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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 87. Köln, 27. August 1848.

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Neue Rheinische Zeitung.
Organ der Demokratie.
No 87 Köln, Sonntag 27. August 1848. Nachdem in Folge der von den deutschen Buchdruckergehülfen ergangenen Aufforderung fast alle Zeitungen, welche seither Montags erschienen, an diesem Tage zu erscheinen aufhören, sind auch die Verleger der rheinischen Blätter darin übereingekommen, am Sonntage ihre Druckereien feiern zu lassen, um auch ihrem, im Laufe der Woche so sehr angestrengten Personale den Ruhetag zu verschaffen. Von jetzt ab wird daher die "Neue Rheinische Zeitung" Montags (Sonntags Abends) nicht mehr ausgegeben. Die verehrlichen Abonnenten werden sicherlich diese Maßregel um so weniger unbillig finden, als ihnen dadurch schwerlich eine geringere Bogenzahl geliefert werden wird, als bisher. Die Geranten der Neuen Rheinischen Zeitung.
Deutschland.
** Köln, 26. August.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
** Köln, 26. August.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
Das Domfest von 1848.

(Fortsetzung.)

Seit gestern spüre ich plötzlich die entsetzlichsten Gewissensbisse. Ich hatte mir vorgenommen vom Dome zu erzählen und ich lasse mich durch die Menschenzwerge immer wieder davon abbringen. Das ist nicht recht! Man sollte fast sagen, ich liebte unsern alten Dom nicht, unsern guten alten Dom, der am 14. August seinen sechshundertjährigen Geburtstag gefeiert hat, unsern Großvater Dom, dem es nicht geht, wie gewöhnlich alten Leuten, die mit jedem Jahre kümmerlicher und häßlicher werden, nein, der immer noch wächst und immer schöner wird, ganz gegen alle Regel, ganz gegen alle Gewohnheit; der trotz seiner luftigen Lebensstellung auf freiem Platze, hart am Rheine, allem Regen und Wind ausgesetzt, doch noch nicht an Migräne und Rheumatismus leidet, der ungeachtet seines vorgerückten Alters sich den Henker darum schiert, ob ihm im Winter die Schneeflocken um die Nase fliegen, ja, der aller Stürme lacht und immer fröhlicher und vertrauensvoller in die Welt hinausschaut, ja, der mit einem Worte der heiligen Stadt Köln bejahrtester Greis und hoffnungsvollster Jüngling ist! -- O, ich liebe den alten Dom, ich liebe ihn gerade wie all die Tausende von Menschenkinder, die neulich zu seinem Geburtstag zusammentrafen, die dem alten Herrn zwischen den großen Säulen-Beinen durchliefen, die ihm auf dem breiten Rücken herumkrabbelten, die ihm mit Hüten und Mützen und Tüchern winkten, die sein ehrwürdiges Haupt mit Fahnen und Guirlanden schmückten, die ihm Lieder sangen und Toaste ausbrachten und die ihm aufs Neue die Versicherung gaben, daß sie ihm gern jedes Jahr ein fünfzig- oder hunderttausend Thaler in die großen Rocktaschen stecken wollen, damit der gute, alte Knabe sich auch ferner seines Lebens freue, und ferner wachse und gedeihe.

Ja, ich liebe den Dom und es freut mich, daß es ihm wohlgeht. Er blüht jetzt schöner als je. Vor einigen Jahren dauerte er mich aufrichtig. Da wurde sein steinernes Zacken- und Spitzenkleid immer schäbiger und schlottriger. Man sah, daß sich Niemand recht um ihn bekümmerte; er war wie ein alter Student, der lange Zeit nicht unter die Hände der Mutter gerieth, dem die Knopflöcher des Sammetrockes ausrissen und dem die Knöpfe abfielen, der ganz aus der Wäsche kam, und der sehr schlechte Stiefeln besaß. Es that mir leid um den Dom. Vergebens war es, daß die kleinen Mitbürger des großen Mannes jährlich einmal ein paar Schoppen Weißen weniger tranken als sonst und das Ersparte mit auswärtigen Beiträgen zusammenthaten und einem klugen Dombauschneider mit seinen Gesellen den Auftrag gaben, wenigstens das Nothdürftigste zu repariren, damit der alte Herr doch nicht ganz unter die Füße komme, und sich wenigstens als ehrlicher und anständiger Bürger Kölns sehen lassen könne -- vergebens war dies! Was geschah, es war doch nur halbes Werk, es war kaum der Rede werth und wenn die pfiffigen Franzosen und die stolzen Britten oder die dicken Holländer an ihm vorübergingen, da blieben sie nicht selten stehen und schüttelten mit den Köpfen und sprachen: Seht, wie die Deutschen ihren alten Vater Dom vernachlässigen! Ach, stände er bei uns, wie wollten wir ihn pflegen und wohlauf halten, daß es eine Freude wäre!

So sprachen sie und manchem guten Kölner schmeckte dann der Wein doppelt so sauer als sonst.

Aber die Zeiten haben sich gebessert. Der Dom ist wieder auf den Strumpf, ja, auf einen grünen Zweig gekommen. Er sieht aus wie ein Mensch, der ein Viertel vom großen Loos gewann; wie Jemand, der seine Schulden bezahlte; wie ein Vater, der alle seine schönen und häßlichen Töchter unter die Haube brachte, und es konnte nicht fehlen, daß er sich bei seiner sechshundertjährigen Geburtsfeier im höchsten Grade stattlich und wohlgefällig ausnahm.

Wie meine Leser aus der Ueberschrift sehen, hatte ich mir vorgenommen diesen Geburtstag in seiner ganzen Erhabenheit zu schildern und ich wäre auch gewiß schon längst im besten Zuge, wenn ich nicht über Hrn. v. Gagern, über seinen Sancho, über den herrlichen Dulder Hiob, über die Kölnischen Stadtsänger und über so viele andere Männer des Jahrhunderts gestolpert, und von dem unsterblichen Diner des Gürzenich erst eben wieder mit heiler Haut in die frische Luft hinausgepurzelt wäre.

Die Götter wissen es, nichts ist leichter, als Das zu schildern, was man gesehen hat und ich würde auch die Domfeier beschreiben können, den ganzen Zug, die ganze Fahnen und Blumen geschmückte Kolonne, wenn ich, leider, nicht statt des Schauspieles die Zuschauer, statt der bärtigen Bürgerwehr, der frommen Dombaufreunde, der braven Steinmetze und der betenden Pastöre, die lieblichen Frauen und Mädchen betrachtet hätte, die rechts und links aus den Fenstern und von den Dächern herabnickten mit ihren Vergißmeinnicht-Augen, mit ihren seligen Locken und mit jenem verfluchten Lächeln, das uns arme Männer noch um all unsern Verstand bringen wird, wenn wir sie nicht todtherzen und todtküssen, jene entsetzlichen kleinen Personen, so viele es ihrer gibt, und ihnen ein Grab machen in unsern Armen und sie versenken an unserer liebeklopfenden Brust.

Wenn ich daher meinen Lesern die wirkliche Dombaufeier so ohne Weiteres schildern sollte, so müßte ich sie dichten; aber ich liebe die Wahrheit von ganzer Seele, ich liebe die Göttin der Wahrheit, die so todternst aussieht wie eine egyptische Pyramide, wie ein kahler Apostel oder wie ein lateinischer Schweinslederband, ich liebe sie eben so aufrichtig wie die trügerisch lachende Göttin der Lust, wenn sie uns ihren Lilienbusen zeigt und uns den Champagner in die hohen krystallenen Gläser gießt, auf daß wir lieben und trinken möchten die dämmerige Lenznacht hindurch, bis der Morgen kommt, der fatale Morgen, wo man zu schwarzem Kaffe greift, ohne Zucker und Milch, und wo einem mit Schrecken einfällt, wie doch Alles auf Erden vergänglich ist, Pyramiden und Apostel und Schweinslederbände, ja sogar der Champagner, ein Lilienbusen und die Luft der ambrosischen Lenznacht.

Als ich mich daher gestern hinsetzte, um die Schilderung meiner Dombaufeier fortzusetzen, da langte ich, um ja nicht auf Irrwege zu kommen, nach dem Born aller Wahrheit, nach der Kölnischen Zeitung, die uns schon während des Festes, so stehenden Fußes,

Neue Rheinische Zeitung.
Organ der Demokratie.
No 87 Köln, Sonntag 27. August 1848. Nachdem in Folge der von den deutschen Buchdruckergehülfen ergangenen Aufforderung fast alle Zeitungen, welche seither Montags erschienen, an diesem Tage zu erscheinen aufhören, sind auch die Verleger der rheinischen Blätter darin übereingekommen, am Sonntage ihre Druckereien feiern zu lassen, um auch ihrem, im Laufe der Woche so sehr angestrengten Personale den Ruhetag zu verschaffen. Von jetzt ab wird daher die „Neue Rheinische Zeitung“ Montags (Sonntags Abends) nicht mehr ausgegeben. Die verehrlichen Abonnenten werden sicherlich diese Maßregel um so weniger unbillig finden, als ihnen dadurch schwerlich eine geringere Bogenzahl geliefert werden wird, als bisher. Die Geranten der Neuen Rheinischen Zeitung.
Deutschland.
** Köln, 26. August.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
** Köln, 26. August.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
Das Domfest von 1848.

(Fortsetzung.)

Seit gestern spüre ich plötzlich die entsetzlichsten Gewissensbisse. Ich hatte mir vorgenommen vom Dome zu erzählen und ich lasse mich durch die Menschenzwerge immer wieder davon abbringen. Das ist nicht recht! Man sollte fast sagen, ich liebte unsern alten Dom nicht, unsern guten alten Dom, der am 14. August seinen sechshundertjährigen Geburtstag gefeiert hat, unsern Großvater Dom, dem es nicht geht, wie gewöhnlich alten Leuten, die mit jedem Jahre kümmerlicher und häßlicher werden, nein, der immer noch wächst und immer schöner wird, ganz gegen alle Regel, ganz gegen alle Gewohnheit; der trotz seiner luftigen Lebensstellung auf freiem Platze, hart am Rheine, allem Regen und Wind ausgesetzt, doch noch nicht an Migräne und Rheumatismus leidet, der ungeachtet seines vorgerückten Alters sich den Henker darum schiert, ob ihm im Winter die Schneeflocken um die Nase fliegen, ja, der aller Stürme lacht und immer fröhlicher und vertrauensvoller in die Welt hinausschaut, ja, der mit einem Worte der heiligen Stadt Köln bejahrtester Greis und hoffnungsvollster Jüngling ist! — O, ich liebe den alten Dom, ich liebe ihn gerade wie all die Tausende von Menschenkinder, die neulich zu seinem Geburtstag zusammentrafen, die dem alten Herrn zwischen den großen Säulen-Beinen durchliefen, die ihm auf dem breiten Rücken herumkrabbelten, die ihm mit Hüten und Mützen und Tüchern winkten, die sein ehrwürdiges Haupt mit Fahnen und Guirlanden schmückten, die ihm Lieder sangen und Toaste ausbrachten und die ihm aufs Neue die Versicherung gaben, daß sie ihm gern jedes Jahr ein fünfzig- oder hunderttausend Thaler in die großen Rocktaschen stecken wollen, damit der gute, alte Knabe sich auch ferner seines Lebens freue, und ferner wachse und gedeihe.

Ja, ich liebe den Dom und es freut mich, daß es ihm wohlgeht. Er blüht jetzt schöner als je. Vor einigen Jahren dauerte er mich aufrichtig. Da wurde sein steinernes Zacken- und Spitzenkleid immer schäbiger und schlottriger. Man sah, daß sich Niemand recht um ihn bekümmerte; er war wie ein alter Student, der lange Zeit nicht unter die Hände der Mutter gerieth, dem die Knopflöcher des Sammetrockes ausrissen und dem die Knöpfe abfielen, der ganz aus der Wäsche kam, und der sehr schlechte Stiefeln besaß. Es that mir leid um den Dom. Vergebens war es, daß die kleinen Mitbürger des großen Mannes jährlich einmal ein paar Schoppen Weißen weniger tranken als sonst und das Ersparte mit auswärtigen Beiträgen zusammenthaten und einem klugen Dombauschneider mit seinen Gesellen den Auftrag gaben, wenigstens das Nothdürftigste zu repariren, damit der alte Herr doch nicht ganz unter die Füße komme, und sich wenigstens als ehrlicher und anständiger Bürger Kölns sehen lassen könne — vergebens war dies! Was geschah, es war doch nur halbes Werk, es war kaum der Rede werth und wenn die pfiffigen Franzosen und die stolzen Britten oder die dicken Holländer an ihm vorübergingen, da blieben sie nicht selten stehen und schüttelten mit den Köpfen und sprachen: Seht, wie die Deutschen ihren alten Vater Dom vernachlässigen! Ach, stände er bei uns, wie wollten wir ihn pflegen und wohlauf halten, daß es eine Freude wäre!

So sprachen sie und manchem guten Kölner schmeckte dann der Wein doppelt so sauer als sonst.

Aber die Zeiten haben sich gebessert. Der Dom ist wieder auf den Strumpf, ja, auf einen grünen Zweig gekommen. Er sieht aus wie ein Mensch, der ein Viertel vom großen Loos gewann; wie Jemand, der seine Schulden bezahlte; wie ein Vater, der alle seine schönen und häßlichen Töchter unter die Haube brachte, und es konnte nicht fehlen, daß er sich bei seiner sechshundertjährigen Geburtsfeier im höchsten Grade stattlich und wohlgefällig ausnahm.

Wie meine Leser aus der Ueberschrift sehen, hatte ich mir vorgenommen diesen Geburtstag in seiner ganzen Erhabenheit zu schildern und ich wäre auch gewiß schon längst im besten Zuge, wenn ich nicht über Hrn. v. Gagern, über seinen Sancho, über den herrlichen Dulder Hiob, über die Kölnischen Stadtsänger und über so viele andere Männer des Jahrhunderts gestolpert, und von dem unsterblichen Diner des Gürzenich erst eben wieder mit heiler Haut in die frische Luft hinausgepurzelt wäre.

Die Götter wissen es, nichts ist leichter, als Das zu schildern, was man gesehen hat und ich würde auch die Domfeier beschreiben können, den ganzen Zug, die ganze Fahnen und Blumen geschmückte Kolonne, wenn ich, leider, nicht statt des Schauspieles die Zuschauer, statt der bärtigen Bürgerwehr, der frommen Dombaufreunde, der braven Steinmetze und der betenden Pastöre, die lieblichen Frauen und Mädchen betrachtet hätte, die rechts und links aus den Fenstern und von den Dächern herabnickten mit ihren Vergißmeinnicht-Augen, mit ihren seligen Locken und mit jenem verfluchten Lächeln, das uns arme Männer noch um all unsern Verstand bringen wird, wenn wir sie nicht todtherzen und todtküssen, jene entsetzlichen kleinen Personen, so viele es ihrer gibt, und ihnen ein Grab machen in unsern Armen und sie versenken an unserer liebeklopfenden Brust.

Wenn ich daher meinen Lesern die wirkliche Dombaufeier so ohne Weiteres schildern sollte, so müßte ich sie dichten; aber ich liebe die Wahrheit von ganzer Seele, ich liebe die Göttin der Wahrheit, die so todternst aussieht wie eine egyptische Pyramide, wie ein kahler Apostel oder wie ein lateinischer Schweinslederband, ich liebe sie eben so aufrichtig wie die trügerisch lachende Göttin der Lust, wenn sie uns ihren Lilienbusen zeigt und uns den Champagner in die hohen krystallenen Gläser gießt, auf daß wir lieben und trinken möchten die dämmerige Lenznacht hindurch, bis der Morgen kommt, der fatale Morgen, wo man zu schwarzem Kaffe greift, ohne Zucker und Milch, und wo einem mit Schrecken einfällt, wie doch Alles auf Erden vergänglich ist, Pyramiden und Apostel und Schweinslederbände, ja sogar der Champagner, ein Lilienbusen und die Luft der ambrosischen Lenznacht.

Als ich mich daher gestern hinsetzte, um die Schilderung meiner Dombaufeier fortzusetzen, da langte ich, um ja nicht auf Irrwege zu kommen, nach dem Born aller Wahrheit, nach der Kölnischen Zeitung, die uns schon während des Festes, so stehenden Fußes,

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          <note type="editorial">Edition: <bibl>Friedrich Engels: Die Kölnische Zeitung über Italien. In: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi> I/7. S. 619.</bibl>                </note>
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          <p>Ja, ich liebe den Dom und es freut mich, daß es ihm wohlgeht. Er blüht jetzt                         schöner als je. Vor einigen Jahren dauerte er mich aufrichtig. Da wurde sein                         steinernes Zacken- und Spitzenkleid immer schäbiger und schlottriger. Man                         sah, daß sich Niemand recht um ihn bekümmerte; er war wie ein alter Student,                         der lange Zeit nicht unter die Hände der Mutter gerieth, dem die Knopflöcher                         des Sammetrockes ausrissen und dem die Knöpfe abfielen, der ganz aus der                         Wäsche kam, und der sehr schlechte Stiefeln besaß. Es that mir leid um den                         Dom. Vergebens war es, daß die kleinen Mitbürger des großen Mannes jährlich                         einmal ein paar Schoppen Weißen weniger tranken als sonst und das Ersparte                         mit auswärtigen Beiträgen zusammenthaten und einem klugen Dombauschneider                         mit seinen Gesellen den Auftrag gaben, wenigstens das Nothdürftigste zu                         repariren, damit der alte Herr doch nicht ganz unter die Füße komme, und                         sich wenigstens als ehrlicher und anständiger Bürger Kölns sehen lassen                         könne &#x2014; vergebens war dies! Was geschah, es war doch nur halbes Werk, es war                         kaum der Rede werth und wenn die pfiffigen Franzosen und die stolzen Britten                         oder die dicken Holländer an ihm vorübergingen, da blieben sie nicht selten                         stehen und schüttelten mit den Köpfen und sprachen: Seht, wie die Deutschen                         ihren alten Vater Dom vernachlässigen! Ach, stände er bei uns, wie wollten                         wir ihn pflegen und wohlauf halten, daß es eine Freude wäre!</p>
          <p>So sprachen sie und manchem guten Kölner schmeckte dann der Wein doppelt so                         sauer als sonst.</p>
          <p>Aber die Zeiten haben sich gebessert. Der Dom ist wieder auf den Strumpf, ja,                         auf einen grünen Zweig gekommen. Er sieht aus wie ein Mensch, der ein                         Viertel vom großen Loos gewann; wie Jemand, der seine Schulden bezahlte; wie                         ein Vater, der alle seine schönen und häßlichen Töchter unter die Haube                         brachte, und es konnte nicht fehlen, daß er sich bei seiner                         sechshundertjährigen Geburtsfeier im höchsten Grade stattlich und                         wohlgefällig ausnahm.</p>
          <p>Wie meine Leser aus der Ueberschrift sehen, hatte ich mir vorgenommen diesen                         Geburtstag in seiner ganzen Erhabenheit zu schildern und ich wäre auch gewiß                         schon längst im besten Zuge, wenn ich nicht über Hrn. v. Gagern, über seinen                         Sancho, über den herrlichen Dulder Hiob, über die Kölnischen Stadtsänger und                         über so viele andere Männer des Jahrhunderts gestolpert, und von dem                         unsterblichen Diner des Gürzenich erst eben wieder mit heiler Haut in die                         frische Luft hinausgepurzelt wäre.</p>
          <p>Die Götter wissen es, nichts ist leichter, als Das zu schildern, was man                         gesehen hat und ich würde auch die Domfeier beschreiben können, den ganzen                         Zug, die ganze Fahnen und Blumen geschmückte Kolonne, wenn ich, leider,                         nicht statt des Schauspieles die Zuschauer, statt der bärtigen Bürgerwehr,                         der frommen Dombaufreunde, der braven Steinmetze und der betenden Pastöre,                         die lieblichen Frauen und Mädchen betrachtet hätte, die rechts und links aus                         den Fenstern und von den Dächern herabnickten mit ihren                         Vergißmeinnicht-Augen, mit ihren seligen Locken und mit jenem verfluchten                         Lächeln, das uns arme Männer noch um all unsern Verstand bringen wird, wenn                         wir sie nicht todtherzen und todtküssen, jene entsetzlichen kleinen                         Personen, so viele es ihrer gibt, und ihnen ein Grab machen in unsern Armen                         und sie versenken an unserer liebeklopfenden Brust.</p>
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          <p>Als ich mich daher gestern hinsetzte, um die Schilderung meiner Dombaufeier                         fortzusetzen, da langte ich, um ja nicht auf Irrwege zu kommen, nach dem                         Born aller Wahrheit, nach der Kölnischen Zeitung, die uns schon während des                         Festes, so stehenden Fußes,
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[0445/0001] Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No 87 Köln, Sonntag 27. August 1848. Nachdem in Folge der von den deutschen Buchdruckergehülfen ergangenen Aufforderung fast alle Zeitungen, welche seither Montags erschienen, an diesem Tage zu erscheinen aufhören, sind auch die Verleger der rheinischen Blätter darin übereingekommen, am Sonntage ihre Druckereien feiern zu lassen, um auch ihrem, im Laufe der Woche so sehr angestrengten Personale den Ruhetag zu verschaffen. Von jetzt ab wird daher die „Neue Rheinische Zeitung“ Montags (Sonntags Abends) nicht mehr ausgegeben. Die verehrlichen Abonnenten werden sicherlich diese Maßregel um so weniger unbillig finden, als ihnen dadurch schwerlich eine geringere Bogenzahl geliefert werden wird, als bisher. Die Geranten der Neuen Rheinischen Zeitung. Deutschland. ** Köln, 26. August. _ ** Köln, 26. August. _ Das Domfest von 1848. (Fortsetzung.) Seit gestern spüre ich plötzlich die entsetzlichsten Gewissensbisse. Ich hatte mir vorgenommen vom Dome zu erzählen und ich lasse mich durch die Menschenzwerge immer wieder davon abbringen. Das ist nicht recht! Man sollte fast sagen, ich liebte unsern alten Dom nicht, unsern guten alten Dom, der am 14. August seinen sechshundertjährigen Geburtstag gefeiert hat, unsern Großvater Dom, dem es nicht geht, wie gewöhnlich alten Leuten, die mit jedem Jahre kümmerlicher und häßlicher werden, nein, der immer noch wächst und immer schöner wird, ganz gegen alle Regel, ganz gegen alle Gewohnheit; der trotz seiner luftigen Lebensstellung auf freiem Platze, hart am Rheine, allem Regen und Wind ausgesetzt, doch noch nicht an Migräne und Rheumatismus leidet, der ungeachtet seines vorgerückten Alters sich den Henker darum schiert, ob ihm im Winter die Schneeflocken um die Nase fliegen, ja, der aller Stürme lacht und immer fröhlicher und vertrauensvoller in die Welt hinausschaut, ja, der mit einem Worte der heiligen Stadt Köln bejahrtester Greis und hoffnungsvollster Jüngling ist! — O, ich liebe den alten Dom, ich liebe ihn gerade wie all die Tausende von Menschenkinder, die neulich zu seinem Geburtstag zusammentrafen, die dem alten Herrn zwischen den großen Säulen-Beinen durchliefen, die ihm auf dem breiten Rücken herumkrabbelten, die ihm mit Hüten und Mützen und Tüchern winkten, die sein ehrwürdiges Haupt mit Fahnen und Guirlanden schmückten, die ihm Lieder sangen und Toaste ausbrachten und die ihm aufs Neue die Versicherung gaben, daß sie ihm gern jedes Jahr ein fünfzig- oder hunderttausend Thaler in die großen Rocktaschen stecken wollen, damit der gute, alte Knabe sich auch ferner seines Lebens freue, und ferner wachse und gedeihe. Ja, ich liebe den Dom und es freut mich, daß es ihm wohlgeht. Er blüht jetzt schöner als je. Vor einigen Jahren dauerte er mich aufrichtig. Da wurde sein steinernes Zacken- und Spitzenkleid immer schäbiger und schlottriger. Man sah, daß sich Niemand recht um ihn bekümmerte; er war wie ein alter Student, der lange Zeit nicht unter die Hände der Mutter gerieth, dem die Knopflöcher des Sammetrockes ausrissen und dem die Knöpfe abfielen, der ganz aus der Wäsche kam, und der sehr schlechte Stiefeln besaß. Es that mir leid um den Dom. Vergebens war es, daß die kleinen Mitbürger des großen Mannes jährlich einmal ein paar Schoppen Weißen weniger tranken als sonst und das Ersparte mit auswärtigen Beiträgen zusammenthaten und einem klugen Dombauschneider mit seinen Gesellen den Auftrag gaben, wenigstens das Nothdürftigste zu repariren, damit der alte Herr doch nicht ganz unter die Füße komme, und sich wenigstens als ehrlicher und anständiger Bürger Kölns sehen lassen könne — vergebens war dies! Was geschah, es war doch nur halbes Werk, es war kaum der Rede werth und wenn die pfiffigen Franzosen und die stolzen Britten oder die dicken Holländer an ihm vorübergingen, da blieben sie nicht selten stehen und schüttelten mit den Köpfen und sprachen: Seht, wie die Deutschen ihren alten Vater Dom vernachlässigen! Ach, stände er bei uns, wie wollten wir ihn pflegen und wohlauf halten, daß es eine Freude wäre! So sprachen sie und manchem guten Kölner schmeckte dann der Wein doppelt so sauer als sonst. Aber die Zeiten haben sich gebessert. Der Dom ist wieder auf den Strumpf, ja, auf einen grünen Zweig gekommen. Er sieht aus wie ein Mensch, der ein Viertel vom großen Loos gewann; wie Jemand, der seine Schulden bezahlte; wie ein Vater, der alle seine schönen und häßlichen Töchter unter die Haube brachte, und es konnte nicht fehlen, daß er sich bei seiner sechshundertjährigen Geburtsfeier im höchsten Grade stattlich und wohlgefällig ausnahm. Wie meine Leser aus der Ueberschrift sehen, hatte ich mir vorgenommen diesen Geburtstag in seiner ganzen Erhabenheit zu schildern und ich wäre auch gewiß schon längst im besten Zuge, wenn ich nicht über Hrn. v. Gagern, über seinen Sancho, über den herrlichen Dulder Hiob, über die Kölnischen Stadtsänger und über so viele andere Männer des Jahrhunderts gestolpert, und von dem unsterblichen Diner des Gürzenich erst eben wieder mit heiler Haut in die frische Luft hinausgepurzelt wäre. Die Götter wissen es, nichts ist leichter, als Das zu schildern, was man gesehen hat und ich würde auch die Domfeier beschreiben können, den ganzen Zug, die ganze Fahnen und Blumen geschmückte Kolonne, wenn ich, leider, nicht statt des Schauspieles die Zuschauer, statt der bärtigen Bürgerwehr, der frommen Dombaufreunde, der braven Steinmetze und der betenden Pastöre, die lieblichen Frauen und Mädchen betrachtet hätte, die rechts und links aus den Fenstern und von den Dächern herabnickten mit ihren Vergißmeinnicht-Augen, mit ihren seligen Locken und mit jenem verfluchten Lächeln, das uns arme Männer noch um all unsern Verstand bringen wird, wenn wir sie nicht todtherzen und todtküssen, jene entsetzlichen kleinen Personen, so viele es ihrer gibt, und ihnen ein Grab machen in unsern Armen und sie versenken an unserer liebeklopfenden Brust. Wenn ich daher meinen Lesern die wirkliche Dombaufeier so ohne Weiteres schildern sollte, so müßte ich sie dichten; aber ich liebe die Wahrheit von ganzer Seele, ich liebe die Göttin der Wahrheit, die so todternst aussieht wie eine egyptische Pyramide, wie ein kahler Apostel oder wie ein lateinischer Schweinslederband, ich liebe sie eben so aufrichtig wie die trügerisch lachende Göttin der Lust, wenn sie uns ihren Lilienbusen zeigt und uns den Champagner in die hohen krystallenen Gläser gießt, auf daß wir lieben und trinken möchten die dämmerige Lenznacht hindurch, bis der Morgen kommt, der fatale Morgen, wo man zu schwarzem Kaffe greift, ohne Zucker und Milch, und wo einem mit Schrecken einfällt, wie doch Alles auf Erden vergänglich ist, Pyramiden und Apostel und Schweinslederbände, ja sogar der Champagner, ein Lilienbusen und die Luft der ambrosischen Lenznacht. Als ich mich daher gestern hinsetzte, um die Schilderung meiner Dombaufeier fortzusetzen, da langte ich, um ja nicht auf Irrwege zu kommen, nach dem Born aller Wahrheit, nach der Kölnischen Zeitung, die uns schon während des Festes, so stehenden Fußes,

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 87. Köln, 27. August 1848, S. 0445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz087_1848/1>, abgerufen am 21.11.2024.