Neue Rheinische Zeitung. Nr. 86. Köln, 26. August 1848.es: "Die Mitglieder der Versammlung haben vom Volke nichts Anderes zu erwarten, als den Meuchelmord: ja den Meuchelmord; denn gegen eine Versammlung, die uns Proletarier auf alle mögliche Weise tödtet, früher mit Kanonenschüssen und jetzt mit Nadelspitzen, giebt es kein andres Mittel als den Meuchelmord! Ein Insurgirter, der sich abermals insurgiren wird." -- "Bauchard, du hast wohl dich um eine Reaktion verdient gemacht!" -- "Wenn Ihr nicht massenweise zu Grunde geht, so müßt Ihr umkommen durch den stillen Dolchstoß Eurer Todfeinde." Alle diese Briefe, welche dem Instruktionsrichter vorliegen, werden durch eine geheime Hand dem Publikum zur Kenntniß gebracht, und die Independance selbst giebt uns ein reiches Specimen solcher Briefe, als Seitenstück zu den Aktenstücken. Ein Abschnitt in diesen Dokumenten ist überschrieben: Classen, welche an der Insurrektion Theil genommen. Man sollte glauben, Odilon Barrot, der Präsident der Commission, habe dieses Capitel eigens zur Belehrung des Herrn Brüggemann geschrieben, der nur Räuber und Galeerensclaven in den Insurgenten sieht. In diesem Abschnitte werden die an den Junitagen Betheiligten in folgender Ordnung aufgezählt: 1) Viele Arbeiter ohne Arbeit, die ihre Familien unterhalten, und welche ihre Frauen und Kinder hungern sehen. 2) Viele exaltirte aber biedere und rechtschaffene Männer, die leicht zu verführen sind. 3) Kommunisten. 4) Die Legitimisten, die immer gesagt haben, man müsse durch die Republik hindurch gehn, um zu Heinrich V. gelangen zu können. 5) Einige Bonapartisten, die in Gemeinschaft mit den Legitimisten Geld vorgestreckt haben. 6) Die Freunde der Regence, die sich dadurch kenntlich gemacht haben, daß sie Schwierigkeiten bei Bezahlung ihrer Steuern erhoben. 7) Endlich der Schaum aller Parteien: Leute ohne Namen, freigelassene Sträflinge. In den beiden letzten Zügen, die nach Brest abgingen, waren, glaube ich, nur zwei. In einem andern Aktenstücke findet sich ein Verzeichniß der verschiedenen Klubs mit Randglossen: 1) Die brüderliche Central-Gesellschaft, Präsident Cabet. Sie besteht aus ikarischen Kommunisten; der Bürger Cabet präsidirt nicht, er docirt. 2) Der Klub des Fortschritts. Präsident Hubert; sehr gefährlich. 3) Der Klub der Gesellschaft der Menschenrechte; Klub "der That" weit mehr als der Diskussion. Die Mitglieder sind alle bewaffnet. Er bekennt sich zu sehr gefährlichen socialistischen Tendenzen. 4) Klub der sozialistischen Arbeiter; gefahrbringende Doktrinen. 5) Klub der socialistischen Republikaner. Verbreitet falsche und gefährliche Doktrinen. 6) Klub der socialistischen Republikaner. Staatsgefährliche Tendenzen. 7) Klub der Revolution, auch genannt Klub Barbes. Dieser Klub zeichnet sich aus durch die Exaltation seiner Mitglieder zur Verbreitung staatsumwälzender Tendenzen. Der Klub war in Permanenz erklärt. 8) Der Klub des "jungen Berges." 9) Der Klub der Zukunft. Sehr exaltirte Doktrinen. 10) Der Klub der Einheit. Lebensgefährliche Tendenzen. 11) Der Klub Popincourt. Ein Heerd kommunistischer Progaganda. 12) Klub der Sorbonne. 13) Klub des Faubourgs St. Denis. Sehr übertriebene radikal-demokratische Tendenzen. Andere Klubs haben einen andern politischen Charakter. Der demokratisch-republikanische Klub, die Bonapartistischen, Karlistischen Klubs u. s. w. Nun kommen die tausend andere Klubs, deren Charakter nicht bestimmt hervortritt. Alle diese Klubs treten gespensterartig vor die Seele der Klein-Bürger und beängstigen sie mit ihren nun im Geheimen besprochenen Tendenzen. Glaubt Cavaignac und der National durch ihr Soldatenregiment den nächtlichen Besprechungen Einhalt zu thun? Warum haben sie die Quarto-Bände ans Tageslicht treten lassen? Freilich hat Marrast Alles aufgeboten, um ihre Veröffentlichung zu verhindern, aber die Fatalität war stärker als Marrast's geheime Intriguen und nun, da das ganze Getriebe vorliegt, da man sonnenklar sieht, daß die Insurrektion nicht besiegt ist, und sogar durch die Quarto-Bände selbst neue Verstärkungen erhält, läßt Cavaignac seine Soldaten sich üben im Anti-Barrikaden-Machen. Tragbare, schiebbare Barrikaden dieses ist des neue homöopathische Mittel mit welchem man die wahren Volksbarrikaden zu überwinden gedenkt. Also den unbeweglichen Barrikaden werden bewegliche entgegengesetzt, die natürlichen und naturwüchsigen Barrikaden gedenkt man durch künstliche und kunstgerechte Barrikaden zu paralysiren. Die bewegliche, künstliche Barrikade besteht aus einem eichenen Brette von 3 Centimeter Dicke, das mit Dünnblech oben und unter besetzt ist, und in welchem Schießlöcher angebracht sind. Man sieht wie die alte Strategik sich geändert hat. Im Mittelalter, vor der Erfindung des Pulvers, wurde Mann gegen Mann handgemein, und da waren es die Rüstungen, ein Panzerhemd, Schild u. s. w., mit denen man die Schläge abwehrte. Jetzt tauchen plötzlich klasterlange Schilder wieder hervor, hinter denen beide Partheien sich verschanzen. Ja, dies sogenannte Blockhaus kömmt wieder zum Vorschein in einer Form, die den jetzigen Verhältnissen ganz angemessen ist. Aber das Volsgenie ist mächtiger, als alle militärische Aneignung der vom Volke ausgegangenen Erfindungen. Die Barrikaden sind eine Errungenschaft des Volkes, eben so wohl wie die Republik. Beides ging aus dem Februar hervor. Die Barrikaden hat man dem Volke genommen, um ihm damit die schwachen Ueberreste der Republik zu nehmen. Wer die Juni-Barrikaden gesehen hat, weiß daß dieses mächtige Bollwerk nur von einer in einem gemeinsamen Gedanken verbundenen Masse errichtet werden konnte; daß dieses massenhafte Kunstwerk, wenn es von sogenannten Entrepreneurs, in Folge der Konkurrenzverhältnisse unternommen worden wäre, Millionen gekostet und eben so viele Jahre erfordert hätte, als die Juni-Revolution Tage zählt. Glaubt man nun durch die Erfindung der mobilen, der künstlichen Barrikaden die naturwüchsigen unnütz gemacht zu haben? Zudem kömmt noch, daß, wie es sich jetzt herausgestellt, eine Masse Mobilgardisten in den Junitagen gekämpft und daß unter den Kämpfern, unter den Arbeitern selbst sich die geschicktesten Ebenisten und Mechaniker befunden haben. Werden bei einer künftigen Insurrektion die Proletarier nicht die Mittel haben, ebenfalls mobile Barrikaden zu machen? Werden nicht mit den Mobilgardisten ganze Mobil-Barrikaden übergehen? Wir werden also das seltene Schauspiel erleben, bewegliche, lebendige Barrikaden gegeneinander im Kampfe zu sehn. 16 Paris 23. Aug. Die Linieninfanterie (fast lauter Bauernsöhne) in Paris ist neidisch gegen die Mobilisten: sie hat fast gar keine Ordenskreuze und Belobungen für die Junikampagne bekommen. Sie wird in diesem Augenblick von den rothen Republikanern und von den weißen Royalisten mit Traktätlein und Verheißungen behandelt; man behauptet die höhern Offiziere seien fast alle antirepublikanisch gestimmt; Kriegsminister Lamoriciere und der Nationalgardenkommandeur Changarnier, beide aus Afrika, sind ausgemachte Philippisten und stehen in sehr unmoralischem Rufe als pure Glücksritter. Ersterer verlangte in den Junitagen immer mehr Haubitzen gegen die Faubourgs, zu großem Erstaunen Cavaignacs. Unter den Mobilisten dienen viele ehemalige Schneidergesellen, die seit Juni von ihren alten Arbeitskameraden nicht mehr angesehen werden; es sind harte Scenen dabei vorgefallen, Mädchen haben mit ihnen gebrochen, Verwandte ihnen das Haus versagt. Wie diese Ordnungsknechte gefochten haben, z. B. in der Rue Laharpe und Mathurins, bezeugte mir gestern wieder ein Greis und dessen Enkelin: zwölf Frauen und Kinder, von den eingedrungnen Helden aus dem 3ten Stock mit Bajonettstichen in den Hof und in die Straße hinabgeschleudert, starben auf dam Pflaster, nur ein kleiner Knabe liegt noch im Hospital; und das passirte in einem einzigen Hause, während in der Rue St. Jaques noch ärgeres und in fünf bis sechs geschehen ist. "L'Evenement," dies erzaristokratische Blatt des Monsieur Victor Hugo, findet dergleichen Erzählungen "zwar nicht ganz unwahr, aber ganz unklug, ja verbrecherisch" und verlangt geradehin Arrestation Proudhon's, des Pere Duchene und andrer "herzvergiftender Journalisten;" Proudhon sei namentlich ein "Bösewicht" (scelerat), denn er erkühne sich "dem Märtyrtod des General Brea den Heiligenschein abzustreifen;" es findet sich nämlich daß eben dieser Brea den Insurgenten: vive la republique democratique et sociale zugeschrieen und gleich darauf sechs von ihnen an der Mauer niederstechen gelassen. Sein und des Erzbischofs Tod ist in allen Ladenfenstern ausgehängt, und die Bettelmädchen müssen singen: la chanson de Monseigneur l'archeveque de Paris. Ueberall Bilder, wie die Bourgeoissäbel Proletariergurgeln abschneiden, wie die Mobilhelden Barrikadefahnen erobern, wie junge und hübsche Marketenderinnen Insurgenten niederschießen, wie Klosterfrauen von kommunistischen Bajonetten in der Rue St. Jaques bedroht worden und durch einen Bibelvers diesen Banditen Gliederzittern einjagen, wie Arbeiterinnen Offiziersköpfe auf Stangen pflanzen, wie vor dem Erzbischof auf der Barrikade tigerartig aussehende Räuber in die Knie sinken und verhungernde Insurgentenweiber die Hände falten; dies und noch mehr mit Namen, Ort, Datum bestens ausstaffirt. Und die Proletarier stehen düster vor dem Schaufenster und denken stumm: ein andermal besser gemacht! -- "Die 23,000 hiesigen Dienstboten beiden Geschlechts sind ein sehr antirepublikanischer Sauertag, bemerkt La liberte, und es wäre Pflicht eines ehrlichgesinnten Provisoriums gewesen, dies Gift zu neutralisiren; es ist erwiesen, daß die volksfeindlichen Deputirten durch die Vota der Domestiken hauptsächlich gehoben worden. Bei einer royalistischen Emeute werden sie mit figuriren, sie sind arbeitslos und die reichen Familien versprechen ihnen wieder Dienst, sobald die Geldcirculation, d. h. ein Thron, wieder hergestellt sei." Der philippistische "Commerce" höhnt über das Gesuch der Maurer, die während des Arbeitssuchens unter freiem Himmel zu stehen müde sind und eine Gewerkshalle beanspruchen; ein gleiches wird von den Schneidergesellen u. s. w. gefordert werden. Dies "tugendhafte" Wechslerblättchen fragt in grimmem Spott, "ob die, welche den Wechsler einen "Krämer im Tempel Jerusalems," den Banquier einen "Geldluchs und Aussauger des Volksmarkes," den Börsenspekulanten einen "Seelenverspieler und Arbeitsschänder" in ihren Klubs und Zeitungen genannt, jetzt das Recht hätten, dem Feinde nachahmend, gleichfalls eine Geschäftshalle zu haben? Ob diesen Spartanern die frische Luft etwa schon lästig werde? Das sei ein Zeichen von Volksverweichlichung" u. s. w. Zahllos ist die Menge der Karrikaturen auf Proudhon und Cabet, besonders auf erstern; z. B. "der gerade Weg der beste," steht unter einem einsamen Pilger, der direkt auf das Narrenhaus Charenton zuwandelt, Regenschirm unter'm Arm, Hände in den Rocktaschen; dies ist die am wenigsten schlechte, man kann also ahnden, wie die übrigen Sudeleien sind. Ein Sonntagsblatt, "La Silhouette", von Opernmädchen, Ellenrittern und Lions gelesen, kann in der letzten Nummer als Maaßstab des Hasses dieser "goldenen Jugend" gegen Proudhon dienen; z. B.: "Der Herr Diebstahlslehrer ist nicht nur toll, nicht nur ein Schuft, sondern beides zugleich; Herr Proudhon ist ein elender Bube, der dem J. J. Rousseau nachäfft, ein schlechtes Vorbild fürwahr! Herr Proudhon ist ein blonder, bebrillter, kahlstirniger, wohlbeleibter, mit Eingeweiden begabter (wie Rabelais sagen würde), kurz ein ganz gewöhnlicher Mensch dem Aeußern nach, doch innerlich erstickt er schier von Hochmuth. Sein Gesetzvorschlag ist zu Grabe getragen worden, alle Galeerensklaven, alle kriminellen Gefangenen schluchzten. Möge die Polizei und die Kammer, das Ministerium und die Exekutive doch endlich uns von diesem Schurken und seinen dicken und dünnen Schurkenkompendien befreit haben; er ist auch durch sein persönliches Beispeil sehr gefährlich, er hat an dreißig uneheliche Kinder", fügt dies Blatt der moschusduftenden Maquereaux hinzu. Letzteres ist notorischer Maßen nicht einmal wahr. -- Uebrigens ist es fester Beschluß der echten Demokraten, wenn sie zu einem letzten Straßenkampf herausgefordert werden, das Redaktionspersonal des Corsaire, des Constitutionuel, Siecle, Journal des Debats und der neuern "Moschusjournale" über die Klinge springen zu lassen, und keineswegs zu Exil oder Guillotine aufzuspeichern. Der Corsaire scheint das zu ahnden, er denunzirt täglich, und wie ich positiv weiß, auch mit geheimen Briefen an den Polizeichef; gestern wurden zwei "rothe" Literaten verhaftet, die kürzlich den trefflichen Lepoitevin (vom Corsaire) "beleidigt" hatten. -- Die Thierspartei will durchaus eine Emeute der Proletarier hervorrufen, um danach "Maulkorb und Halfter fester ihnen anzulegen"; sie ist im Begriff, die vom Provisorium verminderte Arbeitszeit zu erhöhen, wogegen die Schreiner und Ebenisten der Vorstadt St. Antoine bereits bei der Kammer protestiren. Sie weigert sich, die vom Minister des Handels zur Hebung der Industrie begehrten 600,000 Franken an Arbeiterossociationen, "welches ja sozialistische Schwärmerei erzeugen könnte", zu vertheilen, wie Herr Dupin und Levasseur meinen; man solle das Geld an Privatindustrielle geben. Paris, 23. Aug. Keine Ruhestörung. Zahlreiche Patrouillen durchstreichen wohl noch die Stadt, doch kam es nirgends zu einer Reibung. An der Ecke der Rue Vivienne und dem Boulevard raffte ein Betrunkener mehre Stühle zusammen und wollte ganz allein eine Barrikade bauen. Die neuen Gardiens ergriffen ihn jedoch beim Kragen und schleppten ihn in's nächste Wachthaus. Weiterhin, am Boulevard Bonne Nouvelle, sammelte sich eine große Menschenmasse. Aber es war weiter nichts als daß der Sturm die Fahne vor dem Wachtposten zerrissen hatte und daß man eben damit beschäftigt war, sie durch eine neue zu ersetzen. -- Das Gerücht geht, die Arbeiter der Faubourgs St. Antoine und St. Marcel wollten ihre Arbeiten in Masse einstellen. -- Vergangene Woche sollte dem Hrn. Thiers eine Katzenmusik gebracht werden. Die Bürgerwehr besetzte jedoch frühzeitig den Place St. Georges, wo er wohnt, und vereitelte so das Vorhaben. -- Der "Moniteur" zeigt an: "Daß Herr und Madame Armand Marrast morgen, Donnerstag, eine glänzende Soiree geben." -- Der Tod des General Brea und seines Adjutanten nimmt eine ganz andere Gestalt an, wenn man den Bericht von Augenzeugen liest, den der "Repräsentant du Peuple" hierüber veröffentlicht. Der General erschien mit seinem Adjutanten hinter der Barrikade an der Barriere Fontainebleau, rief: Es lebe die demokratische und soziale Republik! und zeigte den Insurgenten an, daß er und seine Truppen sich mit ihnen verbrüdern wollten. Hiernach vermutheten die Insurgenten mit Recht, daß die Truppen nicht nur nicht gegen sie, sondern mit ihnen kämpfen würden. Während der General, um sich hierüber zu versichern, hinter dem Gitter als Geißel zurückblieb, stürzten plötzlich die Frauen der Insurgenten herbei mit dem Geschrei: Die Truppen schießen auf uns! Sie drängen heran! Da witterte man Verrath, und der General und sein Adjutant wurden als Verräther erschossen. Leider stellte sich zwei Minuten später heraus, daß die fliehenden Weiber eine falsche Furcht gehegt hatten. Uebrigens lag jene Barrikade ganz isolirt und von der übrigen Insurrektion abgeschloßen, daher ein solches Mißverständniß leicht erklärlich. So zerrinnen selbst die gehässigsten Anklagen gegen die Junibesiegten. -- Morgen Mittags 11 Uhr werden sich sämmtliche Redakteure der Pariser Journale bei Lemardelay in der Richelieustraße Nr. 100 versammeln, um zu berathen, was in der jetzigen Lage zu thun ist. Die Willkür der Exekutivgewalt ruft eine wahre Empörung in der Presse hervor. -- Heute Abend hält ein neuer bedeutender Klub der Republicains Socialistes, im Montesquieu Saale seine erste Sitzung. -- Der radikale Repräsentant David (Angers) hat sein Amt als Maire des 11. Bezirks niedergelegt. -- Protestation der unterdrückten Journale: 1. Die unterzeichneten Redaktoren, Eigenthümer und Geranten des Representant du Peuple protestiren gegen die ungesetzliche Suspension ihres Journals, indem sie mit aller Energie ihres Herzens die Motive zurückstoßen, auf welche die Suspension gegründet. Ganz der Republik ergeben, haben sie nichts Anderes gethan, als täglich ihre Mitbürger zur Einigkeit und zum Frieden zu ermuthigen, ohne welche die Entwickelung unserer neuen Staatseinrichtungen nicht denkbar. Paris, 22. August 1848. Alfred Darimon. Fauvety. Proudhon. Vasbenter. Fau[?]. 2. Der unterzeichnete Direktor und Redakteur des Journals du Pere Duchesne schließt sich in allen Ausdrücken obiger Protestation an. Paris, 22. August. Aus Auftrag des Bürgers Thuillier: (gez) Gautier. 3. Man muß sich dem Akte der Gewalt unterwerfen, welche ihre Stärke auf den Belagerungszustand gründet. Aber ich protestire hiermit in meinem Namen und im Namen des abwesenden Hauptredakteurs Thore gegen diesen Akt. Die öffentliche Meinung wird richten, ob unsere loyale Redaktion solchen Anklagen jemals zum Vorwande dienen konnte, wie sie der Befehl der Exekutivgewalt gegen uns aufstellt. Paris, 22. August. Im Namen des Journals La vraie Republique: (gez.) J. P. Berjean. -- Nationalversammlung. Sitzung vom 23. August. Alle Welt ist sehr gespannt. Man vermuthet gleich nach der Protokollverlesung starken Journalscandal und sieht sich getäuscht, als der große Seeheld und Vizepräsident Lacrosse, einer der Günstlinge der Rue Poitiers, den Platz Marrast's um 2 Uhr einnimmt und die Sitzung als eröffnet erklärt. Ferdinand v. Lasteyrie, mit grüner Brille und einem Lichtschirm, besteigt die Tribune, um der Versammlung das Ergebniß der Prüfung der Wahl Laissac's zu Montpellier mitzutheilen, die arg bestritten worden, weil sie die Demokraten durchsetzten. Lasteyrie erzählt ziemlich lang und breit die Manoeuver der Legitimisten (Abbe Genoude, Redakteur der Gazette, war sein Nebenbuhler), welchen die Demokraten andere Manoeuvres entgegen setzen zu müssen geglaubt hätten. Buchez und mehrere andere ehrenwerthe Männer sind dabei kompromittirt. (Lärm.) Unter diesen Umständen trage der Ausschuß auf Vernichtung der Wahl an. Buchez, ehemaliger Präsident der Nationalversammlung, eilt auf die Tribüne, um sich zu rechtfertigen gegen jeden Verdacht, den der Prüfungsausschuß auf ihn schleudern möchte. Er erzählt die Umstände, unter denen er jenen Brief nach Montpellier geschrieben habe. Bac vertheidigt die wiederholt angegriffenen Wahlzirkuläre der provisorischen Regierung und trägt auf Bestätigung der Wahl Laissac's an, der ein tüchtiger Republikaner sei und deshalb nur von konservativen Krähen angefochten würde. Der Präsident läßt abstimmen. Die Minister erheben sich für die Bestätigung. Die Probe ist zweifelhaft; man schreitet deßhalb zur Abstimmung durch Stimmzettel. Zahl der Stimmenden 725. Für die Annahme der Konklusionen des Rapports, d. h. Die Wahl ist vernichtet. Eine große Agitation folgt diesem Resultat. Sämmtliche anwesenden Minister hatten für Laissac gestimmt. Nachdem sich die Agitation etwas gelegt hatte, welche die Vernichtung der demokratischen Wahl Laissac's zu Gunsten der royalistischen Partei hervorrief, schritt die Versammlung zur Berathung eines Kredits für die berittene Mobilgarde. Wird mit einiger Verringerung angenommen. Senard, Minister des Innern, legt einen Gesetzentwurf vor, der die Fleischsteuer an den Pariser Barrieren wieder einführt. Goudchaux legt seinen berüchtigten Plan einer Einkommen- und Mobiliensteuer vor. Verninac, Marineminister, beantragt eine Entschädigung von 90 Millionen Franken für die Plantagenbesitzer, die durch Befreiung der Sclaven dem Ruin nahe sind. Louis Blanc erhält das Wort, um seinen Protest gegen das vorzeitige Einrücken wichtiger Beilagen von noch schwebenden Untersuchungen zu begründen. Er sagt, daß sein Antrag sich nicht bloß auf die Bouchard'schen Aktenstücke beziehe, sondern eine allgemeine Anwendung verdiene. Für die in Rede stehenden Aktenstücke käme ohnedieß der Antrag viel zu spät; nichts desto weniger beharre er auf Eile. Die Versammlung wies den Antrag an den Gesetzgebungsausschuß mit der Anordnung, schleunigst darüber zu berichten. Das Preßungewitter also auf morgen! Osmont trägt darauf an, die Prämien auf Einfuhr des Stockfisches von 14 auf 18 Fr. zu Rouen im Interesse der Armen zu erhöhen, weil der Stockfisch in unseren Häfen rar werde und er somit die Nahrung der Armen schmälert. Tourret, Handelsminister, dringt auf Vertagung. Bewilligt. Schließlich beräth die Versammlung den Cessionsmodus rücksichtlich der Empfangscheine auf deponirte Waaren in den Staatsmagazinen, den Herr Goudchaux am 31. Juli beantragt. Um 6 1/2 Uhr wird die Sitzung geschlossen. Belgien. S Antwerpen, 22. August. Ich muß wieder auf Herrn Bavay zurückkommen: Der Schluß seines Requisitoriums wird als eine Infamie in den Annalen der Parquetsberedsamkeit verzeichnet bleiben. Nachdem er den Geschworenen Antwerpens vorgehalten, doch ja dem Zutrauen zu entsprechen, das man in sie gesetzt (vor das Brüsseler Geschwornengericht wagte man die Sache nicht zu bringen), endigt er damit die Angeklagten deshalb für schuldig zu erklären, weil man in diesem Augenblicke noch gegen Belgien in der Straße Aubry-le-Boucher Nro. 26 zu Paris komplottire. Also am öffentlichen Gerichte wirft sich der Prokurator als Denunciant eines in Bildung begriffenen Komplotts gegen Belgien auf! Und wegen dieses von Frankreich ausgehenden Komplotts soll man das vergangene angebliche Komplott für wirklich vorhanden erklären. Und was ist das vergangene Komplott? Eine Gesellschaft von Demokraten, die man deshalb in Risquons-Tout hineinverwickelt, um der sogenannten "Expedition" einen innern Haltpunkt zu geben. In jedem andern Lande würde der Herr Prokurator schon allein dieser Ungeschicklichkeit wegen abgesetzt worden sein. Unsere Journale, von französischen Banqueroutiers redigirt, von Leuten wie Perrot und Brig[?]oine, die in Frankreich wegen betrügerischem Banquerout zu den Galeeren verurtheilt worden, bewundern Herrn Bavay's Beredsamkeit. Herr Sancke, der die Vertheidigung Herrn Spilthoorn's übernommen, antwortet dem Herrn Bavay: "Ich brauche wohl nicht noch alle die berühmten Männer zu vertheidigen, die nebenbei von Herrn Bavay angegriffen worden. Ich bin nicht der Advokat Caussidiere's; aber ich möchte sein Freund sein; ich bin nicht der Vertheidiger Ledru-Rollin's; ich bin nur sein Bewunderer." Bavay hatte die ganze Welt in Risquons-Tout verwickelt. Es war ihm besonders um große Namen zu thun. es: „Die Mitglieder der Versammlung haben vom Volke nichts Anderes zu erwarten, als den Meuchelmord: ja den Meuchelmord; denn gegen eine Versammlung, die uns Proletarier auf alle mögliche Weise tödtet, früher mit Kanonenschüssen und jetzt mit Nadelspitzen, giebt es kein andres Mittel als den Meuchelmord! Ein Insurgirter, der sich abermals insurgiren wird.“ — „Bauchard, du hast wohl dich um eine Reaktion verdient gemacht!“ — „Wenn Ihr nicht massenweise zu Grunde geht, so müßt Ihr umkommen durch den stillen Dolchstoß Eurer Todfeinde.“ Alle diese Briefe, welche dem Instruktionsrichter vorliegen, werden durch eine geheime Hand dem Publikum zur Kenntniß gebracht, und die Indépendance selbst giebt uns ein reiches Specimen solcher Briefe, als Seitenstück zu den Aktenstücken. Ein Abschnitt in diesen Dokumenten ist überschrieben: Classen, welche an der Insurrektion Theil genommen. Man sollte glauben, Odilon Barrot, der Präsident der Commission, habe dieses Capitel eigens zur Belehrung des Herrn Brüggemann geschrieben, der nur Räuber und Galeerensclaven in den Insurgenten sieht. In diesem Abschnitte werden die an den Junitagen Betheiligten in folgender Ordnung aufgezählt: 1) Viele Arbeiter ohne Arbeit, die ihre Familien unterhalten, und welche ihre Frauen und Kinder hungern sehen. 2) Viele exaltirte aber biedere und rechtschaffene Männer, die leicht zu verführen sind. 3) Kommunisten. 4) Die Legitimisten, die immer gesagt haben, man müsse durch die Republik hindurch gehn, um zu Heinrich V. gelangen zu können. 5) Einige Bonapartisten, die in Gemeinschaft mit den Legitimisten Geld vorgestreckt haben. 6) Die Freunde der Regence, die sich dadurch kenntlich gemacht haben, daß sie Schwierigkeiten bei Bezahlung ihrer Steuern erhoben. 7) Endlich der Schaum aller Parteien: Leute ohne Namen, freigelassene Sträflinge. In den beiden letzten Zügen, die nach Brest abgingen, waren, glaube ich, nur zwei. In einem andern Aktenstücke findet sich ein Verzeichniß der verschiedenen Klubs mit Randglossen: 1) Die brüderliche Central-Gesellschaft, Präsident Cabet. Sie besteht aus ikarischen Kommunisten; der Bürger Cabet präsidirt nicht, er docirt. 2) Der Klub des Fortschritts. Präsident Hubert; sehr gefährlich. 3) Der Klub der Gesellschaft der Menschenrechte; Klub „der That“ weit mehr als der Diskussion. Die Mitglieder sind alle bewaffnet. Er bekennt sich zu sehr gefährlichen socialistischen Tendenzen. 4) Klub der sozialistischen Arbeiter; gefahrbringende Doktrinen. 5) Klub der socialistischen Republikaner. Verbreitet falsche und gefährliche Doktrinen. 6) Klub der socialistischen Republikaner. Staatsgefährliche Tendenzen. 7) Klub der Revolution, auch genannt Klub Barbes. Dieser Klub zeichnet sich aus durch die Exaltation seiner Mitglieder zur Verbreitung staatsumwälzender Tendenzen. Der Klub war in Permanenz erklärt. 8) Der Klub des „jungen Berges.“ 9) Der Klub der Zukunft. Sehr exaltirte Doktrinen. 10) Der Klub der Einheit. Lebensgefährliche Tendenzen. 11) Der Klub Popincourt. Ein Heerd kommunistischer Progaganda. 12) Klub der Sorbonne. 13) Klub des Faubourgs St. Denis. Sehr übertriebene radikal-demokratische Tendenzen. Andere Klubs haben einen andern politischen Charakter. Der demokratisch-republikanische Klub, die Bonapartistischen, Karlistischen Klubs u. s. w. Nun kommen die tausend andere Klubs, deren Charakter nicht bestimmt hervortritt. Alle diese Klubs treten gespensterartig vor die Seele der Klein-Bürger und beängstigen sie mit ihren nun im Geheimen besprochenen Tendenzen. Glaubt Cavaignac und der National durch ihr Soldatenregiment den nächtlichen Besprechungen Einhalt zu thun? Warum haben sie die Quarto-Bände ans Tageslicht treten lassen? Freilich hat Marrast Alles aufgeboten, um ihre Veröffentlichung zu verhindern, aber die Fatalität war stärker als Marrast's geheime Intriguen und nun, da das ganze Getriebe vorliegt, da man sonnenklar sieht, daß die Insurrektion nicht besiegt ist, und sogar durch die Quarto-Bände selbst neue Verstärkungen erhält, läßt Cavaignac seine Soldaten sich üben im Anti-Barrikaden-Machen. Tragbare, schiebbare Barrikaden dieses ist des neue homöopathische Mittel mit welchem man die wahren Volksbarrikaden zu überwinden gedenkt. Also den unbeweglichen Barrikaden werden bewegliche entgegengesetzt, die natürlichen und naturwüchsigen Barrikaden gedenkt man durch künstliche und kunstgerechte Barrikaden zu paralysiren. Die bewegliche, künstliche Barrikade besteht aus einem eichenen Brette von 3 Centimeter Dicke, das mit Dünnblech oben und unter besetzt ist, und in welchem Schießlöcher angebracht sind. Man sieht wie die alte Strategik sich geändert hat. Im Mittelalter, vor der Erfindung des Pulvers, wurde Mann gegen Mann handgemein, und da waren es die Rüstungen, ein Panzerhemd, Schild u. s. w., mit denen man die Schläge abwehrte. Jetzt tauchen plötzlich klasterlange Schilder wieder hervor, hinter denen beide Partheien sich verschanzen. Ja, dies sogenannte Blockhaus kömmt wieder zum Vorschein in einer Form, die den jetzigen Verhältnissen ganz angemessen ist. Aber das Volsgenie ist mächtiger, als alle militärische Aneignung der vom Volke ausgegangenen Erfindungen. Die Barrikaden sind eine Errungenschaft des Volkes, eben so wohl wie die Republik. Beides ging aus dem Februar hervor. Die Barrikaden hat man dem Volke genommen, um ihm damit die schwachen Ueberreste der Republik zu nehmen. Wer die Juni-Barrikaden gesehen hat, weiß daß dieses mächtige Bollwerk nur von einer in einem gemeinsamen Gedanken verbundenen Masse errichtet werden konnte; daß dieses massenhafte Kunstwerk, wenn es von sogenannten Entrepreneurs, in Folge der Konkurrenzverhältnisse unternommen worden wäre, Millionen gekostet und eben so viele Jahre erfordert hätte, als die Juni-Revolution Tage zählt. Glaubt man nun durch die Erfindung der mobilen, der künstlichen Barrikaden die naturwüchsigen unnütz gemacht zu haben? Zudem kömmt noch, daß, wie es sich jetzt herausgestellt, eine Masse Mobilgardisten in den Junitagen gekämpft und daß unter den Kämpfern, unter den Arbeitern selbst sich die geschicktesten Ebenisten und Mechaniker befunden haben. Werden bei einer künftigen Insurrektion die Proletarier nicht die Mittel haben, ebenfalls mobile Barrikaden zu machen? Werden nicht mit den Mobilgardisten ganze Mobil-Barrikaden übergehen? Wir werden also das seltene Schauspiel erleben, bewegliche, lebendige Barrikaden gegeneinander im Kampfe zu sehn. 16 Paris 23. Aug. Die Linieninfanterie (fast lauter Bauernsöhne) in Paris ist neidisch gegen die Mobilisten: sie hat fast gar keine Ordenskreuze und Belobungen für die Junikampagne bekommen. Sie wird in diesem Augenblick von den rothen Republikanern und von den weißen Royalisten mit Traktätlein und Verheißungen behandelt; man behauptet die höhern Offiziere seien fast alle antirepublikanisch gestimmt; Kriegsminister Lamoricière und der Nationalgardenkommandeur Changarnier, beide aus Afrika, sind ausgemachte Philippisten und stehen in sehr unmoralischem Rufe als pure Glücksritter. Ersterer verlangte in den Junitagen immer mehr Haubitzen gegen die Faubourgs, zu großem Erstaunen Cavaignacs. Unter den Mobilisten dienen viele ehemalige Schneidergesellen, die seit Juni von ihren alten Arbeitskameraden nicht mehr angesehen werden; es sind harte Scenen dabei vorgefallen, Mädchen haben mit ihnen gebrochen, Verwandte ihnen das Haus versagt. Wie diese Ordnungsknechte gefochten haben, z. B. in der Rue Laharpe und Mathurins, bezeugte mir gestern wieder ein Greis und dessen Enkelin: zwölf Frauen und Kinder, von den eingedrungnen Helden aus dem 3ten Stock mit Bajonettstichen in den Hof und in die Straße hinabgeschleudert, starben auf dam Pflaster, nur ein kleiner Knabe liegt noch im Hospital; und das passirte in einem einzigen Hause, während in der Rue St. Jaques noch ärgeres und in fünf bis sechs geschehen ist. „L'Evenement,“ dies erzaristokratische Blatt des Monsieur Victor Hugo, findet dergleichen Erzählungen „zwar nicht ganz unwahr, aber ganz unklug, ja verbrecherisch“ und verlangt geradehin Arrestation Proudhon's, des Pere Duchene und andrer „herzvergiftender Journalisten;“ Proudhon sei namentlich ein „Bösewicht“ (scélérat), denn er erkühne sich „dem Märtyrtod des General Brea den Heiligenschein abzustreifen;“ es findet sich nämlich daß eben dieser Brea den Insurgenten: vive la république démocratique et sociale zugeschrieen und gleich darauf sechs von ihnen an der Mauer niederstechen gelassen. Sein und des Erzbischofs Tod ist in allen Ladenfenstern ausgehängt, und die Bettelmädchen müssen singen: la chanson de Monseigneur l'archevêque de Paris. Ueberall Bilder, wie die Bourgeoissäbel Proletariergurgeln abschneiden, wie die Mobilhelden Barrikadefahnen erobern, wie junge und hübsche Marketenderinnen Insurgenten niederschießen, wie Klosterfrauen von kommunistischen Bajonetten in der Rue St. Jaques bedroht worden und durch einen Bibelvers diesen Banditen Gliederzittern einjagen, wie Arbeiterinnen Offiziersköpfe auf Stangen pflanzen, wie vor dem Erzbischof auf der Barrikade tigerartig aussehende Räuber in die Knie sinken und verhungernde Insurgentenweiber die Hände falten; dies und noch mehr mit Namen, Ort, Datum bestens ausstaffirt. Und die Proletarier stehen düster vor dem Schaufenster und denken stumm: ein andermal besser gemacht! — „Die 23,000 hiesigen Dienstboten beiden Geschlechts sind ein sehr antirepublikanischer Sauertag, bemerkt La liberté, und es wäre Pflicht eines ehrlichgesinnten Provisoriums gewesen, dies Gift zu neutralisiren; es ist erwiesen, daß die volksfeindlichen Deputirten durch die Vota der Domestiken hauptsächlich gehoben worden. Bei einer royalistischen Emeute werden sie mit figuriren, sie sind arbeitslos und die reichen Familien versprechen ihnen wieder Dienst, sobald die Geldcirculation, d. h. ein Thron, wieder hergestellt sei.“ Der philippistische „Commerce“ höhnt über das Gesuch der Maurer, die während des Arbeitssuchens unter freiem Himmel zu stehen müde sind und eine Gewerkshalle beanspruchen; ein gleiches wird von den Schneidergesellen u. s. w. gefordert werden. Dies „tugendhafte“ Wechslerblättchen fragt in grimmem Spott, „ob die, welche den Wechsler einen „Krämer im Tempel Jerusalems,“ den Banquier einen „Geldluchs und Aussauger des Volksmarkes,“ den Börsenspekulanten einen „Seelenverspieler und Arbeitsschänder“ in ihren Klubs und Zeitungen genannt, jetzt das Recht hätten, dem Feinde nachahmend, gleichfalls eine Geschäftshalle zu haben? Ob diesen Spartanern die frische Luft etwa schon lästig werde? Das sei ein Zeichen von Volksverweichlichung“ u. s. w. Zahllos ist die Menge der Karrikaturen auf Proudhon und Cabet, besonders auf erstern; z. B. „der gerade Weg der beste,“ steht unter einem einsamen Pilger, der direkt auf das Narrenhaus Charenton zuwandelt, Regenschirm unter'm Arm, Hände in den Rocktaschen; dies ist die am wenigsten schlechte, man kann also ahnden, wie die übrigen Sudeleien sind. Ein Sonntagsblatt, „La Silhouette“, von Opernmädchen, Ellenrittern und Lions gelesen, kann in der letzten Nummer als Maaßstab des Hasses dieser „goldenen Jugend“ gegen Proudhon dienen; z. B.: „Der Herr Diebstahlslehrer ist nicht nur toll, nicht nur ein Schuft, sondern beides zugleich; Herr Proudhon ist ein elender Bube, der dem J. J. Rousseau nachäfft, ein schlechtes Vorbild fürwahr! Herr Proudhon ist ein blonder, bebrillter, kahlstirniger, wohlbeleibter, mit Eingeweiden begabter (wie Rabelais sagen würde), kurz ein ganz gewöhnlicher Mensch dem Aeußern nach, doch innerlich erstickt er schier von Hochmuth. Sein Gesetzvorschlag ist zu Grabe getragen worden, alle Galeerensklaven, alle kriminellen Gefangenen schluchzten. Möge die Polizei und die Kammer, das Ministerium und die Exekutive doch endlich uns von diesem Schurken und seinen dicken und dünnen Schurkenkompendien befreit haben; er ist auch durch sein persönliches Beispeil sehr gefährlich, er hat an dreißig uneheliche Kinder“, fügt dies Blatt der moschusduftenden Maquereaux hinzu. Letzteres ist notorischer Maßen nicht einmal wahr. — Uebrigens ist es fester Beschluß der echten Demokraten, wenn sie zu einem letzten Straßenkampf herausgefordert werden, das Redaktionspersonal des Corsaire, des Constitutionuel, Siècle, Journal des Debats und der neuern „Moschusjournale“ über die Klinge springen zu lassen, und keineswegs zu Exil oder Guillotine aufzuspeichern. Der Corsaire scheint das zu ahnden, er denunzirt täglich, und wie ich positiv weiß, auch mit geheimen Briefen an den Polizeichef; gestern wurden zwei „rothe“ Literaten verhaftet, die kürzlich den trefflichen Lepoitevin (vom Corsaire) „beleidigt“ hatten. — Die Thierspartei will durchaus eine Emeute der Proletarier hervorrufen, um danach „Maulkorb und Halfter fester ihnen anzulegen“; sie ist im Begriff, die vom Provisorium verminderte Arbeitszeit zu erhöhen, wogegen die Schreiner und Ebenisten der Vorstadt St. Antoine bereits bei der Kammer protestiren. Sie weigert sich, die vom Minister des Handels zur Hebung der Industrie begehrten 600,000 Franken an Arbeiterossociationen, „welches ja sozialistische Schwärmerei erzeugen könnte“, zu vertheilen, wie Herr Dupin und Levasseur meinen; man solle das Geld an Privatindustrielle geben. Paris, 23. Aug. Keine Ruhestörung. Zahlreiche Patrouillen durchstreichen wohl noch die Stadt, doch kam es nirgends zu einer Reibung. An der Ecke der Rue Vivienne und dem Boulevard raffte ein Betrunkener mehre Stühle zusammen und wollte ganz allein eine Barrikade bauen. Die neuen Gardiens ergriffen ihn jedoch beim Kragen und schleppten ihn in's nächste Wachthaus. Weiterhin, am Boulevard Bonne Nouvelle, sammelte sich eine große Menschenmasse. Aber es war weiter nichts als daß der Sturm die Fahne vor dem Wachtposten zerrissen hatte und daß man eben damit beschäftigt war, sie durch eine neue zu ersetzen. — Das Gerücht geht, die Arbeiter der Faubourgs St. Antoine und St. Marcel wollten ihre Arbeiten in Masse einstellen. — Vergangene Woche sollte dem Hrn. Thiers eine Katzenmusik gebracht werden. Die Bürgerwehr besetzte jedoch frühzeitig den Place St. Georges, wo er wohnt, und vereitelte so das Vorhaben. — Der „Moniteur“ zeigt an: „Daß Herr und Madame Armand Marrast morgen, Donnerstag, eine glänzende Soirée geben.“ — Der Tod des General Brea und seines Adjutanten nimmt eine ganz andere Gestalt an, wenn man den Bericht von Augenzeugen liest, den der „Repräsentant du Peuple“ hierüber veröffentlicht. Der General erschien mit seinem Adjutanten hinter der Barrikade an der Barriere Fontainebleau, rief: Es lebe die demokratische und soziale Republik! und zeigte den Insurgenten an, daß er und seine Truppen sich mit ihnen verbrüdern wollten. Hiernach vermutheten die Insurgenten mit Recht, daß die Truppen nicht nur nicht gegen sie, sondern mit ihnen kämpfen würden. Während der General, um sich hierüber zu versichern, hinter dem Gitter als Geißel zurückblieb, stürzten plötzlich die Frauen der Insurgenten herbei mit dem Geschrei: Die Truppen schießen auf uns! Sie drängen heran! Da witterte man Verrath, und der General und sein Adjutant wurden als Verräther erschossen. Leider stellte sich zwei Minuten später heraus, daß die fliehenden Weiber eine falsche Furcht gehegt hatten. Uebrigens lag jene Barrikade ganz isolirt und von der übrigen Insurrektion abgeschloßen, daher ein solches Mißverständniß leicht erklärlich. So zerrinnen selbst die gehässigsten Anklagen gegen die Junibesiegten. — Morgen Mittags 11 Uhr werden sich sämmtliche Redakteure der Pariser Journale bei Lemardelay in der Richelieustraße Nr. 100 versammeln, um zu berathen, was in der jetzigen Lage zu thun ist. Die Willkür der Exekutivgewalt ruft eine wahre Empörung in der Presse hervor. — Heute Abend hält ein neuer bedeutender Klub der Republicains Socialistes, im Montesquieu Saale seine erste Sitzung. — Der radikale Repräsentant David (Angers) hat sein Amt als Maire des 11. Bezirks niedergelegt. — Protestation der unterdrückten Journale: 1. Die unterzeichneten Redaktoren, Eigenthümer und Geranten des Representant du Peuple protestiren gegen die ungesetzliche Suspension ihres Journals, indem sie mit aller Energie ihres Herzens die Motive zurückstoßen, auf welche die Suspension gegründet. Ganz der Republik ergeben, haben sie nichts Anderes gethan, als täglich ihre Mitbürger zur Einigkeit und zum Frieden zu ermuthigen, ohne welche die Entwickelung unserer neuen Staatseinrichtungen nicht denkbar. Paris, 22. August 1848. Alfred Darimon. Fauvety. Proudhon. Vasbenter. Fau[?]. 2. Der unterzeichnete Direktor und Redakteur des Journals du Pere Duchesne schließt sich in allen Ausdrücken obiger Protestation an. Paris, 22. August. Aus Auftrag des Bürgers Thuillier: (gez) Gautier. 3. Man muß sich dem Akte der Gewalt unterwerfen, welche ihre Stärke auf den Belagerungszustand gründet. Aber ich protestire hiermit in meinem Namen und im Namen des abwesenden Hauptredakteurs Thoré gegen diesen Akt. Die öffentliche Meinung wird richten, ob unsere loyale Redaktion solchen Anklagen jemals zum Vorwande dienen konnte, wie sie der Befehl der Exekutivgewalt gegen uns aufstellt. Paris, 22. August. Im Namen des Journals La vraie Republique: (gez.) J. P. Berjean. — Nationalversammlung. Sitzung vom 23. August. Alle Welt ist sehr gespannt. Man vermuthet gleich nach der Protokollverlesung starken Journalscandal und sieht sich getäuscht, als der große Seeheld und Vizepräsident Lacrosse, einer der Günstlinge der Rue Poitiers, den Platz Marrast's um 2 Uhr einnimmt und die Sitzung als eröffnet erklärt. Ferdinand v. Lasteyrie, mit grüner Brille und einem Lichtschirm, besteigt die Tribune, um der Versammlung das Ergebniß der Prüfung der Wahl Laissac's zu Montpellier mitzutheilen, die arg bestritten worden, weil sie die Demokraten durchsetzten. Lasteyrie erzählt ziemlich lang und breit die Manoeuver der Legitimisten (Abbe Genoude, Redakteur der Gazette, war sein Nebenbuhler), welchen die Demokraten andere Manoeuvres entgegen setzen zu müssen geglaubt hätten. Buchez und mehrere andere ehrenwerthe Männer sind dabei kompromittirt. (Lärm.) Unter diesen Umständen trage der Ausschuß auf Vernichtung der Wahl an. Buchez, ehemaliger Präsident der Nationalversammlung, eilt auf die Tribüne, um sich zu rechtfertigen gegen jeden Verdacht, den der Prüfungsausschuß auf ihn schleudern möchte. Er erzählt die Umstände, unter denen er jenen Brief nach Montpellier geschrieben habe. Bac vertheidigt die wiederholt angegriffenen Wahlzirkuläre der provisorischen Regierung und trägt auf Bestätigung der Wahl Laissac's an, der ein tüchtiger Republikaner sei und deshalb nur von konservativen Krähen angefochten würde. Der Präsident läßt abstimmen. Die Minister erheben sich für die Bestätigung. Die Probe ist zweifelhaft; man schreitet deßhalb zur Abstimmung durch Stimmzettel. Zahl der Stimmenden 725. Für die Annahme der Konklusionen des Rapports, d. h. Die Wahl ist vernichtet. Eine große Agitation folgt diesem Resultat. Sämmtliche anwesenden Minister hatten für Laissac gestimmt. Nachdem sich die Agitation etwas gelegt hatte, welche die Vernichtung der demokratischen Wahl Laissac's zu Gunsten der royalistischen Partei hervorrief, schritt die Versammlung zur Berathung eines Kredits für die berittene Mobilgarde. Wird mit einiger Verringerung angenommen. Senard, Minister des Innern, legt einen Gesetzentwurf vor, der die Fleischsteuer an den Pariser Barrieren wieder einführt. Goudchaux legt seinen berüchtigten Plan einer Einkommen- und Mobiliensteuer vor. Verninac, Marineminister, beantragt eine Entschädigung von 90 Millionen Franken für die Plantagenbesitzer, die durch Befreiung der Sclaven dem Ruin nahe sind. Louis Blanc erhält das Wort, um seinen Protest gegen das vorzeitige Einrücken wichtiger Beilagen von noch schwebenden Untersuchungen zu begründen. Er sagt, daß sein Antrag sich nicht bloß auf die Bouchard'schen Aktenstücke beziehe, sondern eine allgemeine Anwendung verdiene. Für die in Rede stehenden Aktenstücke käme ohnedieß der Antrag viel zu spät; nichts desto weniger beharre er auf Eile. Die Versammlung wies den Antrag an den Gesetzgebungsausschuß mit der Anordnung, schleunigst darüber zu berichten. Das Preßungewitter also auf morgen! Osmont trägt darauf an, die Prämien auf Einfuhr des Stockfisches von 14 auf 18 Fr. zu Rouen im Interesse der Armen zu erhöhen, weil der Stockfisch in unseren Häfen rar werde und er somit die Nahrung der Armen schmälert. Tourret, Handelsminister, dringt auf Vertagung. Bewilligt. Schließlich beräth die Versammlung den Cessionsmodus rücksichtlich der Empfangscheine auf deponirte Waaren in den Staatsmagazinen, den Herr Goudchaux am 31. Juli beantragt. Um 6 1/2 Uhr wird die Sitzung geschlossen. Belgien. S Antwerpen, 22. August. Ich muß wieder auf Herrn Bavay zurückkommen: Der Schluß seines Requisitoriums wird als eine Infamie in den Annalen der Parquetsberedsamkeit verzeichnet bleiben. Nachdem er den Geschworenen Antwerpens vorgehalten, doch ja dem Zutrauen zu entsprechen, das man in sie gesetzt (vor das Brüsseler Geschwornengericht wagte man die Sache nicht zu bringen), endigt er damit die Angeklagten deshalb für schuldig zu erklären, weil man in diesem Augenblicke noch gegen Belgien in der Straße Aubry-le-Boucher Nro. 26 zu Paris komplottire. Also am öffentlichen Gerichte wirft sich der Prokurator als Denunciant eines in Bildung begriffenen Komplotts gegen Belgien auf! Und wegen dieses von Frankreich ausgehenden Komplotts soll man das vergangene angebliche Komplott für wirklich vorhanden erklären. Und was ist das vergangene Komplott? Eine Gesellschaft von Demokraten, die man deshalb in Risquons-Tout hineinverwickelt, um der sogenannten „Expedition“ einen innern Haltpunkt zu geben. In jedem andern Lande würde der Herr Prokurator schon allein dieser Ungeschicklichkeit wegen abgesetzt worden sein. Unsere Journale, von französischen Banqueroutiers redigirt, von Leuten wie Perrot und Brig[?]oine, die in Frankreich wegen betrügerischem Banquerout zu den Galeeren verurtheilt worden, bewundern Herrn Bavay's Beredsamkeit. Herr Sancke, der die Vertheidigung Herrn Spilthoorn's übernommen, antwortet dem Herrn Bavay: „Ich brauche wohl nicht noch alle die berühmten Männer zu vertheidigen, die nebenbei von Herrn Bavay angegriffen worden. Ich bin nicht der Advokat Caussidière's; aber ich möchte sein Freund sein; ich bin nicht der Vertheidiger Ledru-Rollin's; ich bin nur sein Bewunderer.“ Bavay hatte die ganze Welt in Risquons-Tout verwickelt. Es war ihm besonders um große Namen zu thun. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar086_019" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0003" n="0441"/> es: „Die Mitglieder der Versammlung haben vom Volke nichts Anderes zu erwarten, als den Meuchelmord: ja den Meuchelmord; denn gegen eine Versammlung, die uns Proletarier auf alle mögliche Weise tödtet, früher mit Kanonenschüssen und jetzt mit Nadelspitzen, giebt es kein andres Mittel als den Meuchelmord! Ein Insurgirter, der sich abermals insurgiren wird.“ — „Bauchard, du hast wohl dich um eine Reaktion verdient gemacht!“ — „Wenn Ihr nicht massenweise zu Grunde geht, so müßt Ihr umkommen durch den stillen Dolchstoß Eurer Todfeinde.“ Alle diese Briefe, welche dem Instruktionsrichter vorliegen, werden durch eine geheime Hand dem Publikum zur Kenntniß gebracht, und die Indépendance selbst giebt uns ein reiches Specimen solcher Briefe, als Seitenstück zu den Aktenstücken. Ein Abschnitt in diesen Dokumenten ist überschrieben: Classen, welche an der Insurrektion Theil genommen. Man sollte glauben, Odilon Barrot, der Präsident der Commission, habe dieses Capitel eigens zur Belehrung des Herrn Brüggemann geschrieben, der nur Räuber und Galeerensclaven in den Insurgenten sieht. In diesem Abschnitte werden die an den Junitagen Betheiligten in folgender Ordnung aufgezählt:</p> <p>1) Viele Arbeiter ohne Arbeit, die ihre Familien unterhalten, und welche ihre Frauen und Kinder hungern sehen.</p> <p>2) Viele exaltirte aber biedere und rechtschaffene Männer, die leicht zu verführen sind.</p> <p>3) Kommunisten.</p> <p>4) Die Legitimisten, die immer gesagt haben, man müsse durch die Republik hindurch gehn, um zu Heinrich V. gelangen zu können.</p> <p>5) Einige Bonapartisten, die in Gemeinschaft mit den Legitimisten Geld vorgestreckt haben.</p> <p>6) Die Freunde der Regence, die sich dadurch kenntlich gemacht haben, daß sie Schwierigkeiten bei Bezahlung ihrer Steuern erhoben.</p> <p>7) Endlich der Schaum aller Parteien: Leute ohne Namen, freigelassene Sträflinge.</p> <p>In den beiden letzten Zügen, die nach Brest abgingen, waren, glaube ich, nur zwei.</p> <p>In einem andern Aktenstücke findet sich ein Verzeichniß der verschiedenen Klubs mit Randglossen:</p> <p>1) Die brüderliche Central-Gesellschaft, Präsident Cabet. Sie besteht aus ikarischen Kommunisten; der Bürger Cabet präsidirt nicht, er docirt.</p> <p>2) Der Klub des Fortschritts. Präsident Hubert; sehr gefährlich.</p> <p>3) Der Klub der Gesellschaft der Menschenrechte; Klub „der That“ weit mehr als der Diskussion. Die Mitglieder sind alle bewaffnet. Er bekennt sich zu sehr gefährlichen socialistischen Tendenzen.</p> <p>4) Klub der sozialistischen Arbeiter; gefahrbringende Doktrinen.</p> <p>5) Klub der socialistischen Republikaner. Verbreitet falsche und gefährliche Doktrinen.</p> <p>6) Klub der socialistischen Republikaner. Staatsgefährliche Tendenzen.</p> <p>7) Klub der Revolution, auch genannt Klub Barbes. Dieser Klub zeichnet sich aus durch die Exaltation seiner Mitglieder zur Verbreitung staatsumwälzender Tendenzen. Der Klub war in Permanenz erklärt.</p> <p>8) Der Klub des „jungen Berges.“</p> <p>9) Der Klub der Zukunft. Sehr exaltirte Doktrinen.</p> <p>10) Der Klub der Einheit. Lebensgefährliche Tendenzen.</p> <p>11) Der Klub Popincourt. Ein Heerd kommunistischer Progaganda.</p> <p>12) Klub der Sorbonne.</p> <p>13) Klub des Faubourgs St. Denis. Sehr übertriebene radikal-demokratische Tendenzen.</p> <p>Andere Klubs haben einen andern politischen Charakter. Der demokratisch-republikanische Klub, die Bonapartistischen, Karlistischen Klubs u. s. w.</p> <p>Nun kommen die tausend andere Klubs, deren Charakter nicht bestimmt hervortritt.</p> <p>Alle diese Klubs treten gespensterartig vor die Seele der Klein-Bürger und beängstigen sie mit ihren nun im Geheimen besprochenen Tendenzen. Glaubt Cavaignac und der National durch ihr Soldatenregiment den nächtlichen Besprechungen Einhalt zu thun? Warum haben sie die Quarto-Bände ans Tageslicht treten lassen? Freilich hat Marrast Alles aufgeboten, um ihre Veröffentlichung zu verhindern, aber die Fatalität war stärker als Marrast's geheime Intriguen und nun, da das ganze Getriebe vorliegt, da man sonnenklar sieht, daß die Insurrektion nicht besiegt ist, und sogar durch die Quarto-Bände selbst neue Verstärkungen erhält, läßt Cavaignac seine Soldaten sich üben im Anti-Barrikaden-Machen.</p> <p>Tragbare, schiebbare Barrikaden dieses ist des neue homöopathische Mittel mit welchem man die wahren Volksbarrikaden zu überwinden gedenkt. Also den unbeweglichen Barrikaden werden bewegliche entgegengesetzt, die natürlichen und naturwüchsigen Barrikaden gedenkt man durch künstliche und kunstgerechte Barrikaden zu paralysiren. Die bewegliche, künstliche Barrikade besteht aus einem eichenen Brette von 3 Centimeter Dicke, das mit Dünnblech oben und unter besetzt ist, und in welchem Schießlöcher angebracht sind. Man sieht wie die alte Strategik sich geändert hat. Im Mittelalter, vor der Erfindung des Pulvers, wurde Mann gegen Mann handgemein, und da waren es die Rüstungen, ein Panzerhemd, Schild u. s. w., mit denen man die Schläge abwehrte. Jetzt tauchen plötzlich klasterlange Schilder wieder hervor, hinter denen beide Partheien sich verschanzen. Ja, dies sogenannte Blockhaus kömmt wieder zum Vorschein in einer Form, die den jetzigen Verhältnissen ganz angemessen ist. Aber das Volsgenie ist mächtiger, als alle militärische Aneignung der vom Volke ausgegangenen Erfindungen.</p> <p>Die Barrikaden sind eine Errungenschaft des Volkes, eben so wohl wie die Republik. Beides ging aus dem Februar hervor. Die Barrikaden hat man dem Volke genommen, um ihm damit die schwachen Ueberreste der Republik zu nehmen.</p> <p>Wer die Juni-Barrikaden gesehen hat, weiß daß dieses mächtige Bollwerk nur von einer in einem gemeinsamen Gedanken verbundenen Masse errichtet werden konnte; daß dieses massenhafte Kunstwerk, wenn es von sogenannten Entrepreneurs, in Folge der Konkurrenzverhältnisse unternommen worden wäre, Millionen gekostet und eben so viele Jahre erfordert hätte, als die Juni-Revolution Tage zählt. Glaubt man nun durch die Erfindung der mobilen, der künstlichen Barrikaden die naturwüchsigen unnütz gemacht zu haben? Zudem kömmt noch, daß, wie es sich jetzt herausgestellt, eine Masse Mobilgardisten in den Junitagen gekämpft und daß unter den Kämpfern, unter den Arbeitern selbst sich die geschicktesten Ebenisten und Mechaniker befunden haben. Werden bei einer künftigen Insurrektion die Proletarier nicht die Mittel haben, ebenfalls mobile Barrikaden zu machen? Werden nicht mit den Mobilgardisten ganze Mobil-Barrikaden übergehen? Wir werden also das seltene Schauspiel erleben, bewegliche, lebendige Barrikaden gegeneinander im Kampfe zu sehn.</p> </div> <div xml:id="ar086_020" type="jArticle"> <head><bibl><author>16</author></bibl> Paris 23. Aug.</head> <p>Die Linieninfanterie (fast lauter Bauernsöhne) in Paris ist neidisch gegen die Mobilisten: sie hat fast gar keine Ordenskreuze und Belobungen für die Junikampagne bekommen. Sie wird in diesem Augenblick von den rothen Republikanern und von den weißen Royalisten mit Traktätlein und Verheißungen behandelt; man behauptet die höhern Offiziere seien fast alle antirepublikanisch gestimmt; Kriegsminister Lamoricière und der Nationalgardenkommandeur Changarnier, beide aus Afrika, sind ausgemachte Philippisten und stehen in sehr unmoralischem Rufe als pure Glücksritter. Ersterer verlangte in den Junitagen immer mehr Haubitzen gegen die Faubourgs, zu großem Erstaunen Cavaignacs. Unter den Mobilisten dienen viele ehemalige Schneidergesellen, die seit Juni von ihren alten Arbeitskameraden nicht mehr angesehen werden; es sind harte Scenen dabei vorgefallen, Mädchen haben mit ihnen gebrochen, Verwandte ihnen das Haus versagt. Wie diese Ordnungsknechte gefochten haben, z. B. in der Rue Laharpe und Mathurins, bezeugte mir gestern wieder ein Greis und dessen Enkelin: zwölf Frauen und Kinder, von den eingedrungnen Helden aus dem 3ten Stock mit Bajonettstichen in den Hof und in die Straße hinabgeschleudert, starben auf dam Pflaster, nur ein kleiner Knabe liegt noch im Hospital; und das passirte in einem einzigen Hause, während in der Rue St. Jaques noch ärgeres und in fünf bis sechs geschehen ist. „L'Evenement,“ dies erzaristokratische Blatt des Monsieur Victor Hugo, findet dergleichen Erzählungen „zwar nicht ganz unwahr, aber ganz unklug, ja verbrecherisch“ und verlangt geradehin Arrestation Proudhon's, des Pere Duchene und andrer „herzvergiftender Journalisten;“ Proudhon sei namentlich ein „Bösewicht“ (scélérat), denn er erkühne sich „dem Märtyrtod des General Brea den Heiligenschein abzustreifen;“ es findet sich nämlich daß eben dieser Brea den Insurgenten: vive la république démocratique et sociale zugeschrieen und gleich darauf sechs von ihnen an der Mauer niederstechen gelassen. Sein und des Erzbischofs Tod ist in allen Ladenfenstern ausgehängt, und die Bettelmädchen müssen singen: la chanson de Monseigneur l'archevêque de Paris. Ueberall Bilder, wie die Bourgeoissäbel Proletariergurgeln abschneiden, wie die Mobilhelden Barrikadefahnen erobern, wie junge und hübsche Marketenderinnen Insurgenten niederschießen, wie Klosterfrauen von kommunistischen Bajonetten in der Rue St. Jaques bedroht worden und durch einen Bibelvers diesen Banditen Gliederzittern einjagen, wie Arbeiterinnen Offiziersköpfe auf Stangen pflanzen, wie vor dem Erzbischof auf der Barrikade tigerartig aussehende Räuber in die Knie sinken und verhungernde Insurgentenweiber die Hände falten; dies und noch mehr mit Namen, Ort, Datum bestens ausstaffirt. Und die Proletarier stehen düster vor dem Schaufenster und denken stumm: ein andermal besser gemacht! — „Die 23,000 hiesigen Dienstboten beiden Geschlechts sind ein sehr antirepublikanischer Sauertag, bemerkt La liberté, und es wäre Pflicht eines ehrlichgesinnten Provisoriums gewesen, dies Gift zu neutralisiren; es ist erwiesen, daß die volksfeindlichen Deputirten durch die Vota der Domestiken hauptsächlich gehoben worden. Bei einer royalistischen Emeute werden sie mit figuriren, sie sind arbeitslos und die reichen Familien versprechen ihnen wieder Dienst, sobald die Geldcirculation, d. h. ein Thron, wieder hergestellt sei.“</p> <p>Der philippistische „Commerce“ höhnt über das Gesuch der Maurer, die während des Arbeitssuchens unter freiem Himmel zu stehen müde sind und eine Gewerkshalle beanspruchen; ein gleiches wird von den Schneidergesellen u. s. w. gefordert werden. Dies „tugendhafte“ Wechslerblättchen fragt in grimmem Spott, „ob die, welche den Wechsler einen „Krämer im Tempel Jerusalems,“ den Banquier einen „Geldluchs und Aussauger des Volksmarkes,“ den Börsenspekulanten einen „Seelenverspieler und Arbeitsschänder“ in ihren Klubs und Zeitungen genannt, jetzt das Recht hätten, dem Feinde nachahmend, gleichfalls eine Geschäftshalle zu haben? Ob diesen Spartanern die frische Luft etwa schon lästig werde? Das sei ein Zeichen von Volksverweichlichung“ u. s. w. Zahllos ist die Menge der Karrikaturen auf Proudhon und Cabet, besonders auf erstern; z. B. „der gerade Weg der beste,“ steht unter einem einsamen Pilger, der direkt auf das Narrenhaus Charenton zuwandelt, Regenschirm unter'm Arm, Hände in den Rocktaschen; dies ist die am wenigsten schlechte, man kann also ahnden, wie die übrigen Sudeleien sind. Ein Sonntagsblatt, „La Silhouette“, von Opernmädchen, Ellenrittern und Lions gelesen, kann in der letzten Nummer als Maaßstab des Hasses dieser „goldenen Jugend“ gegen Proudhon dienen; z. B.: „Der Herr Diebstahlslehrer ist nicht nur toll, nicht nur ein Schuft, sondern beides zugleich; Herr Proudhon ist ein elender Bube, der dem J. J. Rousseau nachäfft, ein schlechtes Vorbild fürwahr! Herr Proudhon ist ein blonder, bebrillter, kahlstirniger, wohlbeleibter, mit Eingeweiden begabter (wie Rabelais sagen würde), kurz ein ganz gewöhnlicher Mensch dem Aeußern nach, doch innerlich erstickt er schier von Hochmuth. Sein Gesetzvorschlag ist zu Grabe getragen worden, alle Galeerensklaven, alle kriminellen Gefangenen schluchzten. Möge die Polizei und die Kammer, das Ministerium und die Exekutive doch endlich uns von diesem Schurken und seinen dicken und dünnen Schurkenkompendien befreit haben; er ist auch durch sein persönliches Beispeil sehr gefährlich, er hat an dreißig uneheliche Kinder“, fügt dies Blatt der moschusduftenden Maquereaux hinzu. Letzteres ist notorischer Maßen nicht einmal wahr. — Uebrigens ist es fester Beschluß der echten Demokraten, wenn sie zu einem letzten Straßenkampf herausgefordert werden, das Redaktionspersonal des Corsaire, des Constitutionuel, Siècle, Journal des Debats und der neuern „Moschusjournale“ über die Klinge springen zu lassen, und keineswegs zu Exil oder Guillotine aufzuspeichern. Der Corsaire scheint das zu ahnden, er denunzirt täglich, und wie ich positiv weiß, auch mit geheimen Briefen an den Polizeichef; gestern wurden zwei „rothe“ Literaten verhaftet, die kürzlich den trefflichen Lepoitevin (vom Corsaire) „beleidigt“ hatten. — Die Thierspartei will durchaus eine Emeute der Proletarier hervorrufen, um danach „Maulkorb und Halfter fester ihnen anzulegen“; sie ist im Begriff, die vom Provisorium verminderte Arbeitszeit zu erhöhen, wogegen die Schreiner und Ebenisten der Vorstadt St. Antoine bereits bei der Kammer protestiren. Sie weigert sich, die vom Minister des Handels zur Hebung der Industrie begehrten 600,000 Franken an Arbeiterossociationen, „welches ja sozialistische Schwärmerei erzeugen könnte“, zu vertheilen, wie Herr Dupin und Levasseur meinen; man solle das Geld an Privatindustrielle geben.</p> </div> <div xml:id="ar086_021" type="jArticle"> <head>Paris, 23. Aug.</head> <p>Keine Ruhestörung. Zahlreiche Patrouillen durchstreichen wohl noch die Stadt, doch kam es nirgends zu einer Reibung. An der Ecke der Rue Vivienne und dem Boulevard raffte ein Betrunkener mehre Stühle zusammen und wollte ganz allein eine Barrikade bauen. Die neuen Gardiens ergriffen ihn jedoch beim Kragen und schleppten ihn in's nächste Wachthaus. Weiterhin, am Boulevard Bonne Nouvelle, sammelte sich eine große Menschenmasse. Aber es war weiter nichts als daß der Sturm die Fahne vor dem Wachtposten zerrissen hatte und daß man eben damit beschäftigt war, sie durch eine neue zu ersetzen.</p> <p>— Das Gerücht geht, die Arbeiter der Faubourgs St. Antoine und St. Marcel wollten ihre Arbeiten in Masse einstellen.</p> <p>— Vergangene Woche sollte dem Hrn. Thiers eine Katzenmusik gebracht werden. Die Bürgerwehr besetzte jedoch frühzeitig den Place St. Georges, wo er wohnt, und vereitelte so das Vorhaben.</p> <p>— Der „Moniteur“ zeigt an: „Daß Herr und Madame Armand Marrast morgen, Donnerstag, eine glänzende Soirée geben.“</p> <p>— Der Tod des General Brea und seines Adjutanten nimmt eine ganz andere Gestalt an, wenn man den Bericht von Augenzeugen liest, den der „Repräsentant du Peuple“ hierüber veröffentlicht. Der General erschien mit seinem Adjutanten hinter der Barrikade an der Barriere Fontainebleau, rief: Es lebe die demokratische und soziale Republik! und zeigte den Insurgenten an, daß er und seine Truppen sich mit ihnen verbrüdern wollten. Hiernach vermutheten die Insurgenten mit Recht, daß die Truppen nicht nur nicht gegen sie, sondern mit ihnen kämpfen würden. Während der General, um sich hierüber zu versichern, hinter dem Gitter als Geißel zurückblieb, stürzten plötzlich die Frauen der Insurgenten herbei mit dem Geschrei: Die Truppen schießen auf uns! Sie drängen heran! Da witterte man Verrath, und der General und sein Adjutant wurden als Verräther erschossen. Leider stellte sich zwei Minuten später heraus, daß die fliehenden Weiber eine falsche Furcht gehegt hatten. Uebrigens lag jene Barrikade ganz isolirt und von der übrigen Insurrektion abgeschloßen, daher ein solches Mißverständniß leicht erklärlich. So zerrinnen selbst die gehässigsten Anklagen gegen die Junibesiegten.</p> <p>— Morgen Mittags 11 Uhr werden sich sämmtliche Redakteure der Pariser Journale bei Lemardelay in der Richelieustraße Nr. 100 versammeln, um zu berathen, was in der jetzigen Lage zu thun ist. Die Willkür der Exekutivgewalt ruft eine wahre Empörung in der Presse hervor.</p> <p>— Heute Abend hält ein neuer bedeutender Klub der Republicains Socialistes, im Montesquieu Saale seine erste Sitzung.</p> <p>— Der radikale Repräsentant David (Angers) hat sein Amt als Maire des 11. Bezirks niedergelegt.</p> <p>— Protestation der unterdrückten Journale:</p> <p>1. Die unterzeichneten Redaktoren, Eigenthümer und Geranten des Representant du Peuple protestiren gegen die ungesetzliche Suspension ihres Journals, indem sie mit aller Energie ihres Herzens die Motive zurückstoßen, auf welche die Suspension gegründet. Ganz der Republik ergeben, haben sie nichts Anderes gethan, als täglich ihre Mitbürger zur Einigkeit und zum Frieden zu ermuthigen, ohne welche die Entwickelung unserer neuen Staatseinrichtungen nicht denkbar.</p> <p>Paris, 22. August 1848.</p> <p>Alfred Darimon. Fauvety. Proudhon. Vasbenter. Fau[?].</p> <p>2. Der unterzeichnete Direktor und Redakteur des Journals du Pere Duchesne schließt sich in allen Ausdrücken obiger Protestation an.</p> <p>Paris, 22. August.</p> <p>Aus Auftrag des Bürgers Thuillier:</p> <p>(gez) Gautier.</p> <p>3. Man muß sich dem Akte der Gewalt unterwerfen, welche ihre Stärke auf den Belagerungszustand gründet. Aber ich protestire hiermit in meinem Namen und im Namen des abwesenden Hauptredakteurs Thoré gegen diesen Akt. Die öffentliche Meinung wird richten, ob unsere loyale Redaktion solchen Anklagen jemals zum Vorwande dienen konnte, wie sie der Befehl der Exekutivgewalt gegen uns aufstellt.</p> <p>Paris, 22. August.</p> <p>Im Namen des Journals La vraie Republique:</p> <p>(gez.) J. P. Berjean.</p> <p>— <hi rendition="#g">Nationalversammlung</hi>. Sitzung vom 23. August. Alle Welt ist sehr gespannt. Man vermuthet gleich nach der Protokollverlesung starken Journalscandal und sieht sich getäuscht, als der große Seeheld und Vizepräsident Lacrosse, einer der Günstlinge der Rue Poitiers, den Platz Marrast's um 2 Uhr einnimmt und die Sitzung als eröffnet erklärt.</p> <p>Ferdinand v. Lasteyrie, mit grüner Brille und einem Lichtschirm, besteigt die Tribune, um der Versammlung das Ergebniß der Prüfung der Wahl Laissac's zu Montpellier mitzutheilen, die arg bestritten worden, weil sie die Demokraten durchsetzten. Lasteyrie erzählt ziemlich lang und breit die Manoeuver der Legitimisten (Abbe Genoude, Redakteur der Gazette, war sein Nebenbuhler), welchen die Demokraten andere Manoeuvres entgegen setzen zu müssen geglaubt hätten. Buchez und mehrere andere ehrenwerthe Männer sind dabei kompromittirt. (Lärm.) Unter diesen Umständen trage der Ausschuß auf Vernichtung der Wahl an.</p> <p>Buchez, ehemaliger Präsident der Nationalversammlung, eilt auf die Tribüne, um sich zu rechtfertigen gegen jeden Verdacht, den der Prüfungsausschuß auf ihn schleudern möchte. Er erzählt die Umstände, unter denen er jenen Brief nach Montpellier geschrieben habe.</p> <p>Bac vertheidigt die wiederholt angegriffenen Wahlzirkuläre der provisorischen Regierung und trägt auf Bestätigung der Wahl Laissac's an, der ein tüchtiger Republikaner sei und deshalb nur von konservativen Krähen angefochten würde.</p> <p>Der Präsident läßt abstimmen. Die Minister erheben sich für die Bestätigung.</p> <p>Die Probe ist zweifelhaft; man schreitet deßhalb zur Abstimmung durch Stimmzettel.</p> <p>Zahl der Stimmenden 725.</p> <p>Für die Annahme der Konklusionen des Rapports, d. h.<lb/> gegen die Wahl‥ 369,<lb/> gegen den Rapport 356.</p> <p>Die Wahl ist vernichtet.</p> <p>Eine große Agitation folgt diesem Resultat. Sämmtliche anwesenden Minister hatten für Laissac gestimmt.</p> <p>Nachdem sich die Agitation etwas gelegt hatte, welche die Vernichtung der demokratischen Wahl Laissac's zu Gunsten der royalistischen Partei hervorrief, schritt die Versammlung zur Berathung eines Kredits für die berittene Mobilgarde. Wird mit einiger Verringerung angenommen.</p> <p>Senard, Minister des Innern, legt einen Gesetzentwurf vor, der die Fleischsteuer an den Pariser Barrieren wieder einführt.</p> <p>Goudchaux legt seinen berüchtigten Plan einer Einkommen- und Mobiliensteuer vor.</p> <p>Verninac, Marineminister, beantragt eine Entschädigung von 90 Millionen Franken für die Plantagenbesitzer, die durch Befreiung der Sclaven dem Ruin nahe sind.</p> <p>Louis Blanc erhält das Wort, um seinen Protest gegen das vorzeitige Einrücken wichtiger Beilagen von noch schwebenden Untersuchungen zu begründen. Er sagt, daß sein Antrag sich nicht bloß auf die Bouchard'schen Aktenstücke beziehe, sondern eine allgemeine Anwendung verdiene. Für die in Rede stehenden Aktenstücke käme ohnedieß der Antrag viel zu spät; nichts desto weniger beharre er auf Eile.</p> <p>Die Versammlung wies den Antrag an den Gesetzgebungsausschuß mit der Anordnung, schleunigst darüber zu berichten.</p> <p>Das Preßungewitter also auf morgen!</p> <p>Osmont trägt darauf an, die Prämien auf Einfuhr des Stockfisches von 14 auf 18 Fr. zu Rouen im Interesse der Armen zu erhöhen, weil der Stockfisch in unseren Häfen rar werde und er somit die Nahrung der Armen schmälert.</p> <p>Tourret, Handelsminister, dringt auf Vertagung. Bewilligt.</p> <p>Schließlich beräth die Versammlung den Cessionsmodus rücksichtlich der Empfangscheine auf deponirte Waaren in den Staatsmagazinen, den Herr Goudchaux am 31. Juli beantragt.</p> <p>Um 6 1/2 Uhr wird die Sitzung geschlossen.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Belgien.</head> <div xml:id="ar086_022" type="jArticle"> <head><bibl><author>S</author></bibl> Antwerpen, 22. August.</head> <p>Ich muß wieder auf Herrn Bavay zurückkommen: Der Schluß seines Requisitoriums wird als eine Infamie in den Annalen der Parquetsberedsamkeit verzeichnet bleiben. Nachdem er den Geschworenen Antwerpens vorgehalten, doch ja dem Zutrauen zu entsprechen, das man in sie gesetzt (vor das Brüsseler Geschwornengericht wagte man die Sache nicht zu bringen), endigt er damit die Angeklagten deshalb für schuldig zu erklären, weil man in diesem Augenblicke noch gegen Belgien in der Straße Aubry-le-Boucher Nro. 26 zu Paris komplottire. Also am öffentlichen Gerichte wirft sich der Prokurator als Denunciant eines in Bildung begriffenen Komplotts gegen Belgien auf! Und wegen dieses von Frankreich ausgehenden Komplotts soll man das vergangene angebliche Komplott für wirklich vorhanden erklären. Und was ist das vergangene Komplott? Eine Gesellschaft von Demokraten, die man deshalb in Risquons-Tout hineinverwickelt, um der sogenannten „Expedition“ einen innern Haltpunkt zu geben. In jedem andern Lande würde der Herr Prokurator schon allein dieser Ungeschicklichkeit wegen abgesetzt worden sein. Unsere Journale, von französischen Banqueroutiers redigirt, von Leuten wie Perrot und Brig[?]oine, die in Frankreich wegen betrügerischem Banquerout zu den Galeeren verurtheilt worden, bewundern Herrn Bavay's Beredsamkeit.</p> <p>Herr Sancke, der die Vertheidigung Herrn Spilthoorn's übernommen, antwortet dem Herrn Bavay: „Ich brauche wohl nicht noch alle die berühmten Männer zu vertheidigen, die nebenbei von Herrn Bavay angegriffen worden. Ich bin nicht der Advokat Caussidière's; aber ich möchte sein Freund sein; ich bin nicht der Vertheidiger Ledru-Rollin's; ich bin nur sein Bewunderer.“ Bavay hatte die ganze Welt in Risquons-Tout verwickelt. Es war ihm besonders um große Namen zu thun.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0441/0003]
es: „Die Mitglieder der Versammlung haben vom Volke nichts Anderes zu erwarten, als den Meuchelmord: ja den Meuchelmord; denn gegen eine Versammlung, die uns Proletarier auf alle mögliche Weise tödtet, früher mit Kanonenschüssen und jetzt mit Nadelspitzen, giebt es kein andres Mittel als den Meuchelmord! Ein Insurgirter, der sich abermals insurgiren wird.“ — „Bauchard, du hast wohl dich um eine Reaktion verdient gemacht!“ — „Wenn Ihr nicht massenweise zu Grunde geht, so müßt Ihr umkommen durch den stillen Dolchstoß Eurer Todfeinde.“ Alle diese Briefe, welche dem Instruktionsrichter vorliegen, werden durch eine geheime Hand dem Publikum zur Kenntniß gebracht, und die Indépendance selbst giebt uns ein reiches Specimen solcher Briefe, als Seitenstück zu den Aktenstücken. Ein Abschnitt in diesen Dokumenten ist überschrieben: Classen, welche an der Insurrektion Theil genommen. Man sollte glauben, Odilon Barrot, der Präsident der Commission, habe dieses Capitel eigens zur Belehrung des Herrn Brüggemann geschrieben, der nur Räuber und Galeerensclaven in den Insurgenten sieht. In diesem Abschnitte werden die an den Junitagen Betheiligten in folgender Ordnung aufgezählt:
1) Viele Arbeiter ohne Arbeit, die ihre Familien unterhalten, und welche ihre Frauen und Kinder hungern sehen.
2) Viele exaltirte aber biedere und rechtschaffene Männer, die leicht zu verführen sind.
3) Kommunisten.
4) Die Legitimisten, die immer gesagt haben, man müsse durch die Republik hindurch gehn, um zu Heinrich V. gelangen zu können.
5) Einige Bonapartisten, die in Gemeinschaft mit den Legitimisten Geld vorgestreckt haben.
6) Die Freunde der Regence, die sich dadurch kenntlich gemacht haben, daß sie Schwierigkeiten bei Bezahlung ihrer Steuern erhoben.
7) Endlich der Schaum aller Parteien: Leute ohne Namen, freigelassene Sträflinge.
In den beiden letzten Zügen, die nach Brest abgingen, waren, glaube ich, nur zwei.
In einem andern Aktenstücke findet sich ein Verzeichniß der verschiedenen Klubs mit Randglossen:
1) Die brüderliche Central-Gesellschaft, Präsident Cabet. Sie besteht aus ikarischen Kommunisten; der Bürger Cabet präsidirt nicht, er docirt.
2) Der Klub des Fortschritts. Präsident Hubert; sehr gefährlich.
3) Der Klub der Gesellschaft der Menschenrechte; Klub „der That“ weit mehr als der Diskussion. Die Mitglieder sind alle bewaffnet. Er bekennt sich zu sehr gefährlichen socialistischen Tendenzen.
4) Klub der sozialistischen Arbeiter; gefahrbringende Doktrinen.
5) Klub der socialistischen Republikaner. Verbreitet falsche und gefährliche Doktrinen.
6) Klub der socialistischen Republikaner. Staatsgefährliche Tendenzen.
7) Klub der Revolution, auch genannt Klub Barbes. Dieser Klub zeichnet sich aus durch die Exaltation seiner Mitglieder zur Verbreitung staatsumwälzender Tendenzen. Der Klub war in Permanenz erklärt.
8) Der Klub des „jungen Berges.“
9) Der Klub der Zukunft. Sehr exaltirte Doktrinen.
10) Der Klub der Einheit. Lebensgefährliche Tendenzen.
11) Der Klub Popincourt. Ein Heerd kommunistischer Progaganda.
12) Klub der Sorbonne.
13) Klub des Faubourgs St. Denis. Sehr übertriebene radikal-demokratische Tendenzen.
Andere Klubs haben einen andern politischen Charakter. Der demokratisch-republikanische Klub, die Bonapartistischen, Karlistischen Klubs u. s. w.
Nun kommen die tausend andere Klubs, deren Charakter nicht bestimmt hervortritt.
Alle diese Klubs treten gespensterartig vor die Seele der Klein-Bürger und beängstigen sie mit ihren nun im Geheimen besprochenen Tendenzen. Glaubt Cavaignac und der National durch ihr Soldatenregiment den nächtlichen Besprechungen Einhalt zu thun? Warum haben sie die Quarto-Bände ans Tageslicht treten lassen? Freilich hat Marrast Alles aufgeboten, um ihre Veröffentlichung zu verhindern, aber die Fatalität war stärker als Marrast's geheime Intriguen und nun, da das ganze Getriebe vorliegt, da man sonnenklar sieht, daß die Insurrektion nicht besiegt ist, und sogar durch die Quarto-Bände selbst neue Verstärkungen erhält, läßt Cavaignac seine Soldaten sich üben im Anti-Barrikaden-Machen.
Tragbare, schiebbare Barrikaden dieses ist des neue homöopathische Mittel mit welchem man die wahren Volksbarrikaden zu überwinden gedenkt. Also den unbeweglichen Barrikaden werden bewegliche entgegengesetzt, die natürlichen und naturwüchsigen Barrikaden gedenkt man durch künstliche und kunstgerechte Barrikaden zu paralysiren. Die bewegliche, künstliche Barrikade besteht aus einem eichenen Brette von 3 Centimeter Dicke, das mit Dünnblech oben und unter besetzt ist, und in welchem Schießlöcher angebracht sind. Man sieht wie die alte Strategik sich geändert hat. Im Mittelalter, vor der Erfindung des Pulvers, wurde Mann gegen Mann handgemein, und da waren es die Rüstungen, ein Panzerhemd, Schild u. s. w., mit denen man die Schläge abwehrte. Jetzt tauchen plötzlich klasterlange Schilder wieder hervor, hinter denen beide Partheien sich verschanzen. Ja, dies sogenannte Blockhaus kömmt wieder zum Vorschein in einer Form, die den jetzigen Verhältnissen ganz angemessen ist. Aber das Volsgenie ist mächtiger, als alle militärische Aneignung der vom Volke ausgegangenen Erfindungen.
Die Barrikaden sind eine Errungenschaft des Volkes, eben so wohl wie die Republik. Beides ging aus dem Februar hervor. Die Barrikaden hat man dem Volke genommen, um ihm damit die schwachen Ueberreste der Republik zu nehmen.
Wer die Juni-Barrikaden gesehen hat, weiß daß dieses mächtige Bollwerk nur von einer in einem gemeinsamen Gedanken verbundenen Masse errichtet werden konnte; daß dieses massenhafte Kunstwerk, wenn es von sogenannten Entrepreneurs, in Folge der Konkurrenzverhältnisse unternommen worden wäre, Millionen gekostet und eben so viele Jahre erfordert hätte, als die Juni-Revolution Tage zählt. Glaubt man nun durch die Erfindung der mobilen, der künstlichen Barrikaden die naturwüchsigen unnütz gemacht zu haben? Zudem kömmt noch, daß, wie es sich jetzt herausgestellt, eine Masse Mobilgardisten in den Junitagen gekämpft und daß unter den Kämpfern, unter den Arbeitern selbst sich die geschicktesten Ebenisten und Mechaniker befunden haben. Werden bei einer künftigen Insurrektion die Proletarier nicht die Mittel haben, ebenfalls mobile Barrikaden zu machen? Werden nicht mit den Mobilgardisten ganze Mobil-Barrikaden übergehen? Wir werden also das seltene Schauspiel erleben, bewegliche, lebendige Barrikaden gegeneinander im Kampfe zu sehn.
16 Paris 23. Aug. Die Linieninfanterie (fast lauter Bauernsöhne) in Paris ist neidisch gegen die Mobilisten: sie hat fast gar keine Ordenskreuze und Belobungen für die Junikampagne bekommen. Sie wird in diesem Augenblick von den rothen Republikanern und von den weißen Royalisten mit Traktätlein und Verheißungen behandelt; man behauptet die höhern Offiziere seien fast alle antirepublikanisch gestimmt; Kriegsminister Lamoricière und der Nationalgardenkommandeur Changarnier, beide aus Afrika, sind ausgemachte Philippisten und stehen in sehr unmoralischem Rufe als pure Glücksritter. Ersterer verlangte in den Junitagen immer mehr Haubitzen gegen die Faubourgs, zu großem Erstaunen Cavaignacs. Unter den Mobilisten dienen viele ehemalige Schneidergesellen, die seit Juni von ihren alten Arbeitskameraden nicht mehr angesehen werden; es sind harte Scenen dabei vorgefallen, Mädchen haben mit ihnen gebrochen, Verwandte ihnen das Haus versagt. Wie diese Ordnungsknechte gefochten haben, z. B. in der Rue Laharpe und Mathurins, bezeugte mir gestern wieder ein Greis und dessen Enkelin: zwölf Frauen und Kinder, von den eingedrungnen Helden aus dem 3ten Stock mit Bajonettstichen in den Hof und in die Straße hinabgeschleudert, starben auf dam Pflaster, nur ein kleiner Knabe liegt noch im Hospital; und das passirte in einem einzigen Hause, während in der Rue St. Jaques noch ärgeres und in fünf bis sechs geschehen ist. „L'Evenement,“ dies erzaristokratische Blatt des Monsieur Victor Hugo, findet dergleichen Erzählungen „zwar nicht ganz unwahr, aber ganz unklug, ja verbrecherisch“ und verlangt geradehin Arrestation Proudhon's, des Pere Duchene und andrer „herzvergiftender Journalisten;“ Proudhon sei namentlich ein „Bösewicht“ (scélérat), denn er erkühne sich „dem Märtyrtod des General Brea den Heiligenschein abzustreifen;“ es findet sich nämlich daß eben dieser Brea den Insurgenten: vive la république démocratique et sociale zugeschrieen und gleich darauf sechs von ihnen an der Mauer niederstechen gelassen. Sein und des Erzbischofs Tod ist in allen Ladenfenstern ausgehängt, und die Bettelmädchen müssen singen: la chanson de Monseigneur l'archevêque de Paris. Ueberall Bilder, wie die Bourgeoissäbel Proletariergurgeln abschneiden, wie die Mobilhelden Barrikadefahnen erobern, wie junge und hübsche Marketenderinnen Insurgenten niederschießen, wie Klosterfrauen von kommunistischen Bajonetten in der Rue St. Jaques bedroht worden und durch einen Bibelvers diesen Banditen Gliederzittern einjagen, wie Arbeiterinnen Offiziersköpfe auf Stangen pflanzen, wie vor dem Erzbischof auf der Barrikade tigerartig aussehende Räuber in die Knie sinken und verhungernde Insurgentenweiber die Hände falten; dies und noch mehr mit Namen, Ort, Datum bestens ausstaffirt. Und die Proletarier stehen düster vor dem Schaufenster und denken stumm: ein andermal besser gemacht! — „Die 23,000 hiesigen Dienstboten beiden Geschlechts sind ein sehr antirepublikanischer Sauertag, bemerkt La liberté, und es wäre Pflicht eines ehrlichgesinnten Provisoriums gewesen, dies Gift zu neutralisiren; es ist erwiesen, daß die volksfeindlichen Deputirten durch die Vota der Domestiken hauptsächlich gehoben worden. Bei einer royalistischen Emeute werden sie mit figuriren, sie sind arbeitslos und die reichen Familien versprechen ihnen wieder Dienst, sobald die Geldcirculation, d. h. ein Thron, wieder hergestellt sei.“
Der philippistische „Commerce“ höhnt über das Gesuch der Maurer, die während des Arbeitssuchens unter freiem Himmel zu stehen müde sind und eine Gewerkshalle beanspruchen; ein gleiches wird von den Schneidergesellen u. s. w. gefordert werden. Dies „tugendhafte“ Wechslerblättchen fragt in grimmem Spott, „ob die, welche den Wechsler einen „Krämer im Tempel Jerusalems,“ den Banquier einen „Geldluchs und Aussauger des Volksmarkes,“ den Börsenspekulanten einen „Seelenverspieler und Arbeitsschänder“ in ihren Klubs und Zeitungen genannt, jetzt das Recht hätten, dem Feinde nachahmend, gleichfalls eine Geschäftshalle zu haben? Ob diesen Spartanern die frische Luft etwa schon lästig werde? Das sei ein Zeichen von Volksverweichlichung“ u. s. w. Zahllos ist die Menge der Karrikaturen auf Proudhon und Cabet, besonders auf erstern; z. B. „der gerade Weg der beste,“ steht unter einem einsamen Pilger, der direkt auf das Narrenhaus Charenton zuwandelt, Regenschirm unter'm Arm, Hände in den Rocktaschen; dies ist die am wenigsten schlechte, man kann also ahnden, wie die übrigen Sudeleien sind. Ein Sonntagsblatt, „La Silhouette“, von Opernmädchen, Ellenrittern und Lions gelesen, kann in der letzten Nummer als Maaßstab des Hasses dieser „goldenen Jugend“ gegen Proudhon dienen; z. B.: „Der Herr Diebstahlslehrer ist nicht nur toll, nicht nur ein Schuft, sondern beides zugleich; Herr Proudhon ist ein elender Bube, der dem J. J. Rousseau nachäfft, ein schlechtes Vorbild fürwahr! Herr Proudhon ist ein blonder, bebrillter, kahlstirniger, wohlbeleibter, mit Eingeweiden begabter (wie Rabelais sagen würde), kurz ein ganz gewöhnlicher Mensch dem Aeußern nach, doch innerlich erstickt er schier von Hochmuth. Sein Gesetzvorschlag ist zu Grabe getragen worden, alle Galeerensklaven, alle kriminellen Gefangenen schluchzten. Möge die Polizei und die Kammer, das Ministerium und die Exekutive doch endlich uns von diesem Schurken und seinen dicken und dünnen Schurkenkompendien befreit haben; er ist auch durch sein persönliches Beispeil sehr gefährlich, er hat an dreißig uneheliche Kinder“, fügt dies Blatt der moschusduftenden Maquereaux hinzu. Letzteres ist notorischer Maßen nicht einmal wahr. — Uebrigens ist es fester Beschluß der echten Demokraten, wenn sie zu einem letzten Straßenkampf herausgefordert werden, das Redaktionspersonal des Corsaire, des Constitutionuel, Siècle, Journal des Debats und der neuern „Moschusjournale“ über die Klinge springen zu lassen, und keineswegs zu Exil oder Guillotine aufzuspeichern. Der Corsaire scheint das zu ahnden, er denunzirt täglich, und wie ich positiv weiß, auch mit geheimen Briefen an den Polizeichef; gestern wurden zwei „rothe“ Literaten verhaftet, die kürzlich den trefflichen Lepoitevin (vom Corsaire) „beleidigt“ hatten. — Die Thierspartei will durchaus eine Emeute der Proletarier hervorrufen, um danach „Maulkorb und Halfter fester ihnen anzulegen“; sie ist im Begriff, die vom Provisorium verminderte Arbeitszeit zu erhöhen, wogegen die Schreiner und Ebenisten der Vorstadt St. Antoine bereits bei der Kammer protestiren. Sie weigert sich, die vom Minister des Handels zur Hebung der Industrie begehrten 600,000 Franken an Arbeiterossociationen, „welches ja sozialistische Schwärmerei erzeugen könnte“, zu vertheilen, wie Herr Dupin und Levasseur meinen; man solle das Geld an Privatindustrielle geben.
Paris, 23. Aug. Keine Ruhestörung. Zahlreiche Patrouillen durchstreichen wohl noch die Stadt, doch kam es nirgends zu einer Reibung. An der Ecke der Rue Vivienne und dem Boulevard raffte ein Betrunkener mehre Stühle zusammen und wollte ganz allein eine Barrikade bauen. Die neuen Gardiens ergriffen ihn jedoch beim Kragen und schleppten ihn in's nächste Wachthaus. Weiterhin, am Boulevard Bonne Nouvelle, sammelte sich eine große Menschenmasse. Aber es war weiter nichts als daß der Sturm die Fahne vor dem Wachtposten zerrissen hatte und daß man eben damit beschäftigt war, sie durch eine neue zu ersetzen.
— Das Gerücht geht, die Arbeiter der Faubourgs St. Antoine und St. Marcel wollten ihre Arbeiten in Masse einstellen.
— Vergangene Woche sollte dem Hrn. Thiers eine Katzenmusik gebracht werden. Die Bürgerwehr besetzte jedoch frühzeitig den Place St. Georges, wo er wohnt, und vereitelte so das Vorhaben.
— Der „Moniteur“ zeigt an: „Daß Herr und Madame Armand Marrast morgen, Donnerstag, eine glänzende Soirée geben.“
— Der Tod des General Brea und seines Adjutanten nimmt eine ganz andere Gestalt an, wenn man den Bericht von Augenzeugen liest, den der „Repräsentant du Peuple“ hierüber veröffentlicht. Der General erschien mit seinem Adjutanten hinter der Barrikade an der Barriere Fontainebleau, rief: Es lebe die demokratische und soziale Republik! und zeigte den Insurgenten an, daß er und seine Truppen sich mit ihnen verbrüdern wollten. Hiernach vermutheten die Insurgenten mit Recht, daß die Truppen nicht nur nicht gegen sie, sondern mit ihnen kämpfen würden. Während der General, um sich hierüber zu versichern, hinter dem Gitter als Geißel zurückblieb, stürzten plötzlich die Frauen der Insurgenten herbei mit dem Geschrei: Die Truppen schießen auf uns! Sie drängen heran! Da witterte man Verrath, und der General und sein Adjutant wurden als Verräther erschossen. Leider stellte sich zwei Minuten später heraus, daß die fliehenden Weiber eine falsche Furcht gehegt hatten. Uebrigens lag jene Barrikade ganz isolirt und von der übrigen Insurrektion abgeschloßen, daher ein solches Mißverständniß leicht erklärlich. So zerrinnen selbst die gehässigsten Anklagen gegen die Junibesiegten.
— Morgen Mittags 11 Uhr werden sich sämmtliche Redakteure der Pariser Journale bei Lemardelay in der Richelieustraße Nr. 100 versammeln, um zu berathen, was in der jetzigen Lage zu thun ist. Die Willkür der Exekutivgewalt ruft eine wahre Empörung in der Presse hervor.
— Heute Abend hält ein neuer bedeutender Klub der Republicains Socialistes, im Montesquieu Saale seine erste Sitzung.
— Der radikale Repräsentant David (Angers) hat sein Amt als Maire des 11. Bezirks niedergelegt.
— Protestation der unterdrückten Journale:
1. Die unterzeichneten Redaktoren, Eigenthümer und Geranten des Representant du Peuple protestiren gegen die ungesetzliche Suspension ihres Journals, indem sie mit aller Energie ihres Herzens die Motive zurückstoßen, auf welche die Suspension gegründet. Ganz der Republik ergeben, haben sie nichts Anderes gethan, als täglich ihre Mitbürger zur Einigkeit und zum Frieden zu ermuthigen, ohne welche die Entwickelung unserer neuen Staatseinrichtungen nicht denkbar.
Paris, 22. August 1848.
Alfred Darimon. Fauvety. Proudhon. Vasbenter. Fau[?].
2. Der unterzeichnete Direktor und Redakteur des Journals du Pere Duchesne schließt sich in allen Ausdrücken obiger Protestation an.
Paris, 22. August.
Aus Auftrag des Bürgers Thuillier:
(gez) Gautier.
3. Man muß sich dem Akte der Gewalt unterwerfen, welche ihre Stärke auf den Belagerungszustand gründet. Aber ich protestire hiermit in meinem Namen und im Namen des abwesenden Hauptredakteurs Thoré gegen diesen Akt. Die öffentliche Meinung wird richten, ob unsere loyale Redaktion solchen Anklagen jemals zum Vorwande dienen konnte, wie sie der Befehl der Exekutivgewalt gegen uns aufstellt.
Paris, 22. August.
Im Namen des Journals La vraie Republique:
(gez.) J. P. Berjean.
— Nationalversammlung. Sitzung vom 23. August. Alle Welt ist sehr gespannt. Man vermuthet gleich nach der Protokollverlesung starken Journalscandal und sieht sich getäuscht, als der große Seeheld und Vizepräsident Lacrosse, einer der Günstlinge der Rue Poitiers, den Platz Marrast's um 2 Uhr einnimmt und die Sitzung als eröffnet erklärt.
Ferdinand v. Lasteyrie, mit grüner Brille und einem Lichtschirm, besteigt die Tribune, um der Versammlung das Ergebniß der Prüfung der Wahl Laissac's zu Montpellier mitzutheilen, die arg bestritten worden, weil sie die Demokraten durchsetzten. Lasteyrie erzählt ziemlich lang und breit die Manoeuver der Legitimisten (Abbe Genoude, Redakteur der Gazette, war sein Nebenbuhler), welchen die Demokraten andere Manoeuvres entgegen setzen zu müssen geglaubt hätten. Buchez und mehrere andere ehrenwerthe Männer sind dabei kompromittirt. (Lärm.) Unter diesen Umständen trage der Ausschuß auf Vernichtung der Wahl an.
Buchez, ehemaliger Präsident der Nationalversammlung, eilt auf die Tribüne, um sich zu rechtfertigen gegen jeden Verdacht, den der Prüfungsausschuß auf ihn schleudern möchte. Er erzählt die Umstände, unter denen er jenen Brief nach Montpellier geschrieben habe.
Bac vertheidigt die wiederholt angegriffenen Wahlzirkuläre der provisorischen Regierung und trägt auf Bestätigung der Wahl Laissac's an, der ein tüchtiger Republikaner sei und deshalb nur von konservativen Krähen angefochten würde.
Der Präsident läßt abstimmen. Die Minister erheben sich für die Bestätigung.
Die Probe ist zweifelhaft; man schreitet deßhalb zur Abstimmung durch Stimmzettel.
Zahl der Stimmenden 725.
Für die Annahme der Konklusionen des Rapports, d. h.
gegen die Wahl‥ 369,
gegen den Rapport 356.
Die Wahl ist vernichtet.
Eine große Agitation folgt diesem Resultat. Sämmtliche anwesenden Minister hatten für Laissac gestimmt.
Nachdem sich die Agitation etwas gelegt hatte, welche die Vernichtung der demokratischen Wahl Laissac's zu Gunsten der royalistischen Partei hervorrief, schritt die Versammlung zur Berathung eines Kredits für die berittene Mobilgarde. Wird mit einiger Verringerung angenommen.
Senard, Minister des Innern, legt einen Gesetzentwurf vor, der die Fleischsteuer an den Pariser Barrieren wieder einführt.
Goudchaux legt seinen berüchtigten Plan einer Einkommen- und Mobiliensteuer vor.
Verninac, Marineminister, beantragt eine Entschädigung von 90 Millionen Franken für die Plantagenbesitzer, die durch Befreiung der Sclaven dem Ruin nahe sind.
Louis Blanc erhält das Wort, um seinen Protest gegen das vorzeitige Einrücken wichtiger Beilagen von noch schwebenden Untersuchungen zu begründen. Er sagt, daß sein Antrag sich nicht bloß auf die Bouchard'schen Aktenstücke beziehe, sondern eine allgemeine Anwendung verdiene. Für die in Rede stehenden Aktenstücke käme ohnedieß der Antrag viel zu spät; nichts desto weniger beharre er auf Eile.
Die Versammlung wies den Antrag an den Gesetzgebungsausschuß mit der Anordnung, schleunigst darüber zu berichten.
Das Preßungewitter also auf morgen!
Osmont trägt darauf an, die Prämien auf Einfuhr des Stockfisches von 14 auf 18 Fr. zu Rouen im Interesse der Armen zu erhöhen, weil der Stockfisch in unseren Häfen rar werde und er somit die Nahrung der Armen schmälert.
Tourret, Handelsminister, dringt auf Vertagung. Bewilligt.
Schließlich beräth die Versammlung den Cessionsmodus rücksichtlich der Empfangscheine auf deponirte Waaren in den Staatsmagazinen, den Herr Goudchaux am 31. Juli beantragt.
Um 6 1/2 Uhr wird die Sitzung geschlossen.
Belgien. S Antwerpen, 22. August. Ich muß wieder auf Herrn Bavay zurückkommen: Der Schluß seines Requisitoriums wird als eine Infamie in den Annalen der Parquetsberedsamkeit verzeichnet bleiben. Nachdem er den Geschworenen Antwerpens vorgehalten, doch ja dem Zutrauen zu entsprechen, das man in sie gesetzt (vor das Brüsseler Geschwornengericht wagte man die Sache nicht zu bringen), endigt er damit die Angeklagten deshalb für schuldig zu erklären, weil man in diesem Augenblicke noch gegen Belgien in der Straße Aubry-le-Boucher Nro. 26 zu Paris komplottire. Also am öffentlichen Gerichte wirft sich der Prokurator als Denunciant eines in Bildung begriffenen Komplotts gegen Belgien auf! Und wegen dieses von Frankreich ausgehenden Komplotts soll man das vergangene angebliche Komplott für wirklich vorhanden erklären. Und was ist das vergangene Komplott? Eine Gesellschaft von Demokraten, die man deshalb in Risquons-Tout hineinverwickelt, um der sogenannten „Expedition“ einen innern Haltpunkt zu geben. In jedem andern Lande würde der Herr Prokurator schon allein dieser Ungeschicklichkeit wegen abgesetzt worden sein. Unsere Journale, von französischen Banqueroutiers redigirt, von Leuten wie Perrot und Brig[?]oine, die in Frankreich wegen betrügerischem Banquerout zu den Galeeren verurtheilt worden, bewundern Herrn Bavay's Beredsamkeit.
Herr Sancke, der die Vertheidigung Herrn Spilthoorn's übernommen, antwortet dem Herrn Bavay: „Ich brauche wohl nicht noch alle die berühmten Männer zu vertheidigen, die nebenbei von Herrn Bavay angegriffen worden. Ich bin nicht der Advokat Caussidière's; aber ich möchte sein Freund sein; ich bin nicht der Vertheidiger Ledru-Rollin's; ich bin nur sein Bewunderer.“ Bavay hatte die ganze Welt in Risquons-Tout verwickelt. Es war ihm besonders um große Namen zu thun.
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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