gegeben habe, und daß zu den Befugnissen desselben die Oberleitung der deutschen Heere ganz in derselben Weise, wie sie bisher dem Bundestage zugestanden habe, gehöre. Sobald es zum Schutze Deutschlands erforderlich sei, werde der König den Soldaten befehlen, sich den übrigen deutschen Heeresabtheilungen unter der Oberleitung des Reichsverwesers anzuschließen. Er sei überzeugt, daß sie unter dieser Oberleitung ihren alten Ruhm bewähren werden. Von einer Parade ist nicht die Rede und auch die Parade der Bürgerwehr ist (durch nicht zu beseitigende Aeußerlichkeiten, wie die „Morgenzeitung“ berichtet) bis zur nächsten Woche verschoben worden.
‒ In Braunschweig ist es zu unruhigen Auftritten gekommen. Die Bürger verlangten die militärische Huldigungsfeier; der Herzog versprach dem Beispiel der verbündeten Regierungen folgen zu wollen. Die Antwort genügte nicht; es wurde eine zweite Deputation abgeordnet. Der Erfolg derselben ist noch nicht bekannt.
Prag, 2. Aug. Dr. Brauner ist ‒ wie wir vernehmen ‒ bereits für unschuldig erklärt, aber ganz im Widerspruch hiemit noch immer nicht freigelassen worden. Auch die Uebergabe der Gefangenen an das Civilgericht soll trotz Ministerialbefehls noch nicht stattgefunden haben.
(Const. Bl. a. B.) Graf Buquoy hat folgende Erklärung veröffentlicht:
„Nachdem sich bei der gegen mich eingeleiteten strengen Untersuchung über die mir zur Last gelegte Mitschuld an dem Verbrechen der Verschwörung und des Aufruhrs meine vollkommene Schuldlosigkeit herausgestellt hat, so bin ich Freitag den 28. Juli aus dem Untersuchungsverhafte auf dem Prager Schlosse entlassen worden. ‒ Da ich den Fall allerdings für möglich erachte, daß diese meine Schuldlosigkeits-Erklärung, deren Veröffentlichung ich seiner Zeit von der Untersuchungs-Behörde mit Zuversicht erwarte, zu einer neuerlichen Veranlassung von Erbitterung und Aufregung benützt werden könnte, so finde ich mich im Interesse der Ruhe meiner Vaterstadt Prag und zum Beweise, daß mir, trotz der in meinem Verhafte ausgestandenen schweren Leiden, jedes Gefühl persönlicher Feindseligkeit oder der Rache fremd ist ‒ bewogen, hiemit freiwillig und ungezwungen öffentlich zu erklären, daß nach denen mir im Laufe der Untersuchung zur Kenntniß gekommenen boshaften und rein erdichteten Denunciationen und absichtlich ausgestreuten Verläumdungen über meine vermeinte Theilnahme an den Prager Ereignissen, ich die von Seiten des kommandirenden Generals, Fürsten Windisch-Grätz über mich verhängte Verhaftung nicht nur allein für durchaus gerechtfertigt und im Gesetze gegründet finde, sondern daß ich auch gestehe, daß ich an seiner Stelle diese Verhaftung selber angeordnet haben würde. ‒ Das gleiche Motiv: von meiner Seite jede Veranlassung, wodurch die Ruhe und der Friede meiner Mitbürger neuerlich gestört werden könnte, zu beseitigen, hat mich auch allein bewogen, sogleich nach Aufhebung meines Verhafts von Prag abzureisen, und ich ersuche meine lieben Mitbürger, meine vielleicht längere Entfernung aus ihrer Mitte nicht etwa als eine Mißachtung oder Feindseligkeit auszulegen, sondern sie lediglich dem Wunsche zuzuschreiben: hiedurch jede Veranlassung einer durch meine Anwesenheit vielleicht ohne mein Wissen entstehenden Aufregung zu entfernen.
Schloß Rothenhaus, am 1. August 1848.
61 Wien, 3. August. Angeblich zu Ehren der in Italien gzfallenen Helden der k. k. Armee, im Grunde jedoch, um seiner Antipathie wider die neulich stattgehabte revolutionäre Trauerfeier durch eine ähnliche Feier kund zu geben, hat das hiesige Militär in der Hofkirche zu den Augustinern, heute ein durch und durch schwarzgelbes Requiem abgehalten, an welchem sich die eitelsten, zugleich aber demüthigsten Nationalgarde-Offiziere betheiligt haben. ‒ Weder der Reichstag, noch der Ausschuß, noch auch die akademische Legion schienen mir in der Kirche vertreten zu sein. Wahrscheinlich hatte sie das Militär, welches in ihnen nur Rebellen erblickt, gar nicht eingeladen. Wie überall, so wurde auch hier das demüthig-wedelnde Bürgerthum der Nationalgarde vom Militär kaum beachtet. ‒ Die Aufregung wächst in den Vorstädten und in den benachbarten Ortschaften. Fast täglich finden Katzenmusiken statt, die mitunter, wie es gestern in der Alservorstadt geschehen, in Krawalle ausarten. ‒ Ein Bürger aus Linz hat eine eigene Reise hieher gemacht, um dem Sicherheitsausschusse von den drohenden Bewegungen des Militärs und von den Gerüchten Kenntniß zu geben, welche über die Pläne der Kamarilla in Oberöstreich verlauten. Man soll unter Anderm Willens sein, die Donau zu sperren. Daß es auf einen Schlag abgesehen, gewinnt in der Ueberzeugung des Publikums täglich mehr an Gewicht. ‒ Das Ministerium ist theils ohnmächtig, theils liebäugelt es noch immer mit der Kamarilla; sonst wäre die Ansammlung des Militärs in und um Wien, das feige Auftreten gegen die Bureaukratie, ja die Thatlosigkeit dieses Ministeriums ein Räthsel. Mit dem Vertrauensvotum über die geforderte Rückkehr des Kaisers in der Tasche, glaubt es schlafen zu können. Seine Thätigkeit beschränkt sich fast nur auf die Beantwortung einiger unbedeutenden Interpellationen. ‒ In Beziehung auf die Rückkehr des Kaisers äußert sich die öffentliche Meinung namentlich des Landvolks dahin, der Kaiser möge bleiben, wo er Lust habe, man brauche ihn nicht mehr. Die Aula soll dem Kaiser in einer eigenen Adresse die Erklärung gemacht haben, Oestreich würde sich selbst ein Oberhaupt wählen, wenn er keine Lust trage, sein Oberhaupt zu sein nach dem Willen des Volks.
Die Berathung des § 34 der Geschäftsordnung hat den Reichstag in seiner Sitzung vom 31. Juli an einen zweiten Prüfungsstein gebracht, an welchem er nicht verfehlte, zu stolpern. Es handelte sich von der Frage, wie der Ausschuß zu bilden sei, welcher den Entwurf der Konstitution des Reichs, der Provinzen und Gemeinden zu bearbeiten habe. Der Reichstag beschloß nach einer konfusen Debatte darüber, daß dieser Ausschuß in der Art gebildet werde, daß hiezu die Abgeordneten der einzelnen zehn Gouvernements aus sich je drei Mitglieder, daher zusammen dreißig, wählen sollen.
Die Folge dieses Beschlusses ist ein bedeutendes Uebergewicht des deutschen Elementes. Galizien mit 51/2 Mill. Einwohnern, Böhmen mit etwa 3 Millionen haben danach im Ausschuß nicht mehr Stimmen, als die kleinsten deutschen Provinzen von nur einigen hunderttausend Bewohnern. Der kleinen deutschen Provinzen gibt es aber viele, während Galizien nur eine große Provinz ist. Säße auch Ungarn im Wiener Reichstag, so würden seine 12 Mill. Seelen bei der Konstituirung des künftigen östreichischen Staatsrechts folgeweise ebenfalls nicht mehr zu sagen haben, als die 700,000 Seelen, welche das Erzherzogthum bewohnen. Die hiesige deutsche Partei hält die Annahme dieses § für einen Sieg; Vernünftigere sind dieser Meinung durchaus nicht. Kein Sieg, aber wohl ein im Namen des Deutschthums verübter Despotismus liegt darin. Es sitzen im Reichstage etwa 80 Abgeordnete, welche keine Silbe Deutsch verstehen und daher noch nicht wissen, was sie thun. Um keine ganz bedeutungslosen Gestalten zu bleiben, lassen sie sich als Werkzeuge verdollmetschender Anderer gebrauchen und dadurch mag denn jener Beschluß möglich geworden sein. Die Abgeordneten, denen das Germanenthum den Zwang der Sprache anthut, sind meistens polnisch-ruthenische Bauern aus Galizien. ‒ Oestreich ist bisher nur eine politische Fiktion gewesen. Das Haus Habsburg hatte während Jahrhunderten einen Länderfetzen nach dem andern an das Erzherzogthum angepappt, hatte sogar das römisch-deutsche Kaiserthum daran gepappt und dieses Staaten-Chaos bis in die neueste Zeit mit den Gewalten antidiluvianischer Finsterniß so ziemlich zusammen zu halten gewußt.
Jetzt aber ist es in diesem Chaos kühl geworden, die Bande fliegen auseinander, die Völker erkennen sich trotz des Wirrwar's und wollen sich auf die eigenen Beine stellen. Das Magyarenthum ist bereits mit einem entschiedenen Schritte vorangegangen, es hat sich vom erzherzoglichen Leibe losgerissen, und damit dem Fortbestand der Fiktion Oestreich, als dynastischem, einen Todesstoß gegeben. Die übrigen Völker werden, je mehr sie zur Erkenntniß ihrer eigenen Beine kommen, desgleichen thun und der Reichstag kann daher keine andere Folge haben, als den Todesstreich entweder vollends zu vollführen, oder ein ganz neues Oesterreich zu schaffen. Letzteres kann nur dann geschehen, wenn die verschiedenen Völker des gegenwärtigen Oesterreich ihrer Nationalität entsagen, um sich in einem demokratisch-künstlichen Staatenverbande eben so brüderlich zu umarmen, als sie sich in dem absolutistisch-künstlichen Staatenverbande ferngestanden haben. ‒ Mit Rücksicht auf diese Zustände nenne ich den Sieg des Deutschthums in der Reichstagssitzung vom 31. Juli einen durchaus falschen, und muß ihn einen unhaltbaren nennen, wenn ich erwäge, wie lächerlich sich das Deutschthum in Frankfurt macht und wie wenig das österreichische Deutschthum daher im Stande sein wird, in dem neuen österreichischen Staatenvereine auf die Dauer Oberwasser zu bleiben.
Die hiesige öffentliche Meinung will in Nesselrode's Note nichts Anderes erblicken, als das kombinirte Todesröcheln sämmtlicher von den Völkern Westeuropa's beschimpften Satrapen des Czaren.
Wien, 1. Aug. Nach Inhalt eines mir so eben von dem Landrechte, als Preßgericht, zugekommenen Dekretes vom 31. Juli d. J. ist in Folge der von mir überreichten Klage Hr. Mathias Emanuel Löbenstein wegen des in dem Blatte Nr. 53 der von ihm redigirten „Wiener Allgemeinen Zeitung“ enthaltenen Artikels: „Der Minister der Arbeit Ernst v. Schwarzer“ wegen Ehrenbeleidigung auf Grund des §. 14 des Preßgesetzes, in den Anklagestand versetzt, und ihm auch bereits die Anzeige von dieser Klage in seinem Blatte aufgetragen worden.
E. Schwarzer.
* Wien, 1. Aug. Batthiany ist fort, eben so Jellachich; ob aber die beabsichtigte Vermittelung zwischen Ungarn und Kroatien gelungen oder nicht, darüber konnte man bisher nichts Sicheres erfahren. Wahrscheinlich ist, daß keine Pazifikation zu Stande gekommen, oder, wäre sie's auf dem Papier, daß sie von der Wirklichkeit bald wieder ausgelöscht würde.
Wien. Sitzung der konstituirenden Reichsversammlung vom 1. August. Die in den Ausschuß für den Verfassungsentwurf getroffenen Wahlen werden vom präsidirenden Vizepräsidenten Strobach verlesen. Wiesenauer interpellirt das Ministerium in Betreff eines wüthenden Schmähartikels gegen ein Mitglied desselben. Der Arbeitsminister Schwarzer erwiedert, er habe be ider Alternative, die Sache vors Gericht zu bringen, oder zurückzutreten, das erstere vorgezogen. Vor dem Parlamente sich zu vertheidigen, hält er für unparlamentarisch; hier habe das Gericht zu verfahren und zu entscheiden. Er bittet schließlich das alte Ministerium, sich über das zwischen ihnen bestandene Verhältniß, zu erklären. Pillersdorf: Obgleich ihm der betreffende Zeitungsartikel unbekannt, so könne er sich doch, hierzu aufgefordert, über die literarische Verbindung unumwunden dahin aussprechen, daß er mit keinem Literaten in Verbindung gestanden. Er sei der Ansicht gewesen, die Presse selbst müsse die Irrthümer der Presse widerlegen; von ihm habe weder das eine noch das andere Journal eine Vergütung erhalten. Hiermit glaube er die gegen Hrn. Schwarzer vorgebrachte Beschuldigung hinreichend widerlegt, und bemerkt bloß noch, daß in solchen Fällen der Bestecher, nicht der Bestochene die härtere Strafe verdient.
Finanzminister Kraus bezeugt, daß aus den Finanzen niemals etwas an das fragliche Journal geleistet worden. Dieses, die „Allgem. Oester. Ztg.,“ deren Redakteur Hr. Schwarzer gewesen, habe amtliche Mittheilungen und Neuigkeiten zu erhalten gewünscht, sonst aber niemals in irgend einer Beziehung zum Ministerium Pillersdorf gestanden. Der beste Beweis seien wohl die oft sehr scharfen Angriffe des Blattes auf das Ministerium gewesen. Lange interpellirt wegen Krakau's. Diese Stadt ist ohne Anlaß Seitens der Bürger bombardirt worden. Der Staat sei unter Anderm verpflichtet, Schadenersatz zu leisten. Einer Krakauer Deputation sei am 17. Mai zu Wien eine strenge Untersuchung des Militairverfahrens verheißen worden. Am 19. Mai sei auch die betreffende Anweisung an die Hofkommission nach Krakau abgegangen. Allein seit diesen drei Monaten höre man keine Silbe weiter. Dobblhoff theilt mit, daß er bereits Jemanden abgeordnet, die Angelegenheit rasch zu Ende zu führen. Lange: Ich fordere Genugthuung und trage nochmals auf Vorlage der Aktenstücke an. Auch wegen der Nationalgarde, die bekanntlich aufgelöst worden und die trotz aller Verheißungen noch nicht reorganisirt ist, interpellirt er und erhält vom Minister befriedigende Zusicherung.
Wien. Sitzung des konstituirenden Reichstages am 2. August. Vorsitz: Vicepräsident Strobach.
Die Sitzung beginnt um halb 11 Uhr.
Minister Dobblhof giebt Auskunft über die gestern angeregten Verhältnisse wegen der Deputirten Dalmatiens. Zehn Wahlen seien, wie ihm nun bekannt, vollzogen, die eilfte in Cattaro noch nicht, und die Deputirten entschuldigten sich darum bisher noch nicht eingetroffen zu sein, da durch die Blockade Triests die Dampfbootverbindung gestört war.
Minister Schwarzer antwortete auf die gestern von Neuwall gestellten Fragen. Es ist wahr, daß der modenesische Pallast dem Staate 500,000 fl. gekostet habe, aber es ist dem nicht so, daß ihn der Hof ganz benütze, sondern nur zum Theile; ein großer Theil ist öffentlichen Zwecken gewidmet, ein kleiner Theil vom Hofe zur Unterbringung von Möbeln benützt. Er überlasse es dem Schicklichkeitsgefühle der Reichsversammlung ob es an der Zeit sei, jetzt zu entscheiden, ob eine Trennung zwischen Civilliste und Staatsschatz stattfinden solle und glaube, daß diese Spezialfrage bis zur Entscheidung aufzuschieben wäre. Zum Justiz- und Handelsministerialgebäude wurde das Batthyanische Palais, mit dem bis 1851 ein Kontrakt abgeschlossen ist, verwendet. Das Lichtensteinische Palais sei den 15. Februar auf neue [#] Jahre gemiethet worden, und zwar nicht um jährlich 9 sondern 11,000 fl. Fürst Lichtenstein erklärt nur für die Justiz und es werde ihm daher das Gebäude wieder zurückgestellt oder etwa anderweitig benützt werden. Er, Schwarzer, werde die Papiere über die Dikasterialgebäude im Hause niederlegen.
Trunner interpellirt den Minister Dobblhof. „Ich erlaube mir die Anfrage, ob es dem Minister des Innern bekannt, daß gestern Abends ein bedeutender Volksauflauf in der Hauptstraße der Alservorstadt stattgefunden habe, welcher Volksauflauf sich sogar der Person des Pfarrers bemächtigen wollte. Dieser Volksauflauf dauerte bis gegen Mitternacht, und ich behaupte, daß, wenn ein solcher Volksauflauf stattfinde, die Ruhe in Wien durch einen solchen Volksauflauf in Zweifel gesetzt sei. Ich erlaube mir zu fragen, ob der Herr Minister des Innern Maßregeln gegen diesen Volksauflauf bereits ergriffen hat oder gegen diesen Volksauflauf ergreifen wird, damit ein solcher Volksauflauf, wenn auch in Zukunft nicht unmöglich gemacht, doch wirksam erdrückt werde. Es sind gegen diesen Volksauflauf die strengsten Maßregeln unerläßlich, weil sonst die Reichsversammlung durch solche Volksaufläufe einer Unwahrheit gezeiht werden könnte, da sie in der abgesandten Adresse an Se. Majestät von Ruhe und Ordnung in Wien gesprochen habe.
Es würde mich wundern, wenn die 40,000 Mann Nationalgarden und die Militärbesatzung in Wien nicht hinreichen sollten, einen solchen Volksauflauf zu unterdrücken. ‒ Ich frage ferner den Minister der Justiz ob er gegen diesen Volksauflauf etwas veranlaßt hat, oder gegen diesen Volksauflauf veranlassen will, und die Anstifter bei diesem Volksauflauf zur Verantwortung ziehen wird. Ich meine das alte Gesetz steht noch aufrecht.“
Diese Rede wurde oft von Lachen und Zischen unterbrochen und der Präsident mußte mehrmals zur Ordnung rufen.
Prestl erlaubt sich vor der Antwort des Ministers das Wort zu nehmen, und sagt unter Beifall, es stehe wohl jedem Abgeordneten das Recht der Frage nicht aber zugleich des Urtheiles zu. Er beantrage, daß man bloß fragen aber nicht ausführen dürfe, da es sonst Manchem einfallen könnte die Versammlung eine Stunde lang mit nichts hinzuhalten.
Minister Doblhof. Der Fall sei ihm bekannt und es werden die Umstände erhoben. Bedenklich sei bei dem Falle nichts (Beifall), indem er nichts besonders Ernstes an sich habe und die ängstliche Besorgniß sei ganz ohne Anlaß. (Beifall.)
Justizminister Bach drückt aus, daß wenn das Ministerium über jeden Vorfall von einem Abgeordneten befragt und dann aufgefordert werde zu handeln, es den Anschein habe, als ob das Ministerium nicht seine Pflicht thue und erst dazu aufgefordert werden müsse, zugleich beschäftigten sich dann Abgeordnete mehr mit Justiz als mit dem eigentlichen Reichstage. (Beifall.)
Strobach will zur Tagesordnung übergehen, Sierokawsky das Ministerium interpelliren. Strohbach besteht auf Abstimmung über Tagesordnung. Abgestimmt; Majorität. Sierakowsky protestirt und sagt, das sei eine Gewalt gegen einen Einzelnen und verlangt Aufnahme des Protestes in das Protokoll.
Loehner verlangt zugleich, daß die Stunde in das Protokoll verzeichnet werde, damit es sich zeige, daß die Versammlung die Ordnung beachtet habe.
Es wird zur Tagesordnung übergegangen und über Ausdrücke und Bestimmungen in der Geschäftsordnung debattirt, welche nicht von Belang sind.
Von der Eider, 1. Aug. Aus guter Quelle erfahren wir, daß unsere Truppen nicht in Jütland einrücken, und man fügt hinzu, daß die Preußen durch das 9. Armeekorps ersetzt werden sollen. Das Hauptquartier des Generals Wrangel ist seit gestern nach Apenrade verlegt. Rußland soll neuerdings eine geheime Note an Preußen erlassen haben, wonach es das Einrücken der Deutschen in Jütland als casus belli ansehen würde.
Holland. 20 Zwei Bataillone von Breda und Bergen-op-Zoom haben den Befehl erhalten, nach Limburg zu marschiren. ‒ Uebeigens droht Deutschland große Gefahr. Die beiden Helden Rogier und Cha-a-azal vindiziren in ihrem Journal, „L'Independance“ Limburg für Belgien!
Schweiz. Chur, 3. Aug. Die lombardischen Nachrichten lauten immer kläglicher. Nach der gänzlichen Einnahme der Minciolinie (wobei Peschiera im Sturm genommen sein soll) ist nun auch die Ogliolinie aufgegeben und die Linie der Adda wenigstens schon durchbrochen (bei Codogno). Den 31. Juli zogen die Oestreicher in Cremona ein, wo sie sogar einen freundlichen Empfang gefunden haben sollen. Ein anderes östreichisches Corps (unter d'Aspre) hat etwas nördlicher von Soncino her Crema überfallen. Karl Albert hat versprochen, Mailand um jeden Preis zu decken; Brescia hält sich noch; man organisirt ein allgemeines Aufgebot. ‒ Der englische Gesandte am Turiner Hofe hat sich, wie es heißt, in Radetzky's Hauptquartier begeben, um durch Drohung mit einer englisch-französischen Intervention einen Waffenstillstand zu bewirken.
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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