Neue Rheinische Zeitung. Nr. 81. Köln, 20. August 1848.[Deutschland] 112 Düren, 18. August. Gestern war der hiesige Abgeordnete für Frankfurt, Hr. Professor Braun hier anwesend, um seinen Wählern über den Fortgang und Stand der dortigen Verhandlungen mündlich zu berichten. Zur Entgegennahme dieses Berichts hatte sich ein, wenn auch nicht sehr zahlreiches, doch gewähltes Auditorium eingefunden, welches aus Männern aller Meinungsschattirungen bestand und wobei auch der hiesige städtische Klub durch mehre seiner tüchtigsten Mitglieder vertreten war. Hr. Braun leitete seinen Vortrag mit einer Statistik der in der Reichsversammlung wirksamen Kräfte ein und entwarf ein anschauliches Bild ihrer Zusammensetzung so wie der Leidenschaften des Parteikampfes inner- und außerhalb der Paulskirche. Hierauf folgte eine Reihe von Interpellationen über die schwebenden Tagesfragen, wobei der sehr orientirte Redner auf das freundlichste alle gewünschten Aufschlüsse ertheilte. Seine eigene Stellung inmitten der Debatten und der verschiedenen Parteien überging der Abgeordnete zwar mit Stillschweigen, zollte aber dem Talente, der Rührigkeit und dem einträchtigen Zusammenwirken der Frankfurter Linken das schmeichelhafteste Lob. Für die deutsche Zukunft glaubte Hr. Braun nicht eben die günstigsten Perspektive eröffnen zu können, vielmehr sprach er sich dahin aus, daß, sollte die Aufgabe der Nationalvertreter gelöst und ein einiges, freies und starkes Deutschland hergestellt werden, ihrem Wirken entweder günstige Ereignisse von Außen zur Seite gehen oder Deutschland sich in der revolutionären Bewegung erhalten müsse. !!! Frankfurt, 17. August. Sitzung der Nationalversammlung, Tagesordnung. Fortsetzung der Berathung über die Grundrechte. Obschon die Sitzung erst gegen 10 Uhr beginnt, sind doch kaum 150 Deputirte da, besonders auf der äußersten Rechten und äußersten Linken ganz leer. Nach der Genehmigung des Protokolls werden Albrecht und Schmidt aus Hannover und Schuselka aus Oestreich, als aus der Nationalversammlung ausgetreten angezeigt. v. Gagern (in höchst eigener Person) erstattet höchst würdevoll Bericht über die Dombaufestfahrt. Den ganzen Rheinstrom entlang, vorzüglich in Coblenz erschallten Sympathien der Bewohner für die Deputirten der Nationalversammlung. In Köln sind sie sehr gastfrei aufgenommen worden. Nur muß er leider bekennen, daß die Deputation an dem religiösen Fest nicht so recht hat Theil nehmen können. Die religiöse Gewalt der Kölner Bevölkerung war stärker als die Polizeigewalt und so haben die Herren Abgeordneten keine ordentlichen Plätze bekommen. Das Zusammentreffen des Königs von Preußen und des Reichsverwesers war herzlich und hoffnungerweckend. Wenn der König von Preußen geäußert hat: "die Nationalversammlung solle nicht vergessen, daß es Fürsten in Deutschland gebe und er unter diese gehöre", so haben seine späteren Aeußerungen gezeigt, daß er tief von der politischen Einigung Deutschlands durchdrungen ist. Besonders auf dem Gürzenich hat er sich dahin ausgesprochen. (Bravo.) Eisenstuck interpellirt die Kommission, welche sich mit der Bearbeitung des Gesetzentwurfes über die Verantwortlichkeit der Minister beschäftigt. Wie weit dieser Entwurf gediehen sei. Mittermayer: Der Gesetzentwurf ist fertig und kann auf die nächste Tagesordnung kommen. Die Tagesordnung bringt eine äußerst sterile, nur durch Schlöffel's Rede belebte Diskussion über § 8 der Grundrechte. Nach dem Entwurf des Verfassungsausschusses lautet der § 8: Die Wohnung ist unverletzlich. Eine Haussuchung darf nur auf Grund eines richterlichen Befehls vorgenommen werden. Dieser Befehl muß sofort oder spätestens innerhalb der nächsten 24 Stunden dem Betheiligten vorgewiesen werden. Für die Verhaftungen in einer Wohnung finden keine besonderen Beschränkungen statt. Beseler, Berichterstatter, beginnt den langweiligen Reigen, zeigt an, daß Adams, Leue und Mittermayer ihre Einzelanträge zu § 8 zurückgezogen haben, um vereint einen Antrag zu stellen, den er, als die Ausschußpunkte verbessernd, im Namen des Verfassungsausschusses anempfiehlt. Er lautet: "Eine Haussuchung sowie Verhaftung in einer Wohnung dürfen nur von dem dazu bestimmten Beamten, in den Fällen, wo sie das Gesetz bestimmt, vorgenommen werden" (Ich komme auf diesen Antrag zurück, er wurde später verworfen.) Nach Mittermayer folgt in der Reihe der Redner Schlöffel. Die Erfahrung hat gelehrt, daß die Haussuchungen im alten Polizeistaate den Charakter eines Einbruchs trugen. Das alte deutsche und römische Recht kennt keine Haussuchung. Dem modernen Polizeistaat war dieses schimpfliche Privileg vorbehalten. Die Folgen desselben haben sich rasch entwickelt. Schon vier Jahre nach jener Zeit, wo das deutsche Volk die wackelnden Throne seiner Fürsten wieder befestigt hatte, begann man mit dieser saubern Maßregel. Bei Arndt hielt man eine Haussuchung, und hat ihn nach einem vorgefundenen Zettel zum Meuchelmöder gebrandmarkt und zum Hochverräther gestempelt. Die Sprache ist zu arm, die Schändlichkeiten auszudrücken, die dies System hervorgerufen hat. Auch ich habe schwer darunter gelitten. 1845 brachen ein Polizeiagent mit 18 Mann in meine Wohnung ein, maltraitirten meine Frau und verführten einen bürgerlichen Schlosser dazu, die Schlösser meiner Möbel zu erbrechen. 1830 fand man bei einer ähnlichen Gelegenheit in Paris keinen Schlosser, der sich einer solchen schmachvollen Arbeit unterziehen wollte. Man mußte einen von den Galleeren dazu nehmen. Noch heute habe ich meine Papiere nicht wieder. Man hat arme Leute durch Geld zum Meineide gegen mich verleitet. (Rechts: zur Sache.) Ich bin sehr bei der Sache. Ein politischer Schnupfen reicht hin, um jenes Heer der geheimen Polizei zu allarmiren. Diese Herren riechen die politisch Mißliebigen heraus, wie Douaniers unerlaubte Waaren. Wir sind noch in den Flitterwochen der Revolution, und schon hat die geheime Polizei wieder Feld gewonnen, schon werden überall wieder die verfolgt, die sich soziale Verbesserungen angelegen sein lassen. Hier ist schon so oft von deutscher Freiheit gesprochen worden. Haben wir etwas für dieselbe gethan? (Tiefe Stille.) Eine parlamentarische Ministerverantwortlichkeit schützt kein Volk vor Unbill. Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit brauchen wir. (Rechts: Murren) Ich beantrage: "den Befehl zu einer Haussuchung den Betheiligten sogleich bei derselben zu Händen zu geben." Ferner Wegfall des Punktes: "für die Verhaftung in einer Wohnung finden keine besondern Beschränkungen statt." Das deutsche Volk will aus dem Zustand der Gnade endlich in den des Rechts übertreten Es ist müde, ewig einem Leithammel zu folgen. Der Geist unserer Zeit ist so gewaltig, daß keiner ihn mehr wegläugnen und mißachten darf. - Sanktionairen Sie endlich den alten deutschen Grundsatz, der die Basis der magaa charta von England bilder: "das Haus des Bürgers ist ein Heiligthum." Geben Sie dem deutschen Bürger wieder, was der Engländer nie verloren hat. Auf Moritz Mohl und einen Unbekannten, der für Reichensperger's Amendement in die Schranken tritt, folgt: Wesendonk. Die Friststellung von 24 Stunden, binnen welcher nach dem Vorschlag des Verfassungsausschusses der Haussuchungsbefehl vorgewiesen werden soll, ist ganz überflüssig, denn ohne richterlichen Befehl, (wie der Ausschuß vorschreibt) darf ja keine Haussuchung vorgenommen werden. Wenn also ein solcher Befehl von vorne herein da sein muß, so sehe ich nicht ein, warum er nicht den Betheiligten bei der Haussuchung selbst sofort vorgewiesen werden soll. Hensel, Scheller aus Frankfurt a. d. Oder, Adams aus Koblenz, besprechen ihre Anträge ohne alles Interesse. Es ist zum Einschlafen. Kolb aus Speier stellt die Meinung auf, daß der Antrag von Leue, Adams und Mittermayer gar nichts enthält. Wiegard aus Dresden pflichtet dieser Meinung bei. Der Antrag von Leue, Adams und Mittermayer läßt Alles beim Alten. Nach demselben bleibt es beim alten Polizeistaat, und wenn die Polizei auch eine wohlthätige Einrichtung sei, so müssen sich doch die Bürger vor ihren Uebertretungen schützen. Trotz mehrfachem Ruf nach Schluß betheiligen sich noch an der schlaffen Debatte Spatz aus Frankenthal, Grävel aus Frankfurt a. d. Oder, Jordan aus Gollnow, welcher beantragt, Hausgenossen bei der Haussuchung zuzuziehen. Derselbe meint, es ist schon oft vorgekommen, daß bei Haussuchungen zwar nichts gefunden, aber später etwas vermißt worden ist. Freudentheil aus Hannover. Haus und Familie sind das Heiligste des Menschen. Eingriffe in diese müssen bestimmt beschränkt sein. Ich beantrage dieselben vorzunehmen: "Nur auf Grund richterlichen Befehls und unter Zuziehung richterlicher Beamten." Der Richter wird sich dabei über das Formelle nicht hinwegsetzen, wie oft der Polizeibeamte es thut. (Bravo.) Heisterbergk aus Sachsen schlägt den Zusatz vor, dem richterlichen Befehl noch die Beweggründe der Haussuchung beizufügen. (Schluß.) Gagern. Meine Herren, jetzt kommt bestimmt der letzte. (Freude.) Folgt ein Redner, welcher die Bemerkung macht, ja nicht von dem augenblicklichen Gelüste eines Beamten, oder der Tendenz eines Ministers die Haussuchung abhängig zu machen. Hierauf spricht der Berichterstatter Beseler noch 3/4 Stunden. Man hört ohne Ungeduld zu. Gegen das Ende seiner Rede fragt er, ob man ihm ein detaillirtes Eingehen in die einzelnen Punkte erlassen wolle? (Von allen Seiten zuvorkommend: Ja wohl.) Die Abstimmung haben wir unsern Lesern gestern mitgetheilt. 103 Berlin, 17. August. In der Sitzung der Vereinbarer-Versammlung vom 7. Juni hatte der Abgeordnete Schramm aus Langensalza den Antrag gestellt, die noch vom alten Regierungssystem stehen gebliebene Censur der Leihbibliothekbücher aufzuheben, welcher Antrag damals in die Abtheilungen, verwiesen wurde. Die Central-Abtheilung, welche zur Berathung über diesen Antrag gewählt wurde, hat sich überzeugt, daß die polizeiliche Bewachung der Leihbibliotheken auf Ministerial-Verfügungen beruhe, welche sich an frühere, durch Aufhebung der Censur aber in sich zerfallene Preßgesetze anlehnen. Die Central-Abtheilung hat demnach eine Aufforderung an den Minister des Innern beschlossen, die betreffenden Verwaltungs- und Polizeibehörden über die Unbefugtheit einer Beaufsichtigung der Leihbibliotheken aufzuklären. Der Referent der achten Abtheilung stellte den ferneren Antrag, auch das Erforderniß besonderer Konzessionen zu Leihbibliotheken, Buchhändlergeschäften, Kunsthandlungen und Antiquargeschäften aufzuheben. Er ging von der Ansicht aus, daß die Censuredikte die eigentliche Wurzel seien, aus welcher erst das Erforderniß der Konzession und dann aus dieser die polizeiliche Beaufsichtigung der Buchhändler und Leihbibliothekare hervorging. Dieser innere Zusammenhang geht hervor aus §. 128 des Gesetzes vom 7. September 1811, welcher den Regierungen aufgiebt, die Anweisungen bei Konzessionirung von Buchhändlern, Leihbibliothekaren etc. von der obersten Censurbehörde zu erwarten; sowie aus §. 126, welcher zur Erlangung einer Konzession ein von der Ortspolizeibehörde ausgestelltes Loyalitätszeugniß verlangt. - Die Dringlichkeit des Antrags ist vorhanden, weil die fliegenden Buchhändler der Straße, die Colporteurs, Ausrufer etc. bereits von der Polizei, welche tagtäglich das ihr zustehende Konzessionsrecht wieder zu handhaben beginnt, bedroht werden. Die Central-Abtheilung, welcher der Gesetz-Entwurf des Finanz-Ministers Hansemann, betreffend die Erhöhung der Steuern auf Runkelrübenzucker und Spiritus zur Berathung vorliegt, hat sich mit 5 gegen 3 Stimmen gegen die Erhöhung der Rübenzuckersteuer ausgesprochen, obgleich Herr Hansemann der Abtheilung mehrere Stunden lang seine ganze national-ökonomische Gelehrsamkeit vorpauckte. Man glaubt sogar, daß der Spiritussteuer dasselbe Schicksal bevorsteht. Dem Senat unserer Universität ist eine Liste mit den Namen vieler demokratisch-gesinnten Studenten vorgelegt worden. Der Senat scheint es sich nun vorgenommen zu haben, alle Denunzirte zu verurtheilen und wenn er die Gründe dazu aus dem vermoderten Landrecht oder den vom Bundestage sogar aufgehobenen Karlsbader Beschlüssen herholen sollte. So hat er den Studenten Meyer verurtheilt auf Grund des §. 85. Anhang 137. Theil II. Tit. 12 des A. L.-R., welcher lautet: "Studenten, welche zur Zeit eines Tumults oder in größerer Anzahl nach Mitternacht auf sich der Straße finden lassen, haben die Vermuthung böser Absicht oder eines liederlichen Lebenswandels wider sich, auch muß Niemand nach 10 Uhr Abends sich in einem Wirthshause antreffen lassen." - Gestern Nachmittag kam ein Polizei-Kommissarius zu dem Assessor Schramm, Präsidenten des demokratischen Klubs, um ihn, in Folge eines Auftrags des Ober-Präsidenten Pinder in Schlesien, zu fragen ob er das gesetzliche Alter von 30 Jahren habe, da er in Striegau zum Abgeordneten der Vereinbarer-Versammlung gewählt sei und ob er sich zur Annahme der Wahl erkläre. Beide Fragen wurden von dem Gewählten bejahet. Diese Anzeige auf polizeilichem Wege hat allgemeine Entrüstung hervorgerufen, da bisher alle Wahlkommissarien die Sitte beobachteten sich in einem höflichen Schreiben an den Gewählten zu wenden. Warum wohl gerade diese Wahl dem Wahlkommissarius, Ober-Präsidenten Pinder, die gewöhnliche Rücksicht nicht zu verdienen schien? Derselbe Herr Schramm, der von jetzt an als Abgeordneter den Gerichten gegenüber unverletzlich sein wird, hat jedoch noch gestern eine Vorladung vom Kammergericht erhalten, sich auf die Anklage: daß er für die Frau des Schneidermeisters Bornemann, deren Mann in Folge der Zeughaus-Exzesse eingesteckt war, eine Eingabe an den damaligen Staatsanwalt Temme, um sofortige Freilassung des unschuldig Verhafteten (die auch erfolgte) angefertigt habe, zu verantworten, da er dazu nicht befugt sei und event. mit der Strafe der Winkelschreiberei bestraft werden würde! Der Finanzminister Hansemann hat vor einigen Tagen eine Deputation, welche ihn um eine Unterstützung von 1 Million Thaler für die Hypothekenschuldner hiesiger Stadt, denen ihre Kapitalien gekündigt und die in Folge dessen in große Verlegenheit gerathen sind, anging, mit ihrem Gesuch abgewiesen. Bei dieser Gelegenheit behandelte Herr Hansemann sein bekanntes Thema, daß Ruhe und Ordnung Geld schaffe, radikale Bestrebungen dagegen die Wiederherstellung des Vertrauens verhinderten und schloß mit folgenden Worten: "Oestreichische Metalliques stehen jetzt 60%, Preußische Staatsschuldscheine 75%, ich werde sie bald auf 100% bringen, wenn die Stadt Berlin ihre radikalen Demonstrationen unterläßt." Ein dänischer Agent soll durch die Untersuchungen wegen der Zeughausexzesse stark kompromittirt worden sein. Die Arbeitseinstellung der Druckergehülfen dauert nun schon über 17 Tage und noch ist keine Einigung zu Stande gekommen. Sowohl von Seiten der Prinzipale als von Seiten der Gehülfen will man nicht nachgeben und es auf's Aeußerste ankommen lassen. Das Beispiel der Drucker beginnt bei den Schneidergesellen Nachahmung zu finden, welche ebenfalls mit einer Arbeitseinstellung drohen, wenn man gewissen Forderungen nicht nachgeben will. Es ist möglich, daß die ungeheure Zahl der Schneidergesellen, die sich auf mehrere Tausend belaufen, eine Demonstration gegen das s. g. Arbeiter-Ministerium beabsichtigen, von dessen Existenz man weiter nichts bemerkt, als daß Herr Milde 12.000 Thlr. Gehalt bezieht. 119 Berlin, 16. August. Die Stellung des Ministeriums wird von Tage zu Tage unhaltbarer. Nachdem der Kriegsminister schon so lange vielfachen und heftigen Angriffen, besonders bei der Schweidnitzer Angelegenheit ausgesetzt war, nachdem der Minister des Innern für die Einführung der Schutzmannschaft, durch Hrn. Grabow's Hülfe, nur eine geringe Majorität gewonnen hatte (ein Sieg, der dadurch noch weniger rühmlich wird, daß jetzt die Konstabler bis auf 1600 vermindert werden sollen), häufen sich die Angriffe gegen den Finanzminister in der Versammlung und außerhalb derselben auf gleiche Weise. Die Gutsbesitzer sind auf's Höchste über die projektirte Grundsteuer entrüstet und werden unter ihrem Führer Herrn Bülow-Tummerow auf den Freitag eine Versammlung in Berlin abhalten, um über die Mittel gegen diese Maßregel zu berathen. In der Nationalversammlung zerfällt die Partei des thatendurstigen Finanzministers augenscheinlich und im Lande finden seine "kühenen Griffe" noch weniger Beifall. In einer Sitzung der Centralabtheilung, welche im Hotel des Finanzministers statt fand, wurde die projektirte Rübenzuckerbesteuerung mit 5 gegen 3 Stimmen verworfen, und der Spiritussteuer steht ein gleiches Schicksal bevor. (S. oben.) Berlin, 17. Aug. Die Cholera macht verhältnißmäßig langsame Fortschritte. Bis gestern waren 50 Personen daran erkrankt, von denen 4 genesen, 40 starben und 6 in Behandlung blieben. - Folgendes interessante Aktenstück ist uns mitgetheilt worden: "Abschrift: Ew. Hochwohlgeboren benachrichtige ich hierdurch gehorsamst, daß Ihre Königl. Hoheiten, der Prinz und die Prinzessin von Preußen, hier eintreffen und sich drei Tage hier aufhalten werden. Stettin, 29. Juli 1848. (gez.) v. Salmuth, Regierungsrath. - An den Königl. Regierungs-Präsidenten Hrn. v. Fritsche, Hochwohlgeboren in Cöslin. "Abschrift erhalten Ew. Hochwohlgeboren mit dem Anheimgeben, einige Schulzen oder Bauern des Kreises zu vermögen, Namens des Bauernstandes Ihre Königlichen Hoheiten zu begrüßen. [Fortsetzung] [Fortsetzung] diesem Kuß vor allem Volke, in dieser versöhnenden Umarmung. Was wollt ihr mehr, die ihr noch immer das Gespenst des Bürgerkrieges zwischen den beiden Kokarden seht? Ist es nicht offenbar, daß es mit aller Zwietracht aus ist? O, aber ihr seid kalte, berechnende Menschen, ihr finstern Volkssouveräne. Ihr glaubt weder an Küsse noch an Umarmungen. Heilig ist euch nichts mehr - heilig nur euer kalter Egoismus! O, wär't ihr doch in Köln gewesen, auf dem Gürzenich, auf dem Dombaufestmahle, ihr würdet eure revolutionären Ideen dran gegeben, ihr würdet gelernt haben, was Fürsten über Völker vermögen, und wie man sich vor Fürsten beugen muß. Ja, herrlich hast du dich bewährt mein altes Köln, als eine Stadt der Treue, der Loyalität und Niemand wird hinfort mehr von dir sagen können, daß du der Heerd des Aufruhrs, der Revolution und der Anarchie bist. Wir übergehen den Toast eines loyalen Kölners, des Herrn v. Groote und wenden uns zu dem Präsidenten der Frankfurter National-Versammlung von Gagern. Auftrat dieser große Mann. Ich muß gestehen, ich war ich höchsten Grade neugierig, den Zeus mit der Schelle, von dem ich schon so viel lesen und hören mußte, einmal in der Nähe zu gestehen und mit eignen Ohren zu belauschen. Hatten mir doch wenigstens schon hundert Männer, alte und junge aufzubinden versucht, Gagern sei ein Halb-Gott, er stamme direct aus dem Olymp her, Jupiter habe ihn auf einer Ferienreise mit einer oberländischen Nymphe gezeugt? - Ich wollte es immer nicht glauben; auf das Geschwätz von Männern gebe ich nichts; sie sind fast immer schief gewickelt; wenn Männer über Männer urtheilen, so steht es noch immer so und so um das Resultat; auf Männer ist nicht zu bauen. Erst seit mir neulich ein hübsches Weib mit schneeweißen Zähnen und mit verliebten Augen die feste Versicherung gab, daß Gagern ein ausgezeichneter Mann sei und daß sie für ihn schwärmen könne, ja schwärmen trotz alledem und alledem, seit jenem Augenblick fing ich an, die Wahrheit der verschiedenen Gerüchte weniger als bisher zu bezweifeln, denn die Aussage einer schönen Frau ist maßgebend in allen Dingen, einer Frau muß man mehr glauben als dem Evangelium; was eine Nachtigall singt, und was auf Rosen und Lilien geschrieben steht und was ein Engel in Menschengestalt spricht, das ist lautere Wahrheit, das soll man glauben, dafür soll man leben und sterben und auferstehn. Ja, was ist ein Sokrates und ein Hegel gegen eine kleine Person mit kohlschwarzen Locken, die dir an den Hals springt und dich küßt und darauf flucht mit dem liebenswürdigsten Fluche, daß sie Recht habe, und daß sie Recht behalten wolle, ihr Leben lang? "Wen Frauen loben, der wird bekannt, Er hat den Ruhm an seiner Hand, Dazu seines Herzens Wonne." So sagt schon der alte Wolfram von Eschenbach und in der That, Gagern hat alle Aussicht einer der glücklichsten Menschen seiner Zeit zu werden. Gagern ist eine gesunde Erscheinung. Junge Mädchen werden sich schwerlich für ihn begeistern; hübsche Frauen werden ihn stets zu schätzen wissen. Gagern brachte dann einen Toast auf ein einiges, freies und starkes Deutschland aus. Wiederum bebte der Saal von Applaus. Alle Patrioten und alle Gläser wackelten. Se. Maj. der König erhob sich hierauf zum zweiten Male, und ich muß gestehen, daß ich ihn für einen weit größern Redner als den Jupiter der Paulskirche halte. "Schon zwei Mal," sprach der König, "hat man auf die Erfüllung meines schönsten Jugendtraumes, auf ein einiges und starkes Deutschland angestoßen; ich lade Sie jetzt ein, auch auf das Wohl der Werkleute am Baue dieses einigen Deutschlands zu trinken - es leben die anwesenden und abwesenden Mitglieder der National-Versammlung in Frankfurt!" Der Erzherzog Reichsverweser folgte wieder Sr. Majestät mit einem Toaste auf das Wohlsein der Stadt Köln. Die Beredsamkeit des alten Mannes hatte, wie seine ganze Erscheinung: etwas Rührendes. Der alte Fürst und die alte Stadt - sie grüßten einander wie zwei graue Kirchthürme. Es war als ob der Domkrahnen und der Thurm der Stephanskirche sich umarmt hätten. Unter den übrigen Rednern fiel mir noch v. Soiron, der Vice-Präsident aus Frankfurt, auf. Ich muß den Mann früher schon einmal gesehen haben. In Brüssel, in Liverpool, in Hamburg - ich weiß es nicht. Aber ich möchte darauf wetten, daß ich ihn schon einmal auf einem Droschkenbock sah; ja, wahrhaftig, ich will mich hängen lassen, Hr. v. Soiron war schon einmal Droschkenkutscher! Ist das nicht derselbe Kutscherbart, dieselbe Kutscherwürde, derselbe Kutscherpathos? Was für eine Nummer hatten Sie Hr. Soiron? "Hohe Versammlung!" begann Sancho-Soiron: "Gönnen Sie einem einfachen Manne ein einfaches Wort, ein Wort, das aus dem Herzen kommt. Reichen wir uns die Hände durch alle Gaue des deutschen Vaterlandes, auf daß Brüderlichkeit zwischen uns herrsche bis an die äußersten Gränzen. Hoch lebe die Brüderlichkeit des deutschen Volkes!" Kann ein patriotischer Kutscher besser sprechen? Hohe Versammlung - einfacher Mann - Händereichen - Gaue des deutschen Vaterlandes - äußerste Gränzen - es lebe die Brüderlichkeit. Wunderschön! Es lebe Sancho, der einfache Mann! (Fortsetzung folgt.) Das Dampfschiff Geiser hat 14 Kisten mit 30,000 Loth Silberzeug und einigen Diamanten nach Kopenhagen gebracht, die dem Herzog von Augustenburg gehörten und bei Sonderburg vergraben gefunden wurden. Die Kisten sind an die Bank abgeliefert. * Christiania, 11. August.
Der Storthing hat in seiner gestrigen Sitzung die Vorschläge, daß 1) allen christlichen Sekten freie Religionsübung im Reich gestattet, mit allen Stimmen gegen achte, und 2) daß das Verbot für Juden, das Reich zu betreten, aufgehoben werde, mit 59 gegen 43 Stimmen verworfen. Wieder eine Probe christlich-germanisch-skandinavischer Demokratie! [Deutschland] 112 Düren, 18. August. Gestern war der hiesige Abgeordnete für Frankfurt, Hr. Professor Braun hier anwesend, um seinen Wählern über den Fortgang und Stand der dortigen Verhandlungen mündlich zu berichten. Zur Entgegennahme dieses Berichts hatte sich ein, wenn auch nicht sehr zahlreiches, doch gewähltes Auditorium eingefunden, welches aus Männern aller Meinungsschattirungen bestand und wobei auch der hiesige städtische Klub durch mehre seiner tüchtigsten Mitglieder vertreten war. Hr. Braun leitete seinen Vortrag mit einer Statistik der in der Reichsversammlung wirksamen Kräfte ein und entwarf ein anschauliches Bild ihrer Zusammensetzung so wie der Leidenschaften des Parteikampfes inner- und außerhalb der Paulskirche. Hierauf folgte eine Reihe von Interpellationen über die schwebenden Tagesfragen, wobei der sehr orientirte Redner auf das freundlichste alle gewünschten Aufschlüsse ertheilte. Seine eigene Stellung inmitten der Debatten und der verschiedenen Parteien überging der Abgeordnete zwar mit Stillschweigen, zollte aber dem Talente, der Rührigkeit und dem einträchtigen Zusammenwirken der Frankfurter Linken das schmeichelhafteste Lob. Für die deutsche Zukunft glaubte Hr. Braun nicht eben die günstigsten Perspektive eröffnen zu können, vielmehr sprach er sich dahin aus, daß, sollte die Aufgabe der Nationalvertreter gelöst und ein einiges, freies und starkes Deutschland hergestellt werden, ihrem Wirken entweder günstige Ereignisse von Außen zur Seite gehen oder Deutschland sich in der revolutionären Bewegung erhalten müsse. !!! Frankfurt, 17. August. Sitzung der Nationalversammlung, Tagesordnung. Fortsetzung der Berathung über die Grundrechte. Obschon die Sitzung erst gegen 10 Uhr beginnt, sind doch kaum 150 Deputirte da, besonders auf der äußersten Rechten und äußersten Linken ganz leer. Nach der Genehmigung des Protokolls werden Albrecht und Schmidt aus Hannover und Schuselka aus Oestreich, als aus der Nationalversammlung ausgetreten angezeigt. v. Gagern (in höchst eigener Person) erstattet höchst würdevoll Bericht über die Dombaufestfahrt. Den ganzen Rheinstrom entlang, vorzüglich in Coblenz erschallten Sympathien der Bewohner für die Deputirten der Nationalversammlung. In Köln sind sie sehr gastfrei aufgenommen worden. Nur muß er leider bekennen, daß die Deputation an dem religiösen Fest nicht so recht hat Theil nehmen können. Die religiöse Gewalt der Kölner Bevölkerung war stärker als die Polizeigewalt und so haben die Herren Abgeordneten keine ordentlichen Plätze bekommen. Das Zusammentreffen des Königs von Preußen und des Reichsverwesers war herzlich und hoffnungerweckend. Wenn der König von Preußen geäußert hat: „die Nationalversammlung solle nicht vergessen, daß es Fürsten in Deutschland gebe und er unter diese gehöre“, so haben seine späteren Aeußerungen gezeigt, daß er tief von der politischen Einigung Deutschlands durchdrungen ist. Besonders auf dem Gürzenich hat er sich dahin ausgesprochen. (Bravo.) Eisenstuck interpellirt die Kommission, welche sich mit der Bearbeitung des Gesetzentwurfes über die Verantwortlichkeit der Minister beschäftigt. Wie weit dieser Entwurf gediehen sei. Mittermayer: Der Gesetzentwurf ist fertig und kann auf die nächste Tagesordnung kommen. Die Tagesordnung bringt eine äußerst sterile, nur durch Schlöffel's Rede belebte Diskussion über § 8 der Grundrechte. Nach dem Entwurf des Verfassungsausschusses lautet der § 8: Die Wohnung ist unverletzlich. Eine Haussuchung darf nur auf Grund eines richterlichen Befehls vorgenommen werden. Dieser Befehl muß sofort oder spätestens innerhalb der nächsten 24 Stunden dem Betheiligten vorgewiesen werden. Für die Verhaftungen in einer Wohnung finden keine besonderen Beschränkungen statt. Beseler, Berichterstatter, beginnt den langweiligen Reigen, zeigt an, daß Adams, Leue und Mittermayer ihre Einzelanträge zu § 8 zurückgezogen haben, um vereint einen Antrag zu stellen, den er, als die Ausschußpunkte verbessernd, im Namen des Verfassungsausschusses anempfiehlt. Er lautet: „Eine Haussuchung sowie Verhaftung in einer Wohnung dürfen nur von dem dazu bestimmten Beamten, in den Fällen, wo sie das Gesetz bestimmt, vorgenommen werden“ (Ich komme auf diesen Antrag zurück, er wurde später verworfen.) Nach Mittermayer folgt in der Reihe der Redner Schlöffel. Die Erfahrung hat gelehrt, daß die Haussuchungen im alten Polizeistaate den Charakter eines Einbruchs trugen. Das alte deutsche und römische Recht kennt keine Haussuchung. Dem modernen Polizeistaat war dieses schimpfliche Privileg vorbehalten. Die Folgen desselben haben sich rasch entwickelt. Schon vier Jahre nach jener Zeit, wo das deutsche Volk die wackelnden Throne seiner Fürsten wieder befestigt hatte, begann man mit dieser saubern Maßregel. Bei Arndt hielt man eine Haussuchung, und hat ihn nach einem vorgefundenen Zettel zum Meuchelmöder gebrandmarkt und zum Hochverräther gestempelt. Die Sprache ist zu arm, die Schändlichkeiten auszudrücken, die dies System hervorgerufen hat. Auch ich habe schwer darunter gelitten. 1845 brachen ein Polizeiagent mit 18 Mann in meine Wohnung ein, maltraitirten meine Frau und verführten einen bürgerlichen Schlosser dazu, die Schlösser meiner Möbel zu erbrechen. 1830 fand man bei einer ähnlichen Gelegenheit in Paris keinen Schlosser, der sich einer solchen schmachvollen Arbeit unterziehen wollte. Man mußte einen von den Galleeren dazu nehmen. Noch heute habe ich meine Papiere nicht wieder. Man hat arme Leute durch Geld zum Meineide gegen mich verleitet. (Rechts: zur Sache.) Ich bin sehr bei der Sache. Ein politischer Schnupfen reicht hin, um jenes Heer der geheimen Polizei zu allarmiren. Diese Herren riechen die politisch Mißliebigen heraus, wie Douaniers unerlaubte Waaren. Wir sind noch in den Flitterwochen der Revolution, und schon hat die geheime Polizei wieder Feld gewonnen, schon werden überall wieder die verfolgt, die sich soziale Verbesserungen angelegen sein lassen. Hier ist schon so oft von deutscher Freiheit gesprochen worden. Haben wir etwas für dieselbe gethan? (Tiefe Stille.) Eine parlamentarische Ministerverantwortlichkeit schützt kein Volk vor Unbill. Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit brauchen wir. (Rechts: Murren) Ich beantrage: „den Befehl zu einer Haussuchung den Betheiligten sogleich bei derselben zu Händen zu geben.“ Ferner Wegfall des Punktes: „für die Verhaftung in einer Wohnung finden keine besondern Beschränkungen statt.“ Das deutsche Volk will aus dem Zustand der Gnade endlich in den des Rechts übertreten Es ist müde, ewig einem Leithammel zu folgen. Der Geist unserer Zeit ist so gewaltig, daß keiner ihn mehr wegläugnen und mißachten darf. ‒ Sanktionairen Sie endlich den alten deutschen Grundsatz, der die Basis der magaa charta von England bilder: „das Haus des Bürgers ist ein Heiligthum.“ Geben Sie dem deutschen Bürger wieder, was der Engländer nie verloren hat. Auf Moritz Mohl und einen Unbekannten, der für Reichensperger's Amendement in die Schranken tritt, folgt: Wesendonk. Die Friststellung von 24 Stunden, binnen welcher nach dem Vorschlag des Verfassungsausschusses der Haussuchungsbefehl vorgewiesen werden soll, ist ganz überflüssig, denn ohne richterlichen Befehl, (wie der Ausschuß vorschreibt) darf ja keine Haussuchung vorgenommen werden. Wenn also ein solcher Befehl von vorne herein da sein muß, so sehe ich nicht ein, warum er nicht den Betheiligten bei der Haussuchung selbst sofort vorgewiesen werden soll. Hensel, Scheller aus Frankfurt a. d. Oder, Adams aus Koblenz, besprechen ihre Anträge ohne alles Interesse. Es ist zum Einschlafen. Kolb aus Speier stellt die Meinung auf, daß der Antrag von Leue, Adams und Mittermayer gar nichts enthält. Wiegard aus Dresden pflichtet dieser Meinung bei. Der Antrag von Leue, Adams und Mittermayer läßt Alles beim Alten. Nach demselben bleibt es beim alten Polizeistaat, und wenn die Polizei auch eine wohlthätige Einrichtung sei, so müssen sich doch die Bürger vor ihren Uebertretungen schützen. Trotz mehrfachem Ruf nach Schluß betheiligen sich noch an der schlaffen Debatte Spatz aus Frankenthal, Grävel aus Frankfurt a. d. Oder, Jordan aus Gollnow, welcher beantragt, Hausgenossen bei der Haussuchung zuzuziehen. Derselbe meint, es ist schon oft vorgekommen, daß bei Haussuchungen zwar nichts gefunden, aber später etwas vermißt worden ist. Freudentheil aus Hannover. Haus und Familie sind das Heiligste des Menschen. Eingriffe in diese müssen bestimmt beschränkt sein. Ich beantrage dieselben vorzunehmen: „Nur auf Grund richterlichen Befehls und unter Zuziehung richterlicher Beamten.“ Der Richter wird sich dabei über das Formelle nicht hinwegsetzen, wie oft der Polizeibeamte es thut. (Bravo.) Heisterbergk aus Sachsen schlägt den Zusatz vor, dem richterlichen Befehl noch die Beweggründe der Haussuchung beizufügen. (Schluß.) Gagern. Meine Herren, jetzt kommt bestimmt der letzte. (Freude.) Folgt ein Redner, welcher die Bemerkung macht, ja nicht von dem augenblicklichen Gelüste eines Beamten, oder der Tendenz eines Ministers die Haussuchung abhängig zu machen. Hierauf spricht der Berichterstatter Beseler noch 3/4 Stunden. Man hört ohne Ungeduld zu. Gegen das Ende seiner Rede fragt er, ob man ihm ein detaillirtes Eingehen in die einzelnen Punkte erlassen wolle? (Von allen Seiten zuvorkommend: Ja wohl.) Die Abstimmung haben wir unsern Lesern gestern mitgetheilt. 103 Berlin, 17. August. In der Sitzung der Vereinbarer-Versammlung vom 7. Juni hatte der Abgeordnete Schramm aus Langensalza den Antrag gestellt, die noch vom alten Regierungssystem stehen gebliebene Censur der Leihbibliothekbücher aufzuheben, welcher Antrag damals in die Abtheilungen, verwiesen wurde. Die Central-Abtheilung, welche zur Berathung über diesen Antrag gewählt wurde, hat sich überzeugt, daß die polizeiliche Bewachung der Leihbibliotheken auf Ministerial-Verfügungen beruhe, welche sich an frühere, durch Aufhebung der Censur aber in sich zerfallene Preßgesetze anlehnen. Die Central-Abtheilung hat demnach eine Aufforderung an den Minister des Innern beschlossen, die betreffenden Verwaltungs- und Polizeibehörden über die Unbefugtheit einer Beaufsichtigung der Leihbibliotheken aufzuklären. Der Referent der achten Abtheilung stellte den ferneren Antrag, auch das Erforderniß besonderer Konzessionen zu Leihbibliotheken, Buchhändlergeschäften, Kunsthandlungen und Antiquargeschäften aufzuheben. Er ging von der Ansicht aus, daß die Censuredikte die eigentliche Wurzel seien, aus welcher erst das Erforderniß der Konzession und dann aus dieser die polizeiliche Beaufsichtigung der Buchhändler und Leihbibliothekare hervorging. Dieser innere Zusammenhang geht hervor aus §. 128 des Gesetzes vom 7. September 1811, welcher den Regierungen aufgiebt, die Anweisungen bei Konzessionirung von Buchhändlern, Leihbibliothekaren etc. von der obersten Censurbehörde zu erwarten; sowie aus §. 126, welcher zur Erlangung einer Konzession ein von der Ortspolizeibehörde ausgestelltes Loyalitätszeugniß verlangt. ‒ Die Dringlichkeit des Antrags ist vorhanden, weil die fliegenden Buchhändler der Straße, die Colporteurs, Ausrufer etc. bereits von der Polizei, welche tagtäglich das ihr zustehende Konzessionsrecht wieder zu handhaben beginnt, bedroht werden. Die Central-Abtheilung, welcher der Gesetz-Entwurf des Finanz-Ministers Hansemann, betreffend die Erhöhung der Steuern auf Runkelrübenzucker und Spiritus zur Berathung vorliegt, hat sich mit 5 gegen 3 Stimmen gegen die Erhöhung der Rübenzuckersteuer ausgesprochen, obgleich Herr Hansemann der Abtheilung mehrere Stunden lang seine ganze national-ökonomische Gelehrsamkeit vorpauckte. Man glaubt sogar, daß der Spiritussteuer dasselbe Schicksal bevorsteht. Dem Senat unserer Universität ist eine Liste mit den Namen vieler demokratisch-gesinnten Studenten vorgelegt worden. Der Senat scheint es sich nun vorgenommen zu haben, alle Denunzirte zu verurtheilen und wenn er die Gründe dazu aus dem vermoderten Landrecht oder den vom Bundestage sogar aufgehobenen Karlsbader Beschlüssen herholen sollte. So hat er den Studenten Meyer verurtheilt auf Grund des §. 85. Anhang 137. Theil II. Tit. 12 des A. L.-R., welcher lautet: „Studenten, welche zur Zeit eines Tumults oder in größerer Anzahl nach Mitternacht auf sich der Straße finden lassen, haben die Vermuthung böser Absicht oder eines liederlichen Lebenswandels wider sich, auch muß Niemand nach 10 Uhr Abends sich in einem Wirthshause antreffen lassen.“ ‒ Gestern Nachmittag kam ein Polizei-Kommissarius zu dem Assessor Schramm, Präsidenten des demokratischen Klubs, um ihn, in Folge eines Auftrags des Ober-Präsidenten Pinder in Schlesien, zu fragen ob er das gesetzliche Alter von 30 Jahren habe, da er in Striegau zum Abgeordneten der Vereinbarer-Versammlung gewählt sei und ob er sich zur Annahme der Wahl erkläre. Beide Fragen wurden von dem Gewählten bejahet. Diese Anzeige auf polizeilichem Wege hat allgemeine Entrüstung hervorgerufen, da bisher alle Wahlkommissarien die Sitte beobachteten sich in einem höflichen Schreiben an den Gewählten zu wenden. Warum wohl gerade diese Wahl dem Wahlkommissarius, Ober-Präsidenten Pinder, die gewöhnliche Rücksicht nicht zu verdienen schien? Derselbe Herr Schramm, der von jetzt an als Abgeordneter den Gerichten gegenüber unverletzlich sein wird, hat jedoch noch gestern eine Vorladung vom Kammergericht erhalten, sich auf die Anklage: daß er für die Frau des Schneidermeisters Bornemann, deren Mann in Folge der Zeughaus-Exzesse eingesteckt war, eine Eingabe an den damaligen Staatsanwalt Temme, um sofortige Freilassung des unschuldig Verhafteten (die auch erfolgte) angefertigt habe, zu verantworten, da er dazu nicht befugt sei und event. mit der Strafe der Winkelschreiberei bestraft werden würde! Der Finanzminister Hansemann hat vor einigen Tagen eine Deputation, welche ihn um eine Unterstützung von 1 Million Thaler für die Hypothekenschuldner hiesiger Stadt, denen ihre Kapitalien gekündigt und die in Folge dessen in große Verlegenheit gerathen sind, anging, mit ihrem Gesuch abgewiesen. Bei dieser Gelegenheit behandelte Herr Hansemann sein bekanntes Thema, daß Ruhe und Ordnung Geld schaffe, radikale Bestrebungen dagegen die Wiederherstellung des Vertrauens verhinderten und schloß mit folgenden Worten: „Oestreichische Metalliques stehen jetzt 60%, Preußische Staatsschuldscheine 75%, ich werde sie bald auf 100% bringen, wenn die Stadt Berlin ihre radikalen Demonstrationen unterläßt.“ Ein dänischer Agent soll durch die Untersuchungen wegen der Zeughausexzesse stark kompromittirt worden sein. Die Arbeitseinstellung der Druckergehülfen dauert nun schon über 17 Tage und noch ist keine Einigung zu Stande gekommen. Sowohl von Seiten der Prinzipale als von Seiten der Gehülfen will man nicht nachgeben und es auf's Aeußerste ankommen lassen. Das Beispiel der Drucker beginnt bei den Schneidergesellen Nachahmung zu finden, welche ebenfalls mit einer Arbeitseinstellung drohen, wenn man gewissen Forderungen nicht nachgeben will. Es ist möglich, daß die ungeheure Zahl der Schneidergesellen, die sich auf mehrere Tausend belaufen, eine Demonstration gegen das s. g. Arbeiter-Ministerium beabsichtigen, von dessen Existenz man weiter nichts bemerkt, als daß Herr Milde 12.000 Thlr. Gehalt bezieht. 119 Berlin, 16. August. Die Stellung des Ministeriums wird von Tage zu Tage unhaltbarer. Nachdem der Kriegsminister schon so lange vielfachen und heftigen Angriffen, besonders bei der Schweidnitzer Angelegenheit ausgesetzt war, nachdem der Minister des Innern für die Einführung der Schutzmannschaft, durch Hrn. Grabow's Hülfe, nur eine geringe Majorität gewonnen hatte (ein Sieg, der dadurch noch weniger rühmlich wird, daß jetzt die Konstabler bis auf 1600 vermindert werden sollen), häufen sich die Angriffe gegen den Finanzminister in der Versammlung und außerhalb derselben auf gleiche Weise. Die Gutsbesitzer sind auf's Höchste über die projektirte Grundsteuer entrüstet und werden unter ihrem Führer Herrn Bülow-Tummerow auf den Freitag eine Versammlung in Berlin abhalten, um über die Mittel gegen diese Maßregel zu berathen. In der Nationalversammlung zerfällt die Partei des thatendurstigen Finanzministers augenscheinlich und im Lande finden seine „kühenen Griffe“ noch weniger Beifall. In einer Sitzung der Centralabtheilung, welche im Hotel des Finanzministers statt fand, wurde die projektirte Rübenzuckerbesteuerung mit 5 gegen 3 Stimmen verworfen, und der Spiritussteuer steht ein gleiches Schicksal bevor. (S. oben.) Berlin, 17. Aug. Die Cholera macht verhältnißmäßig langsame Fortschritte. Bis gestern waren 50 Personen daran erkrankt, von denen 4 genesen, 40 starben und 6 in Behandlung blieben. ‒ Folgendes interessante Aktenstück ist uns mitgetheilt worden: „Abschrift: Ew. Hochwohlgeboren benachrichtige ich hierdurch gehorsamst, daß Ihre Königl. Hoheiten, der Prinz und die Prinzessin von Preußen, hier eintreffen und sich drei Tage hier aufhalten werden. Stettin, 29. Juli 1848. (gez.) v. Salmuth, Regierungsrath. ‒ An den Königl. Regierungs-Präsidenten Hrn. v. Fritsche, Hochwohlgeboren in Cöslin. „Abschrift erhalten Ew. Hochwohlgeboren mit dem Anheimgeben, einige Schulzen oder Bauern des Kreises zu vermögen, Namens des Bauernstandes Ihre Königlichen Hoheiten zu begrüßen. [Fortsetzung] [Fortsetzung] diesem Kuß vor allem Volke, in dieser versöhnenden Umarmung. Was wollt ihr mehr, die ihr noch immer das Gespenst des Bürgerkrieges zwischen den beiden Kokarden seht? Ist es nicht offenbar, daß es mit aller Zwietracht aus ist? O, aber ihr seid kalte, berechnende Menschen, ihr finstern Volkssouveräne. Ihr glaubt weder an Küsse noch an Umarmungen. Heilig ist euch nichts mehr ‒ heilig nur euer kalter Egoismus! O, wär't ihr doch in Köln gewesen, auf dem Gürzenich, auf dem Dombaufestmahle, ihr würdet eure revolutionären Ideen dran gegeben, ihr würdet gelernt haben, was Fürsten über Völker vermögen, und wie man sich vor Fürsten beugen muß. Ja, herrlich hast du dich bewährt mein altes Köln, als eine Stadt der Treue, der Loyalität und Niemand wird hinfort mehr von dir sagen können, daß du der Heerd des Aufruhrs, der Revolution und der Anarchie bist. Wir übergehen den Toast eines loyalen Kölners, des Herrn v. Groote und wenden uns zu dem Präsidenten der Frankfurter National-Versammlung von Gagern. Auftrat dieser große Mann. Ich muß gestehen, ich war ich höchsten Grade neugierig, den Zeus mit der Schelle, von dem ich schon so viel lesen und hören mußte, einmal in der Nähe zu gestehen und mit eignen Ohren zu belauschen. Hatten mir doch wenigstens schon hundert Männer, alte und junge aufzubinden versucht, Gagern sei ein Halb-Gott, er stamme direct aus dem Olymp her, Jupiter habe ihn auf einer Ferienreise mit einer oberländischen Nymphe gezeugt? ‒ Ich wollte es immer nicht glauben; auf das Geschwätz von Männern gebe ich nichts; sie sind fast immer schief gewickelt; wenn Männer über Männer urtheilen, so steht es noch immer so und so um das Resultat; auf Männer ist nicht zu bauen. Erst seit mir neulich ein hübsches Weib mit schneeweißen Zähnen und mit verliebten Augen die feste Versicherung gab, daß Gagern ein ausgezeichneter Mann sei und daß sie für ihn schwärmen könne, ja schwärmen trotz alledem und alledem, seit jenem Augenblick fing ich an, die Wahrheit der verschiedenen Gerüchte weniger als bisher zu bezweifeln, denn die Aussage einer schönen Frau ist maßgebend in allen Dingen, einer Frau muß man mehr glauben als dem Evangelium; was eine Nachtigall singt, und was auf Rosen und Lilien geschrieben steht und was ein Engel in Menschengestalt spricht, das ist lautere Wahrheit, das soll man glauben, dafür soll man leben und sterben und auferstehn. Ja, was ist ein Sokrates und ein Hegel gegen eine kleine Person mit kohlschwarzen Locken, die dir an den Hals springt und dich küßt und darauf flucht mit dem liebenswürdigsten Fluche, daß sie Recht habe, und daß sie Recht behalten wolle, ihr Leben lang? „Wen Frauen loben, der wird bekannt, Er hat den Ruhm an seiner Hand, Dazu seines Herzens Wonne.“ So sagt schon der alte Wolfram von Eschenbach und in der That, Gagern hat alle Aussicht einer der glücklichsten Menschen seiner Zeit zu werden. Gagern ist eine gesunde Erscheinung. Junge Mädchen werden sich schwerlich für ihn begeistern; hübsche Frauen werden ihn stets zu schätzen wissen. Gagern brachte dann einen Toast auf ein einiges, freies und starkes Deutschland aus. Wiederum bebte der Saal von Applaus. Alle Patrioten und alle Gläser wackelten. Se. Maj. der König erhob sich hierauf zum zweiten Male, und ich muß gestehen, daß ich ihn für einen weit größern Redner als den Jupiter der Paulskirche halte. „Schon zwei Mal,“ sprach der König, „hat man auf die Erfüllung meines schönsten Jugendtraumes, auf ein einiges und starkes Deutschland angestoßen; ich lade Sie jetzt ein, auch auf das Wohl der Werkleute am Baue dieses einigen Deutschlands zu trinken ‒ es leben die anwesenden und abwesenden Mitglieder der National-Versammlung in Frankfurt!“ Der Erzherzog Reichsverweser folgte wieder Sr. Majestät mit einem Toaste auf das Wohlsein der Stadt Köln. Die Beredsamkeit des alten Mannes hatte, wie seine ganze Erscheinung: etwas Rührendes. Der alte Fürst und die alte Stadt ‒ sie grüßten einander wie zwei graue Kirchthürme. Es war als ob der Domkrahnen und der Thurm der Stephanskirche sich umarmt hätten. Unter den übrigen Rednern fiel mir noch v. Soiron, der Vice-Präsident aus Frankfurt, auf. Ich muß den Mann früher schon einmal gesehen haben. In Brüssel, in Liverpool, in Hamburg ‒ ich weiß es nicht. Aber ich möchte darauf wetten, daß ich ihn schon einmal auf einem Droschkenbock sah; ja, wahrhaftig, ich will mich hängen lassen, Hr. v. Soiron war schon einmal Droschkenkutscher! Ist das nicht derselbe Kutscherbart, dieselbe Kutscherwürde, derselbe Kutscherpathos? Was für eine Nummer hatten Sie Hr. Soiron? „Hohe Versammlung!“ begann Sancho-Soiron: „Gönnen Sie einem einfachen Manne ein einfaches Wort, ein Wort, das aus dem Herzen kommt. Reichen wir uns die Hände durch alle Gaue des deutschen Vaterlandes, auf daß Brüderlichkeit zwischen uns herrsche bis an die äußersten Gränzen. Hoch lebe die Brüderlichkeit des deutschen Volkes!“ Kann ein patriotischer Kutscher besser sprechen? Hohe Versammlung ‒ einfacher Mann ‒ Händereichen ‒ Gaue des deutschen Vaterlandes ‒ äußerste Gränzen ‒ es lebe die Brüderlichkeit. Wunderschön! Es lebe Sancho, der einfache Mann! (Fortsetzung folgt.) Das Dampfschiff Geiser hat 14 Kisten mit 30,000 Loth Silberzeug und einigen Diamanten nach Kopenhagen gebracht, die dem Herzog von Augustenburg gehörten und bei Sonderburg vergraben gefunden wurden. Die Kisten sind an die Bank abgeliefert. * Christiania, 11. August.
Der Storthing hat in seiner gestrigen Sitzung die Vorschläge, daß 1) allen christlichen Sekten freie Religionsübung im Reich gestattet, mit allen Stimmen gegen achte, und 2) daß das Verbot für Juden, das Reich zu betreten, aufgehoben werde, mit 59 gegen 43 Stimmen verworfen. Wieder eine Probe christlich-germanisch-skandinavischer Demokratie! <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0002" n="0408"/> <div n="1"> <head>[Deutschland]</head> <div xml:id="ar081_003" type="jArticle"> <head><bibl><author>112</author></bibl> Düren, 18. August.</head> <p>Gestern war der hiesige Abgeordnete für Frankfurt, Hr. Professor Braun hier anwesend, um seinen Wählern über den Fortgang und Stand der dortigen Verhandlungen mündlich zu berichten. Zur Entgegennahme dieses Berichts hatte sich ein, wenn auch nicht sehr zahlreiches, doch gewähltes Auditorium eingefunden, welches aus Männern aller Meinungsschattirungen bestand und wobei auch der hiesige städtische Klub durch mehre seiner tüchtigsten Mitglieder vertreten war. Hr. Braun leitete seinen Vortrag mit einer Statistik der in der Reichsversammlung wirksamen Kräfte ein und entwarf ein anschauliches Bild ihrer Zusammensetzung so wie der Leidenschaften des Parteikampfes inner- und außerhalb der Paulskirche.</p> <p>Hierauf folgte eine Reihe von Interpellationen über die schwebenden Tagesfragen, wobei der sehr orientirte Redner auf das freundlichste alle gewünschten Aufschlüsse ertheilte. Seine eigene Stellung inmitten der Debatten und der verschiedenen Parteien überging der Abgeordnete zwar mit Stillschweigen, zollte aber dem Talente, der Rührigkeit und dem einträchtigen Zusammenwirken der Frankfurter Linken das schmeichelhafteste Lob. Für die deutsche Zukunft glaubte Hr. Braun nicht eben die günstigsten Perspektive eröffnen zu können, vielmehr sprach er sich dahin aus, daß, sollte die Aufgabe der Nationalvertreter gelöst und ein einiges, freies und starkes Deutschland hergestellt werden, ihrem Wirken entweder günstige Ereignisse von Außen zur Seite gehen oder Deutschland sich in der revolutionären Bewegung erhalten müsse.</p> </div> <div xml:id="ar081_004" type="jArticle"> <head><bibl><author>!!!</author></bibl> Frankfurt, 17. August.</head> <p>Sitzung der Nationalversammlung, <hi rendition="#g">Tagesordnung.</hi> Fortsetzung der Berathung über die Grundrechte.</p> <p>Obschon die Sitzung erst gegen 10 Uhr beginnt, sind doch kaum 150 Deputirte da, besonders auf der äußersten Rechten und äußersten Linken ganz leer. Nach der Genehmigung des Protokolls werden Albrecht und Schmidt aus Hannover und Schuselka aus Oestreich, als aus der Nationalversammlung ausgetreten angezeigt.</p> <p><hi rendition="#g">v. Gagern</hi> (in höchst eigener Person) erstattet höchst würdevoll Bericht über die Dombaufestfahrt. Den ganzen Rheinstrom entlang, vorzüglich in Coblenz erschallten Sympathien der Bewohner für die Deputirten der Nationalversammlung. In Köln sind sie sehr gastfrei aufgenommen worden. Nur muß er leider bekennen, daß die Deputation an dem religiösen Fest nicht so recht hat Theil nehmen können. Die religiöse Gewalt der Kölner Bevölkerung war stärker als die Polizeigewalt und so haben die Herren Abgeordneten keine ordentlichen Plätze bekommen. Das Zusammentreffen des Königs von Preußen und des Reichsverwesers war herzlich und hoffnungerweckend. Wenn der König von Preußen geäußert hat: „die Nationalversammlung solle nicht vergessen, daß es Fürsten in Deutschland gebe und er unter diese gehöre“, so haben seine späteren Aeußerungen gezeigt, daß er tief von der politischen Einigung Deutschlands durchdrungen ist. Besonders auf dem Gürzenich hat er sich dahin ausgesprochen. (Bravo.)</p> <p><hi rendition="#g">Eisenstuck</hi> interpellirt die Kommission, welche sich mit der Bearbeitung des Gesetzentwurfes über die Verantwortlichkeit der Minister beschäftigt. Wie weit dieser Entwurf gediehen sei.</p> <p><hi rendition="#g">Mittermayer:</hi> Der Gesetzentwurf ist fertig und kann auf die nächste Tagesordnung kommen.</p> <p> <hi rendition="#g">Die Tagesordnung</hi> </p> <p>bringt eine äußerst sterile, nur durch Schlöffel's Rede belebte Diskussion über § 8 der Grundrechte. Nach dem Entwurf des Verfassungsausschusses lautet der § 8:</p> <p>Die Wohnung ist unverletzlich.</p> <p>Eine Haussuchung darf nur auf Grund eines richterlichen Befehls vorgenommen werden.</p> <p>Dieser Befehl muß sofort oder spätestens innerhalb der nächsten 24 Stunden dem Betheiligten vorgewiesen werden.</p> <p>Für die Verhaftungen in einer Wohnung finden keine besonderen Beschränkungen statt.</p> <p><hi rendition="#g">Beseler,</hi> Berichterstatter, beginnt den langweiligen Reigen, zeigt an, daß Adams, Leue und Mittermayer ihre Einzelanträge zu § 8 zurückgezogen haben, um vereint einen Antrag zu stellen, den er, als die Ausschußpunkte verbessernd, im Namen des Verfassungsausschusses anempfiehlt. Er lautet: „Eine Haussuchung sowie Verhaftung in einer Wohnung dürfen nur von dem dazu bestimmten Beamten, in den Fällen, wo sie das Gesetz bestimmt, vorgenommen werden“ (Ich komme auf diesen Antrag zurück, er wurde später verworfen.) Nach Mittermayer folgt in der Reihe der Redner</p> <p><hi rendition="#g">Schlöffel.</hi> Die Erfahrung hat gelehrt, daß die Haussuchungen im alten Polizeistaate den Charakter eines Einbruchs trugen. Das alte deutsche und römische Recht kennt keine Haussuchung. Dem modernen Polizeistaat war dieses schimpfliche Privileg vorbehalten. Die Folgen desselben haben sich rasch entwickelt. Schon vier Jahre nach jener Zeit, wo das deutsche Volk die wackelnden Throne seiner Fürsten wieder befestigt hatte, begann man mit dieser saubern Maßregel. Bei Arndt hielt man eine Haussuchung, und hat ihn nach einem vorgefundenen Zettel zum Meuchelmöder gebrandmarkt und zum Hochverräther gestempelt. Die Sprache ist zu arm, die Schändlichkeiten auszudrücken, die dies System hervorgerufen hat. Auch ich habe schwer darunter gelitten. 1845 brachen ein Polizeiagent mit 18 Mann in meine Wohnung ein, maltraitirten meine Frau und verführten einen bürgerlichen Schlosser dazu, die Schlösser meiner Möbel zu erbrechen. 1830 fand man bei einer ähnlichen Gelegenheit in Paris keinen Schlosser, der sich einer solchen schmachvollen Arbeit unterziehen wollte. Man mußte einen von den Galleeren dazu nehmen.</p> <p>Noch heute habe ich meine Papiere nicht wieder. Man hat arme Leute durch Geld zum Meineide gegen mich verleitet. (Rechts: zur Sache.) Ich bin sehr bei der Sache. Ein politischer Schnupfen reicht hin, um jenes Heer der geheimen Polizei zu allarmiren. Diese Herren riechen die politisch Mißliebigen heraus, wie Douaniers unerlaubte Waaren. Wir sind noch in den Flitterwochen der Revolution, und schon hat die geheime Polizei wieder Feld gewonnen, schon werden überall wieder die verfolgt, die sich soziale Verbesserungen angelegen sein lassen. Hier ist schon so oft von deutscher Freiheit gesprochen worden. Haben wir etwas für dieselbe gethan? (Tiefe Stille.) Eine parlamentarische Ministerverantwortlichkeit schützt kein Volk vor Unbill. Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit brauchen wir. (Rechts: Murren) Ich beantrage: „den Befehl zu einer Haussuchung den Betheiligten sogleich bei derselben zu Händen zu geben.“ Ferner Wegfall des Punktes: „für die Verhaftung in einer Wohnung finden keine besondern Beschränkungen statt.“</p> <p>Das deutsche Volk will aus dem Zustand der Gnade endlich in den des Rechts übertreten Es ist müde, ewig einem Leithammel zu folgen. Der Geist unserer Zeit ist so gewaltig, daß keiner ihn mehr wegläugnen und mißachten darf. ‒ Sanktionairen Sie endlich den alten deutschen Grundsatz, der die Basis der magaa charta von England bilder: „das Haus des Bürgers ist ein Heiligthum.“ Geben Sie dem deutschen Bürger wieder, was der Engländer nie verloren hat.</p> <p>Auf <hi rendition="#g">Moritz Mohl</hi> und einen Unbekannten, der für Reichensperger's Amendement in die Schranken tritt, folgt:</p> <p><hi rendition="#g">Wesendonk.</hi> Die Friststellung von 24 Stunden, binnen welcher nach dem Vorschlag des Verfassungsausschusses der Haussuchungsbefehl vorgewiesen werden soll, ist ganz überflüssig, denn ohne richterlichen Befehl, (wie der Ausschuß vorschreibt) darf ja keine Haussuchung vorgenommen werden. Wenn also ein solcher Befehl von vorne herein da sein muß, so sehe ich nicht ein, warum er nicht den Betheiligten bei der Haussuchung selbst sofort vorgewiesen werden soll.</p> <p>Hensel, Scheller aus Frankfurt a. d. Oder, Adams aus Koblenz, besprechen ihre Anträge ohne alles Interesse. Es ist zum Einschlafen.</p> <p><hi rendition="#g">Kolb</hi> aus Speier stellt die Meinung auf, daß der Antrag von Leue, Adams und Mittermayer gar nichts enthält.</p> <p><hi rendition="#g">Wiegard</hi> aus Dresden pflichtet dieser Meinung bei. Der Antrag von Leue, Adams und Mittermayer läßt Alles beim Alten. Nach demselben bleibt es beim alten Polizeistaat, und wenn die Polizei auch eine wohlthätige Einrichtung sei, so müssen sich doch die Bürger vor ihren Uebertretungen schützen.</p> <p>Trotz mehrfachem Ruf nach Schluß betheiligen sich noch an der schlaffen Debatte Spatz aus Frankenthal, Grävel aus Frankfurt a. d. Oder, Jordan aus Gollnow, welcher beantragt, Hausgenossen bei der Haussuchung zuzuziehen. Derselbe meint, es ist schon oft vorgekommen, daß bei Haussuchungen zwar nichts gefunden, aber später etwas vermißt worden ist.</p> <p><hi rendition="#g">Freudentheil</hi> aus Hannover. Haus und Familie sind das Heiligste des Menschen. Eingriffe in diese müssen bestimmt beschränkt sein. Ich beantrage dieselben vorzunehmen: „Nur auf Grund richterlichen Befehls und unter Zuziehung richterlicher Beamten.“ Der Richter wird sich dabei über das Formelle nicht hinwegsetzen, wie oft der Polizeibeamte es thut. (Bravo.)</p> <p><hi rendition="#g">Heisterbergk</hi> aus Sachsen schlägt den Zusatz vor, dem richterlichen Befehl noch die Beweggründe der Haussuchung beizufügen. (Schluß.)</p> <p><hi rendition="#g">Gagern.</hi> Meine Herren, jetzt kommt bestimmt der letzte. (Freude.)</p> <p>Folgt ein Redner, welcher die Bemerkung macht, ja nicht von dem augenblicklichen Gelüste eines Beamten, oder der Tendenz eines Ministers die Haussuchung abhängig zu machen. Hierauf spricht der Berichterstatter Beseler noch 3/4 Stunden. Man hört ohne Ungeduld zu. Gegen das Ende seiner Rede fragt er, ob man ihm ein detaillirtes Eingehen in die einzelnen Punkte erlassen wolle? (Von allen Seiten zuvorkommend: Ja wohl.) Die Abstimmung haben wir unsern Lesern gestern mitgetheilt.</p> </div> <div xml:id="ar081_005" type="jArticle"> <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 17. August.</head> <p>In der Sitzung der Vereinbarer-Versammlung vom 7. Juni hatte der Abgeordnete <hi rendition="#g">Schramm</hi> aus Langensalza den Antrag gestellt, die noch vom alten Regierungssystem stehen gebliebene <hi rendition="#g">Censur der Leihbibliothekbücher</hi> aufzuheben, welcher Antrag damals in die Abtheilungen, verwiesen wurde. Die Central-Abtheilung, welche zur Berathung über diesen Antrag gewählt wurde, hat sich überzeugt, daß die polizeiliche Bewachung der Leihbibliotheken auf Ministerial-Verfügungen beruhe, welche sich an frühere, durch Aufhebung der Censur aber in sich zerfallene Preßgesetze anlehnen. Die Central-Abtheilung hat demnach eine Aufforderung an den Minister des Innern beschlossen, die betreffenden Verwaltungs- und Polizeibehörden über die Unbefugtheit einer Beaufsichtigung der Leihbibliotheken aufzuklären.</p> <p>Der Referent der achten Abtheilung stellte den ferneren Antrag, auch das Erforderniß besonderer Konzessionen zu Leihbibliotheken, Buchhändlergeschäften, Kunsthandlungen und Antiquargeschäften aufzuheben. Er ging von der Ansicht aus, daß die Censuredikte die eigentliche Wurzel seien, aus welcher erst das Erforderniß der Konzession und dann aus dieser die polizeiliche Beaufsichtigung der Buchhändler und Leihbibliothekare hervorging. Dieser innere Zusammenhang geht hervor aus §. 128 des Gesetzes vom 7. September 1811, welcher den Regierungen aufgiebt, die Anweisungen bei Konzessionirung von Buchhändlern, Leihbibliothekaren etc. von der obersten Censurbehörde zu erwarten; sowie aus §. 126, welcher zur Erlangung einer Konzession ein von der Ortspolizeibehörde ausgestelltes Loyalitätszeugniß verlangt. ‒ Die Dringlichkeit des Antrags ist vorhanden, weil die fliegenden Buchhändler der Straße, die Colporteurs, Ausrufer etc. bereits von der Polizei, welche tagtäglich das ihr zustehende Konzessionsrecht wieder zu handhaben beginnt, bedroht werden.</p> <p>Die Central-Abtheilung, welcher der Gesetz-Entwurf des Finanz-Ministers <hi rendition="#g">Hansemann,</hi> betreffend die Erhöhung der Steuern auf Runkelrübenzucker und Spiritus zur Berathung vorliegt, hat sich mit 5 gegen 3 Stimmen gegen die Erhöhung der Rübenzuckersteuer ausgesprochen, obgleich Herr Hansemann der Abtheilung mehrere Stunden lang seine ganze national-ökonomische Gelehrsamkeit vorpauckte. Man glaubt sogar, daß der Spiritussteuer dasselbe Schicksal bevorsteht.</p> <p>Dem Senat unserer Universität ist eine Liste mit den Namen vieler demokratisch-gesinnten Studenten vorgelegt worden. Der Senat scheint es sich nun vorgenommen zu haben, alle Denunzirte zu verurtheilen und wenn er die Gründe dazu aus dem vermoderten Landrecht oder den vom Bundestage sogar aufgehobenen Karlsbader Beschlüssen herholen sollte. So hat er den Studenten <hi rendition="#g">Meyer</hi> verurtheilt auf Grund des §. 85. Anhang 137. Theil II. Tit. 12 des A. L.-R., welcher lautet:</p> <p>„Studenten, welche zur Zeit eines Tumults oder in größerer Anzahl nach Mitternacht auf sich der Straße finden lassen, haben die Vermuthung böser Absicht oder eines liederlichen Lebenswandels wider sich, auch muß Niemand nach 10 Uhr Abends sich in einem Wirthshause antreffen lassen.“ ‒</p> <p>Gestern Nachmittag kam ein Polizei-Kommissarius zu dem Assessor <hi rendition="#g">Schramm,</hi> Präsidenten des demokratischen Klubs, um ihn, in Folge eines Auftrags des Ober-Präsidenten Pinder in Schlesien, zu fragen ob er das gesetzliche Alter von 30 Jahren habe, da er in <hi rendition="#g">Striegau</hi> zum Abgeordneten der Vereinbarer-Versammlung gewählt sei und ob er sich zur Annahme der Wahl erkläre. Beide Fragen wurden von dem Gewählten bejahet. Diese Anzeige auf polizeilichem Wege hat allgemeine Entrüstung hervorgerufen, da bisher alle Wahlkommissarien die Sitte beobachteten sich in einem höflichen Schreiben an den Gewählten zu wenden. Warum wohl gerade diese Wahl dem Wahlkommissarius, Ober-Präsidenten Pinder, die gewöhnliche Rücksicht nicht zu verdienen schien?</p> <p>Derselbe Herr <hi rendition="#g">Schramm,</hi> der von jetzt an als Abgeordneter den Gerichten gegenüber unverletzlich sein wird, hat jedoch noch gestern eine Vorladung vom Kammergericht erhalten, sich auf die Anklage: daß er für die Frau des Schneidermeisters Bornemann, deren Mann in Folge der Zeughaus-Exzesse eingesteckt war, eine Eingabe an den damaligen Staatsanwalt Temme, um sofortige Freilassung des unschuldig Verhafteten (die auch erfolgte) angefertigt habe, zu verantworten, da er dazu nicht befugt sei und event. mit der Strafe der <hi rendition="#g">Winkelschreiberei</hi> bestraft werden würde!</p> <p>Der Finanzminister <hi rendition="#g">Hansemann</hi> hat vor einigen Tagen eine Deputation, welche ihn um eine Unterstützung von 1 Million Thaler für die Hypothekenschuldner hiesiger Stadt, denen ihre Kapitalien gekündigt und die in Folge dessen in große Verlegenheit gerathen sind, anging, mit ihrem Gesuch abgewiesen. Bei dieser Gelegenheit behandelte Herr Hansemann sein bekanntes Thema, daß Ruhe und Ordnung Geld schaffe, radikale Bestrebungen dagegen die Wiederherstellung des Vertrauens verhinderten und schloß mit folgenden Worten: „Oestreichische Metalliques stehen jetzt 60%, Preußische Staatsschuldscheine 75%, ich werde sie bald auf 100% bringen, wenn die Stadt Berlin ihre radikalen Demonstrationen unterläßt.“</p> <p>Ein dänischer Agent soll durch die Untersuchungen wegen der Zeughausexzesse stark kompromittirt worden sein.</p> <p>Die Arbeitseinstellung der Druckergehülfen dauert nun schon über 17 Tage und noch ist keine Einigung zu Stande gekommen. Sowohl von Seiten der Prinzipale als von Seiten der Gehülfen will man nicht nachgeben und es auf's Aeußerste ankommen lassen. Das Beispiel der Drucker beginnt bei den Schneidergesellen Nachahmung zu finden, welche ebenfalls mit einer Arbeitseinstellung drohen, wenn man gewissen Forderungen nicht nachgeben will. Es ist möglich, daß die ungeheure Zahl der Schneidergesellen, die sich auf mehrere Tausend belaufen, eine Demonstration gegen das s. g. Arbeiter-Ministerium beabsichtigen, von dessen Existenz man weiter nichts bemerkt, als daß Herr Milde 12.000 Thlr. Gehalt bezieht.</p> </div> <div xml:id="ar081_006" type="jArticle"> <head><bibl><author>119</author></bibl> Berlin, 16. August.</head> <p>Die Stellung des Ministeriums wird von Tage zu Tage unhaltbarer. Nachdem der Kriegsminister schon so lange vielfachen und heftigen Angriffen, besonders bei der Schweidnitzer Angelegenheit ausgesetzt war, nachdem der Minister des Innern für die Einführung der Schutzmannschaft, durch Hrn. Grabow's Hülfe, nur eine geringe Majorität gewonnen hatte (ein Sieg, der dadurch noch weniger rühmlich wird, daß jetzt die Konstabler bis auf 1600 vermindert werden sollen), häufen sich die Angriffe gegen den Finanzminister in der Versammlung und außerhalb derselben auf gleiche Weise. Die Gutsbesitzer sind auf's Höchste über die projektirte Grundsteuer entrüstet und werden unter ihrem Führer Herrn Bülow-Tummerow auf den Freitag eine Versammlung in Berlin abhalten, um über die Mittel gegen diese Maßregel zu berathen. In der Nationalversammlung zerfällt die Partei des thatendurstigen Finanzministers augenscheinlich und im Lande finden seine „kühenen Griffe“ noch weniger Beifall. In einer Sitzung der Centralabtheilung, welche im Hotel des Finanzministers statt fand, wurde die projektirte Rübenzuckerbesteuerung mit 5 gegen 3 Stimmen verworfen, und der Spiritussteuer steht ein gleiches Schicksal bevor. (S. oben.)</p> </div> <div xml:id="ar081_007" type="jArticle"> <head>Berlin, 17. Aug.</head> <p>Die Cholera macht verhältnißmäßig langsame Fortschritte. Bis gestern waren 50 Personen daran erkrankt, von denen 4 genesen, 40 starben und 6 in Behandlung blieben.</p> <p>‒ Folgendes interessante Aktenstück ist uns mitgetheilt worden:</p> <p>„Abschrift: Ew. Hochwohlgeboren benachrichtige ich hierdurch gehorsamst, daß Ihre Königl. Hoheiten, der Prinz und die Prinzessin von Preußen, hier eintreffen und sich drei Tage hier aufhalten werden. Stettin, 29. Juli 1848. (gez.) v. Salmuth, Regierungsrath. ‒ An den Königl. Regierungs-Präsidenten Hrn. v. Fritsche, Hochwohlgeboren in Cöslin.</p> <p>„Abschrift erhalten Ew. Hochwohlgeboren mit dem Anheimgeben, einige Schulzen oder Bauern des Kreises zu vermögen, Namens des Bauernstandes Ihre Königlichen Hoheiten zu begrüßen. <ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> </p> </div> </div> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="ar081_007a" type="jArticle"> <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> diesem Kuß vor allem Volke, in dieser versöhnenden Umarmung. Was wollt ihr mehr, die ihr noch immer das Gespenst des Bürgerkrieges zwischen den beiden Kokarden seht? Ist es nicht offenbar, daß es mit aller Zwietracht aus ist? O, aber ihr seid kalte, berechnende Menschen, ihr finstern Volkssouveräne. Ihr glaubt weder an Küsse noch an Umarmungen. Heilig ist euch nichts mehr ‒ heilig nur euer kalter Egoismus! O, wär't ihr doch in Köln gewesen, auf dem Gürzenich, auf dem Dombaufestmahle, ihr würdet eure revolutionären Ideen dran gegeben, ihr würdet gelernt haben, was Fürsten über Völker vermögen, und wie man sich vor Fürsten beugen muß. Ja, herrlich hast du dich bewährt mein altes Köln, als eine Stadt der Treue, der Loyalität und Niemand wird hinfort mehr von dir sagen können, daß du der Heerd des Aufruhrs, der Revolution und der Anarchie bist.</p> <p>Wir übergehen den Toast eines loyalen Kölners, des Herrn v. Groote und wenden uns zu dem Präsidenten der Frankfurter National-Versammlung von Gagern. Auftrat dieser große Mann. Ich muß gestehen, ich war ich höchsten Grade neugierig, den Zeus mit der Schelle, von dem ich schon so viel lesen und hören mußte, einmal in der Nähe zu gestehen und mit eignen Ohren zu belauschen. Hatten mir doch wenigstens schon hundert Männer, alte und junge aufzubinden versucht, Gagern sei ein Halb-Gott, er stamme direct aus dem Olymp her, Jupiter habe ihn auf einer Ferienreise mit einer oberländischen Nymphe gezeugt? ‒ Ich wollte es immer nicht glauben; auf das Geschwätz von Männern gebe ich nichts; sie sind fast immer schief gewickelt; wenn Männer über Männer urtheilen, so steht es noch immer so und so um das Resultat; auf Männer ist nicht zu bauen. Erst seit mir neulich ein hübsches Weib mit schneeweißen Zähnen und mit verliebten Augen die feste Versicherung gab, daß Gagern ein ausgezeichneter Mann sei und daß sie für ihn schwärmen könne, ja schwärmen trotz alledem und alledem, seit jenem Augenblick fing ich an, die Wahrheit der verschiedenen Gerüchte weniger als bisher zu bezweifeln, denn die Aussage einer schönen Frau ist maßgebend in allen Dingen, einer Frau muß man mehr glauben als dem Evangelium; was eine Nachtigall singt, und was auf Rosen und Lilien geschrieben steht und was ein Engel in Menschengestalt spricht, das ist lautere Wahrheit, das soll man glauben, dafür soll man leben und sterben und auferstehn. Ja, was ist ein Sokrates und ein Hegel gegen eine kleine Person mit kohlschwarzen Locken, die dir an den Hals springt und dich küßt und darauf flucht mit dem liebenswürdigsten Fluche, daß sie Recht habe, und daß sie Recht behalten wolle, ihr Leben lang?</p> <lg type="poem"> <l>„Wen Frauen loben, der wird bekannt,</l><lb/> <l>Er hat den Ruhm an seiner Hand,</l><lb/> <l>Dazu seines Herzens Wonne.“</l><lb/> </lg> <p>So sagt schon der alte Wolfram von Eschenbach und in der That, Gagern hat alle Aussicht einer der glücklichsten Menschen seiner Zeit zu werden. Gagern ist eine gesunde Erscheinung. Junge Mädchen werden sich schwerlich für ihn begeistern; hübsche Frauen werden ihn stets zu schätzen wissen.</p> <p>Gagern brachte dann einen Toast auf ein einiges, freies und starkes Deutschland aus. Wiederum bebte der Saal von Applaus. Alle Patrioten und alle Gläser wackelten. Se. Maj. der König erhob sich hierauf zum zweiten Male, und ich muß gestehen, daß ich ihn für einen weit größern Redner als den Jupiter der Paulskirche halte. „Schon zwei Mal,“ sprach der König, „hat man auf die Erfüllung meines schönsten Jugendtraumes, auf ein einiges und starkes Deutschland angestoßen; ich lade Sie jetzt ein, auch auf das Wohl der Werkleute am Baue dieses einigen Deutschlands zu trinken ‒ es leben die anwesenden und abwesenden Mitglieder der National-Versammlung in Frankfurt!“</p> <p>Der Erzherzog Reichsverweser folgte wieder Sr. Majestät mit einem Toaste auf das Wohlsein der Stadt Köln. Die Beredsamkeit des alten Mannes hatte, wie seine ganze Erscheinung: etwas Rührendes. Der alte Fürst und die alte Stadt ‒ sie grüßten einander wie zwei graue Kirchthürme. Es war als ob der Domkrahnen und der Thurm der Stephanskirche sich umarmt hätten.</p> <p>Unter den übrigen Rednern fiel mir noch v. Soiron, der Vice-Präsident aus Frankfurt, auf. Ich muß den Mann früher schon einmal gesehen haben. In Brüssel, in Liverpool, in Hamburg ‒ ich weiß es nicht. Aber ich möchte darauf wetten, daß ich ihn schon einmal auf einem Droschkenbock sah; ja, wahrhaftig, ich will mich hängen lassen, Hr. v. Soiron war schon einmal Droschkenkutscher! Ist das nicht derselbe Kutscherbart, dieselbe Kutscherwürde, derselbe Kutscherpathos? Was für eine Nummer hatten Sie Hr. Soiron?</p> <p>„Hohe Versammlung!“ begann Sancho-Soiron: „Gönnen Sie einem einfachen Manne ein einfaches Wort, ein Wort, das aus dem Herzen kommt. Reichen wir uns die Hände durch alle Gaue des deutschen Vaterlandes, auf daß Brüderlichkeit zwischen uns herrsche bis an die äußersten Gränzen. Hoch lebe die Brüderlichkeit des deutschen Volkes!“</p> <p>Kann ein patriotischer Kutscher besser sprechen? Hohe Versammlung ‒ einfacher Mann ‒ Händereichen ‒ Gaue des deutschen Vaterlandes ‒ äußerste Gränzen ‒ es lebe die Brüderlichkeit. Wunderschön! Es lebe Sancho, der einfache Mann!</p> <p> <ref type="link">(Fortsetzung folgt.)</ref> </p> </div> <div xml:id="ar081_007b" type="jArticle"> <p>Das Dampfschiff Geiser hat 14 Kisten mit 30,000 Loth Silberzeug und einigen Diamanten nach Kopenhagen gebracht, die dem Herzog von Augustenburg gehörten und bei Sonderburg vergraben gefunden wurden. Die Kisten sind an die Bank abgeliefert.</p> </div> <div xml:id="ar081_008" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Christiania, 11. August.</head> <p>Der Storthing hat in seiner gestrigen Sitzung die Vorschläge, daß 1) allen christlichen Sekten freie Religionsübung im Reich gestattet, mit allen Stimmen gegen achte, und 2) daß das Verbot für Juden, das Reich zu betreten, aufgehoben werde, mit 59 gegen 43 Stimmen <hi rendition="#g">verworfen.</hi> Wieder eine Probe christlich-germanisch-skandinavischer Demokratie!</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0408/0002]
[Deutschland] 112 Düren, 18. August. Gestern war der hiesige Abgeordnete für Frankfurt, Hr. Professor Braun hier anwesend, um seinen Wählern über den Fortgang und Stand der dortigen Verhandlungen mündlich zu berichten. Zur Entgegennahme dieses Berichts hatte sich ein, wenn auch nicht sehr zahlreiches, doch gewähltes Auditorium eingefunden, welches aus Männern aller Meinungsschattirungen bestand und wobei auch der hiesige städtische Klub durch mehre seiner tüchtigsten Mitglieder vertreten war. Hr. Braun leitete seinen Vortrag mit einer Statistik der in der Reichsversammlung wirksamen Kräfte ein und entwarf ein anschauliches Bild ihrer Zusammensetzung so wie der Leidenschaften des Parteikampfes inner- und außerhalb der Paulskirche.
Hierauf folgte eine Reihe von Interpellationen über die schwebenden Tagesfragen, wobei der sehr orientirte Redner auf das freundlichste alle gewünschten Aufschlüsse ertheilte. Seine eigene Stellung inmitten der Debatten und der verschiedenen Parteien überging der Abgeordnete zwar mit Stillschweigen, zollte aber dem Talente, der Rührigkeit und dem einträchtigen Zusammenwirken der Frankfurter Linken das schmeichelhafteste Lob. Für die deutsche Zukunft glaubte Hr. Braun nicht eben die günstigsten Perspektive eröffnen zu können, vielmehr sprach er sich dahin aus, daß, sollte die Aufgabe der Nationalvertreter gelöst und ein einiges, freies und starkes Deutschland hergestellt werden, ihrem Wirken entweder günstige Ereignisse von Außen zur Seite gehen oder Deutschland sich in der revolutionären Bewegung erhalten müsse.
!!! Frankfurt, 17. August. Sitzung der Nationalversammlung, Tagesordnung. Fortsetzung der Berathung über die Grundrechte.
Obschon die Sitzung erst gegen 10 Uhr beginnt, sind doch kaum 150 Deputirte da, besonders auf der äußersten Rechten und äußersten Linken ganz leer. Nach der Genehmigung des Protokolls werden Albrecht und Schmidt aus Hannover und Schuselka aus Oestreich, als aus der Nationalversammlung ausgetreten angezeigt.
v. Gagern (in höchst eigener Person) erstattet höchst würdevoll Bericht über die Dombaufestfahrt. Den ganzen Rheinstrom entlang, vorzüglich in Coblenz erschallten Sympathien der Bewohner für die Deputirten der Nationalversammlung. In Köln sind sie sehr gastfrei aufgenommen worden. Nur muß er leider bekennen, daß die Deputation an dem religiösen Fest nicht so recht hat Theil nehmen können. Die religiöse Gewalt der Kölner Bevölkerung war stärker als die Polizeigewalt und so haben die Herren Abgeordneten keine ordentlichen Plätze bekommen. Das Zusammentreffen des Königs von Preußen und des Reichsverwesers war herzlich und hoffnungerweckend. Wenn der König von Preußen geäußert hat: „die Nationalversammlung solle nicht vergessen, daß es Fürsten in Deutschland gebe und er unter diese gehöre“, so haben seine späteren Aeußerungen gezeigt, daß er tief von der politischen Einigung Deutschlands durchdrungen ist. Besonders auf dem Gürzenich hat er sich dahin ausgesprochen. (Bravo.)
Eisenstuck interpellirt die Kommission, welche sich mit der Bearbeitung des Gesetzentwurfes über die Verantwortlichkeit der Minister beschäftigt. Wie weit dieser Entwurf gediehen sei.
Mittermayer: Der Gesetzentwurf ist fertig und kann auf die nächste Tagesordnung kommen.
Die Tagesordnung
bringt eine äußerst sterile, nur durch Schlöffel's Rede belebte Diskussion über § 8 der Grundrechte. Nach dem Entwurf des Verfassungsausschusses lautet der § 8:
Die Wohnung ist unverletzlich.
Eine Haussuchung darf nur auf Grund eines richterlichen Befehls vorgenommen werden.
Dieser Befehl muß sofort oder spätestens innerhalb der nächsten 24 Stunden dem Betheiligten vorgewiesen werden.
Für die Verhaftungen in einer Wohnung finden keine besonderen Beschränkungen statt.
Beseler, Berichterstatter, beginnt den langweiligen Reigen, zeigt an, daß Adams, Leue und Mittermayer ihre Einzelanträge zu § 8 zurückgezogen haben, um vereint einen Antrag zu stellen, den er, als die Ausschußpunkte verbessernd, im Namen des Verfassungsausschusses anempfiehlt. Er lautet: „Eine Haussuchung sowie Verhaftung in einer Wohnung dürfen nur von dem dazu bestimmten Beamten, in den Fällen, wo sie das Gesetz bestimmt, vorgenommen werden“ (Ich komme auf diesen Antrag zurück, er wurde später verworfen.) Nach Mittermayer folgt in der Reihe der Redner
Schlöffel. Die Erfahrung hat gelehrt, daß die Haussuchungen im alten Polizeistaate den Charakter eines Einbruchs trugen. Das alte deutsche und römische Recht kennt keine Haussuchung. Dem modernen Polizeistaat war dieses schimpfliche Privileg vorbehalten. Die Folgen desselben haben sich rasch entwickelt. Schon vier Jahre nach jener Zeit, wo das deutsche Volk die wackelnden Throne seiner Fürsten wieder befestigt hatte, begann man mit dieser saubern Maßregel. Bei Arndt hielt man eine Haussuchung, und hat ihn nach einem vorgefundenen Zettel zum Meuchelmöder gebrandmarkt und zum Hochverräther gestempelt. Die Sprache ist zu arm, die Schändlichkeiten auszudrücken, die dies System hervorgerufen hat. Auch ich habe schwer darunter gelitten. 1845 brachen ein Polizeiagent mit 18 Mann in meine Wohnung ein, maltraitirten meine Frau und verführten einen bürgerlichen Schlosser dazu, die Schlösser meiner Möbel zu erbrechen. 1830 fand man bei einer ähnlichen Gelegenheit in Paris keinen Schlosser, der sich einer solchen schmachvollen Arbeit unterziehen wollte. Man mußte einen von den Galleeren dazu nehmen.
Noch heute habe ich meine Papiere nicht wieder. Man hat arme Leute durch Geld zum Meineide gegen mich verleitet. (Rechts: zur Sache.) Ich bin sehr bei der Sache. Ein politischer Schnupfen reicht hin, um jenes Heer der geheimen Polizei zu allarmiren. Diese Herren riechen die politisch Mißliebigen heraus, wie Douaniers unerlaubte Waaren. Wir sind noch in den Flitterwochen der Revolution, und schon hat die geheime Polizei wieder Feld gewonnen, schon werden überall wieder die verfolgt, die sich soziale Verbesserungen angelegen sein lassen. Hier ist schon so oft von deutscher Freiheit gesprochen worden. Haben wir etwas für dieselbe gethan? (Tiefe Stille.) Eine parlamentarische Ministerverantwortlichkeit schützt kein Volk vor Unbill. Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit brauchen wir. (Rechts: Murren) Ich beantrage: „den Befehl zu einer Haussuchung den Betheiligten sogleich bei derselben zu Händen zu geben.“ Ferner Wegfall des Punktes: „für die Verhaftung in einer Wohnung finden keine besondern Beschränkungen statt.“
Das deutsche Volk will aus dem Zustand der Gnade endlich in den des Rechts übertreten Es ist müde, ewig einem Leithammel zu folgen. Der Geist unserer Zeit ist so gewaltig, daß keiner ihn mehr wegläugnen und mißachten darf. ‒ Sanktionairen Sie endlich den alten deutschen Grundsatz, der die Basis der magaa charta von England bilder: „das Haus des Bürgers ist ein Heiligthum.“ Geben Sie dem deutschen Bürger wieder, was der Engländer nie verloren hat.
Auf Moritz Mohl und einen Unbekannten, der für Reichensperger's Amendement in die Schranken tritt, folgt:
Wesendonk. Die Friststellung von 24 Stunden, binnen welcher nach dem Vorschlag des Verfassungsausschusses der Haussuchungsbefehl vorgewiesen werden soll, ist ganz überflüssig, denn ohne richterlichen Befehl, (wie der Ausschuß vorschreibt) darf ja keine Haussuchung vorgenommen werden. Wenn also ein solcher Befehl von vorne herein da sein muß, so sehe ich nicht ein, warum er nicht den Betheiligten bei der Haussuchung selbst sofort vorgewiesen werden soll.
Hensel, Scheller aus Frankfurt a. d. Oder, Adams aus Koblenz, besprechen ihre Anträge ohne alles Interesse. Es ist zum Einschlafen.
Kolb aus Speier stellt die Meinung auf, daß der Antrag von Leue, Adams und Mittermayer gar nichts enthält.
Wiegard aus Dresden pflichtet dieser Meinung bei. Der Antrag von Leue, Adams und Mittermayer läßt Alles beim Alten. Nach demselben bleibt es beim alten Polizeistaat, und wenn die Polizei auch eine wohlthätige Einrichtung sei, so müssen sich doch die Bürger vor ihren Uebertretungen schützen.
Trotz mehrfachem Ruf nach Schluß betheiligen sich noch an der schlaffen Debatte Spatz aus Frankenthal, Grävel aus Frankfurt a. d. Oder, Jordan aus Gollnow, welcher beantragt, Hausgenossen bei der Haussuchung zuzuziehen. Derselbe meint, es ist schon oft vorgekommen, daß bei Haussuchungen zwar nichts gefunden, aber später etwas vermißt worden ist.
Freudentheil aus Hannover. Haus und Familie sind das Heiligste des Menschen. Eingriffe in diese müssen bestimmt beschränkt sein. Ich beantrage dieselben vorzunehmen: „Nur auf Grund richterlichen Befehls und unter Zuziehung richterlicher Beamten.“ Der Richter wird sich dabei über das Formelle nicht hinwegsetzen, wie oft der Polizeibeamte es thut. (Bravo.)
Heisterbergk aus Sachsen schlägt den Zusatz vor, dem richterlichen Befehl noch die Beweggründe der Haussuchung beizufügen. (Schluß.)
Gagern. Meine Herren, jetzt kommt bestimmt der letzte. (Freude.)
Folgt ein Redner, welcher die Bemerkung macht, ja nicht von dem augenblicklichen Gelüste eines Beamten, oder der Tendenz eines Ministers die Haussuchung abhängig zu machen. Hierauf spricht der Berichterstatter Beseler noch 3/4 Stunden. Man hört ohne Ungeduld zu. Gegen das Ende seiner Rede fragt er, ob man ihm ein detaillirtes Eingehen in die einzelnen Punkte erlassen wolle? (Von allen Seiten zuvorkommend: Ja wohl.) Die Abstimmung haben wir unsern Lesern gestern mitgetheilt.
103 Berlin, 17. August. In der Sitzung der Vereinbarer-Versammlung vom 7. Juni hatte der Abgeordnete Schramm aus Langensalza den Antrag gestellt, die noch vom alten Regierungssystem stehen gebliebene Censur der Leihbibliothekbücher aufzuheben, welcher Antrag damals in die Abtheilungen, verwiesen wurde. Die Central-Abtheilung, welche zur Berathung über diesen Antrag gewählt wurde, hat sich überzeugt, daß die polizeiliche Bewachung der Leihbibliotheken auf Ministerial-Verfügungen beruhe, welche sich an frühere, durch Aufhebung der Censur aber in sich zerfallene Preßgesetze anlehnen. Die Central-Abtheilung hat demnach eine Aufforderung an den Minister des Innern beschlossen, die betreffenden Verwaltungs- und Polizeibehörden über die Unbefugtheit einer Beaufsichtigung der Leihbibliotheken aufzuklären.
Der Referent der achten Abtheilung stellte den ferneren Antrag, auch das Erforderniß besonderer Konzessionen zu Leihbibliotheken, Buchhändlergeschäften, Kunsthandlungen und Antiquargeschäften aufzuheben. Er ging von der Ansicht aus, daß die Censuredikte die eigentliche Wurzel seien, aus welcher erst das Erforderniß der Konzession und dann aus dieser die polizeiliche Beaufsichtigung der Buchhändler und Leihbibliothekare hervorging. Dieser innere Zusammenhang geht hervor aus §. 128 des Gesetzes vom 7. September 1811, welcher den Regierungen aufgiebt, die Anweisungen bei Konzessionirung von Buchhändlern, Leihbibliothekaren etc. von der obersten Censurbehörde zu erwarten; sowie aus §. 126, welcher zur Erlangung einer Konzession ein von der Ortspolizeibehörde ausgestelltes Loyalitätszeugniß verlangt. ‒ Die Dringlichkeit des Antrags ist vorhanden, weil die fliegenden Buchhändler der Straße, die Colporteurs, Ausrufer etc. bereits von der Polizei, welche tagtäglich das ihr zustehende Konzessionsrecht wieder zu handhaben beginnt, bedroht werden.
Die Central-Abtheilung, welcher der Gesetz-Entwurf des Finanz-Ministers Hansemann, betreffend die Erhöhung der Steuern auf Runkelrübenzucker und Spiritus zur Berathung vorliegt, hat sich mit 5 gegen 3 Stimmen gegen die Erhöhung der Rübenzuckersteuer ausgesprochen, obgleich Herr Hansemann der Abtheilung mehrere Stunden lang seine ganze national-ökonomische Gelehrsamkeit vorpauckte. Man glaubt sogar, daß der Spiritussteuer dasselbe Schicksal bevorsteht.
Dem Senat unserer Universität ist eine Liste mit den Namen vieler demokratisch-gesinnten Studenten vorgelegt worden. Der Senat scheint es sich nun vorgenommen zu haben, alle Denunzirte zu verurtheilen und wenn er die Gründe dazu aus dem vermoderten Landrecht oder den vom Bundestage sogar aufgehobenen Karlsbader Beschlüssen herholen sollte. So hat er den Studenten Meyer verurtheilt auf Grund des §. 85. Anhang 137. Theil II. Tit. 12 des A. L.-R., welcher lautet:
„Studenten, welche zur Zeit eines Tumults oder in größerer Anzahl nach Mitternacht auf sich der Straße finden lassen, haben die Vermuthung böser Absicht oder eines liederlichen Lebenswandels wider sich, auch muß Niemand nach 10 Uhr Abends sich in einem Wirthshause antreffen lassen.“ ‒
Gestern Nachmittag kam ein Polizei-Kommissarius zu dem Assessor Schramm, Präsidenten des demokratischen Klubs, um ihn, in Folge eines Auftrags des Ober-Präsidenten Pinder in Schlesien, zu fragen ob er das gesetzliche Alter von 30 Jahren habe, da er in Striegau zum Abgeordneten der Vereinbarer-Versammlung gewählt sei und ob er sich zur Annahme der Wahl erkläre. Beide Fragen wurden von dem Gewählten bejahet. Diese Anzeige auf polizeilichem Wege hat allgemeine Entrüstung hervorgerufen, da bisher alle Wahlkommissarien die Sitte beobachteten sich in einem höflichen Schreiben an den Gewählten zu wenden. Warum wohl gerade diese Wahl dem Wahlkommissarius, Ober-Präsidenten Pinder, die gewöhnliche Rücksicht nicht zu verdienen schien?
Derselbe Herr Schramm, der von jetzt an als Abgeordneter den Gerichten gegenüber unverletzlich sein wird, hat jedoch noch gestern eine Vorladung vom Kammergericht erhalten, sich auf die Anklage: daß er für die Frau des Schneidermeisters Bornemann, deren Mann in Folge der Zeughaus-Exzesse eingesteckt war, eine Eingabe an den damaligen Staatsanwalt Temme, um sofortige Freilassung des unschuldig Verhafteten (die auch erfolgte) angefertigt habe, zu verantworten, da er dazu nicht befugt sei und event. mit der Strafe der Winkelschreiberei bestraft werden würde!
Der Finanzminister Hansemann hat vor einigen Tagen eine Deputation, welche ihn um eine Unterstützung von 1 Million Thaler für die Hypothekenschuldner hiesiger Stadt, denen ihre Kapitalien gekündigt und die in Folge dessen in große Verlegenheit gerathen sind, anging, mit ihrem Gesuch abgewiesen. Bei dieser Gelegenheit behandelte Herr Hansemann sein bekanntes Thema, daß Ruhe und Ordnung Geld schaffe, radikale Bestrebungen dagegen die Wiederherstellung des Vertrauens verhinderten und schloß mit folgenden Worten: „Oestreichische Metalliques stehen jetzt 60%, Preußische Staatsschuldscheine 75%, ich werde sie bald auf 100% bringen, wenn die Stadt Berlin ihre radikalen Demonstrationen unterläßt.“
Ein dänischer Agent soll durch die Untersuchungen wegen der Zeughausexzesse stark kompromittirt worden sein.
Die Arbeitseinstellung der Druckergehülfen dauert nun schon über 17 Tage und noch ist keine Einigung zu Stande gekommen. Sowohl von Seiten der Prinzipale als von Seiten der Gehülfen will man nicht nachgeben und es auf's Aeußerste ankommen lassen. Das Beispiel der Drucker beginnt bei den Schneidergesellen Nachahmung zu finden, welche ebenfalls mit einer Arbeitseinstellung drohen, wenn man gewissen Forderungen nicht nachgeben will. Es ist möglich, daß die ungeheure Zahl der Schneidergesellen, die sich auf mehrere Tausend belaufen, eine Demonstration gegen das s. g. Arbeiter-Ministerium beabsichtigen, von dessen Existenz man weiter nichts bemerkt, als daß Herr Milde 12.000 Thlr. Gehalt bezieht.
119 Berlin, 16. August. Die Stellung des Ministeriums wird von Tage zu Tage unhaltbarer. Nachdem der Kriegsminister schon so lange vielfachen und heftigen Angriffen, besonders bei der Schweidnitzer Angelegenheit ausgesetzt war, nachdem der Minister des Innern für die Einführung der Schutzmannschaft, durch Hrn. Grabow's Hülfe, nur eine geringe Majorität gewonnen hatte (ein Sieg, der dadurch noch weniger rühmlich wird, daß jetzt die Konstabler bis auf 1600 vermindert werden sollen), häufen sich die Angriffe gegen den Finanzminister in der Versammlung und außerhalb derselben auf gleiche Weise. Die Gutsbesitzer sind auf's Höchste über die projektirte Grundsteuer entrüstet und werden unter ihrem Führer Herrn Bülow-Tummerow auf den Freitag eine Versammlung in Berlin abhalten, um über die Mittel gegen diese Maßregel zu berathen. In der Nationalversammlung zerfällt die Partei des thatendurstigen Finanzministers augenscheinlich und im Lande finden seine „kühenen Griffe“ noch weniger Beifall. In einer Sitzung der Centralabtheilung, welche im Hotel des Finanzministers statt fand, wurde die projektirte Rübenzuckerbesteuerung mit 5 gegen 3 Stimmen verworfen, und der Spiritussteuer steht ein gleiches Schicksal bevor. (S. oben.)
Berlin, 17. Aug. Die Cholera macht verhältnißmäßig langsame Fortschritte. Bis gestern waren 50 Personen daran erkrankt, von denen 4 genesen, 40 starben und 6 in Behandlung blieben.
‒ Folgendes interessante Aktenstück ist uns mitgetheilt worden:
„Abschrift: Ew. Hochwohlgeboren benachrichtige ich hierdurch gehorsamst, daß Ihre Königl. Hoheiten, der Prinz und die Prinzessin von Preußen, hier eintreffen und sich drei Tage hier aufhalten werden. Stettin, 29. Juli 1848. (gez.) v. Salmuth, Regierungsrath. ‒ An den Königl. Regierungs-Präsidenten Hrn. v. Fritsche, Hochwohlgeboren in Cöslin.
„Abschrift erhalten Ew. Hochwohlgeboren mit dem Anheimgeben, einige Schulzen oder Bauern des Kreises zu vermögen, Namens des Bauernstandes Ihre Königlichen Hoheiten zu begrüßen. [Fortsetzung]
[Fortsetzung] diesem Kuß vor allem Volke, in dieser versöhnenden Umarmung. Was wollt ihr mehr, die ihr noch immer das Gespenst des Bürgerkrieges zwischen den beiden Kokarden seht? Ist es nicht offenbar, daß es mit aller Zwietracht aus ist? O, aber ihr seid kalte, berechnende Menschen, ihr finstern Volkssouveräne. Ihr glaubt weder an Küsse noch an Umarmungen. Heilig ist euch nichts mehr ‒ heilig nur euer kalter Egoismus! O, wär't ihr doch in Köln gewesen, auf dem Gürzenich, auf dem Dombaufestmahle, ihr würdet eure revolutionären Ideen dran gegeben, ihr würdet gelernt haben, was Fürsten über Völker vermögen, und wie man sich vor Fürsten beugen muß. Ja, herrlich hast du dich bewährt mein altes Köln, als eine Stadt der Treue, der Loyalität und Niemand wird hinfort mehr von dir sagen können, daß du der Heerd des Aufruhrs, der Revolution und der Anarchie bist.
Wir übergehen den Toast eines loyalen Kölners, des Herrn v. Groote und wenden uns zu dem Präsidenten der Frankfurter National-Versammlung von Gagern. Auftrat dieser große Mann. Ich muß gestehen, ich war ich höchsten Grade neugierig, den Zeus mit der Schelle, von dem ich schon so viel lesen und hören mußte, einmal in der Nähe zu gestehen und mit eignen Ohren zu belauschen. Hatten mir doch wenigstens schon hundert Männer, alte und junge aufzubinden versucht, Gagern sei ein Halb-Gott, er stamme direct aus dem Olymp her, Jupiter habe ihn auf einer Ferienreise mit einer oberländischen Nymphe gezeugt? ‒ Ich wollte es immer nicht glauben; auf das Geschwätz von Männern gebe ich nichts; sie sind fast immer schief gewickelt; wenn Männer über Männer urtheilen, so steht es noch immer so und so um das Resultat; auf Männer ist nicht zu bauen. Erst seit mir neulich ein hübsches Weib mit schneeweißen Zähnen und mit verliebten Augen die feste Versicherung gab, daß Gagern ein ausgezeichneter Mann sei und daß sie für ihn schwärmen könne, ja schwärmen trotz alledem und alledem, seit jenem Augenblick fing ich an, die Wahrheit der verschiedenen Gerüchte weniger als bisher zu bezweifeln, denn die Aussage einer schönen Frau ist maßgebend in allen Dingen, einer Frau muß man mehr glauben als dem Evangelium; was eine Nachtigall singt, und was auf Rosen und Lilien geschrieben steht und was ein Engel in Menschengestalt spricht, das ist lautere Wahrheit, das soll man glauben, dafür soll man leben und sterben und auferstehn. Ja, was ist ein Sokrates und ein Hegel gegen eine kleine Person mit kohlschwarzen Locken, die dir an den Hals springt und dich küßt und darauf flucht mit dem liebenswürdigsten Fluche, daß sie Recht habe, und daß sie Recht behalten wolle, ihr Leben lang?
„Wen Frauen loben, der wird bekannt,
Er hat den Ruhm an seiner Hand,
Dazu seines Herzens Wonne.“
So sagt schon der alte Wolfram von Eschenbach und in der That, Gagern hat alle Aussicht einer der glücklichsten Menschen seiner Zeit zu werden. Gagern ist eine gesunde Erscheinung. Junge Mädchen werden sich schwerlich für ihn begeistern; hübsche Frauen werden ihn stets zu schätzen wissen.
Gagern brachte dann einen Toast auf ein einiges, freies und starkes Deutschland aus. Wiederum bebte der Saal von Applaus. Alle Patrioten und alle Gläser wackelten. Se. Maj. der König erhob sich hierauf zum zweiten Male, und ich muß gestehen, daß ich ihn für einen weit größern Redner als den Jupiter der Paulskirche halte. „Schon zwei Mal,“ sprach der König, „hat man auf die Erfüllung meines schönsten Jugendtraumes, auf ein einiges und starkes Deutschland angestoßen; ich lade Sie jetzt ein, auch auf das Wohl der Werkleute am Baue dieses einigen Deutschlands zu trinken ‒ es leben die anwesenden und abwesenden Mitglieder der National-Versammlung in Frankfurt!“
Der Erzherzog Reichsverweser folgte wieder Sr. Majestät mit einem Toaste auf das Wohlsein der Stadt Köln. Die Beredsamkeit des alten Mannes hatte, wie seine ganze Erscheinung: etwas Rührendes. Der alte Fürst und die alte Stadt ‒ sie grüßten einander wie zwei graue Kirchthürme. Es war als ob der Domkrahnen und der Thurm der Stephanskirche sich umarmt hätten.
Unter den übrigen Rednern fiel mir noch v. Soiron, der Vice-Präsident aus Frankfurt, auf. Ich muß den Mann früher schon einmal gesehen haben. In Brüssel, in Liverpool, in Hamburg ‒ ich weiß es nicht. Aber ich möchte darauf wetten, daß ich ihn schon einmal auf einem Droschkenbock sah; ja, wahrhaftig, ich will mich hängen lassen, Hr. v. Soiron war schon einmal Droschkenkutscher! Ist das nicht derselbe Kutscherbart, dieselbe Kutscherwürde, derselbe Kutscherpathos? Was für eine Nummer hatten Sie Hr. Soiron?
„Hohe Versammlung!“ begann Sancho-Soiron: „Gönnen Sie einem einfachen Manne ein einfaches Wort, ein Wort, das aus dem Herzen kommt. Reichen wir uns die Hände durch alle Gaue des deutschen Vaterlandes, auf daß Brüderlichkeit zwischen uns herrsche bis an die äußersten Gränzen. Hoch lebe die Brüderlichkeit des deutschen Volkes!“
Kann ein patriotischer Kutscher besser sprechen? Hohe Versammlung ‒ einfacher Mann ‒ Händereichen ‒ Gaue des deutschen Vaterlandes ‒ äußerste Gränzen ‒ es lebe die Brüderlichkeit. Wunderschön! Es lebe Sancho, der einfache Mann!
(Fortsetzung folgt.)
Das Dampfschiff Geiser hat 14 Kisten mit 30,000 Loth Silberzeug und einigen Diamanten nach Kopenhagen gebracht, die dem Herzog von Augustenburg gehörten und bei Sonderburg vergraben gefunden wurden. Die Kisten sind an die Bank abgeliefert.
* Christiania, 11. August. Der Storthing hat in seiner gestrigen Sitzung die Vorschläge, daß 1) allen christlichen Sekten freie Religionsübung im Reich gestattet, mit allen Stimmen gegen achte, und 2) daß das Verbot für Juden, das Reich zu betreten, aufgehoben werde, mit 59 gegen 43 Stimmen verworfen. Wieder eine Probe christlich-germanisch-skandinavischer Demokratie!
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(2017-03-20T13:08:10Z)
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(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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