Neue Rheinische Zeitung. Nr. 82. Köln, 22. August 1848.[Deutschland] [Fortsetzung] - Er sagt in seiner Einladung, daß er an Stelle der richterlichen und polizeilichen Gewalt, welche sich als "ohnmächtig erwiesen und der Privatgewalt die Ausübung ihrer Aemter stillschweigend abgetreten hätte," den gesetzmäßigen Zustand zurückführen wolle! - Warum wird von Seiten der Staatsanwaltschaft nicht eben so gegen sie eingeschritten, als gegen diejenigen, die für eine republikanische Verfassung sprechen? Dem Abgeordneten Waldeck, welcher bekanntlich im zweiten hiesigen Wahlbezirke gewählt ist, wurde in der vergangenen Woche von den Urwählern seines Bezirks, als Zeichen ihrer Anerkennung, ein solennes Ständchen gebracht. Diese dem Haupte der Opposition von Berliner Bürgern gewährte Auszeichnung scheint den Finanzminister der That Herrn Hansemann sehr zu wurmen und er konnte es nicht unterlassen einer an ihn abgesandten Deputation der Stadtverordneten, welche, als Grund der noch theilweise herrschenden Nahrungslosigkeit, die Abwesenheit vieler wohlhabenden Familien von hier aufstellte, zu erwiedern: "Wie wollen Sie verlangen, daß das Vertrauen sich wieder belebe, und daß die reichen Leute zurückkehren, wenn man auswärts in den Zeitungen liest, daß Berliner Bürger einem Manne wie Waldeck Ovationen darbringen?" - Nun muß man bedenken, daß der Abgeordnete Waldeck schon bejahrt ist und eine der höchsten Richterstellen des Staats, mit dem Titel eines Geheimen Ober-Tribunal-Raths, bekleidet. Von dem reaktionären Treiben der nächsten Umgebung des Königs erhält man täglich neue Beweise. So erzäht man sich heute, daß der Geheime Cabinetsrath Illaire, der Vorstand des "Cabinets des Königs", viele an denselben gerichteten Briefe und Bittschriften, da er den Auftrag vom König hat Alle ankommenden Schreiben zu erbrechen, demselben nicht vorlegen läßt, wenn ihm dies angemessen scheint. So soll ein höherer, dem Könige persönlich nahe stehender Offizier, in einem an denselben gerichteten Privatschreiben, die Aufnahme einiger Bürgerwehroffiziere in das den Hof nach Cöln geleitende militärische Gefolge als zweckmäßig anempfohlen haben. Es soll sich, da dieser Vorschlag unbeachtet geblieben ist, auf Nachforschung des Verfassers jenes Schreibens herausgestellt haben, daß der Brief sich noch nach der Abreise des Königs unter den, von dem Geh. Cabinetsrath Illaire noch nicht vorgelegten Schriften befindet, demnach zur Kenntniß des Königs gar nicht gelangte, weil der Inhalt wahrscheinlich den Herrn Geh. Cabinetsrath nicht ansprechen mochte, indem sich seine Bestallung aus einer Zeit herschreibt, wo man noch keine Bürgerwehroffiziere kannte. - Müßten aber solche Personen, von einem wirklich constitutionellen Ministerium und nun gar von einem Ministerium der That nicht aus der Nähe des Königs entfernt werden? 15 Berlin, 18. Aug. Was kümmert es das berliner Universitätsgericht, ob durch "allerhöchsten Erlaß" die Karlsbader Beschlüsse aufgehoben sind oder nicht? Ein Universitätsgericht nimmt nur von Gesetzen, welche zur Beschränkung der Freiheit dienen Notiz. Am Abend des 1. August begegnete der stud. med. Carl Meyer einem Haufen Constabler, welche einen Studenten gefangen mit sich schleppten. Er trat auf den Führer der Schutzengel zu und fragte sie ganz bescheiden, was der Gefangene denn verbrochen habe. Diese Frage war zu keck. Auf einen Wink ihres Führers fallen die Constabler über Meyer her und schleppen ihn nach der Wache fort. Nach ungefähr einer Stunde wird er, nachdem er seine Erkennungskarte zwar hatte abgeben müssen, wieder losgelassen. Auf Grund dieses gewaltigen Attentats einer Interpellation an die Herren Constabler wurde Meyer in dieser Woche vor das Universitätsgericht citirt, und ihm eine Rüge wegen Theilnahme an öffentlichen Tumulten zugesteckt. Er lehnte jedoch diese Rüge entschieden von sich ab, indem er erklärte, sich keiner Betheiligung an Tumulten bewußt zu sein. Da zog der wackere Herr Universitätsrichter - Lehnert ist sein Name - folgenden Paragraphen der Karlsbader Beschlüsse hervor: "Studenten, welche sich zur Zeit eines Tumultes oder in größerer Anzahl nach Mitternacht auf der Straße finden lassen, haben die Vermuthung böser Absicht oder eines liederlichen Lebenswandels wider sich; auch darf Niemand sich nach 10 Uhr Abends in einem Wirthshaus antreffen lassen." - Der Umstand, daß dies Gesetz als §. 85, Anhang 37, Nro. 9, Th. II., Tit. 12, dem allgemeinen Landrecht einverleibt ist, kann hier gewiß nicht zur Vertheidigung des Universitätsrichters angeführt werden; es ist klar, daß, wenn jene Bestimmung als solche aufgehoben wurde, diese Aufhebung sich nicht blos auf den Codex der Universitätsgesetze, sondern auch auf das Landrecht bezog. Ein aufgehobenes Gesetz hat keine Gültigkeit mehr, außer - in dem Gehirn eines Universitätsrichters. Genug, Herr Meyer, den Universitätsbehörden schon längst anrüchig, erhielt einen glänzenden Verweis und wurde außerdem bedeutet, daß, da er schon vor mehreren Jahren wegen Theilnahme an verbotenen Verbindungen mit Carcer bestraft worden, und demgemäß das consilium ablundi bereits unterschrieben, er sich in Acht nehmen möge, daß dasselbe nicht bei der ersten Gelegenheit über ihn verhängt werde. Dem neugegründeten Adelsinstitut zu Warschau hat der Kaiser folgende Privilegien ertheilt: 1) Sämmtliche Schüler der Anstalt sind von der Militärpflicht befreit; 2) diejenigen, welche sich während der ganzen Unterrichtszeit die Zufriedenheit ihrer Vorgesetzten erworben haben, erhalten, wenn sie hernach in den Civildienst treten wollen, die vierzehnte Rangklasse; wenn sie in das Militär treten, erhalten sie nach 6 monatlichem Unteroffizierdienst den Offizierrang; 3) Diejenigen, deren Leistungen und Betragen während ihres Aufenthaltes in der Anstalt keinem Tadel unterlag, haben das erste Anrecht zu Universitätsstipendien. In Kalisch sind sämmtliche polnische Schulen noch immer geschlossen; als am 3. August in Posen das polnische Gymnasium eröffnet wurde, faßten die Bewohner von Kalisch wieder Hoffnung und schickten eine Deputation nach Warschau zum Fürsten Paskiewicz, der ihnen denn mittheilen ließ, daß möglicherweise die Schulen bald wieder eröffnet werden könnten! Berlin, 19. August. In den nächsten Wochen steht uns auf dem Criminalgericht eine lange Reihe interessanter Gerichtsverhandlungen bevorgegenden Kaufmann Herold wegen Stiftung von Aufruhr bei Einholung des neunten Regiments, gegen den Schneider Bormann, den Literaten Hopf, den Schneider Igel, den Weinhändler Fähndrich, den Student Fernbach, wegen Majestätsbeleidigung, gegen die Literaten Bettziech und Leid-Brandt wegen desselben Verbrechens und Errergung von Mißvergnügen, gegen Hrn. Löwenberg wegen Beleidigung des Ober-Bürgemeisters Krausnick, gegen mehrere Buchdrucker wegen Theilnahme an diesem Verbrechen, gegen etwa 30 Personen, welche bei dem Zeughaus-Attentat noch betheiligt sind, gegen etwa 10 Personen, welche mit Bezug auf das Zeughaus-Attentat die Wohnung des Majors Benda geplündert haben, gegen mehrere Personen, welche theils im Kastanienwalde, theils bei anderen Gelegenheiten Tumult erregt haben sollen, gegen diejenigen Gefangenen des Arbeitshauses, welche dort vor einiger Zeit einen allgemeinen Ausbruch versucht haben, endlich gegen diejenigen Personen, welche vor einigen Monaten die Streitsche Stiftung im Gymnasium zum grauen Kloster um mehrere tausend Thaler bestohlen haben. Auch gegen Dr. Eichler ist gegenwärtig wegen Widersetzlichkeit gegen die Constabler bei den bekannten Vorfällen unter den Linden die Criminal-Untersuchung eingeleitet worden. (V. Z.) 119 Berlin, 18. Aug. Seit langer Zeit hat die demokratische Partei bei uns kein so erfreuliches Zeichen der Anerkennung aus den Provinzen erhalten, als in diesen Tagen durch die in Striegau erfolgte Wahl des Assessor Schramm zum Deputirten für die Preußische Constituante. Ohne Zweifel war die einzige Empfehlung des Kandidaten, daß er Präsident des demokratischen Klubs, also Demokrat par excellence ist. Wir können nur hoffen, daß er das Vertrauen seiner Wähler zu rechtfertigen suchen wird. Die "Neue Preußische Zeitung" sagt über den Schweidnitzer Vorfall: "Der Kommandant, du Rosey, ist nicht vom Dienst suspendirt, sondern auf sein Ansuchen mit Urlaub versehen worden. Nach derselben Zeitung spricht dies "deutlich" dafür, daß in den Augen Sachkundiger der Kommandant von dem Scheine eines erheblichen Versehens nicht betroffen wird." 103 Berlin, 19. August. Herr Korn der bekanntlich in Folge der Zeughaus-Excesse, wegen Erregung von Aufruhr zu sieben Jahr Festungsstrafe verurtheilt ist, stand heute wieder vor der zweiten Abtheilung des Kriminal-Gerichts, der Majestätsbeleidigung angeklagt. Herr Korn war nämlich mit Herr Löwinson Anfangs Mai d. J. von der Volksversammlung vor den Zelten nach Posen geschickt worden, um über die dortigen Verhältnisse einen wahrheitsgetreuen Bericht zu erstatten. Nach der Zurückkunft von seiner Mission erstattete Herr Korn in einem Plakat seinen Bericht ab, worin der Passus "absolutistischer Dünkel der Hohen-Zollern" enthalten war. Dieser Passus wurde damals dem Staatsanwalt Temme von einem Mitgliede des Preußenvereins denuncirt, der aber keine Majestätsbeleidigung darin erblicken konnte. Der Denunciant appellirte an das Justizministerium, welches die Sache einfach nochmals an den Staatsanwalt zurückwies, der es aber zum zweiten Male abschlug eine Untersuchung einzuleiten. Da aber später Herr Neumann die Staatsanwaltschaft übernahm, machte derselbe auf wiederholtes Dringen des Denuncianten die Klage anhängig. - Die Richter erklärten sich inkompetent, da der Angeklagte schon wegen eines schwereren Vergehens verurtheilt, nach dem Gesetze aber kleinere Vergehen mit dem größeren zusammen abgeurtheilt werden müssen und das kleinere nur als Schärfungsgrund bei der Strafbestimmung des größeren angesehen werden kann. - Die Central-Abtheilung, welche sich schon gegen die Erhöhung der Rübenzucker-Steuer ausgesprochen hat, beschloß in ihrer gestr. Sitzung hinsichtlich der Maisch-Steuer (Spiritus), daß die Erhöhung nach Vorlagen des Finanzministers nur bei den größeren Brauereien den stattfinden solle, die kleineren hingegen nur den bisherigen Steuersatz zahlen sollten. Die Central-Abtheilung giebt als Grund ihres Beschlusses an, daß durch die vorzüglichere Construktion der Brenn-Apparate in den größeren Brennereien, dieselben einen viel höheren Ertrag erzielen als die kleineren. Es frägt aber noch sehr ob dieser Beschluß der Central-Abtheilung die Zustimmung der Plenar-Versammlung erhalten wird, da die adlichen Gutsbesitzer Alles aufbieten um gegen die Vorlagen des Finanzministers zu agitiren. - Der Kongreß der adlichen Gutsbesitzer, welcher von Herrn von Bülow-Commerow unter der Firma: "General-Versammlung zur Wahrung der materiellen Interessen aller Klassen des preußischen Volks" zusammenberufen ist, wurde gestern eröffnet. Es hatten sich dazu etwa 200 Theilnehmer, fast lauter adliche Gutsbesitzer, und darunter viele Marschälle und Mitglieder des früheren vereinigten Landtags, eingefunden. Obgleich einem Jedem gegen ein Eintrittsgeld von einem Thaler, der Zutritt für die Dauer des Kongresses gestattet war, hatten sich doch nur Wenige eingefunden, was auch von den Leitern des Kongresses erwartet wurde, denn diese wollten nur den aristokratischen Grundbesitz repräsentirt sehen, um eine imposante Opposition gegen die Vereinbarer zu bilden. Es liegt in ihrer Absicht sich gewissermaßen als eine erste Kammer zu konstituiren; sie verlangten von dem Ministerium die nöthige Auskunft, und setzten voraus, daß dasselbe seine Räthe in die ferneren Versammlungen senden werde, um da die nöthige Auskunft auch mündlich zu ertheilen!! - Die früheren Minister von Bodelschwingh und Graf Arnim-Boytzenburg nebst vielen Königlichen Landräthen, Hofmarschällen und andren Inhabern hoher Stellen nahmen Theil an dieser ersten Sitzung Bülow-Cummerow beantragte die Errichtung eines großen permanenten Ausschusses zur Abwehr der, den Eingriff in das Eigenthum bezweckenden Maßregeln. Dieser Ausschuß solle mit den gleichartigen Kreisvereinen ununterbrochen in Wechselverkehr bleiben, wobei dem Ausschuße ein "energisches" Einschreiten zur Pflicht gemacht werden muß. Er soll auch einen Unterausschuß zur Prüfung der Lage der Staatsfinanzen, des Ausgabe-Etats und zur kritischen Beleuchtung der Finanzpläne abordnen. Das Material dazu werde wohl das Staatsministerium, welchem man keine weitere Verlegenheiten bereiten wolle, nicht versagen. - Schließlich gedachte er unserer Zeit, "wo Alles reizen will" und mahnte daran, "den Rechtsboden zu vertheidigen," wie der "politischen Debatte fern zu bleiben." 15 Posen, 17. August. In der Provinz Posen feiert das Preußen- und Soldatenthum jetzt in aller Muse sein Sieges-Tedeum. Auf der Citadelle zu Posen dürfen jetzt nur preußische, keine deutsche Fahnen wehen. Die Besatzung der Stadt beträgt jetzt 6000 Mann außer den Husaren und der Artillerie. Die Städte Kurnik und Schrimm, welche befestigt worden sind, haben jede eine Batterie erhalten. Das deutsche Komite ist ganz wüthend, daß die Reorganisation und Demarkation noch immer nicht erfolgt sind. Erst neulich fand wieder eine Volksversammlung im Posener Odeum statt, worin eine Petition an das Preußische Ministerium berathen, und dasselbe zur endlichen Ausführung der Reorganisation und Demarkation gedrängt werden sollte. - Das anstatt des 18. in die Stadt eingerückte 5. Infanterie-Regiment hat bereits herrliche Beweise geliefert, daß es eine allzugroße Pedanterie in der Disciplin für überflüssig hält. Schon sind von vielen Seiten Klagen über grobe Mißhandlungen und Verwundungen, welche die Soldaten ausüben, laut geworden; in den Schenken und Wirthshäusern fallen fortwährend Prügeleien vor. Neulich mußte sich sogar der General Steinäcker selbst in einen Tumult hineinbegeben und konnte nur mit Mühe Frieden stiften. Trotz der Erklärung, welche der General von Brünneck erlassen hat, daß die Provinz sich im schönsten Friedenszustande befinde und deshalb der Belagerungszustand aufgehoben werde, hat der Hauptmann, Freiherr von Grotthusz, wie folgendes Schreiben an den Magistrat von Miloslaw beweist, dennoch die Absicht, den Kriegszustand aufrecht zu erhalten. Wir theilen das Schreiben hier mit: "Einen wohllöbl. Magistrat ersuche ich hiermit ergebenst, der gesammten Einwohnerschaft bekannt zu machen: 1) daß alle Ueberschreitungen der bestehenden polizeilichen Vorschriften und Landesgesetze sofort von mir durch Arretirung der Betreffenden und Ablieferung an die Behörde geahndet werden; 2) daß jeder Einwohner den Schildwachen Folge zu leisten, und des Nachts, wenn er von den Schildwachen angerufen wird, sofort stehen muß und ihnen seinen Namen nennen. Geschieht es nicht, so sind die Schildwachen angewiesen auf den Unfolgsamen zu schießen, um sich seiner zu bemächtigen; 3) daß alle Zusammenrottungen stets unterbleiben müssen, indem die Wachen angewiesen sind, Haufen von 10 und mehr Menschen zu zerstreuen und die Widerspenstigen zu arretiren; 4) daß von Abends 10 Uhr ab jede Schenkwirthschaft geschlossen ist. - Um diese Zeit werden Wirthshäuser und Schenken durch Patrouillen revidirt werden, um das Verbot aufrecht zu erhalten. Einen wohllöbl. Magistrat ersuche ich schließlich noch, dem hiesigen Distriktskommissarius den Punkt 2 mitzutheilen, damit derselbe ihn den unterhabenden Gemeinden bekannt machen kann. Wenn die Bekanntmachung der vier Punkte an die Einwohnerschaft geschehen ist, bitte ich, mich davon zu benachrichtigen. Hauptquartier Miloslaw, den 11. Aug. 1848. Frhr. v. Grotthusz, Hauptmann und Kompagnie-Ehe im 7. Infanterie-Regiment. Magdeburg, 15. August. Der konstitutionelle Club, die Volksversammlung, der Verein der jungen Kaufleute, der Handwerkerein, der Gesellenverein, die Maschinenfabrikarbeiter und die Gesangvereine hatten sich vereinigt, an der Spitze eines Fackelzuges eine Deputation an Se. Maj. den König zu senden, um demselben in einer Ansprache ihre Huldigung darzubringen und ihre Gesinnung auszusprechen. Der von diesen Vereinen erwählten Deputation wurde nach Vorlage der Anrede wegen einiger Stellen derselben vom Ministerpräsidenten v. Auerswald und dem Oberpräsidenten v. Bonin der Zutritt zu Sr. Majestät versagt. Indem wir uns noch einen genaueren Bericht zur Widerlegung unsinnigster Gerüchte vorbehalten, veröffentlichen wir die vom Ministerpräsidenten gestrichenen Stellen. Majestät, wir erkennen die große Macht, welche Gott in dieser großen Zeit in Ihre Hand gelegt hat; in Ihrer Hand liegt zum Theil das Geschick des nach Freiheit ringenden Europa. Von der Gestaltung Preußens wird die Gestaltung Deutschlands abhängen. Ohne Preußens innige Hingebung, ohne Preußens festen und dauernden Anschluß kann Deutschland nicht innig, nicht groß und mächtig sein, mit Preußen wird es die großartigste Macht der Welt. Ew. Majestät Regierung wird Preußen festeren Schrittes, als bis heute geschehen, (statt dieses Satzes sollte gesagt werden: festen Schrittes) fortführen auf der Bahn volksthümlicher Entwicklung. Ew. Majestät kräftiges Wort wird sicher dahin wirken, daß der Gegensatz zwischen Volk und Heer völlig beseitigt werde. (M. Z.)Königsberg, 14. August. Die durch die letzten Vorgänge im Preußenvereine hervorgerufene Aufregung hat ihre Früchte getragen. Die ganze bisher so ruhige Stadt ist wie umgewandelt und - die Sache der deutschen Einheit hat moralisch gesiegt. Das Stockpreußenthum hält sich sterbend durch einige gedungene Arbeiter, die nebenbei in der letzten Sitzung Taschentücher und Börsen stahlen, und durch die Säbel einiger kommandirten Unteroffiziere. Der kommandirende General hat, mit Denunciationen überschüttet und durch die Haltung der Nationalversammlung in der Schweidnitzer Tragödie imponirt, den gemeinen Soldaten jetzt unbedingt das Tragen des Seitengewehrs in Versammlungen verboten, den Offizieren es anheimgestellt, aber befohlen, sogleich die Waffen niederzulegen, sobald die Versammlung es verlange. Vorgestern Nacht betrat nun die Epidemie der Katzenmusiken zunächst unseren Boden; sämmtlichen Stiftern und Koryphäen des Preußenvereins wurden solche gebracht. Mitten unter der musikalischen Menge standen Gensdarmen und Polizeikommissäre ruhig und ohne einzuschreiten. Es haben jedoch schon polizeiliche Untersuchungen begonnen. Am nächsten Abend brachte das Militär allen Märtyrern der Katzenmusiken feierliche Ständchen, wobei "Ich bin ein Preuße" angestimmt wurde. Da das Volk an einigen Orten: "Was ist des Deutschen Vaterland" zu singen begann, so wurde von einem Unteroffiziere mit scharfer Waffe eingehauen. Glücklicherweise entstand keine ernste Collision; die Bürgerwehr trat zu starken Patrouillen zusammen. Der kommandirende General ließ sofort der Militärmusik durch einen Adjudanten den Befehl zukommen, sich zurückzuziehen, und so wollte es denn die Ironie des Schicksals, daß sich bei dem Professor Meier, am botanischen Garten, das nunmehr bloß in Gesang bestehende Ständchen in eine Katzenmusik, demnach die zweite ihm zu Theil werdende, verwandelte. Gestern war die Stadt nunmehr in tiefer Gährung. Da traten 15 Männer zusammen, unter ihnen Dr. Falkson, Ingenieurlieutenant Rüstov und Professor Heinrich, und beriefen zur Verständigung über die deutsche Einheit eine große Volksversammlung. Gestern Nachmittag waren 4-5000 Menschen zu derselben versammelt. Dr. Falkson ward zum Präsidenten erwählt und eine Reihe von Rednern setzte dem Volke in so populärer Weise die hohen Vortheile der deutschen Einheit auseinander, daß dies, in Verbindung mit einer musterhaften Ordnung und Ruhe, der Partei der deutschen Einheit den vollständigsten moralischen Sieg sicherte. Die Begeisterung erhöhte sich, als ein Handwerker aus Kurland, der so eben vom Tann'schen Freikorps entlassen war, der Gesellschaft vorgestellt und mit einem Hoch! begrüßt ward. Bis spät in die Nacht durchzogen singende Volkshaufen und Patrouillen die Straßen; das Militär hatte strengen Befehl nach 9 Uhr in seinem Quatiere zu sein und die Straße zu meiden, und die Korporale hatten die Quatiere zu revidiren. ! Kassel, 17. August. Die Agitation für ein neues Wahlgesetz wächst. Die Provinzialstädte Marburg und Hanau hatten den Impuls gegeben. Petitionen mit Tausenden von Unterschriften laufen bei dem Ministerium des Innern ein, um sofortige Vorlage eines neuen Wahlgesetzes an die Ständekammer. Das ganze Land scheint gemeine Sache zu machen. Da erwachte auch die Hauptstadt aus ihrer Lethargie. Der demokratisch-sozialistische Verein regte in öffentlicher Sitzung die Wahlgesetzangelegenheit an und beschloß, sich mit Männern aller Parteien zur Erlangung eines neuen freisinnigen Wahlgesetzes zu verbinden. Er vereinigte sich sofort mit Mitgliedern des Bürgervereins und des Arbeitervereins. Diese und der demokratische sind die drei politischen Vereine Kassels. Der Bürgerverein hielt es inzwischen nicht für möglich noch bei dem jetzigen Landtag ein neues Wahlgesetz durchzubringen. Zu diesem Glauben hatte er allerdings seine guten Gründe. Er beabsichtigte nur eine Agitation für den zukünftigen Landtag. Aber der Sturm im Lande wuchs. Und so gelang es denn gestern in einer großen Volksversammlung, wie sie hier alle 14 Tage unter einem von 4000 Stimmenden gewählten Volkscomite gehalten werden, den Wortführern der Agitation für sofortige Einführung eines neuen Wahlgesetzes, Dr. Keller, H. Heise und Wallach, die Volksversammlung zur einstimmigen Annahme ihrer Vorschläge zu bewegen. Diese Vorschläge bestanden darin: 1. vom Ministerium Vorlage eines neuen Wahlgesetzes zu verlangen, ohne Zensus, ohne alle Standesunterschiede, mit direkten Wahlen und Herabsetzung der aktiven Wahlfähigkeit auf 25 Jahre. Die andern Städte verlangen blos Volljährigkeit für aktive und passive Wahlfähigkeit Die lieben Kasselaner mögen davon noch Nichts wissen. Außerdem scheint es ihnen sehr bedenklich, daß Städter und Landbewohner (Gewerb und Ackerbau!!) zusammen wählen sollen. Außerdem ist dem Minist. erklärt worden, daß es die Durchsetzung dieses Gesetzes als Frage seiner eignen Existenz betrachten müsse. 2) Eine Petition an die Ständekammer um sofortige einstimmige Annahme eines solchen neuen Wahlgesetzes. 3) Ein Aufruf an's flache Land sich zu betheiligen bei diesen Petitionen und sich der Wahlen zum neuen Landtag einstweilen zu enthalten. Das demokratische Prinzip hat einen großen Sieg erfochten. - Das aus dem Bürgerverein hervorgegangene Wahlkomite wird sich nun wahrscheinlich mit dem aus dem demokratischen und Arbeiter-Verein gewählten Wahlkomite und mit dem Volksrath vereinigen, um gemeinsam alle Schritte zu berathen, ein neues Wahlgesetz in's Leben zu rufen. Alle Parteien haben gemeinsam den ersten Akt der Revolution nur mit Erlangung eines demokratischen Wahlgesetzes für beendigt erklärt. Auf diesem Boden wird dann der zweite Akt beginnen, der parlamentarische Kampf der Parteien für den Sieg ihres politischen Prinzips. Und die Ständeversammlung? Ihr wird unangenehm zu Muthe. Der Dr. Henkel, der Hauptopponent, hat den Moment zu benutzen gewußt; er verlangte in der Sitzung vom 15. ebenfalls ein [Deutschland] [Fortsetzung] ‒ Er sagt in seiner Einladung, daß er an Stelle der richterlichen und polizeilichen Gewalt, welche sich als „ohnmächtig erwiesen und der Privatgewalt die Ausübung ihrer Aemter stillschweigend abgetreten hätte,“ den gesetzmäßigen Zustand zurückführen wolle! ‒ Warum wird von Seiten der Staatsanwaltschaft nicht eben so gegen sie eingeschritten, als gegen diejenigen, die für eine republikanische Verfassung sprechen? Dem Abgeordneten Waldeck, welcher bekanntlich im zweiten hiesigen Wahlbezirke gewählt ist, wurde in der vergangenen Woche von den Urwählern seines Bezirks, als Zeichen ihrer Anerkennung, ein solennes Ständchen gebracht. Diese dem Haupte der Opposition von Berliner Bürgern gewährte Auszeichnung scheint den Finanzminister der That Herrn Hansemann sehr zu wurmen und er konnte es nicht unterlassen einer an ihn abgesandten Deputation der Stadtverordneten, welche, als Grund der noch theilweise herrschenden Nahrungslosigkeit, die Abwesenheit vieler wohlhabenden Familien von hier aufstellte, zu erwiedern: „Wie wollen Sie verlangen, daß das Vertrauen sich wieder belebe, und daß die reichen Leute zurückkehren, wenn man auswärts in den Zeitungen liest, daß Berliner Bürger einem Manne wie Waldeck Ovationen darbringen?“ ‒ Nun muß man bedenken, daß der Abgeordnete Waldeck schon bejahrt ist und eine der höchsten Richterstellen des Staats, mit dem Titel eines Geheimen Ober-Tribunal-Raths, bekleidet. Von dem reaktionären Treiben der nächsten Umgebung des Königs erhält man täglich neue Beweise. So erzäht man sich heute, daß der Geheime Cabinetsrath Illaire, der Vorstand des „Cabinets des Königs“, viele an denselben gerichteten Briefe und Bittschriften, da er den Auftrag vom König hat Alle ankommenden Schreiben zu erbrechen, demselben nicht vorlegen läßt, wenn ihm dies angemessen scheint. So soll ein höherer, dem Könige persönlich nahe stehender Offizier, in einem an denselben gerichteten Privatschreiben, die Aufnahme einiger Bürgerwehroffiziere in das den Hof nach Cöln geleitende militärische Gefolge als zweckmäßig anempfohlen haben. Es soll sich, da dieser Vorschlag unbeachtet geblieben ist, auf Nachforschung des Verfassers jenes Schreibens herausgestellt haben, daß der Brief sich noch nach der Abreise des Königs unter den, von dem Geh. Cabinetsrath Illaire noch nicht vorgelegten Schriften befindet, demnach zur Kenntniß des Königs gar nicht gelangte, weil der Inhalt wahrscheinlich den Herrn Geh. Cabinetsrath nicht ansprechen mochte, indem sich seine Bestallung aus einer Zeit herschreibt, wo man noch keine Bürgerwehroffiziere kannte. ‒ Müßten aber solche Personen, von einem wirklich constitutionellen Ministerium und nun gar von einem Ministerium der That nicht aus der Nähe des Königs entfernt werden? 15 Berlin, 18. Aug. Was kümmert es das berliner Universitätsgericht, ob durch „allerhöchsten Erlaß“ die Karlsbader Beschlüsse aufgehoben sind oder nicht? Ein Universitätsgericht nimmt nur von Gesetzen, welche zur Beschränkung der Freiheit dienen Notiz. Am Abend des 1. August begegnete der stud. med. Carl Meyer einem Haufen Constabler, welche einen Studenten gefangen mit sich schleppten. Er trat auf den Führer der Schutzengel zu und fragte sie ganz bescheiden, was der Gefangene denn verbrochen habe. Diese Frage war zu keck. Auf einen Wink ihres Führers fallen die Constabler über Meyer her und schleppen ihn nach der Wache fort. Nach ungefähr einer Stunde wird er, nachdem er seine Erkennungskarte zwar hatte abgeben müssen, wieder losgelassen. Auf Grund dieses gewaltigen Attentats einer Interpellation an die Herren Constabler wurde Meyer in dieser Woche vor das Universitätsgericht citirt, und ihm eine Rüge wegen Theilnahme an öffentlichen Tumulten zugesteckt. Er lehnte jedoch diese Rüge entschieden von sich ab, indem er erklärte, sich keiner Betheiligung an Tumulten bewußt zu sein. Da zog der wackere Herr Universitätsrichter ‒ Lehnert ist sein Name ‒ folgenden Paragraphen der Karlsbader Beschlüsse hervor: „Studenten, welche sich zur Zeit eines Tumultes oder in größerer Anzahl nach Mitternacht auf der Straße finden lassen, haben die Vermuthung böser Absicht oder eines liederlichen Lebenswandels wider sich; auch darf Niemand sich nach 10 Uhr Abends in einem Wirthshaus antreffen lassen.“ ‒ Der Umstand, daß dies Gesetz als §. 85, Anhang 37, Nro. 9, Th. II., Tit. 12, dem allgemeinen Landrecht einverleibt ist, kann hier gewiß nicht zur Vertheidigung des Universitätsrichters angeführt werden; es ist klar, daß, wenn jene Bestimmung als solche aufgehoben wurde, diese Aufhebung sich nicht blos auf den Codex der Universitätsgesetze, sondern auch auf das Landrecht bezog. Ein aufgehobenes Gesetz hat keine Gültigkeit mehr, außer ‒ in dem Gehirn eines Universitätsrichters. Genug, Herr Meyer, den Universitätsbehörden schon längst anrüchig, erhielt einen glänzenden Verweis und wurde außerdem bedeutet, daß, da er schon vor mehreren Jahren wegen Theilnahme an verbotenen Verbindungen mit Carcer bestraft worden, und demgemäß das consilium ablundi bereits unterschrieben, er sich in Acht nehmen möge, daß dasselbe nicht bei der ersten Gelegenheit über ihn verhängt werde. Dem neugegründeten Adelsinstitut zu Warschau hat der Kaiser folgende Privilegien ertheilt: 1) Sämmtliche Schüler der Anstalt sind von der Militärpflicht befreit; 2) diejenigen, welche sich während der ganzen Unterrichtszeit die Zufriedenheit ihrer Vorgesetzten erworben haben, erhalten, wenn sie hernach in den Civildienst treten wollen, die vierzehnte Rangklasse; wenn sie in das Militär treten, erhalten sie nach 6 monatlichem Unteroffizierdienst den Offizierrang; 3) Diejenigen, deren Leistungen und Betragen während ihres Aufenthaltes in der Anstalt keinem Tadel unterlag, haben das erste Anrecht zu Universitätsstipendien. In Kalisch sind sämmtliche polnische Schulen noch immer geschlossen; als am 3. August in Posen das polnische Gymnasium eröffnet wurde, faßten die Bewohner von Kalisch wieder Hoffnung und schickten eine Deputation nach Warschau zum Fürsten Paskiewicz, der ihnen denn mittheilen ließ, daß möglicherweise die Schulen bald wieder eröffnet werden könnten! Berlin, 19. August. In den nächsten Wochen steht uns auf dem Criminalgericht eine lange Reihe interessanter Gerichtsverhandlungen bevorgegenden Kaufmann Herold wegen Stiftung von Aufruhr bei Einholung des neunten Regiments, gegen den Schneider Bormann, den Literaten Hopf, den Schneider Igel, den Weinhändler Fähndrich, den Student Fernbach, wegen Majestätsbeleidigung, gegen die Literaten Bettziech und Leid-Brandt wegen desselben Verbrechens und Errergung von Mißvergnügen, gegen Hrn. Löwenberg wegen Beleidigung des Ober-Bürgemeisters Krausnick, gegen mehrere Buchdrucker wegen Theilnahme an diesem Verbrechen, gegen etwa 30 Personen, welche bei dem Zeughaus-Attentat noch betheiligt sind, gegen etwa 10 Personen, welche mit Bezug auf das Zeughaus-Attentat die Wohnung des Majors Benda geplündert haben, gegen mehrere Personen, welche theils im Kastanienwalde, theils bei anderen Gelegenheiten Tumult erregt haben sollen, gegen diejenigen Gefangenen des Arbeitshauses, welche dort vor einiger Zeit einen allgemeinen Ausbruch versucht haben, endlich gegen diejenigen Personen, welche vor einigen Monaten die Streitsche Stiftung im Gymnasium zum grauen Kloster um mehrere tausend Thaler bestohlen haben. Auch gegen Dr. Eichler ist gegenwärtig wegen Widersetzlichkeit gegen die Constabler bei den bekannten Vorfällen unter den Linden die Criminal-Untersuchung eingeleitet worden. (V. Z.) 119 Berlin, 18. Aug. Seit langer Zeit hat die demokratische Partei bei uns kein so erfreuliches Zeichen der Anerkennung aus den Provinzen erhalten, als in diesen Tagen durch die in Striegau erfolgte Wahl des Assessor Schramm zum Deputirten für die Preußische Constituante. Ohne Zweifel war die einzige Empfehlung des Kandidaten, daß er Präsident des demokratischen Klubs, also Demokrat par excellence ist. Wir können nur hoffen, daß er das Vertrauen seiner Wähler zu rechtfertigen suchen wird. Die „Neue Preußische Zeitung“ sagt über den Schweidnitzer Vorfall: „Der Kommandant, du Rosey, ist nicht vom Dienst suspendirt, sondern auf sein Ansuchen mit Urlaub versehen worden. Nach derselben Zeitung spricht dies „deutlich“ dafür, daß in den Augen Sachkundiger der Kommandant von dem Scheine eines erheblichen Versehens nicht betroffen wird.“ 103 Berlin, 19. August. Herr Korn der bekanntlich in Folge der Zeughaus-Excesse, wegen Erregung von Aufruhr zu sieben Jahr Festungsstrafe verurtheilt ist, stand heute wieder vor der zweiten Abtheilung des Kriminal-Gerichts, der Majestätsbeleidigung angeklagt. Herr Korn war nämlich mit Herr Löwinson Anfangs Mai d. J. von der Volksversammlung vor den Zelten nach Posen geschickt worden, um über die dortigen Verhältnisse einen wahrheitsgetreuen Bericht zu erstatten. Nach der Zurückkunft von seiner Mission erstattete Herr Korn in einem Plakat seinen Bericht ab, worin der Passus „absolutistischer Dünkel der Hohen-Zollern“ enthalten war. Dieser Passus wurde damals dem Staatsanwalt Temme von einem Mitgliede des Preußenvereins denuncirt, der aber keine Majestätsbeleidigung darin erblicken konnte. Der Denunciant appellirte an das Justizministerium, welches die Sache einfach nochmals an den Staatsanwalt zurückwies, der es aber zum zweiten Male abschlug eine Untersuchung einzuleiten. Da aber später Herr Neumann die Staatsanwaltschaft übernahm, machte derselbe auf wiederholtes Dringen des Denuncianten die Klage anhängig. ‒ Die Richter erklärten sich inkompetent, da der Angeklagte schon wegen eines schwereren Vergehens verurtheilt, nach dem Gesetze aber kleinere Vergehen mit dem größeren zusammen abgeurtheilt werden müssen und das kleinere nur als Schärfungsgrund bei der Strafbestimmung des größeren angesehen werden kann. ‒ Die Central-Abtheilung, welche sich schon gegen die Erhöhung der Rübenzucker-Steuer ausgesprochen hat, beschloß in ihrer gestr. Sitzung hinsichtlich der Maisch-Steuer (Spiritus), daß die Erhöhung nach Vorlagen des Finanzministers nur bei den größeren Brauereien den stattfinden solle, die kleineren hingegen nur den bisherigen Steuersatz zahlen sollten. Die Central-Abtheilung giebt als Grund ihres Beschlusses an, daß durch die vorzüglichere Construktion der Brenn-Apparate in den größeren Brennereien, dieselben einen viel höheren Ertrag erzielen als die kleineren. Es frägt aber noch sehr ob dieser Beschluß der Central-Abtheilung die Zustimmung der Plenar-Versammlung erhalten wird, da die adlichen Gutsbesitzer Alles aufbieten um gegen die Vorlagen des Finanzministers zu agitiren. ‒ Der Kongreß der adlichen Gutsbesitzer, welcher von Herrn von Bülow-Commerow unter der Firma: „General-Versammlung zur Wahrung der materiellen Interessen aller Klassen des preußischen Volks“ zusammenberufen ist, wurde gestern eröffnet. Es hatten sich dazu etwa 200 Theilnehmer, fast lauter adliche Gutsbesitzer, und darunter viele Marschälle und Mitglieder des früheren vereinigten Landtags, eingefunden. Obgleich einem Jedem gegen ein Eintrittsgeld von einem Thaler, der Zutritt für die Dauer des Kongresses gestattet war, hatten sich doch nur Wenige eingefunden, was auch von den Leitern des Kongresses erwartet wurde, denn diese wollten nur den aristokratischen Grundbesitz repräsentirt sehen, um eine imposante Opposition gegen die Vereinbarer zu bilden. Es liegt in ihrer Absicht sich gewissermaßen als eine erste Kammer zu konstituiren; sie verlangten von dem Ministerium die nöthige Auskunft, und setzten voraus, daß dasselbe seine Räthe in die ferneren Versammlungen senden werde, um da die nöthige Auskunft auch mündlich zu ertheilen!! ‒ Die früheren Minister von Bodelschwingh und Graf Arnim-Boytzenburg nebst vielen Königlichen Landräthen, Hofmarschällen und andren Inhabern hoher Stellen nahmen Theil an dieser ersten Sitzung Bülow-Cummerow beantragte die Errichtung eines großen permanenten Ausschusses zur Abwehr der, den Eingriff in das Eigenthum bezweckenden Maßregeln. Dieser Ausschuß solle mit den gleichartigen Kreisvereinen ununterbrochen in Wechselverkehr bleiben, wobei dem Ausschuße ein „energisches“ Einschreiten zur Pflicht gemacht werden muß. Er soll auch einen Unterausschuß zur Prüfung der Lage der Staatsfinanzen, des Ausgabe-Etats und zur kritischen Beleuchtung der Finanzpläne abordnen. Das Material dazu werde wohl das Staatsministerium, welchem man keine weitere Verlegenheiten bereiten wolle, nicht versagen. ‒ Schließlich gedachte er unserer Zeit, „wo Alles reizen will“ und mahnte daran, „den Rechtsboden zu vertheidigen,“ wie der „politischen Debatte fern zu bleiben.“ 15 Posen, 17. August. In der Provinz Posen feiert das Preußen- und Soldatenthum jetzt in aller Muse sein Sieges-Tedeum. Auf der Citadelle zu Posen dürfen jetzt nur preußische, keine deutsche Fahnen wehen. Die Besatzung der Stadt beträgt jetzt 6000 Mann außer den Husaren und der Artillerie. Die Städte Kurnik und Schrimm, welche befestigt worden sind, haben jede eine Batterie erhalten. Das deutsche Komite ist ganz wüthend, daß die Reorganisation und Demarkation noch immer nicht erfolgt sind. Erst neulich fand wieder eine Volksversammlung im Posener Odeum statt, worin eine Petition an das Preußische Ministerium berathen, und dasselbe zur endlichen Ausführung der Reorganisation und Demarkation gedrängt werden sollte. ‒ Das anstatt des 18. in die Stadt eingerückte 5. Infanterie-Regiment hat bereits herrliche Beweise geliefert, daß es eine allzugroße Pedanterie in der Disciplin für überflüssig hält. Schon sind von vielen Seiten Klagen über grobe Mißhandlungen und Verwundungen, welche die Soldaten ausüben, laut geworden; in den Schenken und Wirthshäusern fallen fortwährend Prügeleien vor. Neulich mußte sich sogar der General Steinäcker selbst in einen Tumult hineinbegeben und konnte nur mit Mühe Frieden stiften. Trotz der Erklärung, welche der General von Brünneck erlassen hat, daß die Provinz sich im schönsten Friedenszustande befinde und deshalb der Belagerungszustand aufgehoben werde, hat der Hauptmann, Freiherr von Grotthusz, wie folgendes Schreiben an den Magistrat von Miloslaw beweist, dennoch die Absicht, den Kriegszustand aufrecht zu erhalten. Wir theilen das Schreiben hier mit: „Einen wohllöbl. Magistrat ersuche ich hiermit ergebenst, der gesammten Einwohnerschaft bekannt zu machen: 1) daß alle Ueberschreitungen der bestehenden polizeilichen Vorschriften und Landesgesetze sofort von mir durch Arretirung der Betreffenden und Ablieferung an die Behörde geahndet werden; 2) daß jeder Einwohner den Schildwachen Folge zu leisten, und des Nachts, wenn er von den Schildwachen angerufen wird, sofort stehen muß und ihnen seinen Namen nennen. Geschieht es nicht, so sind die Schildwachen angewiesen auf den Unfolgsamen zu schießen, um sich seiner zu bemächtigen; 3) daß alle Zusammenrottungen stets unterbleiben müssen, indem die Wachen angewiesen sind, Haufen von 10 und mehr Menschen zu zerstreuen und die Widerspenstigen zu arretiren; 4) daß von Abends 10 Uhr ab jede Schenkwirthschaft geschlossen ist. ‒ Um diese Zeit werden Wirthshäuser und Schenken durch Patrouillen revidirt werden, um das Verbot aufrecht zu erhalten. Einen wohllöbl. Magistrat ersuche ich schließlich noch, dem hiesigen Distriktskommissarius den Punkt 2 mitzutheilen, damit derselbe ihn den unterhabenden Gemeinden bekannt machen kann. Wenn die Bekanntmachung der vier Punkte an die Einwohnerschaft geschehen ist, bitte ich, mich davon zu benachrichtigen. Hauptquartier Miloslaw, den 11. Aug. 1848. Frhr. v. Grotthusz, Hauptmann und Kompagnie-Ehe im 7. Infanterie-Regiment. Magdeburg, 15. August. Der konstitutionelle Club, die Volksversammlung, der Verein der jungen Kaufleute, der Handwerkerein, der Gesellenverein, die Maschinenfabrikarbeiter und die Gesangvereine hatten sich vereinigt, an der Spitze eines Fackelzuges eine Deputation an Se. Maj. den König zu senden, um demselben in einer Ansprache ihre Huldigung darzubringen und ihre Gesinnung auszusprechen. Der von diesen Vereinen erwählten Deputation wurde nach Vorlage der Anrede wegen einiger Stellen derselben vom Ministerpräsidenten v. Auerswald und dem Oberpräsidenten v. Bonin der Zutritt zu Sr. Majestät versagt. Indem wir uns noch einen genaueren Bericht zur Widerlegung unsinnigster Gerüchte vorbehalten, veröffentlichen wir die vom Ministerpräsidenten gestrichenen Stellen. Majestät, wir erkennen die große Macht, welche Gott in dieser großen Zeit in Ihre Hand gelegt hat; in Ihrer Hand liegt zum Theil das Geschick des nach Freiheit ringenden Europa. Von der Gestaltung Preußens wird die Gestaltung Deutschlands abhängen. Ohne Preußens innige Hingebung, ohne Preußens festen und dauernden Anschluß kann Deutschland nicht innig, nicht groß und mächtig sein, mit Preußen wird es die großartigste Macht der Welt. Ew. Majestät Regierung wird Preußen festeren Schrittes, als bis heute geschehen, (statt dieses Satzes sollte gesagt werden: festen Schrittes) fortführen auf der Bahn volksthümlicher Entwicklung. Ew. Majestät kräftiges Wort wird sicher dahin wirken, daß der Gegensatz zwischen Volk und Heer völlig beseitigt werde. (M. Z.)Königsberg, 14. August. Die durch die letzten Vorgänge im Preußenvereine hervorgerufene Aufregung hat ihre Früchte getragen. Die ganze bisher so ruhige Stadt ist wie umgewandelt und ‒ die Sache der deutschen Einheit hat moralisch gesiegt. Das Stockpreußenthum hält sich sterbend durch einige gedungene Arbeiter, die nebenbei in der letzten Sitzung Taschentücher und Börsen stahlen, und durch die Säbel einiger kommandirten Unteroffiziere. Der kommandirende General hat, mit Denunciationen überschüttet und durch die Haltung der Nationalversammlung in der Schweidnitzer Tragödie imponirt, den gemeinen Soldaten jetzt unbedingt das Tragen des Seitengewehrs in Versammlungen verboten, den Offizieren es anheimgestellt, aber befohlen, sogleich die Waffen niederzulegen, sobald die Versammlung es verlange. Vorgestern Nacht betrat nun die Epidemie der Katzenmusiken zunächst unseren Boden; sämmtlichen Stiftern und Koryphäen des Preußenvereins wurden solche gebracht. Mitten unter der musikalischen Menge standen Gensdarmen und Polizeikommissäre ruhig und ohne einzuschreiten. Es haben jedoch schon polizeiliche Untersuchungen begonnen. Am nächsten Abend brachte das Militär allen Märtyrern der Katzenmusiken feierliche Ständchen, wobei „Ich bin ein Preuße“ angestimmt wurde. Da das Volk an einigen Orten: „Was ist des Deutschen Vaterland“ zu singen begann, so wurde von einem Unteroffiziere mit scharfer Waffe eingehauen. Glücklicherweise entstand keine ernste Collision; die Bürgerwehr trat zu starken Patrouillen zusammen. Der kommandirende General ließ sofort der Militärmusik durch einen Adjudanten den Befehl zukommen, sich zurückzuziehen, und so wollte es denn die Ironie des Schicksals, daß sich bei dem Professor Meier, am botanischen Garten, das nunmehr bloß in Gesang bestehende Ständchen in eine Katzenmusik, demnach die zweite ihm zu Theil werdende, verwandelte. Gestern war die Stadt nunmehr in tiefer Gährung. Da traten 15 Männer zusammen, unter ihnen Dr. Falkson, Ingenieurlieutenant Rüstov und Professor Heinrich, und beriefen zur Verständigung über die deutsche Einheit eine große Volksversammlung. Gestern Nachmittag waren 4-5000 Menschen zu derselben versammelt. Dr. Falkson ward zum Präsidenten erwählt und eine Reihe von Rednern setzte dem Volke in so populärer Weise die hohen Vortheile der deutschen Einheit auseinander, daß dies, in Verbindung mit einer musterhaften Ordnung und Ruhe, der Partei der deutschen Einheit den vollständigsten moralischen Sieg sicherte. Die Begeisterung erhöhte sich, als ein Handwerker aus Kurland, der so eben vom Tann'schen Freikorps entlassen war, der Gesellschaft vorgestellt und mit einem Hoch! begrüßt ward. Bis spät in die Nacht durchzogen singende Volkshaufen und Patrouillen die Straßen; das Militär hatte strengen Befehl nach 9 Uhr in seinem Quatiere zu sein und die Straße zu meiden, und die Korporale hatten die Quatiere zu revidiren. ! Kassel, 17. August. Die Agitation für ein neues Wahlgesetz wächst. Die Provinzialstädte Marburg und Hanau hatten den Impuls gegeben. Petitionen mit Tausenden von Unterschriften laufen bei dem Ministerium des Innern ein, um sofortige Vorlage eines neuen Wahlgesetzes an die Ständekammer. Das ganze Land scheint gemeine Sache zu machen. Da erwachte auch die Hauptstadt aus ihrer Lethargie. Der demokratisch-sozialistische Verein regte in öffentlicher Sitzung die Wahlgesetzangelegenheit an und beschloß, sich mit Männern aller Parteien zur Erlangung eines neuen freisinnigen Wahlgesetzes zu verbinden. Er vereinigte sich sofort mit Mitgliedern des Bürgervereins und des Arbeitervereins. Diese und der demokratische sind die drei politischen Vereine Kassels. Der Bürgerverein hielt es inzwischen nicht für möglich noch bei dem jetzigen Landtag ein neues Wahlgesetz durchzubringen. Zu diesem Glauben hatte er allerdings seine guten Gründe. Er beabsichtigte nur eine Agitation für den zukünftigen Landtag. Aber der Sturm im Lande wuchs. Und so gelang es denn gestern in einer großen Volksversammlung, wie sie hier alle 14 Tage unter einem von 4000 Stimmenden gewählten Volkscomité gehalten werden, den Wortführern der Agitation für sofortige Einführung eines neuen Wahlgesetzes, Dr. Keller, H. Heise und Wallach, die Volksversammlung zur einstimmigen Annahme ihrer Vorschläge zu bewegen. Diese Vorschläge bestanden darin: 1. vom Ministerium Vorlage eines neuen Wahlgesetzes zu verlangen, ohne Zensus, ohne alle Standesunterschiede, mit direkten Wahlen und Herabsetzung der aktiven Wahlfähigkeit auf 25 Jahre. Die andern Städte verlangen blos Volljährigkeit für aktive und passive Wahlfähigkeit Die lieben Kasselaner mögen davon noch Nichts wissen. Außerdem scheint es ihnen sehr bedenklich, daß Städter und Landbewohner (Gewerb und Ackerbau!!) zusammen wählen sollen. Außerdem ist dem Minist. erklärt worden, daß es die Durchsetzung dieses Gesetzes als Frage seiner eignen Existenz betrachten müsse. 2) Eine Petition an die Ständekammer um sofortige einstimmige Annahme eines solchen neuen Wahlgesetzes. 3) Ein Aufruf an's flache Land sich zu betheiligen bei diesen Petitionen und sich der Wahlen zum neuen Landtag einstweilen zu enthalten. Das demokratische Prinzip hat einen großen Sieg erfochten. ‒ Das aus dem Bürgerverein hervorgegangene Wahlkomite wird sich nun wahrscheinlich mit dem aus dem demokratischen und Arbeiter-Verein gewählten Wahlkomite und mit dem Volksrath vereinigen, um gemeinsam alle Schritte zu berathen, ein neues Wahlgesetz in's Leben zu rufen. Alle Parteien haben gemeinsam den ersten Akt der Revolution nur mit Erlangung eines demokratischen Wahlgesetzes für beendigt erklärt. Auf diesem Boden wird dann der zweite Akt beginnen, der parlamentarische Kampf der Parteien für den Sieg ihres politischen Prinzips. Und die Ständeversammlung? Ihr wird unangenehm zu Muthe. Der Dr. Henkel, der Hauptopponent, hat den Moment zu benutzen gewußt; er verlangte in der Sitzung vom 15. ebenfalls ein <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0003" n="0415"/> <div n="1"> <head>[Deutschland]</head> <div xml:id="ar082_009" type="jArticle"> <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> ‒ Er sagt in seiner Einladung, daß er <hi rendition="#g">an Stelle</hi> der richterlichen und polizeilichen Gewalt, welche sich als „ohnmächtig erwiesen und der Privatgewalt die Ausübung ihrer Aemter stillschweigend abgetreten hätte,“ den gesetzmäßigen Zustand zurückführen wolle! ‒ Warum wird von Seiten der Staatsanwaltschaft nicht eben so gegen sie eingeschritten, als gegen diejenigen, die für eine republikanische Verfassung sprechen?</p> <p>Dem Abgeordneten <hi rendition="#g">Waldeck,</hi> welcher bekanntlich im zweiten hiesigen Wahlbezirke gewählt ist, wurde in der vergangenen Woche von den Urwählern seines Bezirks, als Zeichen ihrer Anerkennung, ein solennes Ständchen gebracht. Diese dem Haupte der Opposition von Berliner Bürgern gewährte Auszeichnung scheint den Finanzminister der That Herrn <hi rendition="#g">Hansemann</hi> sehr zu wurmen und er konnte es nicht unterlassen einer an ihn abgesandten Deputation der Stadtverordneten, welche, als Grund der noch theilweise herrschenden Nahrungslosigkeit, die Abwesenheit vieler wohlhabenden Familien von hier aufstellte, zu erwiedern: „Wie wollen Sie verlangen, daß das Vertrauen sich wieder belebe, und daß die reichen Leute zurückkehren, wenn man auswärts in den Zeitungen liest, daß Berliner Bürger einem Manne wie Waldeck Ovationen darbringen?“ ‒ Nun muß man bedenken, daß der Abgeordnete Waldeck schon bejahrt ist und eine der höchsten Richterstellen des Staats, mit dem Titel eines Geheimen Ober-Tribunal-Raths, bekleidet.</p> <p>Von dem reaktionären Treiben der nächsten Umgebung des Königs erhält man täglich neue Beweise. So erzäht man sich heute, daß der Geheime Cabinetsrath Illaire, der Vorstand des „Cabinets des Königs“, viele an denselben gerichteten Briefe und Bittschriften, da er den Auftrag vom König hat Alle ankommenden Schreiben zu erbrechen, demselben nicht vorlegen läßt, wenn ihm dies angemessen scheint. So soll ein höherer, dem Könige persönlich nahe stehender Offizier, in einem an denselben gerichteten Privatschreiben, die Aufnahme einiger Bürgerwehroffiziere in das den Hof nach Cöln geleitende militärische Gefolge als zweckmäßig anempfohlen haben. Es soll sich, da dieser Vorschlag unbeachtet geblieben ist, auf Nachforschung des Verfassers jenes Schreibens herausgestellt haben, daß der Brief sich noch nach der Abreise des Königs unter den, von dem Geh. Cabinetsrath <hi rendition="#g">Illaire</hi> noch nicht vorgelegten Schriften befindet, demnach zur Kenntniß des Königs gar nicht gelangte, weil der Inhalt wahrscheinlich den Herrn Geh. Cabinetsrath nicht ansprechen mochte, indem sich seine Bestallung aus einer Zeit herschreibt, wo man noch keine Bürgerwehroffiziere kannte. ‒ Müßten aber solche Personen, von einem wirklich constitutionellen Ministerium und nun gar von einem Ministerium der That nicht aus der Nähe des Königs entfernt werden?</p> </div> <div xml:id="ar082_010" type="jArticle"> <head><bibl><author>15</author></bibl> Berlin, 18. Aug.</head> <p>Was kümmert es das berliner Universitätsgericht, ob durch „allerhöchsten Erlaß“ die Karlsbader Beschlüsse aufgehoben sind oder nicht? Ein Universitätsgericht nimmt nur von Gesetzen, welche zur Beschränkung der Freiheit dienen Notiz. Am Abend des 1. August begegnete der stud. med. <hi rendition="#g">Carl Meyer</hi> einem Haufen Constabler, welche einen Studenten gefangen mit sich schleppten. Er trat auf den Führer der Schutzengel zu und fragte sie ganz bescheiden, was der Gefangene denn verbrochen habe. Diese Frage war zu keck. Auf einen Wink ihres Führers fallen die Constabler über Meyer her und schleppen ihn nach der Wache fort. Nach ungefähr einer Stunde wird er, nachdem er seine Erkennungskarte zwar hatte abgeben müssen, wieder losgelassen. Auf Grund dieses gewaltigen Attentats einer Interpellation an die Herren Constabler wurde Meyer in dieser Woche vor das Universitätsgericht citirt, und ihm eine Rüge wegen Theilnahme an öffentlichen Tumulten zugesteckt. Er lehnte jedoch diese Rüge entschieden von sich ab, indem er erklärte, sich keiner Betheiligung an Tumulten bewußt zu sein. Da zog der wackere Herr Universitätsrichter ‒ Lehnert ist sein Name ‒ folgenden Paragraphen der Karlsbader Beschlüsse hervor: „Studenten, welche sich zur Zeit eines Tumultes oder in größerer Anzahl nach Mitternacht auf der Straße finden lassen, haben die Vermuthung böser Absicht oder eines liederlichen Lebenswandels wider sich; auch darf Niemand sich nach 10 Uhr Abends in einem Wirthshaus antreffen lassen.“ ‒ Der Umstand, daß dies Gesetz als §. 85, Anhang 37, Nro. 9, Th. II., Tit. 12, dem allgemeinen Landrecht einverleibt ist, kann hier gewiß nicht zur Vertheidigung des Universitätsrichters angeführt werden; es ist klar, daß, wenn jene Bestimmung als solche aufgehoben wurde, diese Aufhebung sich nicht blos auf den Codex der Universitätsgesetze, sondern auch auf das Landrecht bezog. Ein aufgehobenes Gesetz hat keine Gültigkeit mehr, außer ‒ in dem Gehirn eines Universitätsrichters. Genug, Herr Meyer, den Universitätsbehörden schon längst anrüchig, erhielt einen glänzenden Verweis und wurde außerdem bedeutet, daß, da er schon vor mehreren Jahren wegen Theilnahme an verbotenen Verbindungen mit Carcer bestraft worden, und demgemäß das consilium ablundi bereits unterschrieben, er sich in Acht nehmen möge, daß dasselbe nicht bei der ersten Gelegenheit über ihn verhängt werde.</p> <p>Dem neugegründeten Adelsinstitut zu Warschau hat der Kaiser folgende Privilegien ertheilt: 1) Sämmtliche Schüler der Anstalt sind von der Militärpflicht befreit; 2) diejenigen, welche sich während der ganzen Unterrichtszeit die Zufriedenheit ihrer Vorgesetzten erworben haben, erhalten, wenn sie hernach in den Civildienst treten wollen, die vierzehnte Rangklasse; wenn sie in das Militär treten, erhalten sie nach 6 monatlichem Unteroffizierdienst den Offizierrang; 3) Diejenigen, deren Leistungen und Betragen während ihres Aufenthaltes in der Anstalt keinem Tadel unterlag, haben das erste Anrecht zu Universitätsstipendien.</p> <p>In Kalisch sind sämmtliche polnische Schulen noch immer geschlossen; als am 3. August in Posen das polnische Gymnasium eröffnet wurde, faßten die Bewohner von Kalisch wieder Hoffnung und schickten eine Deputation nach Warschau zum Fürsten Paskiewicz, der ihnen denn mittheilen ließ, daß möglicherweise die Schulen bald wieder eröffnet werden könnten!</p> </div> <div xml:id="ar082_011" type="jArticle"> <head>Berlin, 19. August.</head> <p>In den nächsten Wochen steht uns auf dem Criminalgericht eine lange Reihe interessanter Gerichtsverhandlungen bevorgegenden Kaufmann Herold wegen Stiftung von Aufruhr bei Einholung des neunten Regiments, gegen den Schneider Bormann, den Literaten Hopf, den Schneider Igel, den Weinhändler Fähndrich, den Student Fernbach, wegen Majestätsbeleidigung, gegen die Literaten Bettziech und Leid-Brandt wegen desselben Verbrechens und Errergung von Mißvergnügen, gegen Hrn. Löwenberg wegen Beleidigung des Ober-Bürgemeisters Krausnick, gegen mehrere Buchdrucker wegen Theilnahme an diesem Verbrechen, gegen etwa 30 Personen, welche bei dem Zeughaus-Attentat noch betheiligt sind, gegen etwa 10 Personen, welche mit Bezug auf das Zeughaus-Attentat die Wohnung des Majors Benda geplündert haben, gegen mehrere Personen, welche theils im Kastanienwalde, theils bei anderen Gelegenheiten Tumult erregt haben sollen, gegen diejenigen Gefangenen des Arbeitshauses, welche dort vor einiger Zeit einen allgemeinen Ausbruch versucht haben, endlich gegen diejenigen Personen, welche vor einigen Monaten die Streitsche Stiftung im Gymnasium zum grauen Kloster um mehrere tausend Thaler bestohlen haben. Auch gegen <hi rendition="#g">Dr. Eichler</hi> ist gegenwärtig wegen Widersetzlichkeit gegen die Constabler bei den bekannten Vorfällen unter den Linden die Criminal-Untersuchung eingeleitet worden.</p> <bibl>(V. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar082_012" type="jArticle"> <head><bibl><author>119</author></bibl> Berlin, 18. Aug. </head> <p>Seit langer Zeit hat die demokratische Partei bei uns kein so erfreuliches Zeichen der Anerkennung aus den Provinzen erhalten, als in diesen Tagen durch die in Striegau erfolgte Wahl des Assessor Schramm zum Deputirten für die Preußische Constituante. Ohne Zweifel war die einzige Empfehlung des Kandidaten, daß er Präsident des demokratischen Klubs, also Demokrat par excellence ist. Wir können nur hoffen, daß er das Vertrauen seiner Wähler zu rechtfertigen suchen wird. Die „Neue Preußische Zeitung“ sagt über den Schweidnitzer Vorfall: „Der Kommandant, du Rosey, ist <hi rendition="#g">nicht</hi> vom Dienst suspendirt, sondern auf <hi rendition="#g">sein Ansuchen</hi> mit <hi rendition="#g">Urlaub</hi> versehen worden. Nach derselben Zeitung spricht dies „<hi rendition="#g">deutlich</hi>“ dafür, daß in den Augen <hi rendition="#g">Sachkundiger</hi> der Kommandant <hi rendition="#g">von dem Scheine</hi> eines <hi rendition="#g">erheblichen Versehens</hi> nicht betroffen wird.“</p> </div> <div xml:id="ar082_013" type="jArticle"> <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 19. August.</head> <p><hi rendition="#g">Herr Korn</hi> der bekanntlich in Folge der Zeughaus-Excesse, wegen Erregung von Aufruhr zu sieben Jahr Festungsstrafe verurtheilt ist, stand heute wieder vor der zweiten Abtheilung des Kriminal-Gerichts, der Majestätsbeleidigung angeklagt. Herr Korn war nämlich mit Herr Löwinson Anfangs Mai d. J. von der Volksversammlung vor den Zelten nach Posen geschickt worden, um über die dortigen Verhältnisse einen wahrheitsgetreuen Bericht zu erstatten. Nach der Zurückkunft von seiner Mission erstattete Herr Korn in einem Plakat seinen Bericht ab, worin der Passus „absolutistischer Dünkel der Hohen-Zollern“ enthalten war. Dieser Passus wurde damals dem Staatsanwalt Temme von einem Mitgliede des Preußenvereins denuncirt, der aber keine Majestätsbeleidigung darin erblicken konnte. Der Denunciant appellirte an das Justizministerium, welches die Sache einfach nochmals an den Staatsanwalt zurückwies, der es aber zum zweiten Male abschlug eine Untersuchung einzuleiten. Da aber später Herr Neumann die Staatsanwaltschaft übernahm, machte derselbe auf wiederholtes Dringen des Denuncianten die Klage anhängig. ‒ Die Richter erklärten sich inkompetent, da der Angeklagte schon wegen eines schwereren Vergehens verurtheilt, nach dem Gesetze aber kleinere Vergehen mit dem größeren zusammen abgeurtheilt werden müssen und das kleinere nur als Schärfungsgrund bei der Strafbestimmung des größeren angesehen werden kann. ‒</p> <p>Die Central-Abtheilung, welche sich schon gegen die Erhöhung der Rübenzucker-Steuer ausgesprochen hat, beschloß in ihrer gestr. Sitzung hinsichtlich der Maisch-Steuer (Spiritus), daß die Erhöhung nach Vorlagen des Finanzministers nur bei den größeren Brauereien den stattfinden solle, die kleineren hingegen nur den bisherigen Steuersatz zahlen sollten. Die Central-Abtheilung giebt als Grund ihres Beschlusses an, daß durch die vorzüglichere Construktion der Brenn-Apparate in den größeren Brennereien, dieselben einen viel höheren Ertrag erzielen als die kleineren. Es frägt aber noch sehr ob dieser Beschluß der Central-Abtheilung die Zustimmung der Plenar-Versammlung erhalten wird, da die adlichen Gutsbesitzer Alles aufbieten um gegen die Vorlagen des Finanzministers zu agitiren. ‒</p> <p>Der Kongreß der adlichen Gutsbesitzer, welcher von Herrn von <hi rendition="#g">Bülow-Commerow</hi> unter der Firma: „General-Versammlung zur Wahrung der materiellen Interessen aller Klassen des preußischen Volks“ zusammenberufen ist, wurde gestern eröffnet. Es hatten sich dazu etwa 200 Theilnehmer, fast lauter adliche Gutsbesitzer, und darunter viele Marschälle und Mitglieder des früheren vereinigten Landtags, eingefunden. Obgleich einem Jedem gegen ein Eintrittsgeld von einem Thaler, der Zutritt für die Dauer des Kongresses gestattet war, hatten sich doch nur Wenige eingefunden, was auch von den Leitern des Kongresses erwartet wurde, denn diese wollten nur den aristokratischen Grundbesitz repräsentirt sehen, um eine imposante Opposition gegen die Vereinbarer zu bilden. Es liegt in ihrer Absicht sich gewissermaßen als eine <hi rendition="#g">erste Kammer</hi> zu konstituiren; sie verlangten von dem Ministerium die nöthige Auskunft, und setzten voraus, daß dasselbe seine Räthe in die ferneren Versammlungen senden werde, um da die nöthige Auskunft auch mündlich zu ertheilen!! ‒ Die früheren Minister von Bodelschwingh und Graf Arnim-Boytzenburg nebst vielen Königlichen Landräthen, Hofmarschällen und andren Inhabern hoher Stellen nahmen Theil an dieser ersten Sitzung Bülow-Cummerow beantragte die Errichtung eines großen permanenten Ausschusses zur Abwehr der, den Eingriff in das Eigenthum bezweckenden Maßregeln. Dieser Ausschuß solle mit den gleichartigen Kreisvereinen ununterbrochen in Wechselverkehr bleiben, wobei dem Ausschuße ein „energisches“ Einschreiten zur Pflicht gemacht werden muß. Er soll auch einen Unterausschuß zur Prüfung der Lage der Staatsfinanzen, des Ausgabe-Etats und zur kritischen Beleuchtung der Finanzpläne abordnen. Das Material dazu werde wohl das Staatsministerium, welchem man keine weitere Verlegenheiten bereiten wolle, nicht versagen. ‒ Schließlich gedachte er unserer Zeit, „wo Alles reizen will“ und mahnte daran, „den Rechtsboden zu vertheidigen,“ wie der „politischen Debatte fern zu bleiben.“</p> </div> <div xml:id="ar082_014" type="jArticle"> <head><bibl><author>15</author></bibl> Posen, 17. August.</head> <p>In der Provinz Posen feiert das Preußen- und Soldatenthum jetzt in aller Muse sein Sieges-Tedeum. Auf der Citadelle zu Posen dürfen jetzt nur preußische, keine deutsche Fahnen wehen. Die Besatzung der Stadt beträgt jetzt 6000 Mann außer den Husaren und der Artillerie. Die Städte Kurnik und Schrimm, welche befestigt worden sind, haben jede eine Batterie erhalten. Das deutsche Komite ist ganz wüthend, daß die Reorganisation und Demarkation noch immer nicht erfolgt sind. Erst neulich fand wieder eine Volksversammlung im Posener Odeum statt, worin eine Petition an das Preußische Ministerium berathen, und dasselbe zur endlichen Ausführung der Reorganisation und Demarkation gedrängt werden sollte. ‒ Das anstatt des 18. in die Stadt eingerückte 5. Infanterie-Regiment hat bereits herrliche Beweise geliefert, daß es eine allzugroße Pedanterie in der Disciplin für überflüssig hält. Schon sind von vielen Seiten Klagen über grobe Mißhandlungen und Verwundungen, welche die Soldaten ausüben, laut geworden; in den Schenken und Wirthshäusern fallen fortwährend Prügeleien vor. Neulich mußte sich sogar der General Steinäcker selbst in einen Tumult hineinbegeben und konnte nur mit Mühe Frieden stiften.</p> <p>Trotz der Erklärung, welche der General von Brünneck erlassen hat, daß die Provinz sich im schönsten Friedenszustande befinde und deshalb der Belagerungszustand aufgehoben werde, hat der Hauptmann, Freiherr von <hi rendition="#g">Grotthusz,</hi> wie folgendes Schreiben an den Magistrat von Miloslaw beweist, dennoch die Absicht, den Kriegszustand aufrecht zu erhalten. Wir theilen das Schreiben hier mit: „Einen wohllöbl. Magistrat ersuche ich hiermit ergebenst, der gesammten Einwohnerschaft bekannt zu machen: 1) daß alle Ueberschreitungen der bestehenden polizeilichen Vorschriften und Landesgesetze <hi rendition="#g">sofort</hi> von mir durch Arretirung der Betreffenden und Ablieferung an die Behörde geahndet werden; 2) daß jeder Einwohner den Schildwachen Folge zu leisten, und des Nachts, wenn er von den Schildwachen angerufen wird, <hi rendition="#g">sofort</hi> stehen muß und ihnen seinen Namen nennen. Geschieht es nicht, so sind die Schildwachen angewiesen <hi rendition="#g">auf den Unfolgsamen zu schießen,</hi> um sich seiner zu bemächtigen; 3) daß alle Zusammenrottungen stets unterbleiben müssen, indem die Wachen angewiesen sind, Haufen von 10 und mehr Menschen zu zerstreuen und die Widerspenstigen zu arretiren; 4) daß von Abends 10 Uhr ab jede Schenkwirthschaft geschlossen ist. ‒ Um diese Zeit werden Wirthshäuser und Schenken durch Patrouillen revidirt werden, um das Verbot aufrecht zu erhalten. Einen wohllöbl. Magistrat ersuche ich schließlich noch, dem hiesigen Distriktskommissarius den Punkt 2 mitzutheilen, damit derselbe ihn den unterhabenden Gemeinden bekannt machen kann. Wenn die Bekanntmachung der vier Punkte an die Einwohnerschaft geschehen ist, bitte ich, mich davon zu benachrichtigen. Hauptquartier Miloslaw, den 11. Aug. 1848. Frhr. v. Grotthusz, Hauptmann und Kompagnie-Ehe im 7. Infanterie-Regiment.</p> </div> <div xml:id="ar082_015" type="jArticle"> <head>Magdeburg, 15. August.</head> <p>Der konstitutionelle Club, die Volksversammlung, der Verein der jungen Kaufleute, der Handwerkerein, der Gesellenverein, die Maschinenfabrikarbeiter und die Gesangvereine hatten sich vereinigt, an der Spitze eines Fackelzuges eine Deputation an Se. Maj. den König zu senden, um demselben in einer Ansprache ihre Huldigung darzubringen und ihre Gesinnung auszusprechen. Der von diesen Vereinen erwählten Deputation wurde nach Vorlage der Anrede wegen einiger Stellen derselben vom Ministerpräsidenten v. Auerswald und dem Oberpräsidenten v. Bonin der Zutritt zu Sr. Majestät versagt. Indem wir uns noch einen genaueren Bericht zur Widerlegung unsinnigster Gerüchte vorbehalten, veröffentlichen wir die vom Ministerpräsidenten gestrichenen Stellen.</p> <p>Majestät, wir erkennen die große Macht, welche Gott in dieser großen Zeit in Ihre Hand gelegt hat; in Ihrer Hand liegt zum Theil das Geschick des nach Freiheit ringenden Europa. Von der Gestaltung Preußens wird die Gestaltung Deutschlands abhängen. Ohne Preußens innige Hingebung, ohne Preußens festen und dauernden Anschluß kann Deutschland nicht innig, nicht groß und mächtig sein, mit Preußen wird es die großartigste Macht der Welt.</p> <p>Ew. Majestät Regierung wird Preußen festeren Schrittes, als bis heute geschehen, (statt dieses Satzes sollte gesagt werden: festen Schrittes) fortführen auf der Bahn volksthümlicher Entwicklung. Ew. Majestät kräftiges Wort wird sicher dahin wirken, daß der Gegensatz zwischen Volk und Heer völlig beseitigt werde.</p> <bibl>(M. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar082_016" type="jArticle"> <head>Königsberg, 14. August.</head> <p>Die durch die letzten Vorgänge im Preußenvereine hervorgerufene Aufregung hat ihre Früchte getragen. Die ganze bisher so ruhige Stadt ist wie umgewandelt und ‒ die Sache der deutschen Einheit hat moralisch <hi rendition="#g">gesiegt.</hi> Das Stockpreußenthum hält sich sterbend durch einige gedungene Arbeiter, die nebenbei in der letzten Sitzung Taschentücher und Börsen stahlen, und durch die Säbel einiger kommandirten Unteroffiziere.</p> <p>Der kommandirende General hat, mit Denunciationen überschüttet und durch die Haltung der Nationalversammlung in der Schweidnitzer Tragödie imponirt, den gemeinen Soldaten jetzt unbedingt <hi rendition="#g">das Tragen des Seitengewehrs in Versammlungen verboten,</hi> den Offizieren es anheimgestellt, aber befohlen, sogleich die Waffen niederzulegen, sobald die Versammlung es verlange.</p> <p>Vorgestern Nacht betrat nun die Epidemie der Katzenmusiken zunächst unseren Boden; sämmtlichen Stiftern und Koryphäen des Preußenvereins wurden solche gebracht. Mitten unter der musikalischen Menge standen Gensdarmen und Polizeikommissäre ruhig und ohne einzuschreiten. Es haben jedoch schon polizeiliche Untersuchungen begonnen. Am nächsten Abend brachte das Militär allen Märtyrern der Katzenmusiken feierliche Ständchen, wobei „Ich bin ein Preuße“ angestimmt wurde. Da das Volk an einigen Orten: „Was ist des Deutschen Vaterland“ zu singen begann, so wurde von einem Unteroffiziere mit scharfer Waffe eingehauen. Glücklicherweise entstand keine ernste Collision; die Bürgerwehr trat zu starken Patrouillen zusammen. Der kommandirende General ließ sofort der Militärmusik durch einen Adjudanten den Befehl zukommen, sich zurückzuziehen, und so wollte es denn die Ironie des Schicksals, daß sich bei dem Professor <hi rendition="#g">Meier,</hi> am botanischen Garten, das nunmehr bloß in Gesang bestehende Ständchen in eine Katzenmusik, demnach die zweite ihm zu Theil werdende, verwandelte.</p> <p>Gestern war die Stadt nunmehr in tiefer Gährung. Da traten 15 Männer zusammen, unter ihnen Dr. <hi rendition="#g">Falkson,</hi> Ingenieurlieutenant <hi rendition="#g">Rüstov</hi> und Professor <hi rendition="#g">Heinrich,</hi> und beriefen zur Verständigung über die deutsche Einheit eine große <hi rendition="#g">Volksversammlung.</hi> Gestern Nachmittag waren 4-5000 Menschen zu derselben versammelt. <hi rendition="#g">Dr. Falkson</hi> ward zum Präsidenten erwählt und eine Reihe von Rednern setzte dem Volke in so populärer Weise die hohen Vortheile der deutschen Einheit auseinander, daß dies, in Verbindung mit einer musterhaften Ordnung und Ruhe, der Partei der deutschen Einheit den vollständigsten moralischen Sieg sicherte. Die Begeisterung erhöhte sich, als ein Handwerker aus Kurland, der so eben vom Tann'schen Freikorps entlassen war, der Gesellschaft vorgestellt und mit einem Hoch! begrüßt ward. Bis spät in die Nacht durchzogen singende Volkshaufen und Patrouillen die Straßen; das Militär hatte strengen Befehl nach 9 Uhr in seinem Quatiere zu sein und die Straße zu meiden, und die Korporale hatten die Quatiere zu revidiren.</p> </div> <div xml:id="ar082_017" type="jArticle"> <head><bibl><author>!</author></bibl> Kassel, 17. August.</head> <p>Die Agitation für ein neues Wahlgesetz wächst. Die Provinzialstädte Marburg und Hanau hatten den Impuls gegeben. Petitionen mit Tausenden von Unterschriften laufen bei dem Ministerium des Innern ein, um sofortige Vorlage eines neuen Wahlgesetzes an die Ständekammer. Das ganze Land scheint gemeine Sache zu machen.</p> <p>Da erwachte auch die Hauptstadt aus ihrer Lethargie. Der demokratisch-sozialistische Verein regte in öffentlicher Sitzung die Wahlgesetzangelegenheit an und beschloß, sich mit Männern aller Parteien zur Erlangung eines neuen freisinnigen Wahlgesetzes zu verbinden. Er vereinigte sich sofort mit Mitgliedern des Bürgervereins und des Arbeitervereins. Diese und der demokratische sind die drei politischen Vereine Kassels.</p> <p>Der Bürgerverein hielt es inzwischen nicht für möglich noch bei dem jetzigen Landtag ein neues Wahlgesetz durchzubringen. Zu diesem Glauben hatte er allerdings seine guten Gründe. Er beabsichtigte nur eine Agitation für den zukünftigen Landtag.</p> <p>Aber der Sturm im Lande wuchs. Und so gelang es denn gestern in einer großen Volksversammlung, wie sie hier alle 14 Tage unter einem von 4000 Stimmenden gewählten Volkscomité gehalten werden, den Wortführern der Agitation für sofortige Einführung eines neuen Wahlgesetzes, Dr. Keller, H. Heise und Wallach, die Volksversammlung zur einstimmigen Annahme ihrer Vorschläge zu bewegen.</p> <p>Diese Vorschläge bestanden darin: 1. vom Ministerium Vorlage eines neuen Wahlgesetzes zu verlangen, ohne Zensus, ohne alle Standesunterschiede, mit direkten Wahlen und Herabsetzung der aktiven Wahlfähigkeit auf 25 Jahre. Die andern Städte verlangen blos Volljährigkeit für aktive und passive Wahlfähigkeit Die lieben Kasselaner mögen davon noch Nichts wissen. Außerdem scheint es ihnen sehr bedenklich, daß Städter und Landbewohner (Gewerb und Ackerbau!!) zusammen wählen sollen. Außerdem ist dem Minist. erklärt worden, daß es die Durchsetzung dieses Gesetzes als Frage seiner eignen Existenz betrachten müsse. 2) Eine Petition an die Ständekammer um sofortige <hi rendition="#g">einstimmige</hi> Annahme eines solchen neuen Wahlgesetzes. 3) Ein Aufruf an's flache Land sich zu betheiligen bei diesen Petitionen und sich <hi rendition="#g">der Wahlen zum neuen Landtag einstweilen zu enthalten.</hi> </p> <p>Das demokratische Prinzip hat einen großen Sieg erfochten. ‒ Das aus dem Bürgerverein hervorgegangene Wahlkomite wird sich nun wahrscheinlich mit dem aus dem demokratischen und Arbeiter-Verein gewählten Wahlkomite und mit dem Volksrath vereinigen, um gemeinsam alle Schritte zu berathen, ein neues Wahlgesetz in's Leben zu rufen.</p> <p>Alle Parteien haben gemeinsam den ersten Akt der Revolution nur mit Erlangung eines demokratischen Wahlgesetzes für beendigt erklärt. Auf diesem Boden wird dann der zweite Akt beginnen, der parlamentarische Kampf der Parteien für den Sieg ihres politischen Prinzips.</p> <p>Und die Ständeversammlung? Ihr wird unangenehm zu Muthe. Der Dr. Henkel, der Hauptopponent, hat den Moment zu benutzen gewußt; er verlangte in der Sitzung vom 15. ebenfalls ein </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0415/0003]
[Deutschland] [Fortsetzung] ‒ Er sagt in seiner Einladung, daß er an Stelle der richterlichen und polizeilichen Gewalt, welche sich als „ohnmächtig erwiesen und der Privatgewalt die Ausübung ihrer Aemter stillschweigend abgetreten hätte,“ den gesetzmäßigen Zustand zurückführen wolle! ‒ Warum wird von Seiten der Staatsanwaltschaft nicht eben so gegen sie eingeschritten, als gegen diejenigen, die für eine republikanische Verfassung sprechen?
Dem Abgeordneten Waldeck, welcher bekanntlich im zweiten hiesigen Wahlbezirke gewählt ist, wurde in der vergangenen Woche von den Urwählern seines Bezirks, als Zeichen ihrer Anerkennung, ein solennes Ständchen gebracht. Diese dem Haupte der Opposition von Berliner Bürgern gewährte Auszeichnung scheint den Finanzminister der That Herrn Hansemann sehr zu wurmen und er konnte es nicht unterlassen einer an ihn abgesandten Deputation der Stadtverordneten, welche, als Grund der noch theilweise herrschenden Nahrungslosigkeit, die Abwesenheit vieler wohlhabenden Familien von hier aufstellte, zu erwiedern: „Wie wollen Sie verlangen, daß das Vertrauen sich wieder belebe, und daß die reichen Leute zurückkehren, wenn man auswärts in den Zeitungen liest, daß Berliner Bürger einem Manne wie Waldeck Ovationen darbringen?“ ‒ Nun muß man bedenken, daß der Abgeordnete Waldeck schon bejahrt ist und eine der höchsten Richterstellen des Staats, mit dem Titel eines Geheimen Ober-Tribunal-Raths, bekleidet.
Von dem reaktionären Treiben der nächsten Umgebung des Königs erhält man täglich neue Beweise. So erzäht man sich heute, daß der Geheime Cabinetsrath Illaire, der Vorstand des „Cabinets des Königs“, viele an denselben gerichteten Briefe und Bittschriften, da er den Auftrag vom König hat Alle ankommenden Schreiben zu erbrechen, demselben nicht vorlegen läßt, wenn ihm dies angemessen scheint. So soll ein höherer, dem Könige persönlich nahe stehender Offizier, in einem an denselben gerichteten Privatschreiben, die Aufnahme einiger Bürgerwehroffiziere in das den Hof nach Cöln geleitende militärische Gefolge als zweckmäßig anempfohlen haben. Es soll sich, da dieser Vorschlag unbeachtet geblieben ist, auf Nachforschung des Verfassers jenes Schreibens herausgestellt haben, daß der Brief sich noch nach der Abreise des Königs unter den, von dem Geh. Cabinetsrath Illaire noch nicht vorgelegten Schriften befindet, demnach zur Kenntniß des Königs gar nicht gelangte, weil der Inhalt wahrscheinlich den Herrn Geh. Cabinetsrath nicht ansprechen mochte, indem sich seine Bestallung aus einer Zeit herschreibt, wo man noch keine Bürgerwehroffiziere kannte. ‒ Müßten aber solche Personen, von einem wirklich constitutionellen Ministerium und nun gar von einem Ministerium der That nicht aus der Nähe des Königs entfernt werden?
15 Berlin, 18. Aug. Was kümmert es das berliner Universitätsgericht, ob durch „allerhöchsten Erlaß“ die Karlsbader Beschlüsse aufgehoben sind oder nicht? Ein Universitätsgericht nimmt nur von Gesetzen, welche zur Beschränkung der Freiheit dienen Notiz. Am Abend des 1. August begegnete der stud. med. Carl Meyer einem Haufen Constabler, welche einen Studenten gefangen mit sich schleppten. Er trat auf den Führer der Schutzengel zu und fragte sie ganz bescheiden, was der Gefangene denn verbrochen habe. Diese Frage war zu keck. Auf einen Wink ihres Führers fallen die Constabler über Meyer her und schleppen ihn nach der Wache fort. Nach ungefähr einer Stunde wird er, nachdem er seine Erkennungskarte zwar hatte abgeben müssen, wieder losgelassen. Auf Grund dieses gewaltigen Attentats einer Interpellation an die Herren Constabler wurde Meyer in dieser Woche vor das Universitätsgericht citirt, und ihm eine Rüge wegen Theilnahme an öffentlichen Tumulten zugesteckt. Er lehnte jedoch diese Rüge entschieden von sich ab, indem er erklärte, sich keiner Betheiligung an Tumulten bewußt zu sein. Da zog der wackere Herr Universitätsrichter ‒ Lehnert ist sein Name ‒ folgenden Paragraphen der Karlsbader Beschlüsse hervor: „Studenten, welche sich zur Zeit eines Tumultes oder in größerer Anzahl nach Mitternacht auf der Straße finden lassen, haben die Vermuthung böser Absicht oder eines liederlichen Lebenswandels wider sich; auch darf Niemand sich nach 10 Uhr Abends in einem Wirthshaus antreffen lassen.“ ‒ Der Umstand, daß dies Gesetz als §. 85, Anhang 37, Nro. 9, Th. II., Tit. 12, dem allgemeinen Landrecht einverleibt ist, kann hier gewiß nicht zur Vertheidigung des Universitätsrichters angeführt werden; es ist klar, daß, wenn jene Bestimmung als solche aufgehoben wurde, diese Aufhebung sich nicht blos auf den Codex der Universitätsgesetze, sondern auch auf das Landrecht bezog. Ein aufgehobenes Gesetz hat keine Gültigkeit mehr, außer ‒ in dem Gehirn eines Universitätsrichters. Genug, Herr Meyer, den Universitätsbehörden schon längst anrüchig, erhielt einen glänzenden Verweis und wurde außerdem bedeutet, daß, da er schon vor mehreren Jahren wegen Theilnahme an verbotenen Verbindungen mit Carcer bestraft worden, und demgemäß das consilium ablundi bereits unterschrieben, er sich in Acht nehmen möge, daß dasselbe nicht bei der ersten Gelegenheit über ihn verhängt werde.
Dem neugegründeten Adelsinstitut zu Warschau hat der Kaiser folgende Privilegien ertheilt: 1) Sämmtliche Schüler der Anstalt sind von der Militärpflicht befreit; 2) diejenigen, welche sich während der ganzen Unterrichtszeit die Zufriedenheit ihrer Vorgesetzten erworben haben, erhalten, wenn sie hernach in den Civildienst treten wollen, die vierzehnte Rangklasse; wenn sie in das Militär treten, erhalten sie nach 6 monatlichem Unteroffizierdienst den Offizierrang; 3) Diejenigen, deren Leistungen und Betragen während ihres Aufenthaltes in der Anstalt keinem Tadel unterlag, haben das erste Anrecht zu Universitätsstipendien.
In Kalisch sind sämmtliche polnische Schulen noch immer geschlossen; als am 3. August in Posen das polnische Gymnasium eröffnet wurde, faßten die Bewohner von Kalisch wieder Hoffnung und schickten eine Deputation nach Warschau zum Fürsten Paskiewicz, der ihnen denn mittheilen ließ, daß möglicherweise die Schulen bald wieder eröffnet werden könnten!
Berlin, 19. August. In den nächsten Wochen steht uns auf dem Criminalgericht eine lange Reihe interessanter Gerichtsverhandlungen bevorgegenden Kaufmann Herold wegen Stiftung von Aufruhr bei Einholung des neunten Regiments, gegen den Schneider Bormann, den Literaten Hopf, den Schneider Igel, den Weinhändler Fähndrich, den Student Fernbach, wegen Majestätsbeleidigung, gegen die Literaten Bettziech und Leid-Brandt wegen desselben Verbrechens und Errergung von Mißvergnügen, gegen Hrn. Löwenberg wegen Beleidigung des Ober-Bürgemeisters Krausnick, gegen mehrere Buchdrucker wegen Theilnahme an diesem Verbrechen, gegen etwa 30 Personen, welche bei dem Zeughaus-Attentat noch betheiligt sind, gegen etwa 10 Personen, welche mit Bezug auf das Zeughaus-Attentat die Wohnung des Majors Benda geplündert haben, gegen mehrere Personen, welche theils im Kastanienwalde, theils bei anderen Gelegenheiten Tumult erregt haben sollen, gegen diejenigen Gefangenen des Arbeitshauses, welche dort vor einiger Zeit einen allgemeinen Ausbruch versucht haben, endlich gegen diejenigen Personen, welche vor einigen Monaten die Streitsche Stiftung im Gymnasium zum grauen Kloster um mehrere tausend Thaler bestohlen haben. Auch gegen Dr. Eichler ist gegenwärtig wegen Widersetzlichkeit gegen die Constabler bei den bekannten Vorfällen unter den Linden die Criminal-Untersuchung eingeleitet worden.
(V. Z.) 119 Berlin, 18. Aug. Seit langer Zeit hat die demokratische Partei bei uns kein so erfreuliches Zeichen der Anerkennung aus den Provinzen erhalten, als in diesen Tagen durch die in Striegau erfolgte Wahl des Assessor Schramm zum Deputirten für die Preußische Constituante. Ohne Zweifel war die einzige Empfehlung des Kandidaten, daß er Präsident des demokratischen Klubs, also Demokrat par excellence ist. Wir können nur hoffen, daß er das Vertrauen seiner Wähler zu rechtfertigen suchen wird. Die „Neue Preußische Zeitung“ sagt über den Schweidnitzer Vorfall: „Der Kommandant, du Rosey, ist nicht vom Dienst suspendirt, sondern auf sein Ansuchen mit Urlaub versehen worden. Nach derselben Zeitung spricht dies „deutlich“ dafür, daß in den Augen Sachkundiger der Kommandant von dem Scheine eines erheblichen Versehens nicht betroffen wird.“
103 Berlin, 19. August. Herr Korn der bekanntlich in Folge der Zeughaus-Excesse, wegen Erregung von Aufruhr zu sieben Jahr Festungsstrafe verurtheilt ist, stand heute wieder vor der zweiten Abtheilung des Kriminal-Gerichts, der Majestätsbeleidigung angeklagt. Herr Korn war nämlich mit Herr Löwinson Anfangs Mai d. J. von der Volksversammlung vor den Zelten nach Posen geschickt worden, um über die dortigen Verhältnisse einen wahrheitsgetreuen Bericht zu erstatten. Nach der Zurückkunft von seiner Mission erstattete Herr Korn in einem Plakat seinen Bericht ab, worin der Passus „absolutistischer Dünkel der Hohen-Zollern“ enthalten war. Dieser Passus wurde damals dem Staatsanwalt Temme von einem Mitgliede des Preußenvereins denuncirt, der aber keine Majestätsbeleidigung darin erblicken konnte. Der Denunciant appellirte an das Justizministerium, welches die Sache einfach nochmals an den Staatsanwalt zurückwies, der es aber zum zweiten Male abschlug eine Untersuchung einzuleiten. Da aber später Herr Neumann die Staatsanwaltschaft übernahm, machte derselbe auf wiederholtes Dringen des Denuncianten die Klage anhängig. ‒ Die Richter erklärten sich inkompetent, da der Angeklagte schon wegen eines schwereren Vergehens verurtheilt, nach dem Gesetze aber kleinere Vergehen mit dem größeren zusammen abgeurtheilt werden müssen und das kleinere nur als Schärfungsgrund bei der Strafbestimmung des größeren angesehen werden kann. ‒
Die Central-Abtheilung, welche sich schon gegen die Erhöhung der Rübenzucker-Steuer ausgesprochen hat, beschloß in ihrer gestr. Sitzung hinsichtlich der Maisch-Steuer (Spiritus), daß die Erhöhung nach Vorlagen des Finanzministers nur bei den größeren Brauereien den stattfinden solle, die kleineren hingegen nur den bisherigen Steuersatz zahlen sollten. Die Central-Abtheilung giebt als Grund ihres Beschlusses an, daß durch die vorzüglichere Construktion der Brenn-Apparate in den größeren Brennereien, dieselben einen viel höheren Ertrag erzielen als die kleineren. Es frägt aber noch sehr ob dieser Beschluß der Central-Abtheilung die Zustimmung der Plenar-Versammlung erhalten wird, da die adlichen Gutsbesitzer Alles aufbieten um gegen die Vorlagen des Finanzministers zu agitiren. ‒
Der Kongreß der adlichen Gutsbesitzer, welcher von Herrn von Bülow-Commerow unter der Firma: „General-Versammlung zur Wahrung der materiellen Interessen aller Klassen des preußischen Volks“ zusammenberufen ist, wurde gestern eröffnet. Es hatten sich dazu etwa 200 Theilnehmer, fast lauter adliche Gutsbesitzer, und darunter viele Marschälle und Mitglieder des früheren vereinigten Landtags, eingefunden. Obgleich einem Jedem gegen ein Eintrittsgeld von einem Thaler, der Zutritt für die Dauer des Kongresses gestattet war, hatten sich doch nur Wenige eingefunden, was auch von den Leitern des Kongresses erwartet wurde, denn diese wollten nur den aristokratischen Grundbesitz repräsentirt sehen, um eine imposante Opposition gegen die Vereinbarer zu bilden. Es liegt in ihrer Absicht sich gewissermaßen als eine erste Kammer zu konstituiren; sie verlangten von dem Ministerium die nöthige Auskunft, und setzten voraus, daß dasselbe seine Räthe in die ferneren Versammlungen senden werde, um da die nöthige Auskunft auch mündlich zu ertheilen!! ‒ Die früheren Minister von Bodelschwingh und Graf Arnim-Boytzenburg nebst vielen Königlichen Landräthen, Hofmarschällen und andren Inhabern hoher Stellen nahmen Theil an dieser ersten Sitzung Bülow-Cummerow beantragte die Errichtung eines großen permanenten Ausschusses zur Abwehr der, den Eingriff in das Eigenthum bezweckenden Maßregeln. Dieser Ausschuß solle mit den gleichartigen Kreisvereinen ununterbrochen in Wechselverkehr bleiben, wobei dem Ausschuße ein „energisches“ Einschreiten zur Pflicht gemacht werden muß. Er soll auch einen Unterausschuß zur Prüfung der Lage der Staatsfinanzen, des Ausgabe-Etats und zur kritischen Beleuchtung der Finanzpläne abordnen. Das Material dazu werde wohl das Staatsministerium, welchem man keine weitere Verlegenheiten bereiten wolle, nicht versagen. ‒ Schließlich gedachte er unserer Zeit, „wo Alles reizen will“ und mahnte daran, „den Rechtsboden zu vertheidigen,“ wie der „politischen Debatte fern zu bleiben.“
15 Posen, 17. August. In der Provinz Posen feiert das Preußen- und Soldatenthum jetzt in aller Muse sein Sieges-Tedeum. Auf der Citadelle zu Posen dürfen jetzt nur preußische, keine deutsche Fahnen wehen. Die Besatzung der Stadt beträgt jetzt 6000 Mann außer den Husaren und der Artillerie. Die Städte Kurnik und Schrimm, welche befestigt worden sind, haben jede eine Batterie erhalten. Das deutsche Komite ist ganz wüthend, daß die Reorganisation und Demarkation noch immer nicht erfolgt sind. Erst neulich fand wieder eine Volksversammlung im Posener Odeum statt, worin eine Petition an das Preußische Ministerium berathen, und dasselbe zur endlichen Ausführung der Reorganisation und Demarkation gedrängt werden sollte. ‒ Das anstatt des 18. in die Stadt eingerückte 5. Infanterie-Regiment hat bereits herrliche Beweise geliefert, daß es eine allzugroße Pedanterie in der Disciplin für überflüssig hält. Schon sind von vielen Seiten Klagen über grobe Mißhandlungen und Verwundungen, welche die Soldaten ausüben, laut geworden; in den Schenken und Wirthshäusern fallen fortwährend Prügeleien vor. Neulich mußte sich sogar der General Steinäcker selbst in einen Tumult hineinbegeben und konnte nur mit Mühe Frieden stiften.
Trotz der Erklärung, welche der General von Brünneck erlassen hat, daß die Provinz sich im schönsten Friedenszustande befinde und deshalb der Belagerungszustand aufgehoben werde, hat der Hauptmann, Freiherr von Grotthusz, wie folgendes Schreiben an den Magistrat von Miloslaw beweist, dennoch die Absicht, den Kriegszustand aufrecht zu erhalten. Wir theilen das Schreiben hier mit: „Einen wohllöbl. Magistrat ersuche ich hiermit ergebenst, der gesammten Einwohnerschaft bekannt zu machen: 1) daß alle Ueberschreitungen der bestehenden polizeilichen Vorschriften und Landesgesetze sofort von mir durch Arretirung der Betreffenden und Ablieferung an die Behörde geahndet werden; 2) daß jeder Einwohner den Schildwachen Folge zu leisten, und des Nachts, wenn er von den Schildwachen angerufen wird, sofort stehen muß und ihnen seinen Namen nennen. Geschieht es nicht, so sind die Schildwachen angewiesen auf den Unfolgsamen zu schießen, um sich seiner zu bemächtigen; 3) daß alle Zusammenrottungen stets unterbleiben müssen, indem die Wachen angewiesen sind, Haufen von 10 und mehr Menschen zu zerstreuen und die Widerspenstigen zu arretiren; 4) daß von Abends 10 Uhr ab jede Schenkwirthschaft geschlossen ist. ‒ Um diese Zeit werden Wirthshäuser und Schenken durch Patrouillen revidirt werden, um das Verbot aufrecht zu erhalten. Einen wohllöbl. Magistrat ersuche ich schließlich noch, dem hiesigen Distriktskommissarius den Punkt 2 mitzutheilen, damit derselbe ihn den unterhabenden Gemeinden bekannt machen kann. Wenn die Bekanntmachung der vier Punkte an die Einwohnerschaft geschehen ist, bitte ich, mich davon zu benachrichtigen. Hauptquartier Miloslaw, den 11. Aug. 1848. Frhr. v. Grotthusz, Hauptmann und Kompagnie-Ehe im 7. Infanterie-Regiment.
Magdeburg, 15. August. Der konstitutionelle Club, die Volksversammlung, der Verein der jungen Kaufleute, der Handwerkerein, der Gesellenverein, die Maschinenfabrikarbeiter und die Gesangvereine hatten sich vereinigt, an der Spitze eines Fackelzuges eine Deputation an Se. Maj. den König zu senden, um demselben in einer Ansprache ihre Huldigung darzubringen und ihre Gesinnung auszusprechen. Der von diesen Vereinen erwählten Deputation wurde nach Vorlage der Anrede wegen einiger Stellen derselben vom Ministerpräsidenten v. Auerswald und dem Oberpräsidenten v. Bonin der Zutritt zu Sr. Majestät versagt. Indem wir uns noch einen genaueren Bericht zur Widerlegung unsinnigster Gerüchte vorbehalten, veröffentlichen wir die vom Ministerpräsidenten gestrichenen Stellen.
Majestät, wir erkennen die große Macht, welche Gott in dieser großen Zeit in Ihre Hand gelegt hat; in Ihrer Hand liegt zum Theil das Geschick des nach Freiheit ringenden Europa. Von der Gestaltung Preußens wird die Gestaltung Deutschlands abhängen. Ohne Preußens innige Hingebung, ohne Preußens festen und dauernden Anschluß kann Deutschland nicht innig, nicht groß und mächtig sein, mit Preußen wird es die großartigste Macht der Welt.
Ew. Majestät Regierung wird Preußen festeren Schrittes, als bis heute geschehen, (statt dieses Satzes sollte gesagt werden: festen Schrittes) fortführen auf der Bahn volksthümlicher Entwicklung. Ew. Majestät kräftiges Wort wird sicher dahin wirken, daß der Gegensatz zwischen Volk und Heer völlig beseitigt werde.
(M. Z.) Königsberg, 14. August. Die durch die letzten Vorgänge im Preußenvereine hervorgerufene Aufregung hat ihre Früchte getragen. Die ganze bisher so ruhige Stadt ist wie umgewandelt und ‒ die Sache der deutschen Einheit hat moralisch gesiegt. Das Stockpreußenthum hält sich sterbend durch einige gedungene Arbeiter, die nebenbei in der letzten Sitzung Taschentücher und Börsen stahlen, und durch die Säbel einiger kommandirten Unteroffiziere.
Der kommandirende General hat, mit Denunciationen überschüttet und durch die Haltung der Nationalversammlung in der Schweidnitzer Tragödie imponirt, den gemeinen Soldaten jetzt unbedingt das Tragen des Seitengewehrs in Versammlungen verboten, den Offizieren es anheimgestellt, aber befohlen, sogleich die Waffen niederzulegen, sobald die Versammlung es verlange.
Vorgestern Nacht betrat nun die Epidemie der Katzenmusiken zunächst unseren Boden; sämmtlichen Stiftern und Koryphäen des Preußenvereins wurden solche gebracht. Mitten unter der musikalischen Menge standen Gensdarmen und Polizeikommissäre ruhig und ohne einzuschreiten. Es haben jedoch schon polizeiliche Untersuchungen begonnen. Am nächsten Abend brachte das Militär allen Märtyrern der Katzenmusiken feierliche Ständchen, wobei „Ich bin ein Preuße“ angestimmt wurde. Da das Volk an einigen Orten: „Was ist des Deutschen Vaterland“ zu singen begann, so wurde von einem Unteroffiziere mit scharfer Waffe eingehauen. Glücklicherweise entstand keine ernste Collision; die Bürgerwehr trat zu starken Patrouillen zusammen. Der kommandirende General ließ sofort der Militärmusik durch einen Adjudanten den Befehl zukommen, sich zurückzuziehen, und so wollte es denn die Ironie des Schicksals, daß sich bei dem Professor Meier, am botanischen Garten, das nunmehr bloß in Gesang bestehende Ständchen in eine Katzenmusik, demnach die zweite ihm zu Theil werdende, verwandelte.
Gestern war die Stadt nunmehr in tiefer Gährung. Da traten 15 Männer zusammen, unter ihnen Dr. Falkson, Ingenieurlieutenant Rüstov und Professor Heinrich, und beriefen zur Verständigung über die deutsche Einheit eine große Volksversammlung. Gestern Nachmittag waren 4-5000 Menschen zu derselben versammelt. Dr. Falkson ward zum Präsidenten erwählt und eine Reihe von Rednern setzte dem Volke in so populärer Weise die hohen Vortheile der deutschen Einheit auseinander, daß dies, in Verbindung mit einer musterhaften Ordnung und Ruhe, der Partei der deutschen Einheit den vollständigsten moralischen Sieg sicherte. Die Begeisterung erhöhte sich, als ein Handwerker aus Kurland, der so eben vom Tann'schen Freikorps entlassen war, der Gesellschaft vorgestellt und mit einem Hoch! begrüßt ward. Bis spät in die Nacht durchzogen singende Volkshaufen und Patrouillen die Straßen; das Militär hatte strengen Befehl nach 9 Uhr in seinem Quatiere zu sein und die Straße zu meiden, und die Korporale hatten die Quatiere zu revidiren.
! Kassel, 17. August. Die Agitation für ein neues Wahlgesetz wächst. Die Provinzialstädte Marburg und Hanau hatten den Impuls gegeben. Petitionen mit Tausenden von Unterschriften laufen bei dem Ministerium des Innern ein, um sofortige Vorlage eines neuen Wahlgesetzes an die Ständekammer. Das ganze Land scheint gemeine Sache zu machen.
Da erwachte auch die Hauptstadt aus ihrer Lethargie. Der demokratisch-sozialistische Verein regte in öffentlicher Sitzung die Wahlgesetzangelegenheit an und beschloß, sich mit Männern aller Parteien zur Erlangung eines neuen freisinnigen Wahlgesetzes zu verbinden. Er vereinigte sich sofort mit Mitgliedern des Bürgervereins und des Arbeitervereins. Diese und der demokratische sind die drei politischen Vereine Kassels.
Der Bürgerverein hielt es inzwischen nicht für möglich noch bei dem jetzigen Landtag ein neues Wahlgesetz durchzubringen. Zu diesem Glauben hatte er allerdings seine guten Gründe. Er beabsichtigte nur eine Agitation für den zukünftigen Landtag.
Aber der Sturm im Lande wuchs. Und so gelang es denn gestern in einer großen Volksversammlung, wie sie hier alle 14 Tage unter einem von 4000 Stimmenden gewählten Volkscomité gehalten werden, den Wortführern der Agitation für sofortige Einführung eines neuen Wahlgesetzes, Dr. Keller, H. Heise und Wallach, die Volksversammlung zur einstimmigen Annahme ihrer Vorschläge zu bewegen.
Diese Vorschläge bestanden darin: 1. vom Ministerium Vorlage eines neuen Wahlgesetzes zu verlangen, ohne Zensus, ohne alle Standesunterschiede, mit direkten Wahlen und Herabsetzung der aktiven Wahlfähigkeit auf 25 Jahre. Die andern Städte verlangen blos Volljährigkeit für aktive und passive Wahlfähigkeit Die lieben Kasselaner mögen davon noch Nichts wissen. Außerdem scheint es ihnen sehr bedenklich, daß Städter und Landbewohner (Gewerb und Ackerbau!!) zusammen wählen sollen. Außerdem ist dem Minist. erklärt worden, daß es die Durchsetzung dieses Gesetzes als Frage seiner eignen Existenz betrachten müsse. 2) Eine Petition an die Ständekammer um sofortige einstimmige Annahme eines solchen neuen Wahlgesetzes. 3) Ein Aufruf an's flache Land sich zu betheiligen bei diesen Petitionen und sich der Wahlen zum neuen Landtag einstweilen zu enthalten.
Das demokratische Prinzip hat einen großen Sieg erfochten. ‒ Das aus dem Bürgerverein hervorgegangene Wahlkomite wird sich nun wahrscheinlich mit dem aus dem demokratischen und Arbeiter-Verein gewählten Wahlkomite und mit dem Volksrath vereinigen, um gemeinsam alle Schritte zu berathen, ein neues Wahlgesetz in's Leben zu rufen.
Alle Parteien haben gemeinsam den ersten Akt der Revolution nur mit Erlangung eines demokratischen Wahlgesetzes für beendigt erklärt. Auf diesem Boden wird dann der zweite Akt beginnen, der parlamentarische Kampf der Parteien für den Sieg ihres politischen Prinzips.
Und die Ständeversammlung? Ihr wird unangenehm zu Muthe. Der Dr. Henkel, der Hauptopponent, hat den Moment zu benutzen gewußt; er verlangte in der Sitzung vom 15. ebenfalls ein
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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