Neue Rheinische Zeitung. Nr. 83. Köln, 23. August 1848. Beilage.Beilage zu Nr. 83 der Neuen Rh. Ztg. Mittwoch 23. August 1848. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Frankfurter Debatte über die Aufhebung der Standesprivilegien. - Die Gensdarmen und die "Freien Volksblätter.") Berlin. (Herr Hansemann und die Gutsbesitzer. - Demokratisches. - Die Mediatisirungspläne. - Vereinbarer. - Charlottenburger Parteischlacht. - Die Preußen in Polen. - Konstablerheldenthaten.) Breslau. (Gerüchte von einem Bombardement Warschau's. - Verhaftungen in Kalisch) Czarnikow. (Das Haus des Landraths demolirt.) Danzig. (Protest.) Prag. (Damenprotest. - Soldatenlied. - Die Reaktion) Wien. (Angstruf der Landaristokratie. - Die Wiener Presse über Italien und Ungarn. - Reichstagssitzung.) Karlsruhe. (Die Amnestie.) Rendsburg. (Der Verfassungsausschuß und die Vertagung.) Ungarn. Kronstadt. (Die Russen in der Moldau verstärkt.) Alt-Orsova. (Heuschreckenschwärme.) Pesth. (Sieg der Ungarn bei Berbasz.) Polen.Krakau. (Die Reaktionären in der Armee.) Italien. (In Venedig die Republik wiederhergestellt. - Treffen zwischen Garibaldi und den Oestreichern. - Unruhen in Ravenna - Der Tessin angeblich von den Oestreichern überschritten. - Reggio von den Toscanern besetzt.) Mailand. (Erklärung Radetzky's. - Die Mailändische Zeitung.) Verona. (Oestreichisch-piemontesische Kommission nach Venedig.) Turin. (Die Friedensvermittler.) Livorno. (Ferdinand's Vorschläge an die Sizilianer.) Rom. (Deputirtenkammer.) Französische Republik. Paris. (Journalschau. - Cavaignac und Lamoriciere. - Legitimismus. - Neueste Proben von Bourgeoisjustiz. - Ein royalistisches Manifest. - Brief der Insurgenten aus dem Spital. - Vermischtes.) Belgien. Antwerpen. (Affaire-Risquons-Tout. - Sitzungen vom 17. und 18. August.) Schweiz. Chur. (Rückzug von bewaffneten Brescianern und Bergamaskern nach dem Veltlin.) Zürich. (Im Veltlin die Republik proklamirt. - Die italienischen Flüchtlinge. - Kontribution für die Sonderbundschefs.) Großbritannien. London. (Kampf zwischen D'Israeli und Palmerston. - Die Ernte in England, Schottland und Irland und der Handel.) [Französische Republik] Paris. Der Moniteur bestätigt heute die voraus bereits gestern gemachte Anzeige, daß Normanby seine Akfreditive dem General Cavaignac gestern überreichte, die ihn als außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister J. M. der Königin des vereinigten Königreichs von Großbritannien und Irland "mit einer Spezialmission beauftragt," beglaubigen. So lautete bekanntlich auch der Titel, den Gustav de Beaumont bei seiner Sendung nach London erhielt. - D' Andrian, der Abgesandte des Frankfurter Parlaments und speziell mit Unterhandlung der italischen Mediationsbedingungen zwischen England und Frankreich beauftragt, ist, einem Morgenblatt zufolge, gestern Abend hier eingetroffen. - Der zweite Band der berüchtigten Aktenstücke des Bauchard'schen Untersuchungsberichts ist diesen Morgen an die Glieder der Nationalversammlung vertheilt worden. Er enthält die berühmte Expedition von Risquons-Tout; die Verhandlungen der provisorischen Regierung, soweit sie sie irgendwie kompromittiren könnten; die Protokolle der Exekutivkommission; die Verhöre gegen die vorzüglichsten Angeklagten, die das Ausland dem Namen nach bereits kennt. Jemand, der Zeit und Gelegenheit hatte sämmtliche Aktenstücke (drei starke Quartbände) im Manuskript und Probebogen zu lesen, und den wir um den Charakter des Eindrucks frugen, den dieses Studium auf ihn gemacht habe, antwortete uns sehr naiv: "In diesen drei Bänden liegt die ganze Geheimgeschichte der neuesten Parteikämpfe Frankreichs. Die rothe Republik! (Ultrademokraten, Sozialisten u. Kommunisten) konspirirt gegen die weiße (moderirte) Republik, und die moderirte Republik konspirirt gegen die rothe. Alle Welt konspirirt." - Auf die Nachricht hin, daß Venedig den Waffenstillstand zu genehmigen verweigert und daß sich das sardinische Geschwader, das bisher Triest blokirte und die Zugänge Venedigs schützte, zurückziehen dürfte, hat die Exekutivgewalt unserer Flotte im Mittelmeer Befehl gegeben, vor Venedig und Triest zu lagern. - Zwanzigtausend Arbeiter petitioniren in diesem Augenblicke bei der National-Versammlung, um die Erlaubniß und die Mittel zu erwirken, nach Algerien übersiedeln zu dürfen. - Ollivier (Demosthenes) hat den etwa 100 Frauen, die sich gestern von der Pforte St. Denis in die Nähe der National-Versammlung bewegten, die Petition um Verleihung einer allgemeinen Amnestie für die Insurgenten abgenommen und der National-Versammlung überreicht. Ernste Ruhestörungen haben nicht stattgefunden. Belgien. S Antwerpen, 17. August. Die Scene ist nach Gent versetzt. Ein Zeuge sagt aus über das, was am 28. März in Gent vorgefallen. Dieser Zeuge ist der Kommissär Van Thildonck. Einzelne Steine sind auf dem Markte aufgerissen worden; die Gendarmerie ist hinzugekommen und die Steine wurden wieder eingesetzt. Der Generalprokurator fragt, ob man nicht schon angefangen habe, Barrikaden zu bauen. Die Aussage des Zeugen geht dahin, daß man einen Karren umgeworfen habe, der vielleicht auf 3 Rädern gestanden. Auf solchen schwachen Beinen steht die ganze Anklage. Wiederholt kommen die Fragen über 2 Franzosen vor, die auch in Gent gewesen, um das Gespenst der Revolution zu verbreiten. Die Anklage bewegt sich so unbestimmt, sie springt so von Einem auf das Andere, und die Thatsachen sind so geringfügig, und es wird ihnen von Bavay, dem General-Prokurator eine solche Wichtigkeit beigelegt, daß man sich des Lächelns nicht enthalten kann. Die Bankbillette, die man einwechselte, sind wieder zur Sprache gekommen. Der Wechsler ist citirt worden, und hat Spilthoorn und Marx deßhalb als verdächtige Personen erklärt, weil sie ihm etwas zu verdienen gegeben! Der gute Mann glaubte wirklich etwas zu verdienen, während die beiden andern Marx und Spilthoorn sich eilten, keine 300 Fr. zu verlieren. Der Flamänder, der gewöhnt ist, daß man einen auf's Blut akkordirt, ist nun ganz erstaunt, mehr als gewöhnlich verdient zu haben. Was würde er gesagt haben, wenn am anderm Tage wirklich die Bank ihre Zahlung eingestellt hätte! Nach ihm wird der Kutscher verhört, der die Herren Marx und Spilthoorn mit nach Hause führte! Ich sage Ihnen, es kann nichts kindischeres geben. Ernsthafter wird die Sache, als ein Zeuge den Tedesko beschuldigt, am 27. Februar in Brüssel aufgefordert zu haben: man sollte schreien: Es lebe die Republik! Tedesko enthüllt den Zeugen als einen Mouchard, einen Polizei-Agenten, und tadelt den Präsidenten sowohl als den Generalprokurator, ein solches Subjekt zugelassen zu haben. Drr Zeuge heißt Martin Sas; er ist dermaßen notorisch als ein Mouchard bekannt und glaubt sich in dieser Eigenschaft dermaßen im Besitze drr Macht, daß er eines Tages, in einem Wirthshause, wo er Streit bekam, eine geladene Pistole herauszog und Feuer zu geben drohte. Sas steht unter dem Schutze der Polizei; er wurde pro Forma eingesteckt, aber den andern Tag wieder entlassen. Einen solchen Menschen gab man dem Herrn Tedesko zur Seite; von einem solchen Menschen ließ man ihn bewachen, als er, Tedesko, noch in völliger Freiheit war, und der Angeklagte macht seiner Entrüstung in energischen Aurdrücken Luft, um das Verhalten der belg. Justiz des Parquets und der Polizei zu geißeln. Dieser Sas, wie andere Zeugen aussagen, hat sogar mitgeschrieen: Es lebe die Republik! und als der Präsident ihn darüber darüber zu Rede stellte, antwortete er: Ja, er habe ebenfalls so geschrieen; aber bloß, um zu sehn, was die Andern schreien würden. Der Präsident sieht sich genöthigt, diesen Zeugen aus der Reihe der Zeugen auszustreichen. Ein anderer Zeuge gegen Tedesko ist nicht mehr ein Mouchard, sondern der Polizeiinspektor Deckers in höchst eigener Person. Dieser Mann ist am 26. Februar selbst in der demokratischen Gesellschaft in Brüssel gewesen, nicht um den Mouchard abzugeben, sondern um dem General-Prokarator und dem Könige und den Ministern Rechenschaft abzustatten, über das was vorginge, damit letztere (es war unmittelbar nach der Februar Revolution) abziehen, der König abdanken, und der General-Prokurator Bavay sein Requisitorium gegen die Minister machen könnte. Die Sache gestaltete sich anderes: statt gegen die Minister aufzutreten, tritt der General-Prokurator für sie auf, als öffentliches Ministerium. Sie können sich nun leicht denken, wie der Polizei-Inspektor Deckers gegen Tedesko auftritt, den er im Falle, daß in Belgien die Republick proklamirt worden, vielleicht um Beibehaltung seiner Stelle hätte anbetteln müssen. Tedesko, sagt Deckers, sei ein gefährlicher Republikaner; im demokratischen Verein habe Tedesko zu sagen gewagt, er sei expres von Lüttich nach Brüssel gekommen, um dieser merkwürdigen Sitzung beizuwohnen. Aber das sei noch nicht Alles: Tedesko hat ferner gesagt, Gott habe uns alle gleich geschaffen, und man müsse darauf dringen, daß die Truppen zurückgeschickt würden. Sie sollten alle bewaffnet sein. Tedesko erklärt sich allerdings daß er gesagt habe, sie müßten Alle bewaffnet sein; aber er habe hinzu gesetzt: man müsse eine Petition an das Stadthaus abgeben, um eben auf allgemeine Bewaffnung zu dringen. Die Zeugen bekräftigen diese Berichtigung. Unter den Schutzzeugen bemerken wir Herrn Braas, der in Paris anwesend war als Herr Spilthoorn dem Herrn Garnier Pages die Adresse der demokraischen Gesellschaft überreichte, und auf die Beibehaltung der belgischen Nationalitäten drang. S Antwerpen, 18. Aug. Unter den Schutzzeugen, die vorgeladen, hebe ich nur zwei hervor: den Herrn Mayntz aus Düsseldorf, Professor an der Universität Brüssel und den Advokaten Picard, beide Komite's-Mitglieder der demokratischen Gesellschaft. Sie sprechen sich über den Zweck dieser Gesellschaft aus, die auf eine friedliche Weise Proganda zu machen suchte. "Das Wort ist an den General-Prokurator um seine Anklage zu entwickeln." Da hätten Sie den ernsten Mann, den Vertreter der öffentlichen Moral, der öffentlichen Sicherheit sehen sollen, wie er sich g avitätisch erhob, um das Attentat den flämischen Geschworenen zu entwickeln. Herr Bavay spricht französisch und will sogar ein fein-pariser-Französisch sprechen. Die Geschworenen sprechen flämisch und wissen dies fein-pariser-Französisch nicht zu würdigen. Das Einzige, was sie zu würdigen wissen, das ist die Länge der Rede des Herrn Prokurators, und dieses alleinigen Umstandes willen, wären sie im Stande die Angeklagten schuldig zu erklären, zumal da sie diese Rede zweimal anhören müssen, einmal im französischen und einmal im flämischen. Ich fürchte sehr, daß viele Angeklagte für die Langweiligkeit des Herrn Prokurators büßen müssen. Herr Bavay fängt mit einer Eloge auf die belgische Constitution an, es ist dies stereotyp bei uns und bei Ihnen geworden. "Die belgische Constitution ist die Ehre der Civilisation." Natürlich, Deutsche haben es bewiesen, Deutsche, die zu uns gekommen, um nach dem Musterbilde unserer Constitution ihre eigene zu saconiren. Also was können die Republikaner von Freiheiten mehr verlangen, als diejenigen, die ihnen in der belgischen Constitution zugesagt sind? Also, schließt der Herr Prokurator, die Republikaner wollten in Belgien nicht die Republik, sondern etwas Anderes. Was dann? Sie wollten ihre sociale Stellung verbessern. De Rudder z. B., sagt Herr Prokurator, war ein "kleiner Metzger", der ungeachtet aller seiner Anstrengungen nicht vorwärts mit seinem Geschäfte kommen konnte; Deleßrce ist ein sehr geschickter Erdarbeiter - aber er hatte keine Arbeit und mußte Schulden machen. Fosses würde keinen Franken Kredit hier in Antwerpen erhalten. So geht der Staatsproturator die nothdürftigen Angeklagten der Reihe nach durch, und zeigt, daß es ihnen nicht so sehr um politische Freiheiten, als um sociale Stellungen zu thun war. Es waren im ersten Zuge, der nach Belgien zog, 1000 Arbeiter, die ebenfalls weiter nichts wollten. Also mit der politischen Constitution des jetzigen Staates war den Leuten die soziale Stellung nicht gegeben; die Politik sicherte ihnen ihr Leben nicht: sie hatten keine "sociale Stellung": d. h. sie standen im Staate nicht. Nun ist aber die Politik am Ende weiter nichts als die Spitze, das Resumee aller socialen Stellungen, d. h. aller derjenigen, die im Staate stehen. Also bestand das Verbrechen dieser Leute darin, daß sie sich in ihrem Lande social feststellen wollten, um in den politischen Freiheiten begriffen zu sein: Und haben unsere grund- und bodenlosen Flamänder nicht dazu ein vollkommenes Recht? Haben sie nicht Alles verloren, bis auf ihr Spinnrad? Als ihre Väter für die Freiheit Belgiens stritten, war es damals nicht in der sichern Voraussicht, daß ihren Töchtern das Spinnrad und die Tugend verbliebe: Hatten Sie nicht ihr Leben daran gesetzt, und hatten sie nicht das Land gepflügt, daß es ihren Söhnen fromme? Aber seht, die konstitutionelle Entwicklung hat den Leuten den Boden unter den Füßen weggezogen, und hat unsern Töchtern Alles genommen, bis auf die Tugend, bis auf das Lebenskapital. Wir sind arm, lebensarm, blutarm geworden, und der Herr Prokurator rechnet den Leuten die bloße Absicht gegen den Hungertod anzufechten für ein Verbrechen an. Zugleich bekundet der Herr Prokurator eine ungemeine Unwissenheit, da er, nach Allem, was in Frankreich vorgegangen, noch immer nicht weiß, daß jede politische Frage weiter nichts als eine sociale ist. Doch warten Sie, wenn die Flamänder losbrechen und der Herr Prokurator, bei einer Umwälzung, besorgt um sein Geschäft und um sein Brod, genöthigt ist, die Minister oder gar den konstitutionellen Monarchen, im Namen dessen er jetzt spricht, in den Anklagezustand zu versetzen, dann wird er wohl diese Unterscheidung kennen lernen. Nach dieser Kategorie von Angeklagten geht dann der Prokurator auf Herrn Spilthoorn über. Ich muß Ihnen vorab sagen, daß Spilthoorn, der unschuldigste Mann von der Welt, dem Herrn Prokurator deßhalb ein Dorn im Auge ist, weil Spilthoorn schon 1830 in Gent Mitglied der provisorischen Regierungskommission, noch ehe der Prokurator Prokurator, war, daß Spilthoorn sich damals entschieden gegen die Monarchie ausgesprochen, also den Tod über alle kommenden Bavay's verhängt hatte. Spilthoorn, sagt Hr. Bavay, ist am 27. Febr. nach Brüssel gekommen, auf Einladung des Hrn. Joltrand, um der Demokraten-Gesellschaft beizuwohnen. In dieser Gesellschaft sei jene Adresse an die Franzosen beschlossen worden, worin es heiße, daß man durch eine friedliche, aber energische Agitation die Vortheile noch erringen wolle, die man schon in Frankreich errungen. Bei dieser Stelle geht der Prokurator in "philosophisch-politische Betrachtungen" ein über das, was eine friedliche Agitation sei. Er könne die friedliche Agitation nicht begreifen, und die Mitglieder der demokratischen Gesellschaft hätten sie so wenig begriffen, daß sie an demselben Abend bedeutende Unruhen auf dem öffentlichen Markte verursacht. Sie waren zu dieser Zeit noch in Brüssel, und Sie wissen, welch eine Bewandniß es mit den bedeutenden Unruhen gehabt; der Mouchard Sas, der gegen Tedesco auftrat und vom Präsidenten abgewiesen worden, hatte an diesem Abend allein die Republik leben lassen und Verhaftungen vorgenommen. Unter diesen Verhafteten befand sich Herr Wolff aus Breslau, den der Herr Prokurator mit einem ungeheuren Dolche bewaffnet. Dieser Dolch, den der Herr Prokurator ihm in die Schuhe schiebt, ist ihm vom Mouchard Sas unter die Füße geworfen worden, bloß, um einen Grund zu seiner Verhaftung zu haben. Ueberhaupt haben die Deutschen dem Herrn Prokurator als Arabesken im Prozesse gedient. Unter andern war bei der Expedition der Brüsseler Zeitung als Trager ein deutscher Zwerg angestellt, dessen Geisteskräfte mehr oder minder verwachsen waren. Dieser Mensch hatte in göttlicher Trunkenheit dem Herrn Bornstädt einen antiken Dolch entwendet, den er an einen Gürtel, wie einen Schleppsäbel gebunden und so durch die Straßen Brüssels zog. Bis auf die heutige Stunde erscheint dieser am Dolche festgebundene Zwerg der Polizei sowohl als dem Staatsprokurator als die mystische Person, die durch den ganzen Prozeß durchgeht. Dieses gefährliche unbekannte Wesen wird von Hrn. Bavay mehrmals citirt als der Geist der Verschwörung, und niemals nennt er ihn ohne inneres Grauen. Wie wird Hr. Bornstädt lachen, wenn er die Rolle sieht, welche der Prokurator seinem Groom, seinem Bedienten zuerkennt. Dieser Zwerg, von dem immer im Prozesse gesprochen wird, und der niemals erscheint, ist von der Polizei in einem besondern Zellenwagen, oben und unten mit Soldaten bewacht, die beständig das Kreuz schlugen, auf die französische Gränze gebracht worden. Bei den Franzosen erregte seine affenartige Erscheinung ein allgemeines Gelächter, besonders als sie die Angst der belgischen Soldaten erblickten. Hr. Bavay geht sodann auf Spilthoorns Reise nach Paris über, und zeichnet ihn uns als einen Mann, durch dessen Vermittlung "die belgische Legion Lebensmittel" erhalten. Ein Hauptanklagepunkt gegen Spilthoorn ist ein Brief an den Advokaten Braas in Namur, worin ersterer seine Hoffnung ausdrückt, daß Leopold bald abdanken werde. Was wäre dann aus Herrn Bavay geworden? Leopold, der am 26. zu Herrn Jottrand geschickt, und so gern abgedankt hätte, wenn er es auf eine anständige Weise und mit einem anständigen Gehalte hätte thun können, hätte den Herrn Bavay, den königlichen Prokurator aufgeben müssen. Das wäre jammerschade um sein schönes Talent gewesen. Spilthoorn's Reise nach Paris, Spilthoorn's "revolutionäre Reden" im Klub Menilmontant und an der Jult-Kolonne, das sind die Punkte, die gegen ihn vorgebracht werden. Großbritannien. * London, 18. August. Unterhaus vom 17. d. Herr Maher interpellirt das Ministerium wegen der vom General M'Donald und seinen Soldaten in der Graffschaft Tipperary verübten Brutalitäten, Plündereien etc. Er verlangt bestimmte Antwort darüber, daß besagter General dem Staatsprokurator John Cahill in Thurles an der Thüre eines Gasthauses, wo letzterer eine Cigarre rauchte, mit einem geladenen Pistol gedroht habe, wenn er nicht sofort verschwinde. Ferner, ob es wahr sei, daß der Banquier Bridge in Thurles, angeblich wegen eines "aufrührerischen Blicks" auf den General M'Donald, verhaftet worden und mehrere andere Personen aus gleichem Grunde. Hr. Maher will ferner wissen, ob das Militär in Irland wirklich dieselbe Gewalt überkommen hat, als wenn das Kriegsrecht proklamirt worden wäre. Endlich, ob die Regierung durch Vorlegung von Indemnitätsbills die richterlichen Ansprüche der verletzten Personen zu Wasser machen wolle. Sir G. Grey antwortet, daß dem Ministerium über General M'Donald nichts Nachtheiliges und Ungesetzliches bekannt worden sei. Ja letzterer habe direkt alle Anschuldigungen als unbegründet zurückgewiesen. M'Donald hat einen Brief übersandt, in welchem er den Vorfall, wegen der Verhaftung und Abführung S. O'Brien's nach Dublin erzählt, wie Capitän Mackenzie auf seinen Befehl einen Maschinisten mit dem Tode bedroht, wenn er nicht warte, bis der Gefangene fortgeschafft werden könne. Das sei binnen fünf Minuten geschehen; und es sei zum Glück des Landes gerade in dieser Weise gehandelt worden. Denn bereits seien 40 Insurgenten zum Aufreißen der Schienen abgesandt gewesen; hätten sie das in's Werk zu setzen vermocht, so würde viel Blut geflossen sein, bevor S. O'Brien bis Dublin hätte gebracht werden können. Indeß Hr. Maher wies nach, daß das Militär auf seinem Gute in der Nahe von Thurles sich Gewaltthätigkeiten aller Art erlaubt; er beantragte Vorlegung der ganzen hierauf bezüglichen Korrespondenz. Der Staatssekretär im Kriegsdepartement (F. Maule) versprach die Vorlegung der Korrespondenz für nächste Woche. Sodann bot die Bill zur Ermächtigung von diplomatischem Verkehr mit dem römischen Hofe Gelegenheit zu einer langen Debatte. Palmerston beantragte die zweite Lesung. Anskey, Urquhart und Inglis sind dagegen. Letzterer namentlich konnte seine Wuth gegen die Bill gar nicht bemeistern; mit dem Pabst, meinte er, dürfe England um so weniger diplomatische Verbindungen anknüpfen, als derselbe alle m t Oestreich, dem Hauptwohlthäter (!!) des Pabstes, bestehenden Verträge offen verletzt und Truppen, wie zu einem heiligen Kriege, gegen dasselbe eingesegnet habe. Außerdem haben 3,500 geistliche Hochkirchenmänner gegen die Bill protestirt; schon deshalb dürfe sie also nicht passiren. Lord John Russell vertheidigt die Bill, während Napier sich dagegen erklärt, da sie lediglich den Zweck habe, Irland, bei dem alle übrigen Mittel fehl geschlagen, endlich durch Hülfe des Pabstes zu regieren. Nachdem der Kampf auf beiden Seiten noch eine Weile fortgedauert, wird die zweite Lesung mit 125 gegen 46 Stimmen beschlossen. Lord J. Russell erklärt, daß bis zum Schluß der Session, jeden Montag, Mittwoch und Freitag das Budget im Comite berathen werden soll. - Unterhaus vom 18. August. Berathung des Budgets fortgesetzt. Bei der Position von 125,000 Pf. Sterl. für Zwecke der Volkserziehung, beantragt Biscount Melgund Resolutionen in Betreff der Erziehung in Schottland. Er verlangt, daß in die dortigen Volksschulen, so wie bisher, jedes Kind ohne Unterschied der Consession aufgenommen werde, ohne den religiösen Grundsätzen zu nahe zu treten; daß der Staat in keiner Weise die Fortdauer sektirerischer Animosität begünstigen solle und daß, da Schottland die Prinzipien des neuen Erziehungssystems keineswegs billige, es bei der alten Einrichtung, unter den nothwendigen Verbesserungen, bewenden möge Das Geld für die Nationalerziehung wird schließlich bewilligt und weiterhin bald über die Transportation nach Van Diemens Land, bald über die Vancouver's Insel und die Hudsonsbay-Compagnie, bald über die Universitäten Oxford, Cambridge und London debattirt. - Die hier verhafteten Chartisten werden sämmtlich vor Gericht gestellt werden. Bei dem polizeirichterlichen Vorverhör der Zeugen stellte es sich heraus, daß der Hauptzeuge Powell unter dem falschen Namen Johnson als Polizeispion fortwährend die Rolle eines höchst exaltirten Chartisten gespielt und die Sache so eingefädelt, daß eine Anzahl Chartisten wegen unrechtmäßigen Besitzes von Waffen etc. verhaftet werden konnten. Er selbst goß Kugeln, die er nebst Pulver, an verschiedene Chartisten austheilte. Die Gefangenen beklagten sich, daß sie 60 Stunden lang ohne Essen und Trinken gelassen worden. Bürgschaft wurde für keinen Verhafteten angenommen. * London, 18. Aug. In frühern Zeiten hätte eine Unterhaus-Debatte, wie die vorgestrige, über Englands Politik in den italienischen Angelegenheiten mehrere Wochen lang zu reden gegeben. Jetzt sind diese parlamentarischen Hahnenkämpfe in zwei Tagen vergessen. Die Debate über Italien hat nicht einmal die geringste Notiz zu Tage gefördert, die nicht längst in und außerhalb des Parlaments bekannt gewesen. Irgend eine mittelmäßig unterrichtete Zeitung in England, Frankreich etc. hat über die Angelegenheiten Italiens und Englands Betheiligung daran reichhaltigeres Material geliefert, als die Redeübungen des britischen Parlements. Handelte es sich doch auch im Grunde nicht um Italien, sondern um die Whig-Parthei, welche am Ruder ist, und die Tory-Parthei, Beilage zu Nr. 83 der Neuen Rh. Ztg. Mittwoch 23. August 1848. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Frankfurter Debatte über die Aufhebung der Standesprivilegien. ‒ Die Gensdarmen und die „Freien Volksblätter.“) Berlin. (Herr Hansemann und die Gutsbesitzer. ‒ Demokratisches. ‒ Die Mediatisirungspläne. ‒ Vereinbarer. ‒ Charlottenburger Parteischlacht. ‒ Die Preußen in Polen. ‒ Konstablerheldenthaten.) Breslau. (Gerüchte von einem Bombardement Warschau's. ‒ Verhaftungen in Kalisch) Czarnikow. (Das Haus des Landraths demolirt.) Danzig. (Protest.) Prag. (Damenprotest. ‒ Soldatenlied. ‒ Die Reaktion) Wien. (Angstruf der Landaristokratie. ‒ Die Wiener Presse über Italien und Ungarn. ‒ Reichstagssitzung.) Karlsruhe. (Die Amnestie.) Rendsburg. (Der Verfassungsausschuß und die Vertagung.) Ungarn. Kronstadt. (Die Russen in der Moldau verstärkt.) Alt-Orsova. (Heuschreckenschwärme.) Pesth. (Sieg der Ungarn bei Berbasz.) Polen.Krakau. (Die Reaktionären in der Armee.) Italien. (In Venedig die Republik wiederhergestellt. ‒ Treffen zwischen Garibaldi und den Oestreichern. ‒ Unruhen in Ravenna ‒ Der Tessin angeblich von den Oestreichern überschritten. ‒ Reggio von den Toscanern besetzt.) Mailand. (Erklärung Radetzky's. ‒ Die Mailändische Zeitung.) Verona. (Oestreichisch-piemontesische Kommission nach Venedig.) Turin. (Die Friedensvermittler.) Livorno. (Ferdinand's Vorschläge an die Sizilianer.) Rom. (Deputirtenkammer.) Französische Republik. Paris. (Journalschau. ‒ Cavaignac und Lamoricière. ‒ Legitimismus. ‒ Neueste Proben von Bourgeoisjustiz. ‒ Ein royalistisches Manifest. ‒ Brief der Insurgenten aus dem Spital. ‒ Vermischtes.) Belgien. Antwerpen. (Affaire-Risquons-Tout. ‒ Sitzungen vom 17. und 18. August.) Schweiz. Chur. (Rückzug von bewaffneten Brescianern und Bergamaskern nach dem Veltlin.) Zürich. (Im Veltlin die Republik proklamirt. ‒ Die italienischen Flüchtlinge. ‒ Kontribution für die Sonderbundschefs.) Großbritannien. London. (Kampf zwischen D'Israeli und Palmerston. ‒ Die Ernte in England, Schottland und Irland und der Handel.) [Französische Republik] Paris. Der Moniteur bestätigt heute die voraus bereits gestern gemachte Anzeige, daß Normanby seine Akfreditive dem General Cavaignac gestern überreichte, die ihn als außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister J. M. der Königin des vereinigten Königreichs von Großbritannien und Irland „mit einer Spezialmission beauftragt,“ beglaubigen. So lautete bekanntlich auch der Titel, den Gustav de Beaumont bei seiner Sendung nach London erhielt. ‒ D' Andrian, der Abgesandte des Frankfurter Parlaments und speziell mit Unterhandlung der italischen Mediationsbedingungen zwischen England und Frankreich beauftragt, ist, einem Morgenblatt zufolge, gestern Abend hier eingetroffen. ‒ Der zweite Band der berüchtigten Aktenstücke des Bauchard'schen Untersuchungsberichts ist diesen Morgen an die Glieder der Nationalversammlung vertheilt worden. Er enthält die berühmte Expedition von Risquons-Tout; die Verhandlungen der provisorischen Regierung, soweit sie sie irgendwie kompromittiren könnten; die Protokolle der Exekutivkommission; die Verhöre gegen die vorzüglichsten Angeklagten, die das Ausland dem Namen nach bereits kennt. Jemand, der Zeit und Gelegenheit hatte sämmtliche Aktenstücke (drei starke Quartbände) im Manuskript und Probebogen zu lesen, und den wir um den Charakter des Eindrucks frugen, den dieses Studium auf ihn gemacht habe, antwortete uns sehr naiv: „In diesen drei Bänden liegt die ganze Geheimgeschichte der neuesten Parteikämpfe Frankreichs. Die rothe Republik! (Ultrademokraten, Sozialisten u. Kommunisten) konspirirt gegen die weiße (moderirte) Republik, und die moderirte Republik konspirirt gegen die rothe. Alle Welt konspirirt.“ ‒ Auf die Nachricht hin, daß Venedig den Waffenstillstand zu genehmigen verweigert und daß sich das sardinische Geschwader, das bisher Triest blokirte und die Zugänge Venedigs schützte, zurückziehen dürfte, hat die Exekutivgewalt unserer Flotte im Mittelmeer Befehl gegeben, vor Venedig und Triest zu lagern. ‒ Zwanzigtausend Arbeiter petitioniren in diesem Augenblicke bei der National-Versammlung, um die Erlaubniß und die Mittel zu erwirken, nach Algerien übersiedeln zu dürfen. ‒ Ollivier (Demosthenes) hat den etwa 100 Frauen, die sich gestern von der Pforte St. Denis in die Nähe der National-Versammlung bewegten, die Petition um Verleihung einer allgemeinen Amnestie für die Insurgenten abgenommen und der National-Versammlung überreicht. Ernste Ruhestörungen haben nicht stattgefunden. Belgien. S Antwerpen, 17. August. Die Scene ist nach Gent versetzt. Ein Zeuge sagt aus über das, was am 28. März in Gent vorgefallen. Dieser Zeuge ist der Kommissär Van Thildonck. Einzelne Steine sind auf dem Markte aufgerissen worden; die Gendarmerie ist hinzugekommen und die Steine wurden wieder eingesetzt. Der Generalprokurator fragt, ob man nicht schon angefangen habe, Barrikaden zu bauen. Die Aussage des Zeugen geht dahin, daß man einen Karren umgeworfen habe, der vielleicht auf 3 Rädern gestanden. Auf solchen schwachen Beinen steht die ganze Anklage. Wiederholt kommen die Fragen über 2 Franzosen vor, die auch in Gent gewesen, um das Gespenst der Revolution zu verbreiten. Die Anklage bewegt sich so unbestimmt, sie springt so von Einem auf das Andere, und die Thatsachen sind so geringfügig, und es wird ihnen von Bavay, dem General-Prokurator eine solche Wichtigkeit beigelegt, daß man sich des Lächelns nicht enthalten kann. Die Bankbillette, die man einwechselte, sind wieder zur Sprache gekommen. Der Wechsler ist citirt worden, und hat Spilthoorn und Marx deßhalb als verdächtige Personen erklärt, weil sie ihm etwas zu verdienen gegeben! Der gute Mann glaubte wirklich etwas zu verdienen, während die beiden andern Marx und Spilthoorn sich eilten, keine 300 Fr. zu verlieren. Der Flamänder, der gewöhnt ist, daß man einen auf's Blut akkordirt, ist nun ganz erstaunt, mehr als gewöhnlich verdient zu haben. Was würde er gesagt haben, wenn am anderm Tage wirklich die Bank ihre Zahlung eingestellt hätte! Nach ihm wird der Kutscher verhört, der die Herren Marx und Spilthoorn mit nach Hause führte! Ich sage Ihnen, es kann nichts kindischeres geben. Ernsthafter wird die Sache, als ein Zeuge den Tedesko beschuldigt, am 27. Februar in Brüssel aufgefordert zu haben: man sollte schreien: Es lebe die Republik! Tedesko enthüllt den Zeugen als einen Mouchard, einen Polizei-Agenten, und tadelt den Präsidenten sowohl als den Generalprokurator, ein solches Subjekt zugelassen zu haben. Drr Zeuge heißt Martin Sas; er ist dermaßen notorisch als ein Mouchard bekannt und glaubt sich in dieser Eigenschaft dermaßen im Besitze drr Macht, daß er eines Tages, in einem Wirthshause, wo er Streit bekam, eine geladene Pistole herauszog und Feuer zu geben drohte. Sas steht unter dem Schutze der Polizei; er wurde pro Forma eingesteckt, aber den andern Tag wieder entlassen. Einen solchen Menschen gab man dem Herrn Tedesko zur Seite; von einem solchen Menschen ließ man ihn bewachen, als er, Tedesko, noch in völliger Freiheit war, und der Angeklagte macht seiner Entrüstung in energischen Aurdrücken Luft, um das Verhalten der belg. Justiz des Parquets und der Polizei zu geißeln. Dieser Sas, wie andere Zeugen aussagen, hat sogar mitgeschrieen: Es lebe die Republik! und als der Präsident ihn darüber darüber zu Rede stellte, antwortete er: Ja, er habe ebenfalls so geschrieen; aber bloß, um zu sehn, was die Andern schreien würden. Der Präsident sieht sich genöthigt, diesen Zeugen aus der Reihe der Zeugen auszustreichen. Ein anderer Zeuge gegen Tedesko ist nicht mehr ein Mouchard, sondern der Polizeiinspektor Deckers in höchst eigener Person. Dieser Mann ist am 26. Februar selbst in der demokratischen Gesellschaft in Brüssel gewesen, nicht um den Mouchard abzugeben, sondern um dem General-Prokarator und dem Könige und den Ministern Rechenschaft abzustatten, über das was vorginge, damit letztere (es war unmittelbar nach der Februar Revolution) abziehen, der König abdanken, und der General-Prokurator Bavay sein Requisitorium gegen die Minister machen könnte. Die Sache gestaltete sich anderes: statt gegen die Minister aufzutreten, tritt der General-Prokurator für sie auf, als öffentliches Ministerium. Sie können sich nun leicht denken, wie der Polizei-Inspektor Deckers gegen Tedesko auftritt, den er im Falle, daß in Belgien die Republick proklamirt worden, vielleicht um Beibehaltung seiner Stelle hätte anbetteln müssen. Tedesko, sagt Deckers, sei ein gefährlicher Republikaner; im demokratischen Verein habe Tedesko zu sagen gewagt, er sei expres von Lüttich nach Brüssel gekommen, um dieser merkwürdigen Sitzung beizuwohnen. Aber das sei noch nicht Alles: Tedesko hat ferner gesagt, Gott habe uns alle gleich geschaffen, und man müsse darauf dringen, daß die Truppen zurückgeschickt würden. Sie sollten alle bewaffnet sein. Tedesko erklärt sich allerdings daß er gesagt habe, sie müßten Alle bewaffnet sein; aber er habe hinzu gesetzt: man müsse eine Petition an das Stadthaus abgeben, um eben auf allgemeine Bewaffnung zu dringen. Die Zeugen bekräftigen diese Berichtigung. Unter den Schutzzeugen bemerken wir Herrn Braas, der in Paris anwesend war als Herr Spilthoorn dem Herrn Garnier Pagès die Adresse der demokraischen Gesellschaft überreichte, und auf die Beibehaltung der belgischen Nationalitäten drang. S Antwerpen, 18. Aug. Unter den Schutzzeugen, die vorgeladen, hebe ich nur zwei hervor: den Herrn Mayntz aus Düsseldorf, Professor an der Universität Brüssel und den Advokaten Picard, beide Komite's-Mitglieder der demokratischen Gesellschaft. Sie sprechen sich über den Zweck dieser Gesellschaft aus, die auf eine friedliche Weise Proganda zu machen suchte. „Das Wort ist an den General-Prokurator um seine Anklage zu entwickeln.“ Da hätten Sie den ernsten Mann, den Vertreter der öffentlichen Moral, der öffentlichen Sicherheit sehen sollen, wie er sich g avitätisch erhob, um das Attentat den flämischen Geschworenen zu entwickeln. Herr Bavay spricht französisch und will sogar ein fein-pariser-Französisch sprechen. Die Geschworenen sprechen flämisch und wissen dies fein-pariser-Französisch nicht zu würdigen. Das Einzige, was sie zu würdigen wissen, das ist die Länge der Rede des Herrn Prokurators, und dieses alleinigen Umstandes willen, wären sie im Stande die Angeklagten schuldig zu erklären, zumal da sie diese Rede zweimal anhören müssen, einmal im französischen und einmal im flämischen. Ich fürchte sehr, daß viele Angeklagte für die Langweiligkeit des Herrn Prokurators büßen müssen. Herr Bavay fängt mit einer Eloge auf die belgische Constitution an, es ist dies stereotyp bei uns und bei Ihnen geworden. „Die belgische Constitution ist die Ehre der Civilisation.“ Natürlich, Deutsche haben es bewiesen, Deutsche, die zu uns gekommen, um nach dem Musterbilde unserer Constitution ihre eigene zu saconiren. Also was können die Republikaner von Freiheiten mehr verlangen, als diejenigen, die ihnen in der belgischen Constitution zugesagt sind? Also, schließt der Herr Prokurator, die Republikaner wollten in Belgien nicht die Republik, sondern etwas Anderes. Was dann? Sie wollten ihre sociale Stellung verbessern. De Rudder z. B., sagt Herr Prokurator, war ein „kleiner Metzger“, der ungeachtet aller seiner Anstrengungen nicht vorwärts mit seinem Geschäfte kommen konnte; Deleßrce ist ein sehr geschickter Erdarbeiter ‒ aber er hatte keine Arbeit und mußte Schulden machen. Fosses würde keinen Franken Kredit hier in Antwerpen erhalten. So geht der Staatsproturator die nothdürftigen Angeklagten der Reihe nach durch, und zeigt, daß es ihnen nicht so sehr um politische Freiheiten, als um sociale Stellungen zu thun war. Es waren im ersten Zuge, der nach Belgien zog, 1000 Arbeiter, die ebenfalls weiter nichts wollten. Also mit der politischen Constitution des jetzigen Staates war den Leuten die soziale Stellung nicht gegeben; die Politik sicherte ihnen ihr Leben nicht: sie hatten keine „sociale Stellung“: d. h. sie standen im Staate nicht. Nun ist aber die Politik am Ende weiter nichts als die Spitze, das Resumee aller socialen Stellungen, d. h. aller derjenigen, die im Staate stehen. Also bestand das Verbrechen dieser Leute darin, daß sie sich in ihrem Lande social feststellen wollten, um in den politischen Freiheiten begriffen zu sein: Und haben unsere grund- und bodenlosen Flamänder nicht dazu ein vollkommenes Recht? Haben sie nicht Alles verloren, bis auf ihr Spinnrad? Als ihre Väter für die Freiheit Belgiens stritten, war es damals nicht in der sichern Voraussicht, daß ihren Töchtern das Spinnrad und die Tugend verbliebe: Hatten Sie nicht ihr Leben daran gesetzt, und hatten sie nicht das Land gepflügt, daß es ihren Söhnen fromme? Aber seht, die konstitutionelle Entwicklung hat den Leuten den Boden unter den Füßen weggezogen, und hat unsern Töchtern Alles genommen, bis auf die Tugend, bis auf das Lebenskapital. Wir sind arm, lebensarm, blutarm geworden, und der Herr Prokurator rechnet den Leuten die bloße Absicht gegen den Hungertod anzufechten für ein Verbrechen an. Zugleich bekundet der Herr Prokurator eine ungemeine Unwissenheit, da er, nach Allem, was in Frankreich vorgegangen, noch immer nicht weiß, daß jede politische Frage weiter nichts als eine sociale ist. Doch warten Sie, wenn die Flamänder losbrechen und der Herr Prokurator, bei einer Umwälzung, besorgt um sein Geschäft und um sein Brod, genöthigt ist, die Minister oder gar den konstitutionellen Monarchen, im Namen dessen er jetzt spricht, in den Anklagezustand zu versetzen, dann wird er wohl diese Unterscheidung kennen lernen. Nach dieser Kategorie von Angeklagten geht dann der Prokurator auf Herrn Spilthoorn über. Ich muß Ihnen vorab sagen, daß Spilthoorn, der unschuldigste Mann von der Welt, dem Herrn Prokurator deßhalb ein Dorn im Auge ist, weil Spilthoorn schon 1830 in Gent Mitglied der provisorischen Regierungskommission, noch ehe der Prokurator Prokurator, war, daß Spilthoorn sich damals entschieden gegen die Monarchie ausgesprochen, also den Tod über alle kommenden Bavay's verhängt hatte. Spilthoorn, sagt Hr. Bavay, ist am 27. Febr. nach Brüssel gekommen, auf Einladung des Hrn. Joltrand, um der Demokraten-Gesellschaft beizuwohnen. In dieser Gesellschaft sei jene Adresse an die Franzosen beschlossen worden, worin es heiße, daß man durch eine friedliche, aber energische Agitation die Vortheile noch erringen wolle, die man schon in Frankreich errungen. Bei dieser Stelle geht der Prokurator in „philosophisch-politische Betrachtungen“ ein über das, was eine friedliche Agitation sei. Er könne die friedliche Agitation nicht begreifen, und die Mitglieder der demokratischen Gesellschaft hätten sie so wenig begriffen, daß sie an demselben Abend bedeutende Unruhen auf dem öffentlichen Markte verursacht. Sie waren zu dieser Zeit noch in Brüssel, und Sie wissen, welch eine Bewandniß es mit den bedeutenden Unruhen gehabt; der Mouchard Sas, der gegen Tedesco auftrat und vom Präsidenten abgewiesen worden, hatte an diesem Abend allein die Republik leben lassen und Verhaftungen vorgenommen. Unter diesen Verhafteten befand sich Herr Wolff aus Breslau, den der Herr Prokurator mit einem ungeheuren Dolche bewaffnet. Dieser Dolch, den der Herr Prokurator ihm in die Schuhe schiebt, ist ihm vom Mouchard Sas unter die Füße geworfen worden, bloß, um einen Grund zu seiner Verhaftung zu haben. Ueberhaupt haben die Deutschen dem Herrn Prokurator als Arabesken im Prozesse gedient. Unter andern war bei der Expedition der Brüsseler Zeitung als Trager ein deutscher Zwerg angestellt, dessen Geisteskräfte mehr oder minder verwachsen waren. Dieser Mensch hatte in göttlicher Trunkenheit dem Herrn Bornstädt einen antiken Dolch entwendet, den er an einen Gürtel, wie einen Schleppsäbel gebunden und so durch die Straßen Brüssels zog. Bis auf die heutige Stunde erscheint dieser am Dolche festgebundene Zwerg der Polizei sowohl als dem Staatsprokurator als die mystische Person, die durch den ganzen Prozeß durchgeht. Dieses gefährliche unbekannte Wesen wird von Hrn. Bavay mehrmals citirt als der Geist der Verschwörung, und niemals nennt er ihn ohne inneres Grauen. Wie wird Hr. Bornstädt lachen, wenn er die Rolle sieht, welche der Prokurator seinem Groom, seinem Bedienten zuerkennt. Dieser Zwerg, von dem immer im Prozesse gesprochen wird, und der niemals erscheint, ist von der Polizei in einem besondern Zellenwagen, oben und unten mit Soldaten bewacht, die beständig das Kreuz schlugen, auf die französische Gränze gebracht worden. Bei den Franzosen erregte seine affenartige Erscheinung ein allgemeines Gelächter, besonders als sie die Angst der belgischen Soldaten erblickten. Hr. Bavay geht sodann auf Spilthoorns Reise nach Paris über, und zeichnet ihn uns als einen Mann, durch dessen Vermittlung „die belgische Legion Lebensmittel“ erhalten. Ein Hauptanklagepunkt gegen Spilthoorn ist ein Brief an den Advokaten Braas in Namur, worin ersterer seine Hoffnung ausdrückt, daß Leopold bald abdanken werde. Was wäre dann aus Herrn Bavay geworden? Leopold, der am 26. zu Herrn Jottrand geschickt, und so gern abgedankt hätte, wenn er es auf eine anständige Weise und mit einem anständigen Gehalte hätte thun können, hätte den Herrn Bavay, den königlichen Prokurator aufgeben müssen. Das wäre jammerschade um sein schönes Talent gewesen. Spilthoorn's Reise nach Paris, Spilthoorn's „revolutionäre Reden“ im Klub Menilmontant und an der Jult-Kolonne, das sind die Punkte, die gegen ihn vorgebracht werden. Großbritannien. * London, 18. August. Unterhaus vom 17. d. Herr Maher interpellirt das Ministerium wegen der vom General M'Donald und seinen Soldaten in der Graffschaft Tipperary verübten Brutalitäten, Plündereien etc. Er verlangt bestimmte Antwort darüber, daß besagter General dem Staatsprokurator John Cahill in Thurles an der Thüre eines Gasthauses, wo letzterer eine Cigarre rauchte, mit einem geladenen Pistol gedroht habe, wenn er nicht sofort verschwinde. Ferner, ob es wahr sei, daß der Banquier Bridge in Thurles, angeblich wegen eines „aufrührerischen Blicks“ auf den General M'Donald, verhaftet worden und mehrere andere Personen aus gleichem Grunde. Hr. Maher will ferner wissen, ob das Militär in Irland wirklich dieselbe Gewalt überkommen hat, als wenn das Kriegsrecht proklamirt worden wäre. Endlich, ob die Regierung durch Vorlegung von Indemnitätsbills die richterlichen Ansprüche der verletzten Personen zu Wasser machen wolle. Sir G. Grey antwortet, daß dem Ministerium über General M'Donald nichts Nachtheiliges und Ungesetzliches bekannt worden sei. Ja letzterer habe direkt alle Anschuldigungen als unbegründet zurückgewiesen. M'Donald hat einen Brief übersandt, in welchem er den Vorfall, wegen der Verhaftung und Abführung S. O'Brien's nach Dublin erzählt, wie Capitän Mackenzie auf seinen Befehl einen Maschinisten mit dem Tode bedroht, wenn er nicht warte, bis der Gefangene fortgeschafft werden könne. Das sei binnen fünf Minuten geschehen; und es sei zum Glück des Landes gerade in dieser Weise gehandelt worden. Denn bereits seien 40 Insurgenten zum Aufreißen der Schienen abgesandt gewesen; hätten sie das in's Werk zu setzen vermocht, so würde viel Blut geflossen sein, bevor S. O'Brien bis Dublin hätte gebracht werden können. Indeß Hr. Maher wies nach, daß das Militär auf seinem Gute in der Nahe von Thurles sich Gewaltthätigkeiten aller Art erlaubt; er beantragte Vorlegung der ganzen hierauf bezüglichen Korrespondenz. Der Staatssekretär im Kriegsdepartement (F. Maule) versprach die Vorlegung der Korrespondenz für nächste Woche. Sodann bot die Bill zur Ermächtigung von diplomatischem Verkehr mit dem römischen Hofe Gelegenheit zu einer langen Debatte. Palmerston beantragte die zweite Lesung. Anskey, Urquhart und Inglis sind dagegen. Letzterer namentlich konnte seine Wuth gegen die Bill gar nicht bemeistern; mit dem Pabst, meinte er, dürfe England um so weniger diplomatische Verbindungen anknüpfen, als derselbe alle m t Oestreich, dem Hauptwohlthäter (!!) des Pabstes, bestehenden Verträge offen verletzt und Truppen, wie zu einem heiligen Kriege, gegen dasselbe eingesegnet habe. Außerdem haben 3,500 geistliche Hochkirchenmänner gegen die Bill protestirt; schon deshalb dürfe sie also nicht passiren. Lord John Russell vertheidigt die Bill, während Napier sich dagegen erklärt, da sie lediglich den Zweck habe, Irland, bei dem alle übrigen Mittel fehl geschlagen, endlich durch Hülfe des Pabstes zu regieren. Nachdem der Kampf auf beiden Seiten noch eine Weile fortgedauert, wird die zweite Lesung mit 125 gegen 46 Stimmen beschlossen. Lord J. Russell erklärt, daß bis zum Schluß der Session, jeden Montag, Mittwoch und Freitag das Budget im Comite berathen werden soll. ‒ Unterhaus vom 18. August. Berathung des Budgets fortgesetzt. Bei der Position von 125,000 Pf. Sterl. für Zwecke der Volkserziehung, beantragt Biscount Melgund Resolutionen in Betreff der Erziehung in Schottland. Er verlangt, daß in die dortigen Volksschulen, so wie bisher, jedes Kind ohne Unterschied der Consession aufgenommen werde, ohne den religiösen Grundsätzen zu nahe zu treten; daß der Staat in keiner Weise die Fortdauer sektirerischer Animosität begünstigen solle und daß, da Schottland die Prinzipien des neuen Erziehungssystems keineswegs billige, es bei der alten Einrichtung, unter den nothwendigen Verbesserungen, bewenden möge Das Geld für die Nationalerziehung wird schließlich bewilligt und weiterhin bald über die Transportation nach Van Diemens Land, bald über die Vancouver's Insel und die Hudsonsbay-Compagnie, bald über die Universitäten Oxford, Cambridge und London debattirt. ‒ Die hier verhafteten Chartisten werden sämmtlich vor Gericht gestellt werden. Bei dem polizeirichterlichen Vorverhör der Zeugen stellte es sich heraus, daß der Hauptzeuge Powell unter dem falschen Namen Johnson als Polizeispion fortwährend die Rolle eines höchst exaltirten Chartisten gespielt und die Sache so eingefädelt, daß eine Anzahl Chartisten wegen unrechtmäßigen Besitzes von Waffen etc. verhaftet werden konnten. Er selbst goß Kugeln, die er nebst Pulver, an verschiedene Chartisten austheilte. Die Gefangenen beklagten sich, daß sie 60 Stunden lang ohne Essen und Trinken gelassen worden. Bürgschaft wurde für keinen Verhafteten angenommen. * London, 18. Aug. In frühern Zeiten hätte eine Unterhaus-Debatte, wie die vorgestrige, über Englands Politik in den italienischen Angelegenheiten mehrere Wochen lang zu reden gegeben. Jetzt sind diese parlamentarischen Hahnenkämpfe in zwei Tagen vergessen. Die Debate über Italien hat nicht einmal die geringste Notiz zu Tage gefördert, die nicht längst in und außerhalb des Parlaments bekannt gewesen. Irgend eine mittelmäßig unterrichtete Zeitung in England, Frankreich etc. hat über die Angelegenheiten Italiens und Englands Betheiligung daran reichhaltigeres Material geliefert, als die Redeübungen des britischen Parlements. Handelte es sich doch auch im Grunde nicht um Italien, sondern um die Whig-Parthei, welche am Ruder ist, und die Tory-Parthei, <TEI> <text> <pb facs="#f0001" n="0423"/> <front> <titlePage type="heading"> <titlePart type="main">Beilage zu Nr. 83 der Neuen Rh. Ztg. </titlePart> <docImprint> <docDate>Mittwoch 23. August 1848.</docDate> </docImprint> </titlePage> </front> <body> <div type="contents" n="1"> <head>Uebersicht.</head> <p><hi rendition="#g">Deutschland.</hi> Köln. (Frankfurter Debatte über die Aufhebung der Standesprivilegien. ‒ Die Gensdarmen und die „Freien Volksblätter.“) Berlin. (Herr Hansemann und die Gutsbesitzer. ‒ Demokratisches. ‒ Die Mediatisirungspläne. ‒ Vereinbarer. ‒ Charlottenburger Parteischlacht. ‒ Die Preußen in Polen. ‒ Konstablerheldenthaten.) Breslau. (Gerüchte von einem Bombardement Warschau's. ‒ Verhaftungen in Kalisch) Czarnikow. (Das Haus des Landraths demolirt.) Danzig. (Protest.) Prag. (Damenprotest. ‒ Soldatenlied. ‒ Die Reaktion) Wien. (Angstruf der Landaristokratie. ‒ Die Wiener Presse über Italien und Ungarn. ‒ Reichstagssitzung.) Karlsruhe. (Die Amnestie.) Rendsburg. (Der Verfassungsausschuß und die Vertagung.)</p> <p><hi rendition="#g">Ungarn.</hi> Kronstadt. (Die Russen in der Moldau verstärkt.) Alt-Orsova. (Heuschreckenschwärme.) Pesth. (Sieg der Ungarn bei Berbasz.)</p> <p><hi rendition="#g">Polen.</hi>Krakau. (Die Reaktionären in der Armee.)</p> <p><hi rendition="#g">Italien.</hi> (In Venedig die Republik wiederhergestellt. ‒ Treffen zwischen Garibaldi und den Oestreichern. ‒ Unruhen in Ravenna ‒ Der Tessin angeblich von den Oestreichern überschritten. ‒ Reggio von den Toscanern besetzt.) Mailand. (Erklärung Radetzky's. ‒ Die Mailändische Zeitung.) Verona. (Oestreichisch-piemontesische Kommission nach Venedig.) Turin. (Die Friedensvermittler.) Livorno. (Ferdinand's Vorschläge an die Sizilianer.) Rom. (Deputirtenkammer.)</p> <p><hi rendition="#g">Französische Republik.</hi> Paris. (Journalschau. ‒ Cavaignac und Lamoricière. ‒ Legitimismus. ‒ Neueste Proben von Bourgeoisjustiz. ‒ Ein royalistisches Manifest. ‒ Brief der Insurgenten aus dem Spital. ‒ Vermischtes.)</p> <p><hi rendition="#g">Belgien.</hi> Antwerpen. (Affaire-Risquons-Tout. ‒ Sitzungen vom 17. und 18. August.)</p> <p><hi rendition="#g">Schweiz.</hi> Chur. (Rückzug von bewaffneten Brescianern und Bergamaskern nach dem Veltlin.) Zürich. (Im Veltlin die Republik proklamirt. ‒ Die italienischen Flüchtlinge. ‒ Kontribution für die Sonderbundschefs.)</p> <p><hi rendition="#g">Großbritannien.</hi> London. (Kampf zwischen D'Israeli und Palmerston. ‒ Die Ernte in England, Schottland und Irland und der Handel.)</p> </div> <div n="1"> <head>[Französische Republik]</head> <div xml:id="ar083b_001" type="jArticle"> <head>Paris.</head> <p>Der Moniteur bestätigt heute die voraus bereits gestern gemachte Anzeige, daß Normanby seine Akfreditive dem General Cavaignac gestern überreichte, die ihn als außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister J. M. der Königin des vereinigten Königreichs von Großbritannien und Irland „mit einer Spezialmission beauftragt,“ beglaubigen. So lautete bekanntlich auch der Titel, den Gustav de Beaumont bei seiner Sendung nach London erhielt.</p> <p>‒ D' Andrian, der Abgesandte des Frankfurter Parlaments und speziell mit Unterhandlung der italischen Mediationsbedingungen zwischen England und Frankreich beauftragt, ist, einem Morgenblatt zufolge, gestern Abend hier eingetroffen.</p> <p>‒ Der zweite Band der berüchtigten Aktenstücke des Bauchard'schen Untersuchungsberichts ist diesen Morgen an die Glieder der Nationalversammlung vertheilt worden. Er enthält die berühmte Expedition von Risquons-Tout; die Verhandlungen der provisorischen Regierung, soweit sie sie irgendwie kompromittiren könnten; die Protokolle der Exekutivkommission; die Verhöre gegen die vorzüglichsten Angeklagten, die das Ausland dem Namen nach bereits kennt.</p> <p>Jemand, der Zeit und Gelegenheit hatte sämmtliche Aktenstücke (drei starke Quartbände) im Manuskript und Probebogen zu lesen, und den wir um den Charakter des Eindrucks frugen, den dieses Studium auf ihn gemacht habe, antwortete uns sehr naiv:</p> <p>„In diesen drei Bänden liegt die ganze Geheimgeschichte der neuesten Parteikämpfe Frankreichs. Die rothe Republik! (Ultrademokraten, Sozialisten u. Kommunisten) konspirirt gegen die weiße (moderirte) Republik, und die moderirte Republik konspirirt gegen die rothe. Alle Welt konspirirt.“</p> <p>‒ Auf die Nachricht hin, daß Venedig den Waffenstillstand zu genehmigen verweigert und daß sich das sardinische Geschwader, das bisher Triest blokirte und die Zugänge Venedigs schützte, zurückziehen dürfte, hat die Exekutivgewalt unserer Flotte im Mittelmeer Befehl gegeben, vor Venedig und Triest zu lagern.</p> <p>‒ Zwanzigtausend Arbeiter petitioniren in diesem Augenblicke bei der National-Versammlung, um die Erlaubniß und die Mittel zu erwirken, nach Algerien übersiedeln zu dürfen.</p> <p>‒ Ollivier (Demosthenes) hat den etwa 100 Frauen, die sich gestern von der Pforte St. Denis in die Nähe der National-Versammlung bewegten, <hi rendition="#g">die Petition um Verleihung einer allgemeinen Amnestie für die Insurgenten</hi> abgenommen und der National-Versammlung überreicht.</p> <p>Ernste Ruhestörungen haben nicht stattgefunden.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Belgien.</head> <div xml:id="ar083b_002" type="jArticle"> <head><bibl><author>S</author></bibl> Antwerpen, 17. August.</head> <p>Die Scene ist nach Gent versetzt. Ein Zeuge sagt aus über das, was am 28. März in Gent vorgefallen. Dieser Zeuge ist der Kommissär Van Thildonck. Einzelne Steine sind auf dem Markte aufgerissen worden; die Gendarmerie ist hinzugekommen und die Steine wurden wieder eingesetzt. Der Generalprokurator fragt, ob man nicht schon angefangen habe, Barrikaden zu bauen. Die Aussage des Zeugen geht dahin, daß man einen Karren umgeworfen habe, der vielleicht auf 3 Rädern gestanden. Auf solchen schwachen Beinen steht die ganze Anklage. Wiederholt kommen die Fragen über 2 Franzosen vor, die auch in Gent gewesen, um das Gespenst der Revolution zu verbreiten. Die Anklage bewegt sich so unbestimmt, sie springt so von Einem auf das Andere, und die Thatsachen sind so geringfügig, und es wird ihnen von Bavay, dem General-Prokurator eine solche Wichtigkeit beigelegt, daß man sich des Lächelns nicht enthalten kann. Die Bankbillette, die man einwechselte, sind wieder zur Sprache gekommen. Der Wechsler ist citirt worden, und hat Spilthoorn und Marx deßhalb als verdächtige Personen erklärt, weil sie ihm etwas zu verdienen gegeben! Der gute Mann glaubte wirklich etwas zu verdienen, während die beiden andern Marx und Spilthoorn sich eilten, keine 300 Fr. zu verlieren. Der Flamänder, der gewöhnt ist, daß man einen auf's Blut akkordirt, ist nun ganz erstaunt, mehr als gewöhnlich verdient zu haben. Was würde er gesagt haben, wenn am anderm Tage wirklich die Bank ihre Zahlung eingestellt hätte! Nach ihm wird der Kutscher verhört, der die Herren Marx und Spilthoorn mit nach Hause führte! Ich sage Ihnen, es kann nichts kindischeres geben. Ernsthafter wird die Sache, als ein Zeuge den Tedesko beschuldigt, am 27. Februar in Brüssel aufgefordert zu haben: man sollte schreien: Es lebe die Republik! Tedesko enthüllt den Zeugen als einen Mouchard, einen Polizei-Agenten, und tadelt den Präsidenten sowohl als den Generalprokurator, ein solches Subjekt zugelassen zu haben. Drr Zeuge heißt Martin Sas; er ist dermaßen notorisch als ein Mouchard bekannt und glaubt sich in dieser Eigenschaft dermaßen im Besitze drr Macht, daß er eines Tages, in einem Wirthshause, wo er Streit bekam, eine geladene Pistole herauszog und Feuer zu geben drohte. Sas steht unter dem Schutze der Polizei; er wurde pro Forma eingesteckt, aber den andern Tag wieder entlassen. Einen solchen Menschen gab man dem Herrn Tedesko zur Seite; von einem solchen Menschen ließ man ihn bewachen, als er, Tedesko, noch in völliger Freiheit war, und der Angeklagte macht seiner Entrüstung in energischen Aurdrücken Luft, um das Verhalten der belg. Justiz des Parquets und der Polizei zu geißeln. Dieser Sas, wie andere Zeugen aussagen, hat sogar mitgeschrieen: Es lebe die Republik! und als der Präsident ihn darüber darüber zu Rede stellte, antwortete er: Ja, er habe ebenfalls so geschrieen; aber bloß, um zu sehn, was die Andern schreien würden. Der Präsident sieht sich genöthigt, diesen Zeugen aus der Reihe der Zeugen auszustreichen. Ein anderer Zeuge gegen Tedesko ist nicht mehr ein Mouchard, sondern der Polizeiinspektor Deckers in höchst eigener Person. Dieser Mann ist am 26. Februar selbst in der demokratischen Gesellschaft in Brüssel gewesen, nicht um den Mouchard abzugeben, sondern um dem General-Prokarator und dem Könige und den Ministern Rechenschaft abzustatten, über das was vorginge, damit letztere (es war unmittelbar nach der Februar Revolution) abziehen, der König abdanken, und der General-Prokurator Bavay sein Requisitorium gegen die Minister machen könnte. Die Sache gestaltete sich anderes: statt gegen die Minister aufzutreten, tritt der General-Prokurator für sie auf, als öffentliches Ministerium. Sie können sich nun leicht denken, wie der Polizei-Inspektor Deckers gegen Tedesko auftritt, den er im Falle, daß in Belgien die Republick proklamirt worden, vielleicht um Beibehaltung seiner Stelle hätte anbetteln müssen. Tedesko, sagt Deckers, sei ein gefährlicher Republikaner; im demokratischen Verein habe Tedesko zu sagen gewagt, er sei expres von Lüttich nach Brüssel gekommen, um dieser merkwürdigen Sitzung beizuwohnen. Aber das sei noch nicht Alles: Tedesko hat ferner gesagt, Gott habe uns alle gleich geschaffen, und man müsse darauf dringen, daß die Truppen zurückgeschickt würden. Sie sollten alle bewaffnet sein.</p> <p>Tedesko erklärt sich allerdings daß er gesagt habe, sie müßten Alle bewaffnet sein; aber er habe hinzu gesetzt: man müsse eine Petition an das Stadthaus abgeben, um eben auf allgemeine Bewaffnung zu dringen. Die Zeugen bekräftigen diese Berichtigung. Unter den Schutzzeugen bemerken wir Herrn Braas, der in Paris anwesend war als Herr Spilthoorn dem Herrn Garnier Pagès die Adresse der demokraischen Gesellschaft überreichte, und auf die Beibehaltung der belgischen Nationalitäten drang.</p> </div> <div xml:id="ar083b_003" type="jArticle"> <head><bibl><author>S</author></bibl> Antwerpen, 18. Aug.</head> <p>Unter den Schutzzeugen, die vorgeladen, hebe ich nur zwei hervor: den Herrn Mayntz aus Düsseldorf, Professor an der Universität Brüssel und den Advokaten Picard, beide Komite's-Mitglieder der demokratischen Gesellschaft. Sie sprechen sich über den Zweck dieser Gesellschaft aus, die auf eine friedliche Weise Proganda zu machen suchte.</p> <p>„Das Wort ist an den General-Prokurator um seine Anklage zu entwickeln.“ Da hätten Sie den ernsten Mann, den Vertreter der öffentlichen Moral, der öffentlichen Sicherheit sehen sollen, wie er sich g avitätisch erhob, um das Attentat den flämischen Geschworenen zu entwickeln. Herr Bavay spricht französisch und will sogar ein fein-pariser-Französisch sprechen. Die Geschworenen sprechen flämisch und wissen dies fein-pariser-Französisch nicht zu würdigen. Das Einzige, was sie zu würdigen wissen, das ist die Länge der Rede des Herrn Prokurators, und dieses alleinigen Umstandes willen, wären sie im Stande die Angeklagten schuldig zu erklären, zumal da sie diese Rede zweimal anhören müssen, einmal im französischen und einmal im flämischen. Ich fürchte sehr, daß viele Angeklagte für die Langweiligkeit des Herrn Prokurators büßen müssen.</p> <p>Herr Bavay fängt mit einer Eloge auf die belgische Constitution an, es ist dies stereotyp bei uns und bei Ihnen geworden. „Die belgische Constitution ist die Ehre der Civilisation.“ Natürlich, Deutsche haben es bewiesen, Deutsche, die zu uns gekommen, um nach dem Musterbilde unserer Constitution ihre eigene zu saconiren. Also was können die Republikaner von Freiheiten mehr verlangen, als diejenigen, die ihnen in der belgischen Constitution zugesagt sind? Also, schließt der Herr Prokurator, die Republikaner wollten in Belgien nicht die Republik, sondern etwas Anderes. Was dann? Sie wollten ihre sociale Stellung verbessern. De Rudder z. B., sagt Herr Prokurator, war ein „kleiner Metzger“, der ungeachtet aller seiner Anstrengungen nicht vorwärts mit seinem Geschäfte kommen konnte; Deleßrce ist ein sehr geschickter Erdarbeiter ‒ aber er hatte keine Arbeit und mußte Schulden machen. Fosses würde keinen Franken Kredit hier in Antwerpen erhalten. So geht der Staatsproturator die nothdürftigen Angeklagten der Reihe nach durch, und zeigt, daß es ihnen nicht so sehr um politische Freiheiten, als um sociale Stellungen zu thun war. Es waren im ersten Zuge, der nach Belgien zog, 1000 Arbeiter, die ebenfalls weiter nichts wollten. Also mit der politischen Constitution des jetzigen Staates war den Leuten die soziale Stellung nicht gegeben; die Politik sicherte ihnen ihr Leben nicht: sie hatten keine „sociale Stellung“: d. h. sie standen im Staate nicht. Nun ist aber die Politik am Ende weiter nichts als die Spitze, das Resumee aller socialen Stellungen, d. h. aller derjenigen, die im Staate stehen. Also bestand das Verbrechen dieser Leute darin, daß sie sich in ihrem Lande social feststellen wollten, um in den politischen Freiheiten begriffen zu sein: Und haben unsere grund- und bodenlosen Flamänder nicht dazu ein vollkommenes Recht? Haben sie nicht Alles verloren, bis auf ihr Spinnrad? Als ihre Väter für die Freiheit Belgiens stritten, war es damals nicht in der sichern Voraussicht, daß ihren Töchtern das Spinnrad und die Tugend verbliebe: Hatten Sie nicht ihr Leben daran gesetzt, und hatten sie nicht das Land gepflügt, daß es ihren Söhnen fromme? Aber seht, die konstitutionelle Entwicklung hat den Leuten den Boden unter den Füßen weggezogen, und hat unsern Töchtern Alles genommen, bis auf die Tugend, bis auf das Lebenskapital. Wir sind arm, lebensarm, blutarm geworden, und der Herr Prokurator rechnet den Leuten die bloße Absicht gegen den Hungertod anzufechten für ein Verbrechen an. Zugleich bekundet der Herr Prokurator eine ungemeine Unwissenheit, da er, nach Allem, was in Frankreich vorgegangen, noch immer nicht weiß, daß jede politische Frage weiter nichts als eine sociale ist. Doch warten Sie, wenn die Flamänder losbrechen und der Herr Prokurator, bei einer Umwälzung, besorgt um sein Geschäft und um sein Brod, genöthigt ist, die Minister oder gar den konstitutionellen Monarchen, im Namen dessen er jetzt spricht, in den Anklagezustand zu versetzen, dann wird er wohl diese Unterscheidung kennen lernen.</p> <p>Nach dieser Kategorie von Angeklagten geht dann der Prokurator auf Herrn Spilthoorn über. Ich muß Ihnen vorab sagen, daß Spilthoorn, der unschuldigste Mann von der Welt, dem Herrn Prokurator deßhalb ein Dorn im Auge ist, weil Spilthoorn schon 1830 in Gent Mitglied der provisorischen Regierungskommission, noch ehe der Prokurator Prokurator, war, daß Spilthoorn sich damals entschieden gegen die Monarchie ausgesprochen, also den Tod über alle kommenden Bavay's verhängt hatte.</p> <p>Spilthoorn, sagt Hr. Bavay, ist am 27. Febr. nach Brüssel gekommen, auf Einladung des Hrn. Joltrand, um der Demokraten-Gesellschaft beizuwohnen. In dieser Gesellschaft sei jene Adresse an die Franzosen beschlossen worden, worin es heiße, daß man durch eine friedliche, aber energische Agitation die Vortheile noch erringen wolle, die man schon in Frankreich errungen. Bei dieser Stelle geht der Prokurator in „philosophisch-politische Betrachtungen“ ein über das, was eine friedliche Agitation sei. Er könne die friedliche Agitation nicht begreifen, und die Mitglieder der demokratischen Gesellschaft hätten sie so wenig begriffen, daß sie an demselben Abend bedeutende Unruhen auf dem öffentlichen Markte verursacht. Sie waren zu dieser Zeit noch in Brüssel, und Sie wissen, welch eine Bewandniß es mit den bedeutenden Unruhen gehabt; der Mouchard Sas, der gegen Tedesco auftrat und vom Präsidenten abgewiesen worden, hatte an diesem Abend allein die Republik leben lassen und Verhaftungen vorgenommen. Unter diesen Verhafteten befand sich Herr Wolff aus Breslau, den der Herr Prokurator mit einem ungeheuren Dolche bewaffnet. Dieser Dolch, den der Herr Prokurator ihm in die Schuhe schiebt, ist ihm vom Mouchard Sas unter die Füße geworfen worden, bloß, um einen Grund zu seiner Verhaftung zu haben. Ueberhaupt haben die Deutschen dem Herrn Prokurator als Arabesken im Prozesse gedient.</p> <p>Unter andern war bei der Expedition der Brüsseler Zeitung als Trager ein deutscher Zwerg angestellt, dessen Geisteskräfte mehr oder minder verwachsen waren. Dieser Mensch hatte in göttlicher Trunkenheit dem Herrn Bornstädt einen antiken Dolch entwendet, den er an einen Gürtel, wie einen Schleppsäbel gebunden und so durch die Straßen Brüssels zog. Bis auf die heutige Stunde erscheint dieser am Dolche festgebundene Zwerg der Polizei sowohl als dem Staatsprokurator als die mystische Person, die durch den ganzen Prozeß durchgeht. Dieses gefährliche unbekannte Wesen wird von Hrn. Bavay mehrmals citirt als der Geist der Verschwörung, und niemals nennt er ihn ohne inneres Grauen. Wie wird Hr. Bornstädt lachen, wenn er die Rolle sieht, welche der Prokurator seinem Groom, seinem Bedienten zuerkennt. Dieser Zwerg, von dem immer im Prozesse gesprochen wird, und der niemals erscheint, ist von der Polizei in einem besondern Zellenwagen, oben und unten mit Soldaten bewacht, die beständig das Kreuz schlugen, auf die französische Gränze gebracht worden. Bei den Franzosen erregte seine affenartige Erscheinung ein allgemeines Gelächter, besonders als sie die Angst der belgischen Soldaten erblickten.</p> <p>Hr. Bavay geht sodann auf Spilthoorns Reise nach Paris über, und zeichnet ihn uns als einen Mann, durch dessen Vermittlung „die belgische Legion Lebensmittel“ erhalten. Ein Hauptanklagepunkt gegen Spilthoorn ist ein Brief an den Advokaten Braas in Namur, worin ersterer seine Hoffnung ausdrückt, daß Leopold bald abdanken werde. Was wäre dann aus Herrn Bavay geworden? Leopold, der am 26. zu Herrn Jottrand geschickt, und so gern abgedankt hätte, wenn er es auf eine anständige Weise und mit einem anständigen Gehalte hätte thun können, hätte den Herrn Bavay, den königlichen Prokurator aufgeben müssen. Das wäre jammerschade um sein schönes Talent gewesen. Spilthoorn's Reise nach Paris, Spilthoorn's „revolutionäre Reden“ im Klub Menilmontant und an der Jult-Kolonne, das sind die Punkte, die gegen ihn vorgebracht werden.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Großbritannien.</head> <div xml:id="ar083b_004" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> London, 18. August.</head> <p><hi rendition="#g">Unterhaus</hi> vom 17. d.</p> <p>Herr <hi rendition="#g">Maher</hi> interpellirt das Ministerium wegen der vom General M'Donald und seinen Soldaten in der Graffschaft Tipperary verübten Brutalitäten, Plündereien etc. Er verlangt bestimmte Antwort darüber, daß besagter General dem Staatsprokurator John Cahill in Thurles an der Thüre eines Gasthauses, wo letzterer eine Cigarre rauchte, mit einem geladenen Pistol gedroht habe, wenn er nicht sofort verschwinde. Ferner, ob es wahr sei, daß der Banquier Bridge in Thurles, angeblich wegen eines „aufrührerischen Blicks“ auf den General M'Donald, verhaftet worden und mehrere andere Personen aus gleichem Grunde. Hr. Maher will ferner wissen, ob das Militär in Irland wirklich dieselbe Gewalt überkommen hat, als wenn das Kriegsrecht proklamirt worden wäre. Endlich, ob die Regierung durch Vorlegung von Indemnitätsbills die richterlichen Ansprüche der verletzten Personen zu Wasser machen wolle.</p> <p>Sir G. <hi rendition="#g">Grey</hi> antwortet, daß dem Ministerium über General M'Donald nichts Nachtheiliges und Ungesetzliches bekannt worden sei. Ja letzterer habe direkt alle Anschuldigungen als unbegründet zurückgewiesen. M'Donald hat einen Brief übersandt, in welchem er den Vorfall, wegen der Verhaftung und Abführung S. O'Brien's nach Dublin erzählt, wie Capitän Mackenzie auf seinen Befehl einen Maschinisten mit dem Tode bedroht, wenn er nicht warte, bis der Gefangene fortgeschafft werden könne. Das sei binnen fünf Minuten geschehen; und es sei zum Glück des Landes gerade in dieser Weise gehandelt worden. Denn bereits seien 40 Insurgenten zum Aufreißen der Schienen abgesandt gewesen; hätten sie das in's Werk zu setzen vermocht, so würde viel Blut geflossen sein, bevor S. O'Brien bis Dublin hätte gebracht werden können.</p> <p>Indeß Hr. Maher wies nach, daß das Militär auf seinem Gute in der Nahe von Thurles sich Gewaltthätigkeiten aller Art erlaubt; er beantragte Vorlegung der ganzen hierauf bezüglichen Korrespondenz.</p> <p>Der Staatssekretär im Kriegsdepartement (F. Maule) versprach die Vorlegung der Korrespondenz für nächste Woche. Sodann bot die Bill zur Ermächtigung von diplomatischem Verkehr mit dem römischen Hofe Gelegenheit zu einer langen Debatte. Palmerston beantragte die zweite Lesung. Anskey, Urquhart und Inglis sind dagegen. Letzterer namentlich konnte seine Wuth gegen die Bill gar nicht bemeistern; mit dem Pabst, meinte er, dürfe England um so weniger diplomatische Verbindungen anknüpfen, als derselbe alle m t Oestreich, dem Hauptwohlthäter (!!) des Pabstes, bestehenden Verträge offen verletzt und Truppen, wie zu einem heiligen Kriege, gegen dasselbe eingesegnet habe. Außerdem haben 3,500 geistliche Hochkirchenmänner gegen die Bill protestirt; schon deshalb dürfe sie also nicht passiren. Lord John Russell vertheidigt die Bill, während <hi rendition="#g">Napier</hi> sich dagegen erklärt, da sie lediglich den Zweck habe, Irland, bei dem alle übrigen Mittel fehl geschlagen, endlich durch Hülfe des Pabstes zu regieren.</p> <p>Nachdem der Kampf auf beiden Seiten noch eine Weile fortgedauert, wird die zweite Lesung mit 125 gegen 46 Stimmen beschlossen. Lord J. Russell erklärt, daß bis zum Schluß der Session, jeden Montag, Mittwoch und Freitag das Budget im Comite berathen werden soll.</p> <p>‒ <hi rendition="#g">Unterhaus</hi> vom 18. August. Berathung des Budgets fortgesetzt. Bei der Position von 125,000 Pf. Sterl. für Zwecke der Volkserziehung, beantragt Biscount <hi rendition="#g">Melgund</hi> Resolutionen in Betreff der Erziehung in Schottland. Er verlangt, daß in die dortigen Volksschulen, so wie bisher, jedes Kind ohne Unterschied der Consession aufgenommen werde, ohne den religiösen Grundsätzen zu nahe zu treten; daß der Staat in keiner Weise die Fortdauer sektirerischer Animosität begünstigen solle und daß, da Schottland die Prinzipien des neuen Erziehungssystems keineswegs billige, es bei der alten Einrichtung, unter den nothwendigen Verbesserungen, bewenden möge</p> <p>Das Geld für die Nationalerziehung wird schließlich bewilligt und weiterhin bald über die Transportation nach Van Diemens Land, bald über die Vancouver's Insel und die Hudsonsbay-Compagnie, bald über die Universitäten Oxford, Cambridge und London debattirt.</p> <p>‒ Die hier verhafteten Chartisten werden sämmtlich vor Gericht gestellt werden. Bei dem polizeirichterlichen Vorverhör der Zeugen stellte es sich heraus, daß der Hauptzeuge Powell unter dem falschen Namen Johnson als Polizeispion fortwährend die Rolle eines höchst exaltirten Chartisten gespielt und die Sache so eingefädelt, daß eine Anzahl Chartisten wegen unrechtmäßigen Besitzes von Waffen etc. verhaftet werden konnten. Er selbst goß Kugeln, die er nebst Pulver, an verschiedene Chartisten austheilte. Die Gefangenen beklagten sich, daß sie 60 Stunden lang ohne Essen und Trinken gelassen worden. Bürgschaft wurde für keinen Verhafteten angenommen.</p> </div> <div xml:id="ar083b_005" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> London, 18. Aug.</head> <p>In frühern Zeiten hätte eine Unterhaus-Debatte, wie die vorgestrige, über Englands Politik in den italienischen Angelegenheiten mehrere Wochen lang zu reden gegeben. Jetzt sind diese parlamentarischen Hahnenkämpfe in zwei Tagen vergessen. Die Debate über Italien hat nicht einmal die geringste Notiz zu Tage gefördert, die nicht längst in und außerhalb des Parlaments bekannt gewesen. Irgend eine mittelmäßig unterrichtete Zeitung in England, Frankreich etc. hat über die Angelegenheiten Italiens und Englands Betheiligung daran reichhaltigeres Material geliefert, als die Redeübungen des britischen Parlements. Handelte es sich doch auch im Grunde nicht um Italien, sondern um die Whig-Parthei, welche am Ruder ist, und die Tory-Parthei, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0423/0001]
Beilage zu Nr. 83 der Neuen Rh. Ztg. Mittwoch 23. August 1848. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Frankfurter Debatte über die Aufhebung der Standesprivilegien. ‒ Die Gensdarmen und die „Freien Volksblätter.“) Berlin. (Herr Hansemann und die Gutsbesitzer. ‒ Demokratisches. ‒ Die Mediatisirungspläne. ‒ Vereinbarer. ‒ Charlottenburger Parteischlacht. ‒ Die Preußen in Polen. ‒ Konstablerheldenthaten.) Breslau. (Gerüchte von einem Bombardement Warschau's. ‒ Verhaftungen in Kalisch) Czarnikow. (Das Haus des Landraths demolirt.) Danzig. (Protest.) Prag. (Damenprotest. ‒ Soldatenlied. ‒ Die Reaktion) Wien. (Angstruf der Landaristokratie. ‒ Die Wiener Presse über Italien und Ungarn. ‒ Reichstagssitzung.) Karlsruhe. (Die Amnestie.) Rendsburg. (Der Verfassungsausschuß und die Vertagung.)
Ungarn. Kronstadt. (Die Russen in der Moldau verstärkt.) Alt-Orsova. (Heuschreckenschwärme.) Pesth. (Sieg der Ungarn bei Berbasz.)
Polen.Krakau. (Die Reaktionären in der Armee.)
Italien. (In Venedig die Republik wiederhergestellt. ‒ Treffen zwischen Garibaldi und den Oestreichern. ‒ Unruhen in Ravenna ‒ Der Tessin angeblich von den Oestreichern überschritten. ‒ Reggio von den Toscanern besetzt.) Mailand. (Erklärung Radetzky's. ‒ Die Mailändische Zeitung.) Verona. (Oestreichisch-piemontesische Kommission nach Venedig.) Turin. (Die Friedensvermittler.) Livorno. (Ferdinand's Vorschläge an die Sizilianer.) Rom. (Deputirtenkammer.)
Französische Republik. Paris. (Journalschau. ‒ Cavaignac und Lamoricière. ‒ Legitimismus. ‒ Neueste Proben von Bourgeoisjustiz. ‒ Ein royalistisches Manifest. ‒ Brief der Insurgenten aus dem Spital. ‒ Vermischtes.)
Belgien. Antwerpen. (Affaire-Risquons-Tout. ‒ Sitzungen vom 17. und 18. August.)
Schweiz. Chur. (Rückzug von bewaffneten Brescianern und Bergamaskern nach dem Veltlin.) Zürich. (Im Veltlin die Republik proklamirt. ‒ Die italienischen Flüchtlinge. ‒ Kontribution für die Sonderbundschefs.)
Großbritannien. London. (Kampf zwischen D'Israeli und Palmerston. ‒ Die Ernte in England, Schottland und Irland und der Handel.)
[Französische Republik] Paris. Der Moniteur bestätigt heute die voraus bereits gestern gemachte Anzeige, daß Normanby seine Akfreditive dem General Cavaignac gestern überreichte, die ihn als außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister J. M. der Königin des vereinigten Königreichs von Großbritannien und Irland „mit einer Spezialmission beauftragt,“ beglaubigen. So lautete bekanntlich auch der Titel, den Gustav de Beaumont bei seiner Sendung nach London erhielt.
‒ D' Andrian, der Abgesandte des Frankfurter Parlaments und speziell mit Unterhandlung der italischen Mediationsbedingungen zwischen England und Frankreich beauftragt, ist, einem Morgenblatt zufolge, gestern Abend hier eingetroffen.
‒ Der zweite Band der berüchtigten Aktenstücke des Bauchard'schen Untersuchungsberichts ist diesen Morgen an die Glieder der Nationalversammlung vertheilt worden. Er enthält die berühmte Expedition von Risquons-Tout; die Verhandlungen der provisorischen Regierung, soweit sie sie irgendwie kompromittiren könnten; die Protokolle der Exekutivkommission; die Verhöre gegen die vorzüglichsten Angeklagten, die das Ausland dem Namen nach bereits kennt.
Jemand, der Zeit und Gelegenheit hatte sämmtliche Aktenstücke (drei starke Quartbände) im Manuskript und Probebogen zu lesen, und den wir um den Charakter des Eindrucks frugen, den dieses Studium auf ihn gemacht habe, antwortete uns sehr naiv:
„In diesen drei Bänden liegt die ganze Geheimgeschichte der neuesten Parteikämpfe Frankreichs. Die rothe Republik! (Ultrademokraten, Sozialisten u. Kommunisten) konspirirt gegen die weiße (moderirte) Republik, und die moderirte Republik konspirirt gegen die rothe. Alle Welt konspirirt.“
‒ Auf die Nachricht hin, daß Venedig den Waffenstillstand zu genehmigen verweigert und daß sich das sardinische Geschwader, das bisher Triest blokirte und die Zugänge Venedigs schützte, zurückziehen dürfte, hat die Exekutivgewalt unserer Flotte im Mittelmeer Befehl gegeben, vor Venedig und Triest zu lagern.
‒ Zwanzigtausend Arbeiter petitioniren in diesem Augenblicke bei der National-Versammlung, um die Erlaubniß und die Mittel zu erwirken, nach Algerien übersiedeln zu dürfen.
‒ Ollivier (Demosthenes) hat den etwa 100 Frauen, die sich gestern von der Pforte St. Denis in die Nähe der National-Versammlung bewegten, die Petition um Verleihung einer allgemeinen Amnestie für die Insurgenten abgenommen und der National-Versammlung überreicht.
Ernste Ruhestörungen haben nicht stattgefunden.
Belgien. S Antwerpen, 17. August. Die Scene ist nach Gent versetzt. Ein Zeuge sagt aus über das, was am 28. März in Gent vorgefallen. Dieser Zeuge ist der Kommissär Van Thildonck. Einzelne Steine sind auf dem Markte aufgerissen worden; die Gendarmerie ist hinzugekommen und die Steine wurden wieder eingesetzt. Der Generalprokurator fragt, ob man nicht schon angefangen habe, Barrikaden zu bauen. Die Aussage des Zeugen geht dahin, daß man einen Karren umgeworfen habe, der vielleicht auf 3 Rädern gestanden. Auf solchen schwachen Beinen steht die ganze Anklage. Wiederholt kommen die Fragen über 2 Franzosen vor, die auch in Gent gewesen, um das Gespenst der Revolution zu verbreiten. Die Anklage bewegt sich so unbestimmt, sie springt so von Einem auf das Andere, und die Thatsachen sind so geringfügig, und es wird ihnen von Bavay, dem General-Prokurator eine solche Wichtigkeit beigelegt, daß man sich des Lächelns nicht enthalten kann. Die Bankbillette, die man einwechselte, sind wieder zur Sprache gekommen. Der Wechsler ist citirt worden, und hat Spilthoorn und Marx deßhalb als verdächtige Personen erklärt, weil sie ihm etwas zu verdienen gegeben! Der gute Mann glaubte wirklich etwas zu verdienen, während die beiden andern Marx und Spilthoorn sich eilten, keine 300 Fr. zu verlieren. Der Flamänder, der gewöhnt ist, daß man einen auf's Blut akkordirt, ist nun ganz erstaunt, mehr als gewöhnlich verdient zu haben. Was würde er gesagt haben, wenn am anderm Tage wirklich die Bank ihre Zahlung eingestellt hätte! Nach ihm wird der Kutscher verhört, der die Herren Marx und Spilthoorn mit nach Hause führte! Ich sage Ihnen, es kann nichts kindischeres geben. Ernsthafter wird die Sache, als ein Zeuge den Tedesko beschuldigt, am 27. Februar in Brüssel aufgefordert zu haben: man sollte schreien: Es lebe die Republik! Tedesko enthüllt den Zeugen als einen Mouchard, einen Polizei-Agenten, und tadelt den Präsidenten sowohl als den Generalprokurator, ein solches Subjekt zugelassen zu haben. Drr Zeuge heißt Martin Sas; er ist dermaßen notorisch als ein Mouchard bekannt und glaubt sich in dieser Eigenschaft dermaßen im Besitze drr Macht, daß er eines Tages, in einem Wirthshause, wo er Streit bekam, eine geladene Pistole herauszog und Feuer zu geben drohte. Sas steht unter dem Schutze der Polizei; er wurde pro Forma eingesteckt, aber den andern Tag wieder entlassen. Einen solchen Menschen gab man dem Herrn Tedesko zur Seite; von einem solchen Menschen ließ man ihn bewachen, als er, Tedesko, noch in völliger Freiheit war, und der Angeklagte macht seiner Entrüstung in energischen Aurdrücken Luft, um das Verhalten der belg. Justiz des Parquets und der Polizei zu geißeln. Dieser Sas, wie andere Zeugen aussagen, hat sogar mitgeschrieen: Es lebe die Republik! und als der Präsident ihn darüber darüber zu Rede stellte, antwortete er: Ja, er habe ebenfalls so geschrieen; aber bloß, um zu sehn, was die Andern schreien würden. Der Präsident sieht sich genöthigt, diesen Zeugen aus der Reihe der Zeugen auszustreichen. Ein anderer Zeuge gegen Tedesko ist nicht mehr ein Mouchard, sondern der Polizeiinspektor Deckers in höchst eigener Person. Dieser Mann ist am 26. Februar selbst in der demokratischen Gesellschaft in Brüssel gewesen, nicht um den Mouchard abzugeben, sondern um dem General-Prokarator und dem Könige und den Ministern Rechenschaft abzustatten, über das was vorginge, damit letztere (es war unmittelbar nach der Februar Revolution) abziehen, der König abdanken, und der General-Prokurator Bavay sein Requisitorium gegen die Minister machen könnte. Die Sache gestaltete sich anderes: statt gegen die Minister aufzutreten, tritt der General-Prokurator für sie auf, als öffentliches Ministerium. Sie können sich nun leicht denken, wie der Polizei-Inspektor Deckers gegen Tedesko auftritt, den er im Falle, daß in Belgien die Republick proklamirt worden, vielleicht um Beibehaltung seiner Stelle hätte anbetteln müssen. Tedesko, sagt Deckers, sei ein gefährlicher Republikaner; im demokratischen Verein habe Tedesko zu sagen gewagt, er sei expres von Lüttich nach Brüssel gekommen, um dieser merkwürdigen Sitzung beizuwohnen. Aber das sei noch nicht Alles: Tedesko hat ferner gesagt, Gott habe uns alle gleich geschaffen, und man müsse darauf dringen, daß die Truppen zurückgeschickt würden. Sie sollten alle bewaffnet sein.
Tedesko erklärt sich allerdings daß er gesagt habe, sie müßten Alle bewaffnet sein; aber er habe hinzu gesetzt: man müsse eine Petition an das Stadthaus abgeben, um eben auf allgemeine Bewaffnung zu dringen. Die Zeugen bekräftigen diese Berichtigung. Unter den Schutzzeugen bemerken wir Herrn Braas, der in Paris anwesend war als Herr Spilthoorn dem Herrn Garnier Pagès die Adresse der demokraischen Gesellschaft überreichte, und auf die Beibehaltung der belgischen Nationalitäten drang.
S Antwerpen, 18. Aug. Unter den Schutzzeugen, die vorgeladen, hebe ich nur zwei hervor: den Herrn Mayntz aus Düsseldorf, Professor an der Universität Brüssel und den Advokaten Picard, beide Komite's-Mitglieder der demokratischen Gesellschaft. Sie sprechen sich über den Zweck dieser Gesellschaft aus, die auf eine friedliche Weise Proganda zu machen suchte.
„Das Wort ist an den General-Prokurator um seine Anklage zu entwickeln.“ Da hätten Sie den ernsten Mann, den Vertreter der öffentlichen Moral, der öffentlichen Sicherheit sehen sollen, wie er sich g avitätisch erhob, um das Attentat den flämischen Geschworenen zu entwickeln. Herr Bavay spricht französisch und will sogar ein fein-pariser-Französisch sprechen. Die Geschworenen sprechen flämisch und wissen dies fein-pariser-Französisch nicht zu würdigen. Das Einzige, was sie zu würdigen wissen, das ist die Länge der Rede des Herrn Prokurators, und dieses alleinigen Umstandes willen, wären sie im Stande die Angeklagten schuldig zu erklären, zumal da sie diese Rede zweimal anhören müssen, einmal im französischen und einmal im flämischen. Ich fürchte sehr, daß viele Angeklagte für die Langweiligkeit des Herrn Prokurators büßen müssen.
Herr Bavay fängt mit einer Eloge auf die belgische Constitution an, es ist dies stereotyp bei uns und bei Ihnen geworden. „Die belgische Constitution ist die Ehre der Civilisation.“ Natürlich, Deutsche haben es bewiesen, Deutsche, die zu uns gekommen, um nach dem Musterbilde unserer Constitution ihre eigene zu saconiren. Also was können die Republikaner von Freiheiten mehr verlangen, als diejenigen, die ihnen in der belgischen Constitution zugesagt sind? Also, schließt der Herr Prokurator, die Republikaner wollten in Belgien nicht die Republik, sondern etwas Anderes. Was dann? Sie wollten ihre sociale Stellung verbessern. De Rudder z. B., sagt Herr Prokurator, war ein „kleiner Metzger“, der ungeachtet aller seiner Anstrengungen nicht vorwärts mit seinem Geschäfte kommen konnte; Deleßrce ist ein sehr geschickter Erdarbeiter ‒ aber er hatte keine Arbeit und mußte Schulden machen. Fosses würde keinen Franken Kredit hier in Antwerpen erhalten. So geht der Staatsproturator die nothdürftigen Angeklagten der Reihe nach durch, und zeigt, daß es ihnen nicht so sehr um politische Freiheiten, als um sociale Stellungen zu thun war. Es waren im ersten Zuge, der nach Belgien zog, 1000 Arbeiter, die ebenfalls weiter nichts wollten. Also mit der politischen Constitution des jetzigen Staates war den Leuten die soziale Stellung nicht gegeben; die Politik sicherte ihnen ihr Leben nicht: sie hatten keine „sociale Stellung“: d. h. sie standen im Staate nicht. Nun ist aber die Politik am Ende weiter nichts als die Spitze, das Resumee aller socialen Stellungen, d. h. aller derjenigen, die im Staate stehen. Also bestand das Verbrechen dieser Leute darin, daß sie sich in ihrem Lande social feststellen wollten, um in den politischen Freiheiten begriffen zu sein: Und haben unsere grund- und bodenlosen Flamänder nicht dazu ein vollkommenes Recht? Haben sie nicht Alles verloren, bis auf ihr Spinnrad? Als ihre Väter für die Freiheit Belgiens stritten, war es damals nicht in der sichern Voraussicht, daß ihren Töchtern das Spinnrad und die Tugend verbliebe: Hatten Sie nicht ihr Leben daran gesetzt, und hatten sie nicht das Land gepflügt, daß es ihren Söhnen fromme? Aber seht, die konstitutionelle Entwicklung hat den Leuten den Boden unter den Füßen weggezogen, und hat unsern Töchtern Alles genommen, bis auf die Tugend, bis auf das Lebenskapital. Wir sind arm, lebensarm, blutarm geworden, und der Herr Prokurator rechnet den Leuten die bloße Absicht gegen den Hungertod anzufechten für ein Verbrechen an. Zugleich bekundet der Herr Prokurator eine ungemeine Unwissenheit, da er, nach Allem, was in Frankreich vorgegangen, noch immer nicht weiß, daß jede politische Frage weiter nichts als eine sociale ist. Doch warten Sie, wenn die Flamänder losbrechen und der Herr Prokurator, bei einer Umwälzung, besorgt um sein Geschäft und um sein Brod, genöthigt ist, die Minister oder gar den konstitutionellen Monarchen, im Namen dessen er jetzt spricht, in den Anklagezustand zu versetzen, dann wird er wohl diese Unterscheidung kennen lernen.
Nach dieser Kategorie von Angeklagten geht dann der Prokurator auf Herrn Spilthoorn über. Ich muß Ihnen vorab sagen, daß Spilthoorn, der unschuldigste Mann von der Welt, dem Herrn Prokurator deßhalb ein Dorn im Auge ist, weil Spilthoorn schon 1830 in Gent Mitglied der provisorischen Regierungskommission, noch ehe der Prokurator Prokurator, war, daß Spilthoorn sich damals entschieden gegen die Monarchie ausgesprochen, also den Tod über alle kommenden Bavay's verhängt hatte.
Spilthoorn, sagt Hr. Bavay, ist am 27. Febr. nach Brüssel gekommen, auf Einladung des Hrn. Joltrand, um der Demokraten-Gesellschaft beizuwohnen. In dieser Gesellschaft sei jene Adresse an die Franzosen beschlossen worden, worin es heiße, daß man durch eine friedliche, aber energische Agitation die Vortheile noch erringen wolle, die man schon in Frankreich errungen. Bei dieser Stelle geht der Prokurator in „philosophisch-politische Betrachtungen“ ein über das, was eine friedliche Agitation sei. Er könne die friedliche Agitation nicht begreifen, und die Mitglieder der demokratischen Gesellschaft hätten sie so wenig begriffen, daß sie an demselben Abend bedeutende Unruhen auf dem öffentlichen Markte verursacht. Sie waren zu dieser Zeit noch in Brüssel, und Sie wissen, welch eine Bewandniß es mit den bedeutenden Unruhen gehabt; der Mouchard Sas, der gegen Tedesco auftrat und vom Präsidenten abgewiesen worden, hatte an diesem Abend allein die Republik leben lassen und Verhaftungen vorgenommen. Unter diesen Verhafteten befand sich Herr Wolff aus Breslau, den der Herr Prokurator mit einem ungeheuren Dolche bewaffnet. Dieser Dolch, den der Herr Prokurator ihm in die Schuhe schiebt, ist ihm vom Mouchard Sas unter die Füße geworfen worden, bloß, um einen Grund zu seiner Verhaftung zu haben. Ueberhaupt haben die Deutschen dem Herrn Prokurator als Arabesken im Prozesse gedient.
Unter andern war bei der Expedition der Brüsseler Zeitung als Trager ein deutscher Zwerg angestellt, dessen Geisteskräfte mehr oder minder verwachsen waren. Dieser Mensch hatte in göttlicher Trunkenheit dem Herrn Bornstädt einen antiken Dolch entwendet, den er an einen Gürtel, wie einen Schleppsäbel gebunden und so durch die Straßen Brüssels zog. Bis auf die heutige Stunde erscheint dieser am Dolche festgebundene Zwerg der Polizei sowohl als dem Staatsprokurator als die mystische Person, die durch den ganzen Prozeß durchgeht. Dieses gefährliche unbekannte Wesen wird von Hrn. Bavay mehrmals citirt als der Geist der Verschwörung, und niemals nennt er ihn ohne inneres Grauen. Wie wird Hr. Bornstädt lachen, wenn er die Rolle sieht, welche der Prokurator seinem Groom, seinem Bedienten zuerkennt. Dieser Zwerg, von dem immer im Prozesse gesprochen wird, und der niemals erscheint, ist von der Polizei in einem besondern Zellenwagen, oben und unten mit Soldaten bewacht, die beständig das Kreuz schlugen, auf die französische Gränze gebracht worden. Bei den Franzosen erregte seine affenartige Erscheinung ein allgemeines Gelächter, besonders als sie die Angst der belgischen Soldaten erblickten.
Hr. Bavay geht sodann auf Spilthoorns Reise nach Paris über, und zeichnet ihn uns als einen Mann, durch dessen Vermittlung „die belgische Legion Lebensmittel“ erhalten. Ein Hauptanklagepunkt gegen Spilthoorn ist ein Brief an den Advokaten Braas in Namur, worin ersterer seine Hoffnung ausdrückt, daß Leopold bald abdanken werde. Was wäre dann aus Herrn Bavay geworden? Leopold, der am 26. zu Herrn Jottrand geschickt, und so gern abgedankt hätte, wenn er es auf eine anständige Weise und mit einem anständigen Gehalte hätte thun können, hätte den Herrn Bavay, den königlichen Prokurator aufgeben müssen. Das wäre jammerschade um sein schönes Talent gewesen. Spilthoorn's Reise nach Paris, Spilthoorn's „revolutionäre Reden“ im Klub Menilmontant und an der Jult-Kolonne, das sind die Punkte, die gegen ihn vorgebracht werden.
Großbritannien. * London, 18. August. Unterhaus vom 17. d.
Herr Maher interpellirt das Ministerium wegen der vom General M'Donald und seinen Soldaten in der Graffschaft Tipperary verübten Brutalitäten, Plündereien etc. Er verlangt bestimmte Antwort darüber, daß besagter General dem Staatsprokurator John Cahill in Thurles an der Thüre eines Gasthauses, wo letzterer eine Cigarre rauchte, mit einem geladenen Pistol gedroht habe, wenn er nicht sofort verschwinde. Ferner, ob es wahr sei, daß der Banquier Bridge in Thurles, angeblich wegen eines „aufrührerischen Blicks“ auf den General M'Donald, verhaftet worden und mehrere andere Personen aus gleichem Grunde. Hr. Maher will ferner wissen, ob das Militär in Irland wirklich dieselbe Gewalt überkommen hat, als wenn das Kriegsrecht proklamirt worden wäre. Endlich, ob die Regierung durch Vorlegung von Indemnitätsbills die richterlichen Ansprüche der verletzten Personen zu Wasser machen wolle.
Sir G. Grey antwortet, daß dem Ministerium über General M'Donald nichts Nachtheiliges und Ungesetzliches bekannt worden sei. Ja letzterer habe direkt alle Anschuldigungen als unbegründet zurückgewiesen. M'Donald hat einen Brief übersandt, in welchem er den Vorfall, wegen der Verhaftung und Abführung S. O'Brien's nach Dublin erzählt, wie Capitän Mackenzie auf seinen Befehl einen Maschinisten mit dem Tode bedroht, wenn er nicht warte, bis der Gefangene fortgeschafft werden könne. Das sei binnen fünf Minuten geschehen; und es sei zum Glück des Landes gerade in dieser Weise gehandelt worden. Denn bereits seien 40 Insurgenten zum Aufreißen der Schienen abgesandt gewesen; hätten sie das in's Werk zu setzen vermocht, so würde viel Blut geflossen sein, bevor S. O'Brien bis Dublin hätte gebracht werden können.
Indeß Hr. Maher wies nach, daß das Militär auf seinem Gute in der Nahe von Thurles sich Gewaltthätigkeiten aller Art erlaubt; er beantragte Vorlegung der ganzen hierauf bezüglichen Korrespondenz.
Der Staatssekretär im Kriegsdepartement (F. Maule) versprach die Vorlegung der Korrespondenz für nächste Woche. Sodann bot die Bill zur Ermächtigung von diplomatischem Verkehr mit dem römischen Hofe Gelegenheit zu einer langen Debatte. Palmerston beantragte die zweite Lesung. Anskey, Urquhart und Inglis sind dagegen. Letzterer namentlich konnte seine Wuth gegen die Bill gar nicht bemeistern; mit dem Pabst, meinte er, dürfe England um so weniger diplomatische Verbindungen anknüpfen, als derselbe alle m t Oestreich, dem Hauptwohlthäter (!!) des Pabstes, bestehenden Verträge offen verletzt und Truppen, wie zu einem heiligen Kriege, gegen dasselbe eingesegnet habe. Außerdem haben 3,500 geistliche Hochkirchenmänner gegen die Bill protestirt; schon deshalb dürfe sie also nicht passiren. Lord John Russell vertheidigt die Bill, während Napier sich dagegen erklärt, da sie lediglich den Zweck habe, Irland, bei dem alle übrigen Mittel fehl geschlagen, endlich durch Hülfe des Pabstes zu regieren.
Nachdem der Kampf auf beiden Seiten noch eine Weile fortgedauert, wird die zweite Lesung mit 125 gegen 46 Stimmen beschlossen. Lord J. Russell erklärt, daß bis zum Schluß der Session, jeden Montag, Mittwoch und Freitag das Budget im Comite berathen werden soll.
‒ Unterhaus vom 18. August. Berathung des Budgets fortgesetzt. Bei der Position von 125,000 Pf. Sterl. für Zwecke der Volkserziehung, beantragt Biscount Melgund Resolutionen in Betreff der Erziehung in Schottland. Er verlangt, daß in die dortigen Volksschulen, so wie bisher, jedes Kind ohne Unterschied der Consession aufgenommen werde, ohne den religiösen Grundsätzen zu nahe zu treten; daß der Staat in keiner Weise die Fortdauer sektirerischer Animosität begünstigen solle und daß, da Schottland die Prinzipien des neuen Erziehungssystems keineswegs billige, es bei der alten Einrichtung, unter den nothwendigen Verbesserungen, bewenden möge
Das Geld für die Nationalerziehung wird schließlich bewilligt und weiterhin bald über die Transportation nach Van Diemens Land, bald über die Vancouver's Insel und die Hudsonsbay-Compagnie, bald über die Universitäten Oxford, Cambridge und London debattirt.
‒ Die hier verhafteten Chartisten werden sämmtlich vor Gericht gestellt werden. Bei dem polizeirichterlichen Vorverhör der Zeugen stellte es sich heraus, daß der Hauptzeuge Powell unter dem falschen Namen Johnson als Polizeispion fortwährend die Rolle eines höchst exaltirten Chartisten gespielt und die Sache so eingefädelt, daß eine Anzahl Chartisten wegen unrechtmäßigen Besitzes von Waffen etc. verhaftet werden konnten. Er selbst goß Kugeln, die er nebst Pulver, an verschiedene Chartisten austheilte. Die Gefangenen beklagten sich, daß sie 60 Stunden lang ohne Essen und Trinken gelassen worden. Bürgschaft wurde für keinen Verhafteten angenommen.
* London, 18. Aug. In frühern Zeiten hätte eine Unterhaus-Debatte, wie die vorgestrige, über Englands Politik in den italienischen Angelegenheiten mehrere Wochen lang zu reden gegeben. Jetzt sind diese parlamentarischen Hahnenkämpfe in zwei Tagen vergessen. Die Debate über Italien hat nicht einmal die geringste Notiz zu Tage gefördert, die nicht längst in und außerhalb des Parlaments bekannt gewesen. Irgend eine mittelmäßig unterrichtete Zeitung in England, Frankreich etc. hat über die Angelegenheiten Italiens und Englands Betheiligung daran reichhaltigeres Material geliefert, als die Redeübungen des britischen Parlements. Handelte es sich doch auch im Grunde nicht um Italien, sondern um die Whig-Parthei, welche am Ruder ist, und die Tory-Parthei,
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(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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