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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 82. Köln, 22. August 1848.

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[Deutschland]
!!! Frankfurt, 18. Aug.

62. Sitzung der Nationalversammlung. Präsident: v. Gagern.

Nach Genehmigung des Protokolls zeigt der Präsident den Austritt von 6 Mitgliedern der Versammlung an, Beinhauer, Oestreich, Jaupp Ranzoni u. s. w.

Tagesordnung: §. 9 ter Grundrechte.

1. Das Briefgeheimniß ist gewährleistet. 2. Die bei strafgerichtlichen Untersuchungen und in Kriegsfällen nothwendigen Beschränkungen sind durch die Gesetzgebung festzustellen. 3. Die Beschlagnahme von Briefen und Papieren darf nur auf Grund eines richterlichen Befehls vorgenommen werden.

Hierzu die Verbesserungs-Vorschläge des volkswirthschaftlichen Ausschusses. 1. Das Briefgeheimniß ist unverletzlich. 2. Ausnahmen können nur durch ein Reichsgesetz festgestellt werden.

Minoritätsantrag: Das Briefgeheimniß ist unverletzlich.

Außerdem einzelne Amendements.

Cnyrim. (Kurhessen.) Er erinnert an das Kabinet noir, worin vorzüglich Minister und Beamte ihre höhere Stellungen mißbrauchten, um sich in den Besitz von Briefgeheimnissen zu setzen. England, schließt der Redner, wollen wir in der Staatsweisheit nacheifern, in der Staatsmoral übertreffen.

Trütschler, Stedtmann, Rieser etc. reichen ein Amendent ein, statt Briefgeheimniß Postgeheimniß zu setzen.

Grüel aus Burg ist mit diesen drei Herren nicht einverstanden. Nicht bloß Postbriefe, sondern alle Briefe sind unverletzlich. Stellt den Verbesserungs-Antrag:

Die hohe Nationalversammlung wolle beschließen, den §. 9 in folgender Fassung anzunehmen:

Das Briefgeheimniß ist gewährleistet. Die Beschlagnahme eines Briefes ist nur zulässig zum Zwecke der Verhütung oder Verfolgung eines bestimmten Verbrechens. Jeder in Beschlag genommene Brief muß sofort und spätestens binnen 24 Stunden einem Richter übergeben werden. Nur der Richter darf die Oeffnung eines solchen Briefes nach Maaßgabe der Gesetze verfügen.

Osterrath vertheidigt das Minoritätserachten des volkswirthschaftlichen Ausschusses. Durch den Majoritätsbeschluß des volkswirthschaftlichen Ausschusses: "Ausnahmen können nur durch ein Reichsgesetz festgestellt werden", wird allen möglichen Ausnahmefällen Thor und Thür geöffnet. Der Redner ist gegen alle Ausnahmen.

Riesser (Lauenburg) empfiehlt den Ausdruck Postgeheimniß nach seinem und Trütschler's etc. Amendement. Es solle der §. nur vor Postmißbräuchen verwahren; nur deswegen gehört er in die Grundrechte. (Dürftiges Bravo.)

Eisenstuck will nur bemerken, daß es sich um das geistige Eigenthum eins der heiligsten Volksrechte handelt. Grundsätzlich ist er gegen alle Ausnahmefälle. Die Nachtheile, die die Verletzung des Prinzips bringen kann, werden durch einzelne Vortheile bei Ausnahmsfällen nicht aufgewogen. Empfiehlt das Minoritätserachten, wonach der §. schlichtweg heißt: Das Briefgeheimniß ist unverletzlich. - Die Veränderung von Brief in Post ist unpassend. Nur das Staatsinstitut ist dabei berücksichtigt. (Bravo. Schluß!)

Wesendock reicht einen Zusatz-Antrag ein: "Die Verletzung des Briefgeheimnisses ist an allen daran betheiligten Beamten nach Maaßgabe eines zu erlassenden Strafgesetzes zu strafen."

Wiesner (Oestreich.) Postgeheimniß ist ein unpassender Ausdruck. Die Post besitzt das Geheimniß nicht, der Brief trägt es in sich. (Anerkennung. Herr Stedtmann hat das Malheur, immer unpassende Amendements einzubringen.) Er ist gegen alle Ausnahmen. Wer die Gedanken eines anderen, für deren Beförderung er bezahlt wird, stiehlt, ist schlimmer als ein gewöhnlicher Dieb. (Heftiger Schlußruf.)

Frank (Oestreich). Ich bin sehr kurz, und halte sie nie sehr lange auf. Ausnahmen müssen stattfinden. Spricht für den Vorschlag des volkswirthschaftlichen Ausschusses.

Schluß der Debatte. Beseler als Berichterstatter, (für diesen nehme ich das Privileg in Anspruch, nur wenig zu notiren, sonst verlieren Sie ihre Leser) spricht vom technischen Sinne der Briefgeheimnisse, und für die Fassung des Verfassungsausschusses. Es ist doch besser, wenn ein Gesetz einigermaßen eine Garantie giebt (d.h. durch die Ausnahmefälle), als wenn man mit einer Phrase (so nennt Herr Beseler das Minoritätsgutachten) sich begnügt.

Abstimmung: Zuerst, ob es heißen soll: Briefgeheimniß oder Postgeheimniß. Antwort: Briefgeheimniß. Das "Postgeheimniß" des Herren Stedtmann und Konsorten ist verworfen.

Der erste Satz des Verfassungsausschusses: "Das Briefgeheimniß ist gewährleistet," wird angenommen.

Der zweite Punkt des Verfassungsausschusses, (s. oben) so wie der zweite Punkt des volkswirthschaftlichen Ausschusses (s. oben) ebenso Berger's und Wesendock's Amendements werden verworfen, dagegen Punkt 3 des Verfassungsausschusses fast einstimmig angenommen.

Somit lautet der Paragraph 9 also:

"Das Briefgeheimniß ist gewährleistet. Die Beschlagnahme von Briefen und Papieren darf nur auf Grund eines richterlichen Befehls vorgenommen werden."

Wesendonk. Ich habe gestern in der gesetzlichen Form eine schriftliche Interpellation an den Minister des Aeußern eingereicht. Herr Vogt hat ebenfalls zwei dergleichen an den Kriegsminister eingereicht. Meine Interpellation ist sehr wichtig. Sie bezieht sich auf die Deutschen, die an der Pariser letzten Insurrektion betheiligt, und über die bereits von der französischen Regierung verfügt wird. Auf keine dieser Interpellationen ist von den betreffenden Ministern geantwortet.

Gagern. Der Minister ist unschuldig. Ich habe Ihre Interpellation zu spät abgegeben. (In Folge des Kölner Zweckessens.)

Vogt frägt vom Platze, wie es sich mit den seinigen verhält, und bemerkt, die Minister müssen sich nach dem Gesetze richten.

Gagern verspricht mit dem Minister zu sprechen. (Damit ist die Sache wie gewöhnlich abgemacht.)

Tagesordnung: §. 10 der Grundrechte. Nach dem Verfassungsausschuß lautet er:

§. 10. 1. Jeder Deutsche hat das Recht, durch Wort und Schrift seine Meinung frei zu äußern.

2. Ueber Preßvergehen wird durch Schwurgerichte geurtheilt.

Minoritäts-Erachten. 1. Es sei der Schutz der Presse gegen den Nachdruck in den Grundrechten aufzunehmen. (Mühlfeld, R. Mohl, Hergenhahn, v. Beckerrath, Lasaulx.)

2 Die Preßfreiheit darf unter keinen Umständen und in keiner Weise, (namentlich weder durch die Censur, noch durch Konzessionen oder durch Sicherheitsstellungen) beschränkt, suspendirt oder aufgehoben werden.

Mittermayer. Ueber Preßfreiheit noch zu sprechen, ist zeitraubend. Ich freue mich über die politischen Errungenschaften, die wir der Märzrevolution verdanken. Die verschiedenen Preßgesetze der Einzelstaaten aber gehen mir zu weit auseinander. Gegen Verleger und Drucker kann ich die Härte vieler derselben nicht billigen. Die Unverantwortlichkeit der Redakteure ist nicht genug festgestellt. Auch mit den verschiedenen Bestrafungsarten bin ich nicht einverstanden. Alle Augenblicke muß ein Redakteur fürchten, ein Preßvergehen zu verüben. Der Beweis der Wahrheit eines Artikels muß frei sein. (Kein Zweiffel!) Schwurgerichte in dieser Beziehung billige ich, aber diese selbst müssen besser geordnet werden. Ich kann mir denken, daß es eine Art von Preßfreiheit giebt, die schlimmer ist als Censur. (Links: Bravo.) Er stellt einen Antrag, das Verfahren bei Preßvergehen durch ein Reichsgesetz zu ordnen.

Spatz aus Frankenthal. In Frankreich war zur Zeit Napoleons auch Preßfreiheit, aber Napoleon fand ein sehr bequemes Mittel, dieselbe durch ein willkührliches Dekret zu beschränken. Ebenso könnte man durch ähnliche Dekrete bei uns die Censur wieder einzuschmuggeln versuchen.

Römer aus Stuttgart schließt sich allen Anträgen an, die die Freiheit der Presse am meisten garantiren. (Bravo.) Auch in außerordentlichen Zeiten ist die Preßfreiheit nicht zu beschränken. (Bravo.)

Rheinwald empfiehlt seinen Antrag: "Jeder Deutsche hat das Recht, seine Meinung durch Rede und Schrift zu äußern."

Dahm aus Preußen beantragt auch Stempel und Auflagen auf Zeitungen aufzuheben. Es ist dies eine Geistessteuer.

Behr aus Bamberg, ganz unverständlich. Man ruft nach Schluß. Die Debatte wird geschlossen.

Wesendonk beantragt namentliche Abstimmung für das zweite Minoritätserachten.

Beseler, Berichterstatter: Man hätte diese Debatte zu schnell geschlossen. Deshalb muß er noch ausführlich sprechen. Es ist meine formelle Pflicht als Berichterstatter (nur formell?) scheinbar (?) immer für die Beschränkungen der Freiheit das Wort zu nehmen, so auch hier. Außer Mittermayer's Antrag erklärt er sich gegen alle Amendements inclusive der Minoritätsgutachten. Die Majorität sei bescheidener in ihren Ausdrücken gewesen. Er glaubt nicht, daß es gelingen wird, einer Regierung, wenn sie reaktionär, hindernd in den Weg zutreten. (Gelächter. Links: Ruf nach Schluß.)

Gagern: Lassen Sie den Redner ausreden.

Links: Stimme vom Platz: Wir erbitten uns desselbe Zeitmaß zum Sprechen.

Beseler: Ich schließe, weil ich fertig bin, (sehr gut!) nicht etwa weil diese Herren (links) es wünschen.

Abstimmung: Rheinwald's Antrag (s. oben) angenommen, wodurch der erste Punkt des Verfassungsausschusses erledigt ist.

Der zweite Punkt des Ausschusses (s. oben) wird vorbehaltlich aller zusätzlichen Anträge und der Minoritätserachten zur Abstimmung gebracht und angenommen.

Das zweite Minoritätserachten (s. oben) wird, unter lautem Bravo, mit großer Majorität angenommen, und hiernach nimmt die Linke ihre durch Wesendonk beantragte namentliche Abstimmung zurück.

Folgender Antrag von Trützschler, Schlöffel u. A.:

Bei dem § 10 in dem Minoritätserachten Nro. 14 die Worte "oder durch" zwischen "Concessionen" und "Sicherheitsstellungen" zu streichen, und statt dessen hinter dem letzteren Worte "oder durch Staatsauflagen" einzuschalten, wird angenommen.

Ein Antrag von Spatz:

Absatz 2 möge in folgender Weise gefaßt werden:

"Die Preßfreiheit darf weder durch Censur, noch durch Concessionen oder Sicherheitsstellungen, noch durch Beschränkungen der Druckereien oder des Buchhandels, noch durch Hemmungen des freien Verkehrs beschränkt werden", nebst einem zusätzlichen Antrag von Moritz Mohl:

"Die Preßfreiheit etc. etc. darf weder durch Postverbote noch andere Hemmungen des freien Verkehrs beschränkt werden", wird angenommen.

Ein Antrag von Raumer und Schubert: an die Stelle des Punkt 3 des Verfassungsausschusses "über Preßvergehen wird durch Schwurgerichte geurtheilt" die Worte zu setzen "über Preßvergehen wird durch Schwurgerichte nach einem zu erlassenden Reichsgesetze geurtheilt," wird angenommen. (Alle diese Abstimmungen werden von Bravoruf begleitet.)

Das erste Minoritätserachten, betreffend den Schutz der Presse gegen Nachdruck (s. oben) beschließt die Versammlung erst bei § 25 der Grundrechte zu berücksichtigen. - Demnach lautet § 10 in der heute sanctionirten Verfassung folgendermaßen:

"Jeder Deutsche hat das Recht, durch Wort und Schrift, Druck und bildliche Darstellungen etc. seine Meinung frei zu äußern.

Die Preßfreiheit darf unter keinen Umständen und in keiner Weise, namentlich weder durch die Censur, noch durch Concessionen oder Sicherheitstellungen, noch durch Staatsauflagen, noch durch Beschränkungen der Druckereien oder des Buchhandels, noch durch Postverbote und andere Hemmungen des freien Verkehrs beschränkt, suspendirt oder aufgehoben werden. - Ueber Preßvergehen wird durch Schwurgerichte nach einem zu erlassenden Reichsgesetze geurtheilt."

Einen Antrag Vogt's und Wesendonk's: "dies Preßgesetz gleich einer Kommission zur Sanctionirung zu übergeben", erkennt die Versammlung nicht als dringlich, weil Gagern und der Reichsjustizminister, Robert Mohl, sich dagegen aussprechen.

Ein zweiter Antrag: "den sofortigen Druck der einmal angenommenen Paragraphen der Grundrechte zu veranstaltten, um so dem Volke wenigstens vorläufig etwas zu bieten", wird auf Gagern's Rath ebenfalls verworfen. Derselbe meint, es könnte dies beim Volke zu Mißverständnissen Anlaß geben. Er verweist auf die zweite Berathung. (Vor welcher nämlich noch "Vereinbarung mit den Regierungen" möglich wäre. "Kühner Griff!")

Der Justizminister Mohl entschuldigt die Minister wegen der unbeantworteten Interpellationen. Dieselben wären noch nicht an die Minister gelangt! Auch hätten die Minister bei der vorläufigen unvollkommenen Einrichtung der Ministerien ganz furchtbar viel zu thun. Müßten alle Briefe selber schreiben, ja beinahe selbst auf die Post tragen! (Hr. Stedtmann weint, und wird bald von den Gehältern sprechen.) Uebrigens hätten sie in einem Briefe (von dem Niemand etwas weiß) der Versammlung für nächste Woche einen Tag festgestellt, wo sie alle Interpellationen auf Einmal (summarisch) beantworten würden.

Der Vicepräsident erstattet Bericht über die neuesten Urlaubsgesuche. Er sind ihrer neunzehn. Einige davon sind seltsam motivirt, z.B. Einer (von den Deutsch-Polen) will seine Familie nach Frankfurt abholen. Ein Anderer ist von den Geschäften angegriffen. Ein Dritter hat zu Hause Geschäfte mit seinem Bruder. (Man wird an ein bekanntes Evangelium erinnert.)

Fuchs (der schlaue Jurist) will bestimmte Urlaubsgrundsätze; wird unterbrochen und ruft empört aus: Dixi et salvavi animam meam!

R. R. frägt den Präsidenten, was an dem Gerücht wäre, daß im September die Versammlung wegen Heizung der Paulskirche, sich vertagen würde.

Gagern weiß nichts davon, und ist der Meinung, eine konstituirende Versammlung dürfe sich nicht vertagen.

Schluß der Sitzung. Sonnabend und Sonntag Erholungstage. Tagesordnung für Montag: Diskussion über einige durch Vischer aus Tübingen eingereichte Anträge, betreffend: beschleunigte und veränderte Verfahrungsweise bei der Berathung der Grundrechte.

pp Frankfurt, 19. Aug.

Die ihre Führer und Getreuen mit Stellen beglückende Majorität der Nationalversammlung hatte Herrn Lichnowsky zu des deutschen Reichs würdigen Gesandten in Petersburg bestimmt, und die glückliche Wahl war bereits von dem Reichsverweser huldvoll gebilligt worden. Ministerpräsident Leiningen jedoch erklärte sich dagegen, und verlangte eventuell für den Fall von Lichnowsky's Ernennung seine Entlassung. Der Reichsverweser hat darauf die Sache von der Hand gewiesen, da er Herrn Leiningen aus verschiedenen Gründen nicht verlieren will. - Herr Leiningen geht, wie wir aus guter Quelle erfahren, mit großen Plänen um. Als Mediatisirter ist derselbe kein sehr begeisterter Freund der regierenden Fürsten, die ihn aus ihren Reihen drängten. Herr Leiningen beabsichtigt nun, als Gegendienst ebenfalls mehrere kleine Fürsten zu mediatisiren, und gedenkt, trotz des bisherigen Widerspruchs der übrigen Minister, binnen wenigen Wochen die 38 Deutschländer auf 20 zu reduziren. Uebrigens ist die Ernennung des Herrn Leiningen zum Ministerpräsidenten für die deutschen Interessen im Ausland ebenso erfreulich, wie es die von der Times so freudig begrüßte Ernennung des Ritter Bunsen zum Reichsgesandten in England sein würde; Herr Leiningen, der nahe Verwandte der Königin von England, wird den deutschen Handel den Engländern gegenüber nicht minder emporheben, wie Herr Bunsen bereits früher die Interessen der Industrie und der Katholiken vertreten hat.

28 Düsseldorf, 19. August.

Die Leichenfeier des gefallenen Füseliers vom 13. Infanterie-Regiment fand gestern Morgen statt; Bürger und Militärs wechselten in dem unabsehbaren Zuge ab; auf dem Friedhofe hielt der Divisionsprediger eine versöhnende Rede. Man will Subscriptionslisten zum Besten der verwittweten Mutter des Bestatteten circuliren lassen.

Jetzt, wo sich allmälig die moralischen Folgen des 14. Aug. zeigen, muß ich noch zwei wichtige Momente meinen Berichten nachtragen und zwar zuerst, daß der Gemeinderath am 10. d. mit 8 gegen 7 Stimmen die Nichtbegrüßung des Königs beschloß, dieser Beschluß aber in einer andern Sitzung, als von einer incompetenten Zahl gefaßt, umgestoßen und das Gegentheil mit 21 gegen 8 Stimmen durchgesetzt wurde; ferner, daß in den königlichen Wagen am Hotel des Prinzen Dreck geworfen worden sein soll. Letzteres wird zwar widerstritten von Vielen, ist aber von dem größten Theile der Bewohner als unumstößliches Faktum angenommen und ist die Waffe, womit eine gewisse Partei ihre Pläne vertheidigt. Geben Sie wohl Acht, wie genial dasselbe benutzt wird; erstens heißt es, diese Rohheit (die doch vernünftigerweise nur dem Muthwillen eines Gassenbuben zuzuschreiben ist) rührt von jener frechen ehrlosen Partei her und dient zu ihrer schönen Charakteristik; zweitens ist nur das Benehmen der Bürgerwehr daran Schuld, denn wenn dieselbe Parade gehalten hätte, hätte Keiner gemurrt und gepfiffen, und gewiß hätte es kein Straßenjunge gewagt, Dreck in den Wagen zu werfen (was sagen Sie zu dieser Logik?) und am schlimmsten haben sich die 8 Gemeinderathsmitglieder versündigt, weil sie durch ihr schamloses Abstimmen Aergerniß gegeben. So lautet das Raisonnement des gutgesinnten Bürgers, der gestern mit zur Leiche ging; ich enthalte mich einstweilen weiterer Reflexionen, da man ohne Zweifel bald mit Machinationen gegen Bürgerwehr und die 8 Gemeinderathsmitglieder hervortreten und mir so eine bessere Gelegenheit geben wird, daran anzuknüpfen.

103 Berlin, 18. Aug.

Durch die vom "Preußenverein für constitutionelles Königthum" an seine preußischen Brüder in den Provinzen zugesandte Statuten dieses Vereins und einer angehängten Einladung zum Beitritt sind die anarchischen und reaktionären Bestrebungen dieses Vereins, welcher unter der Vorgabe, die vom Könige verheißene constitutionelle Verfassung durch Wort und That zu fördern, in Wahrheit aber volks- und staatsfeindliche Tendenzen verfolgt, recht ans Tageslicht gekommen. Der Preußenverein stellt den "alten" preußischen patriotischen Sinn als das höchste erstrebenswerthe Endziel eines jeden Preußen hin; erfüllt von ihm "weint er," wie er sagt, "der Monarchie des großen Friedrich nach!" [Fortsetzung]

[Fortsetzung] nete nicht zu einem kalten rücksichtslosen Publikum, sondern zu seinen Stadt- und Standesgenossen sprach, zu Leuten, mit denen er Billard gespielt, Wein getrunken und Mummenschanz getrieben hatte. In bei weitem größeres Erstaunen setzt uns die andere Behauptung, daß die Stadt Köln nur deshalb einen so ewig denkwürdigen Tag erlebt habe, weil sie gerade Niemand anders als den Hrn. Raveaux zum Deputirten wählte. Wir haben belgische Deputirte, wir haben viele französische Abgeordnete und wir haben noch mehr englische Parlamentsmitglieder zu ihren Wählern reden hören, aber wir müssen gestehen, es ist uns bei solchen Gelegenheiten nie eine so eitle und selbstüberschätzende Bemerkung zu Ohren gekommen.

Als der große Sir Robert Peel neuerdings wieder in Tamworth gewählt wurde, da sagte er nicht zu seinen Wählern: Bürger von Tamworth, ihr habt einen ewig denkwürdigen Tag erlebt, weil ihr mich, den großen Sir Robert Peel, zu eurem Abgeordneten wähltet - nein, Sir Robert sprach: Bürger von Tamworth ich danke euch, daß ihr mich wähltet und ich werde suchen, mich dieser Wahl würdig zu machen. So sprach Sir Robert Peel, der erste Mann Englands, einer der ersten Redner der Welt, der seit dreißig Jahren die Geschicke seines Vaterlandes lenkt, der mit eiserner Faust das britische Scepter zu Ehren brachte in Europa, in halb Asien, in Australien und Amerika.

Ein Mann wie Sir Robert war bescheidener als Raveaux, bescheidener wie der Mann, der nach einer allerdings anzuerkennenden lokalen Wirksamkeit sich erst die parlamentarischen Sporen zu verdienen sucht!

Raveaux ist jetzt für einige Zeit von Frankfurt zurückgekehrt. Die Ansichten über seine dortige Thätigkeit sind sehr getheilt; jedenfalls scheint man aber darüber einverstanden zu sein, daß er der Rechten eben so wenig schadete, wie er der Linken wenig nutzte. Im Vorparlamente an den Republikaner streifend, hat der ehrenwerthe Abgeordnete später durch seine Unschlüssigkeit und durch seinen Mangel an Energie einen Antrag aufgeben müssen, der dem Vaterlande von unendlichem Nutzen sein und dem ehrenwethen Antragsteller bei kräftigerem Auftreten zu unsterblichem Ruhme gereichen konnte, so wie später, wir bedauern es aufrichtig, in Betreff des französischen Votums nicht aus eigenem demokratischen Instinkt gehandelt, sondern nur mit vorbereitetem Enthusiasmus den Auftrag einer parlamentarischen Coterie ausgeführt.

Nichtsdestoweniger erkennen wir das Gute der Raveaux'schen Thätigkeit gern an. Aber dafür hat er denn auch den Dank seiner Vaterstadt in einem Empfang geärntet, wie ihn Könige und Kaiser nicht besser verlangen konnten. Es machte einen eigenthümlichen Eindruck auf uns, als wir bei der neulichen Ankunft Raveaux auf der Brücke unseres schönen Stromes standen, und seine Wellen von Feuer wogen, den Himmel von Raketen sprühen und die alte graue Stadt plötzlich von Fackeln und Lichtern taghell beleuchtet sahen, als wir den Jubelruf vieler Tausende vernahmen, die sich hin- und herüber drängten und als wir dann mit einem Male daran dachten, wie man noch vor wenigen Wochen, statt aller dieser Festlichkeiten einen Mann wie Camphausen mit nichts anderm als damit erfreute - daß man ihm die Fenster einwarf!

Raveaux und Camphausen - Camphausen und Raveaux! Wir haben gewiß nicht zu denen gehört, die dem Ministerpräsidenten, während seiner kurzen Herrschaft Rosen und Lorbeern streuten; wenn irgend ein Organ die Schwäche des Herrn Camphausen zu rügen wußte, so war es das unsrige - aber Herrn Camphausen mit Raveaux vergleichen - wir müssen gestehen, wir möchten es nicht wagen!

Doch genug. Der Repräsentant des Kleinbürgerthums hat sich wohl gehütet, des Falls des Repräsentanten der hohen Bourgeoisie zu gedenken. Wie Herr Raveaux nach jenem Brühler Feste erklärte, daß die Stadt Köln einen ewig denkwürdigen Tag erlebt habe, weil sie ihn zum Deputirten wählte, so hat er neulich nach jenem brillanten Empfang seinen gutmüthigen Wählern erklärt, daß sie durch eine derartige solenne Aufnahme seine Verdienste nur gebührend anerkannt hätten. Wir überlassen den Herrn Raveaux seiner eignen Klugheit und der Aufmerksamkeit seiner Wähler; wir warnen ihnen aber vor seiner Eitelkeit und vor seiner Selbstüberschätzung. Es sollte uns leid thun, wenn der gesunde Menschenverstand und das gefällige Talent des Herrn Raveaux einmal auf eine zu harte staatsmännische Probe gestellt würde, und wenn dann der ehrenwerthe Deputirte strauchelte und unsre wohlwollende Kritik von einer schärfern Feder fortgesetzt werden müßte, und die Bonhomie alter Billard- und Fastnachtsgenossen, durch die Eitelkeit des großen Deputirten verletzt, sich in Spotten und Lächeln verwandelte und aus den Fackelzügen düstre verdrießliche Nächte würden, aus den Jubelouvertüren Katzenmusiken und aus dem berühmten kölnischen Staatsmann ein enttäuschter Parvenü.

O das wäre sehr schlimm! Da werden die lieblichen Frauen und Mädchen nicht mehr aus den Tassen trinken, auf denen ihr Raveaux steht; da werden die lustigen Burschen die Pfeifenköpfe zerbrechen auf denen das interessante schnurrbärtige Antlitz ihres alten Freundes strahlt und da wird der Ruhm des großen Mannes verrauchen wie der Tabak, den sein bleiches Bildniß schmückt.

Ja wahrhaftig, die Eau de Cologne wird dann zuletzt noch berühmter bleiben als Herr Raveaux.

Ich bitte meine Leser auf's demüthigste um Verzeihung, daß ich von Herrn Raveaux nicht schon längst zu viel wichtigern Personen und Sachen übergegangen bin. Aber Herr Raveaux ist nun einmal ein Abgeordneter - -

Wir waren langmüthig mit unsern Fürsten und wir sind elend gewesen Jahrhunderte lang. Begehen wir nicht dieselbe Thorheit mit unsern Deputirten!

Herr Raveaux hielt auf dem Domfest des Gürzenich eine unbedeutende Rede.

(Forts. folgt.)

Die Vergnügungsreihe der Herren der Nationalversammlung zum Dombaufeste in Köln kostet dem deutschen Volke circa fl. 9,500.

Deutsche Reichstags-Zeitung von Robert Blum.

[Deutschland]
!!! Frankfurt, 18. Aug.

62. Sitzung der Nationalversammlung. Präsident: v. Gagern.

Nach Genehmigung des Protokolls zeigt der Präsident den Austritt von 6 Mitgliedern der Versammlung an, Beinhauer, Oestreich, Jaupp Ranzoni u. s. w.

Tagesordnung: §. 9 ter Grundrechte.

1. Das Briefgeheimniß ist gewährleistet. 2. Die bei strafgerichtlichen Untersuchungen und in Kriegsfällen nothwendigen Beschränkungen sind durch die Gesetzgebung festzustellen. 3. Die Beschlagnahme von Briefen und Papieren darf nur auf Grund eines richterlichen Befehls vorgenommen werden.

Hierzu die Verbesserungs-Vorschläge des volkswirthschaftlichen Ausschusses. 1. Das Briefgeheimniß ist unverletzlich. 2. Ausnahmen können nur durch ein Reichsgesetz festgestellt werden.

Minoritätsantrag: Das Briefgeheimniß ist unverletzlich.

Außerdem einzelne Amendements.

Cnyrim. (Kurhessen.) Er erinnert an das Kabinet noir, worin vorzüglich Minister und Beamte ihre höhere Stellungen mißbrauchten, um sich in den Besitz von Briefgeheimnissen zu setzen. England, schließt der Redner, wollen wir in der Staatsweisheit nacheifern, in der Staatsmoral übertreffen.

Trütschler, Stedtmann, Rieser etc. reichen ein Amendent ein, statt Briefgeheimniß Postgeheimniß zu setzen.

Grüel aus Burg ist mit diesen drei Herren nicht einverstanden. Nicht bloß Postbriefe, sondern alle Briefe sind unverletzlich. Stellt den Verbesserungs-Antrag:

Die hohe Nationalversammlung wolle beschließen, den §. 9 in folgender Fassung anzunehmen:

Das Briefgeheimniß ist gewährleistet. Die Beschlagnahme eines Briefes ist nur zulässig zum Zwecke der Verhütung oder Verfolgung eines bestimmten Verbrechens. Jeder in Beschlag genommene Brief muß sofort und spätestens binnen 24 Stunden einem Richter übergeben werden. Nur der Richter darf die Oeffnung eines solchen Briefes nach Maaßgabe der Gesetze verfügen.

Osterrath vertheidigt das Minoritätserachten des volkswirthschaftlichen Ausschusses. Durch den Majoritätsbeschluß des volkswirthschaftlichen Ausschusses: „Ausnahmen können nur durch ein Reichsgesetz festgestellt werden“, wird allen möglichen Ausnahmefällen Thor und Thür geöffnet. Der Redner ist gegen alle Ausnahmen.

Riesser (Lauenburg) empfiehlt den Ausdruck Postgeheimniß nach seinem und Trütschler's etc. Amendement. Es solle der §. nur vor Postmißbräuchen verwahren; nur deswegen gehört er in die Grundrechte. (Dürftiges Bravo.)

Eisenstuck will nur bemerken, daß es sich um das geistige Eigenthum eins der heiligsten Volksrechte handelt. Grundsätzlich ist er gegen alle Ausnahmefälle. Die Nachtheile, die die Verletzung des Prinzips bringen kann, werden durch einzelne Vortheile bei Ausnahmsfällen nicht aufgewogen. Empfiehlt das Minoritätserachten, wonach der §. schlichtweg heißt: Das Briefgeheimniß ist unverletzlich. ‒ Die Veränderung von Brief in Post ist unpassend. Nur das Staatsinstitut ist dabei berücksichtigt. (Bravo. Schluß!)

Wesendock reicht einen Zusatz-Antrag ein: „Die Verletzung des Briefgeheimnisses ist an allen daran betheiligten Beamten nach Maaßgabe eines zu erlassenden Strafgesetzes zu strafen.“

Wiesner (Oestreich.) Postgeheimniß ist ein unpassender Ausdruck. Die Post besitzt das Geheimniß nicht, der Brief trägt es in sich. (Anerkennung. Herr Stedtmann hat das Malheur, immer unpassende Amendements einzubringen.) Er ist gegen alle Ausnahmen. Wer die Gedanken eines anderen, für deren Beförderung er bezahlt wird, stiehlt, ist schlimmer als ein gewöhnlicher Dieb. (Heftiger Schlußruf.)

Frank (Oestreich). Ich bin sehr kurz, und halte sie nie sehr lange auf. Ausnahmen müssen stattfinden. Spricht für den Vorschlag des volkswirthschaftlichen Ausschusses.

Schluß der Debatte. Beseler als Berichterstatter, (für diesen nehme ich das Privileg in Anspruch, nur wenig zu notiren, sonst verlieren Sie ihre Leser) spricht vom technischen Sinne der Briefgeheimnisse, und für die Fassung des Verfassungsausschusses. Es ist doch besser, wenn ein Gesetz einigermaßen eine Garantie giebt (d.h. durch die Ausnahmefälle), als wenn man mit einer Phrase (so nennt Herr Beseler das Minoritätsgutachten) sich begnügt.

Abstimmung: Zuerst, ob es heißen soll: Briefgeheimniß oder Postgeheimniß. Antwort: Briefgeheimniß. Das „Postgeheimniß“ des Herren Stedtmann und Konsorten ist verworfen.

Der erste Satz des Verfassungsausschusses: „Das Briefgeheimniß ist gewährleistet,“ wird angenommen.

Der zweite Punkt des Verfassungsausschusses, (s. oben) so wie der zweite Punkt des volkswirthschaftlichen Ausschusses (s. oben) ebenso Berger's und Wesendock's Amendements werden verworfen, dagegen Punkt 3 des Verfassungsausschusses fast einstimmig angenommen.

Somit lautet der Paragraph 9 also:

„Das Briefgeheimniß ist gewährleistet. Die Beschlagnahme von Briefen und Papieren darf nur auf Grund eines richterlichen Befehls vorgenommen werden.“

Wesendonk. Ich habe gestern in der gesetzlichen Form eine schriftliche Interpellation an den Minister des Aeußern eingereicht. Herr Vogt hat ebenfalls zwei dergleichen an den Kriegsminister eingereicht. Meine Interpellation ist sehr wichtig. Sie bezieht sich auf die Deutschen, die an der Pariser letzten Insurrektion betheiligt, und über die bereits von der französischen Regierung verfügt wird. Auf keine dieser Interpellationen ist von den betreffenden Ministern geantwortet.

Gagern. Der Minister ist unschuldig. Ich habe Ihre Interpellation zu spät abgegeben. (In Folge des Kölner Zweckessens.)

Vogt frägt vom Platze, wie es sich mit den seinigen verhält, und bemerkt, die Minister müssen sich nach dem Gesetze richten.

Gagern verspricht mit dem Minister zu sprechen. (Damit ist die Sache wie gewöhnlich abgemacht.)

Tagesordnung: §. 10 der Grundrechte. Nach dem Verfassungsausschuß lautet er:

§. 10. 1. Jeder Deutsche hat das Recht, durch Wort und Schrift seine Meinung frei zu äußern.

2. Ueber Preßvergehen wird durch Schwurgerichte geurtheilt.

Minoritäts-Erachten. 1. Es sei der Schutz der Presse gegen den Nachdruck in den Grundrechten aufzunehmen. (Mühlfeld, R. Mohl, Hergenhahn, v. Beckerrath, Lasaulx.)

2 Die Preßfreiheit darf unter keinen Umständen und in keiner Weise, (namentlich weder durch die Censur, noch durch Konzessionen oder durch Sicherheitsstellungen) beschränkt, suspendirt oder aufgehoben werden.

Mittermayer. Ueber Preßfreiheit noch zu sprechen, ist zeitraubend. Ich freue mich über die politischen Errungenschaften, die wir der Märzrevolution verdanken. Die verschiedenen Preßgesetze der Einzelstaaten aber gehen mir zu weit auseinander. Gegen Verleger und Drucker kann ich die Härte vieler derselben nicht billigen. Die Unverantwortlichkeit der Redakteure ist nicht genug festgestellt. Auch mit den verschiedenen Bestrafungsarten bin ich nicht einverstanden. Alle Augenblicke muß ein Redakteur fürchten, ein Preßvergehen zu verüben. Der Beweis der Wahrheit eines Artikels muß frei sein. (Kein Zweiffel!) Schwurgerichte in dieser Beziehung billige ich, aber diese selbst müssen besser geordnet werden. Ich kann mir denken, daß es eine Art von Preßfreiheit giebt, die schlimmer ist als Censur. (Links: Bravo.) Er stellt einen Antrag, das Verfahren bei Preßvergehen durch ein Reichsgesetz zu ordnen.

Spatz aus Frankenthal. In Frankreich war zur Zeit Napoleons auch Preßfreiheit, aber Napoleon fand ein sehr bequemes Mittel, dieselbe durch ein willkührliches Dekret zu beschränken. Ebenso könnte man durch ähnliche Dekrete bei uns die Censur wieder einzuschmuggeln versuchen.

Römer aus Stuttgart schließt sich allen Anträgen an, die die Freiheit der Presse am meisten garantiren. (Bravo.) Auch in außerordentlichen Zeiten ist die Preßfreiheit nicht zu beschränken. (Bravo.)

Rheinwald empfiehlt seinen Antrag: „Jeder Deutsche hat das Recht, seine Meinung durch Rede und Schrift zu äußern.“

Dahm aus Preußen beantragt auch Stempel und Auflagen auf Zeitungen aufzuheben. Es ist dies eine Geistessteuer.

Behr aus Bamberg, ganz unverständlich. Man ruft nach Schluß. Die Debatte wird geschlossen.

Wesendonk beantragt namentliche Abstimmung für das zweite Minoritätserachten.

Beseler, Berichterstatter: Man hätte diese Debatte zu schnell geschlossen. Deshalb muß er noch ausführlich sprechen. Es ist meine formelle Pflicht als Berichterstatter (nur formell?) scheinbar (?) immer für die Beschränkungen der Freiheit das Wort zu nehmen, so auch hier. Außer Mittermayer's Antrag erklärt er sich gegen alle Amendements inclusive der Minoritätsgutachten. Die Majorität sei bescheidener in ihren Ausdrücken gewesen. Er glaubt nicht, daß es gelingen wird, einer Regierung, wenn sie reaktionär, hindernd in den Weg zutreten. (Gelächter. Links: Ruf nach Schluß.)

Gagern: Lassen Sie den Redner ausreden.

Links: Stimme vom Platz: Wir erbitten uns desselbe Zeitmaß zum Sprechen.

Beseler: Ich schließe, weil ich fertig bin, (sehr gut!) nicht etwa weil diese Herren (links) es wünschen.

Abstimmung: Rheinwald's Antrag (s. oben) angenommen, wodurch der erste Punkt des Verfassungsausschusses erledigt ist.

Der zweite Punkt des Ausschusses (s. oben) wird vorbehaltlich aller zusätzlichen Anträge und der Minoritätserachten zur Abstimmung gebracht und angenommen.

Das zweite Minoritätserachten (s. oben) wird, unter lautem Bravo, mit großer Majorität angenommen, und hiernach nimmt die Linke ihre durch Wesendonk beantragte namentliche Abstimmung zurück.

Folgender Antrag von Trützschler, Schlöffel u. A.:

Bei dem § 10 in dem Minoritätserachten Nro. 14 die Worte „oder durch“ zwischen „Concessionen“ und „Sicherheitsstellungen“ zu streichen, und statt dessen hinter dem letzteren Worte „oder durch Staatsauflagen“ einzuschalten, wird angenommen.

Ein Antrag von Spatz:

Absatz 2 möge in folgender Weise gefaßt werden:

„Die Preßfreiheit darf weder durch Censur, noch durch Concessionen oder Sicherheitsstellungen, noch durch Beschränkungen der Druckereien oder des Buchhandels, noch durch Hemmungen des freien Verkehrs beschränkt werden“, nebst einem zusätzlichen Antrag von Moritz Mohl:

„Die Preßfreiheit etc. etc. darf weder durch Postverbote noch andere Hemmungen des freien Verkehrs beschränkt werden“, wird angenommen.

Ein Antrag von Raumer und Schubert: an die Stelle des Punkt 3 des Verfassungsausschusses „über Preßvergehen wird durch Schwurgerichte geurtheilt“ die Worte zu setzen „über Preßvergehen wird durch Schwurgerichte nach einem zu erlassenden Reichsgesetze geurtheilt,“ wird angenommen. (Alle diese Abstimmungen werden von Bravoruf begleitet.)

Das erste Minoritätserachten, betreffend den Schutz der Presse gegen Nachdruck (s. oben) beschließt die Versammlung erst bei § 25 der Grundrechte zu berücksichtigen. ‒ Demnach lautet § 10 in der heute sanctionirten Verfassung folgendermaßen:

„Jeder Deutsche hat das Recht, durch Wort und Schrift, Druck und bildliche Darstellungen etc. seine Meinung frei zu äußern.

Die Preßfreiheit darf unter keinen Umständen und in keiner Weise, namentlich weder durch die Censur, noch durch Concessionen oder Sicherheitstellungen, noch durch Staatsauflagen, noch durch Beschränkungen der Druckereien oder des Buchhandels, noch durch Postverbote und andere Hemmungen des freien Verkehrs beschränkt, suspendirt oder aufgehoben werden. ‒ Ueber Preßvergehen wird durch Schwurgerichte nach einem zu erlassenden Reichsgesetze geurtheilt.“

Einen Antrag Vogt's und Wesendonk's: „dies Preßgesetz gleich einer Kommission zur Sanctionirung zu übergeben“, erkennt die Versammlung nicht als dringlich, weil Gagern und der Reichsjustizminister, Robert Mohl, sich dagegen aussprechen.

Ein zweiter Antrag: „den sofortigen Druck der einmal angenommenen Paragraphen der Grundrechte zu veranstaltten, um so dem Volke wenigstens vorläufig etwas zu bieten“, wird auf Gagern's Rath ebenfalls verworfen. Derselbe meint, es könnte dies beim Volke zu Mißverständnissen Anlaß geben. Er verweist auf die zweite Berathung. (Vor welcher nämlich noch „Vereinbarung mit den Regierungen“ möglich wäre. „Kühner Griff!“)

Der Justizminister Mohl entschuldigt die Minister wegen der unbeantworteten Interpellationen. Dieselben wären noch nicht an die Minister gelangt! Auch hätten die Minister bei der vorläufigen unvollkommenen Einrichtung der Ministerien ganz furchtbar viel zu thun. Müßten alle Briefe selber schreiben, ja beinahe selbst auf die Post tragen! (Hr. Stedtmann weint, und wird bald von den Gehältern sprechen.) Uebrigens hätten sie in einem Briefe (von dem Niemand etwas weiß) der Versammlung für nächste Woche einen Tag festgestellt, wo sie alle Interpellationen auf Einmal (summarisch) beantworten würden.

Der Vicepräsident erstattet Bericht über die neuesten Urlaubsgesuche. Er sind ihrer neunzehn. Einige davon sind seltsam motivirt, z.B. Einer (von den Deutsch-Polen) will seine Familie nach Frankfurt abholen. Ein Anderer ist von den Geschäften angegriffen. Ein Dritter hat zu Hause Geschäfte mit seinem Bruder. (Man wird an ein bekanntes Evangelium erinnert.)

Fuchs (der schlaue Jurist) will bestimmte Urlaubsgrundsätze; wird unterbrochen und ruft empört aus: Dixi et salvavi animam meam!

R. R. frägt den Präsidenten, was an dem Gerücht wäre, daß im September die Versammlung wegen Heizung der Paulskirche, sich vertagen würde.

Gagern weiß nichts davon, und ist der Meinung, eine konstituirende Versammlung dürfe sich nicht vertagen.

Schluß der Sitzung. Sonnabend und Sonntag Erholungstage. Tagesordnung für Montag: Diskussion über einige durch Vischer aus Tübingen eingereichte Anträge, betreffend: beschleunigte und veränderte Verfahrungsweise bei der Berathung der Grundrechte.

pp Frankfurt, 19. Aug.

Die ihre Führer und Getreuen mit Stellen beglückende Majorität der Nationalversammlung hatte Herrn Lichnowsky zu des deutschen Reichs würdigen Gesandten in Petersburg bestimmt, und die glückliche Wahl war bereits von dem Reichsverweser huldvoll gebilligt worden. Ministerpräsident Leiningen jedoch erklärte sich dagegen, und verlangte eventuell für den Fall von Lichnowsky's Ernennung seine Entlassung. Der Reichsverweser hat darauf die Sache von der Hand gewiesen, da er Herrn Leiningen aus verschiedenen Gründen nicht verlieren will. ‒ Herr Leiningen geht, wie wir aus guter Quelle erfahren, mit großen Plänen um. Als Mediatisirter ist derselbe kein sehr begeisterter Freund der regierenden Fürsten, die ihn aus ihren Reihen drängten. Herr Leiningen beabsichtigt nun, als Gegendienst ebenfalls mehrere kleine Fürsten zu mediatisiren, und gedenkt, trotz des bisherigen Widerspruchs der übrigen Minister, binnen wenigen Wochen die 38 Deutschländer auf 20 zu reduziren. Uebrigens ist die Ernennung des Herrn Leiningen zum Ministerpräsidenten für die deutschen Interessen im Ausland ebenso erfreulich, wie es die von der Times so freudig begrüßte Ernennung des Ritter Bunsen zum Reichsgesandten in England sein würde; Herr Leiningen, der nahe Verwandte der Königin von England, wird den deutschen Handel den Engländern gegenüber nicht minder emporheben, wie Herr Bunsen bereits früher die Interessen der Industrie und der Katholiken vertreten hat.

28 Düsseldorf, 19. August.

Die Leichenfeier des gefallenen Füseliers vom 13. Infanterie-Regiment fand gestern Morgen statt; Bürger und Militärs wechselten in dem unabsehbaren Zuge ab; auf dem Friedhofe hielt der Divisionsprediger eine versöhnende Rede. Man will Subscriptionslisten zum Besten der verwittweten Mutter des Bestatteten circuliren lassen.

Jetzt, wo sich allmälig die moralischen Folgen des 14. Aug. zeigen, muß ich noch zwei wichtige Momente meinen Berichten nachtragen und zwar zuerst, daß der Gemeinderath am 10. d. mit 8 gegen 7 Stimmen die Nichtbegrüßung des Königs beschloß, dieser Beschluß aber in einer andern Sitzung, als von einer incompetenten Zahl gefaßt, umgestoßen und das Gegentheil mit 21 gegen 8 Stimmen durchgesetzt wurde; ferner, daß in den königlichen Wagen am Hotel des Prinzen Dreck geworfen worden sein soll. Letzteres wird zwar widerstritten von Vielen, ist aber von dem größten Theile der Bewohner als unumstößliches Faktum angenommen und ist die Waffe, womit eine gewisse Partei ihre Pläne vertheidigt. Geben Sie wohl Acht, wie genial dasselbe benutzt wird; erstens heißt es, diese Rohheit (die doch vernünftigerweise nur dem Muthwillen eines Gassenbuben zuzuschreiben ist) rührt von jener frechen ehrlosen Partei her und dient zu ihrer schönen Charakteristik; zweitens ist nur das Benehmen der Bürgerwehr daran Schuld, denn wenn dieselbe Parade gehalten hätte, hätte Keiner gemurrt und gepfiffen, und gewiß hätte es kein Straßenjunge gewagt, Dreck in den Wagen zu werfen (was sagen Sie zu dieser Logik?) und am schlimmsten haben sich die 8 Gemeinderathsmitglieder versündigt, weil sie durch ihr schamloses Abstimmen Aergerniß gegeben. So lautet das Raisonnement des gutgesinnten Bürgers, der gestern mit zur Leiche ging; ich enthalte mich einstweilen weiterer Reflexionen, da man ohne Zweifel bald mit Machinationen gegen Bürgerwehr und die 8 Gemeinderathsmitglieder hervortreten und mir so eine bessere Gelegenheit geben wird, daran anzuknüpfen.

103 Berlin, 18. Aug.

Durch die vom „Preußenverein für constitutionelles Königthum“ an seine preußischen Brüder in den Provinzen zugesandte Statuten dieses Vereins und einer angehängten Einladung zum Beitritt sind die anarchischen und reaktionären Bestrebungen dieses Vereins, welcher unter der Vorgabe, die vom Könige verheißene constitutionelle Verfassung durch Wort und That zu fördern, in Wahrheit aber volks- und staatsfeindliche Tendenzen verfolgt, recht ans Tageslicht gekommen. Der Preußenverein stellt den „alten“ preußischen patriotischen Sinn als das höchste erstrebenswerthe Endziel eines jeden Preußen hin; erfüllt von ihm „weint er,“ wie er sagt, „der Monarchie des großen Friedrich nach!“ [Fortsetzung]

[Fortsetzung] nete nicht zu einem kalten rücksichtslosen Publikum, sondern zu seinen Stadt- und Standesgenossen sprach, zu Leuten, mit denen er Billard gespielt, Wein getrunken und Mummenschanz getrieben hatte. In bei weitem größeres Erstaunen setzt uns die andere Behauptung, daß die Stadt Köln nur deshalb einen so ewig denkwürdigen Tag erlebt habe, weil sie gerade Niemand anders als den Hrn. Raveaux zum Deputirten wählte. Wir haben belgische Deputirte, wir haben viele französische Abgeordnete und wir haben noch mehr englische Parlamentsmitglieder zu ihren Wählern reden hören, aber wir müssen gestehen, es ist uns bei solchen Gelegenheiten nie eine so eitle und selbstüberschätzende Bemerkung zu Ohren gekommen.

Als der große Sir Robert Peel neuerdings wieder in Tamworth gewählt wurde, da sagte er nicht zu seinen Wählern: Bürger von Tamworth, ihr habt einen ewig denkwürdigen Tag erlebt, weil ihr mich, den großen Sir Robert Peel, zu eurem Abgeordneten wähltet ‒ nein, Sir Robert sprach: Bürger von Tamworth ich danke euch, daß ihr mich wähltet und ich werde suchen, mich dieser Wahl würdig zu machen. So sprach Sir Robert Peel, der erste Mann Englands, einer der ersten Redner der Welt, der seit dreißig Jahren die Geschicke seines Vaterlandes lenkt, der mit eiserner Faust das britische Scepter zu Ehren brachte in Europa, in halb Asien, in Australien und Amerika.

Ein Mann wie Sir Robert war bescheidener als Raveaux, bescheidener wie der Mann, der nach einer allerdings anzuerkennenden lokalen Wirksamkeit sich erst die parlamentarischen Sporen zu verdienen sucht!

Raveaux ist jetzt für einige Zeit von Frankfurt zurückgekehrt. Die Ansichten über seine dortige Thätigkeit sind sehr getheilt; jedenfalls scheint man aber darüber einverstanden zu sein, daß er der Rechten eben so wenig schadete, wie er der Linken wenig nutzte. Im Vorparlamente an den Republikaner streifend, hat der ehrenwerthe Abgeordnete später durch seine Unschlüssigkeit und durch seinen Mangel an Energie einen Antrag aufgeben müssen, der dem Vaterlande von unendlichem Nutzen sein und dem ehrenwethen Antragsteller bei kräftigerem Auftreten zu unsterblichem Ruhme gereichen konnte, so wie später, wir bedauern es aufrichtig, in Betreff des französischen Votums nicht aus eigenem demokratischen Instinkt gehandelt, sondern nur mit vorbereitetem Enthusiasmus den Auftrag einer parlamentarischen Coterie ausgeführt.

Nichtsdestoweniger erkennen wir das Gute der Raveaux'schen Thätigkeit gern an. Aber dafür hat er denn auch den Dank seiner Vaterstadt in einem Empfang geärntet, wie ihn Könige und Kaiser nicht besser verlangen konnten. Es machte einen eigenthümlichen Eindruck auf uns, als wir bei der neulichen Ankunft Raveaux auf der Brücke unseres schönen Stromes standen, und seine Wellen von Feuer wogen, den Himmel von Raketen sprühen und die alte graue Stadt plötzlich von Fackeln und Lichtern taghell beleuchtet sahen, als wir den Jubelruf vieler Tausende vernahmen, die sich hin- und herüber drängten und als wir dann mit einem Male daran dachten, wie man noch vor wenigen Wochen, statt aller dieser Festlichkeiten einen Mann wie Camphausen mit nichts anderm als damit erfreute ‒ daß man ihm die Fenster einwarf!

Raveaux und Camphausen ‒ Camphausen und Raveaux! Wir haben gewiß nicht zu denen gehört, die dem Ministerpräsidenten, während seiner kurzen Herrschaft Rosen und Lorbeern streuten; wenn irgend ein Organ die Schwäche des Herrn Camphausen zu rügen wußte, so war es das unsrige ‒ aber Herrn Camphausen mit Raveaux vergleichen ‒ wir müssen gestehen, wir möchten es nicht wagen!

Doch genug. Der Repräsentant des Kleinbürgerthums hat sich wohl gehütet, des Falls des Repräsentanten der hohen Bourgeoisie zu gedenken. Wie Herr Raveaux nach jenem Brühler Feste erklärte, daß die Stadt Köln einen ewig denkwürdigen Tag erlebt habe, weil sie ihn zum Deputirten wählte, so hat er neulich nach jenem brillanten Empfang seinen gutmüthigen Wählern erklärt, daß sie durch eine derartige solenne Aufnahme seine Verdienste nur gebührend anerkannt hätten. Wir überlassen den Herrn Raveaux seiner eignen Klugheit und der Aufmerksamkeit seiner Wähler; wir warnen ihnen aber vor seiner Eitelkeit und vor seiner Selbstüberschätzung. Es sollte uns leid thun, wenn der gesunde Menschenverstand und das gefällige Talent des Herrn Raveaux einmal auf eine zu harte staatsmännische Probe gestellt würde, und wenn dann der ehrenwerthe Deputirte strauchelte und unsre wohlwollende Kritik von einer schärfern Feder fortgesetzt werden müßte, und die Bonhomie alter Billard- und Fastnachtsgenossen, durch die Eitelkeit des großen Deputirten verletzt, sich in Spotten und Lächeln verwandelte und aus den Fackelzügen düstre verdrießliche Nächte würden, aus den Jubelouvertüren Katzenmusiken und aus dem berühmten kölnischen Staatsmann ein enttäuschter Parvenü.

O das wäre sehr schlimm! Da werden die lieblichen Frauen und Mädchen nicht mehr aus den Tassen trinken, auf denen ihr Raveaux steht; da werden die lustigen Burschen die Pfeifenköpfe zerbrechen auf denen das interessante schnurrbärtige Antlitz ihres alten Freundes strahlt und da wird der Ruhm des großen Mannes verrauchen wie der Tabak, den sein bleiches Bildniß schmückt.

Ja wahrhaftig, die Eau de Cologne wird dann zuletzt noch berühmter bleiben als Herr Raveaux.

Ich bitte meine Leser auf's demüthigste um Verzeihung, daß ich von Herrn Raveaux nicht schon längst zu viel wichtigern Personen und Sachen übergegangen bin. Aber Herr Raveaux ist nun einmal ein Abgeordneter ‒ ‒

Wir waren langmüthig mit unsern Fürsten und wir sind elend gewesen Jahrhunderte lang. Begehen wir nicht dieselbe Thorheit mit unsern Deputirten!

Herr Raveaux hielt auf dem Domfest des Gürzenich eine unbedeutende Rede.

(Forts. folgt.)

Die Vergnügungsreihe der Herren der Nationalversammlung zum Dombaufeste in Köln kostet dem deutschen Volke circa fl. 9,500.

Deutsche Reichstags-Zeitung von Robert Blum.

<TEI>
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        <head>[Deutschland]</head>
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          <head><bibl><author>!!!</author></bibl> Frankfurt, 18. Aug.</head>
          <p>62. Sitzung der Nationalversammlung. Präsident: v. Gagern.</p>
          <p>Nach Genehmigung des Protokolls zeigt der Präsident den Austritt von 6                         Mitgliedern der Versammlung an, Beinhauer, Oestreich, Jaupp Ranzoni u. s.                         w.</p>
          <p>Tagesordnung: §. 9 ter Grundrechte.</p>
          <p>1. Das Briefgeheimniß ist gewährleistet. 2. Die bei strafgerichtlichen                         Untersuchungen und in Kriegsfällen nothwendigen Beschränkungen sind durch                         die Gesetzgebung festzustellen. 3. Die Beschlagnahme von Briefen und                         Papieren darf nur auf Grund eines richterlichen Befehls vorgenommen                         werden.</p>
          <p>Hierzu die Verbesserungs-Vorschläge des volkswirthschaftlichen Ausschusses.                         1. Das Briefgeheimniß ist unverletzlich. 2. Ausnahmen können nur durch ein                         Reichsgesetz festgestellt werden.</p>
          <p>Minoritätsantrag: Das Briefgeheimniß ist unverletzlich.</p>
          <p>Außerdem einzelne Amendements.</p>
          <p><hi rendition="#g">Cnyrim.</hi> (Kurhessen.) Er erinnert an das Kabinet noir,                         worin vorzüglich Minister und Beamte ihre höhere Stellungen mißbrauchten, um                         sich in den Besitz von Briefgeheimnissen zu setzen. England, schließt der                         Redner, wollen wir in der Staatsweisheit nacheifern, in der Staatsmoral                         übertreffen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Trütschler, Stedtmann, Rieser etc.</hi> reichen ein                         Amendent ein, statt Briefgeheimniß Postgeheimniß zu setzen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Grüel</hi> aus Burg ist mit diesen drei Herren nicht                         einverstanden. Nicht bloß Postbriefe, sondern alle Briefe sind                         unverletzlich. Stellt den Verbesserungs-Antrag:</p>
          <p>Die hohe Nationalversammlung wolle beschließen, den §. 9 in folgender Fassung                         anzunehmen:</p>
          <p>Das Briefgeheimniß ist gewährleistet. Die Beschlagnahme eines Briefes ist nur                         zulässig zum Zwecke der Verhütung oder Verfolgung eines bestimmten                         Verbrechens. Jeder in Beschlag genommene Brief muß sofort und spätestens                         binnen 24 Stunden einem Richter übergeben werden. Nur der Richter darf die                         Oeffnung eines solchen Briefes nach Maaßgabe der Gesetze verfügen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Osterrath</hi> vertheidigt das Minoritätserachten des                         volkswirthschaftlichen Ausschusses. Durch den Majoritätsbeschluß des                         volkswirthschaftlichen Ausschusses: &#x201E;Ausnahmen können nur durch ein                         Reichsgesetz festgestellt werden&#x201C;, wird allen möglichen Ausnahmefällen Thor                         und Thür geöffnet. Der Redner ist gegen alle Ausnahmen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Riesser</hi> (Lauenburg) empfiehlt den Ausdruck                         Postgeheimniß nach seinem und Trütschler's etc. Amendement. Es solle der §.                         nur vor Postmißbräuchen verwahren; nur deswegen gehört er in die                         Grundrechte. (Dürftiges Bravo.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Eisenstuck</hi> will nur bemerken, daß es sich um das                         geistige Eigenthum eins der heiligsten Volksrechte handelt. Grundsätzlich                         ist er gegen alle Ausnahmefälle. Die Nachtheile, die die Verletzung des                         Prinzips bringen kann, werden durch einzelne Vortheile bei Ausnahmsfällen                         nicht aufgewogen. Empfiehlt das Minoritätserachten, wonach der §.                         schlichtweg heißt: Das Briefgeheimniß ist unverletzlich. &#x2012; Die Veränderung                         von Brief in Post ist unpassend. Nur das Staatsinstitut ist dabei                         berücksichtigt. (Bravo. Schluß!)</p>
          <p><hi rendition="#g">Wesendock</hi> reicht einen Zusatz-Antrag ein: &#x201E;Die                         Verletzung des Briefgeheimnisses ist an allen daran betheiligten Beamten                         nach Maaßgabe eines zu erlassenden Strafgesetzes zu strafen.&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Wiesner</hi> (Oestreich.) Postgeheimniß ist ein                         unpassender Ausdruck. Die Post besitzt das Geheimniß nicht, der Brief trägt                         es in sich. (Anerkennung. Herr Stedtmann hat das Malheur, immer unpassende                         Amendements einzubringen.) Er ist gegen alle Ausnahmen. Wer die Gedanken                         eines anderen, für deren Beförderung er bezahlt wird, stiehlt, ist schlimmer                         als ein gewöhnlicher Dieb. (Heftiger Schlußruf.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Frank</hi> (Oestreich). Ich bin sehr kurz, und halte sie                         nie sehr lange auf. Ausnahmen müssen stattfinden. Spricht für den Vorschlag                         des volkswirthschaftlichen Ausschusses.</p>
          <p>Schluß der Debatte. <hi rendition="#g">Beseler</hi> als Berichterstatter,                         (für diesen nehme ich das Privileg in Anspruch, nur wenig zu notiren, sonst                         verlieren Sie ihre Leser) spricht vom technischen Sinne der                         Briefgeheimnisse, und für die Fassung des Verfassungsausschusses. Es ist                         doch besser, wenn ein Gesetz einigermaßen eine Garantie giebt (d.h. durch                         die Ausnahmefälle), als wenn man mit einer Phrase (so nennt Herr Beseler das                         Minoritätsgutachten) sich begnügt.</p>
          <p>Abstimmung: Zuerst, ob es heißen soll: Briefgeheimniß oder Postgeheimniß.                         Antwort: Briefgeheimniß. Das &#x201E;Postgeheimniß&#x201C; des Herren Stedtmann und                         Konsorten ist verworfen.</p>
          <p>Der erste Satz des Verfassungsausschusses: &#x201E;Das Briefgeheimniß ist                         gewährleistet,&#x201C; wird angenommen.</p>
          <p>Der zweite Punkt des Verfassungsausschusses, (s. oben) so wie der zweite                         Punkt des volkswirthschaftlichen Ausschusses (s. oben) ebenso Berger's und                         Wesendock's Amendements werden verworfen, dagegen Punkt 3 des                         Verfassungsausschusses fast einstimmig angenommen.</p>
          <p>Somit lautet der Paragraph 9 also:</p>
          <p>&#x201E;Das Briefgeheimniß ist gewährleistet. Die Beschlagnahme von Briefen und                         Papieren darf nur auf Grund eines richterlichen Befehls vorgenommen                         werden.&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Wesendonk.</hi> Ich habe gestern in der gesetzlichen Form                         eine schriftliche Interpellation an den Minister des Aeußern eingereicht.                         Herr Vogt hat ebenfalls zwei dergleichen an den Kriegsminister eingereicht.                         Meine Interpellation ist sehr wichtig. Sie bezieht sich auf die Deutschen,                         die an der Pariser letzten Insurrektion betheiligt, und über die bereits von                         der französischen Regierung verfügt wird. Auf keine dieser Interpellationen                         ist von den betreffenden Ministern geantwortet.</p>
          <p><hi rendition="#g">Gagern.</hi> Der Minister ist unschuldig. Ich habe Ihre                         Interpellation zu spät abgegeben. (In Folge des Kölner Zweckessens.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Vogt</hi> frägt vom Platze, wie es sich mit den seinigen                         verhält, und bemerkt, die Minister müssen sich nach dem Gesetze richten.</p>
          <p><hi rendition="#g">Gagern</hi> verspricht mit dem Minister zu sprechen.                         (Damit ist die Sache wie gewöhnlich abgemacht.)</p>
          <p>Tagesordnung: §. 10 der Grundrechte. Nach dem Verfassungsausschuß lautet                         er:</p>
          <p>§. 10. 1. Jeder Deutsche hat das Recht, durch Wort und Schrift seine Meinung                         frei zu äußern.</p>
          <p>2. Ueber Preßvergehen wird durch Schwurgerichte geurtheilt.</p>
          <p>Minoritäts-Erachten. 1. Es sei der Schutz der Presse gegen den Nachdruck in                         den Grundrechten aufzunehmen. (Mühlfeld, R. Mohl, Hergenhahn, v. Beckerrath,                         Lasaulx.)</p>
          <p>2 Die Preßfreiheit darf unter keinen Umständen und in keiner Weise,                         (namentlich weder durch die Censur, noch durch Konzessionen oder durch                         Sicherheitsstellungen) beschränkt, suspendirt oder aufgehoben werden.</p>
          <p><hi rendition="#g">Mittermayer.</hi> Ueber Preßfreiheit noch zu sprechen, ist                         zeitraubend. Ich freue mich über die politischen Errungenschaften, die wir                         der Märzrevolution verdanken. Die verschiedenen Preßgesetze der                         Einzelstaaten aber gehen mir zu weit auseinander. Gegen Verleger und Drucker                         kann ich die Härte vieler derselben nicht billigen. Die Unverantwortlichkeit                         der Redakteure ist nicht genug festgestellt. Auch mit den verschiedenen                         Bestrafungsarten bin ich nicht einverstanden. Alle Augenblicke muß ein                         Redakteur fürchten, ein Preßvergehen zu verüben. Der Beweis der Wahrheit                         eines Artikels muß frei sein. (Kein Zweiffel!) Schwurgerichte in dieser                         Beziehung billige ich, aber diese selbst müssen besser geordnet werden. Ich                         kann mir denken, daß es eine Art von Preßfreiheit giebt, die schlimmer ist                         als Censur. (Links: Bravo.) Er stellt einen Antrag, das Verfahren bei                         Preßvergehen durch ein Reichsgesetz zu ordnen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Spatz</hi> aus Frankenthal. In Frankreich war zur Zeit                         Napoleons auch Preßfreiheit, aber Napoleon fand ein sehr bequemes Mittel,                         dieselbe durch ein willkührliches Dekret zu beschränken. Ebenso könnte man                         durch ähnliche Dekrete bei uns die Censur wieder einzuschmuggeln                         versuchen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Römer</hi> aus Stuttgart schließt sich allen Anträgen an,                         die die Freiheit der Presse am meisten garantiren. (Bravo.) Auch in                         außerordentlichen Zeiten ist die Preßfreiheit nicht zu beschränken.                         (Bravo.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Rheinwald</hi> empfiehlt seinen Antrag: &#x201E;Jeder Deutsche                         hat das Recht, seine Meinung durch Rede und Schrift zu äußern.&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Dahm</hi> aus Preußen beantragt auch Stempel und Auflagen                         auf Zeitungen aufzuheben. Es ist dies eine Geistessteuer.</p>
          <p><hi rendition="#g">Behr</hi> aus Bamberg, ganz unverständlich. Man ruft nach                         Schluß. Die Debatte wird geschlossen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Wesendonk</hi> beantragt namentliche Abstimmung für das                         zweite Minoritätserachten.</p>
          <p><hi rendition="#g">Beseler,</hi> Berichterstatter: Man hätte diese Debatte zu                         schnell geschlossen. Deshalb muß er noch ausführlich sprechen. Es ist meine                         formelle Pflicht als Berichterstatter (nur formell?) scheinbar (?) immer für                         die Beschränkungen der Freiheit das Wort zu nehmen, so auch hier. Außer                         Mittermayer's Antrag erklärt er sich gegen alle Amendements inclusive der                         Minoritätsgutachten. Die Majorität sei bescheidener in ihren Ausdrücken                         gewesen. Er glaubt nicht, daß es gelingen wird, einer Regierung, wenn sie                         reaktionär, hindernd in den Weg zutreten. (Gelächter. Links: Ruf nach                         Schluß.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Gagern:</hi> Lassen Sie den Redner ausreden.</p>
          <p>Links: <hi rendition="#g">Stimme vom Platz:</hi> Wir erbitten uns desselbe                         Zeitmaß zum Sprechen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Beseler:</hi> Ich schließe, weil ich fertig bin, (sehr                         gut!) nicht etwa weil diese Herren (links) es wünschen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Abstimmung: Rheinwald's</hi> Antrag (s. oben) angenommen,                         wodurch der erste Punkt des Verfassungsausschusses erledigt ist.</p>
          <p>Der zweite Punkt des Ausschusses (s. oben) wird vorbehaltlich aller                         zusätzlichen Anträge und der Minoritätserachten zur Abstimmung gebracht und                         angenommen.</p>
          <p>Das zweite Minoritätserachten (s. oben) wird, unter lautem Bravo, mit großer                         Majorität angenommen, und hiernach nimmt die Linke ihre durch Wesendonk                         beantragte namentliche Abstimmung zurück.</p>
          <p>Folgender Antrag von Trützschler, Schlöffel u. A.:</p>
          <p>Bei dem § 10 in dem Minoritätserachten Nro. 14 die Worte &#x201E;oder durch&#x201C;                         zwischen &#x201E;Concessionen&#x201C; und &#x201E;Sicherheitsstellungen&#x201C; zu streichen, und statt                         dessen hinter dem letzteren Worte &#x201E;oder durch Staatsauflagen&#x201C; einzuschalten,                         wird angenommen.</p>
          <p>Ein Antrag von <hi rendition="#g">Spatz:</hi> </p>
          <p>Absatz 2 möge in folgender Weise gefaßt werden:</p>
          <p>&#x201E;Die Preßfreiheit darf weder durch Censur, noch durch Concessionen oder                         Sicherheitsstellungen, noch durch <hi rendition="#g">Beschränkungen der                             Druckereien oder des Buchhandels,</hi> noch durch Hemmungen des freien                         Verkehrs beschränkt werden&#x201C;, nebst einem zusätzlichen Antrag von Moritz                         Mohl:</p>
          <p>&#x201E;Die Preßfreiheit etc. etc. darf weder durch Postverbote noch andere                         Hemmungen des freien Verkehrs beschränkt werden&#x201C;, wird angenommen.</p>
          <p>Ein Antrag von Raumer und Schubert: an die Stelle des Punkt 3 des                         Verfassungsausschusses &#x201E;über Preßvergehen wird durch Schwurgerichte                         geurtheilt&#x201C; die Worte zu setzen &#x201E;über Preßvergehen wird durch Schwurgerichte                         nach einem zu erlassenden Reichsgesetze geurtheilt,&#x201C; wird angenommen. (Alle                         diese Abstimmungen werden von Bravoruf begleitet.)</p>
          <p>Das erste Minoritätserachten, betreffend den Schutz der Presse gegen                         Nachdruck (s. oben) beschließt die Versammlung erst bei § 25 der Grundrechte                         zu berücksichtigen. &#x2012; Demnach lautet § 10 in der heute sanctionirten                         Verfassung folgendermaßen:</p>
          <p>&#x201E;Jeder Deutsche hat das Recht, durch Wort und Schrift, Druck und bildliche                         Darstellungen etc. seine Meinung frei zu äußern.</p>
          <p>Die Preßfreiheit darf unter keinen Umständen und in keiner Weise, namentlich                         weder durch die Censur, noch durch Concessionen oder Sicherheitstellungen,                         noch durch Staatsauflagen, noch durch Beschränkungen der Druckereien oder                         des Buchhandels, noch durch Postverbote und andere Hemmungen des freien                         Verkehrs beschränkt, suspendirt oder aufgehoben werden. &#x2012; Ueber Preßvergehen                         wird durch Schwurgerichte nach einem zu erlassenden Reichsgesetze                         geurtheilt.&#x201C;</p>
          <p>Einen Antrag Vogt's und Wesendonk's: &#x201E;dies Preßgesetz gleich einer Kommission                         zur Sanctionirung zu übergeben&#x201C;, erkennt die Versammlung nicht als                         dringlich, weil Gagern und der Reichsjustizminister, Robert Mohl, sich                         dagegen aussprechen.</p>
          <p>Ein zweiter Antrag: &#x201E;den sofortigen Druck der einmal angenommenen Paragraphen                         der Grundrechte zu veranstaltten, um so dem Volke wenigstens vorläufig etwas                         zu bieten&#x201C;, wird auf Gagern's Rath ebenfalls verworfen. Derselbe meint, es                         könnte dies beim Volke zu Mißverständnissen Anlaß geben. Er verweist auf die                         zweite Berathung. (Vor welcher nämlich noch &#x201E;Vereinbarung mit den                         Regierungen&#x201C; möglich wäre. &#x201E;Kühner Griff!&#x201C;)</p>
          <p>Der Justizminister <hi rendition="#g">Mohl</hi> entschuldigt die Minister                         wegen der unbeantworteten Interpellationen. Dieselben wären noch nicht an                         die Minister gelangt! Auch hätten die Minister bei der vorläufigen                         unvollkommenen Einrichtung der Ministerien ganz furchtbar viel zu thun.                         Müßten alle Briefe selber schreiben, ja beinahe <hi rendition="#g">selbst</hi> auf die Post tragen! (Hr. Stedtmann weint, und wird bald                         von den Gehältern sprechen.) Uebrigens hätten sie in einem Briefe (von dem                         Niemand etwas weiß) der Versammlung für nächste Woche einen Tag                         festgestellt, wo sie alle Interpellationen auf Einmal (summarisch)                         beantworten würden.</p>
          <p>Der <hi rendition="#g">Vicepräsident</hi> erstattet Bericht über die neuesten                         Urlaubsgesuche. Er sind ihrer neunzehn. Einige davon sind seltsam motivirt,                         z.B. Einer (von den Deutsch-Polen) will seine Familie nach Frankfurt                         abholen. Ein Anderer ist von den Geschäften angegriffen. Ein Dritter hat zu                         Hause Geschäfte mit seinem Bruder. (Man wird an ein bekanntes Evangelium                         erinnert.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Fuchs</hi> (der schlaue Jurist) will bestimmte                         Urlaubsgrundsätze; wird unterbrochen und ruft empört aus: Dixi et salvavi                         animam meam!</p>
          <p><hi rendition="#g">R. R.</hi> frägt den Präsidenten, was an dem Gerücht wäre,                         daß im September die Versammlung wegen Heizung der Paulskirche, sich                         vertagen würde.</p>
          <p><hi rendition="#g">Gagern</hi> weiß nichts davon, und ist der Meinung, eine                         konstituirende Versammlung dürfe sich nicht vertagen.</p>
          <p>Schluß der Sitzung. Sonnabend und Sonntag Erholungstage. Tagesordnung für                         Montag: Diskussion über einige durch Vischer aus Tübingen eingereichte                         Anträge, betreffend: beschleunigte und veränderte Verfahrungsweise bei der                         Berathung der Grundrechte.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar082_004" type="jArticle">
          <head><bibl><author>pp</author></bibl> Frankfurt, 19. Aug.</head>
          <p>Die ihre Führer und Getreuen mit Stellen beglückende Majorität der                         Nationalversammlung hatte Herrn Lichnowsky zu des deutschen Reichs würdigen                         Gesandten in Petersburg bestimmt, und die glückliche Wahl war bereits von                         dem Reichsverweser huldvoll gebilligt worden. Ministerpräsident Leiningen                         jedoch erklärte sich dagegen, und verlangte eventuell für den Fall von                         Lichnowsky's Ernennung seine Entlassung. Der Reichsverweser hat darauf die                         Sache von der Hand gewiesen, da er Herrn Leiningen aus verschiedenen Gründen                         nicht verlieren will. &#x2012; Herr Leiningen geht, wie wir aus guter Quelle                         erfahren, mit großen Plänen um. Als Mediatisirter ist derselbe kein sehr                         begeisterter Freund der regierenden Fürsten, die ihn aus ihren Reihen                         drängten. Herr Leiningen beabsichtigt nun, als Gegendienst ebenfalls mehrere                         kleine Fürsten zu mediatisiren, und gedenkt, trotz des bisherigen                         Widerspruchs der übrigen Minister, binnen wenigen Wochen die 38                         Deutschländer auf 20 zu reduziren. Uebrigens ist die Ernennung des Herrn                         Leiningen zum Ministerpräsidenten für die deutschen Interessen im Ausland                         ebenso erfreulich, wie es die von der Times so freudig begrüßte Ernennung                         des Ritter Bunsen zum Reichsgesandten in England sein würde; Herr Leiningen,                         der nahe Verwandte der Königin von England, wird den deutschen Handel den                         Engländern gegenüber nicht minder emporheben, wie Herr Bunsen bereits früher                         die Interessen der Industrie und der Katholiken vertreten hat.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar082_005" type="jArticle">
          <head><bibl><author>28</author></bibl> Düsseldorf, 19. August.</head>
          <p>Die Leichenfeier des gefallenen Füseliers vom 13. Infanterie-Regiment fand                         gestern Morgen statt; <hi rendition="#g">Bürger</hi> und Militärs wechselten                         in dem unabsehbaren Zuge ab; auf dem Friedhofe hielt der Divisionsprediger                         eine versöhnende Rede. Man will Subscriptionslisten zum Besten der                         verwittweten Mutter des Bestatteten circuliren lassen.</p>
          <p>Jetzt, wo sich allmälig die moralischen Folgen des 14. Aug. zeigen, muß ich                         noch zwei wichtige Momente meinen Berichten nachtragen und zwar zuerst, daß                         der Gemeinderath am 10. d. mit 8 gegen 7 Stimmen die Nichtbegrüßung des                         Königs beschloß, dieser Beschluß aber in einer andern Sitzung, als von einer                         incompetenten Zahl gefaßt, umgestoßen und das Gegentheil mit 21 gegen 8                         Stimmen durchgesetzt wurde; ferner, daß in den königlichen Wagen am Hotel                         des Prinzen Dreck geworfen worden sein <hi rendition="#g">soll.</hi> Letzteres wird zwar widerstritten von Vielen, ist aber von dem größten                         Theile der Bewohner als unumstößliches Faktum angenommen und ist die Waffe,                         womit eine gewisse Partei ihre Pläne vertheidigt. Geben Sie wohl Acht, wie                         genial dasselbe benutzt wird; erstens heißt es, diese <hi rendition="#g">Rohheit</hi> (die doch vernünftigerweise nur dem Muthwillen eines                         Gassenbuben zuzuschreiben ist) rührt von <hi rendition="#g">jener</hi> frechen ehrlosen Partei her und dient zu ihrer schönen Charakteristik;                         zweitens ist nur das Benehmen der Bürgerwehr daran Schuld, denn wenn                         dieselbe Parade gehalten hätte, hätte Keiner gemurrt und gepfiffen, und                         gewiß hätte es kein Straßenjunge gewagt, Dreck in den Wagen zu werfen (was                         sagen Sie zu dieser Logik?) und am schlimmsten haben sich die 8                         Gemeinderathsmitglieder versündigt, weil sie durch ihr schamloses Abstimmen                         Aergerniß gegeben. So lautet das Raisonnement des gutgesinnten Bürgers, der                         gestern mit zur Leiche ging; ich enthalte mich einstweilen weiterer                         Reflexionen, da man ohne Zweifel bald mit Machinationen gegen Bürgerwehr und                         die 8 Gemeinderathsmitglieder hervortreten und mir so eine bessere                         Gelegenheit geben wird, daran anzuknüpfen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar082_006" type="jArticle">
          <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 18. Aug.</head>
          <p>Durch die vom &#x201E;Preußenverein für constitutionelles Königthum&#x201C; an seine                         preußischen Brüder in den Provinzen zugesandte Statuten dieses Vereins und                         einer angehängten Einladung zum Beitritt sind die anarchischen und                         reaktionären Bestrebungen dieses Vereins, welcher unter der Vorgabe, die vom                         Könige verheißene constitutionelle Verfassung durch Wort und That zu                         fördern, in Wahrheit aber volks- und staatsfeindliche Tendenzen verfolgt,                         recht ans Tageslicht gekommen. Der Preußenverein stellt den &#x201E;alten&#x201C;                         preußischen patriotischen Sinn als das höchste erstrebenswerthe Endziel                         eines jeden Preußen hin; erfüllt von ihm &#x201E;weint er,&#x201C; wie er sagt, &#x201E;der                         Monarchie des großen Friedrich nach!&#x201C; <ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref>                     </p>
        </div>
      </div>
      <div type="jFeuilleton" n="1">
        <div xml:id="ar082_007" type="jArticle">
          <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> nete nicht zu einem kalten                         rücksichtslosen Publikum, sondern zu seinen Stadt- und Standesgenossen                         sprach, zu Leuten, mit denen er Billard gespielt, Wein getrunken und                         Mummenschanz getrieben hatte. In bei weitem größeres Erstaunen setzt uns die                         andere Behauptung, daß die Stadt Köln nur deshalb einen so ewig denkwürdigen                         Tag erlebt habe, weil sie gerade Niemand anders als den Hrn. Raveaux zum                         Deputirten wählte. Wir haben belgische Deputirte, wir haben viele                         französische Abgeordnete und wir haben noch mehr englische                         Parlamentsmitglieder zu ihren Wählern reden hören, aber wir müssen gestehen,                         es ist uns bei solchen Gelegenheiten nie eine so eitle und                         selbstüberschätzende Bemerkung zu Ohren gekommen.</p>
          <p>Als der große Sir Robert Peel neuerdings wieder in Tamworth gewählt wurde, da                         sagte er nicht zu seinen Wählern: Bürger von Tamworth, ihr habt einen ewig                         denkwürdigen Tag erlebt, weil ihr mich, den großen Sir Robert Peel, zu eurem                         Abgeordneten wähltet &#x2012; nein, Sir Robert sprach: Bürger von Tamworth ich                         danke euch, daß ihr mich wähltet und ich werde suchen, mich dieser Wahl                         würdig zu machen. So sprach Sir Robert Peel, der erste Mann Englands, einer                         der ersten Redner der Welt, der seit dreißig Jahren die Geschicke seines                         Vaterlandes lenkt, der mit eiserner Faust das britische Scepter zu Ehren                         brachte in Europa, in halb Asien, in Australien und Amerika.</p>
          <p>Ein Mann wie Sir Robert war bescheidener als Raveaux, bescheidener wie der                         Mann, der nach einer allerdings anzuerkennenden lokalen Wirksamkeit sich                         erst die parlamentarischen Sporen zu verdienen sucht!</p>
          <p>Raveaux ist jetzt für einige Zeit von Frankfurt zurückgekehrt. Die Ansichten                         über seine dortige Thätigkeit sind sehr getheilt; jedenfalls scheint man                         aber darüber einverstanden zu sein, daß er der Rechten eben so wenig                         schadete, wie er der Linken wenig nutzte. Im Vorparlamente an den                         Republikaner streifend, hat der ehrenwerthe Abgeordnete später durch seine                         Unschlüssigkeit und durch seinen Mangel an Energie einen Antrag aufgeben                         müssen, der dem Vaterlande von unendlichem Nutzen sein und dem ehrenwethen                         Antragsteller bei kräftigerem Auftreten zu unsterblichem Ruhme gereichen                         konnte, so wie später, wir bedauern es aufrichtig, in Betreff des                         französischen Votums nicht aus eigenem demokratischen Instinkt gehandelt,                         sondern nur mit vorbereitetem Enthusiasmus den Auftrag einer                         parlamentarischen Coterie ausgeführt.</p>
          <p>Nichtsdestoweniger erkennen wir das Gute der Raveaux'schen Thätigkeit gern                         an. Aber dafür hat er denn auch den Dank seiner Vaterstadt in einem Empfang                         geärntet, wie ihn Könige und Kaiser nicht besser verlangen konnten. Es                         machte einen eigenthümlichen Eindruck auf uns, als wir bei der neulichen                         Ankunft Raveaux auf der Brücke unseres schönen Stromes standen, und seine                         Wellen von Feuer wogen, den Himmel von Raketen sprühen und die alte graue                         Stadt plötzlich von Fackeln und Lichtern taghell beleuchtet sahen, als wir                         den Jubelruf vieler Tausende vernahmen, die sich hin- und herüber drängten                         und als wir dann mit einem Male daran dachten, wie man noch vor wenigen                         Wochen, statt aller dieser Festlichkeiten einen Mann wie Camphausen mit                         nichts anderm als damit erfreute &#x2012; daß man ihm die Fenster einwarf!</p>
          <p>Raveaux und Camphausen &#x2012; Camphausen und Raveaux! Wir haben gewiß nicht zu                         denen gehört, die dem Ministerpräsidenten, während seiner kurzen Herrschaft                         Rosen und Lorbeern streuten; wenn irgend ein Organ die Schwäche des Herrn                         Camphausen zu rügen wußte, so war es das unsrige &#x2012; aber Herrn Camphausen mit                         Raveaux vergleichen &#x2012; wir müssen gestehen, wir möchten es nicht wagen!</p>
          <p>Doch genug. Der Repräsentant des Kleinbürgerthums hat sich wohl gehütet, des                         Falls des Repräsentanten der hohen Bourgeoisie zu gedenken. Wie Herr Raveaux                         nach jenem Brühler Feste erklärte, daß die Stadt Köln einen ewig                         denkwürdigen Tag erlebt habe, weil sie ihn zum Deputirten wählte, so hat er                         neulich nach jenem brillanten Empfang seinen gutmüthigen Wählern erklärt,                         daß sie durch eine derartige solenne Aufnahme seine Verdienste nur gebührend                         anerkannt hätten. Wir überlassen den Herrn Raveaux seiner eignen Klugheit                         und der Aufmerksamkeit seiner Wähler; wir warnen ihnen aber vor seiner                         Eitelkeit und vor seiner Selbstüberschätzung. Es sollte uns leid thun, wenn                         der gesunde Menschenverstand und das gefällige Talent des Herrn Raveaux                         einmal auf eine zu harte staatsmännische Probe gestellt würde, und wenn dann                         der ehrenwerthe Deputirte strauchelte und unsre wohlwollende Kritik von                         einer schärfern Feder fortgesetzt werden müßte, und die Bonhomie alter                         Billard- und Fastnachtsgenossen, durch die Eitelkeit des großen Deputirten                         verletzt, sich in Spotten und Lächeln verwandelte und aus den Fackelzügen                         düstre verdrießliche Nächte würden, aus den Jubelouvertüren Katzenmusiken                         und aus dem berühmten kölnischen Staatsmann ein enttäuschter Parvenü.</p>
          <p>O das wäre sehr schlimm! Da werden die lieblichen Frauen und Mädchen nicht                         mehr aus den Tassen trinken, auf denen ihr Raveaux steht; da werden die                         lustigen Burschen die Pfeifenköpfe zerbrechen auf denen das interessante                         schnurrbärtige Antlitz ihres alten Freundes strahlt und da wird der Ruhm des                         großen Mannes verrauchen wie der Tabak, den sein bleiches Bildniß                         schmückt.</p>
          <p>Ja wahrhaftig, die Eau de Cologne wird dann zuletzt noch berühmter bleiben                         als Herr Raveaux.</p>
          <p>Ich bitte meine Leser auf's demüthigste um Verzeihung, daß ich von Herrn                         Raveaux nicht schon längst zu viel wichtigern Personen und Sachen                         übergegangen bin. Aber Herr Raveaux ist nun einmal ein Abgeordneter &#x2012; &#x2012;</p>
          <p>Wir waren langmüthig mit unsern Fürsten und wir sind elend gewesen                         Jahrhunderte lang. Begehen wir nicht dieselbe Thorheit mit unsern                         Deputirten!</p>
          <p>Herr Raveaux hielt auf dem Domfest des Gürzenich eine unbedeutende Rede.</p>
          <p>
            <ref type="link">(Forts. folgt.)</ref>
          </p>
        </div>
        <div xml:id="ar082_008" type="jArticle">
          <p>Die Vergnügungsreihe der Herren der Nationalversammlung zum Dombaufeste in                         Köln kostet dem deutschen Volke circa fl. 9,500.</p>
          <p>Deutsche Reichstags-Zeitung von Robert Blum.</p>
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[0414/0002] [Deutschland] !!! Frankfurt, 18. Aug. 62. Sitzung der Nationalversammlung. Präsident: v. Gagern. Nach Genehmigung des Protokolls zeigt der Präsident den Austritt von 6 Mitgliedern der Versammlung an, Beinhauer, Oestreich, Jaupp Ranzoni u. s. w. Tagesordnung: §. 9 ter Grundrechte. 1. Das Briefgeheimniß ist gewährleistet. 2. Die bei strafgerichtlichen Untersuchungen und in Kriegsfällen nothwendigen Beschränkungen sind durch die Gesetzgebung festzustellen. 3. Die Beschlagnahme von Briefen und Papieren darf nur auf Grund eines richterlichen Befehls vorgenommen werden. Hierzu die Verbesserungs-Vorschläge des volkswirthschaftlichen Ausschusses. 1. Das Briefgeheimniß ist unverletzlich. 2. Ausnahmen können nur durch ein Reichsgesetz festgestellt werden. Minoritätsantrag: Das Briefgeheimniß ist unverletzlich. Außerdem einzelne Amendements. Cnyrim. (Kurhessen.) Er erinnert an das Kabinet noir, worin vorzüglich Minister und Beamte ihre höhere Stellungen mißbrauchten, um sich in den Besitz von Briefgeheimnissen zu setzen. England, schließt der Redner, wollen wir in der Staatsweisheit nacheifern, in der Staatsmoral übertreffen. Trütschler, Stedtmann, Rieser etc. reichen ein Amendent ein, statt Briefgeheimniß Postgeheimniß zu setzen. Grüel aus Burg ist mit diesen drei Herren nicht einverstanden. Nicht bloß Postbriefe, sondern alle Briefe sind unverletzlich. Stellt den Verbesserungs-Antrag: Die hohe Nationalversammlung wolle beschließen, den §. 9 in folgender Fassung anzunehmen: Das Briefgeheimniß ist gewährleistet. Die Beschlagnahme eines Briefes ist nur zulässig zum Zwecke der Verhütung oder Verfolgung eines bestimmten Verbrechens. Jeder in Beschlag genommene Brief muß sofort und spätestens binnen 24 Stunden einem Richter übergeben werden. Nur der Richter darf die Oeffnung eines solchen Briefes nach Maaßgabe der Gesetze verfügen. Osterrath vertheidigt das Minoritätserachten des volkswirthschaftlichen Ausschusses. Durch den Majoritätsbeschluß des volkswirthschaftlichen Ausschusses: „Ausnahmen können nur durch ein Reichsgesetz festgestellt werden“, wird allen möglichen Ausnahmefällen Thor und Thür geöffnet. Der Redner ist gegen alle Ausnahmen. Riesser (Lauenburg) empfiehlt den Ausdruck Postgeheimniß nach seinem und Trütschler's etc. Amendement. Es solle der §. nur vor Postmißbräuchen verwahren; nur deswegen gehört er in die Grundrechte. (Dürftiges Bravo.) Eisenstuck will nur bemerken, daß es sich um das geistige Eigenthum eins der heiligsten Volksrechte handelt. Grundsätzlich ist er gegen alle Ausnahmefälle. Die Nachtheile, die die Verletzung des Prinzips bringen kann, werden durch einzelne Vortheile bei Ausnahmsfällen nicht aufgewogen. Empfiehlt das Minoritätserachten, wonach der §. schlichtweg heißt: Das Briefgeheimniß ist unverletzlich. ‒ Die Veränderung von Brief in Post ist unpassend. Nur das Staatsinstitut ist dabei berücksichtigt. (Bravo. Schluß!) Wesendock reicht einen Zusatz-Antrag ein: „Die Verletzung des Briefgeheimnisses ist an allen daran betheiligten Beamten nach Maaßgabe eines zu erlassenden Strafgesetzes zu strafen.“ Wiesner (Oestreich.) Postgeheimniß ist ein unpassender Ausdruck. Die Post besitzt das Geheimniß nicht, der Brief trägt es in sich. (Anerkennung. Herr Stedtmann hat das Malheur, immer unpassende Amendements einzubringen.) Er ist gegen alle Ausnahmen. Wer die Gedanken eines anderen, für deren Beförderung er bezahlt wird, stiehlt, ist schlimmer als ein gewöhnlicher Dieb. (Heftiger Schlußruf.) Frank (Oestreich). Ich bin sehr kurz, und halte sie nie sehr lange auf. Ausnahmen müssen stattfinden. Spricht für den Vorschlag des volkswirthschaftlichen Ausschusses. Schluß der Debatte. Beseler als Berichterstatter, (für diesen nehme ich das Privileg in Anspruch, nur wenig zu notiren, sonst verlieren Sie ihre Leser) spricht vom technischen Sinne der Briefgeheimnisse, und für die Fassung des Verfassungsausschusses. Es ist doch besser, wenn ein Gesetz einigermaßen eine Garantie giebt (d.h. durch die Ausnahmefälle), als wenn man mit einer Phrase (so nennt Herr Beseler das Minoritätsgutachten) sich begnügt. Abstimmung: Zuerst, ob es heißen soll: Briefgeheimniß oder Postgeheimniß. Antwort: Briefgeheimniß. Das „Postgeheimniß“ des Herren Stedtmann und Konsorten ist verworfen. Der erste Satz des Verfassungsausschusses: „Das Briefgeheimniß ist gewährleistet,“ wird angenommen. Der zweite Punkt des Verfassungsausschusses, (s. oben) so wie der zweite Punkt des volkswirthschaftlichen Ausschusses (s. oben) ebenso Berger's und Wesendock's Amendements werden verworfen, dagegen Punkt 3 des Verfassungsausschusses fast einstimmig angenommen. Somit lautet der Paragraph 9 also: „Das Briefgeheimniß ist gewährleistet. Die Beschlagnahme von Briefen und Papieren darf nur auf Grund eines richterlichen Befehls vorgenommen werden.“ Wesendonk. Ich habe gestern in der gesetzlichen Form eine schriftliche Interpellation an den Minister des Aeußern eingereicht. Herr Vogt hat ebenfalls zwei dergleichen an den Kriegsminister eingereicht. Meine Interpellation ist sehr wichtig. Sie bezieht sich auf die Deutschen, die an der Pariser letzten Insurrektion betheiligt, und über die bereits von der französischen Regierung verfügt wird. Auf keine dieser Interpellationen ist von den betreffenden Ministern geantwortet. Gagern. Der Minister ist unschuldig. Ich habe Ihre Interpellation zu spät abgegeben. (In Folge des Kölner Zweckessens.) Vogt frägt vom Platze, wie es sich mit den seinigen verhält, und bemerkt, die Minister müssen sich nach dem Gesetze richten. Gagern verspricht mit dem Minister zu sprechen. (Damit ist die Sache wie gewöhnlich abgemacht.) Tagesordnung: §. 10 der Grundrechte. Nach dem Verfassungsausschuß lautet er: §. 10. 1. Jeder Deutsche hat das Recht, durch Wort und Schrift seine Meinung frei zu äußern. 2. Ueber Preßvergehen wird durch Schwurgerichte geurtheilt. Minoritäts-Erachten. 1. Es sei der Schutz der Presse gegen den Nachdruck in den Grundrechten aufzunehmen. (Mühlfeld, R. Mohl, Hergenhahn, v. Beckerrath, Lasaulx.) 2 Die Preßfreiheit darf unter keinen Umständen und in keiner Weise, (namentlich weder durch die Censur, noch durch Konzessionen oder durch Sicherheitsstellungen) beschränkt, suspendirt oder aufgehoben werden. Mittermayer. Ueber Preßfreiheit noch zu sprechen, ist zeitraubend. Ich freue mich über die politischen Errungenschaften, die wir der Märzrevolution verdanken. Die verschiedenen Preßgesetze der Einzelstaaten aber gehen mir zu weit auseinander. Gegen Verleger und Drucker kann ich die Härte vieler derselben nicht billigen. Die Unverantwortlichkeit der Redakteure ist nicht genug festgestellt. Auch mit den verschiedenen Bestrafungsarten bin ich nicht einverstanden. Alle Augenblicke muß ein Redakteur fürchten, ein Preßvergehen zu verüben. Der Beweis der Wahrheit eines Artikels muß frei sein. (Kein Zweiffel!) Schwurgerichte in dieser Beziehung billige ich, aber diese selbst müssen besser geordnet werden. Ich kann mir denken, daß es eine Art von Preßfreiheit giebt, die schlimmer ist als Censur. (Links: Bravo.) Er stellt einen Antrag, das Verfahren bei Preßvergehen durch ein Reichsgesetz zu ordnen. Spatz aus Frankenthal. In Frankreich war zur Zeit Napoleons auch Preßfreiheit, aber Napoleon fand ein sehr bequemes Mittel, dieselbe durch ein willkührliches Dekret zu beschränken. Ebenso könnte man durch ähnliche Dekrete bei uns die Censur wieder einzuschmuggeln versuchen. Römer aus Stuttgart schließt sich allen Anträgen an, die die Freiheit der Presse am meisten garantiren. (Bravo.) Auch in außerordentlichen Zeiten ist die Preßfreiheit nicht zu beschränken. (Bravo.) Rheinwald empfiehlt seinen Antrag: „Jeder Deutsche hat das Recht, seine Meinung durch Rede und Schrift zu äußern.“ Dahm aus Preußen beantragt auch Stempel und Auflagen auf Zeitungen aufzuheben. Es ist dies eine Geistessteuer. Behr aus Bamberg, ganz unverständlich. Man ruft nach Schluß. Die Debatte wird geschlossen. Wesendonk beantragt namentliche Abstimmung für das zweite Minoritätserachten. Beseler, Berichterstatter: Man hätte diese Debatte zu schnell geschlossen. Deshalb muß er noch ausführlich sprechen. Es ist meine formelle Pflicht als Berichterstatter (nur formell?) scheinbar (?) immer für die Beschränkungen der Freiheit das Wort zu nehmen, so auch hier. Außer Mittermayer's Antrag erklärt er sich gegen alle Amendements inclusive der Minoritätsgutachten. Die Majorität sei bescheidener in ihren Ausdrücken gewesen. Er glaubt nicht, daß es gelingen wird, einer Regierung, wenn sie reaktionär, hindernd in den Weg zutreten. (Gelächter. Links: Ruf nach Schluß.) Gagern: Lassen Sie den Redner ausreden. Links: Stimme vom Platz: Wir erbitten uns desselbe Zeitmaß zum Sprechen. Beseler: Ich schließe, weil ich fertig bin, (sehr gut!) nicht etwa weil diese Herren (links) es wünschen. Abstimmung: Rheinwald's Antrag (s. oben) angenommen, wodurch der erste Punkt des Verfassungsausschusses erledigt ist. Der zweite Punkt des Ausschusses (s. oben) wird vorbehaltlich aller zusätzlichen Anträge und der Minoritätserachten zur Abstimmung gebracht und angenommen. Das zweite Minoritätserachten (s. oben) wird, unter lautem Bravo, mit großer Majorität angenommen, und hiernach nimmt die Linke ihre durch Wesendonk beantragte namentliche Abstimmung zurück. Folgender Antrag von Trützschler, Schlöffel u. A.: Bei dem § 10 in dem Minoritätserachten Nro. 14 die Worte „oder durch“ zwischen „Concessionen“ und „Sicherheitsstellungen“ zu streichen, und statt dessen hinter dem letzteren Worte „oder durch Staatsauflagen“ einzuschalten, wird angenommen. Ein Antrag von Spatz: Absatz 2 möge in folgender Weise gefaßt werden: „Die Preßfreiheit darf weder durch Censur, noch durch Concessionen oder Sicherheitsstellungen, noch durch Beschränkungen der Druckereien oder des Buchhandels, noch durch Hemmungen des freien Verkehrs beschränkt werden“, nebst einem zusätzlichen Antrag von Moritz Mohl: „Die Preßfreiheit etc. etc. darf weder durch Postverbote noch andere Hemmungen des freien Verkehrs beschränkt werden“, wird angenommen. Ein Antrag von Raumer und Schubert: an die Stelle des Punkt 3 des Verfassungsausschusses „über Preßvergehen wird durch Schwurgerichte geurtheilt“ die Worte zu setzen „über Preßvergehen wird durch Schwurgerichte nach einem zu erlassenden Reichsgesetze geurtheilt,“ wird angenommen. (Alle diese Abstimmungen werden von Bravoruf begleitet.) Das erste Minoritätserachten, betreffend den Schutz der Presse gegen Nachdruck (s. oben) beschließt die Versammlung erst bei § 25 der Grundrechte zu berücksichtigen. ‒ Demnach lautet § 10 in der heute sanctionirten Verfassung folgendermaßen: „Jeder Deutsche hat das Recht, durch Wort und Schrift, Druck und bildliche Darstellungen etc. seine Meinung frei zu äußern. Die Preßfreiheit darf unter keinen Umständen und in keiner Weise, namentlich weder durch die Censur, noch durch Concessionen oder Sicherheitstellungen, noch durch Staatsauflagen, noch durch Beschränkungen der Druckereien oder des Buchhandels, noch durch Postverbote und andere Hemmungen des freien Verkehrs beschränkt, suspendirt oder aufgehoben werden. ‒ Ueber Preßvergehen wird durch Schwurgerichte nach einem zu erlassenden Reichsgesetze geurtheilt.“ Einen Antrag Vogt's und Wesendonk's: „dies Preßgesetz gleich einer Kommission zur Sanctionirung zu übergeben“, erkennt die Versammlung nicht als dringlich, weil Gagern und der Reichsjustizminister, Robert Mohl, sich dagegen aussprechen. Ein zweiter Antrag: „den sofortigen Druck der einmal angenommenen Paragraphen der Grundrechte zu veranstaltten, um so dem Volke wenigstens vorläufig etwas zu bieten“, wird auf Gagern's Rath ebenfalls verworfen. Derselbe meint, es könnte dies beim Volke zu Mißverständnissen Anlaß geben. Er verweist auf die zweite Berathung. (Vor welcher nämlich noch „Vereinbarung mit den Regierungen“ möglich wäre. „Kühner Griff!“) Der Justizminister Mohl entschuldigt die Minister wegen der unbeantworteten Interpellationen. Dieselben wären noch nicht an die Minister gelangt! Auch hätten die Minister bei der vorläufigen unvollkommenen Einrichtung der Ministerien ganz furchtbar viel zu thun. Müßten alle Briefe selber schreiben, ja beinahe selbst auf die Post tragen! (Hr. Stedtmann weint, und wird bald von den Gehältern sprechen.) Uebrigens hätten sie in einem Briefe (von dem Niemand etwas weiß) der Versammlung für nächste Woche einen Tag festgestellt, wo sie alle Interpellationen auf Einmal (summarisch) beantworten würden. Der Vicepräsident erstattet Bericht über die neuesten Urlaubsgesuche. Er sind ihrer neunzehn. Einige davon sind seltsam motivirt, z.B. Einer (von den Deutsch-Polen) will seine Familie nach Frankfurt abholen. Ein Anderer ist von den Geschäften angegriffen. Ein Dritter hat zu Hause Geschäfte mit seinem Bruder. (Man wird an ein bekanntes Evangelium erinnert.) Fuchs (der schlaue Jurist) will bestimmte Urlaubsgrundsätze; wird unterbrochen und ruft empört aus: Dixi et salvavi animam meam! R. R. frägt den Präsidenten, was an dem Gerücht wäre, daß im September die Versammlung wegen Heizung der Paulskirche, sich vertagen würde. Gagern weiß nichts davon, und ist der Meinung, eine konstituirende Versammlung dürfe sich nicht vertagen. Schluß der Sitzung. Sonnabend und Sonntag Erholungstage. Tagesordnung für Montag: Diskussion über einige durch Vischer aus Tübingen eingereichte Anträge, betreffend: beschleunigte und veränderte Verfahrungsweise bei der Berathung der Grundrechte. pp Frankfurt, 19. Aug. Die ihre Führer und Getreuen mit Stellen beglückende Majorität der Nationalversammlung hatte Herrn Lichnowsky zu des deutschen Reichs würdigen Gesandten in Petersburg bestimmt, und die glückliche Wahl war bereits von dem Reichsverweser huldvoll gebilligt worden. Ministerpräsident Leiningen jedoch erklärte sich dagegen, und verlangte eventuell für den Fall von Lichnowsky's Ernennung seine Entlassung. Der Reichsverweser hat darauf die Sache von der Hand gewiesen, da er Herrn Leiningen aus verschiedenen Gründen nicht verlieren will. ‒ Herr Leiningen geht, wie wir aus guter Quelle erfahren, mit großen Plänen um. Als Mediatisirter ist derselbe kein sehr begeisterter Freund der regierenden Fürsten, die ihn aus ihren Reihen drängten. Herr Leiningen beabsichtigt nun, als Gegendienst ebenfalls mehrere kleine Fürsten zu mediatisiren, und gedenkt, trotz des bisherigen Widerspruchs der übrigen Minister, binnen wenigen Wochen die 38 Deutschländer auf 20 zu reduziren. Uebrigens ist die Ernennung des Herrn Leiningen zum Ministerpräsidenten für die deutschen Interessen im Ausland ebenso erfreulich, wie es die von der Times so freudig begrüßte Ernennung des Ritter Bunsen zum Reichsgesandten in England sein würde; Herr Leiningen, der nahe Verwandte der Königin von England, wird den deutschen Handel den Engländern gegenüber nicht minder emporheben, wie Herr Bunsen bereits früher die Interessen der Industrie und der Katholiken vertreten hat. 28 Düsseldorf, 19. August. Die Leichenfeier des gefallenen Füseliers vom 13. Infanterie-Regiment fand gestern Morgen statt; Bürger und Militärs wechselten in dem unabsehbaren Zuge ab; auf dem Friedhofe hielt der Divisionsprediger eine versöhnende Rede. Man will Subscriptionslisten zum Besten der verwittweten Mutter des Bestatteten circuliren lassen. Jetzt, wo sich allmälig die moralischen Folgen des 14. Aug. zeigen, muß ich noch zwei wichtige Momente meinen Berichten nachtragen und zwar zuerst, daß der Gemeinderath am 10. d. mit 8 gegen 7 Stimmen die Nichtbegrüßung des Königs beschloß, dieser Beschluß aber in einer andern Sitzung, als von einer incompetenten Zahl gefaßt, umgestoßen und das Gegentheil mit 21 gegen 8 Stimmen durchgesetzt wurde; ferner, daß in den königlichen Wagen am Hotel des Prinzen Dreck geworfen worden sein soll. Letzteres wird zwar widerstritten von Vielen, ist aber von dem größten Theile der Bewohner als unumstößliches Faktum angenommen und ist die Waffe, womit eine gewisse Partei ihre Pläne vertheidigt. Geben Sie wohl Acht, wie genial dasselbe benutzt wird; erstens heißt es, diese Rohheit (die doch vernünftigerweise nur dem Muthwillen eines Gassenbuben zuzuschreiben ist) rührt von jener frechen ehrlosen Partei her und dient zu ihrer schönen Charakteristik; zweitens ist nur das Benehmen der Bürgerwehr daran Schuld, denn wenn dieselbe Parade gehalten hätte, hätte Keiner gemurrt und gepfiffen, und gewiß hätte es kein Straßenjunge gewagt, Dreck in den Wagen zu werfen (was sagen Sie zu dieser Logik?) und am schlimmsten haben sich die 8 Gemeinderathsmitglieder versündigt, weil sie durch ihr schamloses Abstimmen Aergerniß gegeben. So lautet das Raisonnement des gutgesinnten Bürgers, der gestern mit zur Leiche ging; ich enthalte mich einstweilen weiterer Reflexionen, da man ohne Zweifel bald mit Machinationen gegen Bürgerwehr und die 8 Gemeinderathsmitglieder hervortreten und mir so eine bessere Gelegenheit geben wird, daran anzuknüpfen. 103 Berlin, 18. Aug. Durch die vom „Preußenverein für constitutionelles Königthum“ an seine preußischen Brüder in den Provinzen zugesandte Statuten dieses Vereins und einer angehängten Einladung zum Beitritt sind die anarchischen und reaktionären Bestrebungen dieses Vereins, welcher unter der Vorgabe, die vom Könige verheißene constitutionelle Verfassung durch Wort und That zu fördern, in Wahrheit aber volks- und staatsfeindliche Tendenzen verfolgt, recht ans Tageslicht gekommen. Der Preußenverein stellt den „alten“ preußischen patriotischen Sinn als das höchste erstrebenswerthe Endziel eines jeden Preußen hin; erfüllt von ihm „weint er,“ wie er sagt, „der Monarchie des großen Friedrich nach!“ [Fortsetzung] [Fortsetzung] nete nicht zu einem kalten rücksichtslosen Publikum, sondern zu seinen Stadt- und Standesgenossen sprach, zu Leuten, mit denen er Billard gespielt, Wein getrunken und Mummenschanz getrieben hatte. In bei weitem größeres Erstaunen setzt uns die andere Behauptung, daß die Stadt Köln nur deshalb einen so ewig denkwürdigen Tag erlebt habe, weil sie gerade Niemand anders als den Hrn. Raveaux zum Deputirten wählte. Wir haben belgische Deputirte, wir haben viele französische Abgeordnete und wir haben noch mehr englische Parlamentsmitglieder zu ihren Wählern reden hören, aber wir müssen gestehen, es ist uns bei solchen Gelegenheiten nie eine so eitle und selbstüberschätzende Bemerkung zu Ohren gekommen. Als der große Sir Robert Peel neuerdings wieder in Tamworth gewählt wurde, da sagte er nicht zu seinen Wählern: Bürger von Tamworth, ihr habt einen ewig denkwürdigen Tag erlebt, weil ihr mich, den großen Sir Robert Peel, zu eurem Abgeordneten wähltet ‒ nein, Sir Robert sprach: Bürger von Tamworth ich danke euch, daß ihr mich wähltet und ich werde suchen, mich dieser Wahl würdig zu machen. So sprach Sir Robert Peel, der erste Mann Englands, einer der ersten Redner der Welt, der seit dreißig Jahren die Geschicke seines Vaterlandes lenkt, der mit eiserner Faust das britische Scepter zu Ehren brachte in Europa, in halb Asien, in Australien und Amerika. Ein Mann wie Sir Robert war bescheidener als Raveaux, bescheidener wie der Mann, der nach einer allerdings anzuerkennenden lokalen Wirksamkeit sich erst die parlamentarischen Sporen zu verdienen sucht! Raveaux ist jetzt für einige Zeit von Frankfurt zurückgekehrt. Die Ansichten über seine dortige Thätigkeit sind sehr getheilt; jedenfalls scheint man aber darüber einverstanden zu sein, daß er der Rechten eben so wenig schadete, wie er der Linken wenig nutzte. Im Vorparlamente an den Republikaner streifend, hat der ehrenwerthe Abgeordnete später durch seine Unschlüssigkeit und durch seinen Mangel an Energie einen Antrag aufgeben müssen, der dem Vaterlande von unendlichem Nutzen sein und dem ehrenwethen Antragsteller bei kräftigerem Auftreten zu unsterblichem Ruhme gereichen konnte, so wie später, wir bedauern es aufrichtig, in Betreff des französischen Votums nicht aus eigenem demokratischen Instinkt gehandelt, sondern nur mit vorbereitetem Enthusiasmus den Auftrag einer parlamentarischen Coterie ausgeführt. Nichtsdestoweniger erkennen wir das Gute der Raveaux'schen Thätigkeit gern an. Aber dafür hat er denn auch den Dank seiner Vaterstadt in einem Empfang geärntet, wie ihn Könige und Kaiser nicht besser verlangen konnten. Es machte einen eigenthümlichen Eindruck auf uns, als wir bei der neulichen Ankunft Raveaux auf der Brücke unseres schönen Stromes standen, und seine Wellen von Feuer wogen, den Himmel von Raketen sprühen und die alte graue Stadt plötzlich von Fackeln und Lichtern taghell beleuchtet sahen, als wir den Jubelruf vieler Tausende vernahmen, die sich hin- und herüber drängten und als wir dann mit einem Male daran dachten, wie man noch vor wenigen Wochen, statt aller dieser Festlichkeiten einen Mann wie Camphausen mit nichts anderm als damit erfreute ‒ daß man ihm die Fenster einwarf! Raveaux und Camphausen ‒ Camphausen und Raveaux! Wir haben gewiß nicht zu denen gehört, die dem Ministerpräsidenten, während seiner kurzen Herrschaft Rosen und Lorbeern streuten; wenn irgend ein Organ die Schwäche des Herrn Camphausen zu rügen wußte, so war es das unsrige ‒ aber Herrn Camphausen mit Raveaux vergleichen ‒ wir müssen gestehen, wir möchten es nicht wagen! Doch genug. Der Repräsentant des Kleinbürgerthums hat sich wohl gehütet, des Falls des Repräsentanten der hohen Bourgeoisie zu gedenken. Wie Herr Raveaux nach jenem Brühler Feste erklärte, daß die Stadt Köln einen ewig denkwürdigen Tag erlebt habe, weil sie ihn zum Deputirten wählte, so hat er neulich nach jenem brillanten Empfang seinen gutmüthigen Wählern erklärt, daß sie durch eine derartige solenne Aufnahme seine Verdienste nur gebührend anerkannt hätten. Wir überlassen den Herrn Raveaux seiner eignen Klugheit und der Aufmerksamkeit seiner Wähler; wir warnen ihnen aber vor seiner Eitelkeit und vor seiner Selbstüberschätzung. Es sollte uns leid thun, wenn der gesunde Menschenverstand und das gefällige Talent des Herrn Raveaux einmal auf eine zu harte staatsmännische Probe gestellt würde, und wenn dann der ehrenwerthe Deputirte strauchelte und unsre wohlwollende Kritik von einer schärfern Feder fortgesetzt werden müßte, und die Bonhomie alter Billard- und Fastnachtsgenossen, durch die Eitelkeit des großen Deputirten verletzt, sich in Spotten und Lächeln verwandelte und aus den Fackelzügen düstre verdrießliche Nächte würden, aus den Jubelouvertüren Katzenmusiken und aus dem berühmten kölnischen Staatsmann ein enttäuschter Parvenü. O das wäre sehr schlimm! Da werden die lieblichen Frauen und Mädchen nicht mehr aus den Tassen trinken, auf denen ihr Raveaux steht; da werden die lustigen Burschen die Pfeifenköpfe zerbrechen auf denen das interessante schnurrbärtige Antlitz ihres alten Freundes strahlt und da wird der Ruhm des großen Mannes verrauchen wie der Tabak, den sein bleiches Bildniß schmückt. Ja wahrhaftig, die Eau de Cologne wird dann zuletzt noch berühmter bleiben als Herr Raveaux. Ich bitte meine Leser auf's demüthigste um Verzeihung, daß ich von Herrn Raveaux nicht schon längst zu viel wichtigern Personen und Sachen übergegangen bin. Aber Herr Raveaux ist nun einmal ein Abgeordneter ‒ ‒ Wir waren langmüthig mit unsern Fürsten und wir sind elend gewesen Jahrhunderte lang. Begehen wir nicht dieselbe Thorheit mit unsern Deputirten! Herr Raveaux hielt auf dem Domfest des Gürzenich eine unbedeutende Rede. (Forts. folgt.) Die Vergnügungsreihe der Herren der Nationalversammlung zum Dombaufeste in Köln kostet dem deutschen Volke circa fl. 9,500. Deutsche Reichstags-Zeitung von Robert Blum.

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Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 82. Köln, 22. August 1848, S. 0414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz082_1848/2>, abgerufen am 23.11.2024.