Neue Rheinische Zeitung. Nr. 80. Köln, 19. August 1848.[Deutschland] man den Adel fallen lassen, um sich auf das Schacherthum zu stützen. Absolutismus, Spießbürger und Juden gehören heutzutage in einen Topf. Ganz richtig bemerkt daher die "Oesterreichisch Deutsche Zeitung" vom 13. d., die aber ebenso, wie Löbensteins "Allgemeine Wiener Zeitung," obgleich sie zu den bessern demokratischen Blättern gehörten, aus Mangel an Abonnenten den Kampfplatz verlassen müssen: "So erwünscht die Rückkehr des Kaisers insofern ist, als sie die plumpsten Hoffnungen der Reaktion mit einem Schlage vernichtet, so sehr müssen sich doch alle wahren Freunde der Freiheit gefaßt halten, ihre Gegner jetzt ein anderes, kaum minder gefährliches Spiel beginnen zu sehen, denn es steht sehr zu befürchten, daß die Reaktion dasjenige, was sie durch eine drohende Haltung der Demokratie nicht abzutrotzen vermag, nunmehr durch eine einschmeichelnde Haltung derselben abzugewinnen versuchen wird. Sie wird weder Kosten noch Mühe sparen, die Opposition im Reichstage durch gemeine Bestechung zu gewinnen und dem arglosen Volksmanne gegenüber wird sie nicht unterlassen, die feinern Künste der Verführung in Anwendung zu bringen. Man wird glänzende Hoffeste veranstalten, durch liebenswürdige Herablassung alle Herzen entzücken. Die Mitglieder des hohen Adels werden sich an ausgesuchter Höflichkeit überbieten und die schlichten Männer, an deren Urtheil das Wohl und Wehe von Tausenden hängt, werden finden, daß der Teufel nicht so schwarz ist, als man ihn gemalt hat u. s. w. Schon heute begegnete ich den thronfolgenden Erzherzogen in den Straßen; sie grüßten alle Welt, wenn auch alle nicht schwarz-gelbe Welt sie ungegrüßt ließ. Sie wissen aus der Bildung der Verfassungskommission, daß das deutsche Element dabei gesiegt hat; das deutsche Element ist aber kein anderes, als das Judenelement. Hätte das Slaventhum die Oberhand behalten, so würde wenigstens dieses Element unterlegen haben, weil die Slawen im Grunde doch nach einer bessern Freiheit streben, als die deutschen Schacherjuden. 61 Wien, 13. Aug.
So eben wird folgendes durch Maueranschlag veröffentlicht: "An Meine getreuen Wiener! Der gestrige Tag, an welchem Ich, in Eure Mitte zurückkehrend, die schönsten Beweise Eurer alten unveränderlichen Liebe erntete, wird Mir und allen Gliedern des kaiserlichen Hauses unvergeßlich bleiben. Möge er als feierlicher Gedächtnißtag des neuen Bundes zwischen einem freien Volke und seinem konstitutionellen Kaiser in der Geschichte des Vaterlandes ewig glänzen; mögen auch fernerhin Friede, Eintracht, Ordnung und Gesetzmäßigkeit herrschen, damit unter ihrem Schirme der Aufbau unseres neuen verfassungsmäßigen Staats zum Heil und Segen aller Völker Oesterreichs gedeihe und sich kräftige. Im Vereine mit den selbstgewählten Vertretern derselben und unterstützt von Meinen verantwortlichen Räthen hoffe Ich die schwere, von der Vorsehung Mir beschiedene Aufgabe, die neue Konstituirung des Vaterlandes, rühmlich zu Ende zu führen. Ferdinand. Wien, 13. August 1848." Da kein Minister unterzeichnet steht, so hat diese Ansprache nur das Ansehen einer persönlichen Versicherung, nicht aber dasjenige eines konstitutionellen Aktes. Ob die Minister absichtlich vermieden worden sind, oder ob sie sich selber absichtlich vermieden haben, will ich vorläufig dahingestellt sein lassen. Es muß sich nun bald zeigen, ob die Minister im Stande sind, den Kaiser den Einflüssen des Hofs gänzlich zu entreißen; es muß sich zeigen, ob die demokratische Umgestaltung Oesterreichs durch den gegenwärtigen Reichstag entscheidend vor sich geht. Die Arbeiter rühren sich immer mehr. Sie haben im Theater in der Josephstadt einen Verein gestiftet, der an social-demokratischer Richtung und an Zahl der Mitglieder alle andere Vereine hierselbst überbietet und sich bereits mit andern deutschen Vereinen in Verbindung gesetzt hat. Für heute waren alle Freunde der Arbeiter und Steuerbar-Unbemittelten zu einer Versammlung berufen, um wegen eines hier abzuhaltenden Arbeiter-Parlamentes Beschluß zu fassen. - Die Arbeiter üben eine strenge Kontrolle gegen Bäcker, Fleischer und alle Viktualienverkäufer; sämmtliche Schacherer und Wucherer sind nebst Wohnung und Stand in Verzeichnisse gebracht, von denen bereits 4 gedruckt erschienen sind. Der Präsident des Arbeitervereins erhält, damit er mehr im Interesse des Vereins wirke, ein monatliches Gehalt von 25 Gulden C. M. und damit jeder Gelegenheit bekomme, sich und die Seinen zu bilden, werden Zeitungen gehalten und alle wichtigen Bücher angeschafft. Die akademische Legion, welche an 15,000 Bewaffnete zählt, und die Arbeiter haben Wiens Schicksal entschieden, sie scheinen berufen zu sein, auch ferner eine Rolle zu spielen. Es bedarf nur eines Rufs der akademischen Legion, so stehen alle Arbeiter und, was mehr ist, alle Bauern da, um nur diesem Ruf zu gehorchen. Das Ministerium beschäftigt zwar einen Theil der Arbeiter, (an 14,000 wöchentlich) aber es hat gar keinen moralischen Einfluß auf dieselben. Gestern Morgen soll ein Arbeiter, der am Bründl eine republikanische Ansprache gehalten, verhaftet worden sein. - Wie ich höre, will man das Pflaster der eigentlichen Stadt aufheben und ihre Straßen, statt mit Steinen, mit Asphalt pflastern. Die hiesige Pflastersteine sind eine furchtbare Waffen in den Händen des Volks und selbst Paris hat keine ähnlichen aufzuweisen. Bei dem außerordentlich massiven Bau der Stadt, bei ihren engen Straßen und himmelhohen Häusern ist sie im Falle eines Angriffs im Stande, mit den bloßen Pflastersteinen ohne Schuß jede eindringende Armee zu vernichten. Sie sehen, das Asphaltiren ist darum ein Gedanke, der den unglücklichen Volksfeinden Ehre macht und gewiß von einem Jellachich oder Windischgrätz ersonnen worden ist. N. S. Telegraphische Depesche des Ministeriums: Cilli, 12. August um 11 Uhr 10 Minuten Nachts. "Sechswöchentlicher Waffenstillstand zum Behufe von Friedensunterhandlungen mit dem Könige von Sardinien abgeschlossen. Peschiera, Rocca d'Arso, Oseppo haben sich unsern Truppen übergeben. Flotte und Landtruppen aus Venedig und seinen Häfen herausgezogen, und kehren in die sardinischen Staaten zurück. Modena, Parma und die Festung Piacenza geräumt." Italien. Mailand.
Am 10. d. ist hier eine Ordonnanz erschienen, welche allen Ausgewanderten, die nicht innert 14 Tagen zurückkehren, mit Konfiskation droht. - In Como sind die Oesterreicher am 10. d. eingerückt. Ueberall sollen die alten verhaßten österreichischen Beamten wieder einziehen, die man in den Märztagen verjagt hatte; so in Mailand der berüchtigte Pachta. - Die "Gazetta di Milano" vom 11. August bringt folgenden Waffenstillstandsvergleich zwischen der sardinischen und österreichischen Armee, als Präliminarien zu den Friedensverhandlungen: Art. 1. Die Gränzscheide zwischen beiden Armeen ist die Gränze zwischen beiden Staaten selbst. 2. Die Festungen Peschiera, Rocca d'Anso und Osoppo, wie auch die Stadt Brescia sollen von den sardinischen und verbündeten Truppen geräumt, und den Truppen Sr. k. k. Maj. übergeben werden, die Uebergabe eines jeden dieser Plätze soll statthaben drei Tage nach Bekanntmachung dieser Konvention. In den erwähnten Plätzen wird das Oesterreich zugehörende Ausrüstungsmaterial zurückgegeben. Die Truppen werden ihr eigenes Material, Waffen, Munition, Monturstücke mitnehmen, und in regelmäßigen Etappen auf dem kürzesten Wege nach den Staaten Sr. sardinischen Maj. zurückkehren. 3. Die Staaten von Modena, Parma und die Stadt Piacenza mit dem ihr als Waffenplatze angewiesenen Landbezirke werden von den Truppen Sr. Maj. des Königs von Sardinien drei Tage nach Bekanntmachung des Gegenwärtigen geräumt werden. 4. Diese Konvention betrifft auch die Stadt Venedig und das venetianische Festland, die sardinischen Streitkräfte zu Wasser und zu Land werden die Stadt, die Forts und die Häfen besagten Platzes räumen, um in die sardinischen Staaten zurückzukehren. Die Landtruppen können ihren Rückzug zu Land machen über einen noch zu bestimmenden Weg. 5. Personen und Eigenthum der benannten Ortschaften sind unter den Schutz der kaiserlichen Regierung gestellt. 6. Dieser Waffenstillstand wird sechs Wochen dauern, um Friedensverhandlungen stattfinden zu lassen, nach Abfluß dieses Termins wird er entweder in gemeinsamem Einverständniß verlängert, oder 8 Tage vor Wiederaufnahme der Feindseligkeiten gekündet werden. 7. Zu leichterer und freundlicherer Ausführung des Obigen werden beiderseits Kommissarien ernannt. - Hauptquartier Mailand, 9. August 1848. Der Generallieutenant v. Heß, Generalquartiermeister der k. k. Armee. Der Generallieutenant Graf Salasco, Generalquartiermeister der sardinischen Armee. Französische Republik. 17 Paris, 16. Aug. Die Contrereaktion, die Reaktion gegen die Reaktion, ist im Aufgehen. Der Bruch dringt jetzt auch in die Bourgeoisklasse allmälich, wo bereits die wüthendsten Zwiste zwischen Freunden und Verwandten, Eltern und Kindern, ausbrechen; davon habe ich faktische Beweise. Gestern duellirten sich zwei Brüder wegen der Junitage, und der eine ist lebensgefährlich verwundet. Manche Familien brechen den Umgang miteinander ab. - Die Proletarier können, wie schon längst gesagt, ruhig das Ding laufen lassen; es ist fast positiv, daß einst die Nationalgarden in Uniform aufeinander feuern werden. Schon kam es gestern beinah dazu, als die Deputation der 2. Legion nach Bourges fuhr, um den "Waffenbrüdern" daselbst ein Juniandenken, eine sehr kostspielige Fahne mit dem Wappen von Bourges zu bringen; am hiesigen Bahnhof bemerkten einige Mitglieder auf derselben 14 eingestickte Lilien, angeblich getreu dem Wappen nachgebildet; andre schrieen über Karlismus, und ohne den Hrn. Maire wären die Honnetten Handgemein geworden; dies verdächtige Kunstwerk blieb in Paris und man rutschte ganz verboßt mit einer Trikolore a 10 Franken zu den "lieben Waffenbrüdern" ab. Der Siecle heult über die "traurige Lage" der 1500 verwahrlosten Kinder im Faubourg St. Marcel, wo auch 400 Mädchen aus Raummangel nicht in die Schule der barmherzigen Schwestern gehen können, obschon die "gute" Stadt Paris seit 2 Jahren Miethe Pränumerando zahlt für ein großes Schulhaus, welches erst im Grundstein fertig ist (sic). Hr. Minister Vaulabelle und Hr. Dr. med. Trelat, derweilen Maire, dieser "kristallreine, kristallharte Republikaner von altem Korn" (National) hat sich bisher nicht darum bekümmert. - Der Siecle giebt den Brief eines Unteroffiziers der Linie als "Meisterstück gesunden Verstandes", worin man belehrt wird, was ein Bourgeois sei, nämlich "alle Franzosen die keine Soldaten sind" (eigentlich Pequins mit dem Spitznamen zu Napoleons Zeit); triumphirend ruft das Krämerblatt: "ah da habt Ihr's, Sozialaufwiegler, aus dem Munde des Volkes selber!" Dasselbe geniale Blatt citirte die Attake Proudhons gegen Malthus und behauptete im selbigen Artikel, Malthus Standpunkt werde von Proudhon eingenommen. Der treffliche Constitutionnel "dessen Dummheit, Unwissenheit und Bosheit gleichviele Kubikfuß enthalten," (La Braie Republique) war so gütig uns zu belehren: wenn ein Proudhon in der Kammer sitzt, so kommt das lediglich von seinen Wählern her. Der National will witzeln über Proudhon's Drohung, die Wittwen und Waisen der niedergemetzelten und deportirten Blousenmänner könnten wohl einmal mit Trauerflor und schwarzer Fahne zur Rue Lepelletier ziehen; das sei "ein Aufruf an die bösesten Leidenschaften" meint Armand Marrast's blasirtes Journal. Es schweigt tückisch über die niederträchtigen Verweigerungen von Besuchen bei den Gefangenen, desgleichen über die liebenswürdige Behandlung während 6 Wochen; das an die alte Vehm erinnerde Verpacken und Verschiffen der 800 Insurgenten ohne Abschied (um 5 Uhr waren die Frauen hinbestellt, um 3 Uhr ging aber die Reise schon los) findet er "vorsichtig" und "thränensparend". Letztres ist nicht ganz richtig, viele der getäuschten Angehörigen stürzten in Zuckungen zu Boden, zerrauften die Haare, und die wenig sentimentalen Soldaten Cavaignac's, die Wache standen, murrten sogar "sie wären's müde den Henkerknecht zu spielen." Ganz besonders Mode ist jetzt, jedem sozialistische Lektüre liebenden Arbeiter aufzukündigen, oder "fortjagen" wie die Herren Industriellen sich heute auszudrücken unterstehen; ein Pumpenfabrikant erzählte mir, er habe 3 seiner Besten "fortgejagt" weil sie zweimal aus dem Populaire Cabets und aus der Proudhon'schen Kammerrede den Mitgesellen vorgelesen; "ich will mir's Haus rein halten" setzte er mit gewichtigem Kopfwerfen hinzu. - In Chartres hat ein Dragoner-Regiment beim Einzug Vive le Roi geschrieen und der Maire schwenkte den Hut; das Journal de Debats findet darin "eine sehr rührende, wenngleich unüberlegte Aeußerung edler Privatgefühle" und erklärt in zwei Leitartikeln: "Wir, Gottlob, haben keine Februarrevolution beabsichtigt, keine Republik gemacht noch machen helfen, jedoch da beides einmal da ist, so verneigen wir uns und erdulden es (subissons), denn Opposition wäre unzeitig." Der Constitutionnel lächelt verständnißinnig, nennt aber diese Phrase "etwas gar zu kühn." Dieser Ton sei widerlich, meint der National, aber er selbst, der Exvoltärianer, wird immer mehr ein Ignorantiner (barmherziger Bruder) und predigt Allianz mit Lord Russel. Proudhon ruft ihm zu: "Merkt auf, ihr Leute vom National, die ihr gestern schriebet, ich wolle die Liquidirung der menschlichen Gesellschaft machen: ob selbige vom Bürger Proudhon, oder vom Bürger Cabet geschehen wird, weiß ich noch nicht, aber klar ist, daß ihr mit aller Macht zur Deklarirung der Fallite treibt." - Die Frauen zeichnen jetzt zu Tausenden eine Petition an die Kammer: "Bürger Repräsentanten! Der Straßenkrieg hat Paris in Trauer gestürzt, und nach der Hungerwuth wird die Wuth der Verzweiflung losbrechen, wenn die Erkorenen des Volks immerdar die ernsten Lehren der Vergangengenheit in den Wind schlagen. Im Namen des auf seine Gräber gebeugten Frankreich's, im Namen eurer Mütter, Wittwen und Waisen, Gattinnen und Töchter, beschwören wir euch: hört die Stimme der Frauen, seien sie reich und mächtig oder schwach und arm, sie alle sind Schwestern in der Liebe zum Vaterlande, welches sie noch retten möchten vor dem gräßlichen Unheil der Zukunft... Wie in den schwarzen Tagen von 1793 schwebt der Todesschrecken über Paris, die Justiz ist verschleiert, der Haß durchzuckt jedes Herz. Wollt ihr zwanzigtausend von euren Kartätschen dezimirte Familien im Exil sterben lassen? Gebt volle Amnestie!" Die Bourgeois werden schwerlich darauf eingehen, da "die Brut des Sozialismus droht, und am Ende Malthus wohl nicht Unrecht hat, wenn er verlangt, keiner solle sich mit mehr Kindern, als er ernähren kann, umgeben"; für welches "erzvoltärianische Ketzerwort" der Constitutionnel vom katholischen L'Univers geohrfeigt wird; letzeres verkündigt: "nur die heilige Kirche vermag Herrn Proudhon zu beurtheilen und zu besiegen, alle andre Parteien sind nothwendigerweise ohnmächtig gegen ihn und Herrn Cabet"; die Fourieristen ärgert es, nicht einmal erwähnt zu werden. - Die Republikaner der Kammer feierten den 10. August als Jahrestag der Entthronung Louis XVI. im Palais National mit einem nicht sehr Spartanischen Zweckessen von hundert und einem Kouvert; sie wollen im September Lamartine zum Vorsitz der Kammer verhelfen. Wahrscheinlich rennt der kleine Thiers ihm den Rang ab, Herr Thiers, der 1842 auf der Tribüne schrie: "Ja, ich war und bin stets rein monarchisch, und will's auch bleiben; ich habe mich hineingelebt, hineingedacht, hineinstudiert in die koustitutionelle Monarchie, ohne die das Regiment an die unruhigen Klassen käme, der wahrhaft sittliche Erwerb und Verkehr gestört würde.... Ich bin ein Monarchist und, wißt es nur, ich will gradaus marschiren auf mein Ziel zu, und wäre ich auch endlich ganz allein." (La Braie Republique.) Mittlerweile wird Bugeaud wieder ein Kommando bekommen; das "der Freiheit bringenden" Alpenarmee hat schon Marschall Oudinot, der unter dem blödsinnigen Sohne Karl's X. die spanischen Revolutionäre niederhieb und den Trokadero stürmte, wofür die Kamarilla Don Fernando's ihn zum "ersten Grenadier Frankreichs und Navarras" ernennen ließ. Das Provisorium hatte an sechszig Generale als königlichgesinnt verabschiedet; das "Siecle kommt heute zum hundertsten Mal auf die "wünschenswerthe Einberufung dieser würdigen Helden" zurück. Paris. Nationalversammlung. Sitzung vom 16. August. - In der Nähe des Sitzungssaales (Marsfeld) stehen etwa 10,000 Mann Truppen mit scharfen Patronen. Im Saale geht das Gerücht, die Polizei habe eine legitimistische Verschwörung entdeckt, deren Zweck nichts Geringeres gewesen, als den General Cavaignac zu entführen (!) und die Nationalversammlung zu sprengen. (!!) So abenteuerlich dies klingt, sprechen doch obige Militärmassen für die Thatsache. Präsident Marrast eröffnet die Sitzung um 1 1/2 Uhr. An der Tagesordnung sind der Rückkauf der Lyoner Eisenbahn und die berüchtigten Handelskonkordate. Basse legt den Bericht des Justizausschusses über das Verlangen Lamennais, statt seines Geranten Lacroix wegen des Peuple constituant gerichtlich verfolgt zu werden. Stimmen: Die Conclusionen! Basse: Der Ausschuß verwirft den Antrag, die Versammlung stimmt bei und somit ist Lamennais abermals um sein Märtyrerthum geprellt. Man schreitet zum Rückkaufgesetz über die Lyoner Bahn. Fourneyron und Deslongrais wollen die Diskussion verschoben wissen, da die Versammlung noch nicht gehörig über den Gegenstand informirt sein könne. Goudchaux widersetzt sich jeder Vertagung und die allgemeine Berathung beginnt. Journeyron hebt hervor, daß die Rückkaufsbedingungen für den Staat nachtheilig seien. Der Staat werde durch sie zur Uebernahme einer Menge von Bedingungen verpflichtet, für welche die Aktionaire einstehen müßten. Er bekämpft darum den Antrag. Brunet unterstützt denselben. Combarel de Leyval findet ihn dagegen mangelhaft. Der Minister hätte sämmtliche Aktionaire konsultiren sollen, um ihre Meinung zu hören, und ihre Rechte zu wahren. Die Bahn-Direktionen handelten zu eigensüchtig und prellten die Aktionaire um ihre Forderungen. Wolowski, der Sozialistenfeind: Obgleich im Grunde jeder Eisenbahn-Expropriation durch den Staat entgegen, stimme er doch für Annahme des Entwurfs, weil ihm die ausnahmsweise (ruinirte) Stellung der Bahngesellschaft und der Ankauf zu 7 Fr. 60 Cent. Rente per Aktie a 250 (bezahlt) ein gutes Geschäft erscheint. Deslongrais donnerte mit seiner bekannten Lebendigkeit gegen die Oberflächlichkeit dieser Auffassung. Ihr zahlt, wandte er sich an den Minister, 25 Prozent mehr für die Aktien als sie werth sind, d. h. an der Börse stehen. Als es sich um die Sparkassen-Pfänder-Einlösung handelte, [Fortsetzung] [Fortsetzung] Versuchen, daß ich die unsterbliche Seele meines Preußen nicht ohne entsetzliche Anstrengung über den Horizont eines Rübenfeldes zu erheben vermochte. Ich griff daher zu einem Mittel, welches die Zeitverhältnisse zu dem stimulirensten der Gegenwart machen. "Der Erzherzog Reichsverweser ist wirklich bei weitem freudiger empfangen worden wie der König -" rief ich nämlich dem Oesterreicher zu, und sagte es so laut, daß es ringsum verstanden wurde. Dies wirkte. Der Preuße ließ Gabel und Messer sinken und: "Sie irren sich!" rief er mit dem Ausdruck der tiefsten Entrüstung. Mein Plan war gelungen. Ich hatte den Schwarz-weißen und den Schwarz-roth-goldnen aneinandergesetzt. Vergebens strengte sich jetzt der letztere an, unserm Teltower noch einmal alle Hochs und alle Hurrahs auf den alten Erzherzog in's Gedächtniß zurückzurufen: Der Schwarz-weiße wußte seine Stimme sofort zu einem solchen durchdringenden Diskant emporzuschrauben, daß er schnell den Oesterreicher übertönte und die Unterredung im Nu beherrschte. "Sie irren sich! -" begann er von Neuem; - "erinnern Sie sich nicht des Anfangs jener serbischen Gesänge: "Rollt der Donner oder bebt die Erde? Nicht der Donner ist es noch die Erde: Die Kanonen krachen in der Feste, In der starken Feste Peterwardein." Fortwährend summten mir diese Worte durch den Kopf, als wir von Deutz nach Köln hinüberfuhren. War es nicht, als ob die ganze Stadt bis in ihre Grundtiefen zusammenschaudere, als ob der Dom ineinanderbrechen wollte? Nein, Se. Majestät war gerührt über diesen Empfang. Die Augen des Königs leuchteten Luft und Seligkeit. Etwas bleich und schüchtern hatte er die Eisenbahn verlassen, aber rosig und glücklich zog er ein in die donnernde Freudenstadt." Oesterreicher und Preuße schwiegen, denn an der andern Seite des Saales erhob sich plötzlich ein solcher Sturm des Begrüßens, des Trampelns und des Serviettenschwenkens, daß der alte Gürzenich in eine schwingende Bewegung gerieth und daß ich nicht anders meinte, als daß wir jeden Augenblick in den untern Raum des Gebäudes in die Syroptöpfe und in die Butterfässer des Kaufhauses hinabstürzen würden. - - Es war kein Zweifel mehr: eben erschien der König und der Reichsverweser. (Fortsetzung folgt.) Allen liebenswürdigen jungen Leuten, die gerne Mädchen entführen und allen artigen jungen Frauenzimmern, die sich gern entführen lassen, theilen wir hierdurch mit, daß dem berühmten alten Schmid in Gretna-Green durch Parlaments-Akt das Einsegnen der Heirathen für die Zukunft untersagt worden ist. Wir ersuchen daher alle Liebenden sich anderswohin wenden zu wollen. Sollten wir einen besonders günstigen neuen Heiraths-Ort entdecken, so werden wir natürlich sofort Mittheilung davon machen. Das erwähnte Verbot des Parlaments ist auch für alle Romanschreiber von enormer Wichtigkeit: es bringt sie um ihre Pointen. Die schlimmen Folgen der Maßregel sind noch nicht abzusehen. Nach Lesung der Bekanntmachung des Magistrats von Charlottenburg vom 7. d. Mts. muß jeder vernünftig denkende sich sagen, daß den Studenten die in Charlottenburg erhaltenen Prügel sehr dienlich gewesen sind - und kann diesen jungen Leuten hiermit nur wiederholentlich der Rath ertheilt werden, ihre Nasen in die Bücher zu stecken, um etwas zu lernen, anstatt sich um Staats-Angelegenheiten zu kümmern. A. v. S. (aus Pommern). (Voß'sche Zeitung.) [Deutschland] man den Adel fallen lassen, um sich auf das Schacherthum zu stützen. Absolutismus, Spießbürger und Juden gehören heutzutage in einen Topf. Ganz richtig bemerkt daher die „Oesterreichisch Deutsche Zeitung“ vom 13. d., die aber ebenso, wie Löbensteins „Allgemeine Wiener Zeitung,“ obgleich sie zu den bessern demokratischen Blättern gehörten, aus Mangel an Abonnenten den Kampfplatz verlassen müssen: „So erwünscht die Rückkehr des Kaisers insofern ist, als sie die plumpsten Hoffnungen der Reaktion mit einem Schlage vernichtet, so sehr müssen sich doch alle wahren Freunde der Freiheit gefaßt halten, ihre Gegner jetzt ein anderes, kaum minder gefährliches Spiel beginnen zu sehen, denn es steht sehr zu befürchten, daß die Reaktion dasjenige, was sie durch eine drohende Haltung der Demokratie nicht abzutrotzen vermag, nunmehr durch eine einschmeichelnde Haltung derselben abzugewinnen versuchen wird. Sie wird weder Kosten noch Mühe sparen, die Opposition im Reichstage durch gemeine Bestechung zu gewinnen und dem arglosen Volksmanne gegenüber wird sie nicht unterlassen, die feinern Künste der Verführung in Anwendung zu bringen. Man wird glänzende Hoffeste veranstalten, durch liebenswürdige Herablassung alle Herzen entzücken. Die Mitglieder des hohen Adels werden sich an ausgesuchter Höflichkeit überbieten und die schlichten Männer, an deren Urtheil das Wohl und Wehe von Tausenden hängt, werden finden, daß der Teufel nicht so schwarz ist, als man ihn gemalt hat u. s. w. Schon heute begegnete ich den thronfolgenden Erzherzogen in den Straßen; sie grüßten alle Welt, wenn auch alle nicht schwarz-gelbe Welt sie ungegrüßt ließ. Sie wissen aus der Bildung der Verfassungskommission, daß das deutsche Element dabei gesiegt hat; das deutsche Element ist aber kein anderes, als das Judenelement. Hätte das Slaventhum die Oberhand behalten, so würde wenigstens dieses Element unterlegen haben, weil die Slawen im Grunde doch nach einer bessern Freiheit streben, als die deutschen Schacherjuden. 61 Wien, 13. Aug.
So eben wird folgendes durch Maueranschlag veröffentlicht: „An Meine getreuen Wiener! Der gestrige Tag, an welchem Ich, in Eure Mitte zurückkehrend, die schönsten Beweise Eurer alten unveränderlichen Liebe erntete, wird Mir und allen Gliedern des kaiserlichen Hauses unvergeßlich bleiben. Möge er als feierlicher Gedächtnißtag des neuen Bundes zwischen einem freien Volke und seinem konstitutionellen Kaiser in der Geschichte des Vaterlandes ewig glänzen; mögen auch fernerhin Friede, Eintracht, Ordnung und Gesetzmäßigkeit herrschen, damit unter ihrem Schirme der Aufbau unseres neuen verfassungsmäßigen Staats zum Heil und Segen aller Völker Oesterreichs gedeihe und sich kräftige. Im Vereine mit den selbstgewählten Vertretern derselben und unterstützt von Meinen verantwortlichen Räthen hoffe Ich die schwere, von der Vorsehung Mir beschiedene Aufgabe, die neue Konstituirung des Vaterlandes, rühmlich zu Ende zu führen. Ferdinand. Wien, 13. August 1848.“ Da kein Minister unterzeichnet steht, so hat diese Ansprache nur das Ansehen einer persönlichen Versicherung, nicht aber dasjenige eines konstitutionellen Aktes. Ob die Minister absichtlich vermieden worden sind, oder ob sie sich selber absichtlich vermieden haben, will ich vorläufig dahingestellt sein lassen. Es muß sich nun bald zeigen, ob die Minister im Stande sind, den Kaiser den Einflüssen des Hofs gänzlich zu entreißen; es muß sich zeigen, ob die demokratische Umgestaltung Oesterreichs durch den gegenwärtigen Reichstag entscheidend vor sich geht. Die Arbeiter rühren sich immer mehr. Sie haben im Theater in der Josephstadt einen Verein gestiftet, der an social-demokratischer Richtung und an Zahl der Mitglieder alle andere Vereine hierselbst überbietet und sich bereits mit andern deutschen Vereinen in Verbindung gesetzt hat. Für heute waren alle Freunde der Arbeiter und Steuerbar-Unbemittelten zu einer Versammlung berufen, um wegen eines hier abzuhaltenden Arbeiter-Parlamentes Beschluß zu fassen. ‒ Die Arbeiter üben eine strenge Kontrolle gegen Bäcker, Fleischer und alle Viktualienverkäufer; sämmtliche Schacherer und Wucherer sind nebst Wohnung und Stand in Verzeichnisse gebracht, von denen bereits 4 gedruckt erschienen sind. Der Präsident des Arbeitervereins erhält, damit er mehr im Interesse des Vereins wirke, ein monatliches Gehalt von 25 Gulden C. M. und damit jeder Gelegenheit bekomme, sich und die Seinen zu bilden, werden Zeitungen gehalten und alle wichtigen Bücher angeschafft. Die akademische Legion, welche an 15,000 Bewaffnete zählt, und die Arbeiter haben Wiens Schicksal entschieden, sie scheinen berufen zu sein, auch ferner eine Rolle zu spielen. Es bedarf nur eines Rufs der akademischen Legion, so stehen alle Arbeiter und, was mehr ist, alle Bauern da, um nur diesem Ruf zu gehorchen. Das Ministerium beschäftigt zwar einen Theil der Arbeiter, (an 14,000 wöchentlich) aber es hat gar keinen moralischen Einfluß auf dieselben. Gestern Morgen soll ein Arbeiter, der am Bründl eine republikanische Ansprache gehalten, verhaftet worden sein. ‒ Wie ich höre, will man das Pflaster der eigentlichen Stadt aufheben und ihre Straßen, statt mit Steinen, mit Asphalt pflastern. Die hiesige Pflastersteine sind eine furchtbare Waffen in den Händen des Volks und selbst Paris hat keine ähnlichen aufzuweisen. Bei dem außerordentlich massiven Bau der Stadt, bei ihren engen Straßen und himmelhohen Häusern ist sie im Falle eines Angriffs im Stande, mit den bloßen Pflastersteinen ohne Schuß jede eindringende Armee zu vernichten. Sie sehen, das Asphaltiren ist darum ein Gedanke, der den unglücklichen Volksfeinden Ehre macht und gewiß von einem Jellachich oder Windischgrätz ersonnen worden ist. N. S. Telegraphische Depesche des Ministeriums: Cilli, 12. August um 11 Uhr 10 Minuten Nachts. „Sechswöchentlicher Waffenstillstand zum Behufe von Friedensunterhandlungen mit dem Könige von Sardinien abgeschlossen. Peschiera, Rocca d'Arso, Oseppo haben sich unsern Truppen übergeben. Flotte und Landtruppen aus Venedig und seinen Häfen herausgezogen, und kehren in die sardinischen Staaten zurück. Modena, Parma und die Festung Piacenza geräumt.“ Italien. Mailand.
Am 10. d. ist hier eine Ordonnanz erschienen, welche allen Ausgewanderten, die nicht innert 14 Tagen zurückkehren, mit Konfiskation droht. ‒ In Como sind die Oesterreicher am 10. d. eingerückt. Ueberall sollen die alten verhaßten österreichischen Beamten wieder einziehen, die man in den Märztagen verjagt hatte; so in Mailand der berüchtigte Pachta. ‒ Die „Gazetta di Milano“ vom 11. August bringt folgenden Waffenstillstandsvergleich zwischen der sardinischen und österreichischen Armee, als Präliminarien zu den Friedensverhandlungen: Art. 1. Die Gränzscheide zwischen beiden Armeen ist die Gränze zwischen beiden Staaten selbst. 2. Die Festungen Peschiera, Rocca d'Anso und Osoppo, wie auch die Stadt Brescia sollen von den sardinischen und verbündeten Truppen geräumt, und den Truppen Sr. k. k. Maj. übergeben werden, die Uebergabe eines jeden dieser Plätze soll statthaben drei Tage nach Bekanntmachung dieser Konvention. In den erwähnten Plätzen wird das Oesterreich zugehörende Ausrüstungsmaterial zurückgegeben. Die Truppen werden ihr eigenes Material, Waffen, Munition, Monturstücke mitnehmen, und in regelmäßigen Etappen auf dem kürzesten Wege nach den Staaten Sr. sardinischen Maj. zurückkehren. 3. Die Staaten von Modena, Parma und die Stadt Piacenza mit dem ihr als Waffenplatze angewiesenen Landbezirke werden von den Truppen Sr. Maj. des Königs von Sardinien drei Tage nach Bekanntmachung des Gegenwärtigen geräumt werden. 4. Diese Konvention betrifft auch die Stadt Venedig und das venetianische Festland, die sardinischen Streitkräfte zu Wasser und zu Land werden die Stadt, die Forts und die Häfen besagten Platzes räumen, um in die sardinischen Staaten zurückzukehren. Die Landtruppen können ihren Rückzug zu Land machen über einen noch zu bestimmenden Weg. 5. Personen und Eigenthum der benannten Ortschaften sind unter den Schutz der kaiserlichen Regierung gestellt. 6. Dieser Waffenstillstand wird sechs Wochen dauern, um Friedensverhandlungen stattfinden zu lassen, nach Abfluß dieses Termins wird er entweder in gemeinsamem Einverständniß verlängert, oder 8 Tage vor Wiederaufnahme der Feindseligkeiten gekündet werden. 7. Zu leichterer und freundlicherer Ausführung des Obigen werden beiderseits Kommissarien ernannt. ‒ Hauptquartier Mailand, 9. August 1848. Der Generallieutenant v. Heß, Generalquartiermeister der k. k. Armee. Der Generallieutenant Graf Salasco, Generalquartiermeister der sardinischen Armee. Französische Republik. 17 Paris, 16. Aug. Die Contrereaktion, die Reaktion gegen die Reaktion, ist im Aufgehen. Der Bruch dringt jetzt auch in die Bourgeoisklasse allmälich, wo bereits die wüthendsten Zwiste zwischen Freunden und Verwandten, Eltern und Kindern, ausbrechen; davon habe ich faktische Beweise. Gestern duellirten sich zwei Brüder wegen der Junitage, und der eine ist lebensgefährlich verwundet. Manche Familien brechen den Umgang miteinander ab. ‒ Die Proletarier können, wie schon längst gesagt, ruhig das Ding laufen lassen; es ist fast positiv, daß einst die Nationalgarden in Uniform aufeinander feuern werden. Schon kam es gestern beinah dazu, als die Deputation der 2. Legion nach Bourges fuhr, um den „Waffenbrüdern“ daselbst ein Juniandenken, eine sehr kostspielige Fahne mit dem Wappen von Bourges zu bringen; am hiesigen Bahnhof bemerkten einige Mitglieder auf derselben 14 eingestickte Lilien, angeblich getreu dem Wappen nachgebildet; andre schrieen über Karlismus, und ohne den Hrn. Maire wären die Honnetten Handgemein geworden; dies verdächtige Kunstwerk blieb in Paris und man rutschte ganz verboßt mit einer Trikolore à 10 Franken zu den „lieben Waffenbrüdern“ ab. Der Siecle heult über die „traurige Lage“ der 1500 verwahrlosten Kinder im Faubourg St. Marcel, wo auch 400 Mädchen aus Raummangel nicht in die Schule der barmherzigen Schwestern gehen können, obschon die „gute“ Stadt Paris seit 2 Jahren Miethe Pränumerando zahlt für ein großes Schulhaus, welches erst im Grundstein fertig ist (sic). Hr. Minister Vaulabelle und Hr. Dr. med. Trelat, derweilen Maire, dieser „kristallreine, kristallharte Republikaner von altem Korn“ (National) hat sich bisher nicht darum bekümmert. ‒ Der Siecle giebt den Brief eines Unteroffiziers der Linie als „Meisterstück gesunden Verstandes“, worin man belehrt wird, was ein Bourgeois sei, nämlich „alle Franzosen die keine Soldaten sind“ (eigentlich Pequins mit dem Spitznamen zu Napoleons Zeit); triumphirend ruft das Krämerblatt: „ah da habt Ihr's, Sozialaufwiegler, aus dem Munde des Volkes selber!“ Dasselbe geniale Blatt citirte die Attake Proudhons gegen Malthus und behauptete im selbigen Artikel, Malthus Standpunkt werde von Proudhon eingenommen. Der treffliche Constitutionnel „dessen Dummheit, Unwissenheit und Bosheit gleichviele Kubikfuß enthalten,“ (La Braie Republique) war so gütig uns zu belehren: wenn ein Proudhon in der Kammer sitzt, so kommt das lediglich von seinen Wählern her. Der National will witzeln über Proudhon's Drohung, die Wittwen und Waisen der niedergemetzelten und deportirten Blousenmänner könnten wohl einmal mit Trauerflor und schwarzer Fahne zur Rue Lepelletier ziehen; das sei „ein Aufruf an die bösesten Leidenschaften“ meint Armand Marrast's blasirtes Journal. Es schweigt tückisch über die niederträchtigen Verweigerungen von Besuchen bei den Gefangenen, desgleichen über die liebenswürdige Behandlung während 6 Wochen; das an die alte Vehm erinnerde Verpacken und Verschiffen der 800 Insurgenten ohne Abschied (um 5 Uhr waren die Frauen hinbestellt, um 3 Uhr ging aber die Reise schon los) findet er „vorsichtig“ und „thränensparend“. Letztres ist nicht ganz richtig, viele der getäuschten Angehörigen stürzten in Zuckungen zu Boden, zerrauften die Haare, und die wenig sentimentalen Soldaten Cavaignac's, die Wache standen, murrten sogar „sie wären's müde den Henkerknecht zu spielen.“ Ganz besonders Mode ist jetzt, jedem sozialistische Lektüre liebenden Arbeiter aufzukündigen, oder „fortjagen“ wie die Herren Industriellen sich heute auszudrücken unterstehen; ein Pumpenfabrikant erzählte mir, er habe 3 seiner Besten „fortgejagt“ weil sie zweimal aus dem Populaire Cabets und aus der Proudhon'schen Kammerrede den Mitgesellen vorgelesen; „ich will mir's Haus rein halten“ setzte er mit gewichtigem Kopfwerfen hinzu. ‒ In Chartres hat ein Dragoner-Regiment beim Einzug Vive le Roi geschrieen und der Maire schwenkte den Hut; das Journal de Debats findet darin „eine sehr rührende, wenngleich unüberlegte Aeußerung edler Privatgefühle“ und erklärt in zwei Leitartikeln: „Wir, Gottlob, haben keine Februarrevolution beabsichtigt, keine Republik gemacht noch machen helfen, jedoch da beides einmal da ist, so verneigen wir uns und erdulden es (subissons), denn Opposition wäre unzeitig.“ Der Constitutionnel lächelt verständnißinnig, nennt aber diese Phrase „etwas gar zu kühn.“ Dieser Ton sei widerlich, meint der National, aber er selbst, der Exvoltärianer, wird immer mehr ein Ignorantiner (barmherziger Bruder) und predigt Allianz mit Lord Russel. Proudhon ruft ihm zu: „Merkt auf, ihr Leute vom National, die ihr gestern schriebet, ich wolle die Liquidirung der menschlichen Gesellschaft machen: ob selbige vom Bürger Proudhon, oder vom Bürger Cabet geschehen wird, weiß ich noch nicht, aber klar ist, daß ihr mit aller Macht zur Deklarirung der Fallite treibt.“ ‒ Die Frauen zeichnen jetzt zu Tausenden eine Petition an die Kammer: „Bürger Repräsentanten! Der Straßenkrieg hat Paris in Trauer gestürzt, und nach der Hungerwuth wird die Wuth der Verzweiflung losbrechen, wenn die Erkorenen des Volks immerdar die ernsten Lehren der Vergangengenheit in den Wind schlagen. Im Namen des auf seine Gräber gebeugten Frankreich's, im Namen eurer Mütter, Wittwen und Waisen, Gattinnen und Töchter, beschwören wir euch: hört die Stimme der Frauen, seien sie reich und mächtig oder schwach und arm, sie alle sind Schwestern in der Liebe zum Vaterlande, welches sie noch retten möchten vor dem gräßlichen Unheil der Zukunft… Wie in den schwarzen Tagen von 1793 schwebt der Todesschrecken über Paris, die Justiz ist verschleiert, der Haß durchzuckt jedes Herz. Wollt ihr zwanzigtausend von euren Kartätschen dezimirte Familien im Exil sterben lassen? Gebt volle Amnestie!“ Die Bourgeois werden schwerlich darauf eingehen, da „die Brut des Sozialismus droht, und am Ende Malthus wohl nicht Unrecht hat, wenn er verlangt, keiner solle sich mit mehr Kindern, als er ernähren kann, umgeben“; für welches „erzvoltärianische Ketzerwort“ der Constitutionnel vom katholischen L'Univers geohrfeigt wird; letzeres verkündigt: „nur die heilige Kirche vermag Herrn Proudhon zu beurtheilen und zu besiegen, alle andre Parteien sind nothwendigerweise ohnmächtig gegen ihn und Herrn Cabet“; die Fourieristen ärgert es, nicht einmal erwähnt zu werden. ‒ Die Republikaner der Kammer feierten den 10. August als Jahrestag der Entthronung Louis XVI. im Palais National mit einem nicht sehr Spartanischen Zweckessen von hundert und einem Kouvert; sie wollen im September Lamartine zum Vorsitz der Kammer verhelfen. Wahrscheinlich rennt der kleine Thiers ihm den Rang ab, Herr Thiers, der 1842 auf der Tribüne schrie: „Ja, ich war und bin stets rein monarchisch, und will's auch bleiben; ich habe mich hineingelebt, hineingedacht, hineinstudiert in die koustitutionelle Monarchie, ohne die das Regiment an die unruhigen Klassen käme, der wahrhaft sittliche Erwerb und Verkehr gestört würde.… Ich bin ein Monarchist und, wißt es nur, ich will gradaus marschiren auf mein Ziel zu, und wäre ich auch endlich ganz allein.“ (La Braie Republique.) Mittlerweile wird Bugeaud wieder ein Kommando bekommen; das „der Freiheit bringenden“ Alpenarmee hat schon Marschall Oudinot, der unter dem blödsinnigen Sohne Karl's X. die spanischen Revolutionäre niederhieb und den Trokadero stürmte, wofür die Kamarilla Don Fernando's ihn zum „ersten Grenadier Frankreichs und Navarras“ ernennen ließ. Das Provisorium hatte an sechszig Generale als königlichgesinnt verabschiedet; das „Siecle kommt heute zum hundertsten Mal auf die „wünschenswerthe Einberufung dieser würdigen Helden“ zurück. Paris. Nationalversammlung. Sitzung vom 16. August. ‒ In der Nähe des Sitzungssaales (Marsfeld) stehen etwa 10,000 Mann Truppen mit scharfen Patronen. Im Saale geht das Gerücht, die Polizei habe eine legitimistische Verschwörung entdeckt, deren Zweck nichts Geringeres gewesen, als den General Cavaignac zu entführen (!) und die Nationalversammlung zu sprengen. (!!) So abenteuerlich dies klingt, sprechen doch obige Militärmassen für die Thatsache. Präsident Marrast eröffnet die Sitzung um 1 1/2 Uhr. An der Tagesordnung sind der Rückkauf der Lyoner Eisenbahn und die berüchtigten Handelskonkordate. Basse legt den Bericht des Justizausschusses über das Verlangen Lamennais, statt seines Geranten Lacroix wegen des Peuple constituant gerichtlich verfolgt zu werden. Stimmen: Die Conclusionen! Basse: Der Ausschuß verwirft den Antrag, die Versammlung stimmt bei und somit ist Lamennais abermals um sein Märtyrerthum geprellt. Man schreitet zum Rückkaufgesetz über die Lyoner Bahn. Fourneyron und Deslongrais wollen die Diskussion verschoben wissen, da die Versammlung noch nicht gehörig über den Gegenstand informirt sein könne. Goudchaux widersetzt sich jeder Vertagung und die allgemeine Berathung beginnt. Journeyron hebt hervor, daß die Rückkaufsbedingungen für den Staat nachtheilig seien. Der Staat werde durch sie zur Uebernahme einer Menge von Bedingungen verpflichtet, für welche die Aktionaire einstehen müßten. Er bekämpft darum den Antrag. Brunet unterstützt denselben. Combarel de Leyval findet ihn dagegen mangelhaft. Der Minister hätte sämmtliche Aktionaire konsultiren sollen, um ihre Meinung zu hören, und ihre Rechte zu wahren. Die Bahn-Direktionen handelten zu eigensüchtig und prellten die Aktionaire um ihre Forderungen. Wolowski, der Sozialistenfeind: Obgleich im Grunde jeder Eisenbahn-Expropriation durch den Staat entgegen, stimme er doch für Annahme des Entwurfs, weil ihm die ausnahmsweise (ruinirte) Stellung der Bahngesellschaft und der Ankauf zu 7 Fr. 60 Cent. Rente per Aktie à 250 (bezahlt) ein gutes Geschäft erscheint. Deslongrais donnerte mit seiner bekannten Lebendigkeit gegen die Oberflächlichkeit dieser Auffassung. Ihr zahlt, wandte er sich an den Minister, 25 Prozent mehr für die Aktien als sie werth sind, d. h. an der Börse stehen. Als es sich um die Sparkassen-Pfänder-Einlösung handelte, [Fortsetzung] [Fortsetzung] Versuchen, daß ich die unsterbliche Seele meines Preußen nicht ohne entsetzliche Anstrengung über den Horizont eines Rübenfeldes zu erheben vermochte. Ich griff daher zu einem Mittel, welches die Zeitverhältnisse zu dem stimulirensten der Gegenwart machen. „Der Erzherzog Reichsverweser ist wirklich bei weitem freudiger empfangen worden wie der König ‒“ rief ich nämlich dem Oesterreicher zu, und sagte es so laut, daß es ringsum verstanden wurde. Dies wirkte. Der Preuße ließ Gabel und Messer sinken und: „Sie irren sich!“ rief er mit dem Ausdruck der tiefsten Entrüstung. Mein Plan war gelungen. Ich hatte den Schwarz-weißen und den Schwarz-roth-goldnen aneinandergesetzt. Vergebens strengte sich jetzt der letztere an, unserm Teltower noch einmal alle Hochs und alle Hurrahs auf den alten Erzherzog in's Gedächtniß zurückzurufen: Der Schwarz-weiße wußte seine Stimme sofort zu einem solchen durchdringenden Diskant emporzuschrauben, daß er schnell den Oesterreicher übertönte und die Unterredung im Nu beherrschte. „Sie irren sich! ‒“ begann er von Neuem; ‒ „erinnern Sie sich nicht des Anfangs jener serbischen Gesänge: „Rollt der Donner oder bebt die Erde? Nicht der Donner ist es noch die Erde: Die Kanonen krachen in der Feste, In der starken Feste Peterwardein.“ Fortwährend summten mir diese Worte durch den Kopf, als wir von Deutz nach Köln hinüberfuhren. War es nicht, als ob die ganze Stadt bis in ihre Grundtiefen zusammenschaudere, als ob der Dom ineinanderbrechen wollte? Nein, Se. Majestät war gerührt über diesen Empfang. Die Augen des Königs leuchteten Luft und Seligkeit. Etwas bleich und schüchtern hatte er die Eisenbahn verlassen, aber rosig und glücklich zog er ein in die donnernde Freudenstadt.“ Oesterreicher und Preuße schwiegen, denn an der andern Seite des Saales erhob sich plötzlich ein solcher Sturm des Begrüßens, des Trampelns und des Serviettenschwenkens, daß der alte Gürzenich in eine schwingende Bewegung gerieth und daß ich nicht anders meinte, als daß wir jeden Augenblick in den untern Raum des Gebäudes in die Syroptöpfe und in die Butterfässer des Kaufhauses hinabstürzen würden. ‒ ‒ Es war kein Zweifel mehr: eben erschien der König und der Reichsverweser. (Fortsetzung folgt.) Allen liebenswürdigen jungen Leuten, die gerne Mädchen entführen und allen artigen jungen Frauenzimmern, die sich gern entführen lassen, theilen wir hierdurch mit, daß dem berühmten alten Schmid in Gretna-Green durch Parlaments-Akt das Einsegnen der Heirathen für die Zukunft untersagt worden ist. Wir ersuchen daher alle Liebenden sich anderswohin wenden zu wollen. Sollten wir einen besonders günstigen neuen Heiraths-Ort entdecken, so werden wir natürlich sofort Mittheilung davon machen. Das erwähnte Verbot des Parlaments ist auch für alle Romanschreiber von enormer Wichtigkeit: es bringt sie um ihre Pointen. Die schlimmen Folgen der Maßregel sind noch nicht abzusehen. Nach Lesung der Bekanntmachung des Magistrats von Charlottenburg vom 7. d. Mts. muß jeder vernünftig denkende sich sagen, daß den Studenten die in Charlottenburg erhaltenen Prügel sehr dienlich gewesen sind ‒ und kann diesen jungen Leuten hiermit nur wiederholentlich der Rath ertheilt werden, ihre Nasen in die Bücher zu stecken, um etwas zu lernen, anstatt sich um Staats-Angelegenheiten zu kümmern. A. v. S. (aus Pommern). (Voß'sche Zeitung.) <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0003" n="0405"/> <div n="1"> <head>[Deutschland]</head> <div xml:id="ar080_013b" type="jArticle"> <p>man den Adel fallen lassen, um sich auf das Schacherthum zu stützen. Absolutismus, Spießbürger und Juden gehören heutzutage in <hi rendition="#g">einen</hi> Topf. Ganz richtig bemerkt daher die „Oesterreichisch Deutsche Zeitung“ vom 13. d., die aber ebenso, wie Löbensteins „Allgemeine Wiener Zeitung,“ obgleich sie zu den bessern demokratischen Blättern gehörten, aus Mangel an Abonnenten den Kampfplatz verlassen müssen: „So erwünscht die Rückkehr des Kaisers insofern ist, als sie die plumpsten Hoffnungen der Reaktion mit einem Schlage vernichtet, so sehr müssen sich doch alle wahren Freunde der Freiheit gefaßt halten, ihre Gegner jetzt ein anderes, kaum minder gefährliches Spiel beginnen zu sehen, denn es steht sehr zu befürchten, daß die Reaktion dasjenige, was sie durch eine drohende Haltung der Demokratie nicht abzutrotzen vermag, nunmehr durch eine einschmeichelnde Haltung derselben abzugewinnen versuchen wird. Sie wird weder Kosten noch Mühe sparen, die Opposition im Reichstage durch gemeine Bestechung zu gewinnen und dem arglosen Volksmanne gegenüber wird sie nicht unterlassen, die feinern Künste der Verführung in Anwendung zu bringen. Man wird glänzende Hoffeste veranstalten, durch liebenswürdige Herablassung alle Herzen entzücken. Die Mitglieder des hohen Adels werden sich an ausgesuchter Höflichkeit überbieten und die schlichten Männer, an deren Urtheil das Wohl und Wehe von Tausenden hängt, werden finden, daß der Teufel nicht so schwarz ist, als man ihn gemalt hat u. s. w.</p> <p>Schon heute begegnete ich den thronfolgenden Erzherzogen in den Straßen; sie grüßten alle Welt, wenn auch alle nicht schwarz-gelbe Welt sie ungegrüßt ließ. Sie wissen aus der Bildung der Verfassungskommission, daß das deutsche Element dabei gesiegt hat; das deutsche Element ist aber kein anderes, als das Judenelement. Hätte das Slaventhum die Oberhand behalten, so würde wenigstens dieses Element unterlegen haben, weil die Slawen im Grunde doch nach einer bessern Freiheit streben, als die deutschen Schacherjuden.</p> </div> <div xml:id="ar080_014" type="jArticle"> <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 13. Aug.</head> <p>So eben wird folgendes durch Maueranschlag veröffentlicht:</p> <p>„An Meine getreuen Wiener!</p> <p>Der gestrige Tag, an welchem Ich, in Eure Mitte zurückkehrend, die schönsten Beweise Eurer alten unveränderlichen Liebe erntete, wird Mir und allen Gliedern des kaiserlichen Hauses unvergeßlich bleiben.</p> <p>Möge er als feierlicher Gedächtnißtag des neuen Bundes zwischen einem freien Volke und seinem konstitutionellen Kaiser in der Geschichte des Vaterlandes ewig glänzen; mögen auch fernerhin Friede, Eintracht, Ordnung und Gesetzmäßigkeit herrschen, damit unter ihrem Schirme der Aufbau unseres neuen verfassungsmäßigen Staats zum Heil und Segen aller Völker Oesterreichs gedeihe und sich kräftige.</p> <p>Im Vereine mit den selbstgewählten Vertretern derselben und unterstützt von Meinen verantwortlichen Räthen hoffe Ich die schwere, von der Vorsehung Mir beschiedene Aufgabe, die neue Konstituirung des Vaterlandes, rühmlich zu Ende zu führen.</p> <p><hi rendition="#g">Ferdinand.</hi> Wien, 13. August 1848.“</p> <p>Da kein Minister unterzeichnet steht, so hat diese Ansprache nur das Ansehen einer persönlichen Versicherung, nicht aber dasjenige eines konstitutionellen Aktes. Ob die Minister absichtlich vermieden worden sind, oder ob sie sich selber absichtlich vermieden haben, will ich vorläufig dahingestellt sein lassen. Es muß sich nun bald zeigen, ob die Minister im Stande sind, den Kaiser den Einflüssen des Hofs gänzlich zu entreißen; es muß sich zeigen, ob die demokratische Umgestaltung Oesterreichs durch den gegenwärtigen Reichstag entscheidend vor sich geht.</p> <p>Die Arbeiter rühren sich immer mehr. Sie haben im Theater in der Josephstadt einen Verein gestiftet, der an social-demokratischer Richtung und an Zahl der Mitglieder alle andere Vereine hierselbst überbietet und sich bereits mit andern deutschen Vereinen in Verbindung gesetzt hat. Für heute waren alle Freunde der Arbeiter und Steuerbar-Unbemittelten zu einer Versammlung berufen, um wegen eines hier abzuhaltenden Arbeiter-Parlamentes Beschluß zu fassen. ‒ Die Arbeiter üben eine strenge Kontrolle gegen Bäcker, Fleischer und alle Viktualienverkäufer; sämmtliche Schacherer und Wucherer sind nebst Wohnung und Stand in Verzeichnisse gebracht, von denen bereits 4 gedruckt erschienen sind. Der Präsident des Arbeitervereins erhält, damit er mehr im Interesse des Vereins wirke, ein monatliches Gehalt von 25 Gulden C. M. und damit jeder Gelegenheit bekomme, sich und die Seinen zu bilden, werden Zeitungen gehalten und alle wichtigen Bücher angeschafft. Die akademische Legion, welche an 15,000 Bewaffnete zählt, und die Arbeiter haben Wiens Schicksal entschieden, sie scheinen berufen zu sein, auch ferner eine Rolle zu spielen. Es bedarf nur eines Rufs der akademischen Legion, so stehen alle Arbeiter und, was mehr ist, alle Bauern da, um nur diesem Ruf zu gehorchen. Das Ministerium beschäftigt zwar einen Theil der Arbeiter, (an 14,000 wöchentlich) aber es hat gar keinen moralischen Einfluß auf dieselben.</p> <p>Gestern Morgen soll ein Arbeiter, der am Bründl eine republikanische Ansprache gehalten, verhaftet worden sein. ‒ Wie ich höre, will man das Pflaster der eigentlichen Stadt aufheben und ihre Straßen, statt mit Steinen, mit Asphalt pflastern. Die hiesige Pflastersteine sind eine furchtbare Waffen in den Händen des Volks und selbst Paris hat keine ähnlichen aufzuweisen. Bei dem außerordentlich massiven Bau der Stadt, bei ihren engen Straßen und himmelhohen Häusern ist sie im Falle eines Angriffs im Stande, mit den bloßen Pflastersteinen ohne Schuß jede eindringende Armee zu vernichten. Sie sehen, das Asphaltiren ist darum ein Gedanke, der den unglücklichen Volksfeinden Ehre macht und gewiß von einem Jellachich oder Windischgrätz ersonnen worden ist.</p> <p>N. S. Telegraphische Depesche des Ministeriums:</p> <p>Cilli, 12. August um 11 Uhr 10 Minuten Nachts.</p> <p>„Sechswöchentlicher Waffenstillstand zum Behufe von Friedensunterhandlungen mit dem Könige von Sardinien abgeschlossen.</p> <p>Peschiera, Rocca d'Arso, Oseppo haben sich unsern Truppen übergeben. Flotte und Landtruppen aus Venedig und seinen Häfen herausgezogen, und kehren in die sardinischen Staaten zurück.</p> <p>Modena, Parma und die Festung Piacenza geräumt.“</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Italien.</head> <div xml:id="ar080_015" type="jArticle"> <head>Mailand.</head> <p>Am 10. d. ist hier eine Ordonnanz erschienen, welche allen Ausgewanderten, die nicht innert 14 Tagen zurückkehren, mit Konfiskation droht. ‒ In Como sind die Oesterreicher am 10. d. eingerückt. Ueberall sollen die alten verhaßten österreichischen Beamten wieder einziehen, die man in den Märztagen verjagt hatte; so in Mailand der berüchtigte Pachta.</p> <p>‒ Die „Gazetta di Milano“ vom 11. August bringt folgenden Waffenstillstandsvergleich zwischen der sardinischen und österreichischen Armee, als Präliminarien zu den Friedensverhandlungen: Art. 1. Die Gränzscheide zwischen beiden Armeen ist die Gränze zwischen beiden Staaten selbst. 2. Die Festungen Peschiera, Rocca d'Anso und Osoppo, wie auch die Stadt Brescia sollen von den sardinischen und verbündeten Truppen geräumt, und den Truppen Sr. k. k. Maj. übergeben werden, die Uebergabe eines jeden dieser Plätze soll statthaben drei Tage nach Bekanntmachung dieser Konvention. In den erwähnten Plätzen wird das Oesterreich zugehörende Ausrüstungsmaterial zurückgegeben. Die Truppen werden ihr eigenes Material, Waffen, Munition, Monturstücke mitnehmen, und in regelmäßigen Etappen auf dem kürzesten Wege nach den Staaten Sr. sardinischen Maj. zurückkehren. 3. Die Staaten von Modena, Parma und die Stadt Piacenza mit dem ihr als Waffenplatze angewiesenen Landbezirke werden von den Truppen Sr. Maj. des Königs von Sardinien drei Tage nach Bekanntmachung des Gegenwärtigen geräumt werden. 4. Diese Konvention betrifft auch die Stadt Venedig und das venetianische Festland, die sardinischen Streitkräfte zu Wasser und zu Land werden die Stadt, die Forts und die Häfen besagten Platzes räumen, um in die sardinischen Staaten zurückzukehren. Die Landtruppen können ihren Rückzug zu Land machen über einen noch zu bestimmenden Weg. 5. Personen und Eigenthum der benannten Ortschaften sind unter den Schutz der kaiserlichen Regierung gestellt. 6. Dieser Waffenstillstand wird sechs Wochen dauern, um Friedensverhandlungen stattfinden zu lassen, nach Abfluß dieses Termins wird er entweder in gemeinsamem Einverständniß verlängert, oder 8 Tage vor Wiederaufnahme der Feindseligkeiten gekündet werden. 7. Zu leichterer und freundlicherer Ausführung des Obigen werden beiderseits Kommissarien ernannt. ‒ Hauptquartier Mailand, 9. August 1848. Der Generallieutenant v. Heß, Generalquartiermeister der k. k. Armee. Der Generallieutenant Graf Salasco, Generalquartiermeister der sardinischen Armee.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Französische Republik.</head> <div xml:id="ar080_016" type="jArticle"> <head><bibl><author>17</author></bibl> Paris, 16. Aug.</head> <p>Die <hi rendition="#g">Contrereaktion,</hi> die Reaktion gegen die Reaktion, ist im Aufgehen. Der Bruch dringt jetzt auch in die Bourgeoisklasse allmälich, wo bereits die wüthendsten Zwiste zwischen Freunden und Verwandten, Eltern und Kindern, ausbrechen; davon habe ich faktische Beweise. <hi rendition="#g">Gestern duellirten sich zwei Brüder</hi> wegen der Junitage, und der eine ist lebensgefährlich verwundet. Manche Familien brechen den Umgang miteinander ab. ‒ Die Proletarier können, wie schon längst gesagt, ruhig das Ding laufen lassen; es ist fast positiv, daß einst die Nationalgarden in <hi rendition="#g">Uniform</hi> aufeinander feuern werden. Schon kam es gestern beinah dazu, als die Deputation der 2. Legion nach Bourges fuhr, um den „Waffenbrüdern“ daselbst ein Juniandenken, eine sehr kostspielige Fahne mit dem Wappen von Bourges zu bringen; am hiesigen Bahnhof bemerkten einige Mitglieder auf derselben 14 eingestickte Lilien, angeblich getreu dem Wappen nachgebildet; andre schrieen über Karlismus, und ohne den Hrn. Maire wären die Honnetten Handgemein geworden; dies verdächtige Kunstwerk blieb in Paris und man rutschte ganz verboßt mit einer Trikolore à 10 Franken zu den „lieben Waffenbrüdern“ ab. Der Siecle heult über die „traurige Lage“ der 1500 verwahrlosten Kinder im Faubourg St. Marcel, wo auch 400 Mädchen aus Raummangel nicht in die Schule der barmherzigen Schwestern gehen können, obschon die „gute“ Stadt Paris seit 2 Jahren <hi rendition="#g">Miethe Pränumerando zahlt für ein großes Schulhaus, welches erst im Grundstein fertig ist</hi> (sic). Hr. Minister Vaulabelle und Hr. Dr. med. Trelat, derweilen Maire, dieser „kristallreine, kristallharte Republikaner von altem Korn“ (National) hat sich bisher nicht darum bekümmert. ‒ Der Siecle giebt den Brief eines Unteroffiziers der Linie als „Meisterstück gesunden Verstandes“, worin man belehrt wird, was ein Bourgeois sei, nämlich „alle Franzosen die keine Soldaten sind“ (eigentlich Pequins mit dem Spitznamen zu Napoleons Zeit); triumphirend ruft das Krämerblatt: „ah da habt Ihr's, Sozialaufwiegler, aus dem Munde des Volkes selber!“ Dasselbe geniale Blatt citirte die Attake Proudhons gegen Malthus und behauptete im selbigen Artikel, Malthus Standpunkt werde von Proudhon eingenommen. Der treffliche Constitutionnel „dessen Dummheit, Unwissenheit und Bosheit gleichviele Kubikfuß enthalten,“ (La Braie Republique) war so gütig uns zu belehren: wenn ein Proudhon in der Kammer sitzt, so kommt das lediglich von seinen Wählern her. Der National will witzeln über Proudhon's Drohung, die Wittwen und Waisen der niedergemetzelten und deportirten Blousenmänner könnten wohl einmal mit Trauerflor und schwarzer Fahne zur Rue Lepelletier ziehen; das sei „ein Aufruf an die bösesten Leidenschaften“ meint Armand Marrast's blasirtes Journal. Es schweigt tückisch über die niederträchtigen Verweigerungen von Besuchen bei den Gefangenen, desgleichen über die liebenswürdige Behandlung während 6 Wochen; das an die alte Vehm erinnerde Verpacken und Verschiffen der 800 Insurgenten ohne Abschied (um 5 Uhr waren die Frauen hinbestellt, um 3 Uhr ging aber die Reise schon los) findet er „vorsichtig“ und „thränensparend“. Letztres ist nicht ganz richtig, <hi rendition="#g">viele</hi> der getäuschten Angehörigen stürzten in Zuckungen zu Boden, zerrauften die Haare, und die wenig sentimentalen Soldaten Cavaignac's, die Wache standen, murrten sogar „sie wären's müde den Henkerknecht zu spielen.“</p> <p>Ganz besonders Mode ist jetzt, jedem sozialistische Lektüre liebenden Arbeiter aufzukündigen, oder „fortjagen“ wie die Herren Industriellen sich heute auszudrücken unterstehen; ein Pumpenfabrikant erzählte mir, er habe 3 seiner Besten „fortgejagt“ weil sie zweimal aus dem Populaire Cabets und aus der Proudhon'schen Kammerrede den Mitgesellen vorgelesen; „ich will mir's Haus rein halten“ setzte er mit gewichtigem Kopfwerfen hinzu. ‒ In Chartres hat ein Dragoner-Regiment beim Einzug Vive le Roi geschrieen und der Maire schwenkte den Hut; das Journal de Debats findet darin „eine sehr rührende, wenngleich unüberlegte Aeußerung edler Privatgefühle“ und erklärt in zwei Leitartikeln: „<hi rendition="#g">Wir,</hi> Gottlob, haben keine Februarrevolution beabsichtigt, keine Republik <hi rendition="#g">gemacht noch machen helfen,</hi> jedoch da beides einmal da ist, so verneigen wir uns und erdulden es (subissons), denn Opposition wäre unzeitig.“ Der Constitutionnel lächelt verständnißinnig, nennt aber diese Phrase „etwas gar zu kühn.“</p> <p>Dieser Ton sei widerlich, meint der National, aber er selbst, der Exvoltärianer, wird immer mehr ein Ignorantiner (barmherziger Bruder) und predigt Allianz mit Lord Russel. Proudhon ruft ihm zu: „Merkt auf, ihr Leute vom National, die ihr gestern schriebet, ich wolle die <hi rendition="#g">Liquidirung der menschlichen Gesellschaft</hi> machen: ob selbige vom Bürger Proudhon, oder vom Bürger Cabet geschehen wird, weiß ich noch nicht, aber klar ist, daß ihr mit aller Macht zur <hi rendition="#g">Deklarirung der Fallite</hi> treibt.“ ‒ Die Frauen zeichnen jetzt zu Tausenden eine Petition an die Kammer: „Bürger Repräsentanten! Der Straßenkrieg hat Paris in Trauer gestürzt, und nach der Hungerwuth wird die Wuth der Verzweiflung losbrechen, wenn die Erkorenen des Volks immerdar die ernsten Lehren der Vergangengenheit in den Wind schlagen. Im Namen des auf seine Gräber gebeugten Frankreich's, im Namen eurer Mütter, Wittwen und Waisen, Gattinnen und Töchter, beschwören wir euch: hört die Stimme der Frauen, seien sie reich und mächtig oder schwach und arm, sie alle sind Schwestern in der Liebe zum Vaterlande, welches sie noch retten möchten vor dem gräßlichen Unheil der Zukunft… Wie in den schwarzen Tagen von 1793 schwebt der Todesschrecken über Paris, die Justiz ist verschleiert, der Haß durchzuckt jedes Herz. Wollt ihr zwanzigtausend von euren Kartätschen dezimirte Familien im Exil sterben lassen? Gebt volle Amnestie!“ Die Bourgeois werden schwerlich darauf eingehen, da „die Brut des Sozialismus droht, und am Ende Malthus wohl nicht Unrecht hat, wenn er verlangt, <hi rendition="#g">keiner solle sich mit mehr Kindern, als er ernähren kann, umgeben</hi>“; für welches „erzvoltärianische Ketzerwort“ der Constitutionnel vom katholischen L'Univers geohrfeigt wird; letzeres verkündigt: „nur die heilige Kirche vermag Herrn Proudhon zu beurtheilen und zu besiegen, alle andre Parteien sind nothwendigerweise ohnmächtig gegen ihn und Herrn Cabet“; die Fourieristen ärgert es, nicht einmal erwähnt zu werden. ‒</p> <p>Die Republikaner der Kammer feierten den 10. August als Jahrestag der Entthronung Louis XVI. im Palais National mit einem nicht sehr Spartanischen Zweckessen von hundert und einem Kouvert; sie wollen im September Lamartine zum Vorsitz der Kammer verhelfen. Wahrscheinlich rennt der kleine Thiers ihm den Rang ab, Herr Thiers, der 1842 auf der Tribüne schrie: „Ja, ich war und bin stets rein monarchisch, und will's auch bleiben; ich habe mich hineingelebt, hineingedacht, hineinstudiert in die koustitutionelle Monarchie, ohne die das Regiment an die unruhigen Klassen käme, der wahrhaft sittliche Erwerb und Verkehr gestört würde.… Ich bin ein Monarchist und, wißt es nur, ich will gradaus marschiren auf mein Ziel zu, und wäre ich auch endlich ganz allein.“ (La Braie Republique.) Mittlerweile wird Bugeaud wieder ein Kommando bekommen; das „der Freiheit bringenden“ Alpenarmee hat schon Marschall Oudinot, der unter dem blödsinnigen Sohne Karl's X. die spanischen Revolutionäre niederhieb und den Trokadero stürmte, wofür die Kamarilla Don Fernando's ihn zum „ersten Grenadier Frankreichs und Navarras“ ernennen ließ. Das Provisorium hatte an sechszig Generale als königlichgesinnt verabschiedet; das „Siecle kommt heute zum hundertsten Mal auf die „wünschenswerthe Einberufung dieser würdigen Helden“ zurück.</p> </div> <div xml:id="ar080_017" type="jArticle"> <head>Paris.</head> <p><hi rendition="#g">Nationalversammlung.</hi> Sitzung vom 16. August. ‒ In der Nähe des Sitzungssaales (Marsfeld) stehen etwa 10,000 Mann Truppen mit scharfen Patronen. Im Saale geht das Gerücht, die Polizei habe eine legitimistische Verschwörung entdeckt, deren Zweck nichts Geringeres gewesen, als den General Cavaignac zu entführen (!) und die Nationalversammlung zu sprengen. (!!) So abenteuerlich dies klingt, sprechen doch obige Militärmassen für die Thatsache. Präsident Marrast eröffnet die Sitzung um 1 1/2 Uhr. An der Tagesordnung sind der Rückkauf der Lyoner Eisenbahn und die berüchtigten Handelskonkordate.</p> <p><hi rendition="#g">Basse</hi> legt den Bericht des Justizausschusses über das Verlangen Lamennais, statt seines Geranten Lacroix wegen des Peuple constituant gerichtlich verfolgt zu werden.</p> <p><hi rendition="#g">Stimmen:</hi> Die Conclusionen!</p> <p><hi rendition="#g">Basse:</hi> Der Ausschuß verwirft den Antrag, die Versammlung stimmt bei und somit ist Lamennais abermals um sein Märtyrerthum geprellt. Man schreitet zum Rückkaufgesetz über die Lyoner Bahn.</p> <p><hi rendition="#g">Fourneyron</hi> und <hi rendition="#g">Deslongrais</hi> wollen die Diskussion verschoben wissen, da die Versammlung noch nicht gehörig über den Gegenstand informirt sein könne.</p> <p><hi rendition="#g">Goudchaux</hi> widersetzt sich jeder Vertagung und die allgemeine Berathung beginnt.</p> <p><hi rendition="#g">Journeyron</hi> hebt hervor, daß die Rückkaufsbedingungen für den Staat nachtheilig seien. Der Staat werde durch sie zur Uebernahme einer Menge von Bedingungen verpflichtet, für welche die Aktionaire einstehen müßten. Er bekämpft darum den Antrag.</p> <p><hi rendition="#g">Brunet</hi> unterstützt denselben.</p> <p><hi rendition="#g">Combarel de Leyval</hi> findet ihn dagegen mangelhaft. Der Minister hätte sämmtliche Aktionaire konsultiren sollen, um ihre Meinung zu hören, und ihre Rechte zu wahren. Die Bahn-Direktionen handelten zu eigensüchtig und prellten die Aktionaire um ihre Forderungen.</p> <p><hi rendition="#g">Wolowski,</hi> der Sozialistenfeind: Obgleich im Grunde jeder Eisenbahn-Expropriation durch den Staat entgegen, stimme er doch für Annahme des Entwurfs, weil ihm die ausnahmsweise (ruinirte) Stellung der Bahngesellschaft und der Ankauf zu 7 Fr. 60 Cent. Rente per Aktie à 250 (bezahlt) ein gutes Geschäft erscheint.</p> <p><hi rendition="#g">Deslongrais</hi> donnerte mit seiner bekannten Lebendigkeit gegen die Oberflächlichkeit dieser Auffassung. Ihr zahlt, wandte er sich an den Minister, 25 Prozent mehr für die Aktien als sie werth sind, d. h. an der Börse stehen. Als es sich um die Sparkassen-Pfänder-Einlösung handelte, <ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> </p> </div> </div> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="ar080_018" type="jArticle"> <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> Versuchen, daß ich die unsterbliche Seele meines Preußen nicht ohne entsetzliche Anstrengung über den Horizont eines Rübenfeldes zu erheben vermochte. Ich griff daher zu einem Mittel, welches die Zeitverhältnisse zu dem stimulirensten der Gegenwart machen. „Der Erzherzog Reichsverweser ist wirklich bei weitem freudiger empfangen worden wie der König ‒“ rief ich nämlich dem Oesterreicher zu, und sagte es so laut, daß es ringsum verstanden wurde.</p> <p>Dies wirkte. Der Preuße ließ Gabel und Messer sinken und: „Sie irren sich!“ rief er mit dem Ausdruck der tiefsten Entrüstung. Mein Plan war gelungen. Ich hatte den Schwarz-weißen und den Schwarz-roth-goldnen aneinandergesetzt.</p> <p>Vergebens strengte sich jetzt der letztere an, unserm Teltower noch einmal alle Hochs und alle Hurrahs auf den alten Erzherzog in's Gedächtniß zurückzurufen: Der Schwarz-weiße wußte seine Stimme sofort zu einem solchen durchdringenden Diskant emporzuschrauben, daß er schnell den Oesterreicher übertönte und die Unterredung im Nu beherrschte.</p> <p>„Sie irren sich! ‒“ begann er von Neuem; ‒ „erinnern Sie sich nicht des Anfangs jener serbischen Gesänge:</p> <lg type="poem"> <l>„Rollt der Donner oder bebt die Erde?</l><lb/> <l>Nicht der Donner ist es noch die Erde:</l><lb/> <l>Die Kanonen krachen in der Feste,</l><lb/> <l>In der starken Feste Peterwardein.“</l><lb/> </lg> <p>Fortwährend summten mir diese Worte durch den Kopf, als wir von Deutz nach Köln hinüberfuhren. War es nicht, als ob die ganze Stadt bis in ihre Grundtiefen zusammenschaudere, als ob der Dom ineinanderbrechen wollte? Nein, Se. Majestät war gerührt über diesen Empfang. Die Augen des Königs leuchteten Luft und Seligkeit. Etwas bleich und schüchtern hatte er die Eisenbahn verlassen, aber rosig und glücklich zog er ein in die donnernde Freudenstadt.“</p> <p>Oesterreicher und Preuße schwiegen, denn an der andern Seite des Saales erhob sich plötzlich ein solcher Sturm des Begrüßens, des Trampelns und des Serviettenschwenkens, daß der alte Gürzenich in eine schwingende Bewegung gerieth und daß ich nicht anders meinte, als daß wir jeden Augenblick in den untern Raum des Gebäudes in die Syroptöpfe und in die Butterfässer des Kaufhauses hinabstürzen würden. ‒ ‒ Es war kein Zweifel mehr: eben erschien der König und der Reichsverweser.</p> <p> <ref type="link">(Fortsetzung folgt.)</ref> </p> </div> <div xml:id="ar080_019" type="jArticle"> <p>Allen liebenswürdigen jungen Leuten, die gerne Mädchen entführen und allen artigen jungen Frauenzimmern, die sich gern entführen lassen, theilen wir hierdurch mit, daß dem berühmten alten Schmid in Gretna-Green durch Parlaments-Akt das Einsegnen der Heirathen für die Zukunft untersagt worden ist. Wir ersuchen daher alle Liebenden sich anderswohin wenden zu wollen. Sollten wir einen besonders günstigen neuen Heiraths-Ort entdecken, so werden wir natürlich sofort Mittheilung davon machen. Das erwähnte Verbot des Parlaments ist auch für alle Romanschreiber von enormer Wichtigkeit: es bringt sie um ihre Pointen. Die schlimmen Folgen der Maßregel sind noch nicht abzusehen.</p> </div> <div xml:id="ar080_020" type="jArticle"> <p>Nach Lesung der Bekanntmachung des Magistrats von Charlottenburg vom 7. d. Mts. muß jeder vernünftig denkende sich sagen, daß den Studenten die in Charlottenburg erhaltenen Prügel sehr dienlich gewesen sind ‒ und kann diesen jungen Leuten hiermit nur wiederholentlich der Rath ertheilt werden, ihre Nasen in die Bücher zu stecken, um etwas zu lernen, anstatt sich um Staats-Angelegenheiten zu kümmern.</p> <p>A. v. S. (aus Pommern).</p> <p>(Voß'sche Zeitung.)</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0405/0003]
[Deutschland] man den Adel fallen lassen, um sich auf das Schacherthum zu stützen. Absolutismus, Spießbürger und Juden gehören heutzutage in einen Topf. Ganz richtig bemerkt daher die „Oesterreichisch Deutsche Zeitung“ vom 13. d., die aber ebenso, wie Löbensteins „Allgemeine Wiener Zeitung,“ obgleich sie zu den bessern demokratischen Blättern gehörten, aus Mangel an Abonnenten den Kampfplatz verlassen müssen: „So erwünscht die Rückkehr des Kaisers insofern ist, als sie die plumpsten Hoffnungen der Reaktion mit einem Schlage vernichtet, so sehr müssen sich doch alle wahren Freunde der Freiheit gefaßt halten, ihre Gegner jetzt ein anderes, kaum minder gefährliches Spiel beginnen zu sehen, denn es steht sehr zu befürchten, daß die Reaktion dasjenige, was sie durch eine drohende Haltung der Demokratie nicht abzutrotzen vermag, nunmehr durch eine einschmeichelnde Haltung derselben abzugewinnen versuchen wird. Sie wird weder Kosten noch Mühe sparen, die Opposition im Reichstage durch gemeine Bestechung zu gewinnen und dem arglosen Volksmanne gegenüber wird sie nicht unterlassen, die feinern Künste der Verführung in Anwendung zu bringen. Man wird glänzende Hoffeste veranstalten, durch liebenswürdige Herablassung alle Herzen entzücken. Die Mitglieder des hohen Adels werden sich an ausgesuchter Höflichkeit überbieten und die schlichten Männer, an deren Urtheil das Wohl und Wehe von Tausenden hängt, werden finden, daß der Teufel nicht so schwarz ist, als man ihn gemalt hat u. s. w.
Schon heute begegnete ich den thronfolgenden Erzherzogen in den Straßen; sie grüßten alle Welt, wenn auch alle nicht schwarz-gelbe Welt sie ungegrüßt ließ. Sie wissen aus der Bildung der Verfassungskommission, daß das deutsche Element dabei gesiegt hat; das deutsche Element ist aber kein anderes, als das Judenelement. Hätte das Slaventhum die Oberhand behalten, so würde wenigstens dieses Element unterlegen haben, weil die Slawen im Grunde doch nach einer bessern Freiheit streben, als die deutschen Schacherjuden.
61 Wien, 13. Aug. So eben wird folgendes durch Maueranschlag veröffentlicht:
„An Meine getreuen Wiener!
Der gestrige Tag, an welchem Ich, in Eure Mitte zurückkehrend, die schönsten Beweise Eurer alten unveränderlichen Liebe erntete, wird Mir und allen Gliedern des kaiserlichen Hauses unvergeßlich bleiben.
Möge er als feierlicher Gedächtnißtag des neuen Bundes zwischen einem freien Volke und seinem konstitutionellen Kaiser in der Geschichte des Vaterlandes ewig glänzen; mögen auch fernerhin Friede, Eintracht, Ordnung und Gesetzmäßigkeit herrschen, damit unter ihrem Schirme der Aufbau unseres neuen verfassungsmäßigen Staats zum Heil und Segen aller Völker Oesterreichs gedeihe und sich kräftige.
Im Vereine mit den selbstgewählten Vertretern derselben und unterstützt von Meinen verantwortlichen Räthen hoffe Ich die schwere, von der Vorsehung Mir beschiedene Aufgabe, die neue Konstituirung des Vaterlandes, rühmlich zu Ende zu führen.
Ferdinand. Wien, 13. August 1848.“
Da kein Minister unterzeichnet steht, so hat diese Ansprache nur das Ansehen einer persönlichen Versicherung, nicht aber dasjenige eines konstitutionellen Aktes. Ob die Minister absichtlich vermieden worden sind, oder ob sie sich selber absichtlich vermieden haben, will ich vorläufig dahingestellt sein lassen. Es muß sich nun bald zeigen, ob die Minister im Stande sind, den Kaiser den Einflüssen des Hofs gänzlich zu entreißen; es muß sich zeigen, ob die demokratische Umgestaltung Oesterreichs durch den gegenwärtigen Reichstag entscheidend vor sich geht.
Die Arbeiter rühren sich immer mehr. Sie haben im Theater in der Josephstadt einen Verein gestiftet, der an social-demokratischer Richtung und an Zahl der Mitglieder alle andere Vereine hierselbst überbietet und sich bereits mit andern deutschen Vereinen in Verbindung gesetzt hat. Für heute waren alle Freunde der Arbeiter und Steuerbar-Unbemittelten zu einer Versammlung berufen, um wegen eines hier abzuhaltenden Arbeiter-Parlamentes Beschluß zu fassen. ‒ Die Arbeiter üben eine strenge Kontrolle gegen Bäcker, Fleischer und alle Viktualienverkäufer; sämmtliche Schacherer und Wucherer sind nebst Wohnung und Stand in Verzeichnisse gebracht, von denen bereits 4 gedruckt erschienen sind. Der Präsident des Arbeitervereins erhält, damit er mehr im Interesse des Vereins wirke, ein monatliches Gehalt von 25 Gulden C. M. und damit jeder Gelegenheit bekomme, sich und die Seinen zu bilden, werden Zeitungen gehalten und alle wichtigen Bücher angeschafft. Die akademische Legion, welche an 15,000 Bewaffnete zählt, und die Arbeiter haben Wiens Schicksal entschieden, sie scheinen berufen zu sein, auch ferner eine Rolle zu spielen. Es bedarf nur eines Rufs der akademischen Legion, so stehen alle Arbeiter und, was mehr ist, alle Bauern da, um nur diesem Ruf zu gehorchen. Das Ministerium beschäftigt zwar einen Theil der Arbeiter, (an 14,000 wöchentlich) aber es hat gar keinen moralischen Einfluß auf dieselben.
Gestern Morgen soll ein Arbeiter, der am Bründl eine republikanische Ansprache gehalten, verhaftet worden sein. ‒ Wie ich höre, will man das Pflaster der eigentlichen Stadt aufheben und ihre Straßen, statt mit Steinen, mit Asphalt pflastern. Die hiesige Pflastersteine sind eine furchtbare Waffen in den Händen des Volks und selbst Paris hat keine ähnlichen aufzuweisen. Bei dem außerordentlich massiven Bau der Stadt, bei ihren engen Straßen und himmelhohen Häusern ist sie im Falle eines Angriffs im Stande, mit den bloßen Pflastersteinen ohne Schuß jede eindringende Armee zu vernichten. Sie sehen, das Asphaltiren ist darum ein Gedanke, der den unglücklichen Volksfeinden Ehre macht und gewiß von einem Jellachich oder Windischgrätz ersonnen worden ist.
N. S. Telegraphische Depesche des Ministeriums:
Cilli, 12. August um 11 Uhr 10 Minuten Nachts.
„Sechswöchentlicher Waffenstillstand zum Behufe von Friedensunterhandlungen mit dem Könige von Sardinien abgeschlossen.
Peschiera, Rocca d'Arso, Oseppo haben sich unsern Truppen übergeben. Flotte und Landtruppen aus Venedig und seinen Häfen herausgezogen, und kehren in die sardinischen Staaten zurück.
Modena, Parma und die Festung Piacenza geräumt.“
Italien. Mailand. Am 10. d. ist hier eine Ordonnanz erschienen, welche allen Ausgewanderten, die nicht innert 14 Tagen zurückkehren, mit Konfiskation droht. ‒ In Como sind die Oesterreicher am 10. d. eingerückt. Ueberall sollen die alten verhaßten österreichischen Beamten wieder einziehen, die man in den Märztagen verjagt hatte; so in Mailand der berüchtigte Pachta.
‒ Die „Gazetta di Milano“ vom 11. August bringt folgenden Waffenstillstandsvergleich zwischen der sardinischen und österreichischen Armee, als Präliminarien zu den Friedensverhandlungen: Art. 1. Die Gränzscheide zwischen beiden Armeen ist die Gränze zwischen beiden Staaten selbst. 2. Die Festungen Peschiera, Rocca d'Anso und Osoppo, wie auch die Stadt Brescia sollen von den sardinischen und verbündeten Truppen geräumt, und den Truppen Sr. k. k. Maj. übergeben werden, die Uebergabe eines jeden dieser Plätze soll statthaben drei Tage nach Bekanntmachung dieser Konvention. In den erwähnten Plätzen wird das Oesterreich zugehörende Ausrüstungsmaterial zurückgegeben. Die Truppen werden ihr eigenes Material, Waffen, Munition, Monturstücke mitnehmen, und in regelmäßigen Etappen auf dem kürzesten Wege nach den Staaten Sr. sardinischen Maj. zurückkehren. 3. Die Staaten von Modena, Parma und die Stadt Piacenza mit dem ihr als Waffenplatze angewiesenen Landbezirke werden von den Truppen Sr. Maj. des Königs von Sardinien drei Tage nach Bekanntmachung des Gegenwärtigen geräumt werden. 4. Diese Konvention betrifft auch die Stadt Venedig und das venetianische Festland, die sardinischen Streitkräfte zu Wasser und zu Land werden die Stadt, die Forts und die Häfen besagten Platzes räumen, um in die sardinischen Staaten zurückzukehren. Die Landtruppen können ihren Rückzug zu Land machen über einen noch zu bestimmenden Weg. 5. Personen und Eigenthum der benannten Ortschaften sind unter den Schutz der kaiserlichen Regierung gestellt. 6. Dieser Waffenstillstand wird sechs Wochen dauern, um Friedensverhandlungen stattfinden zu lassen, nach Abfluß dieses Termins wird er entweder in gemeinsamem Einverständniß verlängert, oder 8 Tage vor Wiederaufnahme der Feindseligkeiten gekündet werden. 7. Zu leichterer und freundlicherer Ausführung des Obigen werden beiderseits Kommissarien ernannt. ‒ Hauptquartier Mailand, 9. August 1848. Der Generallieutenant v. Heß, Generalquartiermeister der k. k. Armee. Der Generallieutenant Graf Salasco, Generalquartiermeister der sardinischen Armee.
Französische Republik. 17 Paris, 16. Aug. Die Contrereaktion, die Reaktion gegen die Reaktion, ist im Aufgehen. Der Bruch dringt jetzt auch in die Bourgeoisklasse allmälich, wo bereits die wüthendsten Zwiste zwischen Freunden und Verwandten, Eltern und Kindern, ausbrechen; davon habe ich faktische Beweise. Gestern duellirten sich zwei Brüder wegen der Junitage, und der eine ist lebensgefährlich verwundet. Manche Familien brechen den Umgang miteinander ab. ‒ Die Proletarier können, wie schon längst gesagt, ruhig das Ding laufen lassen; es ist fast positiv, daß einst die Nationalgarden in Uniform aufeinander feuern werden. Schon kam es gestern beinah dazu, als die Deputation der 2. Legion nach Bourges fuhr, um den „Waffenbrüdern“ daselbst ein Juniandenken, eine sehr kostspielige Fahne mit dem Wappen von Bourges zu bringen; am hiesigen Bahnhof bemerkten einige Mitglieder auf derselben 14 eingestickte Lilien, angeblich getreu dem Wappen nachgebildet; andre schrieen über Karlismus, und ohne den Hrn. Maire wären die Honnetten Handgemein geworden; dies verdächtige Kunstwerk blieb in Paris und man rutschte ganz verboßt mit einer Trikolore à 10 Franken zu den „lieben Waffenbrüdern“ ab. Der Siecle heult über die „traurige Lage“ der 1500 verwahrlosten Kinder im Faubourg St. Marcel, wo auch 400 Mädchen aus Raummangel nicht in die Schule der barmherzigen Schwestern gehen können, obschon die „gute“ Stadt Paris seit 2 Jahren Miethe Pränumerando zahlt für ein großes Schulhaus, welches erst im Grundstein fertig ist (sic). Hr. Minister Vaulabelle und Hr. Dr. med. Trelat, derweilen Maire, dieser „kristallreine, kristallharte Republikaner von altem Korn“ (National) hat sich bisher nicht darum bekümmert. ‒ Der Siecle giebt den Brief eines Unteroffiziers der Linie als „Meisterstück gesunden Verstandes“, worin man belehrt wird, was ein Bourgeois sei, nämlich „alle Franzosen die keine Soldaten sind“ (eigentlich Pequins mit dem Spitznamen zu Napoleons Zeit); triumphirend ruft das Krämerblatt: „ah da habt Ihr's, Sozialaufwiegler, aus dem Munde des Volkes selber!“ Dasselbe geniale Blatt citirte die Attake Proudhons gegen Malthus und behauptete im selbigen Artikel, Malthus Standpunkt werde von Proudhon eingenommen. Der treffliche Constitutionnel „dessen Dummheit, Unwissenheit und Bosheit gleichviele Kubikfuß enthalten,“ (La Braie Republique) war so gütig uns zu belehren: wenn ein Proudhon in der Kammer sitzt, so kommt das lediglich von seinen Wählern her. Der National will witzeln über Proudhon's Drohung, die Wittwen und Waisen der niedergemetzelten und deportirten Blousenmänner könnten wohl einmal mit Trauerflor und schwarzer Fahne zur Rue Lepelletier ziehen; das sei „ein Aufruf an die bösesten Leidenschaften“ meint Armand Marrast's blasirtes Journal. Es schweigt tückisch über die niederträchtigen Verweigerungen von Besuchen bei den Gefangenen, desgleichen über die liebenswürdige Behandlung während 6 Wochen; das an die alte Vehm erinnerde Verpacken und Verschiffen der 800 Insurgenten ohne Abschied (um 5 Uhr waren die Frauen hinbestellt, um 3 Uhr ging aber die Reise schon los) findet er „vorsichtig“ und „thränensparend“. Letztres ist nicht ganz richtig, viele der getäuschten Angehörigen stürzten in Zuckungen zu Boden, zerrauften die Haare, und die wenig sentimentalen Soldaten Cavaignac's, die Wache standen, murrten sogar „sie wären's müde den Henkerknecht zu spielen.“
Ganz besonders Mode ist jetzt, jedem sozialistische Lektüre liebenden Arbeiter aufzukündigen, oder „fortjagen“ wie die Herren Industriellen sich heute auszudrücken unterstehen; ein Pumpenfabrikant erzählte mir, er habe 3 seiner Besten „fortgejagt“ weil sie zweimal aus dem Populaire Cabets und aus der Proudhon'schen Kammerrede den Mitgesellen vorgelesen; „ich will mir's Haus rein halten“ setzte er mit gewichtigem Kopfwerfen hinzu. ‒ In Chartres hat ein Dragoner-Regiment beim Einzug Vive le Roi geschrieen und der Maire schwenkte den Hut; das Journal de Debats findet darin „eine sehr rührende, wenngleich unüberlegte Aeußerung edler Privatgefühle“ und erklärt in zwei Leitartikeln: „Wir, Gottlob, haben keine Februarrevolution beabsichtigt, keine Republik gemacht noch machen helfen, jedoch da beides einmal da ist, so verneigen wir uns und erdulden es (subissons), denn Opposition wäre unzeitig.“ Der Constitutionnel lächelt verständnißinnig, nennt aber diese Phrase „etwas gar zu kühn.“
Dieser Ton sei widerlich, meint der National, aber er selbst, der Exvoltärianer, wird immer mehr ein Ignorantiner (barmherziger Bruder) und predigt Allianz mit Lord Russel. Proudhon ruft ihm zu: „Merkt auf, ihr Leute vom National, die ihr gestern schriebet, ich wolle die Liquidirung der menschlichen Gesellschaft machen: ob selbige vom Bürger Proudhon, oder vom Bürger Cabet geschehen wird, weiß ich noch nicht, aber klar ist, daß ihr mit aller Macht zur Deklarirung der Fallite treibt.“ ‒ Die Frauen zeichnen jetzt zu Tausenden eine Petition an die Kammer: „Bürger Repräsentanten! Der Straßenkrieg hat Paris in Trauer gestürzt, und nach der Hungerwuth wird die Wuth der Verzweiflung losbrechen, wenn die Erkorenen des Volks immerdar die ernsten Lehren der Vergangengenheit in den Wind schlagen. Im Namen des auf seine Gräber gebeugten Frankreich's, im Namen eurer Mütter, Wittwen und Waisen, Gattinnen und Töchter, beschwören wir euch: hört die Stimme der Frauen, seien sie reich und mächtig oder schwach und arm, sie alle sind Schwestern in der Liebe zum Vaterlande, welches sie noch retten möchten vor dem gräßlichen Unheil der Zukunft… Wie in den schwarzen Tagen von 1793 schwebt der Todesschrecken über Paris, die Justiz ist verschleiert, der Haß durchzuckt jedes Herz. Wollt ihr zwanzigtausend von euren Kartätschen dezimirte Familien im Exil sterben lassen? Gebt volle Amnestie!“ Die Bourgeois werden schwerlich darauf eingehen, da „die Brut des Sozialismus droht, und am Ende Malthus wohl nicht Unrecht hat, wenn er verlangt, keiner solle sich mit mehr Kindern, als er ernähren kann, umgeben“; für welches „erzvoltärianische Ketzerwort“ der Constitutionnel vom katholischen L'Univers geohrfeigt wird; letzeres verkündigt: „nur die heilige Kirche vermag Herrn Proudhon zu beurtheilen und zu besiegen, alle andre Parteien sind nothwendigerweise ohnmächtig gegen ihn und Herrn Cabet“; die Fourieristen ärgert es, nicht einmal erwähnt zu werden. ‒
Die Republikaner der Kammer feierten den 10. August als Jahrestag der Entthronung Louis XVI. im Palais National mit einem nicht sehr Spartanischen Zweckessen von hundert und einem Kouvert; sie wollen im September Lamartine zum Vorsitz der Kammer verhelfen. Wahrscheinlich rennt der kleine Thiers ihm den Rang ab, Herr Thiers, der 1842 auf der Tribüne schrie: „Ja, ich war und bin stets rein monarchisch, und will's auch bleiben; ich habe mich hineingelebt, hineingedacht, hineinstudiert in die koustitutionelle Monarchie, ohne die das Regiment an die unruhigen Klassen käme, der wahrhaft sittliche Erwerb und Verkehr gestört würde.… Ich bin ein Monarchist und, wißt es nur, ich will gradaus marschiren auf mein Ziel zu, und wäre ich auch endlich ganz allein.“ (La Braie Republique.) Mittlerweile wird Bugeaud wieder ein Kommando bekommen; das „der Freiheit bringenden“ Alpenarmee hat schon Marschall Oudinot, der unter dem blödsinnigen Sohne Karl's X. die spanischen Revolutionäre niederhieb und den Trokadero stürmte, wofür die Kamarilla Don Fernando's ihn zum „ersten Grenadier Frankreichs und Navarras“ ernennen ließ. Das Provisorium hatte an sechszig Generale als königlichgesinnt verabschiedet; das „Siecle kommt heute zum hundertsten Mal auf die „wünschenswerthe Einberufung dieser würdigen Helden“ zurück.
Paris. Nationalversammlung. Sitzung vom 16. August. ‒ In der Nähe des Sitzungssaales (Marsfeld) stehen etwa 10,000 Mann Truppen mit scharfen Patronen. Im Saale geht das Gerücht, die Polizei habe eine legitimistische Verschwörung entdeckt, deren Zweck nichts Geringeres gewesen, als den General Cavaignac zu entführen (!) und die Nationalversammlung zu sprengen. (!!) So abenteuerlich dies klingt, sprechen doch obige Militärmassen für die Thatsache. Präsident Marrast eröffnet die Sitzung um 1 1/2 Uhr. An der Tagesordnung sind der Rückkauf der Lyoner Eisenbahn und die berüchtigten Handelskonkordate.
Basse legt den Bericht des Justizausschusses über das Verlangen Lamennais, statt seines Geranten Lacroix wegen des Peuple constituant gerichtlich verfolgt zu werden.
Stimmen: Die Conclusionen!
Basse: Der Ausschuß verwirft den Antrag, die Versammlung stimmt bei und somit ist Lamennais abermals um sein Märtyrerthum geprellt. Man schreitet zum Rückkaufgesetz über die Lyoner Bahn.
Fourneyron und Deslongrais wollen die Diskussion verschoben wissen, da die Versammlung noch nicht gehörig über den Gegenstand informirt sein könne.
Goudchaux widersetzt sich jeder Vertagung und die allgemeine Berathung beginnt.
Journeyron hebt hervor, daß die Rückkaufsbedingungen für den Staat nachtheilig seien. Der Staat werde durch sie zur Uebernahme einer Menge von Bedingungen verpflichtet, für welche die Aktionaire einstehen müßten. Er bekämpft darum den Antrag.
Brunet unterstützt denselben.
Combarel de Leyval findet ihn dagegen mangelhaft. Der Minister hätte sämmtliche Aktionaire konsultiren sollen, um ihre Meinung zu hören, und ihre Rechte zu wahren. Die Bahn-Direktionen handelten zu eigensüchtig und prellten die Aktionaire um ihre Forderungen.
Wolowski, der Sozialistenfeind: Obgleich im Grunde jeder Eisenbahn-Expropriation durch den Staat entgegen, stimme er doch für Annahme des Entwurfs, weil ihm die ausnahmsweise (ruinirte) Stellung der Bahngesellschaft und der Ankauf zu 7 Fr. 60 Cent. Rente per Aktie à 250 (bezahlt) ein gutes Geschäft erscheint.
Deslongrais donnerte mit seiner bekannten Lebendigkeit gegen die Oberflächlichkeit dieser Auffassung. Ihr zahlt, wandte er sich an den Minister, 25 Prozent mehr für die Aktien als sie werth sind, d. h. an der Börse stehen. Als es sich um die Sparkassen-Pfänder-Einlösung handelte, [Fortsetzung]
[Fortsetzung] Versuchen, daß ich die unsterbliche Seele meines Preußen nicht ohne entsetzliche Anstrengung über den Horizont eines Rübenfeldes zu erheben vermochte. Ich griff daher zu einem Mittel, welches die Zeitverhältnisse zu dem stimulirensten der Gegenwart machen. „Der Erzherzog Reichsverweser ist wirklich bei weitem freudiger empfangen worden wie der König ‒“ rief ich nämlich dem Oesterreicher zu, und sagte es so laut, daß es ringsum verstanden wurde.
Dies wirkte. Der Preuße ließ Gabel und Messer sinken und: „Sie irren sich!“ rief er mit dem Ausdruck der tiefsten Entrüstung. Mein Plan war gelungen. Ich hatte den Schwarz-weißen und den Schwarz-roth-goldnen aneinandergesetzt.
Vergebens strengte sich jetzt der letztere an, unserm Teltower noch einmal alle Hochs und alle Hurrahs auf den alten Erzherzog in's Gedächtniß zurückzurufen: Der Schwarz-weiße wußte seine Stimme sofort zu einem solchen durchdringenden Diskant emporzuschrauben, daß er schnell den Oesterreicher übertönte und die Unterredung im Nu beherrschte.
„Sie irren sich! ‒“ begann er von Neuem; ‒ „erinnern Sie sich nicht des Anfangs jener serbischen Gesänge:
„Rollt der Donner oder bebt die Erde?
Nicht der Donner ist es noch die Erde:
Die Kanonen krachen in der Feste,
In der starken Feste Peterwardein.“
Fortwährend summten mir diese Worte durch den Kopf, als wir von Deutz nach Köln hinüberfuhren. War es nicht, als ob die ganze Stadt bis in ihre Grundtiefen zusammenschaudere, als ob der Dom ineinanderbrechen wollte? Nein, Se. Majestät war gerührt über diesen Empfang. Die Augen des Königs leuchteten Luft und Seligkeit. Etwas bleich und schüchtern hatte er die Eisenbahn verlassen, aber rosig und glücklich zog er ein in die donnernde Freudenstadt.“
Oesterreicher und Preuße schwiegen, denn an der andern Seite des Saales erhob sich plötzlich ein solcher Sturm des Begrüßens, des Trampelns und des Serviettenschwenkens, daß der alte Gürzenich in eine schwingende Bewegung gerieth und daß ich nicht anders meinte, als daß wir jeden Augenblick in den untern Raum des Gebäudes in die Syroptöpfe und in die Butterfässer des Kaufhauses hinabstürzen würden. ‒ ‒ Es war kein Zweifel mehr: eben erschien der König und der Reichsverweser.
(Fortsetzung folgt.)
Allen liebenswürdigen jungen Leuten, die gerne Mädchen entführen und allen artigen jungen Frauenzimmern, die sich gern entführen lassen, theilen wir hierdurch mit, daß dem berühmten alten Schmid in Gretna-Green durch Parlaments-Akt das Einsegnen der Heirathen für die Zukunft untersagt worden ist. Wir ersuchen daher alle Liebenden sich anderswohin wenden zu wollen. Sollten wir einen besonders günstigen neuen Heiraths-Ort entdecken, so werden wir natürlich sofort Mittheilung davon machen. Das erwähnte Verbot des Parlaments ist auch für alle Romanschreiber von enormer Wichtigkeit: es bringt sie um ihre Pointen. Die schlimmen Folgen der Maßregel sind noch nicht abzusehen.
Nach Lesung der Bekanntmachung des Magistrats von Charlottenburg vom 7. d. Mts. muß jeder vernünftig denkende sich sagen, daß den Studenten die in Charlottenburg erhaltenen Prügel sehr dienlich gewesen sind ‒ und kann diesen jungen Leuten hiermit nur wiederholentlich der Rath ertheilt werden, ihre Nasen in die Bücher zu stecken, um etwas zu lernen, anstatt sich um Staats-Angelegenheiten zu kümmern.
A. v. S. (aus Pommern).
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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